6 minute read

Wie viel Social Media verträgt mein Job?

Obwohl ich keine Bikinifotos poste, sind meine Social-Media-Accounts für mich etwas sehr Privates und entsprechend eingeschränkt sichtbar. Bei einem früheren Arbeitgeber schickte mir mein damaliger Chef eine Freundschaftsanfrage bei Facebook. Ich lehnte ab. Hinterher zerbrach ich mir darüber den Kopf, ob das okay war. Und ob mein Chef mich nach dieser Absage anders behandeln würde. Diese Frage stelle ich mir noch heute, wenn mir Kollegen oder Vorgesetzte folgen möchten. Wie wirkt sich das, was ich online poste, auf meinen Beruf aus? Sollte ich mich online mit Chefs und Kollegen anfreunden oder lieber „privat“ bleiben?

Social Media führt zu Problemen am Arbeitsplatz

Dass ich nicht die einzige Verunsicherte bin, bestätigt mir Bianca Fuhrmann. Sie ist Systemischer Business Coach und berät Unternehmer und Führungskräfte – immer häufiger zum Thema „Social Media am Arbeitsplatz“. Die Klienten kommen mit verschiedensten Problemen zu ihr – denn heute, wo Social Media zu unserem Alltag gehört, gibt es eine ganze Palette an Herausforderungen: „Missachtung von Diskretion, internes Weitergeben von eigentlich vertraulichen Inhalten, falsches Bild oder Image von der Firma erzeugen, Mobbing, Lästern über Projekte oder Produkte, Arbeitszeitmissbrauch ...“. Dass das Thema aktuell ist, machen allein die User-Zahlen deutlich: Jeden Monat nutzen 32 Millionen Deutsche Facebook, bei Instagram sind es knapp 20 Millionen.

Zugegeben: Bisher habe ich mich wenig in die Arbeitgeberseite versetzt. Dass ich keine exklusiven Inhalte poste, die ein Projekt gefährden könnten, war immer klar. Ich habe auch noch nie ein schlechtes Wort über einen Arbeitgeber verloren. Der Arbeitszeitmissbrauch ist schon ein anderes Thema. Bei Instagram kann ich mir anzeigen lassen, wie viel Zeit ich durchschnittlich am Tag in der App verbringe: eine Stunde und sieben Minuten. Hört sich erst mal nicht viel an. Aber dann beginne ich, umzurechnen: eine Stunde mehr Schlaf. In Ruhe essen. Anderthalb Folgen meiner Lieblingsserie. Eine Stunde Sport, obwohl dafür ja angeblich immer die Zeit fehlt. Eine Stunde ist viel. Dabei sollte ich doch eigentlich acht Stunden am Tag allein mit Arbeiten verbringen. Aber ich merke ja selbst, wie oft ich an meinem Schreibtisch das Handy in der Hand habe und durch den Feed scrolle. Bei einigen meiner Projekte mache ich auch Fotos und poste sie online, verlinke meine Kollegen darin. Dass ich das ohne Probleme tun kann, ist nicht die Regel, sagt Bianca Fuhrmann: „Per Gesetz ist die private Internetnutzung nur dann erlaubt, wenn der Arbeitgeber explizit zustimmt. Ansonsten ist es verboten. Social Media gehört auch zum Internet und ganz besonders, wenn es die eigenen Kanäle sind.“

Ich komme aus der Medienbranche. Ich weiß, dass die meisten Arbeitgeber die Nutzung von Social Media und BüroWLAN tolerieren, da wir über unsere privaten Telefone auch häufig Arbeitsdinge regeln oder Recherche betreiben. In meiner Branche duzt man sich mit dem Chef, die Firmen haben eigene SocialMedia-Accounts und viele Kollegen adden sich gegenseitig auf den Online-Plattformen. Es gehört zur Branche – Bianca Fuhrmann sieht das jedoch kritisch. Denn der lockere Umgang kann auch zu Problemen führen. Die Expertin erzählt mir vom Fall eines kleineren Unternehmens: „Die Kommunikation lief komplett über WhatsApp, alle waren bei Facebook miteinander befreundet. Dann gab es den Fall eines Vertrauensmissbrauchs: Jemand hat sich zum Dienst krankgemeldet und danach Partyfotos gepostet.“

