Frankenpost Porzellinerfest Nachtrag

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OBERFRANKEN UND BAYERN

Montag, 6. August 2012

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Umschau

Leserbriefe

Zwei Schwerverletzte auf der A 70

Missstände Zum Artikel „Eine Kindheit wie ein Albtraum“ vom 21. Juli

Viereth-Trunstadt – Bei einem Unfall auf der A 70 sind am Samstagabend zwei Autofahrer schwer verletzt worden. Wie die Polizei mitteilte, war eine Frau zwischen den Anschlussstellen Viereth-Trunstadt und Bamberg-Hafen mit ihrem Auto von der Fahrbahn abgekommen. Dabei überfuhr sie einen 44-Jährigen aus dem Raum Hof, der sein wegen einer Panne auf dem Standstreifen stehendes Auto absichern wollte. Der Mann erlitt schwere Verletzungen. Schließlich prallte das Fahrzeug der Frau mit voller Wucht auf den parkenden Wagen. Die Fahrerin musste aus ihrem völlig demolierten Auto befreit werden. Sie ist lebensgefährlich verletzt.

„Der Bericht hat mich sehr betroffen gemacht. Ich selbst war damals ein Kind und einige Jahre jünger als der Beschriebene und wohnte in Naila. Wir Kinder und auch die Erwachsenen wussten, dass es den Kindern im ‚Rettungshaus‘ nicht gut ging, ‚Rettungshaus‘ nannte man damals das Haus Martinsberg. Einige Kinder gingen in dieselbe Klasse. In der Pause gaben wir ihnen oft unser Pausenbrot, denn sie hatten keines. Sie taten uns immer sehr leid. Die Erwachsenen damals waren durch den Krieg noch sehr verängstigt und trauten sich nicht, gegen den zuständigen Verantwortlichen zu klagen. Es wundert mich sehr, dass in den letzten Jahrzehnten von den Missständen des damaligen Kinderheimes in Naila nichts berichtet wurde.“ Kathrin Möbius, Hof

Tödlicher Unfall beim Frankenwald-Radmarathon Saalfeld – Beim Frankenwald-Radmarathon durch Bayern und Thüringen ist am Sonntag ein 46 Jahre alter Radfahrer tödlich verunglückt. Der Mann aus Hessen war am Morgen auf einer Abfahrt bei Leutenberg in Thüringen mit seinem Rennrad in einer Kurve auf die Gegenfahrbahn geraten und mit voller Wucht auf ein wartendes Auto geprallt. Er starb noch an der Unfallstelle. Das Auto hatte angehalten, um den Radfahrer vorbei zu lassen. Die sehr steile und kurvenreiche Straße ist laut Polizei fahrerisch anspruchsvoll. Der Frankenwald-Radmarathon beginnt in Stockheim im Kreis Kronach, tangiert Teile Thüringens und führt zurück nach Stockheim.

Glück fordert bessere Schmerztherapie Passau – Sterbehilfe sollte nach Ansicht des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, durch eine bessere Schmerztherapie überflüssig werden. Statt über eine gesetzliche Ausweitung der Sterbehilfe zu diskutieren, müsse die Gesellschaft Alternativen zur Sterbehilfe anbieten – etwa durch einen massiven Ausbau der Palliativund Schmerzmedizin, sagte Glück „Die größte Debatte, die wir führen müssen, Alois Glück ist, dass in Deutschland nach wie vor unendlich viele Menschen in der letzten Lebensphase mehr leiden müssen, als nach dem heutigen Stand der Palliativmedizin und Schmerztherapie sein müsste, weil die Möglichkeiten weithin noch nicht konsequent angewandt werden“, sagte Glück.

Unfall mit Segler bei Helmbrechts Helmbrechts – Glimpflich ist am Sonntagnachmittag ein Unfall mit einem Motorsegler bei Helmbrechts im Kreis Hof verlaufen. Der Schaden ist aber hoch: Er beträgt 40 000 Euro. Die zwei Insassen kamen mit dem Schrecken davon. Der 47-jährige Pilot aus dem Landkreis Hof hatte den Segler gegen 13.45 Uhr auf der Landepiste aufgesetzt, als das Flugzeug ausbrach und in einer Böschung neben der Piste einschlug. Der Pilot und sein Fluglehrer kamen mit dem Schrecken davon.

