800 worte

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800 Worte ∑ Bemerkungen zum Bildungsstreik

∑ verschiedene Autoren schreiben sich im Rahmen des Bildungsstreiks ihren Ärger von der Seele


Zahlen

10.204.000.000 Euro Der Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) 2009 Bundesministerium für Bildung und Forschung

19.000.000.000 Euro Ausgaben der Hochschulen für Lehre und Forschung 2006 Statistisches Bundesamt

2.000.000.000 Euro Subventionen für den Steinkohlebergbau in Deutschland im Jahre 2008 Wikipedia

487.000.000 Euro Kriegskosten für zwölf Monate Afghanistan Spiegel

76.823 Stück Anschläge in diesem Dokument


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Inhalt

Vorwort

3 Zahlen

Sehr verehrter Leser,

4 Inhalt 4 Impressum

»Das deutsche Bildungsystem braucht eine Reform.« ist zu einer Forderung heran gewachsen

5

Vorwort

die sich schlechterdings nicht mehr von Bundesregierung und Länder aussitzen lässt. Denn

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Freiheit der Bildung und Bildung der Freiheit

man kann durchaus behaupten, dies ist ein Konsens in unserer Gesellschaft geworden. Dies

14 Gegen die Bildungs-Zeitraffer!

ist auch der Wunsch jener Protestbewegung, die in den letzten vier Wochen international

18

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

tätig geworden ist. In diesem Zuge wurden viele universitäre Räumlichkeiten in Deutschland

22

Cool, das wir so gut ankommen!

von protestierenden Studenten besetzt. Seit Wochen kann man immer wieder Berichte und

26 Dossier – Was bisher geschah …

Kommentare zu dieser Bewegung (innerhalb der Studierendenschaft) lesen. Dieser Protest

36 Ein zweischneidiges Schwert

findet zugleich, vielleicht nicht in seiner Form, so doch in seinem Inhalt, eine breite Öffent-

40 Uni macht Schule

lichkeit.

44

Bildung als Wert

48

Brave Besetzer

52 Die Schelte ist wohlfeil

Wie jeder Protest und jede Besetzung Grenzen zieht, so tut es auch dieser Protest. Diese Grenze zu überschreiten, ist die originäre Idee der »8ooworte«. Die Grenzen zwischen Besetzern und Studenten, zwischen Professoren und Dozenten, zwischen den Gruppen innerhalb und außerhalb der Universität, zwischen Bildungsprotest und Ministerium, diese ganzen Differenzen, so scheint es uns, weichen in der Forderung »Das deutsche Bildungsystem braucht eine Reform.« auf. Wie diese Reform aussehen soll, welche Sprache sie finden

Impressum

soll, hierfür möchte »8ooworte« einen Raum schaffen, einen Beitrag leisten. Sie möchte versuchen eine Plattform zu sein, auf der sich «Öffentlichkeit« und »Protest« auf gleicher Augenhöhe begegnen können. Wo im gemeinsamen Austausch, ohne Hierarchie und in symmetrischen Strukturen ein Diskurs stattfinden kann, darüber, wie eine gemeinsame

Herausgeber ist der Verein zur Förderung des studentischen Journalismus e.V.

Vorstellung von Bildung aussehen kann. »8ooworte« will nicht aufklären, nicht etwas erklä-

(Leopoldstr. 15 – c/o Studentenvertretung LMU in 80802 München)

ren, sondern Positionen abbilden mit der Intention, dass sich die Differenzen zwischen den

Photographie: Jonas Opperskalski (www.jonasopperskalski.de)

Autoren abzeichnen, sich aber eben zugleich ihre Gemeinsamkeiten entdecken lassen. Jeder

Satz und Layout: Uwe Stange (uwe.stange@googlemail.com)

Streit intendiert einen Konsens, andernfalls bestünde kein Grund miteinander zu reden,

800 Worte ist in der Bodoni gesetzt. Der Schutzumschlag wurde im Handsatz in der Handsatz-

auf den man rekrutieren, den man wieder entdecken kann, von dem aus man gemeinsam los

werkstatt Garagendruck hergestellt (www.garagendruck.de). Erklärungen: Wikipedia.

gehen kann. Vielleicht mit der Frage, sieht so die Zukunft aus, der wir mitwirken wollen?

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Die Redaktion schreibt daher selbst keine Artikel, sondern delegiert Autoren und versucht

a. Gewerkschaften

jede Gruppe, aus dem öffentlichen wie auch dem Bereich »Bildung, Lehre und Wissen«

b. Wirtschaft

paritätisch in die Zeitung einzubringen. Was die Redaktion aber stellen wird, ist das Thema.

c. Kultur

Für die erste Ausgabe wird es die Frage sein »Wie wird es weiter gehen?«. Auch wenn sich

d. Politik

nicht alle Autoren an diese Vorgabe gehalten haben, so ist es doch spannend zu lesen wie

e. Initiativen

sich die Positionen überschneiden, wie sie sich ergänzen und wie sie einander widerspre-

π

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Interessant sind doch gerade immer wieder die Nischen die sich entwickeln, jene Ausnahmen die es schaffen zu Öffentlichkeit

überleben und oftmals erfolgreich. Sei es Witten-Herdecke, das Oberstufenkolleg in Bielefeld, die Schule für Erwachsenen Bildung oder die Helene-Lange Schule in Wiesbaden. Sie alle sind abseits Wege gegangen und sie alle haben überlebt und sich verdient gemacht.

chen. Ideal kommen jeder Gruppe zwei Artikel zu. Jeder Die paritätische Gliederung spiegelt sich außerdem in der Anordnung der Artikel wieder.

