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Debatte

Brauchen die Hochschulen mehr Teilzeitprofessuren?

JA «Das ist eine eingeschränkte Art, Professor zu sein», so sehen es viele Kolleginnen, wenn von Teilzeitarbeit bei einer Professur die Rede ist, zum Beispiel in Form von Jobsharing. Diese Meinung muss man nicht teilen, und sie ist im Übrigen Ausdruck eines eigenartigen Selbstbildes. Mir scheinen die Vorteile von Lehrstühlen mit Teilzeitpensum zu überwiegen. Den Betroffenen, die sich für ein Jobsharing entscheiden, bietet es die Aussicht auf ein Leben neben der Universität: Sie können sich Hausarbeit und Kindererziehung teilen, ihrer Partnerin oder ihrem Partner eine Karriere ermöglichen und sich politisch, sozial, sportlich oder künstlerisch engagieren. Nicht alle streben danach, dass auf ihrem Grabstein steht: «Er hat nur für die «Nicht alle streben Universität gelebt.» danach, dass auf Für die Studierenden liegen die Vorihrem Grabstein steht: ‹Er hat nur für die Universität gelebt.›» teile auf der Hand: Zwei Professorinnen im Jobsharing, das bedeutet zwei Perspektiven, zwei Persönlichkeiten, zwei Lösungsansätze, zwei Adressbücher, doppelt so viel Zeit für die BetreuAlain Clavien ist emeritier- ung einer Masterarbeit oder Dissertater Professor für Zeitge- tion, doppelt so viele Projekte beim schichte an der Universität Schweizerischen Nationalfonds. Freiburg. Er forscht zu Jobsharing bietet auch Chancen für Arbeiterbewegungen, den Nachwuchs. Das Modell muss Intellektuellen und dem nicht gleich zur Regel werden, aber kulturellen Leben. Teilzeitarbeit ermöglicht unterschiedliche Karrierepläne und schafft mehr unbefristete Stellen an Hochschulen. Das ist ein nicht zu vernachlässigender Aspekt angesichts des zwar gut ausgebildeten Nachwuchses, der aber häufig das Nachsehen hat. Die Hochschulen sollten sich nicht auf das Modell des Wissenschaftlers versteifen, der ausschliesslich an die Karriere denkt und hektisch Stipendien, Aufenthalte und wissenschaftliche Artikel aneinanderreiht. In der aktuellen Krise an den Hochschulen, von deren Tiefe eine Reihe von Petitionen zeugt, ist Jobsharing eines von mehreren geeigneten Instrumenten, und es wäre schade, darauf zu verzichten. Das Kollegium der Professorinnen würde vielfältiger, und mit ihm auch die Forschung. Der Teilzeitprofessor Indiana Jones würde da sicher zustimmen. NEIN Hinter der Forderung nach mehr Teilzeitstellen bei Professuren stehen drei strukturelle Probleme der Universität: der Mangel an Nachwuchsstellen mitsamt den prekären Arbeitsbedingungen im Mittelbau, die Unterrepräsentation der Frauen und die Arbeitsbelastung bei einer festen Anstellung auf Professorenebene. Diese Probleme sind real und harren einer Lösung. Trotzdem sind Teilzeitprofessuren nicht die adäquate Antwort.

Im Einzelfall mögen diese zwar den Bedürfnissen einer Forscherin respektive eines Forschers in einem bestimmten Lebensabschnitt entgegenkommen. Als generelle Lösung für die akademischen Strukturprobleme können die geforderten Teilzeitstellen indes nicht taugen. Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie oft vorgeschlagen, die Stelle im 50-Prozent-Jobsharing mit entsprechend reduziertem Gehalt und geteilter Ausstattung ausgeschrieben wird.

Es stimmt zwar, dass damit zwei Personen eine Stelle erhalten statt nur einer. Im ausgeprägten universitären Statusdenken dürften sie aber kaum als vollwertige Professorinnen gelten, zumal, wenn sie entsprechend ihres Pensums nur über eine halbe Stimme in den universitären Gremien verfügen.

Und wozu soll die restliche Prozentzeit eingesetzt werden? Um Wissenschaft und Familienleben kompatibel zu machen? Oder um mehr Forschung zu ermöglichen, die neben den Administrationsaufgaben meist zu kurz kommt? Im ersten Fall ist die Gefahr hoch, dass sich vorwiegend Frauen bewerben. Obschon nicht intendiert, würde somit als Nebeneffekt ein patriarchales Familienmodell bekräftigt. Im zweiten Fall würde eine Aufgabe des professoralen Pflichtenhefts in die unbezahlte Freizeit verlagert.

Die Politik würde es zudem danken und sich die Chance einer Flexibilisierung der Anstellungen und einer Anpassung des Schweizer Lohnniveaus an Deutschland oder Frankreich nicht entgehen lassen. Statt individueller Lösungen wären grundlegende Reformen im Sinne flacherer Hierarchien und einer Umverteilung der Mittel zur Schaffung neuer Stellen und einer allgemeinen Reduktion der Arbeitsbelastung angebrachter. «Im ausgeprägten universitären Statusdenken dürften Teilzeitprofessorinnen kaum als vollwertig gelten.» Brigitte Studer ist emeritierte Professorin für Schweizer und neueste allgemeine Geschichte. Sie forscht zu Sozialstaat, Frauenbewegungen und Kommunismus.

«Die erziehe- rische Funktion des Kinos ist der Traum aller aktivistischen Filmschaffenden und Propagandaabteilungen.»

Martin Bürgin, Historiker an der theologischen Fakultät der Universität Bern, erforscht Filmgeschichte und kuratiert seit 2015 eine Reihe zu Skandalfilmen im Kulturhaus Royal in Baden. Seite 24

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