Detecon DMR blue: Transformation (Special)

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Detecon Management Report

DMR

leading digital!

blue 2013

Wir begleiten Unternehmen in die digitale Zukunft.

Special

l:

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Transformation

We make ICT strategies work• Detecon Management Report blue

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Detecon Management Report

blue

• 2013

Die Zukunft des Personalmanagements : Strategisch planen – exzellent operieren Nachhaltig online sein : Was man für die Umwelt und gegen den Digital Burnout tun kann Schöne neue Welt : Ein Arbeitsplatz der Zukunft Enterprise 2.0 : Transformation zu Vernetzung und Offenheit ist eine Managementaufgabe



Transformation Liebe Leserinnen und Leser, was haben „Integral Business“, „Smart-Working“, „Corporate Demography“ und „Enterprise 2.0“ gemeinsam? Sie sind Ausprägungen einer der größten und disruptivsten Entwicklungen des letzten Jahrhunderts: der vollständigen Digitalisierung, Virtualisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt. Einer schönen neuen Welt, in der es nicht nur um die Optimierung und Automatisierung von Sekundärprozessen geht, sondern um eine grundsätzliche Neudefinition von Arbeit und deren Sinnhaftigkeit. Der Erfolg dieser Entwicklung hängt nicht primär davon ab, den neusten technologischen Trends hinterher zu jagen. Vielmehr geht es darum, Technologien gezielt einzusetzen, um das Arbeitsumfeld zu optimieren, flexibel auf die Anforderungen unterschiedlicher Generationen zu reagieren und die Potenziale voll auszuschöpfen. Dies gilt nicht nur für die Art der Zusammenarbeit durch Etablierung neuer Führungs- und Performancemanagement-Ansätze und Einführung agiler ­Arbeitsmethoden. Es gilt auch für die Gestaltung des Arbeitsumfeldes – sei es durch das Angebot ­flexibler Arbeitsformen oder die weitreichende Etablierung von Smart-Office-Arbeitsplätzen, in denen Pool-Office, Think Tanks, Kreativ- und Entspannungszonen sowie „Business Labs“ ­dominieren und maßgeblich zur Arbeitsproduktivität beitragen. Zudem gilt es, zahllose, teilweise nicht aufeinander abgestimmte Transformationsinitiativen von Unternehmen konsequent auf die Unternehmensstrategie auszurichten und bereits bei der Strategiefindung die Umsetzung mit zu berücksichtigen. Das vielzitierte „Strategy Execution Gap“ kann es bei einer gut formulierten Strategie eigentlich nicht geben, wie die Ergebnisse unserer Transformationsstudie zeigen. Verlässt man die „Unternehmensinnensicht“, so stellt sich insbesondere bei der Generation Y, Z die Frage nach der Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen – nachhaltig im sozialen, ökonomischen sowie ökologischen Sinne. Dies fordert Unternehmen heraus, birgt aber auch Potenzial für neue, bis dato unbekannte Player auf dem Markt. Doch was bedeutet dies in der „Bottom-Line“? Wir befinden uns inmitten einer Neuordnung der Markt- und Lebensverhältnisse, in der sich klassische Grenzen auflösen: aus Work-Life-Balance wird Life-Balance, Kompetenz und nicht das Alter spielt zukünftig eine Rolle bei der Wettbewerbsfähigkeit des Einzelnen, klassische Konzernstrukturen mit hundertausenden Festangestellten weichen ­flexiblen und projektbezogenen Netzwerken, klassische disziplinare Führung verschwindet und macht Platz für fallbezogenes Coaching und Mentoring. Fragen nach „Sinnhaftigkeit“ und umfassender Nachhaltigkeit gewinnen an Stellenwert. Gleichzeitig müssen wir uns mit den Folgen einer „maßlosen Informiertheit“ und dem „Always-on-Syndrom“ auseinandersetzen. In dieser Gemengelage spielen Technologie und digitale Transformation die entscheidende Rolle: nicht nur Enabler, sondern auch Disruptor des 21. Jahrhunderts, Chance und Risiko zugleich. Mit dieser Ausgabe möchten wir Ihnen Impulse zum Nachdenken, zur Diskussion und zur ­aktiven Gestaltung dieser Zukunft liefern und wünschen Ihnen eine spannende Lektüre. Ihr Marc Wagner

Partner, Lead Transformation & HR Management

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Inhalt

Sequenziell statt linear

Neue Bilder von Alter, Arbeit und Vielfalt

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Die Zukunft des Personalmanagements

Strategisch planen – exzellent operieren

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Interview: Transformation Design

Über die Aufgaben und Herausforderungen von Transformationsgestaltern in Unternehmen des 21. Jahrhunderts

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Transformation Excellence

Empirische Insights über die Hebel zur Schließung der Lücke zwischen Strategie und Durchführung 14 Interview: Best Practice bei Deutsche Post DHL

„Transformation ist ein Dauerbrennerthema“

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Interview: Transformation der HR Services der Deutschen Telekom

Positives Image und noch viel Potenzial

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Integral Business (Teil 1)

Umdenken – Wert steigern!

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Integral Business (Teil 2)

Hands-on-Ansätze unterstützen integrale Transformationsprozesse

Impressum:

Herausgeber: Detecon International GmbH Sternengasse 14-16 50676 Köln www.detecon.com DMR@detecon.com

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Aufsichtsrat: Klaus Werner (Vorsitz) Geschäftsführung: Francis Deprez (Vorsitz) Dr. Jens Nebendahl Handelsregister: Amtsgericht Köln HRB 76144 Sitz der Gesellschaft: Köln

Druck: Kristandt GmbH&Co.KG Frankfurt/Main Fotos: Fotolia iStockphoto

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Im Gespräch mit Dr. Ignacio Campino, Vorstand DESERTEC Foundation

Transformation im Kontext von Klimawandel und anderen globalen Herausforderungen

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Von Green ICT zu Green Business

ICT-Sektor hat Vorreiterrolle in der nachhaltigen Gestaltung neuer Geschäftsmodelle 38 Nachhaltig „online“ sein

Was man für die Umwelt und gegen den Digital Burnout tun kann

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Interview: Enterprise 2.0

Transformation zu Vernetzung und Offenheit ist eine Managementaufgabe 46 Detecon Business LAB

Freiraum für Kreative und Visionäre

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Schöne neue Welt

Ein Arbeitsplatz der Zukunft

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Mobile IT und virtuelle Räume verändern die Zusammenarbeit

Neue Arbeitswelten

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Die Autoren

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Sequenziell statt linear

Neue Bilder von Alter, Arbeit und Vielfalt In Zukunft stehen wesentlich weniger Arbeitskräfte zur Verfügung als heute. Eine Reaktionsmöglichkeit besteht darin, ältere ­Menschen mit entsprechenden Maßnahmen effektiver und länger im Arbeitsleben zu halten. Dazu müssen sich Wahrnehmung und Verständnis von Alter und Lebensphasen sowie die Arbeitsgestaltung verändern. Diesen historischen Kulturwandel zu gestalten, ist die wichtigste Herausforderung der demographischen Entwicklung.

as Thema Alter polarisiert: Alle möchten alt werden, nur D alt sein möchte keiner. Die Wahrnehmung des Alters pendelt

schon seit der Antike zwischen Wertschätzung und Idealisierung sowie Marginalisierung und Abwertung. Heute fühlen sich ältere Menschen länger jung, später alt und nähern ihre Verhaltensweisen sowie die Art zu leben den Jüngeren an. Ist Altern also eine subjektive Wahrnehmung? Die Wahrnehmung des Alters Heute geraten die positiven Eigenschaften des Alters immer mehr in den Blick. Ältere Menschen können laut der Altersforscherin Ursula Staudinger tendenziell besser mit negativen Emotionen umgehen und sie einordnen, sie sind häufig sozial kompetenter und umgänglicher. Außerdem scheinen sie verlässlicher. Alter ist also nicht mehr automatisch gleichbedeutend mit nachlassenden Fähigkeiten oder Abbau. Der Feind des

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­ lters ist eigentlich nur Stillstand. Ursula Staudinger stellt sogar A fest, dass „das menschliche Gehirn nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen bis ins hohe Alter hinein veränderbar bleibt.“ (Quelle: www.ursulastaudinger.com). Darüber hinaus führen medizinische Erfolge dazu, dass alte Menschen auch in hohem Alter noch vitaler und gesünder sind als noch vor ­einigen Jahrzehnten. Innerhalb des letzten Jahrhunderts wurden etwa 30 Jahre an Lebenszeit für einzelne Individuen hinzugewonnen. Dies ist eine in der Menschheitsgeschichte einmalige Entwicklung. Aber was macht man nun mit dieser neu gewonnenen Zeit? Die hinzugewonnene Lebenszeit nutzen – doch wofür? Zumindest aus Politik und Wirtschaft lautet die Antwort häufig: Die Menschen sollten länger arbeiten, um der demographischen Entwicklung und dem Fach- und Führungskräftemangel entge-


genzuwirken. Tatsächlich scheinen die Beispiele von Personen zuzunehmen, die länger arbeiten, als sie es müssten. Als der FC Bayern das Champions League Finale gewann, waren die Augen auch auf den Trainer, Jupp Heynckes, gerichtet. Mit fast 70 Jahren erfüllte er sich mit dem „Triple“ einen Lebenstraum. Auf der anderen Seite streben viele Menschen aber auch der Rente entgegen und fragen sich: Aus welchen Gründen sollte man überhaupt noch länger arbeiten, wenn man nicht aus ­finanziellen Gründen dazu gezwungen ist? Arbeit, das bedeutete in den letzten Jahrzehnten für viele ­Menschen vor allem eines: geradlinige Erwerbsbiografien, die sich auf einen Beruf oder auf einen Arbeitgeber beschränkten. Der Ursprung dieser Linearität liegt im 19. Jahrhundert, als sich feste Arbeitsplätze außerhalb des Zuhauses bildeten und der Tag sich in festgelegte Arbeitszeiten und Freizeit einteilte. Ein ­Idealbild entstand: ein Beruf, ein Arbeitgeber, ein Leben lang – bis zur Rente. Mit ihrer Einführung hat sich die Zeit, die man mit Arbeit verbringt, im Verhältnis zur Lebensdauer immer weiter verkürzt. Die Arbeitszeit soll nun erstmals wieder verlängert werden. Hier stellt sich die Frage, wie man ältere Mitmenschen dazu motiviert. Die Antwort: Arbeit muss anders gestaltet werden, als es das geradlinige normale Arbeitsverhältnis der letzten Jahrzehnte vorsahen. Ehrenamtliche Tätigkeiten nach der Rente nehmen zu und zeigen, dass Arbeiten gewünscht wird – allerdings in anderen Modellen. Die Arbeit anders gestalten Die Instrumente für eine flexiblere räumliche und zeitliche ­Gestaltung der Arbeit sind bereits da: Arbeit kann dank Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten in vielen Fällen von nahezu überall zu jeder Zeit erledigt werden. Die etwa 200 Jahre alte Einheit von Arbeitsplatz und Arbeit sowie einer abgegrenzten Arbeitszeit bricht in den letzten Jahren wieder aus­ einander. Durch diese Fragmentierung lässt sich Arbeit flexibler einteilen, es entstehen neue, individuelle Zeitfenster, die sowohl für Kinder- als auch Elternbetreuung oder andere Tätigkeiten genutzt werden können. So können Lebens- und Arbeits­ modelle individuell zugeschnitten und aufeinander abgestimmt werden. Arbeit und Arbeitsgestaltung müssen sich in Zukunft an den Lebensphasen orientieren und die damit verbundenen Bedürfnisse berücksichtigen.

Diese bereits bekannte Flexibilität von Zeit und Ort der Arbeit, die vor allem in den letzten Jahren als Instrument für Mütter zum Einsatz kam, muss nun im Hinblick auf Ältere um das Kriterium der inhaltlichen Flexibilität ergänzt werden. Mit der Einsicht, dass sich das Gehirn bis ins hohe Alter weiterent­ wickeln und verändern kann, wird klar, dass Weiterbildung kein Verfallsdatum hat. Mehr noch: Lebenslanges Lernen ist notwendig, um gesund zu altern. Berufs- oder Tätigkeitswechsel werden deshalb auch mit zunehmendem Alter wichtiger. Denn Vitalität erhält das Gehirn nicht von allein, es benötigt geistige Anregung. Und genau dies hält Menschen länger jung. Die ­frühe Rente ohne neue Impulse und intellektuelle Herausforderungen kann schneller altern lassen als eine abwechslungsreiche Arbeitstätigkeit. Persönlichkeit statt Lebenslauf muss im Mittelpunkt stehen Statt linearen Biografien sollten also sequenzielle biografische Abschnitte ermöglicht werden, die Raum bieten für Auszeiten, berufliche Neuorientierung und Weiterentwicklung. Vor allem für Deutschland bedeutet das einen Wandel: Hier werden Mitarbeiter – anders als beispielsweise in Amerika – häufig auf ­ihren Lebenslauf und die nachgewiesenen Stationen reduziert. In Zukunft müssen aber die Person und die Persönlichkeit wichtiger werden. Lebenslanges Lernen und sequenzielle Biografien fruchten nur, wenn Personaler und Führungskräfte das Entwicklungspotenzial ihrer Mitarbeiter erkennen – und dieses ist keineswegs mit 40 Jahren ausgeschöpft. Unternehmen und die Gesellschaft haben hier gemeinsam die Chance, neue Bilder von Alter, Arbeit und Vielfalt zu prägen. Diesen Kulturwandel nicht nur zu ermöglichen, sondern ­aktiv zu gestalten, ist wichtig, denn die Veränderungen kehren teilweise Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, sogar Jahrhunderte um und sind damit nicht frei von Widerstand. Auf lange Sicht jedoch wird sich zeigen, dass diese Veränderungen zwar zunächst angestoßen wurden, um Ältere oder auch Frauen ­(länger) zu integrieren. Langfristig werden sie das Arbeitsleben aber so verändern, dass letztlich für jeden die individuelle Vereinbarkeit mit der Arbeit verbessert wird, das Arbeitsleben an die verschiedenen Lebensphasen angepasst und so vielfältiger und interessanter gestaltet werden kann als heute. Neben der Vielfalt innerhalb der Belegschaft wird so auch der individuellen Fülle, die sich mit einem längeren Leben sicherlich noch erhöhen wird, Rechnung getragen.

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Strategisch planen – exzellent operieren

Die Zukunft des Personalmanagements Neue Technologien revolutionieren unsere Kommunikation und unsere Arbeitsweise. Agilität, Einfachheit sowie ein Denken in Netzwerken bestimmen erfolgreiches, unternehmerisches Handeln der Zukunft. Auch das Personalmanagement muss sich darauf einstellen. önnen Sie sich eine Welt ohne Internet, Mobiltelefon, K Wikipedia, Google, Facebook oder Amazon vorstellen? Nein? Vor weniger als 20 Jahren war das Realität. Der technologische Fortschritt hat unser Kommunikationsverhalten revolutioniert. Er hat Marktkräfte auf den Kopf gestellt und neue Branchen hervorgebracht. Der internationale Wettbewerb wurde deutlich intensiver und Markteintrittsbarrieren in diesen Branchen auf ein Minimum reduziert. Zudem wurde der Begriff der ­„Wissensgesellschaft“ geprägt – eine Welt, in der sich das Informationsvolumen exponentiell entwickelt und ein Aspekt mehr und mehr in den Vordergrund rückt: der Mensch!

Die Veränderungen reichen in die Strukturen und Prozesse von Unternehmen hinein und haben zur Folge, dass dem „Management von Menschen“ eine besondere Bedeutung zukommt. In diesem Kontext liegt es auf der Hand, dass HR-Abteilungen ihre Rollen und Aufgaben stetig überdenken. Wie gewinne ich in einem zunehmend transparenten, internationalen Arbeitsmarkt die richtigen Talente („War for Talents“)? Wie halte ich meine „Top-Performer“ bei der Stange, wenn sie mit Jobofferten via XING, LinkedIn und Co. umworben werden? Wie gelingt es, unterschiedliche Kulturen zu integrieren und zu fördern? Wie kann ich mein Personal strategisch optimal steuern? Das sind nur einige Fragen, mit denen sich Personalverantwortliche aktuell beschäftigen. Aber was bedeutet das für die HR-Funktion von morgen? Und wie wird die Rolle in zehn Jahren aussehen? Aktuelle Situation im Personalbereich Das Ziel der Personalabteilung heute ist es, in einer a­ktiven Rolle in enger Zusammenarbeit mit dem Business zu o­ perieren.

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­afür ist es notwendig, gutes Know-how über interne D Geschäftsprozesse und ein grundlegendes Marktverständnis ­ zu besitzen. Ansonsten können konkrete Anforderungen von Seiten des Business nicht adressiert werden. Der Anspruch „inhaltlicher und strategischer Sparringspartner des Business“ bedeutet, auf ­Augenhöhe mit dem Business zu agieren. Die Herausforderung für Personalabteilungen ist es dabei, dass ­ sie administrative Prozesse wie Payroll oder Reporting bis ins ­Detail beherrschen müssen und gleichzeitig als HR Business Partner das Management unterstützen. Der technologische Fortschritt wird auch in Zukunft ein ­wichtiger Treiber für den HR-Bereich sein. Heutige stark administrativ geprägte HR-Aufgaben werden sich zukünftig teilweise zu anderen Akteuren wie Führungskräften, Mitarbeitern oder Freelancern verlagern oder vollständig IT-gesteuert wahrgenommen werden können. Dafür kommen neue hochstrategische Aufgaben auf den Personalbereich zu. Das heißt, Personalabteilungen konzentrieren sich in Zukunft auf Funktionen mit einer hohen strategischen Relevanz sowie einer hohen Komplexität. Mit Hilfe des in der Abbildung dargestellten HR-Produktportfolios lässt sich das Zielbild für die zukunftsfähigen Aufgaben von Personalabteilungen gut identifizieren. Kurz gesagt: Die Personalabteilung wird sich darauf konzentrieren, Aufgaben oberhalb der Wasserlinie wahrzunehmen. Funktionen, die durch eine niedrige strategische Relevanz und eine geringe Komplexität gekennzeichnet sind, können von zahlreichen inner- beziehungsweise außerbetrieblichen ­ Akteuren wahrgenommen oder automatisiert werden. Personalabtei-


Entscheidungskultur Corporate Enabling Services

Entrepreneur-Kultur

HR Reporting

Transformationskultur

HR Strategy

HR Policies

Organisationsentwicklung

Sozialpartner-Management

Vendor Management

Heute

Corporate Governance Services

HR Planning

HR-Produktportfolio der Zukunft

Zukunft

Innovationskultur

Entwicklungsprogramme

Professional & Advisory Services

Performance-Bewertung

Arbeitsverhältnis

Rechtsservice

Stellenbesetzung

Ideenförderung

Weiterbildung

Gehalt & Benefits

Abwesenheit

Ausbildung Payroll

Transactional & Employment Services

Arbeitszeit

Mobilität Health & Safety

Befragungen

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lungen können prinzipiell diese Funktionen weiterhin anbieten, liegen zukünftig aber „unter der „Wasserlinie“ und können durchaus von externen Playern erbracht werden, wenn dieses beispielsweise aus Profitabilitätsgründen gewünscht ist. Aufgabe des HR-Bereiches wird es sein, im Rahmen eines e­ ffektiven und effizienten Programm-Managements ­ ausgelagerte Services zu koordinieren und zu steuern. Aufbruch in eine neue Zukunft Das Ziel von HR wird es sein, Funktionen zu besetzen, die ­möglichst weit über der „Wasserlinie“ liegen. Dies sind Funktionen mit hoher strategische Relevanz und damit einher­ gehender hoher Komplexität. „Corporate Governance Services“ – HR Strategy, Sozialpartner- und Vendor Management, HR Planning – und mehr noch „Corporate Enabling Services“ – Entrepreneur-, Transformations-, Entscheidungs- und Innovationskultur – gehören hierzu. Welche tatsächlichen Schwerpunkte gesetzt werden, muss jede Personalabteilung in Abhängigkeit der Branche für sich selbst entscheiden. Ansatzpunkte hierfür können die folgenden ­Thesen liefern:

These 1: HR wird eine nachhaltige Entrepreneur-Kultur unterstützen. Wenn Unternehmen sich immer schneller wandeln müssen, wenn Technik und Produkte immer komplexer werden, dann müssen sich Organisationsformen der Arbeit diesen Entwicklungen anpassen. Stellenbeschreibungen, Organisationshandbücher und Rundmails werden der Dynamik des Wandels zukünftig nicht mehr gerecht. Gesucht sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Sinne des Unternehmens denken, also im besten Sinne „unternehmerisch“. Doch wie lässt sich das bewirken? Zuerst einmal müssen Mitarbeiter über Unternehmensziele vollständig informiert werden. Hierfür ist eine innerbetriebliche Transparenz erforderlich, die man bisher noch selten antrifft. Ergänzend müssen Mitarbeiter angeleitet und unterstützt werden, Unternehmensziele auf Arbeitsebene umzusetzen. Sie müssen das notwendige unternehmerische „Rüstzeug“ an die Hand bekommen und insbesondere die persönlichen Freiräume, die unternehmerisches Handeln erst ermöglichen.

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Diese „innere Entrepreneur-Kultur“ muss flankiert werden durch eine angemessene Fehlertoleranz, die dem Einzelnen eine gewisse unternehmerische Freiheit zugesteht. Dazu gehört ebenso die gezielte Förderung und Belohnung, zum Beispiel Bonussysteme, die verantwortungsvolles und unternehme­ risches Handeln honoriert. Aufgabe von Personalabteilungen muss es dabei sein, zum einen die notwendige Transparenz über das strategische Asset der Mitarbeiter im Unternehmen zu schaffen, als auch Mitarbeiter so zu schulen, dass sie im Sinne des Unternehmens denken und handeln.