Artikel umfasst 8oo Worte was in etwa eine Din A4 Seite

Außerdem muss unterstrichen werden, dass diese Zei-

Es soll keine Reihenfolge und keine Interpretation durch die Redaktion geben: die Ordnung

umfasst. Leider wird das Ziel einer echten paritätischen

tung aus der Mitte der Bildungsproteste kommt, dass

der Artikel wird zufällig sein. Außerdem wird jeder Artikel gedruckt. »8ooworte« möchte

Artikel Verteilung nicht immer erreicht werden können.

sie aus einer Initiative der Besetzer der LMU-München

durch die Vielfalt der Autorschaft auch die Vielfalt in der Gesellschaft ansprechen. Mit

Es fehlen schlicht Artikel um die paritätische Struktur

entstanden ist und ihrem Selbstverständnis nach sich

dieser Plattform soll eine Verbindung zwischen Innen und Außen entstehen, eine Kommu-

zu gewährleisten. Zudem schränkt die Schwerpunktset-

an den Vorgaben der Forderungspapiere orientiert. Das

nikation aus dem Außen des Bildungsprotestes mit dem Inneren und umgekehrt. Wir sind

zung der Ausgaben die Wahl minimal ein: jeodch das

wird uns aber nicht daran hindern, kritische Stimmen zu

davon überzeugt, die Forderung nach einer Reform ist gesamtgesellschaftlicher Konsens.

Gleichgewicht zwischen »Bildung, Lehre und Wissen«

drucken. Ganz im Gegenteil, gerade mit den kritischen

Jedoch, wohin eine Reform gehen soll, darüber müssen wir uns einig werden. Nicht in einer

und «Öffentlichkeit« soll gegeben sein. An dieser Stelle

Stimmen gilt es sich auszutauschen, gilt es in Kontakt zu

Stimme für Viele, sondern viele Stimmen für eine Sache: es geht uns darum einen Konsens

möchte ich noch einmal alle Leser bitten, wenn sie sich

treten. Denn nichts anderes ist es, was die Forderungen

zu finden. Hier möchte »8ooworte« Brücken schlagen, Dialoge eröffnen, den Weg für eine

zu einer der Gruppen zugehörig fühlen und glauben

intendieren: den Wunsch, mehr Demokratie zu wagen.

breite Partnerschaft ebnen. Um es auf eine Formel zu bringen: »8ooworte« möchte ein run-

etwas neues, interessantes oder sachdienliches beitragen

»8ooworte« möchte einen Schritt in diese Richtung

der Tisch sein. Ein Weg definiert sich am Ziel, nach der Entfernung fragt man Natur gemäß

zu können, sich ein zu bringen.

gehen: eine Zeitung aus dem Protest für die Mehrheit, einen runden Tisch, eine Plattform schaffen, auf der wir

als zweites. Zur paritätischen Aufteilung der Artikel. Gruppen:

a. Schüler b. Professoren c. Studenten d. Wissenschaftlicher Mitarbeiter e. Auszubildende

π

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Bildung, Lehre und Wissen

Die Form der Artikel sollen sich an einem Exposee

unsere Gemeinsamkeiten, unsere Differenzen entdecken

orientieren. Das Exposee muss nicht dringend im wis-

können – einen Ort entdecken, in dem ein Konsens wei-

senschaftlichen Sinn verstanden werden. Ein Exposee

ter gedacht werden kann. Aber so idealistisch das alles

ist ein Vorentwurf einer großen Arbeit. Die große Arbeit

klingt, wie nickend man uns jetzt auch beäugen möchte

vor der wir stehen, ist die Möglichkeit einen Entwurfes

und wie gut man es auch finden mag. Es geht kein Weg

zu denken für eine Reform der Bildung in Deutschland.

vorbei am Geld. Wenn sie die Idee wirklich gut finden,

Diese Reform muss von einem breiten gesellschaftlichen

dann spenden sie.

Konsens getragen werden und das ist kaum zu leisten von einer Reform wie sie die Bundesregierung in eile vorbereitet. »8ooworte« möchte einen Beitrag dazu leisten, dass jeder sich gedanken darum macht, nicht unbedingt wie es sich gesammtgesellschaftlich bewegen soll.

