40 Jahre James Stirling in Stuttgart und die B 14 Christian von Holst Staatsgalerie Stuttgart
16. November 2017
Diese Präsentation ist eine vom Autor ßberarbeitete und kommentierte Fassung des ohne Manuskript gehaltenen Vortrags.
Verwendete Abkürzungen HdG Haus der Geschichte LMW Landesmuseum Württemberg LMZ-BW Landesmedienzentrum BW LuMu Ludwigsburg Museum StadtAS Stadtarchiv Stuttgart SGS Staatsgalerie Stuttgart StZ Stuttgarter Zeitung VBA Vermögen und Bau Amt Stuttgart WLB Württembergische Landesbibliothek
Alle Neuaufnahmen stammen vom Autor und aus dem Jahr 2017.
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Teil I
Der Architekt und seine Bauten
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Stirling, Günter Behnisch und Michael Wilford, 15. November 1977 Stuttgart, Landespavillon im Mittleren Schlossgarten 1974 Gewinn des Wettbewerbs „Erweiterung des Landtags und der Staatsgalerie“ durch G. Behnisch und seine Partner. Inhaltliche und finanzielle Probleme stehen der Realisierung entgegen. 1977 Realisierungswettbewerb „Erweiterung der Staatsgalerie und Neubau eines Kammertheaters“: 1. Preis am 15. September an Stirling, Wilford & Associates, London. Diese Entscheidung löst vielfach heftige Kritik und schwerwiegende Anschuldigungen aus, u.a. von Behnisch und Frei Otto. Als Stirling sein Projekt im Landespavillon präsentiert, entfacht das eine Grundsatzdiskussion über Aufgabe und Stil zeitgenössischer Architektur. Die Situation kulminiert in dieser Szene: freundschaftlich-feindlich nimmt sich Behnisch den gewichtigen Kollegen vor und kann ihn doch weder bewegen noch verunsichern. © Christian von Holst 4 16.11.2017
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Luftbild Albrecht Brugger, 1964. VBA Neckarstraße in ursprünglicher Breite mit Alter Staatsgalerie und der Münze gegenüber sowie Resten der alten Landesbibliothek und Carlsakademie.© Christian von Holst
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Baugelände Neue Staatsgalerie an der kurz zuvor verbreiterten B 14, um 1973 Rechts eine Tankstelle, im OG der Schuhmacher Demand, der Tänzerschuhe fertigt, und das beliebte Theaterstüble, Treffpunkt des Stuttgarter Balletts.© Christian von Holst
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Wettbewerb ...1977: 3. Preis: Günter Behnisch, Hans Kammerer und Walter Belz, Stuttgart Kaum verändert gegenüber 1974, Vorschlag eines kastenartiges Baues – wohl in Analogie zum Centre Pompidou bezeichnet als „Kein ‚Baukörper‘, sondern ‘Technisches Gerät‘ ...“. Problematische Nutzungsbedingungen; Eingang von der Hangseite; kompletter Abriss alter Bebauung. Diagonale parkartige Gestaltung ist erwünscht, um Hanglage und Schlosspark zu verbinden und die Autoschneise etwas zu überspielen. 16.11.2017 © Christian von Holst 7
Wettbewerb ...1977: 2. Preis: Jørgen Bo und Vilhelm Wohlert, Kopenhagen Berühmt durch ihr in die Dünenlandschaft integriertes Louisiana Museum in Humlebæk bei Kopenhagen, bieten die Architekten einen noblen Entwurf mit Parallelen zu Stirling, wie Terrassenfläche und eigenem Theaterflügel. 16.11.2017
Das Bessere ist der Feind des Guten > Stirling.
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Sommer 1977
James Stirling (1926-1992) mit Variationen über die Themen: Ehrenhof/Cour d‘honneur, Rotunde, öffentlicher Weg durch das Gebäude, geschwungene Glasfront.
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15. September 1977: 1. Preis: James Stirling, Michael Wilford and Associates, London Stirling wiederholt den Cour d‘honneur des Altbaus, zentriert ihn durch die Rotunde, verarbeitet Anregungen von der Antike, setzt den Bau auf einen Terrassensockel, schiebt ihn in den Hang zurück, fasst ihn seitlich durch das Kammertheater, erhält und orientiert sich an örtlicher Bebauung, verdichtet das Grün in einer Allee an der B 14. Anfangs Irritationen wegen nicht erwünschter, großflächiger Überbauung des Geländes – am Ende ein einhelliges Votum. © Christian von Holst 16.11.2017 10
1977, 26. Oktober: Bibliothek Stellungnahme der Staatsgalerie für Stirling
1978, 7. August
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Stirlings Ideen überzeugen keineswegs alle in der Staatsgalerie. Wegen unaufgeforderter Kommentare des Autors zu den Geschossen des Bibliotheksund Direktionsflügels, hier links, ernennt ihn Direktor Peter Beye Ende Oktober 1977 zum Baureferenten des Projekts – eine folgenreiche Entscheidung, bis hin zu dieser Präsentation 40 Jahre später. © Christian von Holst
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EG auf der Terrassenebene Komplexe Kommunikation der vier Hauptbereiche Foyer, Wechselausstellung, Rotunde, Vortragssaal. Depots dahinter im Hang platziert. Zugang zur Wechselausstellung zunächst viertelkreisförmig bei der Treppe geplant, aus Klimatisierungsgründen nicht machbar; daher Zugang in der Mittelachse der Rotunde. Café/Restaurant zwischen © Christian von Holst 16.11.2017 den Foyers von Museum und Theater.
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OG: Cour d'honneur und Enfilade auf dem Niveau Alte Staatsgalerie Fenstertüren und Zugänge zur Skulpturenterrasse, Zugang zum UG Bibliothek und Direktion. Manche Kritiker finden das EG zu komplex und lebhaft, andere die ruhige Raumfolge des OG zu sehr orientiert an klassischen Beispielen des 19. Jh. 16.11.2017
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Rundgang 2017 mit Rückblicken auf Planungsetappen Die Neue Staatsgalerie ist J. Stirlings erster und bedeutendster Museumsbau, für viele auch sein Hauptwerk. Vorausgegangen sind Museumswettbewerbe von Düsseldorf und Köln, bei denen Stirling bereits verwandte Absichten entwickelt, aber – gut für Stuttgart – damit nicht erfolgreich ist. Mit der Neuen Staatsgalerie finden seine Ideen ihre ausgereifte Form. Kritiker sprechen seit 1977 von abweisender, burgähnlicher, undemokratischer, ja sogar nazinaher Architektur, die das Publikum nicht annehmen werde. Bauhaustraditionen, Leichtigkeit, Transparenz seien verloren. Stirling bietet dagegen eine architektonische Sprache, die in geistvoller Zusammenführung von Architekturelementen altägyptischer Provenienz bis hin zum Centre Pompidou besteht. Er bildet eine Collage, die er in Beziehung zum Inhalt des Gebäudes sieht. Auch die Museumsbestände sind von verschiedenster Art, gehören ursprünglich nicht zusammen. Gut gesammelt und präsentiert, formen auch sie eine Collage aus länder- und epochenübergreifender Kunst. Die Staatsgalerie steht 1977 in der Besucherstatistik der deutschen Museen auf der 58. Position. Am 9. März 1984 eröffnet, kommen bis zum Jahresende 1,2 Mio. Menschen und bringen dadurch das Haus auf den 1. Platz. – Betreten schweigen seither die so falsch liegenden Propheten. 16.11.2017
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Allee orientiert am Durchbruch Alte Staatsgalerie von 1972, daneben B 14 mit 9 Fahrspuren. Eigentlich hätte der Fußweg auch weiter links, also vor der Alten Staatsgalerie, verlaufen können – ein Thema der Zukunft, vgl. die Folien ab © Christian von Holst „Wegfall einer Fahrspur“.
