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8 MEINUNG

WORTE DES TAGES HARTZ IV

Am Rande des Bankrotts

„Ein Minister stürzt nur, wenn es die eigene Partei will. Die eigene Partei will es nicht.“

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er Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat ist eine gefährliche Institution, vergleichbar mit einer losgerissenen Kanone auf einem schwankenden Schiff: Weder Regierung noch Opposition haben sie unter Kontrolle. Irgendwann löst sich ein Schuss, und danach schauen alle besorgt nach, wo wohl welche Verluste zu beklagen sind. Im aktuellen Hartz-IV-Vermittlungsverfahren fördert der erste prüfende Blick nach der Entscheidung in der Nacht zum Montag folgendes Lagebild zutage: Der Regelsatz wird angepasst, und es gibt ein großes, neues Bildungspaket für benachteiligte Kinder. Doch gleich daneben türmt sich vor der Bundesregierung ein bedrohlicher haushaltspolitischer Scherbenhaufen auf. Ein in seiner Dimension bisher kaum abschätzbarer Kollateralschaden für die Arbeitsmarktpolitik kommt noch hinzu. Haushaltspolitisch bewegt sich die Koalition nun hart am Rande dessen, was man eine Bankrotterklärung nennt: Um die vielen neuen Leistungen zu finanzieren, muss sie Geld zusammenkratzen, das sie eigentlich nicht hat. Nichts anderes verbirgt sich hinter ihrem Plan, dafür jährlich vier Milliarden Euro aus der Arbeitslosenversicherung abzuziehen. Dass es sich bei dieser Summe dem Ursprung nach um Steuergeld handelt, wie die Regierung emsig betont, ist nur formal richtig. Es ändert nichts am ökonomischen Ergebnis. Das Hartz-IV-Paket muss über eine Mehrbelastung der Beitragszahler finanziert werden. Immerhin lieferte ebenjener Steuerzuschuss an die Bundesagentur für Arbeit (BA) einst überhaupt erst die Rechtfertigung dafür, die Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent anzuheben. Ohne die Zusage, wenigstens einen Prozentpunkt zur Entlastung der Beitragszahler zu nutzen, hätten Union und SPD ihre Mehrwertsteueroperation 2006 gar nicht durchsetzen können. Nun wird dieses alte Wahlversprechen via Vermittlungsausschuss einfach kassiert. Damit nicht genug. Wenn die BA wegen des Griffs in ihre Kasse jetzt auf Jahre hinaus hohe Defizite schreibt, gerät zudem ein Kern der Hartz-Reformen in Gefahr: die Freiheit der Arbeitsagentur, ihre Förderpolitik für Arbeitslose nach Effizienzmaßstäben auszurichten statt nach politischer Opportunität. Denn die Behörde wird in Zukunft laufend kurzfristige Defizithilfen der Regierung benötigen. Da ist zu befürchten, dass sie sich über kurz oder lang in deren Gängelband verheddert. Dass der Vermittlungsausschuss einstweilen für die Zeitarbeit „nur“ einen Mindestlohn beschlossen hat, ist leider kein Anlass für eine Entwarnung: Es bleibt der erklärte Wille der Regierung, für Zeitarbeiter gleiche Löhne wie für die Stammkräfte vorzugeben: Equal Pay ist nicht vom Tisch. Die Branche, die für das deutsche „Jobwunder“ so wichtig ist, hat vom Vermittlungsausschuss nur eine Schonfrist erhalten. All das verheißt nichts Gutes, auch für andere Politikfelder. Nach der Hamburg-Wahl ist die Opposition im Bundesrat noch mächtiger – und das nächste Vermittlungsverfahren ist mit Sicherheit nicht fern.