Die Redaktion (Theresa, Elisa, Chimara, Tobias, Uwe)

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Jonas Opperskalski Photographie


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Freiheit der Bildung und Bildung der Freiheit Die hastigen Beschlüsse der Kultusministerkonferenz in Bonn offenbaren einmal mehr, dass das

Was muss ein Bildungssystem leisten? Mit der frühzeitigen

Die Aufgabe des Bildungssystems ist also, die Möglich-

deutsche Bildungssystem einseitig und autoritär gestaltet wird. In dieser Tatsache liegt das Schei-

Aufteilung in das dreigliedrige Schulsystem sowie der zeitli-

keitsbedingungen für Bildung zu gewährleisten. Sich Bilden

tern von G8 und Bologna begründet. Hätte man vor 10 Jahren auf die fundierte Bologna-Kritik von

chen Verknappung durch die Umstellung auf G8 ist gesell-

muss sich hingegen jeder selbst. Bildung meint nämlich

von 1995 bis 2005 Ministerin

Studenten und Professoren gehört, sie ernsthaft eingearbeitet, wäre es zu dem heutigen Irrsinn einer

schaftlich jedoch keine Bildung gewährleistet. Im Gegenteil:

immer schon Aktivität, Kreativität und Schaffensdrang. Freie

für Kultus, Jugend und Sport

Reform der Reform nie gekommen.

Das Schulsystem setzt auf gedankenloses Pauken und nicht

Universitäten setzen also freie Studenten voraus. Schulen und

auf die Entwicklung sozialer Kompetenzen oder eigener Inter-

Universitäten sollten zu dieser Freiheit ständig neu ermuti-

Schön, wenn die Schavans oder Wintermäntel der Bildungspolitik öffentlich ihr Verständnis

essen, die für die Entfaltung und Herausbildung einer freien

gen, frei sein muss hingegen jeder selbst. Wer diese Freiheit

Margret Wintermantel ist seit

für die Proteste der europaweiten Bildungsbewegung bekunden. Unschön, wenn sie daraus keine

und individuellen Persönlichkeit entscheidend sind. Diese

auf Dauer nicht mitbringt, kann sie nicht zugleich einfordern.

dem 21. März 2006 Präsidentin

Lehren ziehen und den Dialog mit Schülern und Eltern, Studenten und Professoren nach wie vor

Logik setzt sich an der Universität fort. Denn die »Bologna-

der Hochschulrektorenkonferenz.

bewusst umgehen. Spätestens hier zeigt sich die Notwendigkeit einer grundlegenden Demokratisie-

Reform« hat mit der Einführung der Bachelor- und Master-

Freiheit der Bildung und Bildung der Freiheit: Soviel

rung des Bildungssystems.

studiengänge, der Regelstudienzeiten und des Studienziels

ist sicher: Das derzeitige Bildungssystem ist nicht zukunfts-

der »employability« die Universitäten zu bloßen Ausbildungs-

fähig, weil es auf Ausbildung statt auf Bildung setzt. Die

Ich will im Folgenden aufzeigen, dass diese Selbstüberheblichkeit und Ignoranz nicht nur »Bil-

betrieben reduziert. Statt Freiheit im Denken und Handeln

europaweite Protestbewegung weist auf diese Diskrepanz hin

dung« bedroht, sondern dass damit einhergehend selbst das hehre Ziel einer freien, solidarischen

zu fördern (und zu fordern) sollen sie effiziente Studenten mit

und verleiht damit einer ihrer zentralen Forderungen, der

und toleranten Gesellschaft in Gefahr ist.

Halbwissen für den globalisierten Arbeitsmarkt produzieren.

Demokratisierung der Bildungssysteme, öffentlich Aus-

Annette Schavan (CDU) ist seit 2005 Bundesministerin für Bildung und Forschung und war

in Baden-Württemberg.

Beschäftigungsfähigkeit (auch: Employability, Arbeitsmarktfähigkeit) ist die Fähigkeit zur Teilhabe am

druck. Das Versagen der Hochschulreform beweist, dass ein

Arbeits- und Berufsleben.

Was ist Bildung? Bildung eröffnet dem Menschen die Fähigkeit, in ein reflektierendes Verhält-

Um Bildung zu ermöglichen, muss ein Bildungssystem

Bildungssystem nicht rein »von oben« gestaltet werden kann.

nis zu sich selbst, zu anderen und zur Welt zu treten. Dieses Verhältnis ist bei einem gebildeten

Lernenden wie Lehrenden Freiräume gewähren: Freiräume

Man muss auch denjenigen eine Stimme geben, für die es

Menschen nicht determiniert, sondern die Ausgestaltung dieser Verhältnisse besteht gerade in einer

für eigene Entscheidungen, für Verantwortung, für Fehler, für

gestaltet wird. Das Bildungssystem allein gewährleistet keine

begründeten und bewussten Wahl. Im Denken ist das Potential der Freiheit bereits verwirklicht.

die Beschäfti­gung mit Dingen, die das Interesse und nicht

Bildung, sondern erst das Zusammenspiel mit den frei »Sich-

Denkend ist der Mensch frei. Dies erfordert zu aller erst den Zugang zu Alternativen. Ein Kleinkind

der Nutzen vorgibt. Stätten der Bildung sind Orte, wo alles

Bildenden«.

erfährt die Welt aufgrund der Autorität der Eltern als absolut. Erst die Erfahrung von Alternativen

gedacht und alles in Frage gestellt werden kann. Stätten der

und damit des Denkbaren nimmt dem Weltbild des Kindes den Absolutheitsstatus. Erst damit ist

Bildung müssen des Weiteren chancengerecht sein, sodass

Schüler und Studenten müssen ein Mitsprache- und auch

die Entfaltung des menschlichen Freiheitspotentials hin zur tatsächlichen Freiheit ermöglicht.

niemand, der seine Begabungen mitbringt und den Mut hat,

Entscheidungsrecht bei der Gestaltung des Bildungssystems

sich seiner eigenen Freiheit zu bedienen, aus finanziellen

erhalten. Sie sind das Bindeglied dieses Zusammenspiels.