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Ein hoher Metallpavillon in Farben der De Stijl-Bewegung bezeichnet die Mitte. Sein Satteldach kehrt 3fach beim Haupteingang, 2fach beim Kammertheater und 1fach bei der Direktion wieder. Der ägyptisch16.11.2017 16 grabkammerartige Garagenzugang passt zu heutiger Autokritik.Š Christian von Holst
Früher Lageplan mit links einer eckigen Terrassenform an der Feuergasse und rechts der denkbaren stadträumlichen Weiterentwicklung durch spiegelbildliche Wiederholung des Kammertheaters. Ein Brückensteg soll eine Verbindung schaffen, ein neuer Platz ist imaginiert, die Eugenstraße aufgewertet. 16.11.2017
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Wettbewerb 1977 Zur eckigen Terrassenform passt der portalartige, enge Zugang in der Gebäudemitte. Überarbeitung
Links ein Zwischengedanke: eine Baumreihe unten, 8 Bäume auf der Terrasse. Rechts die Ausführungslösung mit offenerer Struktur, wohl auf Wunsch des Bauherrn. 16.11.2017
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Galeriefront in Höhe des Altbaus, von der Feuergasse aus. Toskanisch, 13. Jh., ist die Wandgliederung (vgl. Pisa, Lucca, Siena), romanisch das Bogenfenster mit Keilsteinen und der Wasserspeier (für Wolkenbrüche, die das Glasdach und die Kunst gefährden könnten). Der fensterlose Übergang ist von Gesimsen des Altbaus hergeleitet: der obere Abschluss setzt sich als 3. Sandsteinband 16.11.2017 © Christian von Holst fort, bietet die Basis der Voute, bestimmt die Höhe der Rotunde. 19
Keine geschlossene Front wie bei G. Behnisch oder J. Bo, vielmehr Aufteilung in Einzelbereiche: “romanische“ Galeriewand, Zugang à la De Stijl, Glasfront, Rotundenrampe ... sowie Überlegungen zu den 16.11.2017 © Christian von Holst 20 Geländerrohren, die für die Gesamtwirkung des Baues so wichtigen Fat Tubes.
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Die skulpturale Plastizität des Baues wird durch die massive Überdachungskonstruktion des Zugangs und ihre Schattenformen, mehr noch durch die Glasfronten und die Fat Tubes à la Centre Pompidou aufgelockert.
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Das Gelb der Dame, gespiegelt auch in der Glastür, ergibt den Dreiklang der Grundfarben und mischt sich mit dem Rot darüber zum Ton der Drehtüren.
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Betreuung künftiger Förderer des Museums, die um 2070/80 aktiv werden könnten. Das unvermittelte Miteinander von Naturstein, Metall und Buntfarben erregt viele.
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Auch die rote, scheinbar festgeschraubte Konsole wirkt auf manche wie ein rotes Tuch, ebenso die noch nie benötigte Warnlampe für die Feuerwehr. © Christian von Holst
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3 spannende Elemente: der schöne Schattenschwung der Glasfront, das Geländerrohr über der Innenkante des Mäuerchens (verhindert ein Hinaufklettern) und die irritierende Tiefenlosigkeit des Kammertheaters. 16.11.2017
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Kammertheater als potemkinsche Kulisse ? Manierismus pur: scheinbar keine Tiefenerstreckung des Durchgangs wegen seiner rechtwinkligen Trapezform. Die „Keilsteine“ entlarven sich durch Schattenfugen als Steinplatten. Stirling macht klar, dass weite Teile des Baues nicht aus Naturstein errichtet, sondern damit nur „verkleidet“ sind. 16.11.2017
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Die Glasfront, das Markenzeichen des Museums, ist so konstruiert, dass sich von rechts die 20 vertikalen Stege um je 15 cm zurückneigen. Daher liegt der linke oberste Punkt 3 m gegenüber seinem Fußpunkt zurück. Jede Scheibe ist anders geneigt, gedreht und geschnitten, woraus sich die Fülle an Spiegeleffekten ergibt. 16.11.2017 © Christian von Holst 27
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Die RĂźckseite des Ausstellungsbanners im Eingangspavillon erscheint im Spiegelbild richtig.
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Kammertheater und Terrasse links davon in mehrfacher kubistischer Brechung.
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Der Durchgang des Kammertheaters und darßber das rollende Fenster erscheinen im Spiegelbild rechts merkwßrdig verschoben. Š Christian von Holst
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Ein prachtvoller Ort der Stärkung und Entspannung, wegen Verkehrslärms oft nur spärlich besucht.
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Rampe zur Rotunde: Weiler Sandstein (wie beim Altbau) und Cannstatter Travertin, dieser mal horizontal, mal vertikal geschnitten und daher ein Oberflächenreichtum fast wie beim Informel. Gut alternd. Š Christian von Holst
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Ursprüngliche Absicht: „Gotische“ Fenster bei dem Treppenaufgang der Rotunde. Die Umsetzung wird Stirling verwehrt. Der Autor war zu jung, um Einfluss nehmen zu können.
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Statt der geplanten Spitzbogen quadratische Betonfelder mit kleinen, runden Gulligläsern aus London zur Belichtung des inneren Treppenaufgangs.
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1982,12. Februar: Richtfest Stirling stellt fest, dass die von ihm während der Bauplanung entschiedene Vergrößerung des Rotundendurchmessers um 1,2 m richtig war – um dieses zentrale © Christian von Holst Bauelement nicht schachtartig wirken zu lassen.