Das Internet erzählt nur die halbe Wahrheit

Einer der Gründe, weshalb ich mich nicht gedankenlos mit allen Kollegen anfreunde und sie in meine Instagram-Welt lasse: Ich würde zwar nicht blaumachen und dann

„Viel privater als mein Hintern sind Bilder von meiner Familie, meinen Freunden, Hobbys und Urlauben.“

feiern gehen – aber ich will nicht, dass überhaupt irgendetwas von mir durchsickert, was komisch ausgelegt werden könnte. Dabei geht’s mir nicht um Bikinifotos: Viel privater als mein Hintern oder meine Brust sind für mich auf meinem Account die Bilder von meiner Familie, von meinen Freunden, meinen Hobbys und Urlauben. Wenn ich am Wochenende ausgehe, kommt es vor, dass ich ein Foto von meinem halbleeren Bierglas in meine Instagram-Story poste und einen verschwommenen Clip aus der Disko mit dröhnendem Bass im Hintergrund. Bei Facebook findet man alte Fotos von mir auf einer Hausparty in Holland vor acht Jahren. Ich verlinke Freunde auf Quatsch-Fotos mit teils sehr schwarzem Humor und klicke bei jedem Open-AirEvent in der Nähe auf „Interessiert“. Online gibt es bei mir viele Dinge, die ohne eine Erklärung dazu seltsam aussehen – ich gehe nicht wirklich jedes Wochenende zu einem anderen Rave im Wald! Ich will auch nicht wirklich den Job hinschmeißen und nach Hawaii ziehen, auch wenn ich mit „D“ anfange und deshalb unter diesem Foto markiert wurde. Nur, weil ich viel reise und davon Bilder poste, heißt das nicht, dass ich bei der Arbeit nur halbherzig dabei bin und ernsthaft vom Auswandern träume.

Um all diese falschen Eindrücke nicht zu erwecken, wähle ich genau aus, wer mir folgen darf und wer nicht. Wahrscheinlich bin ich paranoid. Ich bin nicht so wichtig und mein Leben nicht skandalös und keiner der Kollegen würde meine privaten Online-Abenteuer an den Chef weiterplaudern. Aber was, wenn doch? Oder was, wenn ich an einem Montag übermüdet im Büro sitze – und auf meinem Account kann man sehen, auf welcher Party ich am Wochenende war? Geschenkt, dass ich den Club früh verlassen habe, weil ich erkältet bin und deshalb schlecht geschlafen habe. Das Internet erzählt eine andere Wahrheit. Meine Bekannte mit dem öffentlichen Profil macht sich darüber keine Gedanken. „Die Kollegen und die Chefs trinken doch auch Alkohol!“, sagt sie. Stimmt. Und die Bikinifotos? Das mache ihr nichts aus, sie habe nichts zu verstecken. Außerdem: „Es ist meine Privatsphäre. Ich poste nichts auf der Arbeit oder aus dem Büro. Ich poste keine Nacktbilder oder etwas Verbotenes, wofür ich mich schämen müsste.“ Ich frage mich: Ist es denn noch ihre Privatsphäre, wenn das Profil auf „öffentlich“ gestellt ist? Sie sagt, ja. Ich denke: Wenn Instagram ihr Hobby ist und sie gerne dort Bilder teilt und dies außerhalb der Arbeitszeit tut, ist das erst mal als ihre Privatsphäre anzusehen. Sobald sie in den App-Einstellungen den Haken bei „Privates Konto“ verschiebt und so ihr Profil öffentlich macht, hat sie diesen Teil der Privatsphäre jedoch freigegeben.