Je mehr Bewusstsein bei Kindern, Eltern und in der gesamten Gesellschaft über die Vielfalt und

oder sozialen Gründen am Zugang zu den höheren Bildungs-

Gelingt es uns als Gesellschaft, ein freies, chancengerech-

Kontingenz bestimmter Formen der Lebensgestaltung herrscht, je mehr Alternativen dem Menschen

einrichtungen gehindert wird. Stätten der Bildung müssen

tes und demokratisches Bildungssystem aufzubauen, und

aufgezeigt und zugleich eingeräumt werden, desto leichter gelingt es ihm, seine Freiheit und Per-

außerdem demokratisch strukturiert sein, weil nur durch

bringen die einzelnen – unterstützt von der Familie, den

sönlichkeit zu entfalten, sein Eigenes in Abgrenzung zum Anderen herauszubilden und schließlich

Mitbestimmung und Mitgestaltung aller partizipierenden Ak-

Bildungseinrichtungen und der Gesellschaft – den Mut auf,

diese Freiheit im Sinne der Toleranz auch anderen zuzuerkennen. Diese Alternativen aufzuzeigen

teure tatsächliche Freiheit gewährleistet werden kann. Stät­ten

sich ihrer Freiheit verantwortlich zu bedienen, lässt sich das

ist Aufgabe eines freien und sozialen Bildungssystems. Eine gebildete Gesellschaft und eine freie,

der Bildung müssen schließlich im Kern frei sein von ökono-

Ziel einer freien, solidarischen und toleranten Gesellschaft

solidarische und tolerante Gesellschaft bedingen einander.

mischen Interessen, da sie die Bildung einem äußeren Zweck

stets aufs Neue verwirklichen.

unterwerfen, Bildung hingegen ihr Ziel in sich selbst hat.

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Gegen die BildungsZeitraffer! Teresa Amabile ist die Leiterin für Entrepreneurial Management an der Harvard Business School und Expertin für Kreativität in Unternehmen. Ihr These: »time pressure may directly constrain cognitive pro-

Die Studierenden kritisieren die neu eingeführten Bachelor – Studiengänge mit dem Argument,

So wenig wie sich in einer Büchsenfleisch-Firma die Frage

Wir wissen aus mannigfaltigen Untersuchungen, beson-

sie verlangten ein »Studium im Zeitraffer« – und sie haben recht mit ihrer Kritik. Sie trifft den

stellt, ob es sinnvoll und vernünftig ist, Büchsenfleisch

ders von der Harvard-Professorin Teresa Amabile, dass

Kern der Sache, nicht zuletzt, weil sie weit über die »Sache« Studium hinausgeht. Die Bachelor-

herzustellen, so lange Gewinne damit gemacht werden, so

Zeitdruck zu nicht mehr und besserer Leistung sondern

Reform ist nämlich ein Teil eines massiven, sich bisher weitestgehend lautlos vollziehenden

wenig stellt sich – und das ist ja auch der Fall – beim Ba-

zu weniger und schlechterer führt. Unter Leistungsdruck

Trends, alle Zeiten des Lebens, die gesamte Lebenswelt, dem Zeit-ist-Geld Prinzip der Ökonomie

chelor Studium die Frage, was in welcher Zeit sinnvoll und

Stehenden fällt nichts Neues und nicht Kreatives ein,

auszuliefern, bzw. unterzuordnen. Kurz gesagt der »Bachelor« ist der gelungene Angriff der Zeit

vernünftigerweise gelernt werden kann und soll.

der Zeitdruck blockiert ihre Intelligenz, sie können ihre

der Ökonomie auf die Zeit der Bildung. Bevor Lehrinhalte überhaupt in den Blick geraten sind, hat-

bekannte, bewährte Problemlösungsmuster zurückgegriffen

Das geschah relativ offen, man musste nur hinhören. Als es um die Reform ging, bediente sich

te man bereits darüber entschieden, wie lange das Studium

wird.

die Ministerialbürokratie mit Vorliebe einer verbalen Begleitmusik, die man bisher nur aus den

dauern und in welchen Häppchen es serviert werden soll.

Konzernetagen globalisierter Großunternehmen kannte. Da ging’s um mehr Tempo, eine stärkere

Mit der gleichen Methode, dem gleichen Verfahren wurde

Kurz gesagt: Das Turbo- Studium führt zu dem, was Hand-

Verdichtung der Inhalte, ums Zeit-Sparen und Zeit-Gewinnen, um die Straffung und die Konzen-

im Übrigen auch die Gymnasialzeit (G8) verkürzt.

werksmeister seit Jahrhunderten ihren jüngsten Lehrlingen

cesses related to creativity.« (aus: »The Influence of Time Pressure on Creative Thinking in Organizations.« Harvard Business School Working Paper, No. 01-023, Harvard

Möglichkeiten nicht ausschöpfen. Das führt dazu, dass auf

tration aufs Wesentliche (sollte das die Kernkompetenz sein!?).

anschaffen: Zuerst Abschauen – dann Nachmachen – und Da bleibt nur noch zu fragen: Was und wie haben diejeni-

Business School Press, 2000.)

dann Üben, Üben Üben.