Dietrich Creutzburg

Der Autor ist Korrespondent in Berlin. Sie erreichen ihn unter: creutzburg@handelsblatt.com

Verantwortlicher Redakteur der Meinungsseiten: Thomas Hanke, Berlin. Sie erreichen die Meinungsredaktion: E-Mail: hb.meinung@vhb.de Adresse: Kasernenstraße 67, 40213 Düsseldorf

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DIENSTAG, 22. FEBRUAR 2011, Nr. 37 ******

HORST SEEHOFER, CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident, über Karl-Theodor zu Guttenberg

„Die Stresstests müssen glaubwürdig sein, wir müssen also etwas mehr und etwas Besseres 2011 anbieten.“ MICHEL BARNIER, EU-Binnenmarktkommissar

„Wir werden weiterkämpfen bis zum letzten Mann, selbst bis zur letzten Frau.“ SAIF AL-ISLAM, Sohn des libyschen Revolutionsführers Muammar el Gaddafi

„Es kommt nicht darauf an, wie viele Pommes in der Tüte sind – sondern darauf, dass man am Ende satt ist.“ FRANK PÖRSCHMANN, Cebit-Chef, auf die Frage, ob sich der Erfolg der Computermesse an der Zahl der teilnehmenden Aussteller messen lässt.

Der Pharmabranche droht der Absturz Hans-Joachim Diedenhofen

Die Unternehmen wollen es nicht wahrhaben, doch das neue Arzneimittelgesetz drückt ihre Gewinnmargen um Milliardenbeträge: In ganz Europa sinkt das Preisniveau.

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uch wenn die Betroffenen es verschweigen oder verharmlosen: Wir stehen vor einer Revolutionierung der Pharmabranche. Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG), das zu Beginn des Jahres in Kraft getreten ist, wird weltweit die Gewinnmargen der Pharmaunternehmen abschmelzen lassen. Doch selbst die Marktanalysten beginnen erst jetzt, die absehbaren Verluste der Hersteller zu quantifizieren. Eine Modellrechnung zeigt, welche Folgen das Gesetz hat: Die Umsätze werden 2011 und 2012 noch steigen, nur der erhöhte Zwangsrabatt verringert die Marge. Ab 2013 geht es dann aber steil bergab bei Umsatz und Gewinn. Allein im Apothekenmarkt ist ein Verlust von zehn Milliarden Euro im Jahr 2020 zu erwarten. Rechnet man die Arzneimittel für Krankenhäuser

und vor allem die Wirkung auf das europäische Referenzpreissystem hinzu, dann sind eher 20 bis 25 Milliarden Euro jährliche Margensenkung zu erwarten. Was ist geschehen? Scheinbar gibt es nur geringe Änderungen in der Zuordnung der Zuständigkeiten im Arzneimittelwesen. Hinzu kommt, dass die Preisverhandlungen neu gestaltet wurden. Sie orientieren sich künftig an der Größe eines „Zusatznutzens“. Tatsächlich hat aber ein Totalumsturz der künftigen Preisfindung von Pharmazeutika stattgefunden, der die Industrie nachhaltig verändern wird. Die Präsentation von Gesundheitsminister Rösler bei der Pharmalobby im Dezember 2010 gilt unter Insidern inzwischen als „Gruselstunde“, als schwarzer Tag für die Branche. Die Industrie war nicht darauf vorbereitet, den Reformplänen des Ministers substanziell zu begegnen. Hier sind die Fakten: Der pharmazeutische Unternehmer muss ab sofort für seine neuen Produkte ein Nutzendossier nach den Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), des obersten Beschlussgremiums der ärztlichen Selbstverwaltung, erstellen. Der Nutzenbewerter, in der Regel das Institut für die Qualitätsbewertung im Gesundheitswesen (IQWiG), muss innerhalb von drei Monaten zu einem Urteil kommen. Bisher konnte man sich mehr Zeit damit lassen, notwendige Studien oder andere Daten herauszugeben. Jetzt ist derjenige, der nicht adäquat liefert, quasi nicht mehr im Markt. Die Preise werden anhand einer „zweckmäßigen Vergleichstherapie“ bestimmt, oder es gibt einen Festbetrag. Für eine Tagestherapie bedeutet das einen Wert im einstelligen Eurocent-Bereich. Die Bewer-