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1983: Höhenvermessung der Kapitolinischen Venus bei Schloss Rosenstein und anderer Skulpturen des 19. Jh. für die Rotunde. Stirling betrachtet die Rotunde als Non-Space, in der er nur antikische Werke in Wandnähe platzieren will. Kein Probleme auf der Museumsseite, weil die Terrassen das Mehrfache der geforderten Skulpturenflächen bieten.
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Flora und Ceres außen, in der Mitte „Liebe macht blind“, dazwischen Mirjam und Ruth samt Spiegelbildern von Canovas Grazien und einem Passanten auf dem öffentlichem Rampenweg.
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Zu Seiten des Liebesterrors von Amor, die freudig Tamburin schlagende, tanzende Mirjam und die bescheidene Ährenleserin Ruth, Heroinen des Alten Testaments; rechts in gelassener, Distanz gebietender Haltung Ceres, antike GÜttin des Sommers. Š Christian von Holst 16.11.2017 39
Blick vom öffentlichen Weg in die Rotunde, der Passanten zu kurzzeitigen Museumsbesuchern macht. J. H. Danneckers „Ariadne auf dem Panther“ von 1814 ist die vielleicht berühmteste deutsche Skulptur des 19. Jh., verbreitet in Repliken weltweit.© Christian von Holst 16.11.2017
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Étienne-Jules Ramey (1796-1852), Theseus erschlägt Minotaurus, 1826. Paris, Jardin des Tuileries Ariadne hat Theseus geholfen mit einem Faden wieder aus dem Labyrinth zu finden, nachdem dieser ihren Halbbruder, den menschenmordenden Minotaurus, getötet hatte. Zusammen nach Naxos geflohen, wird die Schlafende schmählich von Theseus verlassen. Mit seinem Tross unterwegs, findet sie Bacchus und macht, sofort entflammt, sie zu seiner Braut. Dannecker zeigt eine für seine Zeit fast ungebührliche, mythologisch aber nicht zu beanstandende Deutung des Themas: Ariadne wird von Bacchus‘ Panther dem göttlichen Gemahl entgegengetragen. Primär wird nicht die alte Erzählung, sondern die nackte Frau auf einem triebhaften Tier wahrgenommen. Dem entsprechen – manchmal fast #MeToo-haft – schon frühe Kommentare. G. Scharffenstein schreibt seinem Freund Dannecker: Adieu ich küsse Dich und den schönen Hintern Deiner göttlichen Ariadne. – Die dänische Dichterin Friederike Brun meint 1806: ... ein Götterkind voll Leben, Kraft, Freude und Fülle! Willig zu geben und zu empfangen, was Götter und Menschen entzückt. Anders Wilhelm von Humboldt 1816: Gott weiß, daß ich die Magerkeit nicht liebe und die Nacktheit nicht hasse, aber die Ariadne ist zu dick und zu nackt.
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Abguss der im 2. Weltkrieg fast zerstÜrten, von Silvano Bertolin geretteten Skulptur des Liebieghauses in Frankfurt, 1987 erworben aus Anlass der Dannecker-Ausstellung. 16.11.2017 Š Christian von Holst
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Die mythische Dimension lässt sich bei Nacht noch leichter erahnen. Aus lodernder Leidenschaft, vielleicht auch bei loderndem Feuer, schleudert Bacchus die Krone seiner Braut ins Universum. Als Sternenkranz, als Krone ihres Namens, auch Nördliche Krone oder Corona Borealis genannt, ist sie bis heute Zeugnis der Unsterblichkeit Ariadnes. © Christian von Holst
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Zu Danneckers grazilem Tonmodell von 1803, leicht verändert durch eine vergnügte Kollegin anlässlich eines Geburtstags des Autors, passt eine frühe, auf Akzeptanz zielende, quasi schillersche Deutung im Teutschen Merkur von 1805: © Christian von Holst „Bezähmung der Wildheit durch die Schönheit“.
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Ein Hinweis des Autors, diesmal für Kinder: auf der Metallplatte inmitten der Rotunde gibt es Schalleffekte, fast wie in einem Flüstergewölbe.
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Bauabnahme, 26. April 1984
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Erneut belebende, quasi toskanische Erfahrungen: schmale Gassen, weite Räume, Durchblicke.
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Die 2 m hohe und 2 m vorkragende Voute verleiht dem gesamten Terrassenbereich einen Innenraumcharakter. Die Rotunde ist mit einbezogen, da ihre HÜhe genau bis zum Ansatz der Voute reicht. Š Christian von Holst
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Stirling ist fasziniert von den Handwerkern, die 80 Travertin- und 160 Sandsteinplatten so bearbeiten, dass ihre Krßmmung 2,4 cm bzw. 0,8 cm beträgt und dadurch eine perfekte Rundform entsteht. Paare und Passanten kommunizieren gerne miteinander, wenn 16.11.2017 Š Christian von Holst 52 sie das Museum besuchen oder durchqueren.
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Bibliotheks- und Direktionsbau Hommage an das Doppelhaus von Le Corbusier in Stuttgart, seit 2017 Weltkulturerbe. Die Nachbarhäuser wollten andere Architekten abreiĂ&#x;en. Š Christian von Holst
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Nach dem rollenden Fenster des Kammertheaters mit etwas rätselhaftem Blätterstrudel, gesehen von der Terrassenspitze beim Fresko, ein summarischer Blick auf zitierte und modifizierte Architekturelemente verschiedener Epochen, die Stirling in seinen Bau integriert und zu einer komplexen, vielschichtigen Einheit verbindet: Pilzkopfstützen ägyptischer Provenienz im Wechselausstellungs- und Vortragssaal, dorisches Säulenpaar in Anlehnung an Friedrich Weinbrenner in der Rotunde, die Rotunde als römisch-antike Bauform, vgl. Kolosseum und Pantheon, Fassadengliederung à la toskanische Protorenaissance, manieristische, trapezförmige Raumeffekte, Ehrenhof analog zu französischem Barockklassizismus, künstlicher Ruinenzustand wie im 18. Jh., Auseinandersetzung mit klassischer Museumsarchitektur von Karl Friedrich Schinkel und Leo von Klenze, mit der De Stijl-Bewegung des frühen 20. Jh., mit Le Corbusiers Rampen und dessen Weißenhofbeitrag, mit den Fat Tubes des gerade vollendeten Centre Pompidou – die aber – anders als in Paris – nur im Außenbereich auftauchen, so z. B. auch das von Stirling als Married Couple benannte blaugrüne Paar von Luftansaugstutzen beim Direktionsbau.