These 2: HR wird sich zum anerkannten Enabler für Transformationen entwickeln. Die Dynamik von Transformationen wird weiter zunehmen. Darauf sind Führungskräfte sowohl im Hinblick auf das Transformationsmanagement als auch auf die Schaffung einer positiven Grundeinstellung gegenüber Veränderungen heute häufig nur unzureichend vorbereitet. Hier können Personalabteilungen die Rolle eines Transformation-Enablers noch stärker als bisher wahrnehmen. Erfolgreich wird diese Rolle zukünftig dann ausgefüllt, wenn es gelingt, alle Ebenen kognitiver Prozesse zu adressieren, also auch ­unbewusste Abwehrmechanismen. Durch die Einbeziehung unbewusster Ängste, Konflikte und Barrieren der Betroffenen in Transformationsprozesse können diese reibungsärmer organisiert werden. Dass das notwendig ist, ist keine neue Erkenntnis. Häufig mangelt es aber noch an der Umsetzung, da der optimale Transformation-Enabler fehlt. Das stellt eine Chance für Personalexperten im Unternehmen dar – letztlich können diese in die Rolle des „Transformation Coaches“ schlüpfen, welcher die Mitarbeiter bei einem k­ ontinuierlichen anhaltenden Veränderungsprozess begleitet. Die hohe Bedeutung des Themas aus Sicht HR wurde bereits in einigen Unternehmen erkannt und aktiv angegangen. So wurde zum Beispiel bei der Deutschen Telekom der Bereich „Transformational Change“ im Personalressort etabliert, um die Transformationsfähigkeit des Unternehmens zu fördern und zu beschleunigen. Wesentliche Instrumente des Telekom-Ansatzes sind eine virtuelle Plattform, die allen Mitarbeitern des Konzerns sowie externen Stakeholdern zur Verfügung steht und


Transformation gestaltbar machen soll. Zusätzlich werden Formate angeboten, die die virtuellen Angebote erweitern. ­Darüber hinaus soll ein Gebäudekomplex im Zentrum von Berlin einen physischen Ankerpunkt in der innovativen Gründerszene Berlins bilden.

These 3: HR wird eine Innovationskultur schaffen. Auch im 21. Jahrhundert sind Ideen immer noch die Ideen von Menschen, entweder von kreativen Einzelerfindern oder von perfekt zusammengesetzten Teams. Lange Zeit versuchte man im Rahmen des Innovationsmanagements, Innovationen systematisch zu planen, zu steuern und zu kontrollieren.

für sind flache Hierarchien sowie größere Entscheidungsspiel­ räume einzelner Mitarbeiter, die mögliche Auswirkungen von bestimmten Entscheidungen unmittelbarer einschätzen und überblicken können. Um auch in großen Unternehmen eine entsprechende Entscheidungskultur zu etablieren, müssen im Sinne der Subsidiarität Entscheidungskompetenzen von Führungskräften auf die Mitarbeiter übertragen werden. Gleichzeitig müssen die Arbeits­ bereiche so strukturiert werden, dass der einzelne Mitarbeiter die Auswirkungen seiner Entscheidungen möglichst genau abschätzen kann. Hierfür sind aber auch Fähigkeiten der Mit­ arbeiter – Stichwort: „unternehmerisches Handeln“ – notwendig, die stärker als bisher zu fördern sind.

Kreativität als Basis für Innovationen lässt sich allerdings nur schwer mit Aspekten wie Planung, Steuerung und Kontrolle in Einklang bringen. Deshalb muss es Ziel von Unternehmen sein, Innovationsbarrieren wie Nichtkönnen, Nichtwollen, Nichtdürfen, Nichttrauen durch eine offene Innovationskultur zu überwinden.

Eine weitere wichtige Aufgabe wird es sein, den inneren Widerstand von Führungskräften, Kompetenzen abzugeben, zu überwinden. Alle diese Aufgaben müssen von einer Personalabteilung in der Rolle als „Personen-Manager“ angegangen werden.

Personalabteilungen können diesen Prozess aktiv mitgestalten, indem sie den Prozess fördern und somit Innovation und agiles Arbeiten zur Aufgabe aller Mitarbeiter im Unternehmen wird. Die Aufgabe von HR ist es hier, Instrumente zu schaffen, um unternehmensweite Innovationen zu ermöglichen und gleichzeitig dabei selbst innovativ zu sein. Sie kann also zunächst im eigenen Bereich mit Impulswirkung auf andere tätig werden, zum Beispiel Freiräume für Kreativität schaffen, eingefahrene Denkweisen aufbrechen und eine Fehlerkultur initiieren, in der Fehler erlaubt sind und ein offener konkurrenzfreier Ideenaustausch möglich wird.

Agilität, Einfachheit sowie ein Denken in Netzwerken – das sind die Kernattribute von erfolgreichen Unternehmen im 21. Jahrhundert. Im Zentrum steht dabei auch die Fähigkeit eines jeden Mitarbeiters, sich „laufend selbst neu zu erfinden“. ­Personalabteilungen, die die Veränderung der HR-Funktionen als Chance begreifen, ihr Aufgabengebiet neu zu definieren und Funktionen mit einer hohen strategischen Bedeutung und ­hoher Komplexität wahrzunehmen, werden „oberhalb der ­Wasserlinie“ agieren und zum Unternehmenserfolg beitragen.

Den Wandel als Chance begreifen

These 4: HR wird eine neue Entscheidungskultur fördern. Entscheidungen werden in vielen großen Unternehmen durch Komplexität behindert oder verlangsamt: Komplexität interner Strukturen und Komplexität der eigentlichen Inhalte von Projekten, Prozessen und Märkten. Nicht grundlos bringt ein Vergleich von Konzernen mit mittelständischen Unternehmen bei letzteren eine herrschende schnelle Entscheidungskultur hervor. Ausschlaggebend hier-

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Interview: Transformation Design

Ăœber die Aufgaben und Herausforderungen von Transformationsgestaltern in Unternehmen des 21. Jahrhunderts

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Welche Bewusstseinshaltung müssen Führungskräfte in ihrem Unternehmen entwickeln, um eine Welt voller neuer Möglichkeiten erkunden zu können und andere dorthin mitzunehmen? In einem explorativen Gespräch mit dem DMR BLUE erläuterten Peter Schreck und David Gommé, Experten auf dem Gebiet des Transformation Design, ihre Ideen und Gestaltungsansätze.

D

MR: Herr Schreck, bevor wir gleich in medias res gehen: Wie ­definieren Sie den Begriff „Transformation Design“? P. Schreck: Bevor wir in unserem Gespräch näher auf die konkreten Aufgaben und die notwendige Geisteshaltung von Transformation Designern eingehen, möchte ich hier zunächst sinngemäß wiedergeben, was Wikipedia zum Begriff des Transformation Design zu sagen hat: „Allgemein gesagt ist Transformation Design ein am Menschen ausgerichteter, interdisziplinärer Prozess, der – häufig aus Gründen des sozialen Fortschritts – wünschenswerte und nachhaltige verhaltens- und formbezogene Veränderungen von Einzelnen, Systemen oder Organisationen zu schaffen bestrebt ist. Beim Transformation Design handelt es sich um einen mehrstufigen, schrittweisen Prozess, der auf große komplexe Themen – häufig auch gesellschaftliche Probleme – angewendet wird. Weil es beim Transformation Design darum geht, Gestaltungskompetenzen in unkonventionellen Bereichen anzuwenden, sind oft auch die Design-Ergebnisse unkonventionell. Transformation Designer können genauso gut eine Stellenbeschreibung oder eine neue Richtlinie gestalten, wie sie ein neues Produkt, eine neue Dienstleistung oder eine neue Organisation gestalten können. Dieses neu entstehende Fachgebiet vereint unterschiedliche Design-Disziplinen – unter anderem Service-Design, Nutzer-orientiertes Design, Konzept-Design, Informationsdesign, S­ ystem-Design, interaktives Design und Experience-Design – und arbeitet eng zusammen mit Disziplinen aus anderen Bereichen wie beispielsweise der Kognitions- und Wahrnehmungspsychologie, Linguistik, Architektur, Haptik, Informa­ tionsarchitektur, Ethnographie und Heuristik.” DMR: Herr Gommé, der Begriff „Design” ist in Bezug auf Trans­ formation nach diesem Verständnis in einem breiteren und ganz­ heitlicheren Rahmen zu verstehen, als ihn die meisten Menschen im herkömmlichen Sinn – Beispiel Produktdesign – kennen. Was also haben wir als Gestalter und Designer von Transformationsprozessen zu beachten, die viele Menschen bewegen, inspirieren und anleiten sollen?

D. Gommé: Einer der wichtigsten Punkte, die ich im Laufe meiner Karriere als Coach und Berater sowie durch meine Unterstützung von Führungspersonen bei der Verwirklichung ihrer Visionen für ihr Unternehmen gelernt habe, ist, wie wichtig es für eine Unternehmenstransformation ist, die Ursachen und das Wesen von Veränderungen beim Menschen zu verstehen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diejenigen Geschäftsvorhaben am erfolgreichsten waren, bei denen man zusätzlich zu den unternehmerischen Aspekten auch großen Wert auf die Förderung und Unterstützung der Entwicklung der Menschen gelegt hat. Um die Mitarbeiter eines zu transformierenden Unternehmens wirklich effektiv motivieren, inspirieren und führen zu können, müssen zwei unterschiedliche, aber eng miteinander ver­wobene Kontexte verstanden und bei der Gestaltung und Durch­ führung des Transformationsprozesses berücksichtigt werden: Erstens die Transformation eines Menschen als ­Ergebnis ­einer ­organisch verlaufenden persönlichen Entwicklung, und z­ weitens die Transformation eines Unternehmens als ­organisatorische Dynamik, die auf attraktive Nutzenversprechen und Wett­ ­ bewerbsvorteile fokussiert ist. Diese „Doppelhelix”, die sich aus der Kombination von Transformation bei Menschen und Transformation bei Unternehmen ergibt, nenne ich integriertes Transformations-Design. Integriertes Transformations-Design besteht aus einer Reihe ­ von Prozessen, die es einem Unternehmen ermöglichen, als hoch innovativer, auf entstehende Bedürfnisse und Herausforderungen schnell reagierender Mechanismus zu handeln und gleichzeitig einen sich stets weiter entwickelnden Standard der sozialen ­Verantwortung beizubehalten. DMR: Eine alleinige Fokussierung auf wirtschaftliche und techno­ logische Transformation reicht Ihrer Meinung also bei weitem nicht aus. Aber wie könnten Unternehmenskulturen und organisatorische Systeme aussehen, die in der Lage sind, die organische Transforma­ tion von einzelnen Menschen und Gruppen bewusst zu integrieren?

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Interdisciplinary

Fundamental

21st-century LeadershipDynamics

Transformation Design

Purpose

Holistic

Consciousness

Culture

Living Human Beings Capabilities Integral Integrated Transformation Designer Human Transformation Eternal Timeframes Evolution professional Universal principles Passion Perception Intuition Innovation Shift Startups Agile Facilitation Double-Helix Future Complex Self-awareness Systems Coworking Spiritual fluid Collaboration Network Manager CollectiveIntelligence Instincts Technology

Self-Organisation

Business Transformation Frequencies Atmosphere Community consumer-centric Pressure Energies

Social

Business Models Stress

D. Gommé: Um zwischen den einzelnen Personen einer Organisation, die eine tiefgreifende neue Zukunft für ein ­ Unternehmen herbeiführen sollen, eine echte Arbeitspartnerschaft aufbauen zu können, ist unbedingt sicherzustellen, dass die ­Beteiligten auch wirklich auf die Transformation vorbereitet werden und innerlich mental bereit sind. Dazu ist es ­essenziell, dass die jeweiligen persönlichen Werte, also dass, was die ­einzelnen Menschen in der Gruppe erreichen und beitragen ­wollen und was sie als ihre Mission betrachten, ausreichend Raum b­ ekommt, um gehört und definiert zu werden. Nur die Führungskräfte, die diese erfolgskritische A ­ufgabe in Transformationsprozessen erkennen und wirklich ernst ­nehmen, sind in der Lage, die menschlichen Transformations­ aspekte bei der Gestaltung einer aufregenden neuen Zukunft für ihr Unternehmen zu integrieren. Sie und ich gemeinsam, wir machen die lebendigen Strukturen der Veränderung und Transformation aus. Die Herausforderung für den Designer der integrierten Transformation ist die Gestaltung von Prozessen, Aufgaben und ­Systemen, die „sammeln”, was in den Mitarbeitern vorgeht – die Entwicklung neuer Wertesysteme, neuer Bedürfnisse und neuer Ideen und Fähigkeiten – die dann als leistungsstarke Transformationskatalysatoren verwendet werden, um eine neue, zukunftsorientierte Unternehmenskultur zu schaffen. Vorausgesetzt, ein Unternehmen ist gut geführt, kann die von seinen Mitarbeitern hervorgebrachte kollektive Intelligenz die Organisation von innen heraus verändern. In vielen Fällen verfügen die Führungskräfte jedoch selbst noch nicht über die notwendige persönliche Entwicklung und Fähigkeit, die eigenen Mitarbeiter so zu inspirieren und zu führen, dass sich eine kollektive Intelligenz herausbilden kann.

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P. Schreck: Herr Gommé, können Sie uns ein Beispiel für ein Unternehmen nennen, welches Ihrer Meinung nach besonders gut darin ist, den Blick auf den Menschen und seine Bedürfnisse in seine Design-Prozesse zu integrieren? D. Gommé: Apple ist bei der Einbeziehung des Menschen im Designprozess in den vergangenen Jahren viel konsequenter gewesen als andere Wettbewerber und hat so einen unglaublichen Erfolg mit anwenderorientierten, benutzerfreundlichen Designs gehabt. Die Erfolgsstory von Apple verdeutlicht die grundlegende Verschiebung und Trend-Veränderung von Produkt- zu Verbraucher-orientierten Innovationsansätzen. Der Ansatz von Apple hinsichtlich Innovation war – und ist immer noch – die Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen, die, relativ gesehen, eher zweckorientiert sind als „einfach ein bisschen anders als die von den Wettbewerbern am Markt angebotenen Produkte“. P. Schreck: Was genau meinen Sie mit zweckorientiert? D. Gommé: Bei Apple ist die Einbeziehung der „Touch”-­ Dimension ein gutes Beispiel dafür, wie ein Unternehmen „zweckorientierte” Produkte gestaltet. Bei zweckorientiertem Design geht es darum, Erlebnisse anzubieten, die für die Nutzer intuitiv sind. Diese Art von Design ist an die natürlichen physischen Gegebenheiten des Menschen angepasst und ­ steht im Einklang mit den natürlichen Instinkten der Nutzer, ­wodurch es sehr attraktiv wirkt.


P. Schreck: Worin besteht dann die zentrale Herausforderung für Führungskräfte, die ihre Unternehmen in Organisationen verwandeln möchten, die zweckorientiertes Design entwickeln? D. Gommé: Die größte Herausforderung in den nächsten Jahren wird die Entwicklung von Umgebungen und Netz­ ­ werken sein, die in einer Art und Weise zusammenarbeiten, bei der die Übernahme von Verantwortung und Verpflichtung in Fleisch und Blut übergegangen ist und damit die Denkweise der „integrierten Transformation” gelebt wird. Schauen wir uns noch einmal Apple an: Apple hat jetzt die Aufgabe, den Geist und die Vision von Steve Jobs in etwas zu transformieren, das die Mitarbeiter von Apple auch ohne einen anderen Steve Jobs bewerkstelligen können. Man könnte die große Herausforderung, der dieses Unternehmen heute gegenübersteht, so zusammenfassen: Wird Apple in der Lage sein, eine neue Art von Führung zu etablieren, die das enorme kreative Potenzial seiner Mitarbeiter freisetzt?

Angesichts dessen glaube ich, dass die gleichen Herausforderungen, denen wir in der Zusammenarbeit mit den offenen Bereichen der Freiberufler und Start-up-Unternehmen begegnen, auch für die Transformationsbemühungen größerer Unternehmen relevant sein werden. Unternehmen fangen an, zu verstehen und zu akzeptieren, dass sie einen offeneren und informelleren Ansatz in Bezug auf die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern verschiedener Abteilungen und den Menschen außerhalb der Unternehmensgrenzen benötigen. Für den Erfolg wird es entscheidend sein, dass gute Facilitator ­neben guten Managern arbeiten, damit die oft starren Strukturen von Unternehmen in fließende Netzwerk-Organisationen umgewandelt werden.

DMR: Herr Schreck, was für eine Art von Führung ist erforderlich, um die kreativen Potenziale von Menschen in einem Transforma­ tionsprozess freizusetzen?

Peter Schreck ist Gründer von Idea Republic, einem kreativen Beraternetzwerk, welches Organisationen bei der Stärkung ihrer Kooperations- und Innovationsfähigkeiten mit dem Einsatz von innovativen FacilitationMethoden, Innovationsprodukten und -räumen unterstützt. Detecon ist ein Kooperationspartner von Idea Republic.

P. Schreck: Eine Führungsrolle, die für Transformation ­Designer in Zukunft immer wichtiger wird, um kreative ­Prozesse zu ­befördern, ist die Rolle des Facilitators, also eines „Ermög­ lichers“ von sich selbst organisierenden Entwicklungsprozessen. Diese Rolle unterscheidet sich dabei erheblich von der Rolle des Managers. Facilitator ermöglichen zwischenmenschliche Interaktionsprozesse, im Rahmen derer positive Energien und potenziell brillante Ideen wachsen und gedeihen können. Gutes Management wird natürlich auch weiterhin unverzichtbar sein. Allerdings ist eine wirksamere Balance zwischen diesen beiden Rollen dringend erforderlich. Manager stehen eher im Rampenlicht, während Facilitator im Hintergrund wirken, um Menschen in die Lage zu versetzen, ihr Potenzial – einzeln und gemeinsam – zu erkennen.

David Gommé ist der Gründer von Capable Dynamics und gehört zum Beraternetzwerk von Idea Republic. Er arbeitet schon seit mehreren Jahrzehnten als Executive Coach und Berater für Organisationsentwicklung. Der Fokus seiner Arbeit liegt auf der Potenzialentwicklung von Menschen.

DMR: Herr Schreck, Sie haben eine Menge Erfahrung gesammelt, und zwar nicht nur innerhalb großer Organisationen, sondern auch zwischen Organisationen und Einzelpersonen. Bitte teilen Sie mit uns Ihre wichtigsten Erkenntnisse in Bezug auf die inter- und intra-organisatorische Zusammenarbeit. Was benötigt man für das Design eines wirksamen Transformationsprozesses? P. Schreck: Was meiner Ansicht nach wirklich funktioniert und gebraucht wird, sind professionelle Facilitator, die Menschen unterstützen, wenn diese einer neuen Netzwerk-Community beitreten. So können sich Gruppen bilden, die ihre Interessen und Ziele teilen und effektiv zusammenarbeiten.

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Transformation Excellence

Empirische Insights über die Hebel zur Schließung der Lücke zwischen Strategie und Durchführung Maßnahmen zur Verbesserung der Leistung sowie Transformationsprogramme sind in den meisten Unternehmen heutzutage Realität. Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Unternehmen mit einer erheblichen Lücke zwischen Strategie und Durchführung konfrontiert sind. Diese Befragung wurde entwickelt, um Insights über zentrale Hebel zur Minimierung dieser Lücke zwischen Strategie und Durchführung zu geben.

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ransformationsinitiativen sind idealerweise aufeinander abT gestimmt und konsequent auf die Unternehmensstrategie aus-

gerichtet. In der Realität sieht das allerdings oft ganz anders aus. Um Insights hierüber zu erhalten, haben wir für eine Befragung insgesamt 54 Hypothesen aufgestellt, die die zentralen Aspekte der Leistungssteigerung und Transformationsprogramme beschreiben, und zirka 800 Experten aus den entsprechenden Bereichen zu ihren Erfahrungen befragt. Diese Experten hatten verschiedene Rollen in diesen Programmen: Sie waren Sponsoren – typischerweise auf CxO-Ebene –, interne Programmleiter oder Workstream Leader, interne Experten oder externe Berater. Sie wurden gebeten, die 54 Hypothesen in den nachstehend aufgeführten Bereichen zu bewerten: • Treiber, Ambitionsebene und Impact • Führung, Denkweise und Kultur • Organisation und Governance Style • Prozesse, Methoden und Tools.

Eine Evaluierung der Lücke für jede Bewertung, die die Ist-­ Situation und die Auswirkung auf den künftigen Erfolg betrifft, ermöglicht eine Bestimmung der Hebel, die am effektivsten für die erforderliche Verstärkung der Maßnahmen sind. Sie wurden für alle Teilnehmer und für jede einzelne Teilnehmergruppe – das heißt Sponsoren, interne Programmleiter, interne Experten und externe Berater – analysiert. Teilnehmerstruktur Nach Durchführung einer sehr sorgfältigen Validierung verfügten wir über 104 vollständige Datensätze, die wir für die Bewertung verwenden konnten. Die Daten geben Einblicke in die Wahrnehmung von Experten aus Unternehmen wie BMW, Continental, Credit Suisse, Deutsche Bahn, Deutsche Post Worldnet, EnBW, Hewlett Packard, Ikea, Merck, OET, RWE, SAP, Schott, Deutsche Telekom, Volkswagen und Zurich. Die Teilnehmer ...

Ihre Bewertung erfolgte unter Berücksichtigung dieser Fragen: • Stimmt die für jede Aussage beschriebene Situation mit der aktuellen Situation in dem ausgewählten Programm (ganz oder teilweise) überein oder (ganz oder teilweise) nicht überein? • Wird die Auswirkung auf den nachhaltigen Erfolg der künftigen Leistungssteigerung oder Transformationsprogramme als negativ, neutral oder positiv eingestuft?