Das ganze hörte sich so an, als hätten jetzt, und das sollte wohl der Kern der Reform sein, die

gen eigentlich studiert, die zwischen der Produktion von

Studenten die Verantwortung, für einen möglichst raschen und problemlosen »return of invest-

Büchsenfleisch und dem universitären Lehren und Lernen,

Es sieht ganz so aus, als würde die Zukunft des akademi-

ment« zu sorgen. Statt ihnen dafür wenigstens Boni anzubieten, müssen sie Studiengebühren

zeitlogisch gesehen, keinen Unterschied erkennen. Kennen

schen Studiums hinter uns liegen. Wer gegen diese Zumu-

berappen, nichts anderes als Nutzergebühren (Maut) für das Befahren der Bachelor-Autobahnen.

sie wirklich den Unterschied nicht? Zur Nachhilfe: In der

tung nicht aufbegehrt, ist vom Zeitdruck und seinen prob-

Ökonomie geht’s darum, Zeit zu gewinnen; in der Bildung

lematischen Folgen bereits infiziert. Erheblich nötiger, als

geht’s darum, Zeit klug zu verlieren.

die Impfung gegen die Schweinegrippe, bräuchten wir eine

Durch den strukturellen Zeitdruck wird das Studium für die beteiligten Subjekte (Lehrende und Lernende) notwendigerweise zu einer Angelegenheit ökonomischer Kalkulation. Systemisch wird

gegen den Zeitdruck in Bildungsprozessen. Aber vorher

es zu Produktionsstätte von Titeln und Abschlüssen. Das wiederum zwingt die Bildungsinstituti-

Woher nur haben die Verantwortlichen für die Studiengänge

bräuchten wir eine echte Reform der Bachelor Studiengän-

on Universität, sich mit den Effizienzkriterien eines beispielsweise Büchsenfleisch herstellenden

die Vorstellung her dass Studierende, zieht man ihnen am

ge, bei denen den Studierenden erheblich mehr Mitsprache-

Unternehmens messen und vergleichen zu müssen. Auch wenn’s bei beiden um Noten geht, bei

Ohr, besser, pardon: schneller lernen? Sie hätten sich wäh-

rechte als bisher eingeräumt werden müssten.

der Uni um Lern-Noten, beim Büchsenfleisch um Bank-Noten, so ist der Unterschied doch größer

rend ihrer Studienzeit vielleicht etwas mehr Zeit nehmen

als er auf den ersten Blick ausschaut.

sollen, um mitzubekommen dass das Blödsinn ist. Es ist

Echt aber wäre die Reform nur dann, wenn sie allen Ver-

genauso dumm, wie die Vorstellung, dass die Aufklärung

führungen widerstehen und alle Zumutungen zurückweisen

Doch die Bildungspolitiker ebnen ihn ein, indem sie die an der Universität Lehrenden und Ler-

der Menschen aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit

könnte, zu einer Art bildungspolitischem Wachstumsbe-

nenden zwingen und verpflichten, sich den Imperativen des Zeit-ist-Geld Prinzips zu unterwer-

neuerdings durch die Anwendung von Ultraschall und

schleunigungsgesetz zu werden.

fen. Damit erspart man sich die Frage nach dem Sinn dessen, was gemacht, sprich: produziert,

Computertomographie in entscheidendem Maße voran ge-

bzw. gelehrt wird.

bracht werden könne. Zur Erinnerung: Büchsenfleisch wird gemacht. Bildung hingegen ermöglicht und zugelassen.

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Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser Dieser alte Spruch von Lenin scheint zum Wahlspruch der deutschen Bildungspolitik

tor, unkontrollierbar wären, weil sie sich rein inhalt-

verantwortlich sein. Diese »repressive Toleranz« der

und zeitlich abgeschlossene

geworden zu sein. Es entsteht der Eindruck, dass alle in den Bildungsinstitutionen täti-

lich und ohne direkten Bezug zur kommerzialisierten

Bildungspolitiker in Deutschland macht ihre Hilflosig-

Lehr- und Lerneinheiten,

gen Personen heute unter den Generalverdacht gestellt werden, dass sie ihre jeweiligen

Gesellschaft mit den soziokulturellen Entwicklungen

keit sehr deutlich. So haben wir das doch nicht gewollt,

aus ihnen bestehen die neuen

Funktionen oder Aufgaben nicht erfüllen können oder wollen, ohne ein ausgeklügeltes

kritisch, möglicherweise sogar sehr kritisch auseinan-

scheint man sagen zu wollen. Haben die Universitäten

BA-MA-Studienprogramme.

Kontroll- und Prüfungssystem.

dersetzen würden.

etwa nur in vorauseilendem Gehorsam die totale Modu-

Module
sind inhaltlich

larisierung und Prüfungswahnsinn eingeführt? Die Bachelor Studiengänge werden einer Evaluation unterworfen. Nach fünf Jahren für gilt der Studiengang als akkreditiert.

Drittmitteleinwerbungen: 
Geldmittel aus der Wirtschaft. Bzw.

Bei Wikipedia kann man eine schöne Definition finden, dort steht: »Unter Vertrauen

Mit anderen Worten, die Einführung von extrem stark

wird die Annahme verstanden, dass Entwicklungen einen positiven oder erwarteten

modularisierten und geprüften Studienstrukturen kann

Für mich führt kein Weg daran vorbei, wieder zu einer

Verlauf nehmen. Ein wichtiges Merkmal ist dabei das Vorhandensein einer Handlungs-

nur den Zweck haben, die Vorstellungen der jeweiligen

Kultur des Vertrauens zurückzukehren. Weg von der

alternative. Dies unterscheidet Vertrauen von Hoffnung. Vertrauen beschreibt auch die

politischen Kaste, was Studenten und Professoren für

ängstlichen Überkontrolle der Universitäten, hin zu

Erwartung an Bezugspersonen oder Organisationen, dass deren künftige Handlungen

die Gesellschaft zu leisten haben, mit voller Wucht

einem menschlichen Miteinander in einer der größten

sich im Rahmen von gemeinsamen Werten oder moralischen Vorstellungen bewegen wer-

so durchzusetzen, dass die Universitäten vor lauter

Entwicklungen des menschlichen Geistes. Universitä-

den. Vertrauen wird durch Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Authentizität begründet,

Prüfungen, Akkreditierungsverfahren und Drittmittelein-

ten müssen die Orte sein, wo man sich mit den interes-

wirkt sich in der Gegenwart aus, ist aber auf künftige Ereignisse gerichtet.«

werbungen zu keiner kritischen Auseinandersetzung

santesten Menschen über die interessantesten Fragen

gesellschaftlicher Entwicklungen mehr fähig sind.

auseinandersetzen kann.

Spenden von Externa; auch in Form von Sachmitteln.

Der Bologna-Prozess ist die institutionalisierte Fassung des Managements von Misstrau-

Gefordert werden Universitäten, Studenten und Profes-

en. Damals wäre es ohne großen Aufwand möglich gewesen, einen europäischen Bil-

soren, die dem Kontrollsystem gemäß sind.

Wo der Nutzen darin besteht, dass es keinen unmittelbaren Nutzen gibt, sondern wo der so oft in den Sonn-

dungsraum durch zunächst uneingeschränktes Vertrauen zu schaffen. Ein Satz auf einem offiziellen Dokument hätte gereicht: Wir erkennen die Studienabschlüsse der unterzeich-

Was aber sollen Gesellschaften mit Universitäten

tags- und Festreden bemühte »einzige Rohstoff unseres

neten Staaten uneingeschränkt an! Wäre es so gelaufen, dann wäre die Europäische Uni-

anfangen, die genau so funktionieren wie die Gesell-

Landes«, nämlich die Phantasie und Leidenschaft

on tatsächlich eine gemeinsame Wertegemeinschaft. Der zentrale Wert, den ein solches

schaften selbst? Was ist eine Bildungseinrichtung noch

intelligenter Menschen gefördert und erweitert wird.

Dokument dargestellt hätte, wäre – Vertrauen.

wert, wenn sie sich dem Diktat des Kommerzes zu

Also los, weg mit den Modulen und Überprüfungen,

opfern hat? Wo bleiben die menschlichen Grundwerte,

weg mit Akkreditierungsagenturen.

Stattdessen müssen sich heute Professoren wie Studenten andauernd rechtfertigen. Die

wie zum Beispiel Vertrauen, wenn sie dauernd kont-

einen in einem Verfahren, dessen Sinn sich mir zumindest nicht erschließt, nämlich

rolliert werden? Wie viel Angst muss in den Köpfen

Machen wir die Universität wieder zu einem freien

einem Akkreditierungsverfahren zur Überprüfung der Studienorganisation und der

der »Bologna-Entscheider« und den nachgeordneten

Marktplatz an Meinungen, Überzeugungen und der

Studieninhalte, vorgenommen durch in weiten Teilen der Universität nicht verbundenen

Behörden stecken, dass sie sich auf ein derart massives

kritischen Auseinandersetzung mit der Welt.

Personen. Die anderen stehen unter der Dauerkontrolle von Leistungsnachweisen für jede

Misstrauensmanagement eingelassen haben? Sapere aude – habe Mut Dich Deines Verstandes zu

besuchte Veranstaltung. Ich finde es sehr interessant, dass die Streiks der Stu»Angerührt« wird dieser Kontrollwahn durch die hauptsächlich von Rechtsabteilungen

denten so starke Unterstützung finden. Von allen Sei-

entwickelte Vorstellung des größten anzunehmenden Unfalls, dass sich nämlich an Uni-

ten kommt Zustimmung, aber irgendjemand muss doch

versitäten Strukturen bilden könnten, die, unabhängig vom Wirtschafts- und Finanzsek-

für die Entwicklungen der letzten Jahre tatsächlich

bedienen!

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Cool, das wir so gut ankommen! Wenn die Bundesbildungsministerin Schavan, der Bayerische Wissenschaftsminister Heubisch

Das Valium zeigt Wirkung, mit der Zeit lehrt sich das Au-

Um auf die Aussage unserer Bundeskanzlerin, Angela Mer-

(lat. größter Hörsaal oder

und der Rektor der Ludwig-Maximilians-Universität eine Zusammenarbeit mit den protestie-

diMax und die gewünschte Duldungsstarre einer ehemalig

kel »Wir können nicht genug tun, um in Bildung zu investie-

Aula Magna; Kurzform

renden Studierenden anbieten, die darauf hinausläuft, dass sie für die Studierenden-Proteste

aufgeschreckten Protestkultur tritt ein, obgleich sich seitens

ren« zu antworten, kann man nur erwidern: Ja, stimmt.

Audimax) ist in aller Regel der

Verständnis aufbringen, ist das nichts anderes als ein in Watte drapierter Q-Tip, mit dem sie

der Politik annähernd nichts bewegt. Bewegen aber muss

größte und repräsentativste

versuchen, uns die sensiblen Gehörgänge wieder mit dem Schmalz des Verständnisses voll zu

sich etwas, wenn es besser werden soll; und es muss besser

Um auf die Aussage von Thomas Sattelberger, Personal-

Hörsaal einer Hochschule.

stopfen.

werden. Es bewegt sich aber nur etwas, wenn die Politiker

vorstand der Telekom »Studenten sind Lernautomaten« zu

– statt Verständnis zu zeigen – Entscheidungen träfen und

antworten, kann man nur erwidern: Ja, stimmt.

Das Auditorium Maximum

Aufklärung ist der Ausgang

Was passiert hier eigentlich, seitens der Politik? Und für was sind sie jene gewählt?

des Menschen aus seiner selbst

zwar Entscheidungen unter Einbeziehung der Studierenden. Denn diese wissen am besten, wie sie aus ihrer selbstver-

Und um auf die Aussage von Wissenschaftsminister Wolf-

schuldeten Unmündigkeit heraus kommen.

gang Heubisch im besetzten AudiMax am 23.11.09 zurück-

verschuldeten Unmündigkeit.

Sie wurden gewählt, um zu entscheiden. Und sie haben entschieden. Nämlich die Einführung

Unmündigkeit ist das Unver-

der Bachelor- und Master- Studiengänge. Jetzt haut das nicht so ganz hin. Und wenn etwas nicht

mögen, sich seines Verstandes

so ganz funktioniert, dann ist es üblich, dass man das, was man entschieden hat, verändert. Und

Sie haben nämlich, woran man bei Politikern manch-

ohne Leitung eines anderen zu

was passiert? Es verändert sich nichts und anstelle der Veränderung wird Verständnis für die

mal zweifeln muss, Mut sich ihres eigenen Verstandes zu

Proteste der Studierenden aufgebracht.

bedienen. Es liegen seitens derer, die so viel Verständnis

Ja, aber was machen sie? Alles nur Luftnummern, Wortge-

haben, einige wenige Änderungs- und Reformideen auf dem

tingel, Geschwätz, Augenwischerei. Aber, damit keine Miss-

bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn

zukommen »Es kann eine stärkeres Mitspracherecht seitens der Studierenden geben«, kann man nur sagen: Ja, stimmt.

die Ursache derselben nicht am

Was ist das für ein Trick? Zum einen drückt man uns einen bildungsfeindlichen Studiengang auf

Tische. Zum Beispiel: Die Qualität der Lehre muss besser

verständnisse aufkommen, das sind äußerst machtbewusste

Mangel des Verstandes, sondern

und dann haben sie (wer?) Mitleid mit uns, das wir unter diesen von ihnen produzierten Bedin-

werden, mehr Mobilität der Studierenden, Erhöhung des

Laberköpfe. Wenn beispielsweise am Bafög um 2 Prozent

gungen studieren müssen. Schon 1968 im Zuge der damaligen Studierendenproteste wurde diese

Bafög um 2 Prozent und andere Kleinigkeiten. Das tolle

geschraubt wird, wenn in Zukunft in einem Bachelor-Modul

verständnisvolle Umarmungsstrategie der Politik repressive Toleranz genannt und dies ist heute

an diesen Ideen ist ja, dass sie bereits vor zehn Jahren be-

statt drei nur zwei Prüfungen geschrieben werden sollen

mitunter noch berechtigter. Die Politiker drücken sich vor ihrer Verantwortung, sodass man sie

schlossen wurden und sie heute aus Gründen von Verdau-

und alle weiteren Leistungsnachweise bestehen bleiben und

nur noch schwer angreifen kann.

ungsschwierigkeiten wiedergekäut werden müssen.

wenn eine Überprüfung der verfassten Studierendenschaft

der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere au de! Habe Mut dich

zu irgendeinem Zeitpunkt mal stattfinden soll, dann ist das

deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch

Das nimmt den Studierendenprotesten ihre Resonanz und Wirkung.

nichts anderes als Verarschung!