Kasperle-Theater Zum Artikel „Rettungsschirm ohne Limit“ vom 1. August

Was es hier nicht gibt, das gibt es vielleicht gar nicht mehr: Viele Besucher des Porzellanflohmarkts kommen nach Selb, um zerbrochene Teile ihres Service zu ergänzen. Zum Ausbruch der Sammlerleidenschaft ist es dann nicht mehr weit. Weitere Fotos im Internet unter www.frankenpost.de Fotos: Joachim Dankbar

Geschirr und Geschichten Von Joachim Dankbar Selb – Die Profis erkennt man an den rollbaren Einkaufstaschen. Wer mit solch einem Trolley oder gar einem Rollkoffer anreist, der ist auf dem Selber Porzellanflohmarkt schwer im Vorteil. Locker kann er seine Beute durch die Zehntausende von Käufern manövrieren oder am Abend zum Auto rollen. Denn einmal im Jahr sind selbst im überschaubaren Selb die Wege zwischen Einkauf und Kofferraum etwas länger. Aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland kommen an diesem Wochenende mehr Porzellanfreunde nach Selb, als die Stadt Einwohner hat. Da können die Parkplätze schon einmal knapp werden. „Aber als Porzellan-Fan musst du einfach hier sein“, sagt Christine Schwägerl aus Weiden. „Ich habe extra meinen Urlaub verschoben, um wieder nach Selb zu kommen.“ Ihre Tochter Anja Sontheim hat einen besonderen Grund, um keinen Porzellanflohmarkt auszulassen. Sie ist Goldschmiedin und immer auf der Suche nach neuen Ideen. An diesem Vormittag hat sie sich bislang einige Sammeltassen gesichert. „Ganz ideal, um Schmuckkreation stilvoll zu präsentieren“, erklärt sie. Mutter Christine Schwägerl ist begeistert vom handgefertigten Neugablonzer Weihnachtsschmuck, den sie an einem Stand gefunden hat: „Den lasse ich mir fassen und einen tollen Schmuckanhänger daraus machen.“

Handel zufrieden mit dem Schlussverkauf München – Zum Abschluss des Sommerschlussverkaufs am Samstag haben sich die bayerischen Einzelhändler zufrieden gezeigt. „Der Sommer kam rechtzeitig zum Start des SSV. Ein großes Dankeschön an den Wettergott“, sagte Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern in München. Neben den Klassikern wie Kleidung, Bademode und Sandalen seien auch reduzierte Gartenmöbel und Grillartikel gut verkauft worden. „Die Sommerware ist weg und die Lager sind geräumt.“ Jetzt habe der Handel Platz für die Herbstartikel. Bislang ist das Jahr für die Geschäfte in Bayern gut gelaufen: Im ersten Halbjahr legte der Umsatz um 3,3 Prozent zu, viele Händler stellten neue Mitarbeiter ein. Insgesamt beschäftigen die rund 60 000 Geschäfte in Bayern etwa 300 000 Menschen.

ren; nicht nur für das Geschirr, sondern auch für seine Geschichte.“ Viele Besucher kommen auch, um die Lücken im geliebten Service zu ergänzen, die die Zeit oder Unachtsamkeit gerissen haben. „Heute Morgen war eine Dame hier, die hat sich eine Tasse an einer Schleife um den Hals gehängt, um nach Ergänzungen zu suchen“, lacht Karin Bonitz. Wer in Selb nicht fündig wird, der hat ganz schlechte Chancen. Über 300 Anbieter breiten hier Porzellan auf vielen Hundert Standmetern aus. Dazu kommen noch ungezählte Höfe und Garagen, die die Selber für ein Wochenende in Stände umwandeln. In einer Porzellinerstadt sammelt sich über die Jahrzehnte eben so einiges an. Und manches kehrt nur für ein Wochenende dahin zurück: Das „Prinzenpaar“ zum Beispiel, das der Bildhauer Gerhard Schliepstein vor

Sammler und Liebhaber stürmen Selb zum größten Porzellanflohmarkt Europas. Die meisten Kunden und Anbieter sind Stammgäste.