... sind in Bezug auf ihre Rollen angemessen aufgeteilt: zirka 40 % Projektmanager, 40 % Berater, 5 % Sponsoren und 15 % Stakeholder; ... sind sehr erfahren; zirka 50 % haben mehr als 80 % ihrer Zeit für Transformationsvorhaben aufgewendet; ... sind verantwortlich für umfangreiche Transformationspro­ gramme: zirka 50 % gaben an, dass mehr als 100 Projektmit­ glieder beteiligt sind, bei 30 % waren es mehr als 11 Berater und zirka 40 % führen eine Mitarbeiterzahl von mehr als 10.000. Zentrale Fragen und Befragungsansatz

Sponsoren

Organisatorische Leistungsfähigkeit

Bewertung der 54 Hypothesen in den Bereichen

Das Ziel: Entwicklung mit idealen Transformationsfähigkeiten Lücke zwischen Strategie und Durchführung

Welches sind die Hebel, die die Lücke zwischen Strategie und Durchführung schließen? Zeit

Ist-Situation: Entwicklung mit eingeschränkten Transformationsfähigkeiten

Programmleiter

Ist-Bewertung

Bewertungsverteilungsanalysen

• Treiber, Ambitions ebene & Impact • Führung, Denkweise & Kultur • Organisation & Governance Style • Prozesse, Methoden & Tools Betroffene Stakeholder, Experten

Hebel-Rankings pro Teilnehmergruppe

Lücke = Bedarf an Verbesserungen Bewertung der Auswirkung auf die Situation, die in der Aussage über den Erfolg künftiger Programme beschrieben wird

Die wichtigsten Hebel Korrelationsanalysen Analysen verbundener Aussagen

Externe Berater

Quelle: Detecon

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Ergebnis der Befragung: Die Top-Ten-Hebel zur Verbesserung Die Befragung spiegelt die Erfahrung der Experten für Business Transformation aus einem breiten Branchenumfeld ­wider. Die Wahrnehmung über Erfüllung und Übererfüllung der ­Programmziele, die intern und extern offiziell kommuniziert werden, ist wesentlich höher (70 %) als die persönliche Wahrnehmung (40 %). Die Top-Ten-Hebel weisen auf einen erheblichen Bedarf an Verbesserungen in Bezug auf Vertrauen, Kultur, Kommunikation, Methoden und Tools hin. Im Vergleich zu allen anderen Teilnehmergruppen lässt sich bei den Sponsoren eine auffallend positive Wahrnehmung der Ist-Situation feststellen. Insgesamt gesehen haben die Teilnehmergruppen stark ab­ ­ weichende Wahrnehmungen über den Handlungsbedarf bezüglich der 54 Hebel. Ihre Auswahl der Top-Ten-Hebel ­ ­unterscheidet sich ganz erheblich. Die Ergebnisse im Einzelnen: Mit Ausnahme der Gruppe der Berater sehen alle Teilnehmer die Hypothese „Die Führungsteams in den unterschiedlichen operativen Einheiten kooperieren auf der Grundlage von Vertrauen.“ an erster Stelle in Bezug auf den Bedarf an Verbesserungen. Die Aussage: „Wir verfügen über eine effektive Lernkultur und Lernprozesse.“ fällt bei den Sponsoren und Stakeholdern nicht unter die Top Ten. Die Aussage: „Wir sind hochprofessionell, wenn es um das ­Managen von Komplexität unserer alten Strukturen, Prozesse und Systeme geht, um Einschränkungen zu vermeiden und ­disruptive Änderungen zu ermöglichen.“ rangiert bei allen Teilnehmergruppen unter den Top Ten, ­obgleich nur an neunter Stelle bei den Projektleitern. Zirka 60 % der Sponsoren betrachteten die Ist-Leistungs­ situa­tion als ziemlich gut, wobei nur 22 bis 33 % der anderen ­Gruppen dieser Aussage zustimmen.

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Während die Mehrzahl der Teilnehmergruppen dem Erfolg große Bedeutung beimessen (>70 %), teilt nur weniger als die Hälfte der Projektleiter diese Auffassung. Der Hebel: „Wir verfügen über eine realistische Zuordnung der Ressourcen, um Projekterfolg im Hinblick auf Personen und Fähigkeiten zu erzielen.“ hat oberste Priorität für externe Berater, Stakeholder und Projektleiter, aber nicht für Sponsoren. Der Grund dafür ist, dass 71 % der Sponsoren die Ist-Situation positiv wahrnehmen, während nur zirka 30 % der anderen Teilnehmer die aktuelle Situation als befriedigend bewerten. Ausschließlich für die Berater ein Hebel ist die Kooperation auf der Basis von Vertrauen: „Die Mitarbeiter in den unterschiedlichen operativen Einheiten kooperieren auf der Grundlage von Vertrauen.“ Nur ein Drittel der externen Berater und 20 % der Stakeholder bewerten die Ist-Situation positiv, während fast 60 % der Projektleiter und Sponsoren die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern als positiv wahrnehmen. Gleiches gilt für den Hebel: „Die Geschäftsstrategie kann von einem großen Teil der Mitarbeiter erklärt werden.“ Er wird nur von den Beratern als Top-Hebel eingestuft. Für die Sponsoren beispielsweise steht dieser Hebel an 21. Stelle. Die Sponsoren wiederum (zirka 90 %) nehmen die Ist-­Situation bezüglich dieses Aspekts als sehr positiv wahr, während ­weniger als die Hälfte der Projektleiter und Stakeholder mit der Ist-­ Situation zufrieden sind. Die Berater bilden die kritischste Gruppe, da von ihnen nur 22 % die Ist-Situation als befriedigend ­bewerten. Der Hebel: „Wir verfügen über eine realistische Zuordnung der Ressourcen, um Projekterfolg unter Berücksichtigung des ­Faktors Zeit zu erzielen.“ ist insbesondere für Projektleiter, aber auch für Berater wichtig, während andere Teilnehmer diesem Hebel nur mittelmäßige Bedeutung beimessen. Erstaunlich ist wiederum, dass fast 60 % der Sponsoren die Ist-Situation positiv wahrnehmen, während nur ein Drittel der anderen Gruppen die Ist-Situation dieses ­Aspekts positiv bewerten.


Die Aussage: „Unser Transformationsprozess, unsere Transformationsmethoden und -Tools sind sehr leistungsstark und ­effizient.“

Interne Experten: Prozesstransparenz, Ergebnisorientierung, Business-Case-Standardisierung und Nachvollziehbarkeit der Strategie.

wird nur von den Stakeholdern und Projektleitern als einer der wichtigsten Top-Ten-Hebel bewertet; fast 60 % der Sponsoren betrachten diesen Aspekt wiederum als selbstverständlich.

Programmleiter: Effektives Lernen, übergreifende Initiativen, realistische Ressourcenzuordnung, Verantwortlichkeit der ­Manager und die Einstellung der Mitarbeiter.

Hervorzuheben ist, dass zwei Drittel der Stakeholder der IstSituation kritisch gegenüberstehen und erstaunliche 80 % die Transformationsmethoden und -Tools für den Erfolg als äußerst wichtig betrachten, während dies weniger als die Hälfte der Projektleiter tun.

Externe Berater: Vertrauen innerhalb der Mitarbeiter und Transparenz in Bezug auf die Kunden und deren Bedürfnisse.

Der Hebel: „Die Manager sind so lange verantwortlich, bis sich die Auswirkung zeigt.“ wird nur von den Projektleitern als wichtiger Hebel betrachtet und nimmt bei den Sponsoren lediglich den 25. Platz ein. Ungefähr die Hälfte der Projektleiter betrachtet die Ist-Situation als befriedigend. „Der Amortisationszeitraum ist zur Unterstützung der grundlegenden Änderungen ausreichend.“ Projektleiter und Stakeholder ordneten diesen Hebel unter die Top Ten ein. Nur ein Viertel bis weniger als die Hälfte der Berater, Projekt­ leiter und Stakeholder ist zufrieden mit der Ist-Situation, ­während fast 60 % der Sponsoren die Auffassung vertreten, dass der Amortisationszeitraum lang genug ist. Wir haben bei diesen Insights noch stärker nachgehakt und die Top-Ten-Hebel je nach Teilnehmergruppe näher unter die Lupe genommen. Detaillierte Angaben zu den Bewertungen nach Teilnehmergruppe Die Top-Prioritäten der einzelnen Teilnehmergruppen, wenn es um Verbesserungen geht, stellen sich wie folgt dar:

Schlussfolgerung und Empfehlung Die Top-Ten-Hebel weisen auf einen erheblichen Bedarf an ­Verbesserungen in Bezug auf Vertrauen, Kultur, Kommunika­ tion, Methoden und Tools hin. Bei den Sponsoren lässt sich eine auffallend positive Wahrnehmung der Ist-Situation feststellen. Bezogen auf alle Top-Ten-Hebel verfügen die Teilnehmer­ gruppen über eine stark abweichende Wahrnehmung, wenn es um den Handlungsbedarf geht, und die Top-Ten-Hebel unterscheiden sich auch bei den einzelnen Teilnehmergruppen erheblich. Wir empfehlen Maßnahmen zur Steigerung der Sensibilisierung bei den verschiedenen Akteuren, die in Transformationsprogramme eingebunden sind. Dies zielt auf den Umstand, dass Kollegen gegebenenfalls eine völlig andere Wahrnehmung des Ist-Zustands in Bezug auf spezielle Transformationsaspekte, die Auswirkung dieser Aspekte auf den Erfolg der Transformationsprogramme und das Bedürfnis nach Verbesserung dieser Aspekte haben. Es ist offensichtlich, dass das Schließen der Lücke zwischen ­diesen unterschiedlichen Wahrnehmungen und die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der speziellen Schwerpunktbereiche zu einer Verbesserung einer Zielerreichung der Transformationsprogramme führen wird und somit zur ­Schließung der Lücke zwischen Strategie und Durchführung erheblich beiträgt. Eine weitergehende Analyse des Feedbacks und die Einbettung der Insights in die speziellen Transformationskontexte, auf denen diese Ergebnisse basieren, bilden die nächsten ­Schritte, die es vorzunehmen gilt.

Sponsoren: Kommunikation, aktive Beteiligung des Top-­ Managements, realistische Budgets, Verantwortlichkeit der Manager sowie hochgesteckte Ziele, wenn es um Verbesse­­ rungen geht.

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Interview Best Practice bei Deutsche Post DHL

„Transformation ist ein Dauerbrennerthema“ Klaus Kenfenheuer ist Vice President Project Controlling (Corporate Controlling) bei Deutsche Post DHL. Er gilt als Experte für Transforma­tionsprojekte.

Klaus Kenfenheuer hat als Vice President Project and Investment Controlling federführend eine Vielzahl von Restrukturierungs- und Transformationsprojekten bei der Deutschen Post DHL begleitet – zuletzt unter anderem die Abwicklung des domestic US-Express-Geschäfts. Wir sprachen mit ihm über Erfolgsfaktoren, Methoden und Herausforderungen.

DMR: Herr Kenfenheuer, wie schätzen Sie den Stellenwert des Themas Transformation bei der Deutsche Post DHL ein? Kenfenheuer: Als global agierendes Unternehmen in einem sehr dynamischen Markt ist das Thema Transformation n ­ atürlich ein „Dauerbrennerthema“ und ins Tagesgeschäft übergegangen. Grundsätzlich können dabei grob drei Formen von Transformationsprogrammen unterschieden werden. In die erste Kategorie fallen Projekte, die notwendige strukturelle Anpassungen beinhalten. Dazu gehört auch, so genannte „Trigger-Events“ um strukturelle Probleme wie b­ eispielsweise vor einigen Jahren die Restrukturierung des US-Express-­ Geschäftes anzugehen. In der zweiten Kategorie konzentrieren wir uns vor allem auf die Reaktionen auf makroökonomische Veränderungen wie jüngst die Finanzkrise. Hierzu haben wir Programme umgesetzt, zum Beispiel das „Index-Programm“ (Indirect costs excellence), welches gezielt eine nachhaltige Verbesserung unserer Kostenstruktur unterstützt.

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Zusätzlich zu den beiden erstgenannten Kategorien haben wir aber auch zahlreiche kontinuierlich durchgeführte Effizienzprogramme mit dem Ziel, die Produktivität zu steigern und kontinuierlich unsere Prozesse zu optimieren. Letzteres ist dabei durchaus vergleichbar mit Ansätzen aus der Automobilindustrie. DMR: Welche wesentlichen Trends zeichnen sich dabei aktuell ins­ besondere im Bereich der Effizienzsteigerungsthemen ab? Gibt es standardisierte Verfahren? Kenfenheuer: Wir versuchen verstärkt, „Center of Excellence“Einheiten im Unternehmen zu verankern. Vorher glichen die einzelnen Einheiten häufig eher einer Reihe von Einzelsilos. Der Aufbau solcher „Center of Excellence“-Einheiten verstärkt die Standardisierung, beispielsweise im Bereich Reporting Topics, sie bündeln das Know-how und stellen es zentral bereit, auch als Lösung für die Abhängigkeit von Schlüsselressourcen. Zudem ist es einfacher, neue Tools oder Updates auf einer zentralen Plattform bereitzustellen.


DMR: Wie werden Erfahrungen aus vorangegangenen Transfor­ mationsprojekten festgehalten, um bei der nächsten Transformation davon zu profitieren und die Leistungsfähigkeit zu steigern? Kenfenheuer: Wir besitzen ein zentrales Project Reporting Tool, welches in unser Konzern Reporting Tool integriert ist. In diesem Portal erfassen wir monatlich oder quartalsweise die Performance unserer wichtigsten Projekte. Vor einigen Jahren, während der Restrukturierung, waren dies über 800 Einzelprojekte, zusammengefasst nach Divisionen, Funktionen und Ländern. Statusreports mit Traffic Lights geben Kommentierungen zum Projektfortschritt und zu möglichen Umsetzungsrisiken. Dabei liegt der Fokus auf einem ‚action-oriented‘ Controlling. Das heißt: Wenn es Abweichungen zum Plan gibt, interessiert uns primär, welche Maßnahmen initiiert wurden, um das Ziel möglichst doch noch zu erreichen. Erkenntnisse werden quartalsweise in Form von Business Reviews und Milestone-Reports aufbereitet – gleiches machen wir übrigens auch mit allen großen Investitionsvorhaben. Darin beantworten wir die folgenden Fragen: Was wurde erreicht? Was sind verbliebene Risiken? Was lief gut und was nicht? Was sind Follow-Up-Aktivitäten? DMR: Welche Analysearten wurden in den letzten Transforma­ tionsprojekten bevorzugt angewendet? Kenfenheuer: Unsere Ansätze sind primär pragmatisch. Wir setzen Ziele vielfach top-down und validieren diese mit bottom-up Business Cases. Externes Benchmarking setzen wir nur sehr gezielt ein. Das Problem bei externen Benchmarks liegt in der Vergleichbarkeit, der Peergroup und dem großen Zeit- und Kostenaufwand für ein aussagekräftiges Benchmarking. Interne Benchmarks hingegen haben für uns eine große Bedeutung, auch im Sinne von Best-Practice-Sharing. Die Größe unseres Unternehmens und unser Geschäftsmodell ermöglichen uns eine gute Vergleichbarkeit innerhalb des Konzerns. DMR: Werden diese Transformationen vollständig von internen Experten geplant und umgesetzt oder sind auch externe Berater in dem Prozess involviert? Kenfenheuer: Gerade bei unseren Transformationsgroßprojekten geschieht die Steuerung und Kontrolle oftmals durch das Topmanagement. In der Konzeptionsphase werden teilweise auch Berater für spezifische Fachthemen involviert, beispielsweise bei der Umsetzung unserer US-Restrukturierung. Die konkrete Umsetzung der Transformationen erfolgt dann allerdings wieder primär durch unsere Linienorganisation. Experten aus unserem Inhouse Consulting werden zunehmend unterstützend eingesetzt. Die Verantwortung für die Umsetzung liegt dabei ganz klar beim lokalen Management – anders lassen sich solche Projekte auch nicht nachhaltig durchsetzen.

DMR: Der Trend zur Beraterunterstützung ist also rückläufig? Kenfenheuer: Dies kann man so nicht unbedingt sagen. Über die letzten Jahre hat Deutsche Post DHL sein Inhouse-Consulting stark ausgebaut, um Best-Practice-Know-how auch intern bereitstellen zu können und Projekterfahrungen im Konzern weiter nutzen zu können. Auch zur Durchführung von PMOAufgaben greifen wir vielfach auf unser Inhouse Consulting zurück – nicht zuletzt dient dieses als exzellenter Einstieg für den Führungskräftenachwuchs. In den letzten Jahren haben wir zudem viel Energie in den Aufbau unserer eigenen „First-ChoiceMethodik“ gesteckt: Konzerneinheitliche Methoden und Tools sorgen dafür, dass wir eine Sprache sprechen und Problemstellungen systematisch und strukturiert angehen. Wenn nötig greifen wir bei speziellen Fachthemen auch auf externe Berater zurück. Gleiches gilt natürlich für sehr IT-nahe Unterstützungen, bei denen wir auf externe Hilfe allein schon aus Ressourcengründen angewiesen sind. DMR: Sie erwähnten bereits die Erfolgsfaktoren Linien-Verant­ wortlichkeiten und Involvierung des Topmanagements. Was macht aus Ihrer Sicht sonst noch den Erfolg oder Misserfolg von Transfor­ mationsprojekten aus? Kenfenheuer: Eine starke und aktive Beteiligung des Top- und mittleren Management halte ich für essentiell. Dabei reicht es nicht, nur beim Kick-Off und Abschluss-Event präsent zu sein. Vielmehr muss laufend klar sein: Dieses Thema hat die Aufmerksamkeit des Vorstands und absolute Priorität. Gleiches gilt auch für das jeweils lokale Management. Da wir ein sehr globales Unternehmen sind, ist es entscheidend, das jeweils nationale Management mit im Boot zu haben. Während der Projekte spielt natürlich das Thema „Kommunikation“ eine ganz entscheidende Rolle. Die Erfahrung hat gezeigt, dass hier häufig Fehler gemacht werden – insbesondere wenn es darum geht, den Betroffenen die Vorteile der Projekte klar zu vermitteln. Aus unserer Sicht spielt insbesondere ein starkes „Performanceund Konsequenzenmanagement“ eine entscheidende Rolle. Da die Programme häufig mit klaren Targets hinterlegt sind, lässt sich Performance in der Regel gut messen. Planabweichungen sind dann entsprechend transparent zu machen und notwendige Konsequenzen zu ziehen. Dies gilt im positiven wie im negativen Sinne. Eine Erfahrung gerade der letzten Jahre ist, dass grundsätzlich alle Initiativen einer übergeordneten Zielsetzung folgend und möglichst in einem zentralen Strategieprogramm zusammenlaufen sollten.

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Transformation der HR Services der Deutschen Telekom

Positives Image und noch viel Potenzial Joachim Bauß begleitet die Entwicklung der zentralen Shared-Service-Einheit „HR Business Services“ der ­Deutschen Telekom seit der Konzept- und Gründungsphase in 2006. In einem ausführlichen Gespräch gewährt er Einblicke in Erreichtes und berichtet über persönliche Erfahrungen sowie Zukunftsideen. DMR: Herr Bauß, Sie leiten mit den HR Business Services eine gigantische HR-„Dienstleistungsfabrik“: Für 250.000 Kunden in 40 Gesellschaften der Deutschen Telekom verarbeiten Sie inzwischen ungefähr drei Millionen Aufträge, eine Million Posteingänge und 500.000 Anrufe pro Jahr. Wenn Sie an die Anfänge zurückdenken: Haben Sie sich die Entwicklung des damaligen Personal Service Telekom (PST) von vornherein so vorstellen können? Bauß: Letztlich ist mehr daraus geworden als ursprünglich in unserer Vision steckte. Für die damalige Zeit war es typisch, die Gründung eines Shared Service mit einem ganz klaren Effizienz-Fokus zu verbinden: Kostensenkung durch Standardisierung, Prozessautomatisierung, Komplexitätsreduktion – es ging also vor allem um Downsizing. Erst später wurde bewusst,

dass darüber auch eine bessere Steuerung und klare Interak­ tion zwischen dem Shared Service und anderen Konzernfunktionen möglich wird. Ab dann hat man also nicht mehr nur das ­bestehende Geschäft immer günstiger gemacht, sondern auch immer wieder neue Aufgaben hinzugefügt. Letztlich ist der P ­ ersonalkörper von einem Anfangsbestand von rund 1000 Mitarbeitern sogar auf nun zirka 1600 Mitarbeiter angewachsen. Allerdings machen wir die Aufgaben, für die wir 2007 noch 1000 Mitarbeiter benötigt haben, mittlerweile mit 600. Unser Scope hat sich also auch im Vergleich zur ursprünglichen Vision deutlich erweitert: Zu den Transaktionen kamen viele wissensbasierte Themenstellungen hinzu. Mit der Entwicklung bin ich sehr zufrieden.

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DMR: Der Shared-Service-Center-Ansatz ist mittlerweile ein populärer Klassiker bei der Neuorganisation von Querschnittsaufgaben. Allerdings gibt es auch zahlreiche Beispiele im Markt, bei denen die angestrebten Ziele deutlich verfehlt wurden. Welches sind aus Ihrer Sicht typische Fallstricke beim Aufbau von Shared Services und wie lässt sich diesen begegnen? Bauß: Wichtig ist die klare Definition der Rollen „Business Partner“ und „Competence Center“ sowie die Schnittstellen in dieser Dreiecksbeziehung. Zudem darf bei aller Effizienz das Themengebiet Qualität und Service nicht zu kurz kommen: Man muss sich das Optimum für den Konzern als Ganzes immer wieder vor Augen führen. DMR: Lässt sich mit dieser Aufgabenerweiterung auch die Wertschätzung einer Shared-Service-Einheit im Konzern erhöhen und vom Schlagwort „Kostensenkung“ lösen? Bauß: Das Bild der Shared Service Center ändert sich. Weil sie in der Vergangenheit oft mit einem Maschinenraum assoziiert wurden, wollten viele Mitarbeiter aus anderen HR-Organisationsteilen nur ungern im Shared Service arbeiten. Das hat sich grundlegend geändert. Die Wertschätzung bekommt man letztlich aber über die wahrgenommenen Resultate. Bei Integrationsrunden und Workshops nutze ich gerne u ­ nsere Mitarbeiterzufriedenheitswerte als starkes Argument: Diese liegen auf sehr gutem Niveau und können sich mit dem HRDurchschnitt und auch den Werten der Konzernzentrale absolut messen. Offenbar fühlt es sich von innen also anders an als von außen. DMR: Dave Ulrich, der geistige Vater des Drei-Säulen-Modells aus Business Partner, Kompetenz Center und Shared Service, hat sich unlängst ebenfalls zur Wertigkeit der Rollen geäußert: Er könne inzwischen selber den Begriff „Business Partner“ kaum noch hören, weil er zu oft fehlinterpretiert wurde. Aus seiner Sicht müssten sich letztlich alle drei Säulen als Business Partner verstehen, weil es immer um die gemeinsame Unterstützung des Business geht. Stimmen Sie dem zu?