„Stellen Sie sich vor, diese Dame, die Sie vorher im Bikini gesehen haben, steht in der Präsentation vor Ihnen. Woran denken Sie? “

Der Bikini im Konferenzraum Online im Bikini – drei Tage später angezogen im Konferenzraum. Kann der Chef überhaupt zwischen der Online-Persönlichkeit und der Berufs-Persönlichkeit unterscheiden? Bianca Fuhrmann sagt: „Das ist sehr individuell und auch eine Frage dessen, wie konservativ die Firma ist. Stellen Sie sich vor, diese Dame, die Sie vorher im Bikini gesehen haben, steht in der Präsentation vor Ihnen. Woran denken Sie?“ Die Antwort ist klar: an den Bikini. „Wir können uns noch so sehr vornehmen, den Menschen privat und beruflich zu trennen, aber wenn es einfach gewisse Bilder gibt, sind die im Kopf und ich kann einen Menschen unter Umständen nicht mehr ernst nehmen.“ Meine Bekannte kann aufgrund ihrer Follower-Zahl kaum noch kontrollieren, wer ihre Fotos abcheckt. Ich schon, indem ich aktiv Anfragen ablehne oder annehme. Aber auch das ist manchmal nicht so einfach, sagt die Expertin – bei erwähntem Unternehmen, bei dem das Blaumachen eines Kollegen ans Licht kam, war das Online-Anfreunden quasi unvermeidbar: „Man hat es gerne gemacht, weil man ja eine nette Gemeinschaft hatte – aber andererseits war es irgendwo ein ‚Zwang‘. Weil man dabei sein wollte. Da unterscheiden sich die Gepflogenheiten von Unternehmen zu Unternehmen.“

Klar: Wenn ich sehe, dass ein bestimmter Kollege neuerdings mit drei anderen Kollegen und dem Chef befreundet ist oder sich alle gegenseitig folgen, möchte ich im ersten Impuls schon dazugehören und sie alle adden. Wer weiß, was ich alles verpassen könnte, wenn ich es nicht tue. Vielleicht mache ich mich dadurch auch nahbarer und entsprechend beliebter? Aber in 90% der Fälle entscheide ich mich gegen die Online-Freundschaft.

In meiner Branche komme ich mir mit meiner Ablehnerei manchmal ziemlich rigoros vor. Und das kann durchaus Konsequenzen haben: „Auch das Nicht-Annehmen einer Freundschaftsanfrage ist eine Aussage: ‚Chef, ich möchte nicht, dass du in meine Privatsachen reinguckst.‘ Auch die Ablehnung ist ein Statement. Wenn ich jemanden ablehne, ist das Vertrauen angeknackst“, erklärt die Expertin.

Toll – egal, wie ich mich entscheide, es kann schiefgehen. Der Chef nimmt’s mir übel, dass wir keine Internet-Buddies sein können, oder er sieht, dass ich oft feiern gehe und hat eventuell ein negatives Bild von mir. Eine pauschale, richtige Handlungsanweisung

„Ich behalte mir lieber mein kleines bisschen Privatsphäre. Gute Arbeit abliefern und eine nette Kollegin sein, das kann ich auch mit weniger Followern.“

gibt es nicht. Die Hauptsache ist wohl: Kopf einschalten. Sich seiner Handlungen und der möglichen Konsequenzen bewusst werden – sei es bei der Frage „Annehmen oder Ablehnen“ oder „in die Story posten oder nicht“. Ich behalte mir lieber mein kleines bisschen Privatsphäre. Gute Arbeit abliefern und eine nette Kollegin sein, das kann ich auch mit weniger Followern.

Text von Dana Marie Weise, 28, lebt in Köln und liebt Surfen, Singen und Schreiben: als Autorin für Print, Online und TV.

Fotos von Magdalena Hornig, erzählt die Welt in Bildern, nicht in Worten.

This article is from: