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DAS KLEINGEDRUCKTE
Die Redaktion dieser Zeitschrift billigt mir für diese Kolumne 3.500 bis 3.800 Zeichen (inklusive Leerzeichen) zu – Sie müssen da jetzt nicht nachzählen, sondern können mir vertrauen. Ob das eher viel oder wenig ist, hängt für den Kolumnisten sowohl vom Thema als auch davon ab, wie er tagesaktuell gerade so mit seiner »Schreibe« drauf ist. Manchmal jedenfalls muss man sich ganz schön zwingen, um ein Thema ausreichend zu beleuchten. Da denkt man dann schon bei 800 Zeichen, dass einem wohl nicht mehr viel einfallen wird … Bei 800 Zeichen!
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Da heute ein Tag ist, an dem mir das Schreiben nicht so recht von der Hand geht, die Redaktion aber wegen des bevorstehenden Redaktionsschlusses schon drängelt, mache ich mal den Versuch, mich selbst zu bezwingen und die Kolumne mit einem Thema zu füllen, das unspektakulärer nicht sein könnte. Und da fällt es mir auch schon ein, das Thema: aus dem Fenster schauen. Ja, womit fangen wir am besten an? Versuchen wir es einmal mit einer Definition. Das »Aus-dem-Fenster-schauen« ist eine mögliche Form der Beobachtung der außerhäuslichen Umwelt ohne besonderen Zweck und dient im weitesten Sinne als Zeitvertreib, um die Langeweile zu besiegen. Die materiell-technischen Voraussetzungen, diesen Langeweile-Stopper umzusetzen, sind denkbar einfach. Man braucht natürlich ein Fenster. Wohin sich das Fenster öffnet ist nicht ganz unwesentlich. Blickt man zum Beispiel in Richtung eines Parks oder Waldes, wird es mehr Mühe kosten, Bewegung auszumachen. Bewegt sich dann doch etwas, erzeugt das natürlich mehr Freude: ein Hase, der über eine Lichtung hoppelt, zwei Krähen, die sich um eine tote Maus streiten, der Wind, der die Blätter zaust… Geht das Fenster in Richtung einer stark befahrenen Straße, ist Bewegung natürlich zuhauf da: Autos, Autos, Fußgänger, Motorräder, Busse, Onkel Karl, Autos, Autos, Fahrräder … In jedem Fall nützlich ist es, für das Aus-dem-Fenster-schauen ein Kissen bereitzuhalten, auf das man die Ellenbogen abstützen kann, denn es hat sich schnell erwiesen, dass das Abfedern des Gewichtes des Oberkörpers (inklusive Kopf, der wohl fast vier Kilogramm im Durchschnitt wiegen soll), schnell zu sehr unangenehmen Druckstellen an den besagten Ellenbogen führt. Diese Druckstellen haben die unangenehme Eigenschaft, auch noch lange nach dem eigentlichen Aus-demFenster-schauen schmerzhaft nachzuwirken. Für den unteren Teil des Körpers gibt es zwei klassische Varianten des Drapierens. Entweder steht man am Fenster, was keine weiteren Hilfsmittel (ausgenommen vielleicht gut gefederte Hausschuhe) notwendig macht oder man kniet auf einem Stuhl oder Hocker. Für die zweite Variante bietet es sich an, ein weiteres Kissen bereitzuhalten, denn die Knie reagieren ähnlich sensibel auf hohen Druck über längere Zeit wie Ellenbogen. Die Vorteile dieses Zeitvertreibs liegen auf der Hand und überwiegen die Nachteile (Ellenbogen und Knie) eindeutig. Erstens entstehen so gut wie keine finanziellen Aufwendungen – ein oder zwei Kissen, einen Hocker und Hausschuhe wird man ja wohl haben. Zweitens lässt Wenn man Themaerst einmal sich der ZeitLorem Ipsumins Schreiben vertreib zu jeder Jahreszeit und bei jeder Witterung aber kommt… auch zu jeder Tageszeit durchführen. Natürlich steigen im Winter leicht die Heizkosten, aber wir haben ja alle gelernt, dass ausreichendes Lüften sowieso lebensnotwendig ist. Drittens gibt es außerordentlich gute Möglichkeiten, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen; etwa mit Tante Frieda, die eventuell gerade im gegenüberliegenden Haus aus dem Fenster schaut oder mit den Rotzbengels, die im Hof wieder den Ball gegen die Hauswand dreschen, so dass der Putz nun endgültig Schaden zu nehmen droht. Wenn man in Richtung einer belebten Straße aus dem Fenster schaut, ist es sehr beliebt, die pro Richtung fahrenden Autos zu zählen … Im Sommer bietet es sich außerdem an, neben sich eine gut gekühlte Flasche Bier zu deponieren. Sichern Sie diese aber in jedem Fall gegen die Gefahr des Absturzes. Schließlich und endlich wollen wir ja Unfälle vermeiden. Oh Gott, ich bin schon bei über 4.000 Zeichen, dabei gäbe es noch so viel zu berichten …
Bis zum nächsten »Kleingedruckten« also!
Ihr Stefan Tschök
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