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Bauß: Absolut. Und nur dann wird wirklich aus ganzheitlicher Sicht optimiert. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere vor einem Jahr gestartete Führungskräfte-Hotline. Dort bieten wir einen telefonischen Kanal für Fragen rund um eine Führungsaufgabe, zum Beispiel zu rechtlichen Rahmenbedingungen oder Tools. Aus Sicht meiner Einheit schaffe ich mir dadurch zunächst zusätzliche Kosten. Wir haben aber festgestellt, dass für die Führungskräfte unterhalb der Executive-Ebene, zum Beispiel die Leiter von Teams mit vielleicht 15-20 Beschäftigten an den hunderten Telekom-Standorten Deutschlands, ein solcher Kanal sehr wichtig ist. Aus Konzernsicht ist es natürlich sinnvoller, wenn uns jemand direkt anruft, für eine Viertelstunde unseren Agenten beansprucht und dadurch bei sich eine Viertelstunde Aufwand für den Call hat, anstelle eine Stunde lang selbst die verschiedensten Quellen zu durchsuchen. Diese Denkweise wollen wir anregen: Wo sollten wir Services bewusst ergänzen, um aus Konzernsicht etwas zu verbessern? Die reinen Kosten der HR-Organisation eines typischen DAX-Unternehmens machen ungefähr ein bis zwei Prozent aus. Natürlich ist es wichtig, dass wir dort optimieren. Wir dürfen dabei nur das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, denn HR beeinflusst sehr viele andere Kosten, die nicht direkt bei HR anfallen. DMR: Das von Ihnen beschriebene Zusammenspiel der Rollen ist das Resultat eines kulturellen Reifeprozesses über viele Jahre. Wie und wann löst man diesen am besten aus? Bauß: Der kulturelle Wandel startet mit der Entscheidung für diesen Ansatz – und mit den ersten Besetzungen, die den Wandel der HR-Welt auch wirklich mittragen. Bereits während der Transformation zeigt sich der Mehrwert des Modells von Dave Ulrich: Es macht sichtbar, dass es drei ganz unterschiedliche Herausforderungen gibt. Früher galt „One size fits all“: Einer macht alles, von Policy über Bearbeitung bis zur Beratung. Eigentlich gibt es den Menschen, der diese drei Rollen gleich gut ausfüllt, aber gar nicht. Darum sorgt eine arbeitsteilige, inhaltliche Differenzierung der drei Rollen auf Augenhöhe nicht nur für Effizienz, sondern auch für Effektivität. Auf diesen Weg müssen Sie die Beschäftigten über viel Kommunikation mitnehmen, das neue Modell muss von der Führungsmannschaft vorgelebt werden, und es erfordert Zeit – aber ob es ein Patentrezept dafür gibt, wage ich zu bezweifeln.


DMR: Wo liegen aus Ihrer Sicht die Grenzen der „Industrialisierung von Dienstleistungen“? Wie sinnvoll sind Service„Factories“, die unterschiedlichste Themen wie HR, IT, Finance oder Procurement unter einem Dach vereinen? Bauß: Innerhalb von HR hat das Zusammenlegen der Services einen hohen Mehrwert, weil wir immer wieder feststellen, dass die wissens- und transaktionsbasierten Themen eine hohe Abhängigkeit voneinander haben. Daher kommt man im HR-Bereich letztlich auf ein Modell, das auf der einen S­ eite die Business Partner vorsieht, die sich als eine Art Co-Pilot stark um die Belange des Business kümmern. Zudem hat man ­HR-Strategie-Themen. Auf der anderen Seite gibt es eine Art HR-COO, bei dem alle Themen der Dienstleistungsmaschine HR zusammenlaufen. Diese für HR typische Entwicklung wird bei den meisten Unternehmen in naher Zukunft umgesetzt sein. Multifunktionale Shared Services könnten ein nächster Schritt sein. Was man dabei jedoch wohl kaum erreicht, sind Skalenvorteile in den Operations: Man wird schwer jemanden finden, der morgens die Debitorenbuchhaltung macht, mittags einen Arbeitsvertrag aufsetzt und sich nachmittags um die Beschaffungsabwicklung kümmert – jedenfalls nicht zu den in operativen Bereichen üblichen Kosten. Aus der Perspektive Steuerung und Governance hingegen sehe ich klare Vorteile, zudem gibt es der Wahrnehmung als „interner Dienstleister“ ein höheres Gewicht.

DMR: Lassen Sie uns zum Abschluss einen Blick in die Zukunft wagen: Bereits heute können uns Smartphone-Sprachassistenten sagen, wie beispielsweise Bayern München gerade gegen Dortmund gespielt hat. Halten Sie es für denkbar, dass in absehbarer Zukunft HR-Fragen ohne direktes Zutun Ihrer Mitarbeiter datenbankgestützt beantwortet werden? Bauß: Für standardisierte Fragen wird das sicher möglich sein. Die Technologie, insbesondere die Spracherkennung, verbessert sich ja ständig. Wir haben vor kurzem unser Sprachportal eingeführt. Dort kann der Anrufer bereits jetzt mit einem Computer reden – in normalen Sätzen, nicht in Menükommandos. Auf dieser Grundlage lernen wir permanent: Die nicht klar einzuordnenden Fragen landen in „Sonstiges“. Anschließend können wir analysieren, was der Kunde eigentlich wollte. Beim nächsten Mal landet eine solche Anfrage nicht mehr bei „Sonstiges“, sondern wird zum Beispiel zu „Payroll“ geroutet. Mittlerweile haben wir zirka 600 Begriffe aktiviert, und das System lernt ständig dazu. Der Weg führt also mittelfristig ganz klar dorthin. Sobald wir einerseits umfassend gelernt haben, wie der Kunde spricht, und andererseits der Kunde Erfahrungen gesammelt hat, wie er mit uns am besten interagiert, wird dieses Szenario kommen und von vielen Unternehmen genutzt werden.

Wir haben bei uns im Konzern entschieden, dass wir die S­ hared Services in den einzelnen, funktionalen Ebenen ausbreiten, also als Erweiterung innerhalb Finance, HR, Procurement und der Kommunikation. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass man, wenn ein gewisser Reifegrad erreicht ist, diesen Weg der Zusammenlegung auch geht – dann nicht getrieben durch Economies of Scale, sondern mit Blick auf Governance, klare Rollen und Agieren auf Augenhöhe. Joachim Bauß ist Sprecher der ­Geschäftsleitung HR Business ­Services, dem HR Shared ­Service der Deutschen Telekom mit 250.000 Kunden und 1.600 Mitarbeitern. Zuvor bekleidete der Diplom-Kaufmann verschiedene Positionen bei der Deutschen ­Telekom, G ­ runer & Jahr und Booz Allen & Hamilton.

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Integral Business (Teil 1)

Umdenken – Wert steigern!

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Die Ausrichtung von Unternehmen an einem „integralen Geschäfts­ modell“ ist zwingend notwendig, wenn wir die Balance in unserer Welt aufrecht erhalten und eine lebenswerte Umwelt auf lange Sicht bewahren wollen. Möglichst alle Perspektiven in das unternehmerische Handeln zu integrieren und Lösungen daran zu messen, schafft langfristigen Wert.

nter den Verbrauchern herrscht gute Stimmung – die U ­Konsumprognose sagt auch für 2013 weiteres Wachstum voraus. Aus der vierten Otto Group Trendstudie zum ­ethischen ­Konsum geht jedoch hervor, dass für den Verbraucher ­immaterielle Werte immer wichtiger werden: Er achtet stärker darauf, ob ­Produkte in Einklang mit den Prinzipien der Nachhaltigkeit und Fairness hergestellt werden. Integrales Management als Wettbewerbsvorteil Grün und ethisch zu handeln ist also „sexy“. Unternehmen, die sich glaubhaft und sinnvoll in diesem Kontext positionieren, können Markenimage und Reputation verbessern – eine große Chance, um neue Kunden und Segmente zu erschließen. Aber auch auf der Kostenseite kann sich Nachhaltigkeit auszeichnen, zum Beispiel durch Reduzierung von überflüssigen und redundanten Ressourcen, was darüber hinaus die Effizienz steigert und nicht selten die Produktivität erhöht. Umweltund Energiemanagementsysteme bedeuten neben verbessertem Umweltschutz ebenfalls Kosteneinsparungen durch ein aktives, ­vorausschauendes Handeln. Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit schließen sich nicht aus, im Gegenteil. Erst die Integration all dieser verschiedenen ­Perspektiven – „integrales Management“ – macht ein erfolgreiches Unternehmen aus. „Integral“ bedeutet laut O ­ xford Dictionary „vollständig“, „alles einschließend“ oder „umfas­ send“. „Integral sein“ beinhaltet somit selbstverständlich die

ureigenste unternehmerische Intention, Gewinn zu machen und Umsätze zu steigern. Ein „integrales Geschäftsmodell“ könnte also eine effektive Lösung für Unternehmen sein, wenn es um die Unterstützung des sozialen und ökologischen Gleichgewichts innerhalb einer erfolgreichen Unternehmensführung geht. Für ein Unternehmen bedeutet das, nicht nur seine Auswirkung auf die Wirtschaft zu betrachten und die Bedeutung von Umsatz und Gewinn hervorzuheben, sondern auch die größeren ökologischen und sozialen Auswirkungen auf Verbraucher, Mitarbeiter, Communities, Zulieferer und sämtliche Mitglieder dieser Gruppen zu berücksichtigen. Die Integration all dieser unterschiedlichen Perspektiven ist notwendig, um neue ganzheitliche Lösungen mitzugestalten. Streben nach integralem Transformationsprozess Aus den Ergebnissen der Otto Group Trendstudie lässt sich ­folgender Schluss ziehen: Kunden schätzen die Möglichkeit, die Entwicklung und Transformation ganzheitlicher Unternehmen unterstützen zu können, indem sie „gute“ Produkte mit positiven Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft konsumieren. Wenn die Nachfrage steigt und Unternehmen darauf reagieren, entwickelt sich ein „co-kreativer integraler Transformations­prozess“, in dem sich Unternehmen, Kunden, die Gesellschaft und die Umwelt wechselseitig inspirieren und einander so ­beeinflussen, dass sich daraus immer wieder neue

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geschäftliche Strukturen, Prozesse und Kulturen, neue Produkte und Services, neue gesellschaftliche Strömungen und ökologische Ansätze ergeben. Die Abbildung fasst diesen Prozess zusammen. Unternehmen verfügen durchaus über die Kraft und die Ressourcen, einen nachhaltigen Wandel mittels Integration der Perspektiven von Mitarbeitern, Kunden, Gesellschaft und Umwelt zu überdenken und mitzugestalten, streckenweise sogar zu initiieren. Der Aufbau eines integralen Unternehmens stellt sicherlich eine Herausforderung dar. Jedoch gibt es bereits viele Unternehmen, die auf die eine oder andere Weise schon einen co-kreativen Transformationsprozess mit den beziehungsweise für die jeweiligen Stakeholder gestartet und es geschafft haben, neue und stärker integrale Ansätze gemeinsam zu überdenken und zu entwickeln. Henkel beispielsweise formuliert seine Partizipation am integralen Transformationsprozess wie folgt: „In unseren Unternehmenswerten haben wir uns verpflichtet, unsere führende Rolle im Bereich Nachhaltigkeit weiter auszubauen. Als Vorreiter im Bereich Nachhaltigkeit wollen wir neue Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung vorantreiben und

unser Geschäft verantwortungsvoll und wirtschaftlich erfolgreich weiterentwickeln. Das umfasst alle Aktivitäten unseres Unternehmens – entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Auf Basis dieses Anspruchs haben wir unsere Nachhaltigkeitsstrategie bis 2030 entwickelt: Wir wollen mit weniger Ressourcen mehr erreichen und unsere Effizienz in den nächsten 20 Jahren verdreifachen. Angesichts weiter wachsender Bedürfnisse und begrenzter natürlicher Ressourcen gilt es, sich stetig zu verbessern. Wichtige Schwerpunkte unserer Aktivitäten im Bereich Nachhaltigkeit sind daher die vertiefte Einbindung unserer Mitarbeiter, die verstärkte Zusammenarbeit mit unseren Partnern entlang der Wertschöpfungskette sowie die Weiterentwicklung unserer Bewertungs-, Steuerungs- und Kommunikationsinstrumente.“, siehe www.henkel.de/nachhaltigkeit. Es gibt mehrere Handlungsfelder, um den integralen Ansatz voranzutreiben. Diese Bereiche forcieren sowohl das Interne, beispielsweise die Anpassung der Unternehmenskultur und des Arbeitsumfelds, um die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter zu verbessern oder um die Geschäftsprozesse umweltfreundlicher zu gestalten, als auch das Externe, das heißt die Transformation der Produkte und Innovationen für Kunden und Gesellschaft.

Der integrale Transformationsprozess

Integrieren

Integraler Transformationsprozess

Organisatorische Perspektive

Kundenperspektive

Gesellschaftliche Perspektive

Umweltperspektive

• Modelle, Methoden, Strukturen, Prozesse und Kultur überdenken

• Produkte und Services überdenken

• Überdenken gesellschaft licher Strukturen und Lösungen

• Überdenken ökologischer Ansätze

Ein „Integrales Unternehmen“ entwickelt gemeinsam mit und für Mitarbeiter, Kunden, Gesellschaft(en) und Umwelt.

Quelle: Detecon

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Gemeinsam eine neue Art von Unternehmenskultur überdenken und entwickeln

Gemeinsam neue Lösungen für die Wertschöpfung entwickeln

Man kann sagen, dass ein integrales Unternehmen eine „integrale Unternehmenskultur“ erfordert, die intern kommuniziert, verstanden und praktiziert wird. Mitarbeiter und Manager müssen genau wissen, was eine integrale Vision und Mission sowie ein integraler Wertschöpfungsprozess in Bezug auf ihr Unternehmen bedeutet, wenn sie dies gegenüber Stakeholdern glaubhaft kommunizieren und ihre Entscheidungen darauf basieren wollen. Mit der Erstellung eines „nachhaltigen Lebensplans“ hat Unilever es beispielsweise geschafft, eine unternehmensweite integrale Vision zu entwickeln und die Mitarbeiter bei der Gestaltung eines integralen Unternehmens aktiv mit einzubeziehen. Nachhaltiges, profitables Wachstum kann nur erreicht werden, wenn man eine Kultur etabliert hat, bei der Leistung und Werte übereinstimmen. Unilever integriert Nachhaltigkeit in seine aktuellen Schulungsprogramme und bietet einwöchige Workshops über Themen wie „nachhaltige Marketing-Herausforderung“ an, um so das Umdenken ihrer Markenmanager zu unterstützen. Darüber hinaus werden nachhaltige Geschäftsideen, die von den Mitarbeitern entwickelt werden, unterstützt und finanziell belohnt, damit sich dies auf allen Ebenen vollzieht. Die Basis für ein „gutes“ Unternehmen bildet also die Formulierung und Umsetzung einer integralen Vision und Kultur.

Im Fokus stehen Zulieferer-, Kunden- und Partneraktivitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Nur wenn alle Beziehungen der ersten, zweiten und dritten Ebene an einen integralen Transformationsprozess angepasst sind, entsteht die Möglichkeit, ein echtes integrales Produkt sowie echte integrale Nutzung zu entwickeln. Weiterhin sind indirekte ­ ­externe ­Faktoren – beispielsweise Umweltkosten, die von Kunden aufgrund der Produktnutzung oder des Produkttransports verur­sacht werden – zu berücksichtigen und zu reduzieren, um eine integrale Wertschöpfungskette entwickeln zu können. Ein B ­ eispiel in diesem Zusammenhang kommt aus dem Möbelhaus IKEA. Das Unternehmen hat kürzlich damit begonnen, die sogenannten „Scope 3 Emissionen“ in seine Treibhausgasinventar-Daten­ analyse einzubeziehen und ordnet diese Emissionen, die von den Kunden auf ihren An- und Abfahrten zu den ­Geschäften verursacht werden, indirekt den Produkten zu (www.ghgprotocol.org). IKEAs GHG-Inventar bestätigt, dass diese ­Aktivität eine große Quelle der Emissionen war, die 56 Prozent der ­gesamten Emissionen ausmacht. Diese Ergebnisse waren der Auslöser dafür, Geschäftsniederlassungen in ­zentraleren Lagen mit besserer öffentlicher Verkehrsanbindung zu p ­ lanen, um künftig An- und Abfahrten einschließlich der damit verbundenen Emissionen zu reduzieren.

Gemeinsam Produkte und Innovationen überdenken und entwickeln Wenn man darüber hinaus der ständig wachsenden Nachfrage nach „guten“ Dingen nachkommen will, müssen alle Produkte und Services, vor allem aber die neuen Produktentwicklungen und Innovationen, in Bezug auf Rohmaterialien, Produktion, Vertrieb und Verwendung integral sein. Das Ziel sollte ein integrales Geschäftsmodell sein, das als Grundlage für jedes Element der Supply Chain gilt, das vom Unternehmen kontrolliert wird, nicht nur für das Endprodukt. Ein Beispiel für ein hoch begehrtes Produkt mit einem kurzen Lebenszyklus und erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt ist das Smartphone. Smartphones enthalten zahlreiche giftige Chemikalien und Rohmaterialien – zum Beispiel Zinn –, die häufig aus Quellen mit unfairen Produktionsmethoden stammen. Apple hat kürzlich sein iPhone 5 durch Reduzierung einiger gefährlicher Komponenten verbessert und es damit zum umweltfreundlichsten aller fabrikmäßig hergestellten Smartphones gemacht. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Reputation für integrale Unternehmensführung aufbauen Ebenfalls wichtig für eine integrale Unternehmensführung ist der Aufbau einer Reputation, weil das öffentliche Image eines Unternehmens von enormer Bedeutung ist. Mit dem integralen Geschäftsmodell können Unternehmen insbesondere heute einen Wettbewerbsvorteil generieren, wenn sie innerhalb dieser Bewegung eine führende Rolle einnehmen und ihre Position dafür nutzen, sich von ihren Wettbewerbern abzuheben. Das Employer Branding wird gestärkt, wenn potenzielle Bewerber Kenntnis von der hervorragenden Reputation und dem Arbeitsumfeld erhalten – das trifft insbesondere dann zu, wenn Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt herrscht. Ein Pionier und Vorzeigeunternehmen in der Entwicklung bahnbrechender Kampagnen zu Kommunikation grüner Visionen ist „The Body Shop“, dessen gesamtes Image auf natürlicheren Schönheitsprodukten aufgebaut ist, die unter Einhaltung ­ethischer Richtlinien hergestellt werden. Es lohnt sich, umzudenken!

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Integral Business (Teil 2)

Hands-on-Ansätze unterstützen integrale Transformationsprozesse Damit Nachhaltigkeit kein Lippenbekenntnis bleibt, müssen integrale Geschäftsmodelle die Basis von Unternehmen bilden – in enger Beziehung zu deren Kernkompetenzen. Wir zeigen beispielhaft Hands-on-Ansätze, die integrale Transformationsprozesse unterstützen.

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achhaltigkeit ist ein Trend. Zahlreiche Unternehmen beN fassen sich bereits mit den damit verbundenen Herausforde-

Infrastruktur, Kunden und Finanzen eines Unternehmens zu beschreiben. Diese Art Bauplan unterstützt Unternehmen bei der Koordinierung ihrer Aktivitäten, indem es potenzielle Trade-offs und Inkonsistenzen aufzeigt und die Planung zu einem konsequenteren Ergebnis führt.

rungen. Im Vordergrund steht aber häufig nur die Implementierung oberflächlicher, PR-orientierter Maßnahmen. Von der Entwicklung eines umfassend nachhaltigen Geschäftsmodells, das in enger Beziehung zu den Kernkompetenzen des Unternehmens steht, sind die meisten Unternehmen noch weit entfernt. Corporate Responsibility bedeutet, integriertes Management ­ und Technologie-Know-how produktiv aus wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht zu nutzen. Wir stellen einige ­Ansätze vor, die diese Ausrichtung forcieren.

Zur Durchführung einer „integralen Geschäftsmodell-Analyse“ kann das Originalmodell durch Hinzufügen neuer Kriterien einfach angepasst werden, um ein integrales Unternehmen im Hinblick auf diese acht Bestandteile zu definieren. Die Bewertung der gesamten Value Proposition des Unternehmens bestimmt einen potenziell integralen Kern des Unternehmens. Vor Beginn der Analyse sollten folgende Fragen gestellt werden wie: „Liefern wir nachhaltige Werte aus ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Sicht?“, „Welche Nachhaltigkeitsbedürfnisse können wir gegenwärtig befriedigen?“, „Sind unsere Produkte und Services insgesamt nachhaltig?“

Geschäftsmodellbewertung und -klassifizierung Zuerst ist zu prüfen, über wie viele integrale Bestandteile ein Unternehmen bereits verfügt. Ein hilfreiches Tool für diesen Schritt ist eine angepasste Version des “Business Model ­Canvas“ nach Alexander Osterwalder. Allgemein formuliert beschreibt ein Geschäftsmodell die logische Funktionsweise eines Unternehmens und die spezifische Art und Weise, mit der es Werte generiert. Das „Business Model Canvas“ ist ein Tool zur Visualisierung von Geschäftsmodellen, ein strategisches Managementinstrument, das es ermöglicht, neue oder bestehende Geschäftsmodelle zu entwickeln und zu skizzieren. Grundlage bildet ein Chart mit acht Bestandteilen, um Value Proposition,

Nachdem der Ist-Zustand des bestehenden oder geplanten Unternehmens evaluiert wurde und die Lücken in einem integralen Geschäftsmodell sichtbar geworden sind, kann das Unternehmen in eine der folgenden Nachhaltigkeitsgruppen eingeteilt werden: soziales Unternehmen, grünes Unternehmen, mitarbeiterfreundliches Unternehmen, eine Mischung aus diesen Kategorien oder – schlimmstenfalls – keines von allen.

Abbildung 1: Klassifizierung integraler Geschäftsmodelle

Sozial Unternehmen zeigt Verantwortungsgefühl für die Gesellschaft und engagiert sich regelmäßig in sozialen Projekten, durch Geldspenden oder Organisation von Initiativen für soziale Gerechtigkeit.

Mitarbeiterfreundlich Unternehmen sorgt für die Mitarbeiter und verfügt über ein umfangreiches Serviceangebot sowie Arbeitsmodelle, die die Mitarbeiter in allen Phasen ihres Lebens unterstützen.

Integrales Unternehmen

„Grün“

Unternehmen richtet sich konsequent auf das Angebot nachhaltiger Produkte und Services aus, etabliert interne Programme zu Energieeinsparung, Abfall­­ entsorgung oder Recycling.