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Stirling sieht Granitplatten für Foyer und Terrassen vor – aus Kostengründen nicht machbar. Beiläufig und verschmitzt präsentiert er Peter Beye und dem Autor ein Stück grünen Noppenbodens – bewährt bei Verkehrsflächen in U-Bahnen u. ä., unbekannt aber in solcher Farbe. Kurze Irritation, nach 10 min Zustimmung, da im Foyer keine Kunst gezeigt werde. – Balkenhol behauptet sich dennoch. 16.11.2017
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Der grüne Noppenboden wird ein Markenzeichen des Museums. Zunächst aber Widerstand: bei der Eröffnung des Kammertheaters im Spätherbst 1983 erscheinen manchen Politikern die Damen zu bengalisch-grünlich. Eine Alternative soll gesucht werden. Architekt, Bauherr und Nutzer verweigern sich unter Berufung auf die Kunstfreiheit. 16.11.2017
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Aufnahme 1984 Foyer und offener Vortragssaal bilden eine Einheit. Allenfalls bei Veranstaltungen sind sie durch einen Vorhang getrennt. Die wichtigen ägyptisierenden Pilzkopfstützen sind für alle Besuchern immer sichtbar, mal mit flacher, mal mit höherer Trommel. © Christian von Holst
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Aufnahme 1984 Der stets zugängliche Vortragssaal ist fast Bestandteil des Foyers. Neben den Pilzkopfstützen sind zeitweilig auch großformatige Gemälde und Ausstellungen darin zu sehen. Die Lüftungsventile an der Decke findet Stirling in seinem Mercedes. – Die nicht von ihm stammende, weiße Schiebewand zwischen Foyer und Vortragssaal, die dem Museum in den 10er Jahren von einem inzwischen abgelösten Spitzenbeamten der Bauverwaltung aufgenötigt wird, sollte wegen der 16.11.2017 62 Gesamtwirkung der Eingangsebene in der Regel offen sein. © Christian von Holst
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Erneut manieristische, irritierende Raumwirkungen dank fallender und steigender BĂśden und Decken.
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Überraschend statt Lift ein „Förderturm“ und bei der Eröffnung 1984: Architekt und seine Entourage erschließen sich den Bau von der Rampe her, die Museumsleute von der Treppe auf der Altbauseite. Stirling geht vom Zeitgenössischen zurück zum Vertrauten, die Sammlungspräsentation erfolgt umgekehrt.
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Musterraum, um 1981 Heiße Diskussionen: Decke grün, orange oder silbern, Holztür gelb. – Ergebnis: grün und Holztür innen weiß. Lebendige Lichtsituation: Tageslicht von oben und wanderndes Seitenlicht auf dem Boden (nur auf der Nordseite im Winter sind nachmittags Vorhänge nötig). 16.11.2017 © Christian von Holst 65
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Im ruhigen Rhythmus und den ausgewogenen Proportionen der Räume fühlen sich die Werke bei guter Hängung sichtlich wohl und schenken nicht nur dem Autor über Jahrzehnte hin das Erlebnis eines täglichen Kraftfelds. © Christian von Holst
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Der trapezförmige Übergang zur Alten Staatsgalerie ist durch zwei Glaskuppeln ein besonders heller Raum. Inzwischen abgedunkelt (durch das Foto in der Wirkung noch verstärkt), geht man in die hellere Enfilade. Stirling hat das umgekehrte Erlebnis geplant.© Christian von Holst 16.11.2017
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1983/84: Schlemmers Triadisches Ballett auf Säulen – eine Idee von Joseph Beuys. Schlemmer-Kennerin Karin von Maur, Beuys, Beye und Autor.© Christian von Holst
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1984, 26. April: Bauabnahme durch die Entscheidungsträger Siegfried Wernik, rechte Hand Stirlings, Autor, Peter Beye, Stirling und Herbert Fecker, Leiter der Staatlichen Bauverwaltung. Š Christian von Holst
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Aufnahme 1984: Schlemmers Ballett in gedämpften Licht 16.11.2017
nach: Global Architecture 11, 1984
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Vermeintlicher Ruinenzustand zur Entlüftung der Garage – vgl. die künstlichen Ruinen des 18.Jh. (z. B. Schloss Monrepos und Schloss Hohenheim). Die einzigen Steinblöcke des Baus liegen nutzlos auf dem Rasen. Anlass zu Protesten und physischen Attacken, deshalb bald nach Eröffnung einbetoniert. – 16.11.2017 © Christian 72 Hinweise für Hundehalter im Kontext eines Memento mori sind fehl am Platz.von Holst
Die Auszeichnungen für Stirling nehmen im Verlauf der Planungs- und Bauzeit der Neuen Staatsgalerie zu: 1977 erhält er die Alvar Aalto Medaille, 1980 die RIBA Royal Gold Medaille und 1981 den Pritzger Preis, die höchste denkbare Auszeichnung für Architekten. Mit Eröffnung der Neuen Staatsgalerie am 9. März 1984 werden Stirling, das Museum und Stuttgart weltbekannt. Der Bau wird als eines der Meisterwerke der Museumsarchitektur des 20. Jahrhunderts angesehen. Nach dem tragischen Tod Stirlings im Jahr 1992 führt sein Partner Michael Wilford mit Manuel Schupp, der dem Team bereits seit 1986 angehört, das Büro unter beider Namen weiter. Nach Ausscheiden von Wilford ist inzwischen Schupp mit dem Büro ORANGE BLU Buiding Solutions Rechteinhaber Stirlings. Seit 1996 gibt es jährlich für das beste Werk eines britischen Architekten den RIBA Stirling Preis. 1997 erhält ihn Michael Wilford, Stirlings Partner seit 1960, und damit posthum auch der Namensgeber, für die Musikhochschule in Stuttgart. 16.11.2017
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Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart und Haus der Geschichte James Stirling, Michael Wilford, Manuel Schupp 1990–2002
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James Stirling und Herbert Fecker im Neuen Schloss. VBA Aus Architekt und Bauherr, dem Schotten in London und dem Oberschwaben in Stuttgart, beide verbunden auch durch Freude an gutem Wein und gutem Essen, werden Freunde – hier im Mobiliar des über 200 cm großen und über 200 kg schweren Königs Friedrich von Württemberg. 16.11.2017 © Christian von Holst
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Stirling erhält einen Direktauftrag: Ideenskizzen, 1986 Laut Stirling passt der Turm als Stöpsel in die Rotunde des Museums. Die öffentlich zugängliche Dachterrasse bietet schöne Blicke auf die Stadt in jeder Richtung. Proteste gibt es gegen die Höhe des Turms. 16.11.2017 Das Büro stellt andere Stuttgarter Bauten daneben.