„ Ich habe extra meinen Urlaub verschoben, um wieder nach Selb zu kommen

Besucherin Christine Schwägerl

Tim Eisenbart aus Leutkirch belädt einmal im Jahr sein Wohnmobil mit Porzellan und fährt nach Selb. „Für mich ist das einfach ein schöner Urlaub“, sagt der Schwabe, der heuer Katzen von Rosina Wachtmeister mitgebracht hat. Nicht nur für die Käufer, sondern auch für etliche Verkäufer ist der Selber Porzellanflohmarkt der Höhepunkt des Jahres. Für viele ist es der einzige Markt, den sie besuchen. Ein ganzes Jahr lang sind sie damit beschäftigt, die Ware für dieses Wochenende aufzutreiben. So zum Beispiel auch Karin Bonitz aus Stollberg im Erzgebirge. Sie ist schon zum siebten Mal in Selb. „Ich habe da-

mals viel Porzellan von meiner Oma bekommen, und Bekannte rieten mir, es einmal in Selb zu probieren“, erinnert sie sich. Seitdem kommt sie jedes Jahr, um das anzubieten, was sich seit dem letzten Porzellanmarkt so alles von Bekannten und Freunden angesammelt. „Mir gefällt vor allem das Publikum“, sagt Karin Bonitz. „Es sind so viele Leute hier, die sich wirklich für Porzellan interessie-

fast 100 Jahren für Rosenthal entwarf. „Eine absolute Rarität“ versichert Händler Bernd Müller, über dessen Stand das „Prinzenpaar“ thront. 8900 Euro möchte der Mannheimer für die beiden Figuren. Er besucht mehrere Flohmärkte, aber der Selber ist ihm der liebste. „Hier sind nicht nur sehr viele Besucher, sondern auch echte Kenner darunter“, sagt Müller. Das erhöht die Chance, auch sehr wertvolle Stücke an den Mann oder die Frau zu bekommen. Müller versichert: „Eigentlich bin ich das ganze Jahr über beschäftigt, um ein richtiges tolles Angebot für dieses eine Wochenende zusammenzubekommen.“

So wenig Feinstaub wie nie Auto-Abgase und Winterdienst mit Streusalz – das lässt die Feinstaubwerte in der Luft in die Höhe schnellen. Doch die Verschmutzung nimmt dennoch ab. Von Christiane Gläser Augsburg/Würzburg – Die Menschen in Bayern können aufatmen: Die Feinstaubbelastung nimmt dem Landesamt für Umwelt zufolge seit Jahrzehnten ab und lässt bereits seit fünf Jahren nicht mehr die Alarmglocken schrillen. „Auch das Jahr

2011 zeichnet aus, dass wir an allen Messstellen die Jahresgrenzwerte unterschritten haben“, sagte der Präsident des Amtes, Claus Kumutat, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Die Werte seien so gering wie nie zuvor gewesen. Das sei ein sehr erfreuliches Ergebnis. Modernere Autos und Heizungen seien der Hauptgrund für die positive Veränderung, sagte der 55-Jährige. Die Europäische Union erlaubt einen Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft. In Bayern wird an mehr als 50 Stellen die Konzentration von Feinstaub in der Luft gemessen. Hauptursache von Feinstaub sind Auto-Abgase und das Streusalz im Winter. Feinstaub kann zu Asthma und Bronchi-

tis führen. Die größten FeinstaubProbleme haben – trotz der positiven Jahreswerte – die Städte Würzburg, Augsburg und München. In Würzburg wurde der Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft an 36 Tagen überschritten. Die Europäische Union erlaubt 35 Tage im Jahr. Für München und Augsburg war wegen einer Fristverlängerung noch bis Mitte Juli ein Tagesgrenzwert von 75 Mikrogramm erlaubt. Über das Jahr gesehen liegen die bayerischen Städte aber unter dem EU-Jahresgrenzwert. Derzeit bestünde die größte Herausforderung darin, auf den künftig noch zunehmenden Verkehr zu reagieren. „Die Mobilität ist in unserer Gesellschaft ein sehr hohes Gut. Nie-

mand möchte darauf verzichten und im Grunde genommen leiden sehr viele Menschen darunter – unter Lärm und unter Feinstaub.“ Doch Städte und Bürger könnten aktiv etwas gegen den Feinstaub tun, sagte Kumutat. „Die Straßenreiniger sollten – insbesondere im Frühjahr, wenn der Winterdreck noch auf den Straßen liegt und aufgewirbelt werden kann – häufiger nass reinigen und nicht nur aufsaugen. Das hat auch schon einen entscheidenden Einfluss auf die Feinstaub-Werte.“ Bürgern gibt er einen einfachen Tipp: „Beschränken Sie sich bei Ihren Fahrzeugfahrten auf das Notwendigste, setzen Sie auf moderne Abgastechnik bei Autos und investieren Sie in moderne Heizungsanlagen.“

„Monti möchte einen Rettungsschirm ohne jede Schamgrenze. Entweder unsere Regierung weiß nicht, was im ESM-Vertrag drinsteht, oder sie spielt uns Bürgern ein blumenreiches Kasperle-Theater vor: Laut Artikel 32 Absatz 9 des Vertrages ist der ESM von jeglicher Zulassungs- und Lizenzierungspflicht für Kreditinstitute in den jeweiligen ESM-Mitgliedsländern befreit. Faktisch kann der ESM eine Bank eröffnen, ohne daran gehindert werden zu können. Hoffentlich werden die Euro-Fanatiker vom Verfassungsgericht gestoppt.“ Paul Göths, Arzberg

Lehrreich Zu „Der Druck auf Deutschland wächst“ „Warum wächst der Druck auf uns und nicht auf die verschuldeten Länder wie Griechenland oder Spanien? Es ist doch klar, dass ein Land, das überzeugt ist, dass andere die Schulden übernehmen oder dafür bürgen, keine großen Anstrengungen macht, um von selbst aus der Krise zu kommen. Die ganze Welt ist anscheinend der Überzeugung, dass es „Deutschland schon richten“ wird. Das ist doch grotesk. Diese Erwartungshaltung an unser Land muss endlich einmal aufhören. Es hat für alle EuroStaaten eine Zeit vor dem Euro gegeben, vielleicht wäre es für das eine oder andere Land einmal lehrreich, wenn es eine Zeit nach dem Euro geben würde.“ Marlen Schnurbus, Nagel

Gesetz stoppen Zum Meldegesetz „Wie kann es sein, dass ein Gesetz verabschiedet wird, das meine Daten frei zum Verkauf stellt und ich keinerlei Einfluss mehr habe, welchem Ganovenunternehmen die Kommune diese verkauft? Ich hoffe sehr, dass im Herbst der Bundesrat an einem Tag entscheidet, an dem kein wichtiges Fußballspiel läuft, und das Gesetz stoppen wird. Erfreulich ist auch, das viele Politiker inzwischen diesen Fauxpas eingesehen haben. Der bittere Nachgeschmack bleibt, denn man sieht: So schnell kann es vorbei sein. Mit der Freiheit und der Selbstbestimmung.“ Stefan Schnabel, Marktredwitz

Wenig Relevanz Zu Verfassungsschutz und Bundespolizei „Bitte die Sache tiefer hängen, heißt das Gebot in der Diskussion um den Personalwechsel an der Spitze der beiden Sicherheits-Behörden. Denn für die Sicherheitsarchitektur in Deutschland ist die sogenannte Bundespolizei wenig relevant. Zuständigkeit und Verantwortung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung liegen bei den Ländern.“ Dieter Hasselbacher, Röslau Leserbriefe sind keine Stellungnahme der Redaktion und können nur mit Anschrift des Absenders veröffentlicht werden. Die Redaktion behält sich das Recht auf Kürzung vor. Online-Zuschriften sind möglich unter: leserbriefe@frankenpost.de


SELBER TAGBLATT

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Porzellinerfest: Das Großereignis hat nichts von seiner Magie und Magnetwirkung eingebüßt Umfrage