Quelle: Detecon

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Nachdem die Lücken identifiziert und Möglichkeiten zur Verbesserung bestimmt wurden, muss ein Maßnahmenplan (Abb. 2), der idealerweise mehrere Tätigkeitsfelder beinhaltet, entwickelt werden. Der Transformationsprozess sollte mindestens zwei Bereiche umfassen: Erstens sollte das Unternehmen intern transformiert werden, das heißt eine integrale Unternehmenskultur und ein integrales Arbeitsumfeld entwickeln, und zweitens externe Bestandteile anpassen, die sowohl den Kunden, die Gesellschaft als auch die Umwelt betreffen. Diese Maßnahmen können ­sequenziell, parallel oder schrittweise erfolgen.

innovativer Formate können eine hohe Akzeptanz für diese Leitlinien erzeugen. Ein Beispiel hierfür ist die Workshop-Methode „World Café“ nach Brown und Isaacs. Dieses einfache, effektive und ­flexible Format ermöglicht den Dialog innerhalb großer Gruppen. Es kann so angepasst werden, dass es extrem unterschiedliche Anforderungen in Bezug auf Kontext, Anzahl der Teilnehmer, Ort und andere Faktoren erfüllt. Der Ansatz des World Cafés beinhaltet, eine Atmosphäre zu erzeugen, die der eines Cafés entspricht: kleine Tische, an denen nur wenige Personen sitzen, die in ­dieser entspannten Atmosphäre offen über Themen diskutieren und gemeinsam Leitlinien für ein integrales Unternehmen entwickeln. Außerdem unterstützt der Aufbau einer „integralen Business Community“ mit den am stärksten engagierten Teilnehmern aus vielen unterschiedlichen Bereichen die Verbreitung und Umsetzung der Leitlinien und weiteren Initiativen.

Das erste Tätigkeitsfeld in Abbildung 2 veranschaulicht, dass eine integrale Unternehmenskultur etabliert sein muss, die Engagement erzeugt und gewährleistet, dass jede Entscheidung der Philosophie eines integralen Unternehmens entspricht. Das Unternehmen sollte Leitlinien entwickeln, die Vision und Zielsetzung eines integralen Unternehmens vermitteln. Die Nutzung

Ein nächster Schritt könnte sein, das Unternehmen umweltfreundlich zu gestalten. Dies beinhaltet, zum einen alle internen Unternehmensprozesse im Hinblick auf ihre ökologische Auswirkung zu analysieren, zum anderen die Produkte und Dienstleistungen hinsichtlich ihrer ökologischen Einflussfaktoren zu untersuchen. Hierzu ist es wichtig, diejenigen Aktivitäten unter

Will ein Unternehmen den Status eines „integralen Unternehmens“ erreichen, muss es die Bestandteile aller drei Kategorien erfüllen. Dies ist heute leider noch sehr selten der Fall. Integrale Business Transformation

Abbildung 2: Plan zur integralen Business Transformation

Sozial

Mitarbeiterfreundlich

Faire Auslastungsplanung, Job-Sharing, gleitende Arbeitszeit, Heimarbeit, Freizeit CO2-Management, grüne IT, Papier-Recycling, Car-Sharing

Change & Transition Management Quelle: Detecon

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Produktion Innovation

Grün

Büroausstattung & medizinische Kontrolluntersuchungen, kostenlose Bereitstellung von Obst & Wasser

Inside-Out- und Outside-In-Transformation Grüne Produkte & Services, aufstrebende Märkte adressieren

Image

Nachhaltigkeitsgruppen

Kultur

Kosten & Umsatzerlöse

Arbeitsplatz

Wert & Supply

TWM

USP

Leitlinien, Team-Events, World Café

Greening

Das integrale Geschäftsmodell Canvas

Interne Business Transformation

Neuer Firmenname/Logo/Slogan, Unterstützung sozialer Initiativen, öffentliche Veranstaltungen

KPIs

Bewertung & Klassifizierung

Balanced Scorecard

Überprüfung Zulieferer, Insourcing/Near-Sourcing


die Lupe zu nehmen, die viel Energie und andere Brennstoffe verbrauchen, und Möglichkeiten zu finden, Materialien, Komponenten oder Prozesse durch nachhaltige Lösungen zu ersetzen. Ein simples Beispiel hierfür ist der Einsatz von RecyclingPapier, komplexer ist die Einführung des Car-Sharing als neues Mobilitätskonzept innerhalb der Mitarbeiterschaft.

linien eines „integralen Unternehmens“ ausrichtet, zeigt somit einen Weg auf, soziale und ökologische Ziele zu erreichen und diese vollständig in die wirtschaftliche Leistung und den Wettbewerbsvorteil zu integrieren.

Was gemessen wird, wird auch gemacht!

Neben den hier genannten Ansätzen existieren viele ­weitere, etablierte Tools, die durch die Einbeziehung zusätzlicher ­Perspektiven weiterentwickelt werden können, um den integralen Transformationsprozess zu unterstützen. Wir freuen uns, unsere Arbeit mit unseren Kunden in dieser Richtung f­ ortsetzen zu können und integrale Transformationsprozesse auf vielen Ebenen und in einem breitgefächerten Umfang initiieren und begleiten zu können. Wir erhalten vielfach eine Bestätigung darüber, dass dies eine optimale Möglichkeit ist, Werte für In-

Um die Umsetzung der Aktivitäten sowie die daraus resultierenden Konsequenzen verfolgen zu können, ist ein strukturierter und organisierter Prozess auf Basis von festgelegten Kennzahlen erforderlich. Zu diesem Zweck kann die Balanced Scorecard nach Kaplan und Norton ein strategisches Führungsinstrument zur Ausrichtung eines Unternehmens an den festgelegten Zielen, eingesetzt werden. Der Einsatz dieses Tools macht strategische Ziele messbar und über die Ableitung von Maßnahmen umsetzbar. Hierzu wird die ­Vision in operative Ziele übersetzt und anschließend mit individuellen Leistungszielen in Beziehung gesetzt, die ­kontinuierlich überwacht und an die strategischen Änderungen entsprechend angepasst werden. Manager sind bei Einsatz ­dieses Tools durchgehend gefordert, sich auf die Schwächen zu ­konzentrieren und leistungsfördernd zu agieren. Eine strategiebasierte Balanced Scorecard, die sich an den Leit-

Jetzt in Angriff nehmen!

Initiativen

Zielwerte

„Wie treten wir gegenüber unseren Aktionären auf, um finanziell erfolgreich sein?“

KPIs/Maßnahmen

Finanzen

Strategische Ziele

Abbildung 3: Die Balanced Scorecard

Initiativen

Zielwerte

Vision und Strategie

Initiativen

„Wie lässt sich unsere Wandlungsfähigkeit aufrechterhalten und verbessern, damit wir unsere Vision umsetzen können?“

Zielwerte

Lernen und Wachstum

KPIs/Maßnahmen

Eigentümer

Strategische Ziele

Eigentümer

KPIs/Maßnahmen

„Welche Geschäftsprozesse sind erfolgskritisch, um unsere Aktionäre und Kunden zufriedenzustellen?“

Strategische Ziele

Initiativen

Interne Geschäftsprozesse Zielwerte

„Wie treten wir gegenüber unseren Kunden auf, um unsere Vision umzusetzen?“

KPIs/Maßnahmen

Kunden

Strategische Ziele

Eigentümer

Eigentümer

Quelle: www.smartkpis.com

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Im Gespräch mit Dr. Ignacio Campino, Vorstand Desertec Foundation

Transformation im Kontext von Klimawandel und anderen globalen Herausforderungen

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Transformation Management kennen viele aus einer streng organisatorischen Perspektive. Grundsätzlich umfasst es aber auch Aspekte der gesellschaftlichen und ökologischen Transformation. Unternehmen müssen diese Perspektiven überdenken und in ihre Innovations- und Transformationsprozesse integrieren. DMR: Herr Dr. Campino, Sie sind ein international anerkannter und gut vernetzter Experte in Sachen Klimawandel und Geschäfts­führer der DESERTEC Foundation. Bevor Sie zu ­Desertec kamen, w ­ aren Sie bei der Deutschen Telekom als Vorstandsvertreter für Nachhaltigkeit und Klimaschutz tätig. Sie haben ­Agrarwissenschaften in Chile studiert und sich in Ihrer Dissertation schwerpunktmäßig mit der Ökologie auseinandergesetzt. Was bedeutet Transformation vor diesem Hintergrund für Sie? Und was sind Ihrer Meinung nach die dringendsten Probleme, die wir im 21. Jahrhundert in Angriff nehmen müssen? Ignacio: Wir – die globale Gesellschaft – steuern in eine neue, unbekannte und ungewisse Zukunft. Manchmal kokettieren die Leute mit der Ungewissheit der Zukunft und geben clevere ­Zitate bekannter Persönlichkeiten zum Besten. Die Ungewissheit der Zukunft ist jedoch relativ. Die Wissenschaft ermöglicht uns heute, einige Entwicklungen ziemlich präzise vorherzusagen. Ich habe gelegentlich den Eindruck, dass das Kokettieren mit der Ungewissheit der Zukunft in diesem Fall ein Selbstverteidigungsmechanismus ist, der uns vor dem schützt, was wir wissen, aber nicht akzeptieren wollen. Warum nicht? Weil die Signale allzu deutlich sind und die Konsequenzen des Weitermachens wie bisher für viele Menschen in der Welt verheerende Auswirkungen haben könnten. Ich mache mir durchaus Sorgen um unsere Zukunft, bin aber nicht pessimistisch. Pessimistisch sein bedeutet, ohne Hoffnung zu sein. Das trifft ganz und gar nicht auf mich zu. Viele Ökologen, Soziologen und Politiker und auch Wirtschaftsführer sind sich darüber im Klaren, dass unsere Gesellschaft einen Wandel braucht, um sich auf die Zukunft vorzubereiten. Die Herausforderung besteht darin, wie wir all unsere gegenwärtigen Bemühungen bündeln und in eine gemeinsame Richtung steuern können. Das ist der zentrale Punkt. Aber zu erreichen, dass alle an einem Strang ziehen, bedeutet, dass die Gesellschaft ein gemeinsames Verständnis darüber erzielen muss, in welche Richtung sie steuern will. Darüber wurde bislang noch keine Einigung erzielt. Wir hören und lesen, dass unsere Gesellschaft nachhaltiger sein sollte. Aber was bedeutet das? Wir haben noch keine Definition für Nachhaltigkeit, die weitgehend akzeptiert ist.

DMR: Vandana Shiva hat im World Future Council eine hervorragende Definition über Nachhaltigkeit verwendet: „In meiner Kultur […] haben wir all unsere Handlungen grundsätzlich danach beurteilt, welche Auswirkungen diese auf die siebte Generation haben werden. Wenn sie der siebten Generation schaden werden, dann werden wir diese Handlung unterlassen. Wenn es für sie von Vorteil sein wird, dann kann man es machen. Das ist ein echter Test für Nachhaltigkeit.“ Wie denken Sie darüber? Ignacio: Ich hatte das Glück, Vandana Shiva vor zwei Jahren persönlich zu treffen. Es war sehr beeindruckend, einer Person zu begegnen, die so viel Freundlichkeit ausstrahlt und gleichzeitig solche handfesten Argumente vorbringt. Ich bin kein Hindu, und daher ist es manchmal schwierig, die Konsequenzen unseres Handelns bis zur siebten Generation nachvollziehen zu können. In der Bibel gibt es eine Stelle, in der es heißt, dass Gott die Missetaten der Väter an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied heimsucht. Unsere Vorfahren haben offensichtlich intensiver über die Konsequenzen ihres Handelns in Bezug auf Menschen und Umwelt nachgedacht, als wir es heute mit unserem kurzfristigen Denken zu tun vermögen. Wahrscheinlich haben die vermeintlichen Vorteile der modernen Technik zu einer Art Sicherheitsdenken geführt, das wir heute als falsch anerkennen müssen. Wissenschaftler haben Computersimulationsprogramme entwickelt, mit denen mögliche Klimaveränderungen und insbesondere solche abgebildet werden können, die die Konzentration von Treibhausgasen verursachen. All diese Szenarien sind sehr ernst zu nehmen, und wir können diese Ergebnisse nicht ignorieren. DMR: Die DESERTEC Foundation stützt sich auf einen sozialen Innovation Business Case und bringt in den Wüsten dieser Welt modernste Technologie zum Einsatz, um Sonnenlicht und Wind in Energie umzuwandeln. Technisch betrachtet sind Mittel und Wege zur Ausnutzung der fast unerschöpflichen Ressourcen der Sonnenenergie seit Jahrzehnten verfügbar. Unsere Gesellschaft hat es bislang jedoch nicht geschafft, eine Garantie dafür abzugeben, dass künftige Generationen keine Nachteile

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durch unser Handeln erleiden. Wir brauchen also vor allem einen sozialen Wandel, der die unterschiedlichen Menschen, Kulturen und Disziplinen zu einer geschlossenen Kraft vereint, die den nachfolgenden Generationen Gesundheit und ein gutes Leben garantiert. Was können wir machen, was machen Sie, was sollte jeder Einzelne dazu beitragen? Ignacio: Für mich sind der Klimawandel und die sich daraus ergebenden Konsequenzen sehr real. Wahrscheinlich ist das der Hauptgrund, warum ich jetzt bei der DESERTEC Founda­ tion bin. Wenn wir erneuerbare Energiequellen aus den Wüsten nutzen, werden wir positive Effekte bis zur siebten G ­ eneration produzieren können. Wir sind gerade dabei, sehr konkrete Ideen darüber zu entwickeln, wie man die Nutzung erneuerbare Energiequellen in den unterschiedlichen Teilen der Welt vorantreiben kann. Wir müssen eine Riesenanzahl an Menschen – angefangen bei Entscheidungsträgern bis hin zur allgemeinen Öffentlichkeit – davon überzeugen, dass erneuerbare Energien eine sehr geeignete Alternative und in der Zukunft die einzig echte Option für eine saubere und sichere Energieversorgung sind. Die Technologie ist bereits heute verfügbar, aber in einigen ­Fällen bedarf es noch eines technologischen Quantensprungs, um die Preise senken zu können. Die sehr niedrigen Preise für Photovoltaik sind positiv, aber die Kehrseite ist, dass sie die Marktchancen für die CSP-Technologie (konzentrierte Solarthermie) behindern. Diese Technologie ist insofern sehr interessant, weil sie Energie während der Nachtstunden, wenn die Sonne nicht scheint, erzeugt. DMR: Das Auslösen eines globalen sozialen Wandels in Richtung einer nachhaltigen Gesellschaft, von der wir noch gar nicht wissen, wie sie aussehen soll, ist ein enormes Unterfangen. Wo fangen wir am besten an? Ignacio: Wir müssen die wichtigsten Bestandteile einer nachhaltigen Gesellschaft – oder einer Gesellschaft, die künftigen Generationen keinen Schaden zufügt – identifizieren und die Stufe der sozialen Akzeptanz bestimmen. Dann können wir in solche Bereiche vorstoßen, in denen der geringste Widerstand zu erwarten ist. Wir kommen in den unterschiedlichen Teilen der Welt gegebenenfalls zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen und daher werden die Maßnahmen, die wir ergreifen, ebenfalls sehr unterschiedlich ausfallen. Für einen gewissen Zeitraum könnte dies durchaus hilfreich sein, aber der Transformationsprozess der gesamten Welt muss letztendlich in ein mehr oder weniger gemeinsames globales Ziel münden. Die Herausforderung, eine Einigung über ein derart globales Ziel zu erreichen, mag überwältigend erscheinen – somit hat die Umsetzung einzelner Bestandteile einer Strategie eventuell mehr Aussichten auf Er-

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folg. Eine andere Möglichkeit wäre eine Strategie, die Schritt für Schritt umgesetzt werden könnte! Mein Blickwinkel liegt auf dem Klimawandel, aber ich glaube, es greift zu kurz, wenn man sich nur auf den Klimaschutz konzentriert. Es ist nicht ausreichend, sich nur mit einem einzigen Brennpunktthema zu befassen. Um nachhaltige Lösungen zu finden, müssen wir ganz viele Perspektiven mit einbeziehen. Ich verfolge daher den Ansatz der „kleinen Schritte“: Keine Gesellschaft kann nachhaltig sein, ohne die Menschenrechte zu respektieren, die Bestandteil der UN-Menschenrechtscharta sind. Im ersten Satz des ersten Artikels dieser Erklärung heißt es: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Dies ist eine fundamentale Voraussetzung für ein freies Leben in Selbstbestimmtheit und Fairness im Umgang der Menschen miteinander. Diese Prinzipien sind nicht verhandelbar, aber ernsthaft in Gefahr, denn es gibt nicht einen einzigen Ort auf der Welt, an dem die Menschenrechte ausnahmslos respektiert werden. Ich bin überzeugt davon, dass die Einhaltung der Menschenrechte den Entwicklungsprozess zu einer nachhaltigen Gesellschaft extrem vorantreiben würde. In der aktuellen Nachhaltigkeitsdiskussion wird den nachstehend aufgeführten Faktoren größte Bedeutung beigemessen: Verantwortungsvolle Wirtschaft: Eine verantwortungsvolle Wirtschaft basiert auf einem fairen Steuersystem und auf verantwortungsvoll agierenden Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen anbieten, die die Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft fördern, die Steuern an den Staat entrichten und den Bürgern Arbeitsplätze und Einkommen bieten. Die entsprechende Rolle des Staates ist, Steuern und sonstige Einnahmen für die Entwicklung sozialer Systeme zu verwenden. Beide – der Staat und die Geschäftswelt – tragen Verantwortung für die Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft. Arbeitsplätze und Einkommen: Wichtige Faktoren zur Sicherung von Einkommen und Arbeitsplätzen beinhalten Marktsituation, Gesetzgebung und Regierungs- und Unternehmenspolitik. Niedrigeinkommensländer haben die Möglichkeit, ihre Wettbewerbsfähigkeit für einen gewissen Zeitraum zu steigern, weil die anderen Länder sich in die Märkte stürzen werden, um mit billigeren Arbeitskräften Investoren anzulocken. Dies ist ein Teufelskreis, der nur schwer zu durchbrechen ist. Die Schaffung nachhaltiger Arbeitsplätze könnte durch eine Kombination aus Innovation, Bildung und Schulung der Mitarbeiter bewerkstelligt werden. Gesundheitssystem: Die Entwicklung eines öffentlichen Gesundheitssystems ist für eine nachhaltige Gesellschaft von höchster Bedeutung. Es gibt zwei Vorbedingungen: Zum ersten verabschiedet der Staat entsprechende Gesetze, verfügt über an-


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gemessene Steuereinnahmen und ist in der Lage, das System zu unterstützen und unter Kontrolle zu halten. Zum zweiten verfügen die Bürger über ausreichende Einnahmen, um ihren Beitrag für das System zu leisten. Obgleich die Notwendigkeit eines öffentlichen Gesundheitssystems allgemein anerkannt ist, gibt es immer noch viele Länder, die nur über ein System mit Mindeststandard oder über gar kein System verfügen. Der Grund hierfür liegt eventuell darin, dass keine Mittel zur Implementierung eines Systems vorhanden sind oder dass der Gesellschaft die Notwendigkeit eines solchen Systems nicht ausreichend bewusst ist. Bildung: Man wird wohl niemanden in Europa finden, der ernsthaft vorbringt, dass Bildung nicht notwendig sei. Wir müssen uns jedoch nicht allzu weit fortbewegen, um mit Aussagen wie diesen konfrontiert zu werden: Mädchen sollten die Schule nicht besuchen, weil sie dann später in ihrem Leben Schwierigkeiten haben werden, bestimmten Traditionen zu folgen und ihrem Ehemann und ihrer Familie zu dienen. Es erfordert große Anstrengungen, dieses Problem mit der Zielsetzung in Angriff zu nehmen, eine neue Einstellung über Bildung und die Rolle der Frau in der Gesellschaft zu entwickeln. Die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ist ein gutes Beispiel für eine langfristige Aktivität zur Förderung von Bildung in einer nachhaltigen Umgebung. Ernährung und Wohnen: Eine gesunde Ernährung ist nur dann möglich, wenn Lebensmittel zu erschwinglichen Preisen verkauft werden, Menschen ein Minimum an Wissen über Ernährung haben und ihr Einkommen angemessen ist, um Lebensmittel zu kaufen. Es ist ein Fehler, zu glauben, dass Hungern und schlechte Ernährung primär auf die Knappheit von Le-

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bensmitteln zurückzuführen sind. Auch das verlorengegangene Wissen und die Tradition zum Anbau und zur Herstellung von Lebensmitteln kann die Situation verschärfen. Mit Ausnahme der Regionen, in denen Krieg herrscht oder bewaffnete Konflikte ausgetragen werden, ist der ausschlaggebende Grund für das Hungern in dieser Welt das niedrige Einkommen und die Vernachlässigung der Selbstversorgung. Dieser Tatbestand gilt auch für das Wohnen. Pensionspläne: Eine logische Konsequenz besserer Arbeitsplätze und höherer Einkommen ist – oder sollte – die Entwicklung von Pensionsplänen sein. Regierungen und Unternehmen sollten in dieser Angelegenheit zusammenarbeiten. Energieversorgung und Klimastabilität: Die Entwicklung einer Strategie für die systematische Nutzung erneuerbarer Energien kann in manchen Ländern einen geringen bis mäßigen Widerstand auslösen. Das Vorantreiben der Nutzung erneuerbarer Energien ist jedoch eine lohnende Maßnahme und beinhaltet die Stabilisierung des Klimas. Die DESERTEC Foundation bietet konkrete Lösungen. Wasser: Die Wassersituation ist in einigen Regionen dieser Welt bereits sehr kritisch und verursacht ernsthafte Konflikte. In vielen Regionen könnte Entsalzung beziehungsweise Wasseraufbereitung die Lösung dieses Problems sein. Wasseraufbereitung und Wasserversorgung sind ebenfalls Bestandteile des Konzepts der DESERTEC Foundation. Gesunde Umwelt: Eine gesunde Umwelt ist für eine nachhaltige Gesellschaft unverzichtbar. In vielen Fällen ist die Größe dieses Faktors jedoch übertrieben. Umweltschutz ist im Hin-


Die DESERTEC Foundation ist eine zivilgesellschaftliche globale Initiative zur Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft. Sie wurde am 20. Januar 2009 als gemeinnützige Stiftung gegründet und ging hervor aus einem Netzwerk von Wissenschaftlern, Politikern und Ökonomen aus der Mittelmeerregion, die gemeinsam das DESERTEC-­ Konzept entwickelten. Stiftungsgründer sind die ­Deutsche Gesellschaft Club of Rome e.V., Mitglieder des interna­ tionalen Netzwerks sowie engagierte Privatpersonen. Die „Integral Business Community“ von Detecon befasst sich ebenfalls mit dieser Herausforderung. Mehrere Young Consultants arbeiten an einem Pro Bono Projekt mit der ­Desertec Foudation. blick auf zahlreiche Aspekte äußerst wichtig, so für den Erhalt der begrenzten Ressourcen für die kommenden Generationen, die Pflege der bewohnbaren Umwelt für Menschen und andere Arten sowie die Vermeidung gesundheitlicher Schäden für Menschen und andere Bewohner dieses Planeten. Die Anstrengungen, die während der vergangenen Jahrzehnte zum Schutz der Umwelt vorgenommen wurden, sind erheblich gestiegen, aber noch lange nicht ausreichend, um die ungeheuren Herausforderungen meistern zu können. Zahlreiche Unternehmen haben bereits effektive Programme für den Umweltschutz eingerichtet, aber Anzahl und Umfang dieser Vorhaben müssen ausgeweitet werden. Es müssen gemeinsame Aktivitäten, die sowohl die Unternehmen als auch die Regierungen mit einbeziehen, durchgeführt werden. Biodiversität: Der Erhalt der Biodiversität ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Die Bedeutung der Biodiversität für die globale Umwelt ist für viele Menschen jedoch nicht sonderlich nachvollziehbar – nicht einmal für Führungspersönlichkeiten in Politik und Wirtschaft. Der Schutz der biologischen Vielfalt ist einerseits ein moralischer Aspekt, aber andererseits sollten wir uns in Erinnerung rufen, dass Pflanzen und Tiere ein ungeheures Potenzial für neue Produkte und Lösungen darstellen, und wenn genetisches Material einmal verloren geht, kann es nicht mehr ersetzt werden. Der Schutz der biologischen Vielfalt ist äußerst komplex, weil schon eine einzige Handlung weitreichende Auswirkungen haben kann. Ein relativ einfaches Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Verschmutzung der Binnengewässer, die sich erheblich auf die Ökosysteme der Meere auswirkt.