tungen des Instituts werden methodisch an Schärfe deutlich zunehmen. Die Industrie kann aufgrund einer Umstrukturierung des Verbands forschender Arzneimittelhersteller dem IQWiG nicht mehr intellektuell Paroli bieten. Diesen Freiraum nutzt das Institut. Wer mit seinem Produkt in den Studien nicht deutlich besser abschneidet als die Vergleichstherapie, wird in eine Festbetragsgruppe verbannt, mit Preisabschlägen zwischen 70 und 98 Prozent. Alternativ kann auch die Festlegung auf den Preis einer Vergleichstherapie erfolgen, mit gleichem Effekt. Ein hoher Preis ist nicht einmal dann gesichert, wenn die Studien auch im Urteil des IQWiG eine Überlegenheit des neuen Produkts ergeben. Denn dann folgt erst die Verhandlung mit den versierten Einkaufsspezialisten des Spitzenverbands der Kassen. Deren Faustregel lautet: zehn Prozent besser gleich zehn Prozent höherer Preis. Wenn die Vergleichssubstanz ein Generikum im Eurocent-Bereich ist, dürfte der Preis für das neue Arzneimittel kaum besser ausfallen. Nur in Ausnahmefällen wird der Hersteller seine Preisvorstellung durchbringen, dann allerdings bei strengster Mengenbeschränkung. Der Verhandlungsprozess wird mit Abschlägen enden, wie sie der Industrie bislang nicht bekannt waren. Der derzeitige Zwangsrabatt von 16 Prozent dürfte dabei der kleinste Posten bleiben. Die neuen Preise gelten nicht allein für die gesetzliche, sondern auch für die private Krankenversicherung. Dieses Maßnahmenpaket kann der Bundesausschuss bei Bedarf auch im Markt für bereits geläufige Arzneimittel einsetzen, um das Preisgefüge in einzelnen Indikatio-

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nen neu zu regeln. Dies gilt auch dort, wo bislang die privaten Krankenversicherungen noch höhere Preise akzeptierten. Ergänzend können die einzelnen Kassen Rabattverträge ausschreiben, die Preise in die Nähe der Herstellungskosten drücken. Das neue Arzneimittelrecht führt dazu, dass die Ergebnisse der Rabattverträge zukünftig nicht mehr vollständig vertraulich bleiben. Bislang war diese Vertraulichkeit gewährleistet, mit der Folge, dass Rabatte nicht das gesamte Preisgefüge ins Rutschen bringen konnten. Das wird sich ändern, wenn die geminderten Preise bekannt werden. Da aber die deutschen Preise seit Jahren die Referenzgröße sind, an denen sich die staatlich beeinflussten Preise der anderen europäischen Länder orientieren, wird es zu einem niedrigeren Niveau in ganz Europa kommen. Damit wirkt das neue Gesetz weit über Deutschland hinaus. Die konsequente Anwendung des Konzepts der evidenz-basierten Medizin zerstört das Monopol der Preissetzung. Die Industrie muss mit einem radikalen Kurswechsel auf die neue Realität reagieren. Dazu gehört die Investition in den Nachweis des Zusatznutzens in der klinischen Praxis ihrer neuen Produkte und ein neues Verhältnis zu ihren wichtigsten Kunden: den Patienten. Das Entstehungsjahr des neuen Arzneimittelgesetzes hat andernfalls beste Chancen, als schwarzes Jahr in die Geschichte der forschenden pharmazeutischen Industrie einzugehen. Hans-Joachim Diedenhofen und Co-Autor Wilhelm Neffets leiten die Beratungsfirma „executive insight“. Sie erreichen sie unter: gastautor@handelsblatt.com

LIBYEN

Der Revolutionsführer fürchtet die Revolution

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er „Verrückte aus Libyen“, so nannte der ehemalige Präsident Ägyptens, Anwar el Sadat, den selbst ernannten „Revolutionsführer“ Muammar el Gaddafi schon in den 70er-Jahren. Seit 42 Jahren herrscht der skurrile „Oberst“ mit den Fantasieuniformen in Tripolis. Jetzt revoltiert das Volk gegen sein Gewaltregime. Und Gaddafi zeigt prompt sein wahres Gesicht. Terror war und ist sein Machtmittel. Die anfänglichen Sympathien mit tunesischen Demonstranten waren reine Heuchelei. Es wird Zeit, dass die Europäer aufwachen. Sie sollten sich dem Aufstand anschließen. Gerade im Fall Libyen dürfen Sanktionen kein Tabuthema sein. Was sich in Libyen abspielt, erinnert an den Zusammenprall von Demonstranten und Militär im Juni 1989 in Peking. Gaddafi führt der Welt vor Augen, dass er seine Macht mit Zähnen und Klauen verteidigt, egal wie hoch der Blutzoll ist. Doch nach den letzten Tagen stellt sich auch in Libyen die Frage: Wie lange noch? Wenn die Bevölkerung durchhält, dann sind womöglich auch Gaddafis Tage an der Macht gezählt. Erste Weggenossen verlassen den inneren Machtzirkel bereits, angefangen vom Justizminister bis zum Vertreter Libyens bei der Arabischen Liga. Sie alle wissen, dass Gaddafis Regime auf dem Prinzip Terror beruht. Kritik am „großen Führer“ war stets mit dem Gang ins Gefängnis verbunden. Auch jetzt setzt Gaddafi darauf, seine schwindende Macht durch die Verbreitung von Angst und Schrecken abzusichern. Mit Brutalität hat er schon immer seine Interessen durchzusetzen versucht. In den 80er-Jahren war Gaddafi Sponsor der Terroranschläge auf die Berliner Diskothek La Belle und auf den Jumbo von PanAm, später hielt er bulgarische Krankenschwestern als Geiseln, heute lässt er nicht weniger brutal die Regimegegner blutig niederschießen. Europäer und Amerikaner, die um ihre Ölversorgung bangten, hatte Gaddafi 2003 ein-

Christoph Rabe

Oberst Gaddafi versteht nur eine klare Sprache. Zu der sollten die Europäer schnell finden, um dem Terror ein Ende zu bereiten. gelullt, als er sich scheinbar von Paria zum Partner wandelte, dem Terror abschwor und die Wiederaufnahme in die Weltgemeinschaft suchte. Seither ist Tripolis zum Eldorado für Ölexplorateure geworden. Mit der wirtschaftlichen Öffnung verknüpften viele Beobachter die Hoffnung, dass sich das Land auch politisch liberalisieren werde. In Gaddafis Sohn Saif al-Islam sahen sie seinen potenziellen Nachfolger, der Libyen modernisieren könnte. Sie haben sich geirrt. Libyen ist reich an Öl, aber nur wenige profitieren von den Milliardenerträgen. Entsprechend groß sind die sozialen Missstände im Land. Libyens Jugend kämpft mit den gleichen Problemen wie ihre Altersgenossen in der ganzen arabischen Welt: Jobs sind rar gesät, und von ersten Reformankündigungen ist nicht viel übrig geblieben. Weder hat Gaddafi wahr gemacht, die Ministerien abzuschaffen und dem Volk die Verwaltung der Öleinnahmen zu überlassen, wie er zum 39. Jahrestag seiner Machtübernahme 2008 verkündete, noch ist aus der angekündigten Verfassungsreform etwas geworden. Gaddafi herrscht mit absoluter Macht, geschützt durch seine Revolutionsgarden zieht er unbeeindruckt die Fäden in der libysch-arabischen Dschamaharija, der angeblichen „Herrschaft der Massen“.

STEUERPOLITIK

Straffreiheit für Hinterzieher

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eit der Bundestagswahl 2009 waren in der Koalition die Rollen in der Steuerpolitik klar verteilt. Die FDP wollte populär sein, die CDU realistisch. Jetzt ist es erstmals umgekehrt: Der Bundestag berät ein neues Gesetz gegen Schwarzgeld, und diesmal ist es die FDP, die auf Vernunft setzt, während die Union träumt. Mit ihrem Beharren auf einem neuen Zuschlag auf hinterzogene Steuern gibt sie verständlichen Reflexen nach: Steuerhinterzieher müssten mehr zahlen als ehrliche Steuerzahler, die mal etwas in der Steuererklärung vergessen und ebenfalls per Selbstanzeige nachmelden. Gerade weil die Forderung so populär ist und nichts einfacher wäre, als mit ihr die FDP als Schutzherrin Schweizer Schwarzgeldkontenbesitzer zu diskreditieren, verdienen die FDP-Finanzpolitiker Lob: Sie bleiben aus vernünftigen Gründen hart und wehren sich gegen den Unionsvorschlag. Denn in der Praxis würde ein Zuschlag mehr Probleme schaffen als lösen. Strafsteuern sind in Deutschland verboten, solch ein Zuschlag müsste sich an den Kosten der Verwaltung orientieren und nicht an der Höhe der hinterzogenen Steuern. Außerdem würde der neue Zuschlag