„Internationales Flair ist hier zu spüren“ Hochfrankenkönigin Bianca Bauernfeind: „Überall auf der Welt ist Porzellan zu finden, das hier in der Region gefertigt wird. In allen fernen Ländern kann man Menschen sehen, die einen Teller umdrehen und eine Bodenmarke der Selber Firmen entdecken. Das internationale Flair ist auf dem Fest zu spüren. Alles rund um das Porzellan wird gefeiert.“ Tanja Bauernfeind, Kinderpflegerin im AWOKindergarten: „Wir bieten zum ersten Mal auf dem Flohmarkt Porzellan an. Der Elternbeirat hat die Waren zusammengetragen. Nächstes Jahr wollen wir wieder dabei sein. Früh um 5 Uhr haben wir schon aufgebaut. Es ist sehr interessant, Menschen kennen zu lernen. Wir haben nette Gespräche gehabt.“ Hannelore Martinek aus Linz: „Wir haben bei einem Treffen mit den Lions in St. Pölten den Museumsdirektor Wilhelm Siemen kennen gelernt. Er hat uns von dem Porzellan und diesem Fest vorgeschwärmt. Also sind wir mit vier Personen nach Selb gefahren. Wir haben das nicht bereut, die Fahrt hat sich mehr als gelohnt. Selb ist eine entzückende kleine Stadt. Ich hätte noch mehr Porzellan kaufen wollen, aber so viel können wir gar nicht transportieren.“ Karolé Antonoglou: „Ich helfe meinen Freunden am Stand von ,Leben und Lernen in Kenia’. Ich verkaufe die Lose, bin aus Mainz und bleibe das ganze Wochenende. Es ist schade, dass die Fabriken still stehen und Selb einen Teil seiner Geschichte verliert. Aber die Stimmung auf dem Fest ist super, und viele Freunde, die nicht mehr hier leben, kommen zum Feiern gerne zurück.“ Ann Bandhuhn, Phillipsburg, New Jersey, USA: „Ich bin mit Stefan Strößenreuther und dem Verein der Freunde des Rosenthal-Porzellans gut bekannt. Ich liebe die Vielfalt und das breite Spektrum, das dieses Fest zu bieten hat. Es ist eine außerordentlich gute Veranstaltung, und die Menschen, denen ich begegne, sind sehr freundlich. Ich bleibe drei Wochen hier. Ich hab’ vor zwei Jahren ein Buch über Rosenthal-Porzellanfiguren veröffentlicht. Ich signiere das Buch, das unter Sammlern gefragt ist.“ Lisa Hundmaier, Selb: „Ich bin im Gospelchor St.Andrew-Singers, und es hat mir viel Spaß gemacht, im Gottesdienst am Sonntag im Bürgerpark mitzusingen. Ich finde gut, dass es diese Veranstaltung im Freien gibt. Danach kann man gleich wieder auf das Fest gehen und auch weiter einkaufen. Der Gottesdienst ist ein guter Start in Umfrage: Silke Meier diesen Tag.“

Zehntausende pilgern zum weißen Gold mittel bei der Malschule der Manufaktur Flügel. Der „Mops“ ist der Kopf des Jahres 2012, und so mancher Künstler lässt der Kreativität freien Lauf. In den Pavillons werkeln die Restaurateure und Maler, darunter auch Moritz Hegy, der an einem Porträt arbeitet. Lang wird angestanden, um den Von Silke Meier Wert des historischen Porzellans von den Mitarbeitern des Porzellanikons Selb – „Hier erste Porzellanstelle.“ bestimmen zu lassen. Und auch die Eine Familie in der Wunsiedler Stra- Selblinge, die kleinen Gestalten in ße hatte, vom Parkplatz am Goldberg dem Geschenkkarton, werden gut aus gesehen, die Poleposition in Sa- verkauft. Zwischen all den Ständen chen Porzellanflohmarkt. Kaum ein riecht es nach Spezialitäten vom Hinterhof und kaum eine Garagen- Grill und aus dem Backofen. Nur eineinfahrt blieben am Samstag unbe- mal läuten an diesem Tag die Kirchfleckt vom „Weißen Gold“. Zeitungs- turmglocken. Dann nämlich, wenn papier stapelte sich neben den Kisten um 12 Uhr die Luftballons von „Zuund Karren, in denen die teuren Sa- kunft Kinder“ vom Turm aus in den chen herangeschafft wurden. Himmel aufsteigen. Sonst schweigen Manch einer stellte einfach nur die Glocken an diesem Tag, damit die das in die Hofeinfahrt, was seit Gene- Besucher ungestört den Turm der rationen auf dem Dachboden ruhte. Stadtkirche besteigen können. Und genau das lockt die SchnäppUm die Mittagszeit krempelt sich chenjäger: Ein letztes Teil für das ge- der Oberbürgermeister die Hemdsärerbte Service, ein ausgefallenes Stück mel hoch und wirft das Sakko locker für die geliebte Sammlung oder ein- über die Schultern. Bauchtänzerin fach nur die Lust am Schönen ist es, Kahira, einst Porzellankönigin Stefadie den Kick zum Kauf ausmachen. nie I., zeigt eine Vorführung am Und dieser Kick ist es, der Jahr für Stand von „Leben und Lernen in KeJahr dafür sorgt, dass in Selb zum nia“. Bald stehen viele Zuschauer im Porzellanflohmarkt und zum Porzel- Rund um die Tänzerin, und rhythmilinerfest der Ausnahmezustand sches Klatschen ist weithin zu hören. herrscht, dass sich Zehntausende Auf dem Marktplatz, vor dem Café von Menschen in Hatzel und im der Innenstadt Innenhof des Das Lachen der Sonne am drängen. In Himmel soll sich in die Herzen Factory Als Oberbürgerspielt Live-Muder Menschen übertragen. meister Wolfgang sic. Am Nachmittag lichten Oberbürgermeister Wolfgang Kreil Kreil am Vormittag das Fest offisich die ziell eröffnet, intoReihen. Die niert der Spielmannszug schmissige Kartons und Taschen werden RichWeisen. Ein Gruß der Stadt ist es, der tung Bahnhof, zu den Shuttlebussen mit Fanfaren und Trommeln den vie- und zu den Autos auf den Parkplätlen Gästen gilt, die aus aller Herren zen gebracht. Am Abend, als die Länder zum Fest der Porzelliner an- Egertaler auf dem Marktplatz spiegereist sind. „Das Lachen der Sonne len, sind die Selber und ihre Gäste am Himmel soll sich in die Herzen wieder vereint und feiern ausgelasder Menschen übertragen, damit wir sen hinein in eine lauschige Somein fröhliches Fest feiern können“, mernacht. Der Sonntag beginnt mit dem Gotsagte der Oberbürgermeister. Über 300 Verkäufer seien es, die den Stoff tesdienst im Bürgerpark. Pfarrer Anzu bieten haben, der die Herzen der dreas Münster von der Stadtkirche, Porzellanliebhaber höher schlagen Martin Pape vom Forum „Selb erlelasse. „Die Werksverkäufe melden ben“ und Ruth Sakuth von der kaschon seit einer Woche gute Besu- tholischen Gemeinde „Herz Jesu“ gecherzahlen, und wir gehen davon stalten ihn gemeinsam. Musikalisch aus, das bleibt in der kommenden wird die Feier von den St.-AndrewWoche auch so.“ Singers begleitet. Dann locken noch In Selb und Umgebung jedenfalls einmal 100 Anbieter die Sammler in war kein freies Zimmer mehr zu bu- die Ludwigstraße. Die Geschäfte hachen. Die meisten der Gäste bleiben ben geöffnet, Händler auf dem Jahreine Woche und länger in der Re- markt bieten die Waren an, die Selber gion. und zahlreiche Gäste genießen zu Nach dem offiziellen Startschuss den rockigen Klängen von „Farmers verteilen sich die Menschen in der Five“ den zweiten Tag. Die Sonne, Innenstadt. Es scheppert an der Por- von der Oberbürgermeister Kreil zur zellanwurfbude des Lions-Hilfswer- Eröffnung gesprochen hatte, scheint kes und riecht nach Verdünnungs- noch immer.

In Selb herrscht der Ausnahmezustand. Porzellanflohmarkt und Porzellinerfest erleben einen Riesenandrang.

Porzellan, Porzellan und nochmals Porzellan: Auf Europas größtem Flohmarkt wurde jeder fündig.

Der Mops bekommt in der Malschule der Manufaktur Flügel eine bunt gestreifte Mütze angemalt.

Fotos: Silke Meier

Oberbürgermeister Wolfgang Kreil eröffnet mit den Majestäten.

Flohmarkt-Bazillus erfasst zwei Nordlichter Inge und Edwin Adolf aus Elmshorn kommen regelmäßig zum Porzellinerfest nach Selb. Sie sind fasziniert von dem bunten Treiben.

Von Silke Meier Selb – Als Inge Adolf vor drei Wochen mit Ehemann Edwin bei Monika und Helmut Schilm in Selb ankam, brachte sie 25 Rosen mit. Denn 25 Jahre sind vergangen, seitdem die beiden Damen in Bad Rippoldsau gemeinsam zur Kur waren. Inge und Edwin Adolf leben in Elmshorn, der Stadt der Rosen. Auf Kur haben sich die beiden Damen sofort verstanden. „Wir waren uns auf Anhieb sympathisch“, strahlen sie sich an. Die Frauen haben sich kennengelernt, voneinander erzählt, und sind bis heute Freundinnen geblieben. Jede Woche einmal wird mindestens tele-

Jahr lässt er sich mit der Porzellankö- Jahr übrigens Michael und Ute, der nigin fotografieren. Heuer strebte er Sohn und dessen Partnerin, mit zum ein Bild gemeinsam mit dem Ober- Porzellinerfest. „Es herrscht Leben in bürgermeister an. Und es gelang. Er der Stadt, wir werden wieder komkenne schon viele Leute, sagt er und men“, bekennen die Jüngeren. Zu grüßt die, die eben am Flohmarkt- Hause geblieben ist der 15-jährige stand vorbeikommen. Auch die Re- Enkel. Via Internet informiert der gion haben die Adolfs längst erkun- Opa über das Fest in Selb. „Das ist det: den Weißenstädter See, den Un- cool, Opa“, schreibt der junge Mann treusee und die zurück. Luisenburg. SiAm Abend Wir sind cher, im Laufe der wollen die Fabegeistert. milien gemeinJahre falle auf, sam auf den Das Ehepaar Adolf aus Elmshorn dass die Bevölkerung in Selb rückMarktplatz läufig sei. Viele Geschäfte in der In- gehen und die Atmosphäre genienenstadt stünden leer. Trotzdem ßen, wenn sich die Stadt in einen kommt die Familie immer wieder sommerlichen Biergarten verwangerne. „Wir sind begeistert, sonst wä- delt. Und das, obwohl Monika ren wir nicht hier.“ Schilm wegen dem Flohmarkt schon Vasen und Leuchter von Versace um vier Uhr in der Früh aufgestanwerden in der nächsten Woche nach den ist. Die Gäste durften länger Elmshorn gebracht, dort ausgepackt schlafen. Als um 5.15 Uhr bei ihnen und als Erinnerung an die Tage im der Wecker klingelte, war das FrühFichtelgebirge in die Wohnung ge- stück bereits gerichtet. Monika stellt. Schilm sicherte derweil einen guten Zum ersten Mal kamen in diesem Platz für den Flohmarktstand.

Die befreundeten Ehepaare Helmut und Monika Schilm aus Selb und Inge und Edwin Adolf aus Elmshorn (von links) gehen gemeinsam auf den Flohmarkt, seitdem es das Porzellinerfest gibt. Kennen gelernt haben sich die beiden Frauen vor 25 Jahren auf Kur in Bad Rippoldsau. Foto: Silke Meier foniert. Einmal im Jahr fährt die eine in den Norden – und die andere zum Gegenbesuch in den Süden. Seitdem es das Porzellinerfest gibt, werden die Treffen in Selb für den Zeitraum im August ausgemacht, wenn die Teller

und Tassen auf den Tapeziertischen verkauft werden. „Wir haben schon oft die Kisten mit auf den Flohmarkt geschleppt“, erzählt Edwin Adolf. Dann aber zeigt Adolf die Fotos auf dem Display seiner Kamera. Jedes


SELB/SCHÖNWALD/HOHENBERG

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Der Porzellanflohmarkt lockte Sammler und Schaulustige aus aller Welt in die Selber Innenstadt. Weitere Fotos unter www.frankenpost.de

Fotos: Silke Meier

Das weiße Gold lockt D In den Pavillons werkeln die Restaurateure und Maler, darunter auch Moritz Hegy, der an einem Porträt arbeitet.

Schmissige Musik gehört zum Porzellinerfest einfach dazu.

er Werkstoff Porzellan hat nichts von seiner Faszination eingebüßt. Das hat sich am Wochenende in Selb gezeigt, als beim Fest der Porzelliner und zum Porzellanflohmarkt Tausende von Gästen in den Straßen der Stadt unterwegs waren. Sie stöberten bei den rund 300 Anbietern von Tassen, Tellern und Terrinen beim Flohmarkt, sie arbeiteten selbst mit dem Werkstoff Porzellan und sie genossen das umfangreiche Rahmenprogramm. So spielte auf dem Marktplatz, vor dem Café Hatzel und im Innenhof des Factory In Live-Musik.

Auch die Besucher konnten kreativ sein.

Bauchtanz – eine der vielen Attraktionen.

Ein fröhlicher Gruß: Um 12 Uhr stiegen am Samstag die Ballons der Zukunft-Kinder in den Himmel über Selb.

Gleich mehrere Porzellanköniginnen mischten sich unters Volk.

So funktioniert die Tellerpresse.


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