Dr. Ignacio Campino studierte Agrarwissenschaften an der Katholischen Universität in Santiago de Chile. Er promovierte und habilitierte an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Von 1995 bis Mai 2012 arbeitete er bei der Deutschen Telekom in verschiedenen verantwortlichen Positionen im Bereich Umweltschutz, nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz, zuletzt als Vorstandsbeauftragter für Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Im August 2012 wechselte er in den Vorstand der DESERTEC Foundation. Dr. Campino gehört verschiedenen nationalen und internationalen Gremien und Organisationen an, die für die Förderung von Klimaschutz und „Green Economy“ eintreten. Er ist Mitglied des National­komitees der UN ­Dekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung und leitet die Arbeitsgruppe Wirtschaftskompetenz in der ­Initiative der Landes Nordrhein-Westfalen „Aktion ­Zukunft ­Lernen“ im Rahmen der UN Dekade.

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Von Green ICT zu Green Business

ICT-Sektor hat Vorreiterrolle in der nachhaltigen Gestaltung neuer Geschäftsmodelle Innovationen aus dem ICT-Sektor haben das Potenzial, die Entwicklung einer ressourcen­ schonenden und kohlenstoffarmen Wirtschaftsweise maßgeblich zu beeinflussen. ie weltweiten Treibhausgas-Emissionen stiegen in den letzD ten Jahrzehnten insbesondere durch die wirtschaftlichen Ent-

wicklungen in den aufstrebenden Volkswirtschaften der BRICStaaten stark an. Doch auch die entwickelten Industriestaaten haben Probleme, diese zu reduzieren. Aktuelle Prognosen ­zeigen, dass die weltweiten Treibhausgas-Emissionen von 48 ­Gigatonnen CO2-Equivalent (GtCO2e) im Jahr 2010 um über 14 Prozent auf 55 GtCO2e im Jahr 2020 ansteigen (OECD “Environmental Outlook to 2050“). ICT-Unternehmen haben in diesem Kontext eine ­Doppelrolle: Sie sind Verursacher und Helfer zugleich. Der ICT-Sektor ist stark gewachsen und zu einem integralen Bestandteil der Wirtschaft und Gesellschaft geworden. Mittlerweile tragen die CO2eEmissionen der weltweit eingesetzten ICT mit 0,9 G ­ tCO2e ­einen Anteil von zwei Prozent zum weltweiten Gesamtausstoss bei. Dies entspricht in etwa der Menge des gesamten globalen Flugverkehrs. Nach aktuellen Prognosen wird dieser Wert bis zum Jahr 2020 ohne Gegenmassnahmen sogar noch auf 1,27 GtCO2e um knapp 50 Prozent ansteigen (SMARTer 2020 – The Role of ICT in Driving a Sustainable Future).

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Gleichzeitig besitzen Innovationen aus dem ICT-Sektor durchaus das Potenzial, die Entwicklung einer ressourcenschonenden und kohlenstoffarmen Wirtschaftsweise maßgeblich zu beeinflussen. ICT-getriebene Energieeffizienzmassnahmen, zum Beispiel die intelligente Vernetzung und Steuerung von Fahrzeugen, Gebäuden und Stromnetzen, realisieren bis zum Jahre 2020 ein Einsparpotenzial von rund 16,5 Prozent der weltweiten Gesamtemissionen (SMARTer 2020 – The Role of ICT in Driving a Sustainable Future). Das durch die Global e-Sustain­ ability Initiative prognostizierte Reduktionspotenzial der eingesetzten ICT liegt bei Faktor 7 – also dem 7-fachen des eigenen Emissionswertes. Aus diesem Grund unterscheiden wir im Folgenden zwischen „Green ICT“ und „Green Business“: „Green ICT“ meint das Erbringen von ICT-Dienstleistungen mit möglichst geringem Energieeinsatz und Treibhausgas-Emissionen. „Green Business“ umfasst Geschäftstätigkeiten mit dem Potenzial, Energieeinsatz und Treibhausgas-Emissionen in anderen Bereichen zu reduzieren, indem technologische, institutionelle und verhaltensbezogene Veränderungen herbeigeführt werden.


Abbildung 1: Entwicklung der Globalen Treibhausgas- und CO2-Emissionen Globale Emissionen (GtCO2e) 60

Treibhausgase 50

CO2

40

30

20

10 1990

1995

2000

2005

2010

2015

2020

Quelle: Detecon

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Der „Green Business“-Ansatz berücksichtigt alle Dimensionen der Nachhaltigkeit in Bezug auf Mitarbeiter, Kunden, Gesellschaft und Umwelt. Abbildung 2: Impact von Green Business

Soziale Dimension

Ökonomische Dimension

• Organisatorische Perspektive Green Business

Ökologische Dimension

• Kundenperspektive • Gesellschaftliche Perspektive • Umweltperspektive

Quelle: Detecon

Green ICT zielt auf Ressourceneffizienz Dem Anstieg von Treibhausgasen wirken Unternehmen – und insbesondere Unternehmen aus der ICT-Branche – entgegen, wenn sie Maßnahmen mit dem Ziel der ressourceneffizienten Erbringung von ICT-Dienstleistungen aufsetzen. Anbieter integrierter Telekommunikationsdienstleistungen beispielsweise können die Emissionen aus dem Ausbau ihrer Infrastruktur – Mobilfunknetze (3G/4G), flächendeckendes WLAN oder Rechenzentren für die Bereitstellung von Cloud-Dienstleistungen – durch Effizienzmaßnahmen senken. Idealerweise formulieren Unternehmen eine unternehmensweite Green-ICT-Strategie, in der Einzelmaßnahmen aufeinander abgestimmt aufgehen. Sie muss transparent sein und über alle Bereiche eines Unternehmens hinweg mit getragen werden. Hierzu bedarf es der Identifikation geeigneter Kennzahlen, um den Fortschritt von Green-ICT-Maßnahmen messbar zu machen. Um Energie­ effizienz- und CO2-Einsparungen zu erreichen, sind valide und intern wie auch extern kommunizierbare Energie- und CO2Reduktionsziele zu gewährleisten. Sind die strategischen Rahmenbedingungen festgelegt, schafft eine Basisanalyse Transparenz über den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen eines betrachteten Referenzjahres. Unter Einbeziehung geplanter Reduktionsmaßnahmen kann eine Prognose über die Entwicklung des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen erstellt und mit Hilfe interner und externer Benchmarks nach unterstützenden Maßnahmen gesucht werden, die die bereits laufenden sowie neue Green-ICT-Maßnahmen ergänzen. Zu den möglichen Maßnahmen zählen etwa die

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Optimierung von Mobilfunknetzwerken. In diesem Zusammenhang werden derzeit Potenziale von Network Sharing und Vectoring-Maßnahmen und deren Auswirkungen untersucht. Die Optimierung von Rechenzentren durch Virtualisierung und Konsolidierungsmaßnahmen oder auch ein effizienteres Nutzungsverhalten, gestützt durch Smart-Office-Lösungen, stellen weitere Maßnahmen dar. Zu nennen sind auch der Einkauf erneuerbarer Energien oder die Investition in Klimazertifikate. Diese haben aber, mit Ausnahme der Direkteinspeisung erneuerbarer Energien etwa durch Solarmodule, nur einen indirekten Effekt und stehen zudem häufig in finanziellem Konflikt mit Effizienzverbesserungen. Möglichkeiten für die Planung und Umsetzung dieses komplexen Umfelds bieten ein „Total Carbon Cost of Ownership“ (TCCO) -Ansatz und die Einführung von entsprechenden ­Frameworks für die ganzheitliche Bewertung und Gestaltung von Prozessen. Mit der Management-Entscheidung über Energie- und CO2-Reduktionsziele beginnt die eigentliche Arbeit. Um die entwickelten Energie- und CO2-Ziele zu erreichen, ist nach der offiziellen Verabschiedung ein kontinuierlicher Prozess der Steuerung, Überprüfung und Anpassung notwendig. Mittelfristig trägt hier die Entwicklung neuer Software maßgeblich zur Verknüpfung der Nachhaltigkeitsstrategien mit den Unternehmensprozessen bei. Sogenannte „Carbon Emission Management Software“ (CEMS) wird zukünftig Teil von klassischen Enterprise-Resource-Planning (ERP)-Systemen sein und eine nachhaltige und effiziente Ressourcenplanung unterstützen. Möglich sind auch CEMS-Applikationen, die ein standardisiertes CR-Reporting und die CR-Compliance unterstützen. Ebenfalls denkbar sind Berechnungen von CO2-Emissionen in „Echtzeit“. Ähnlich moderner Business-Intelligence-Applika­ tionen könnte diese „Environmental Intelligence“ mit Ad-hocBerechnungen Manager mit Informationen zu den sozialen oder ökologischen Konsequenzen einer Entscheidung versorgen. Neben der eigenen Verantwortung, eine performante und energieeffiziente ICT-Infrastruktur bereitzustellen, kann sich die ICT-Branche in diesem Zusammenhang als Servicedienstleister und Initiator zur Schaffung von Energietransparenz am externen Markt positionieren. „Green Business“ schafft nachhaltige Geschäftsmodelle ICT-Unternehmen sind prädestiniert dafür, die Energieeffi­ zienz ihrer Kunden zu erhöhen und eine Vorreiterrolle bei der Anwendung und Entwicklung grüner Technologien einzunehmen. Beispiele dieser erfolgreichen Verknüpfung sind Cloud Computing, Virtual Collaboration, Machine-to-Machine


Communication, Mobile Health oder Connected Car. Das Geschäftspotenzial von “Green Business” ist immens: Telekommunikationsunternehmen rechnen mit Milliardenumsätzen bereits in den nächsten Jahren. Der Weg bis zu einer erfolgreichen Marktdurchdringung ist für viele Unternehmen aber noch weit. Wie heben Unternehmen das volle „Green Business“-Potenzial, wie lassen sich nachhaltige Geschäftsmodelle umsetzen? Primär bedeutet der Weg von „Green ICT“ zu „Green Business“ mittelfristig eine stärkere Abbildung von Nachhaltigkeit in allen Unternehmensprozessen und die Evaluation der Einflussmöglichkeiten auf alle Unternehmensbereiche und externen Stakeholder. Zu den wichtigsten Hebeln innerhalb des Unternehmens zählt, Verständnis für die Notwendigkeit der Entwicklung nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen sowie der damit verbundenen Investitionen zu schaffen. Möglichkeiten dafür bietet die Berechnung des Energie- und CO2-Einsparpoteztials für bestimmte Produktgruppen, um dieses als Marketingargument für die Vermarktung zu nutzen. Die Berechnung eines bereichsübergreifenden „Green Business Case“, der das Gesamtpotenzial der verschiedenen Einzellösungen zusammenfasst, schafft höheres Verständnis im Top Management. Zudem schaffen Unternehmen so Transparenz und Raum für die Identifizierung und Entwicklung komplementärer grüner Lösungen an Stelle von Einzelprodukten. Abbildung 3: Innovationsfelder

Virtual Collaboration

Smart Energy Grids

Machineto-Machine (M2M) Communication Cloud Computing

Smart Agriculture

Mobile Health

Connected Car

Quelle: Detecon

Neben den direkten Umsätzen von „Green Business“-Produkten und Dienstleistungen und den Kosteneinsparungen von „Green ICT“ hat gerade die Kombination beider Themengebiete einen positiven Einfluss auf das Markenbild und die allgemeine Wettbewerbsfähigkeit, wie relevante Ratings nachweislich belegen. Nachhaltigen und mit zunehmender Gewichtung auch energieeffizienten Geschäftsmodellen wird ein positiver Einfluss auf die Profitabilität attestiert. Die Themen Energie so-

wie ­Treibhausgas-Emissionen stellen einen zentralen Eckpfeiler dieser Strategien dar, denn dies sind quantifizierbare Werte, die anhand von Benchmarks gemessen werden können. Aus diesem Grund gibt es bereits eine große Auswahl von internationalen Nachhaltigkeitsstandards, in denen unter anderem die Performance von Unternehmen im Energieeffizienzbereich berücksichtigt wird. Hinweise für Verbesserungsmöglichkeiten lassen sich beispielsweise aus den durchschnittlichen Scores der ICT-Industrie ableiten, zum Beispiel Dow Jones Sustainability Index 2013, Score 0-100. Bei Themen wie einer ganzheitlichen Klimastrategie – Green ICT und Green Business – liegt der Mittelwert nur bei etwa 50/100 Punkten, im Bereich Innovationsmanagement für Nachhaltigkeit sogar nur bei 37/100 Punkten. Auch in Themen wie dem Reporting und Management von Umweltthemen werden nur mittelmäßige Ergebnisse erzielt. Die Ergebnisse belegen, dass die Festlegung und Internationalisierung von vergleichbaren Kennzahlen und die Schaffung von einheitlichen Strukturen für ein Integral Business und das Reporting von Nachhaltigkeit wichtig, aber nur ein erster Schritt ist. Die Beispiele zeigen eine deutlich positivere Außenwirkung der Offenlegung von Energieverbrauch und CO2-Emissionen sowie – freiwilliger! – Einsparziele, wenn diese über die weltweite Präsenz eines Unternehmens erfolgt. Damit Unternehmen in den erwähnten Nachhaltigkeitsrankings gut abschneiden, ist es unabdingbar, Green Business als integralen Bestandteil der Unternehmensstrategie zu verstehen. ICT nimmt hier die zentrale Rolle ein und hat das Potenzial, „grüne“ Geschäftstätigkeiten in Organisationen, bei Kunden, in der Gesellschaft oder Umwelt zu beeinflussen. ICT-Dienstleister tragen somit eine große Verantwortung in der nachhaltigen Gestaltung neuer Geschäftsmodelle. Über das effiziente Betreiben der ICT-Infrastruktur hinaus ist es wichtig, einen bereichsübergreifenden Business Case für grüne ICT-Produkte zu erstellen, der die Umsetzung innerhalb des Unternehmens unterstützt. Zukunftsfähige Ressourceneffizienz ist nur durch Synergieeffekte zwischen Klimaschutz und Geschäftsmodell zu realisieren, ermöglicht durch eine effiziente Verknüpfung von Prozessen, Systemen, Technologien und Arbeitspraktiken. Das eigentliche Potenzial ICT-gesteuerter Effizienzmaßnahmen liegt in der Unterstützung von Geschäftsprozessen außerhalb der ICT-Infrastruktur – aus „Green ICT“ muss „Green Business“ werden!

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Nachhaltig “online“ sein

Was man für die Umwelt und gegen den Digital Burnout tun kann Unternehmen sehen sich mit einem signifikanten Wertewandel konfrontiert. Nachhaltigkeits­fragen spielen insbesondere für die Generation Y mittlerweile das Rückgrat vieler Unternehmen, eine wichtige Rolle. Neben die Umwelt­ problematik tritt auch der Schutz der eigenen Gesundheit.

ie Digitalisierung ist zwangsläufig mit steigenden Anforderungen an Datenspeicherung und D ­Rechenleistung verbunden. Das „Digitale Universum“ hat sich seit 2011 auf 2,8 Zettabyte verdoppelt

und soll bis 2020 40 Zettabyte erreichen (IDC, „Digital Universe“, 2012). Das bedeutet: Die Anzahl der Server in sämtlichen Unternehmen nimmt überdurchschnittlich stark zu, um den zusätzlichen ­Bedarf zu gewährleisten, was wiederum den Stromverbrauch sehr stark erhöht. Auch die Zahl der Smartphones und Tablets steigt kontinuierlich an. Schätzungen des Marktforschungsunternehmens Gartner zeigen, dass die ICT-Branche insgesamt für zwei Prozent der gesamten Treibhausgasemis­ sionen verantwortlich ist. Das entspricht den Emissionen der Luftfahrtbranche. Welche Möglichkeiten haben Unternehmen und private Nutzer, das Thema Nachhaltigkeit in den verschiedenen ­Facetten aufzunehmen und umzusetzen?

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Energie sparen!

Unternehmen können eine nachhaltige Ausrichtung der Infrastruktur einer Online-Plattform anstreben. Gestaltungsmöglichkeiten sind vor allem der energieeffiziente Betrieb von ­Rechenzentren, die Versorgung mit CO2-neutralem Strom sowie energiesparende Technologien. “Green IT“ steht für einen effizienten und ökologischen Einsatz von Computerresourcen und bezieht sich auch auf die nachhaltige Nutzung der Hardware und deren aufwändige Kühlung, die die operativen Kosten eines jeden Servers um circa 50 Prozent erhöhen. Wie eine Studie von Experton zeigt, entspricht der Stromverbrauch, um alle Server und die dafür benötigten Klimaanlagen weltweit zu betreiben, 1,2 Prozent des gesamten Energiebedarfs der USA, also 120 Milliarden Kilowattstunden („Green IT-Update 2009“, 2009). Die Stromkosten eines durchschnittlichen Rechenzentrums sind ein wesentlicher Kostentreiber mit rund 15 Prozent der Gesamtkosten, wobei die durchschnittliche Serviceauslastung weniger als zehn Prozent beträgt. Dies führt dazu, dass ein durchschnittlicher PC mit acht Stunden Laufzeit täglich Stromkosten im Wert von 200 Euro jährlich verursacht. Eine Reduzierung der Energiekosten und Investitionen erlauben die Virtualisierung und anschließende Konsolidierung von physikalischen Servern und deren Diensten. Dafür kann die Aus­ lastung des physikalischen Servers gesteigert werden, um gleichzeitig mehrere virtuelle Server darauf zu betreiben. 60 Prozent der maximalen Energieaufnahme wird alleine für das „On“ benötigt. Das heißt, je mehr virtuelle Server sich die 60 Prozent für das „on“ teilen, desto energieeffizienter wird gearbeitet. Entscheidend dabei ist es, Ressourcen-Engpässe zu vermeiden und den physikalischen Server trotzdem maximal auszulasten. „Cloud Computing“ bietet hier eine besonders gute Möglichkeit der Einsparung durch Auslagerung von Diensten: Rechenleistungen von Computern, das Speichern, die Applikationen und deren Daten werden über das Internet oder Intranet bereitgestellt und verwaltet. Eine mögliche Auslagerung kann sich schnell rechnen, da in vielen Unternehmen die eigene IT überdimensioniert ist und nur zu Leistungsspitzen voll ausgelastet ist. Eine zentrale Rolle von „Green IT“-Konzepten spielt außerdem eine optimale Klimatisierung der Rechenzentren. Diese macht einen signifikanten Teil der Energiekosten aus. Innovative Kühlkonzepte, wie die Nutzung von Außenluft in kühleren Regionen und eine auslastungsangepasste Klimatisierung, könnten die Energienutzung deutlich reduzieren. Einen Anreiz zum Einsatz von „Green IT“ gibt zusätzlich die Auszeichnung des Umweltzeichens „Der Blaue Engel“ für Unternehmen und deren Rechenzentren.

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Öfter mal abschalten! Informationsüberfluss und ständige Erreichbarkeit können der Gesundheit schaden. Auch der „Digital Burnout“ und die Möglichkeiten zur Selbsteinschränkung sind deshalb wichtige Aspekte der Nachhaltigkeit. Immer häufiger beklagen sich Mitarbeiter über den Druck, ununterbrochen erreichbar sein zu müssen und E-Mails auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten zu empfangen – und eben auch zu beantworten. Aus einem „Ich mache das noch eben schnell!“ wird nicht selten ein ganzer Abend oder Samstagnachmittag. Die Financial Times berichtet, dass 88 Prozent der Berufstätigen auch nach Feierabend erreichbar sind und fast jeder Dritte sogar rund um die Uhr („Smartphones machen Freizeit zur Arbeitszeit“, 2011). Die klare Trennung zwischen Job und Freizeit geht verloren und erzeugt zunehmend Stress und Unzufriedenheit, was auf Dauer zu Ermüdungserscheinungen und mangelnder Produktivität führen kann. Um diesem Syndrom entgegen zu wirken, bieten diverse Webseiten, Apps, Events und Communities eine Plattform zur Verbreitung und zum Austausch von Informationen und Methoden zur Bekämpfung von technologiebedingter Belastung und dem nachhaltigeren Umgang mit dem Web. Um einen „Digital Detox“ proaktiv zu fördern, wünschen Nutzer von Smartphones, Tablets und PCs darüber hinaus Apps oder Softwarelösungen, die ein zwanghaftes Ausschalten der Geräte forcieren, um nach der Arbeitszeit, in Lernphasen oder einfach zwischendurch ungestört zu sein. Arbeitgeber oder Privatpersonen können eine Beschränkung der Anmeldezeit oder einen versperrten Zugang zu Webseiten einrichten. Über die Benutzerverwaltung lassen sich die Zeiträume bestimmen, in denen sich Anwender am System anmelden oder Webseiten besuchen dürfen. Die ersten Unternehmen folgen diesem Trend zum „Digital Break“ nach Feierabend: Die Arbeitnehmervertretung von Volkswagen beispielsweise hat erwirkt, dass bei Firmen-Blackberrys von Mitarbeitern unterhalb der Management-Ebene nach Feierabend die E-Mail-Funktion abgeschaltet wird.