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Kammertheater Aufnahme 1984
Die Garageneinfahrt mit einem geplanten Steg über den Platz wird aufgegeben zugunsten der Bassins und der Verbreiterung der Treppe. Der Steg hätte den Höhenzug der Eugenstraße und -staffel wie ein optischer Riegel behindert. Die Garageneinfahrt wird verlegt in die Feuergasse zwischen Alter und Neuer Staatsgalerie. 2002 ff. 16.11.2017
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nach: Wilford Stirling Wilford 1996
Die Darstellung verdeutlicht die Verknüpfung von Museum und Musikhochschule/Haus der Geschichte sowie die stadträumliche Integration der beiden Baukomplexe. Der Blickachse hinauf zum Eugensplatz kommt besondere Bedeutung zu.
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Der Theaterplatz mit Bäumen, Grasflächen, großzügigen Treppen und gestuften Bassins mit 20 Fontänen ist ein besonderes Geschenk Stirlings an Stuttgart. 16.11.2017
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Blick entlang der rechtwinkligen Seiten der beiden spiegelbildlich trapezförmigen Durchgänge bis zur „Liegenden“ von Henry Moore.
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Lange ist der Durchgang ein sonntagabendlicher Treffpunkt fĂźr Freunde des Argentinischen Tango.
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Den argentinischen Tanz gibt es anschlieĂ&#x;end auch auf der Terrasse beim Haus der Geschichte.
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In einer frühen Sommernacht von 2017 verlässt eine Art beschwingter Wiedergänger James Stirlings das Museum.
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Teil II
Die Stadt und ihre Straßen
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Stadtentwicklung und die Chaussee nach Cannstatt Hauptstätterstraße Neckarstraße Konrad-Adenauer-Straße Willy-Brandt-Straße in toto = B 14 sowie die Eugenstaffel
Einwohnerzahlen Stuttgarts um 1800: um 1900: um 1930: heute: 16.11.2017
ca. 20.000 ca. 170.000 ca. 400.000 gut 600.000 © Christian von Holst
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„Plan der Gegend und Stadt Stuttgart“, C. F. Duttenhofer, 1788. WLB Carlsakademie und Neues Schloss sind kurz zuvor zum alten Stadtkern hinzugekommen. Von dort Wiesen, Forst und Felder bis an den Neckar. © Christian von Holst
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1806
Friedrich von Württemberg, seit 1806 König dank Napoleons Gnaden, beauftragt Hofarchitekt Nikolaus von Thouret für seine kleine, bescheidene, königliche Residenzstadt, der es noch sehr an entsprechendem Flair fehlt, einen repräsentativen Park für die Öffentlichkeit zu planen.
Waiblinger Grenzpfosten 16.11.2017
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Schlossgartenplan, N. F. Thouret, 1806. LMW So soll es seyn, vermerkt der König auf Thourets Plan am 9. Januar 1807. Im Jahr darauf ist der Schlosspark zugänglich. Die zentrale Allee mit Ovalsee und Rondellen ist am Achsensystem des Schlosses ausgerichtet. Im Unteren Schlossgarten schließt wenig später 16.11.2017
die Platanenallee in Richtung Cannstatter Kirche an, die erhalten ist. Bald wird auch parallel zu Thourets Parkallee von der Hangseite der Carlsakademie die Neckarstraße ausgehen und der Ovalsee wird später die Achse für Eugenstraße und Oper vorgeben. © Christian von Holst
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Fr. Bohnert nach Topograph Bach, um 1850. SML Stadtplan mit Bahnhof an der Schloss-/Bolzstraße, Gleisen nach Feuerbach und Cannstatt sowie Neckarstraße parallel zur Parkallee mit Staatsgalerie und Münze – alles kurz zuvor vollendet.
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Vogelschau von NW (Ausschnitt), F. Federer nach F. Wagner, 1852. SGS Blick aus der Höhe über dem Rebenberg, früher genannt Galgenbuckel – dort starb 1738 Jud Süß –, heute Standort von 4 Hochhäusern Helmuth Conradis: links die Neckarstraße mit Staatsgalerie (ohne rückseitige Flügel), gegenüber die Münze. Noch gibt es keine Schillerstraße. Vorne links die Pferdebändiger vor der Platanenallee. 16.11.2017 © Christian von Holst
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Museum der bildenden KĂźnste / heute: Alte Staatsgalerie, um 1845. SGS
16.11.2017
Š Christian von Holst
97
16.11.2017
Stuttgart von Osten, E. Emminger, um 1850. SGS Etwa aus der Höhe der Haußmannstraße sieht man auf die Stadt, vorne die Neckarstraße, in der Mitte die Carlsakademie und die Rückseite des Neuen Schlosses. © Christian von Holst
98
Detail aus dem vorigen, um 1850 Jenseits der Aufschüttung mit drei Wasserbassins für Feuerschutz die Alte Staatsgalerie, noch ohne rückseitige Flügel. Noble Wohnhäuser entlang der Straße, dem Museum gegenüber die stattliche Münze, bis 1967 in Betrieb. Jenseits des Parks das große Marstallgebäude und rechts die Kronenstraße mit der niedrigen Eisenbahnbrücke, die zum Bahnhof in der Schloss-/Bolzstraße führt. 16.11.2017
© Christian von Holst
99
16.11.2017
Hauptstätterstraße > Österreichischer Platz Originalbreite – 4 Fahrspuren, aufgenommen inmitten der Straße an einem Sonntagmorgen.
© Christian von Holst
100
16.11.2017
Charlottenplatz, 1908. HdG Der kleine Platz mit Klohäuschen und Straßenverkauf liegt zwischen Waisenhaus vorne links und Neckarstraße. Links hinter Bäumen das Wilhelmspalais. © Christian von Holst
101
16.11.2017
Charlottenkreuzung mit Lichtmast Kein Platz / nicht begehbar – Platzschilder demgemäß nur am Lichtmast.
© Christian von Holst
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16.11.2017
Charlottenplatz > Neckartor, 1908. LMZ-BW Die Neckarstraße – neben der Königstraße die zweite Prachtstraße der Stadt und kaum breiter als jene – bietet neben Kultur hochrangigen Wohnraum.© Christian von Holst
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16.11.2017
Neckarstraße > Neckartor, um 1890. HdG Staatsgalerie und Münze gegenüber aus den frühen 1840er Jahren.
© Christian von Holst
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16.11.2017
Konrad-Adenauer-Straße > Neckartor Eine sonntägliche B 14 – Arterie der Stuttgarter „Kulturmeile“.
© Christian von Holst
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16.11.2017
Staatsgalerie und Münze, um 1900. SGS Die Geschlossenheit des Ehrenhofs mit luftigem Zaun wird 1972 mit der Durchbohrung der Seitenflügel aufgegeben, die Münze schon zuvor beseitigt.