die Selbstanzeige vor allem für ehrliche, aber nachlässige Steuerzahler erschweren: Sie müssten künftig nachweisen, dass sie nichts absichtlich in der Steuererklärung vergessen haben. Den Steuerhinterziehern wiederum müsste das Finanzamt die Hinterziehungsabsicht nachweisen. Hinter dem Wunsch der Union steht das verständliche Unbehagen darüber, dass Steuerhinterzieher auch künftig relativ einfach der Strafverfolgung entgehen können. Genau das aber ist das Ziel des Instruments Selbstanzeige: Dem Staat ist die Nachzahlung von Steuern wichtiger als die Strafe. Das ist vertretbar. Eine neue Gebühr würde es im Kern auch nicht ändern, sondern nur eine neue Kontroll-Bürokratie schaffen. Konsens besteht darüber, dass Steuerhinterzieher auf dem Weg zur Straffreiheit höhere Hürden überwinden sollen. Deshalb werden die Regeln für die Selbstanzeige verschärft: Der Hinterzieher gilt künftig schon dann als entdeckt, wenn sich der Steuerfahnder ankündigt, und nicht erst, wenn er vor der Tür steht. Straffreiheit genießt nur noch, wer jedes Schwarzkonto nennt. Donata Riedel riedel@handelsblatt.com

Saif, der noch vor wenigen Monaten durchblicken ließ, in der Demokratie liege die Zukunft und Libyen brauche keinen „große Führer“ mehr, muss erkennen, dass der Oberst sich nicht „ins Zelt zurückdrängen“ lässt. Zur Nummer zwei im Staate ist er jedenfalls nicht aufgerückt. Vielmehr übt er nun auf einmal Solidarität mit seinen exzentrischen Brüdern, die den Widerstand des Volkes gewaltsam brechen wollen. Denn Saif kündigte „einen Kampf bis zum letzten Mann, ja zur letzten Frau“ an. Der GaddafiClan weiß: Jetzt geht es um alles oder nichts. Der Machterhalt könnte gelingen, wenn die Miliz, die Gaddafis Herrschaft absichert, ihm treu ergeben bleibt. Im Unterschied zum Militär in Ägypten und Tunesien verhält sie sich weder neutral, noch hat sie Skrupel, auf Zivilisten zu schießen. Umso wichtiger ist eine unmissverständliche Position des Westens. Er darf nicht noch einmal den Fehler begehen wie im Fall Ägypten. Um der Stabilität willen hatten EU und USA bis zuletzt an Mubarak im Amt festgehalten. Ägyptens Rolle als ehemalige Ordnungsmacht im Nahen Osten mag dafür noch eine politische Rechtfertigung hergegeben haben. Doch der Fall Libyen liegt anders. Der Westen ist von Tripolis nicht abhängig, und die Ölreserven nützen Gaddafi wenig, wenn EU und USA erneut Sanktionen verhängen. Die EU sollte sich auch nicht von Gaddafis Drohung beeindrucken lassen, er werde die Schleusen für Flüchtlinge aus Afrika öffnen. Dem Terror hatte Gaddafi nicht zuletzt abgeschworen, weil er die Unruhe im Lande spürte. Die jungen Libyer wussten damals wie heute, welche Veränderungen sich in der Welt vollziehen. Die EU hat also ein Druckmittel – und keinen Grund, einen Diktator wie Gaddafi weiter zu hofieren. Das sollte selbst Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi begreifen.

Der Autor ist Kolumnist. Sie erreichen ihn unter: rabe@handelsblatt.com

5,5 Prozent mehr haben Bund und Länder im Januar an Steuern eingenommen als ein Jahr zuvor. Der Bund ver-

buchte aufgrund niedrigerer Zahlungen an die EU sogar einen Zuwachs um elf Prozent. Allerdings sei die Vorjahresbasis sehr schwach gewesen, betonte das Bundesfinanzministerium. Nach dem massiven Einbruch im vergangenen Jahr setzte sich der Rückgang der Steuereinnahmen aus Kapitalerträgen allerdings verstärkt fort. Im Januar verbuchte der Fiskus bei der Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge ein deutliches Minus von 12,3 Prozent. dpa


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