Verbrauch von Ressourcen reduzieren! Um das Problem ganzheitlich anzupacken, darf die Nutzersicht nicht fehlen. Ein Ansatzpunkt ist die ­Bereinigung von Applikationen und Daten. Viele Unternehmen speichern Foto-, Video- und Mp3-Dateien, obwohl sie diese für den Geschäftsablauf nicht mehr benötigen. Sie machen einen Großteil der Daten aus – bis zu einem Drittel aller Applikationen und Daten könnten von den Servern entfernt werden. Aufgabe von Unternehmen und Betreibern von Rechenzentren ist es, Mitarbeiter häufiger zu „Data Cleanings“ aufzufordern. Bei der Internetnutzung ist es die massenhafte Aktivität, die jeweils kleine Energiebeträge zu gigantischen Summen anhäuft. In einem Artikel der New York Times weist der Physiker Alex Wissner-Gross von der Harvard University auf den immensen Verbrauch einer normalen Google-Suche hin („Silicon Valley Worries About Addiction To Devices“, 2012/07/24). Diese entspricht nach seiner Berechnung dem Ausstoß von 5-10 g CO2. Nach den Recherchen von Spiegel Online („Einmal googlen entspricht einer Stunde Licht“) verbraucht eine Such-Anfrage bei Google genauso viel Strom, wie eine Energiesparlampe benötigt, um eine Stunde lang zu leuchten. Nimmt man zum Vergleich die angepeilte Zielvorgabe der EU für den CO2-Ausstoß im Automobilverkehr, so liegt dieser bei 120-140 g CO2 pro Kilometer für 2012 (EU Kommission). Das würde bedeuten, dass 25 Google-Suchanfragen genauso viele Emissionen verursachen wie ein Autofahrer auf einem Kilometer Fahrt. Dieser hohe Verbrauch erklärt sich vor allem daraus, dass eine durchschnittliche Anfrage an mehrere Server in oft weit voneinander entfernten Datenzentren gleichzeitig geht, um die Suche zu beschleunigen. „CO2Stats“ bietet an, gegen eine monatliche Gebühr den Energieverbrauch von Webseiten zu berechnen, um sie energieeffizienter zu machen und durch den Bezug erneuerbarer Energien die CO2-Emissionen zu neutralisieren. Die Betreiber bekommen für die „grüne Webseite“ anschließend ein Zertifikat, das auf der Seite sichtbar gemacht wird.

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Ökologisch bewusst produzieren und kaufen! Zukünftig muss auch für eine nachhaltigere Produktion von Computern und Zubehör gesorgt werden. Die Herstellung eines durchschnittlichen PC‘s erfordert das Zehnfache seines Gewichts an Chemikalien und fossilen Brennstoffen. Eine Untersuchung des Umweltbundesamtes (UBA) verdeutlicht, dass neben der Reduzierung des Energieverbrauchs vor allem die Materialeffizienz von IT-Lösungen verbessert werden muss. Durch die Herstellung von Servern sind allein in Deutschland bereits zwei Tonnen Gold und acht Tonnen Silber verwendet worden (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie). Um die Materialmengen zu reduzieren und die Umwelt zu schonen, müssen materialeffizientere Produkte und alte Geräte recycelt werden. Besonders modular erweiterbare Klima- und Stromversorgungslösungen bieten oftmals energieeffizientere, platzsparende und kostengünstigere Alternativen für Unternehmen. Desweiteren gibt es hierzu erste Initiativen und Organisationen, die sich speziell um die Entwicklung von nachhaltigeren Endgeräten bemühen. Ein Bespiel dafür ist das soziale Unternehmen „Fair Phone“, das ein umweltfreundliches und unter ethisch-korrekten Umständen produziertes Smartphone entwickelt (www.fairphone. com). Den Erfolg dieser hauptsächlich web-basierten Geschäftsmodelle kann man deutlich an der hohen Aufmerksamkeit und den vielen Interessenten sehen, die sich bereits in kürzester Zeit für das faire Smartphone registriert haben. Um grundsätzlich eine nachhaltigere Herstellung von Produkten zu fördern, ist es wichtig, dass Käufer bewusster einkaufen und Informationen zur Produktion und Umweltauswirkung schnell und einfach zur Hand haben. Online-Plattformen sind optimal geeignet für den Einsatz und die Bekanntmachung von Apps zur Aufklärung und Informationsverbreitung von sogenannten „Product Carbon Footprints“ (CO2-Fußabdruck von Produkten), die die Bilanz der Treibhausgasemissionen entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produktes beschreiben. Ein Erfolgsbeispiel ist „Get Neutral App“: Get-Neutral bietet Verbrauchern eine einzigartige Plattform, um spielerisch nachhaltige Angebote zu entdecken, auszuprobieren und zu bewerten. Damit der tägliche Konsum keine negativen Folgen für Menschen und Umwelt hat, können Konsumenten Barcodes scannen, Produkte bewerten und „neutralisieren“, indem die Menge an CO2, die für das Produkt verursacht wurde, zu 100% ausgeglichen wird.

Technologie gewinnt an Wichtigkeit – der nachhaltige Umgang damit aber gleichermaßen. Unternehmen können durch Sicherstellung eines effizienten und ökologischen Einsatzes von Computerresourcen sowie einer fairen und materialeffizienten Herstellung einen großen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Nutzer müssen vor allem ein größeres Bewusstsein für die Auswirkung von Internet und elektronischen Geräten auf die Umwelt und auch die eigene Gesundheit entwickeln. Dafür sind das Web, Apps, Konferenzen und diverse Auszeichnungen hervorragende Mittel zur Informationsverbreitung und aktiven Unterstützung von Nachhaltigkeitszielen. Mehr Bedacht bei Einkauf und Nutzen, um sowohl die Umwelt als auch sich selbst vor Überbelastung zu schützen, sichert unsere Zukunft!

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INTERVIEW: Enterprise 2.0

Transformation zu Vernetzung und Offenheit ist eine Managementaufgabe

Enterprise 2.0-Konzepte finden zunehmend Eingang in die Unternehmen. Höchste Zeit, findet Stephan Grabmeier, Chief Evangelist und führender Experte zu Social-Business-Themen. Er sprach mit dem DMR über die positiven Effekte der unternehmensinternen Vernetzung mittels sozialer Technologien.

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DMR: Wie unterstützt Enterprise 2.0 die Transformation in eine globale Netzwerk- und Wissensgesellschaft? Grabmeier: Enterprise2.0 ist die Antwort der Unternehmen auf die globale Netzwerk- und Wissensgesellschaft. Da sich ­Märkte schneller bewegen als Unternehmen, ist es bisher lediglich die Reaktion auf Phänomene der gesellschaftlichen Vernetzung, neue Technologien, neue Werteentwicklungen, Verschiebung politischer Systeme oder neuen Ansprüchen von Arbeitnehmern. Unternehmen fangen teilweise jetzt erst an, die Entwicklungen des Social Webs, die wir in den letzten 10-15 Jahren erlebten, für ihre Unternehmensentwicklung zu übersetzen. Man muss nicht jedem Trend hinterher laufen, aber für manche CEOs wird es höchste Zeit, sich mit der Entwicklung ihrer Organisation in Richtung Enterprise 2.0 zu beschäftigen. Aus der Systemtheorie wissen wir sehr genau, dass das beurteilende System genauso komplex sein muss wie das System selbst. Wenn Märkte und Gesellschaft komplex sind, Unternehmen aber nicht, dann liegt der Handlungsbedarf auf der Hand. Vernetzte Unternehmen und deren Steuerung zu entwickeln, ist eine der Managementaufgaben der Zukunft.

a­ nders gestalten. In einer Transformation muss man Betroffene zu Beteiligten machen – besser als mit Enterprise 2.0-Methoden kann man Transformationsprozesse nicht unterstützen. DMR: Welcher kulturelle Wandel wird dadurch ermöglicht? Grabmeier: Das Wichtigste sind nicht die Technologien, sondern die Veränderung des miteinander Arbeitens und Kommunizierens. Enterprise 2.0 ist kein technisches Thema, obwohl zunächst Tools und Plattformen im Vordergrund stehen. Diese sind allerdings lediglich Enabler für neue Formen der Kommunikation. Kultur ist, was am Ende dabei rauskommt. Denken Sie an die Spitze eines Eisbergs: Die 90 Prozent Masse unter dem Wasser sieht man nicht. Ähnlich ist es mit der Unternehmenskultur zu Enterprise 2.0. Es müssen der Rahmen, die Strategie, Policies, Infrastruktur und die Voraussetzungen stimmen, das also, was unter dem Wasser ist. Erst dann kann man beginnen, die Kultur zu entwickeln. Die ist ja nicht einfach da. Kulturentwicklung ist kein triviales Thema, denn es gibt kaum eine Facette, die nicht durch Enterprise 2.0 betroffen ist.

DMR: Welchen Einfluss haben Enterprise 2.0 sowie weiterführen­ de Technologien auf Transformationsprozesse?

DMR: Wie trägt Enterprise 2.0 zur Schaffung neuer, flexibler ­Arbeitsformen bei?

Grabmeier: Grundsätzlich ist „Enterprise 2.0“ ein eigener großer Transformationsprozess, denn damit wandelt sich ein Unternehmen mittels sozialer Technologien zu einem offenen und vernetzten System. Andererseits ermöglichen Enterprise 2.0-Werkzeuge, jeden anderen Transformationsprozess zu unterstützen.

Grabmeier: Neue Arbeitsformen sind ein schönes Beispiel ­dafür, wie sich Werte und Ansprüche von Arbeitnehmern und künftigen Mitarbeitern massiv verändert haben und zukünftig noch verändern werden. Dies betrifft in besonderem Masse die Flexibilität von Arbeitsform, Arbeitsort und Arbeitsinfrastruktur. Vielleicht erinnern Sie sich an einen Slogan aus der Telekom-Kampagne „Werde Chef Deines Lebens“. Sie sehen darin das Bild eines Papas, der zu Hause mit seinen Kindern spielt, Smartphone und iPad griffbereit neben sich. Darunter stand: „Ich kann zu Hause ein besserer Chef sein als im Büro ein guter Papa.“. Dieser Satz beschreibt so einfach und deutlich, worum es geht. Es geht nicht mehr um bloße Anwesenheit von Mitarbeitern oder um Führung durch Sichtkontrolle. FutureWorkplace-Konzepte haben in der Regel drei Komponenten: erstens die Gebäudeinfrastruktur und- architektur, zweitens die IT-Arbeitsplatzinfrastrukutur und drittens die rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen.

Unter Enterprise 2.0-Werkzeugen verstehen wir alle technischen Plattformen und Vorgehensmodelle, die Partizipation und ­Dialog für jedermann ohne Hierarchie und Zutrittsbeschränkung ermöglichen. Dazu zählen aus technischer Sicht typischerweise interne soziale Netzwerke, Microblogs, Wikis, Jams, Prognosemärkte oder digitale World Cafés. Neben der Technologie gibt es darüber hinaus kulturelle Formate wie Barcamps, Open Spaces oder verschiedene Agilitätsmethoden wie Scrum oder Kanban, die durch neue Logiken eine Transformation völlig

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Stephan Grabmeier ist Chief Evangelists der Innovation Evangelists GmbH. Er unterstützt Unternehmen bei der Einführung von S­ ocial Business – dem sogenannten Enterprise 2.0 – und Innovations­ formaten. Herr Grabmeier war bis Ende Mai 2013 für das Center of ­Excellence Enterprise 2.0 der Deutschen Telekom und die Transformation des Konzerns zur Enterprise 2.0 verantwortlich. Er ist H ­ erausgeber des Buches „Auf dem Weg zu Organisation2.0 – Mut zur ­Unsicherheit“ und wurde in den letzten Jahren mit zahlreichen Awards als Innovator und Vordenker zur Zukunft der Arbeit ausgezeichnet.

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Welcher Mitarbeiter hat heute noch Lust, in veralteten IT-Infrastrukturen zu arbeiten, wenn man privat modernste Kommunikationslösungen, Smartphones oder Cloud Services benutzt? Wie passen ständige Verfügbarkeit mit Work Life Balance zusammen, wenn Arbeitgeber Anwesenheitspflicht fordern? Wie lässt sich die Erhöhung von Frauenanteilen oder das Arbeiten über verschiedene Standorte, Länder und Zeitzonen effizient bewältigen, wenn nicht grundlegend neue Konzepte für „Anders Arbeiten“ entstehen? Die Beispiele von Google oder Unilever & Co. sind keine Spaßkonzepte oder Wellness-Oasen für die digitale Boheme. Dahinter stehen hart gerechnete Business Cases und der Impact von Arbeitskultur auf die Erreichung der Unternehmensziele. Daher sind Konzeption und Implementierung neuer Arbeitsformen wichtige Bausteine in einer Enterprise 2.0-Transformation. DMR: Welche Best-Practice-Beispiele für den erfolgreichen Einsatz von Enterprise 2.0 gibt es? Grabmeier: Mittlerweile gibt es einige gute Beispiele von ganzheitlichen Enterprise 2.0-Transformationen. Als wir vor vier bis fünf Jahren bei der Deutschen Telekom gestartet sind, sah die Enterprise 2.0-Welt noch anders aus. Einige Unternehmen sind hier schon sehr weit, zum Beispiel IBM oder die Synaxon AG. Auf dem Level der Deutschen Telekom sind auch Unternehmen wie Alcatel Lucent, Lufthansa, BASF oder die Continental AG. Viele andere Unternehmen stehen jetzt im Startblock und beschäftigen sich mit dem Thema. Das Schöne an Enterprise 2.0 ist die Nutzungsoffenheit: Es gibt kein Unternehmen, für das es keine Anwendungsfälle gibt, egal in welcher Branche, egal in welcher Größe, egal für welche Prozesse. Ich sehe, dass sich neben den 30 DAX-Konzernen immer mehr der Mittelstand und auch kleinere Unternehmen dafür interessieren. Der nächste Schritt wird die unternehmensübergreifende Vernetzung mittels sozialer Technologien sein. Immer dort, wo Unternehmen mit Partnern, Kunden oder Lieferanten einfach und sicher arbeiten, sich Projekt- oder Communitybasiert austauschen und Dokumente sharen wollen, treten zukünftig Enterprise 2.0-Lösungen ein. Voraussetzung allerdings ist, dass ein Unternehmen erstmals seine Hausaufgaben in der eigenen Organisation erledigt, bevor es unternehmensübergreifend agiert.

Ich merke jedoch, dass viele Unternehmen das Thema E ­ nterprise 2.0 nicht aus der Sicht der Unternehmensentwicklung und ­daher nicht wirklich ernsthaft betreiben. Häufig kommt das Thema aus der IT oder dem Bereich Corporate Communication, unterstützt mit Parolen aus dem Management wie „Wir brauchen jetzt auch mal so ein soziales Netzwerk.“. Ich kann nur appellieren: Hier geht es nicht um die Einführung von IT, sondern um die komplette Transformation eines Unternehmens in Richtung Vernetzung, Offenheit und Kollaboration. Ohne echte Unterstützung des Top Management, zum Beispiel indem der CEO als Sponsor agiert, wird der Wandel zur Enterprise 2.0 nicht gelingen. DMR: Welche Grenzen hat Enterprise 2.0? Grabmeier: Ich sehe keine. Wir stehen mit dieser Entwicklung noch immer am Anfang. In den letzten vier bis fünf Jahren ­haben die Early Adopter mit Enterprise 2.0 experimentiert. Aus dieser Phase sind wir nun raus. Wir sehen, dass sich immer neue, nutzenbringende Use Cases ergeben. Der nächste große Schritt, sich tiefer in die Wertschöpfungsprozesse zu integrieren, steht jetzt bevor. Praktische Grenzen sehe ich einerseits in der Medienkompetenz von Mitarbeitern und Führungskräften. Die wenigsten sind in der Lage, spielerisch soziale Technologien intern wie extern zu nutzen und ihr Führungsverhalten darauf anzupassen. Da muss viel getan werden. Andererseits fehlt manchem Unternehmenslenker der Mut, dem Thema eine transformatorische Priorität zu geben. Fragen wie „Welche Inhalte sind im Unternehmen künftig statisch und welche User-generiert? Welche Prozesse eignen sich für die Öffnung nach Enterprise 2.0-Kritierien? Wo öffnen sich Unternehmen im Sinne der Open Innovation und wo nicht?“ sind im Rahmen der Enterprise 2.0-Strategie zu definieren – und damit integraler Bestandteil eines neuen Unternehmens – einer Enterprise 2.0.

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Detecon Business LAB

Freiraum für Kreative und Visionäre

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Die Zukunft ist agil: Rasanter technologischer Wandel, zunehmende Veränderungs­ geschwindigkeit und tiefgreifende gesellschaftliche Umbrüche erfordern Dynamikrobustheit, Flexibilität und liquide Strukturen – in einem Wort: Agilität. Agilität sichert das Überleben der Wissensgesellschaft.

A gilität bedeutet, die Transformationsfähigkeit als zentrales

Paradigma zukünftiger Arbeitswelten zu betrachten. Dazu benötigen Unternehmen ein expansives Denken, ein Denken in Perspektiven, Möglichkeiten und Zusammenhängen. Voraussetzung dafür ist eine Unternehmenskultur, die von Selbstverantwortung, Kreativität und Wandel geprägt ist. Kreatives Denken und Handeln meint mehr als künstlerische Schöpfungskraft: Die Fähigkeit, ständig neue Zusammenhänge herzustellen, unterschiedliche Perspektiven zu integrieren und Bestehendes immer wieder zu hinterfragen. Eine agile Organisation setzt deshalb den Einsatz von flexiblen Methoden und Instrumenten voraus. Dies bedeutet nicht das Ende bewährter Managementmethoden, sondern vielmehr eine sinnvolle Ergänzung. So wird zum Beispiel eine stringente Projektplanung mit Meilensteinen durch agiles Projektmanagement mit Scrum ergänzt. Neben einem „auf Dynamik und Unsicherheit einlassen“ gilt ein weiteres Paradigma: Maximale Kundenzentrierung. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn es um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens geht – um Innovationen. Innovationen geschehen in den Köpfen der Menschen, nicht durch gesteuerte Prozesse. Und hier steht das Kundenproblem im Zentrum und nicht technikverliebte Ingenieurskunst. Das Detecon Business Lab ist ein Nukleus für agile Methoden, ein Raum zum Experimentieren und selber machen. Daher kommt auch der Name „Business Lab“: Lab als Kurzform für Laboratorium – Raum zum Experimentieren. Agile Methoden und Formate sollen entwickelt, erprobt, getestet und in Projekten angewendet werden. Die Bandbreite reicht von interaktiven Brainstorming Sessions, flexiblen Projektmanagement-Methoden bis hin zu Produktentwicklungen mit „Design Thinking“-Ansätzen.

Interdisziplinäre Vernetzung und Erfahrungsaustausch ermög­ lichen dabei, dass sich Wissen vervielfältigt und disruptive Innovationen entstehen. Ziel ist es, Menschen mit unterschiedlichem Erfahrungshorizont und Ausbildungshintergrund zusammen zu bringen, die sich gegenseitig „beflügeln“. Der Raum ist vollständig auf Interaktivität und Kreativität ausgerichtet und jederzeit flexibel gestaltbar und schnell veränderbar. Elemente des Business Lab: • Eine beschreibbare Wand bietet Platz zum Brainstormen. Spezielle Whiteboardfarbe ist die Grundlage, um Geschriebenes von Whiteboardmarkern einfach wieder wegzuwischen. • Eine mit speziellen Platten ausgerüstete Wand kann für die Arbeit mit Stattys, Post-Its oder selbsthaftenden Papieren ­genutzt werden. Ideen auf Pappe können zudem angepinnt ­werden. • Lernlandkarten liefern Anregungen für innovative WorkshopFormate und für Projektmanagement-Methoden. • Alle Einrichtungsgegenstände wie Regale und Tische sind mobil und lassen sich daher frei im Raum bewegen. • Ein Beamer sorgt für Bildschirmübertragungen aller Art. • Ein Ideenboard sammelt stets neue Geistesblitze, aber auch gerne Anmerkungen, Feedback und Wünsche. Das Detecon Business Lab im Kölner Headquarter steht unseren Kunden für Projekte, Workshops, Meetings und Events aller Arten jederzeit offen. Auf Wunsch gibt es eine professionelle Moderation durch Detecon-Berater. Kontakt: businesslab@detecon.com

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Schöne neue Welt

Ein Arbeitsplatz der Zukunft Das Büro wandelt sich zum Ort der K ­ ommunikation und Vernetzung. Dazu werden situationsorientierte Räumlichkeiten benötigt, die sowohl den kreativen Austausch oder die Projektarbeit fördern als auch Rück­ zugsmöglichkeiten zum konzentrierten und vertrau­ lichen ­Arbeiten bieten und Routinetätigkeiten optimal unterstützen. Wir sprachen mit Björn Ruland, Vice ­President HR Projects im Bereich Products & Inno­ vation der Deutschen Telekom, über das Pilotprojekt „Smart Working“ und die ­anstehenden ­Veränderungen in der Arbeitswelt.

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Inter DMR: Herr Ruland, welche Trends werden aus Ihrer Sicht grund­ legend die Art und Kultur der Zusammenarbeit verändern?

Ruland: Die Arbeitswelt wird flexibler, mobiler und dezentraler. Der Wandel vollzieht sich in drei Dimensionen: Leistung wird unabhängig von Ort und Zeit erbracht. Büros werden zu Kommunikationszentren und dienen der Identifikation mit dem Unternehmen. Führung bestimmt das ‚Was‘, Mitarbeiter das ‚Wie‘ und die Work Life Balance wird zum Differenzierungsfaktor für Unternehmen im demographischen Wandel. DMR: Der „graue“ Büroalltag stirbt langsam, aber sicher aus und macht Platz für neue, kreative Arbeitsstrukturen. Welche Arbeits­ strukturen entstehen Ihrer Ansicht nach? Was bedeutet das für die Gestaltung der Büroräume, insbesondere auch in Richtung der ­genannten Trends?

Ruland: Bisher mussten die Beschäftigten ins Büro kommen, um ihre Arbeit zu verrichten. Dementsprechend wurde präsenz­ orientiert oder „auf Sicht“ geführt. Wenn wir den Mitarbeitern individuelle Freiräume geben, dann bedeutet dies, dass auch mobil von unterwegs gearbeitet werden kann, zum Beispiel beim Kunden oder im ICE sowie von zu Hause. Damit einher geht ein Wandel in der Führung: Weg von der Präsenzkultur, hin zu einer ergebnisorientierten Führungskultur. Das heißt, die Mitarbeiter werden weder formal noch informell daran gemessen, wie lange sie arbeiten, sondern nur noch an ihren Ergebnissen. DMR: Welche Erfahrungen haben Sie bereits mit diesen Büro­ welten gemacht? Ruland: In den vergangenen Monaten haben wir bei der Deutschen Telekom in Darmstadt eine neue Arbeitsumgebung realisiert. Wesentlich dabei war, die Mitarbeiter in den Mittelpunkt zu stellen. Wir haben zunächst mit den Betroffenen analysiert, welche Anforderungen sie für eine effektive Erledigung ihrer ­Tätigkeiten brauchen. Daraus haben wir dann in einem crossfunktionalen Team mit Experten aus HR, dem Immobilienmanagement und der IT Vorschläge für eine neue Arbeitsumgebung entwickelt. Wir selbst haben dabei agil mit der Scrum-Methode gearbeitet und unsere Ergebnisse immer wieder den betroffenen Mitarbeitern vorgestellt und deren Feedback eingeholt. So konnten wir früh sicherstellen, dass wir in der Realisierung die Bedürfnisse der Mitarbeiter umsetzen und dadurch die ein oder andere „Fehlentwicklung“ vermeiden. Gleichzeitig haben wir eine hohe Akzeptanz für die neue Umgebung erzeugt, was uns im Sinne des Change Managements sehr geholfen hat.

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DMR: Was bedeutet das konkret?

Ruland: Konkret haben wir eine Fläche von zirka 500 Quadratmetern umgestaltet. Die vorherige Struktur von Zellen­büros wurde durch eine neue, situationsorientierte Arbeitsumgebung mit offenen Flächen und Rückzugsmöglichkeiten ersetzt. Gleichzeitig arbeiten die meisten Beschäftigten nach dem Desk-Sharing-Prinzip, wodurch wir eine Reduktion von etwa 30 Prozent der früheren Fläche erreichen konnten. Im Sinne einer individuellen Lösung gilt aber hier nicht: „One Size fits all“. So haben die Kollegen der Entgeltabrechnung zum Beispiel weiterhin ihre fest zugeordneten Schreibtische, weil das für diese Funktion die bessere Lösung darstellt. Bis heute haben wir sehr viel positives Feedback von den ­Mitarbeitern erhalten – beispielsweise, dass sich die Kommunikation zwischen den Teams deutlich verbessert hat. Auch die neue Flexibilität, an unterschiedlichen Plätzen zu arbeiten, wird sehr begrüßt und als inspirierend empfunden. DMR: Wie sieht denn ein Business Case zu den neuen Bürowelten aus?

Ruland: Die Frage der Wirtschaftlichkeit wird natürlich sofort gestellt, da eine umfassende Neugestaltung der Arbeitswelt nicht ohne Investitionen zu bewerkstelligen ist. Aber allein über eine bessere Nutzung der bestehenden Bürofläche, zum Beispiel offene Bürowelt versus Zellenstruktur und Desk-Sharing-Konzepte, lassen sich sofort Einsparungen von mindestens 30 Prozent der Fläche realisieren. Darüber hinaus lassen sich Produktivität, Innovationskraft und Schnelligkeit durch effizienteres Arbeiten und höhere individuelle Zufriedenheit der Mitarbeiter erzielen. Das ist natürlich kurzfristig nur schwer zu quantifizieren, aber langfristige Beobachtungen und Auswertungen belegen diese Effekte. DMR: Welche Rolle spielt ICT im Umfeld neuer Bürowelten und Arbeitsformen? Sprechen bald nur noch die Smartphones miteinan­ der? Ruland: Es wäre schade, wenn zukünftig nur noch Smartphones miteinander sprechen würden - das halte ich für Utopie. Der Mensch steht immer noch im Mittelpunkt. Allerdings ist, wie oben erwähnt, die ICT ein wesentliches Hilfsmittel, um effektiv zu arbeiten. Mobile Konzepte können nur mit einer entsprechenden ICT-Unterstützung funktionieren und wir benötigen im Sinne einer optimalen User Experience für die Beschäftigten einfache, sichere und stabile Lösungen, die es trotz aller Sicherheitsbedenken überall erlauben, schnell und flexibel einen Job zu erledigen.


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DMR: Neue Bürowelten sind nicht nur eine Frage von Gebäuden, Räumen und ICT, sondern auch vom Mindset der Menschen. Was ändert sich für die „Chefs“, was ändert sich für die Mitarbeiter? Welche kulturellen Implikationen ergeben sich aus diesem Thema? Ruland: Durch die zunehmende Flexibilität und Mobilität begegnen sich Führungskräfte und Mitarbeiter weniger. Die Zusammenarbeit zwischen Führungskraft und Mitarbeiter muss durch Vertrauen geprägt sein. Die Führungskraft muss sich stärker auf die Vorgabe von Zielen und Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen sowie auf die Unterstützung der Mitarbeiter fokussieren und weniger auf die Vorgabe und Kontrolle einzelner Aufgaben. Innerhalb der geltenden Rahmenbedingungen organisieren die Mitarbeiter ihre Arbeit selbst und übernehmen die Verantwortung dafür, die erforderlichen Ergebnisse zu liefern. Und wo früher das persönliche Gespräch im Büro der Führungskraft im Vordergrund stand, erhält zukünftig ­„Virtual Leadership“ eine größere Bedeutung. Das heißt Führen auf neue, mehr indirekte Art und Weise, um den Kontakt zu halten und die Arbeitsabläufe zu koordinieren sowie Arbeitsergebnisse transparent zu machen. DMR: Wie geht man Ihrer Ansicht nach am besten vor, um einen großen Konzern wie die Deutsche Telekom auf diesen Wandel vor­ zubereiten und insbesondere in die Umsetzung zu bringen? Ruland: Nach unserer Überzeugung reden wir hier nicht nur von einer Veränderung des Arbeitsplatzes oder der Arbeitsumgebung. Mit Smart Working setzen wir einen kontinuierlichen Transformationsprozess in Gang, der für die Deutsche Telekom einen massiven Kulturwandel bedeutet. Unser Ansatz bei Smart Working zielt deshalb im ersten Schritt immer auf eine individuelle Analyse der bestehenden Situation ab, um im zweiten Schritt eine mit allen Beteiligten bestmögliche Lösung zu definieren. Das heißt, die Bedürfnisse der Mitarbeiter und Führungskräfte stehen bei der Lösungsfindung im Vordergrund, nicht nur die Umgestaltung der Büroflächen oder die Bereitstellung von ICT-Lösungen. Unser Personalvorstand Marion Schick sagte dazu: „ Die Deutsche Telekom braucht Menschen, die gern zusammenarbeiten. Dazu reicht es nicht aus, Räumlichkeiten zu verändern.“ Aktuell arbeiten wir mit allen Projektbeteiligten sehr engagiert daran, die wesentlichen Erkenntnisse aus dem Piloten für den gesamten Konzern aufzubereiten. Die größte Herausforderung ergibt sich aus der Skalierbarkeit des Piloten. Aber ich bin überzeugt, dass wir auch hierfür eine gute Lösung finden.

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Neue Arbeitswelten Mobile IT und virtuelle Räume verändern die Zusammenarbeit Effizient, vernetzt und bedarfsgerecht – ­das ist der An­ spruch an den Arbeitsplatz von morgen. Höchste Zeit also, auch das B ­ ürokonzept von Detecon neu zu ge­ stalten. Im Zuge der ­Verlagerung ­des Hauptsitzes von Bonn nach Köln entstanden neue ­Arbeitswelten für die ­Mitarbeiter.

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Unternehmen wünschen sich effiziente Mitarbeiter, die qualitativ hochwertige Arbeitsergebnisse in möglichst kurzer Zeit erzielen. Der perfekte Mitarbeiter soll zudem kreativ, flexibel und teamfähig sein. Diese Eigenschaften sind insbesondere in einer Wissensgesellschaft wie der unseren wichtiger denn je. Soweit die Anforderungen. Doch welche Möglichkeiten bieten Unternehmen ihren Mitarbeitern, um diese kostbaren Eigenschaften zu entfalten? Mobile Endgeräte und vernetzte Anwendungen sind schon einmal eine gute Basis. Sie geben uns die Möglichkeit, zeit- und ortsunabhängig zu arbeiten. Überall, wo ein Mobilfunkmast oder eine Telefondose nicht allzu weit entfernt sind, stehen Daten und Dienste über das Internet oder private Clouds zur Verfügung. Ob mit dem Laptop beim Kunden, dem ConnectedCar-System im Auto oder Smartphone und Tablet-PC in öffentlichen Verkehrsmitteln – E-Mails und Kalender gibt es immer. Und je nach Entwicklungsgrad des Unternehmens kommen Datenbankzugriff, Kollaborationslösungen inklusive Videoconferencing oder der volle Zugriff auf das Unternehmensnetzwerk hinzu. Das entspricht dem Geist unserer Zeit und den Möglichkeiten moderner Informations- und Kommunikationstechnik: Der mobile, vernetzte Mitarbeiter führt bildlich vor Augen, wie sich die Arbeit von zeitlichen und räumlichen Beschränkungen löst. Diese Entgrenzung findet auch in den Büros statt. Das ist ein weiteres Phänomen unserer Zeit, in der Unternehmen zunehmend globaler aufgestellt sind. Ehemals deutsche Mittelständler, die internationale Märkte mit ihren Produkten belieferten, sind heute globale Konzerne mit Niederlas

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sungen in aller Welt. Oder sie sind Bestandteil der dicht miteinander verwobenen Lieferketten anderer Unternehmen, wie es in der Zulieferindustrie der Fall ist. In diesen globalen Organisationen arbeiten Angestellte häufig über Kontinentalgrenzen und Zeitzonen hinweg zusammen an gemeinsamen Projekten. Anstatt sich persönlich zu treffen, verabreden sich virtuelle Teams zu Telefon- und Videokonferenzen oder tauschen sich per Chat und Instant Messaging in Echtzeit mit den Menschen aus, die für ihre jeweilige Aufgabe erforderlich sind. Für die weitere Zusammenarbeit dienen gemeinsame Kollaborationsplattformen und vernetzte Dienste. Wissen vermehrt sich durch Teilen Wir halten fest: Büroarbeit ist längst nicht mehr an einen festen Platz gebunden, sondern findet potenziell von jedem Ort in der Welt aus statt. Je nach Aufgabe und Funktion verlagert sich die Arbeit dezentral in virtuelle Arbeitsräume. Das gilt auch, wenn ein Mitarbeiter nicht mobil tätig ist, sondern an einem Schreibtisch in der Firmenzentrale sitzt. Dieser Trend verstärkt sich, je mehr sich technisch ausgereifte Kommunikationssysteme und Vernetzungsmodelle in den Unternehmen etablieren. Einige Global Player haben erkannt, dass mit der neuen Art zu arbeiten auch ganz neue Herausforderungen auf Führungskräfte zukommen. Der Sportartikelhersteller Adidas etwa, ehemals fränkischer Mittelständler, heute globaler Arbeitgeber, bereitet seine Top-Kräfte in speziellen Seminaren auf die Führung virtueller Teams vor. Wie man diese Teams organisiert und wie darin kommuniziert und gearbeitet wird, ist mittlerweile sogar ein Forschungsthema an den Universitäten. Das direkte Arbeiten von Angesicht zu Angesicht findet zwar tendentiell weniger oft statt, gänzlich ohne geht es zumeist jedoch nicht. Matthias Malessa, Personalchef bei Adidas, berichtete etwa im vergangenen Jahr bei einem Interview, dass sich die virtuellen Arbeitsgruppen des Konzerns in der Regel einmal im Jahr persönlich treffen. Dieser Kontakt sei unverzichtbar. Das wundert nicht. Die soziale Komponente spielt bei der Zusammenarbeit eine wichtige Rolle. Zum einen für das Wohlbefinden der Mitarbeiter und zum anderen, um den Wissensaustausch und die Kreativität zu fördern. Wissen, ein Teil des intellektuellen Kapitals, ist die einzige Ressource, die sich durch Teilen vermehrt. Es entsteht im persönlichen Kontext und setzt eigene Leistung voraus, die Technik zwar begünstigen, nicht aber übernehmen kann. Um die Vermehrung von Wissen im Unternehmen zu unterstützen, müssen diese Bedingungen schaffen, die den Austausch von Informationen sowohl über technische als auch über soziale Vernetzung ermöglichen. Insbesondere bei Tätigkeiten, die Kreativität und geistige Beweglichkeit erfordern, steigern persönlicher Austausch und soziale Kontakte die Produktivität. Studien zeigen, dass heute bereits 35 bis 45 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland komplexe Tätigkeiten jenseits einfacher Sachbearbeitung ausführen. Und die Tendenz steigt. Um diesen Wissensarbeitern auch im Büro ein gleichermaßen angenehmes wie effizienzsteigerndes Umfeld zu bieten, sind neue Arbeitsplatzkonzepte gefragt.

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Offene Räume führen zusammen Wir bei Detecon International sind uns bewusst, wie wichtig unsere Mitarbeiter und deren Zusammenarbeit für den Gesamterfolg des Unternehmens sind. Darum haben wir den Umzug unseres Hauptsitzes von Bonn nach Köln als Chance begriffen und am neuen Standort eine Arbeitswelt geschaffen, die bereits heute den Anforderungen von morgen entspricht. Klassische Büros mit eigenem Schreibtisch und Aktenschrank gibt es für unsere Consultants nicht mehr. Stattdessen bieten wir ihnen non-territoriale Raumlandschaften, die sie flexibel gemäß ihren Bedürfnissen nutzen können. Etwa 600 Mitarbeiter sind der Kölner Zentrale zugeordnet. Es gibt jedoch keinen Tag, an dem sie alle vor Ort sind. Unsere Berater sind regional wie global unterwegs. Ihr Arbeitsplatz ist regelmäßig der Geschäftsraum des Kunden, ein Hotelzimmer oder ein Abteil im ICE. In die Zentrale kehren sie zurück, um Informationen auszutauschen und mit Kollegen in Dialog zu treten oder zusammenzuarbeiten. Für diese Zwecke hat Detecon offene Büros geschaffen, die ohne Türen auskommen und einen besseren Zugang zu Kollegen und Informationen ermöglichen. Die Berater entscheiden selbst, in welchem dieser Open-Space-Bereiche sie arbeiten möchten, wenn sie vor Ort sind. Je nach Kontext teilen sie sich einen Raum mit den Kollegen, mit denen sie gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Um ihre Tätigkeit optimal zu organisieren, stehen den Beratern verschiedene IT-Tools zur Verfügung. Wenn sie beispielsweise mit einem oder mehreren der anwesenden Kollegen zusammenarbeiten möchten, buchen sie über eine komfortable Buchungs-App via Laptop oder Smartphone einen Schreibtisch in der Nähe. Eine Präsenzanzeige verrät, wo welche Mitarbeiter tagesaktuell am Standort tätig sind. Via WLAN sind sie überall mit dem Unternehmensnetzwerk verbunden und erhalten vollen Zugriff auf die internen Ressourcen. Neben diesen offenen Bereichen hat Detecon eine Reihe von Think Tanks und Besprechungsräumen eingerichtet, die Mitarbeiter ebenfalls bedarfsgerecht buchen können. Das Konzept ist auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter abgestimmt: Erfordert eine Aufgabe höchste Konzentration, wählt der Berater einen Think Tank für ungestörtes, zurückgezogenes Arbeiten. Hier sind auch vertrauliche Telefongespräche oder spontane Meetings mit Kollegen möglich. Für Workshops oder Veranstaltungen in größerer Runde bieten sich die Besprechungsräume in unterschiedlichen Größen an. Jenseits des Schreibtischs liegen neue Ideen Die offene Raumgestaltung fördert das eigenverantwortliche und kreative Arbeiten. Außerdem löst es starre Hierarchien und verfestigte Strukturen auf: Ob Partner oder Junior-Berater – Mitarbeiter organisieren sich in den Open-Space-Bereichen prozessorientiert so, wie es ihren Aufgaben am besten entspricht. Damit legt Detecon den Grundstein für Produktivitätssteigerungen im

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Sinne des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Eine Studie der Forscher ergab, dass sich die Produktivität im Büro um bis zu 36 Prozent steigern lässt, wenn den tätigkeitsspezifischen Bedürfnissen der Mitarbeiter Rechnung getragen wird. Detecons neue Arbeitswelt endet jedoch nicht mit ausgefeilter ICT und innovativen Raumkonzepten. Ebenso wichtig wie der projektbezogene professionelle Austausch sind informelle Begegnungen und die Möglichkeit, Distanz zu den aktuellen Aufgaben zu finden, um neue Ideen zu schöpfen. Unsere Berater analysieren in Kundenprojekten hoch komplexe Prozesse und stellen bestehende Strukturen auf den Prüfstand. Es zählt zu ihren Aufgaben, Veränderungen in Gang zu setzen und etablierte Abläufe nach Möglichkeit zu verbessern. Das erfordert neben fachlicher Expertise ein gehöriges Maß an Kreativität und die Fähigkeit, grenzüberschreitend zu denken. Aus diesem Grund hat Detecon in ein außergewöhnliches Kunstkonzept investiert, das üblicherweise eher sterile Funktionsbereiche in phantasievolle Erlebniswelten verwandelt. 15 internationale Künstler haben Teeküchen, Wartezonen und Flure mit den Mitteln Concept-Art, New Media Art und Stage-Design völlig neu gestaltet. Aufenthaltsräume stellen sich hier etwa als mediterrane Marktplätze, rustikale Bauernstuben oder Oasen aus tausendundeiner Nacht dar. Die Vielschichtigkeit der Installationen und Arrangements lädt zum Verweilen ein und lässt den Betrachter immer wieder neue Details entdecken. Das bietet unseren Mitarbeitern stets neue Blickwinkel und regt sie dazu an, die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Dieser Perspektivenwechsel ist eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Arbeit unserer Berater bei ihren Kunden. Die Verkehrsflächen des Gebäudes werden aber auch zu Räumen der Begegnung, die durchaus gemütlich sind und sich für gemeinsame kreative Kaffeepausen empfehlen. Und diese Pausen sind wichtig: Wissenschaftler im Bereich Personalmanagement geben an, dass 85 Prozent aller Ideen durch ungeplante Kommunikation von Mitarbeitern entstehen. Auf diese Ideen wollen wir keinesfalls verzichten.

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Die Autoren Die Autoren arbeiten im Team Transformation & HR Management, Detecon International GmbH.

Lars Attmer Transformation der HR Services der Deutschen Telekom: Positives Image und noch viel Potenzial, Interview mit Joachim Bauß, HR Business Services, Deutsche Telekom AG Daniel Beckert Transformation der HR Services der Deutschen Telekom: Positives Image und noch viel Potenzial, Interview mit Joachim Bauß, HR Business Services, Deutsche Telekom AG Sven Garrels Von Green ICT zu Green Business: ICT-Sektor hat Vorreiterrolle in der nachhaltigen Gestaltung neuer Geschäftsmodelle Carolin Hermann Nachhaltig online sein: Was man für die Umwelt und gegen den Digital Burnout tun kann

Isabell Remus Sequenziell statt linear: Neue Bilder von Alter, Arbeit und Vielfalt Dr. Jörg Sander Strategisch planen – exzellent operieren: Die Zukunft des Personalmanagements Detecon Business Lab: Freiraum für Kreative und Visionäre Moritz Schüngel Von Green ICT zu Green Business: ICT-Sektor hat Vorreiterrolle in der nachhaltigen Gestaltung neuer Geschäftsmodelle Julia Troll Integral Business Teil 1: Umdenken – Wert steigern!

Hanna Nari Kahle Detecon Business Lab: Freiraum für Kreative und Visionäre

Integral Business Teil 2: Hands-on-Ansätze unterstützen integrale Transformationsprozesse

Dr. Oliver Krause Transformation Excellence: Empirische Insights über Hebel zur Schließung der Lücke zwischen Strategie und Durchführung

Nachhaltig online sein: Was man für die Umwelt und gegen den Digital Burnout tun kann

Constanze Ludwig Neue Arbeitswelten: Mobile IT und virtuelle Räume verändern die Zusammenarbeit Tanja Misiak Im Gespräch mit Dr. Ignacio Campino, Desertec Foundation: Transformation im Kontext von Klimawandel und anderen globalen Herausforderungen Integral Business Teil 1: Umdenken – Wert steigern! Über die Aufgaben und Herausforderungen von Transforma­ tionsgestaltern in Unternehmen des 21. Jahrhunderts, Interview mit Peter Schreck, Idea Republic und David Gommé, Capable Dynamics

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Marc Wagner Best Practice bei Deutsche Post DHL: „Transformation ist ein Dauerbrennerthema“, Interview mit Klaus Kenfenheuer, Deutsche Post DHL Enterprise 2.0: Transformation zur Offenheit ist eine Managementaufgabe der Zukunft, Interview mit Stephan Grabmeier, Innovation Evangelists GmbH Schöne neue Welt: Ein Arbeitsplatz der Zukunft, Interview mit Björn Ruland, Deutsche Telekom AG



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Die Zukunft des Personalmanagements : Strategisch planen – exzellent operieren Nachhaltig online sein : Was man für die Umwelt und gegen den Digital Burnout tun kann Schöne neue Welt : Ein Arbeitsplatz der Zukunft Enterprise 2.0 : Transformation zu Vernetzung und Offenheit ist eine Managementaufgabe


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