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IMMER DER NASE NACH ......................... Seite Markus Haubrich
Claudia Wolf spricht mit Regionalvorstand Markus Haubrich über Romy, Joy, Marple & Co. im Einsatz. Bei den Johannitern gibt es neuerdings eine Rettungshundestaffel. Der Regionalverband Münsterland/Soest, der bislang bekannt war für Krankenpflege, Hausnotruf und Katastrophenschutz, geht neuerdings nämlich auch auf Vermisstensuche.
Immer der Nase nach
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Sie haben kein Einzelbüro, oder?
Stimmt. Ich teile mir ein Zimmer mit meiner Hündin Romy.
Erzählen Sie mir mehr von Romy!
Wir haben uns vor etwa fünf Jahren kennengelernt, damals war Romy drei Monate alt. Mir war es wichtig, dass meine Kinder mit einem Hund aufwachsen, das ist für sie eine große Bereicherung. Deshalb haben wir uns eine Labrador-Hündin geholt. Mit dem „Trailen“ haben wir angefangen, als Romy etwa ein halbes Jahr alt war.
Und „Trailen“ bedeutet was…?
Heißt Spurensuche.
Ach so. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Romy in der Spurensuche zu trainieren?
Anfangs war das „Mantrailing“, also die Suche nach Personen, nur ein Hobby. Mir war wichtig, Romy eine artgerechte Beschäftigung zu bieten. In der Hundeschule haben wir gemerkt, dass sie wahnsinnig gut darin ist, Spuren zu verfolgen. Nach und nach wurde die Sache ernst. Romy hat alle Prüfungen mit Bravour gemeistert und ist als professionelle „Mantrailerin“ schließlich bis in die erste Staffel aufgestiegen, die Crème de la Crème aller Staffeln. Hier arbeiten nur Profis.
Inzwischen ist die Hundestaffel Teil Ihres Regionalverbandes. Wie kam es dazu?
Wir haben im Juli offiziell die Mantrailer-Staffel übernommen, die ursprünglich an die Hundeschule von Florian Symanzig angegliedert war. Florian, der auch Romy ausgebildet hat, ist ein erfahrener Trainer und jetzt unser Staffelleiter bei den Johannitern. So mussten wir nicht bei null anfangen, sondern konnten auf erfahrene Hunde zurückgreifen.
Heißt das, es gibt schon eine voll ausgebildete Staffel?
Die Tiere sind ausgebildet, aber wir müssen uns vergrößern. Dafür ist auch die Unterstützung der Bevölkerung wichtig, denn das Training und die Ausrüstung werden über Spendengelder finanziert. Es ist wichtig, im Ernstfall genügend Tiere dabei zu haben, denn vor allem während längerer Einsätze brauchen die Tiere immer wieder Pausen, um sich von der Arbeit zu erholen.
Warum braucht Münster überhaupt eine Hundestaffel?
Weil es immer wieder vorkommt, dass Menschen spurlos verschwinden. Wir haben uns auf Personensuche spezialisiert, ein Problem, das oft unterschätzt wird. Das liegt daran, dass die meisten Fälle nicht öffentlich werden. Doch bei den Polizeibehörden in Münster und Umgebung gehen jedes Jahr Hunderte von Vermisstenanzeigen ein. Meist gibt es eine harmlose Erklärung. Aber eben nicht immer.
Aus welchen Gründen verschwinden Menschen?
Häufig suchen wir Demenzkranke, die die Orientierung verloren haben, oder geistig verwirrte Menschen. Spürhunde retten auch suizidgefährdete Menschen – ebenfalls ein Thema, das meist nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Manchmal verletzen sich auch Wanderer oder Jogger auf abgelegenen Waldwegen, Kinder verirren sich beim Spielen oder traumatisierte Menschen im Schock verschwinden nach Verkehrsunfällen. Für Angehörige kommt das Verschwinden einer geliebten Person oft ganz unerwartet. Für sie ist es beruhigend zu wissen, dass sie mit dieser Situation nicht allein sind, sondern Beistand haben. Die Dankbarkeit, die wir erfahren, ist enorm. Das zeigt uns, wie wertvoll unsere Arbeit ist.
Sie hatten also schon Einsätze?
Nicht als offizielle Mantrailer-Staffel der Johanniter. Wir haben die vergangenen Monate genutzt, um die notwendige Ausrüstung zu besorgen und Zuständigkeiten zu klären. Aber Romy und ihre vierbeinigen Team-Mitglieder hatten natürlich vorher schon Einsätze, unter der Schirmherrschaft von Florian Symanzig.
Gibt es einen Einsatz, der Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben ist?
Einmal hat uns die Polizei informiert, weil eine Patientin nach einer Untersuchung im Uniklinikum Münster spurlos verschwunden ist. Die Ärzte machten sich große Sorgen. Unsere Hunde haben zunächst das Außengelände abgesucht, und da sie hier keine Spur aufnahmen, konnten wir ausschließen, dass die Patientin das Gebäude verlassen hatte. Anschließend arbeiteten wir uns von unten immer weiter nach oben durch die Gebäude und konnten den Suchbereich schließlich so weit eingrenzen, dass die Dame aufgefunden werden konnte. Zum Glück war sie unverletzt und ihr Zustand stabil. Der Einsatz hat die ganze Nacht gedauert!
Klingt nach Detektivarbeit.
Ja, das ist es tatsächlich. Vor allem in den Unikliniken, wo vor allem die Sockelgeschosse unter den Türmen ein echtes Labyrinth sind. Hier braucht es perfekt eingespielte Teams, um den Überblick zu behalten. Jeder Einsatz ist etwas Besonderes, weil man nie weiß, was einen erwartet. Das macht die Arbeit so spannend.
Was haben die Hunde von den Einsätzen?
Wie bereits erwähnt: Mantrailing ist eine artgerechte Beschäftigung für Hunde. Die Spurensuche macht ihnen riesig Spaß, lastet sie geistig aus und hält sie körperlich fit. Während des Trainings entsteht eine vertrauensvolle, enge Bindung zwischen den Hunden und ihren Frauchen oder Herrchen – die Voraussetzung dafür, dass bei den Einsätzen alles glatt läuft.
Wie muss ich mir den Ablauf von einem Einsatz vorstellen?
Die Polizei informiert den Staffelleiter, der allen Staffel-Mitgliedern daraufhin eine Mitteilung über Divera schickt, eine Alarm-App, die wir als Hilfsorganisation regelmäßig benutzen, auch im Katastrophenschutz.
Wie geht es dann weiter?
Über die App geben alle Staffelmitglieder Rückmeldung, und dann fahren wir gemeinsam zum Einsatzort. An der Stelle, wo die vermisste Person zuletzt gesehen wurde, beginnt ein Hund mit der Spurensuche. Wir halten ihm einen Duft vor die Nase, zum Beispiel das T-Shirt der vermissten Person. Wenn der Hund eine Spur findet, läuft er los und der Besitzer an der Schleppleine hinterher. Findet der Hund keine Spur oder ist unkonzentriert, setzen wir einen anderen Hund an.
Und wenn der Hund die vermisste Person gefunden hat?
Dann bekommt er eine Belohnung.
Das ist wichtig, schätze ich.
Ja, genau. Belohnungen motivieren und halten die Hunde bei Laune.
Was passiert zwischen den Einsätzen?
Wir trainieren regelmäßig, mindestens einmal pro Woche. Das Training läuft so ähnlich ab wie ein Einsatz. Eine Person legt eine Spur – läuft also irgendwo entlang – und daraufhin machen sich die Hunde auf die Suche. Oft findet das Training in den Abendstunden statt, weil dort auf den Straßen weniger Verkehr ist.
Wie alt darf so eine Spur maximal sein?
Ungefähr 48 Stunden. Wobei manche Hunde auch ältere Spuren aufnehmen können. Die Hundenase ist ja etwas ganz Besonderes.
Inwiefern?
