Horizonte 131 - Publizieren geht über Studieren

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DEBATTE

Soll der IQ mit emotionaler Intelligenz ergänzt werden? JA mehr als hundert Jahren entwickelt. Wie wir arbeiten, NEIN Aufgabe gemacht, Unterschiede zwischen

mit anderen interagieren und im Alltag leben, hat sich seither fundamental verändert. Dennoch messen wir den IQ noch weitgehend nach denselben Kriterien. Wir müssen neue Ansätze finden, um die Intelligenz von Menschen im 21. Jahrhundert zu erfassen. Emotionale Intelligenz (EI) – die Fähigkeit, Emotionen bei sich und anderen zu erkennen, zu verstehen und zu regulieren – ist ein solcher Ansatz. In IQ-Tests wird bewertet, wie Personen Zahlen, Symbole und logische Zusammenhänge erfassen und ver­ arbeiten. Das alles sind kalte, leblose Dinge. Emotionen dagegen geben den Wahrnehmungen Farbe und verleihen «Emotionale IntelliGegenständen eine andere Bedeutung, genz trägt dazu bei, indem sie diese positiv oder negativ ein sinnerfülltes bewerten und komplexere kognitive Leben mit positiven Funktionen wie Aufmerksamkeit, MoEmotionen zu tivation und Kreativität aktivieren. EI führen.» braucht es, damit wir die Rolle der Emotionen im menschlichen ZusamMarina Fiori ist Leiterin menleben berücksichtigen können. des Forschungsfelds EI ist als eine Form von Intelligenz Lernprozesse und Unterstützung an der Eidgenössi- zu betrachten, die zwar mit dem IQ in einem Zusammenhang steht, sich vom schen Hochschule für IQ aber doch so stark unterscheidet, Berufsbildung und hat viele dass sie ein neues Konstrukt bildet. Artikel zu emotionaler Zweifellos lassen sich mit dem IQ Intelligenz publiziert. schulische Leistungen vorhersagen. Andere wichtige Fähigkeiten deckt der IQ dagegen nicht ab, zum Beispiel, ob eine Schülerin den Draht zu Gleichaltrigen findet, sich gut integrieren kann oder die Schule als etwas Positives erlebt. Hier setzt die EI an. EI gehört zu den Kompetenzen, die gemäss WHO notwendig sind, damit wir ein zufriedenes Leben führen und gedeihen können. Als sozial hochentwickelte Tiere verfügen Menschen über komplexe Fähigkeiten, mit denen sie andere verstehen, Gefühle äussern und die Ausdrucksformen des Gegenübers deuten können. Hier liegen die Kernaspekte der emotionalen Intelligenz als Prognosekonzept für die Qualität von Beziehungen. Wir alle wünschen uns ein sinnerfülltes Leben mit positiven Emotionen. EI trägt dazu bei, dieses Ziel zu erreichen, da sie die Grundlage für den Aufbau tragfähiger sozialer Bindungen bildet. Wollen wir, dass unsere Kinder ein glückliches und erfülltes Leben führen, sollten wir ihre emotionale Intelligenz stärker fördern als ihren IQ.

Die Psychologie hat es sich seit jeher zur

Menschen zu systematisieren und zu quantifizieren. Dafür wurden Tests entwickelt, die bestimmten Qualitätskriterien genügen müssen. Von Personenmerkmalen spricht man, wenn Test­ ergebnisse über die Zeit und über Situationen hinweg stabil bleiben. Dies gelang zufriedenstellend für einige Charaktermerkmale, beispielsweise auf der Dimension Introversion-Extraversion, und es gelang sehr gut für das Merkmal Intelligenz. Darunter versteht man die Fähigkeit zum logischen Schlussfolgern und zur effizienten Informationsverarbeitung. Unterschiedlich gestaltete Testaufgaben zeigen hohe Korrelationen, was für eine allgemeine, inhaltsunabhängige geistige Leistungsfähigkeit spricht. Über die Lebensspanne hinweg bleiben Unterschiede in Intelligenztests sehr stabil. Intelligenzaufgaben lassen sich auf einer sehr genau abgestuften Schwierigkeitsskala anordnen, und der IQ wird als Abweichung vom Durchschnittswert quantifiziert. Man kann deshalb «Was als emotionale nicht nur vorhersagen, dass eine Per- Intelligenz bezeichson mit höherem IQ bei Schulnoten net wird, ist schlicht oder einem anderen quantifizierbaren Etikettenschwindel.» Kriterium mit grosser Wahrscheinlichkeit erfolgreicher sein wird als eine Per- Elsbeth Stern ist Professon mit einem niedrigeren IQ. Auch der sorin für empirische Lehrdurchschnittliche Vorteil lässt sich und Lernforschung an quantifizieren, den man mit jedem zu- der ETH Zürich und hat zahlreiche Bücher und Arsätzlichen IQ-Punkt hat. Solche Messqualitäten erreicht kein tikel zur kognitiven Intelanderes psychologisches Konstrukt. ligenz publiziert. Was als emotionale Intelligenz bezeichnet wird, ist schlicht Etikettenschwindel. Es ist der Versuch, die Reputation der kognitiven Intelligenzforschung zu nutzen, ohne Tests in entsprechender Qualität zu liefern. Probleme mit der Emotionsregulation erkennt man am Verhalten einer Person, Tests liefern selten zusätzliche Information. Ansonsten ist die Art und Weise, wie Emotionen unser Erleben und Verhalten beeinflussen, so vielfältig und so variabel, dass es anders als bei der kognitiven Intelligenz nicht gerechtfertigt ist, von einem Personenmerkmal zu sprechen.

Dezember 2021 51

Foto: Anne Gabriel-Jürgens/13 Photo

Foto: zVg

Das Konzept des Intelligenzquotienten wurde vor


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