© Christian von Holst
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Württembergische Münze, erbaut 1842-43, um 1900. Architekt Friedrich Bernhard Adam von Groß 16.11.2017
© Christian von Holst
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Straßenbauarbeiten, um 1900. SGS Auch die heutige Alte Staatsgalerie braucht seit langem: einen wieder geschlossenen Ehrenhof, zwei Zugänge und Zebrastreifen dorthin – d.h. eine hofbreite Überdeckelung der B 14. 16.11.2017
© Christian von Holst
108
... stattdessen dieser Zustand seit 1972 16.11.2017
Š Christian von Holst
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Wiedereröffnung des Museums nach dem 2. Weltkrieg am 9. Oktober 1958 durch Bundespräsident Theodor Heuss. SGS 16.11.2017
© Christian von Holst
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Blick aus dem Festsaal des Museums auf die Münze am 9. Oktober 1958. SGS 16.11.2017
© Christian von Holst
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Münze vor dem Abbruch, Juni 1967. VBA Rechts Ecke des Katharinenstifts, große Distanz demnach zur Neckarstraße – ganz links ein Stück Staatsgalerie. 16.11.2017
© Christian von Holst
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Obere Anlagen. LMZ-BW Foto: Albrecht Brugger, 1953 Der Ovalsee, nach dem Opernhaus und Eugenstraße ausgerichtet sind, ist perfekt erhalten, ebenso die Struktur der Parkanlagen und der Rosengarten. 13 Skulpturen sind klar erkennbar (heute noch 6 zu sehen). Für die Gartenschau von 1961 wird Vieles einem Eckensee geopfert. Mit der Parkallee, zu der die Neckarstraße parallel angelegt ist, geht ein stadträumliches Ordnungselement verloren. 16.11.2017
© Christian von Holst
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Bestandsplan 1958 Alles Grüne ist vom Abbruch bedroht.
Generalverkehrsplan 1963
Horst Linde, Herbert Fecker, Frey, in: StadtBauwelt 1965 Das neue Straßennetz legt sich wie eine Krake über bestehende Strukturen, erzwingt Abrisse und Durchbrüche. Die Parallelität von Neckarstraße und Parkachse ist verschwunden. Abschied auch von der Planie, Teilen des Leonhardviertels, der Hauptstätterstraße, Kronprinzenpalais, Münze ... 16.11.2017
© Christian von Holst
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StadtBauwelt 1965 Ovalsee, Parkallee, Carlsakademie, Planie, Kronprinzenpalais, Münze und selbst Katharinenstift sind beseitigt. Keine Straßenrandbebauung mehr. Verschwinden der Eugenstraße ist geplant. Oper ohne Achsenbezug. 16.11.2017
© Christian von Holst
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Straßenbau an der B 14, 1972. Gehweg Charlottenkreuzung > Eugenstraße noch erhalten. 16.11.2017
© Christian von Holst
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16.11.2017
Durchbruch der Seitenflügel, Herbst 1972 Jüngst vom Architekten Arno Lederer bezeichnet als Symbol der städtebaulichen Vergehen der Nachkriegszeit.
© Christian von Holst
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„Industriebau“ (= Kulissengebäude des Theaters), Turnhalle und B 14-Kreunzung: Hauptzugang der Staatsgalerie Das wohl garstigste Vorfeld eines großen Kunstmuseums in Deutschland. © Christian von Holst
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Gebhard-Müller-Kreuzung mit Lichtmast Kein Platz / nicht begehbar – Platzschilder demgemäß nur am Lichtmast. – Der Sohn Gebhard Müllers erklärt 2017, dass er für Baumaßnahmen an diesem Ort 25 Tsd. Euro zu spenden bereit ist, damit sein Vater sich nicht mehr vor Grausen im Grab herumdrehen muss.
16.11.2017
© Christian von Holst
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16.11.2017
Staatsgalerie: Zugang von ihrer Stadtbahnhaltestelle seit 1972 Wie konnte das Denkmalamt einer solchen Verstßmmelung zustimmen ? Š Christian von Holst
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16.11.2017
Stuttgarter im Leiden an der B 14. „AVS“ könnte eine selten benutzte Abkürzung für „Autoverkehrsstrom“ sein. Depression selbst bei der Passantin.
© Christian von Holst
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„Wegfall einer Fahrspur“
16.11.2017
© Christian von Holst
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16.11.2017
Konrad-Adenauer-Straße am Charlottenplatz, 1979 Die B 14 in voller Breite und Pracht, mit bis zu 13 Fahrspuren – und geringem Verkehr.
© Christian von Holst
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Frank Werner, Stuttgart im Jahre zweitausend ? Zum Problem Adenauerstraße. Ein Visionär gesucht, in: StZ, 19. April 1979
16.11.2017
Frank Werner, 1979 35jähriger Architekturhistoriker an der Uni Stuttgart (mit großer Zukunft), fordert für das Jahr 2000, was auch 38 Jahre später noch unverändert aktuell ist. © Christian von Holst
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B 14 am 29. September 2017: Alte Staatsgalerie > Oper Stündliche Dokumentation des Verkehrs zwischen 8:00 und 17:00 Uhr an einem Wochentag.
17:01 16.11.2017
Es fällt auf: nur um 14 Uhr wird die rechte Spur hinab in den Tunnel benutzt. © Christian von Holst
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B 14 am 29. September 2017: Staatsgalerie > Oper Stündliche Dokumentation des Verkehrs zwischen 8:00 und 17:00 Uhr an einem Wochentag.
16.11.2017
17:00
Etwas links von dem Mittelstreifen lag der rechte Gehweg der Neckarstraße. © Christian von Holst
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Wieviel Autos fahren wohl pro Minute und Sekunde an der Staatsgalerie vorbei ?
16.11.2017
Š Christian von Holst
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13.07.2017 11:47
07.08.2017 11:34
B 14:
pro Tag
gut 100.000 Fahrzeuge
d. h. im Schnitt:
pro Stunde
ca. 4.200
pro Minute
ca.
70
realiter: tagsüber entschieden mehr, nachts und am Wochenende entsprechend weniger, demnach geschätzt tagsüber pro Minute ca. 150, pro Sekunde ca. 2,5. Zunächst unkommentiert, werden die unteren Fotos im Vortrag präsentiert. Anders als von Zuhörern vermutet, zeigen sie nicht die B 14 im Bereich der Cannstatter Straße, sondern die viel breitere A 8 bei Stuttgart-Rohr: dort verkehren täglich „nur“ etwa 140.000 Autos, inmitten Stuttgarts dagegen, einmalig für eine Stadt in einer Tallage, sind es 100.000 bis zu 120.000.
16.11.2017
08.08.2017 16:33
08.08.2017 16:36 © Christian von Holst
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16.11.2017
Auf dem Weg in den Tunnel.
Š Christian von Holst
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16.11.2017
Obgleich rechts eine der drei Fahrspuren nicht benutzbar ist, Š Christian von Holst gibt es keinerlei Stauprobleme.