Hunde haben im Schnitt 125 bis 300 Millionen Riechzellen, der Mensch ungefähr 20 Millionen. Außerdem können Hunde räumlich riechen, was auch Stereoriechen genannt wird. Das liegt daran, dass sie mit
dem linken und rechten Nasenloch separat Duftmoleküle aufnehmen können, die dann unabhängig voneinander ausgewertet werden. Daher wissen sie auch, in welche Richtung jemand gelaufen ist.
Können das alle Hunde?
Im Prinzip schon. Natürlich gibt es bestimmte Rassen, die als Mantrailer besser geeignet sind als andere. Als Faustregel gilt: Hunde mit einer langen Nase haben auch viele Riechzellen.
Ein Boxer ist also wahrscheinlich nicht geeignet.
Eher nicht. Aber pauschal kann man das nicht sagen. Es gibt große individuelle Unterschiede. Wer sich fürs Mantrailing interessiert, sollte am besten bei einer Hundeschule nachfragen. Mit den Trainern kann man herausfinden, ob der Hund Potenzial hat. Allerdings müssen nicht nur die Hunde bestimmte Voraussetzungen erfüllen, sondern auch ihre Besitzer.
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Und die wären?
Frauchen und Herrchen müssen in der Lage sein, Menschen medizinisch zu versorgen. Das ist wichtig, schließlich kann es sein, dass die Hunde Vermisste aufspüren, die sich in einer Notsituation befinden. Sie müssen also Erste Hilfe leisten können und werden deshalb bei uns als Sanitäter ausgebildet. Abgesehen davon sollte man körperlich fit sein, um während der Einsätze mit den Hunden Schritt halten zu können. Einige unserer Vierbeiner legen hier ein beträchtliches Tempo vor. Und man sollte Zeit haben. Die Ausbildung dauert mehrere Jahre.
Wahrscheinlich sollte man auch ein gutes Händchen für Hunde haben.
Ja, das versteht sich wohl von selbst. Nur perfekt eingespielte Teams erzielen gute Sucherfolge und darauf kommt es schließlich an. Der Hund muss wissen, was von ihm erwartet wird, und der Besitzer muss an der Körpersprache seines Vierbeiners erkennen, wenn dieser müde oder unkonzentriert ist.
Wenn ein Mensch verschwindet, stößt die Technik schnell an ihre Grenzen.
Die Johanniter haben sich den Dienst am Menschen zur Aufgabe gemacht. Wie passen die Hunde ins bestehende Programm?
Ziemlich gut. Wir sind ja technisch top ausgestattet, das ist vor allem im Sanitätsdienst und Katastrophenschutz wichtig. Doch jede Technik stößt irgendwann an ihre Grenzen, und wenn ein Mensch verschwindet, hilft auch Nachdenken irgendwann nicht mehr weiter. Diese Lücke füllen wir mit unseren Hunden.
Könnte man sagen, dass die Johanniter insgesamt recht hundefreundlich sind?
Das könnte man so sagen, zumindest bei uns im Regionalverband. Inzwischen gibt es so einige Kolleginnen und Kollegen, die ihre Vierbeiner mit ins Büro bringen. Wird im Vorfeld natürlich immer alles mit mir und dem Team besprochen. Das ist mir wichtig, schließlich gibt es Menschen, die Angst vor Hunden haben, und darauf muss man Rücksicht nehmen. Aber ich finde es toll, dass wir so ein hundefreundlicher Verband sind, denn Hunde halten fit und bereichern das Leben. Ist ja auch wissenschaftlich bewiesen.
INFO
Markus Haubrich
Markus Haubrich ist Jahrgang 1979 und seit seinem Zivildienst bei den Johannitern. Seit 2020 ist er Regionalvorstand für den Regionalverband Münsterland/Soest. Romy, seine Labradorhündin, ist ausgebildete Mantrail-Hündin. Zusammen suchen sie in der Rettungshundestaffel der Johanniter vermisste Menschen. Ein Herzensprojekt, das weitere Unterstützer auf zwei und vier Beinen sucht. Weitere infos gibt es hier: johanniter.de/ms