130
16.11.2017
Der 1,5 m breite Gehweg verbreitert sich zum Tunnel hin.
Š Christian von Holst
131
16.11.2017
Š Christian von Holst
132
16.11.2017
Gleichlautender Text auch beim 1. Wettbewerb von 1974. Das bedeutet: bereits 1974, also nur 2 Jahre nach dem Durchbruch der Passagen durch die Alte Staatsgalerie, gestehen sich die Verantwortlichen einen Planungsfehler bei der B 14 ein. Š Christian von Holst
133
16.11.2017
Š Christian von Holst
134
Seit 1972 unbenutzter erhöhter Seitenstreifen im Tunnel vor der Alten Staatsgalerie: 4,35 m breit 1974 und 1977 Auslobung Erweiterung Staatsgalerie:
16.11.2017
zum Vergleich: Stirlings Fußweg vor der Neuen Staatsgalerie ist 4,15 m breit und der Durchbruch in den Flügeln der Alten Staatsgalerie 4 m. © Christian von Holst
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„... die Verbreiterung des Vorfelds vor der Staatsgalerie“ erscheint in den Auslobungen von 1974 und 1977 leider nur als etwas vage „Sollte“-Position. Keines der teilnehmenden Architekturbüros hat sich um diesen Passus gekümmert, auch Stirling 1977 nicht. Das ist nachvollziehbar: Die Hinzunahme eines damals wie heute notwendigen „Vorfelds“ in der Breite von zumindest einer Fahrspur – also gut 3 m + 2 m heutigem, aber nicht benutzbarem Gehwegstreifen vor den beiden Museumsflügeln – insgesamt also mindestens von 5 m Breite, hätte einem positiven Votum der Jurys mit Sicherheit im Weg gestanden. Ein für eine solche Maßnahme erforderliches Zusammenwirken von Stadt, Land und Bund bei einer Bundesstraße hätte einen enormen zeitlichen Aufwand bedeutet und damit die Inangriffnahme des Bauprojekts in Frage gestellt. Dass sich jedoch im Verlauf von 43 bzw. 40 Jahren in der Sache nichts mehr getan hat, ist recht schwer nachzuvollziehen. Deshalb ist das aktuelle erneute Erörtern des Problems „B 14“ sehr zu begrüßen und mit großen Hoffnungen verbunden.
16.11.2017
© Christian von Holst
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Galatea – Schicksalsbrunnen Exkurs Sex and Crime Galatea Nereïde, Tochter des Nereus, Meeresgöttin, in Liebe dem 16jährigen Hirten Acis verbunden; daneben plump verehrt und begehrt vom einäugigen, grobschlächtigen Polyphem, der ihren Geliebten Acis mit einem Felsen vom Ätna erschlägt ... – ein prachtvoller Brunnen der Gründerzeit, beauftragt von Königin Olga.
Schicksalsbrunnen Ein wichtiges Werk des Jugendstils von Karl Donndorf, errichtet zum Gedenken an die Stuttgarter Opernsängerin Anna Sutter, bedeutende Interpretin von „Salome“ und „Carmen“.
16.11.2017
© Christian von Holst
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Hangachse „Großes Haus“ > Eugensplatz, Büro Stirling, Anfang 90er Jahre Mit der Entstehung des neuen Theaterplatzes wird auch an eine Neubewertung einer der schönsten Staffeln Stuttgarts gedacht.
nach: Neubau für die Staatliche Hochschule für Musik ..., 1. Bauabschnitt, 1996
16.11.2017
© Christian von Holst
138
16.11.2017
nach: Max Littmann, Die KĂśniglichen Hoftheater in Stuttgart, Darmstadt 1912
Š Christian von Holst
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16.11.2017
Theaterplatz: Sichtversperrung > Galatea Der Baum blockiert den Blick hinauf zum Brunnen. Er muss gefällt werden. Zwei schlanke seitliche Bäume könnten ihn ersetzen. © Christian von Holst
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16.11.2017
Nur vom Balkon des GroĂ&#x;en Hauses ist Galatea zu sehen.
Š Christian von Holst
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Sichtversperrung Werastraße > Galatea Die alte Treppenanlage ist erhalten – jedoch ergibt sich erst weit oben ein Blick zum Brunnen.
© Christian von Holst
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Galateabrunnen, Otto Rieth und Paul Stotz, 1890. 16.11.2017
Š Christian von Holst
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La Fontaine Médicis, um 1620, mit Galateagruppe von 1864. Paris, Jardin du Luxembourg Ein Zufallsfund vor dem Vortrag: es bietet sich ein freier Blick über den Wasserlauf – © Christian von Holst im Zentrum Acis‘ Glück und zu ahnendes Ende.
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Auguste Ottin, Polyphem überrascht Acis und Galatea, 1862-64. Nach Ovid: Acis betrachtet seine schlafende Geliebte (in Umkehrung der Situation von Amor und Psyche). Von dem eifersüchtigen Zyklopen geschleudert, wird ihn ein Felsbrocken treffen. Den Sterbenden verwandelt Galatea in einen kleinen Fluss. Sein Wasser verbindet sich mit ihr als Meereswelle – ein schönes Bild ewiger Vereinigung und Liebe.© Christian von Holst 16.11.2017 145
Emil Hundrieser, Berolina (genannt „Bärenlina“ von den Berlinern), 7,5 m hoch. Berlin, Alexanderplatz 1889 in Gips, 1895 in Kupfer aufgestellt, 1942 zersägt und wohl eingeschmolzen. Die Blumenverkäuferin Anna Sasse (1862-1938), hier im Foto von 1988, eine Berliner Schusterstochter, wird ein beliebtes Modell. Bei Galatea, der sie als Vorbild dient, geht es nicht mehr um die klassische Idealisierung wie bei den Götterfiguren des Schlossgartens. Ihre ungewohnt naturnahe Erscheinung mit üppigen Formen und spärlicher Verhüllung empört 1890 viele Stuttgarter. Königin Olga, die verstimmte Spenderin, droht 16.11.2017 146 die ziemlich menschliche Meeresgöttin drehen zu lassen. © Christian von Holst
16.11.2017
Š Christian von Holst
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16.11.2017
Š Christian von Holst
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16.11.2017
Š Christian von Holst
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Sichtversperrung Galatea > Staatsoper Vom Brunnen aus sollte man den Künstlereingang der Oper sehen. Was ist zu tun, wenn die Stadt weiterhin den Baum nicht fällen und keinen Rückschnitt durchführen lässt? © Christian von Holst
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Vorschlag des Autors an das Denkmalamt:
Galatea soll gedreht werden und, wie schon von Königin Olga vorgesehen, Stuttgart die „kalte Schulter“ zeigen.
Hier wird der Prozess nach Abschied vom vertrauten Bild in mehreren Schritten vollzogen.
16.11.2017
© Christian von Holst
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Š Christian von Holst
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Š Christian von Holst
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Š Christian von Holst
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Š Christian von Holst
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Das „Große Haus“, die Stuttgarter Oper, am 17. September 2017.
© Christian von Holst
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Künstlereingang der Oper an der Neckarstraße, 1912 nach: Littmann 1912 16.11.2017
Fassade ca. 16 m vom Bordstein entfernt.
© Christian von Holst
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Großes Haus, 1914. HdG mit neuem Brunnen und schönen Bürgerbauten. 16.11.2017
© Christian von Holst
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Schicksalsbrunnen 1914-1963 an der Neckarstraße vor dem Künstlereingang des Großen Hauses, Foto 1929. LMZ-BW © Christian von Holst
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Anna Sutter als Salome beim „Tanz der sieben Schleier“
Carmen mit der Todeskarte
Anna Sutter, die erste selbst tanzende Salome, ist eine lebens- und liebesfreudige Diva, die man in Stuttgart „Sutterle“ nennt. Ihr Schicksal endet fast wie das von Carmen. So wie Don José die verflossene Liebe beschwört, tut es auch der Kgl. Hofkapellmeister Dr. Aloys Obrist. 1910 stürmt er in der Schubartstraße 8 morgens ins Schlafzimmer der Sängerin, die ihn wie Carmen zurückweist. Er erschießt sie und sich. Die ganze Stadt trauert. Donndorf schafft ihr ein Denkmal. 16.11.2017 © Christian von Holst 160
Neckar- und EugenstraĂ&#x;e, 1949. HdG 16.11.2017
Š Christian von Holst
161
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Nachkriegssituation, 1959. LMZ-BW Der Brunnen ist noch am Bestimmungsort.
Š Christian von Holst
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Schicksalsbrunnen, Karl Donndorf, 1914 Seit 1963 am heutigen Ort im Schlossgarten. 16.11.2017
Š Christian von Holst
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Einst durch vorstehende Nachbarbauten vom Straßenverlauf etwas entfernt, ist die Künstlerfront der Oper inzwischen dem Verkehrsstrom so brutal ausgesetzt wie die Staatsgalerie. Das macht der Theaterplatz Stirlings besonders fühlbar. © Christian von Holst 16.11.2017
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Sollte der Schicksalsbrunnen, dieses wichtige Werk des Jugendstils, nicht besser an seinem Bestimmungsort zu sehen sein ? Sollten sich nicht Galatea und die Schicksalsgöttin wieder wechselseitig wahrnehmen, wie es für 50 Jahre der Fall war ? Auch hier erfolgt der Prozess in einzelnen Schritten, in Anlehnung an Goethes Zueignung zu Faust I: Ihr naht euch wieder, steinerne Gestalten, Die früher sich hier unsrem Blick gezeigt. Versuchen wir, euch diesmal festzuhalten ? Ist unser Wille diesem Ort geneigt ? Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten, Wie ihr so schön aus Dunst und Nebel steigt, Der Busen Stuttgarts fühlt sich froh erschüttert Von Eurem Umzug, seid ihr auch leicht verwittert.
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Ihr bringt mit euch die Bilder einstger Tage Und manche lieben Straßen steigen auf; Gleich einer alten, halbverklungnen Sage Kommt ein geliebtes Stadtbild mit herauf; Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage Des Nachkriegsplans von Stuttgart irren Lauf, Und nennt die Bauten, die um schöne Jahre Vom Glück getäuscht, geendet in der Bahre.
© Christian von Holst
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Š Christian von Holst
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Š Christian von Holst
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Vision und Hoffnung für die Zeit 2020/25: Rückkehr des Schicksalsbrunnens an seinen Ursprungsort. Die B 14 müsste auf der Opernseite um ungefähr 2 Fahrspuren verschmälert werden. Das ergäbe auch Raum, um Bauten vor den Kulissenbau zu setzen. 16.11.2017 © Christian von Holst Ende des Exkurses
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Gutachten James Stirling, in: Internationales Symposium ...,14. Oktober 1987. SGS Stirling, wie auch Colin Rowe, stellt die Parkanlagen von 1806 wieder her und schafft neue städtische Räume, Akzente und Achsen. © Christian von Holst
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Š Christian von Holst
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Ganz so breit wie hier mit 20 m müssten die Fußgängerwege in Stuttgart nicht sein.
© Christian von Holst
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Die berühmteste Straße der Welt, die Avenue des Champs-Élysées, 70 m breit, 30 m für 10 Fahrspuren, je 20 m für Fußgänger, Cafés und Baumreihen, hat auf 1,9 km Länge 11 Zebrastreifen. Das andauernde Stop-and-Go schließt den Durchgangsverkehr aus. 16.11.2017
© Christian von Holst
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Die Google-Ansicht überträgt in etwa die Maßverhältnisse der Champs-Élisées auf die B 14, was sich jedoch kaum umsetzen ließe. Leicht wären aber drei Wege für Fußgänger beim Museum und der Oper zu schaffen.
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© Christian von Holst
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Der Meister von Meßkirch
8.12.2017 bis 2.4.2018
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Dies wäre eine fast ideale Situation für die Staatsgalerie. Das Bildfeld steht für ein Banner, das auf der Überdeckelung angebracht werden könnte. Genauso gut wäre dort ein Info-Shop oder eine Skulptur vorstellbar.
© Christian von Holst
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Veränderungen an der Verkehrsschneise im Bereich Neckartor / Marienplatz Durchgangsverkehr muss ausgeschlossen werden, d. h. täglich bis zu 20-30.000 Fahrzeuge weniger auf der B 14. ÖPNV: entscheidend verbesserte Angebote. Rückbau der B 14, gekoppelt mit neuer Randbebauung. Bisher gibt es wie in der Verkaufsschneise Königstraße auch in der Verkehrsschneise B 14 kaum Wohnflächen, beide mal eine ungute Situation. Eine Verbindung von Kultur, Gastronomie, Wohnen, Gewerbe und Verwaltung ist wünschenswert, genauso wie die Koexistenz von Menschen und Fahrzeugen. Wie auf den Champs-Élisées, dem Ku‘damm oder Unter den Linden in Berlin würde es dann erneut urbanes Leben auf einer ehemaligen und wieder belebten Prachtstraße Stuttgarts geben und es wäre dort wieder ein Flanieren möglich. Die Durchbrüche der Alten Staatsgalerie könnten und müssten geschlossen werden.
16.11.2017
© Christian von Holst
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Stuttgarter im Glück
16.11.2017
nach Rückbau der B 14
© Christian von Holst
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