ein, denn ohne ihre Mitwirkung ist es ja in die Hose ge-

der Aufklärung. — Immanuel Kant

Jetzt fordern die Studierenden ihr Recht auf Mitbestimmung

Mal ernsthaft! Die Taktik heutiger politischer Reaktionen auf unseren Protest gegen die trostlo-

gangen. Sie besetzen das AudiMax und fragen danach, was

»Die Studenten sollen ja gerne demonstrieren, aber doch

sen Bedingungen von Bildung, Lehre und Wissenschaft an den hiesigen Bildungseinrichtungen,

in der Bildungsnation Deutschland und der Europäischen

bitte nicht so laut. Die Studenten sollen doch denken, aber

ist jene Form der repressiven Toleranz. Insofern ist es ein Instrument, das von Bildungspolitikern

Union eigentlich los sei. Herausgekommen ist ein Forde-

bitte nicht zu weit. Die Studenten sollen doch mitmachen,

verwendet wird, weil es Raum für Handlungspassivität gewährt. Es ist wie ein sanftes Tätscheln

rungskatalog mit konkreten und allgemeinen Vorstellungen

aber nicht bei uns.«

und Streicheln der Proteste.

und Zielen wie Bildung auszusehen habe. Deshalb wird sich nichts ändern, solange sich die Studie-

Diese warmherzigen Umarmungen der Politiker an die aufgebrachten Studierenden sind Valium,

Diese Ziele werden nun repressiv toleriert! Es wird nicht mit

renden mit diesem Geplänkel zufrieden geben. Deswegen

um Protestkultur, Forderungen und ein Mitspracherecht einschlafen zu lassen.

Entscheidungen, sondern mit Verständnis reagiert. Aber

ist die wichtigste Forderung, dass die Studierenden politisch

nur Entscheidungen verändern die Situation.

abgesicherte Mitspracherechte bekommen.

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Dossier – Was bisher geschah … 1. Einführung der Studiengebühren:

soll das, was man im Studium tut, gekoppelt sein? Was soll Ziel des Studierens, also des sich Bemühens und Anstrengens, sein?

Das Thema der Studienfinanzierung nimmt für viele die Stellung eines sehr bedeutenden Themas in der Bildungsdiskussion ein. Den Tragenden der Hochschulen entstehen faktisch Kosten durch

Um diese Problematik in ihrem Kontext zu betrachten, sollen nun die historischen und po-

das Studium – an diesen teilweise zweckgebundenen Geldern beteiligen sich die Studierenden

litischen Fakten aufgerollt werden. Alles begann im Jahr 1968. Deutschland unterzeichnete

derzeit. Die Beteiligung ist verbunden mit einer Mehrbelastung oder einer Verschuldung der

vorbehaltlos den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-

Studierenden und steht schon in Frage seitdem sie das erste Mal gedacht wurde.

Sozialpakt oder IPwskR). Dieser fordert im Sinne des Rechts auf Bildung, dass »der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgelt-

Ganz unentgeltlich war das Studium aber auch vor der Einführung der Studienbeiträge nicht –

lichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden

es gibt ja noch den Semesterbeitrag, der im Härtefall auch erlassen werden kann. Es stellt sich

muß«. Die UN- Generalversammlung hatte diesen multilateralen völkerrechtlichen Vertrag im

seit den Anfängen der Diskussion um die Studienfinanzierung die Frage, wie diese am besten

Dezember 1966 einstimmig verabschiedet. Auch alle Bundesländer haben dem Beitritt zuge-

geregelt ist. Dafür gilt es zu eben diesen Anfängen einmal zurückzukehren.

stimmt. Das Gesetz wurde zum formellen Bundesgesetz erhoben womit es – wie alle Bundesgesetze – über anderen deutschen Rechtsnormen steht. Im Januar 1976 trat der IPwskR in Kraft.

Daher erst einmal zur Begrifflichkeit. Uns begegnet immer wieder eine Vermischung in der Ver-

Inzwischen ist er von 160 Staaten ratifiziert. Die Einhaltung des Paktes soll durch den UN-Aus-

wendung der Begriffe Studiengebühr und Studienbeitrag. Allein schon in diesen beiden Begrif-

schuss über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte überwacht werden. Allerdings gab es

fen spiegeln sich die Schwierigkeiten wieder, die mit dem System verbunden werden. Dazu sollen

auch keine praktischen Folgen auf die Studiengebühren, die im Vereinigten Königreich einge-

zunächst die Begriffe geklärt werden.

führt wurden – mit der Erklärung, dass die Gebühren mit den Zielen des Paktes vereinbar sind.

Es gibt im deutschen Steuersystem verschiedene Arten der Abgaben. Diese zahlen Bürger durch

Auf der nationalen Ebene Deutschlands regelt das Hochschulrahmengesetz (HRG) die Pflichten

rechtliche Begründung an den Staat. Zwei dieser Abgaben sind der Beitrag und die Gebühr. Der

und Rechte der Hochschulen. Im Rahmen der Hochschulreform 1970 beschlossen die Minister-

Begriff des Beitrags beinhaltet, dass Geld für eine freiwillig in Anspruch genommene Leistung

präsidenten der Länder einheitlich auf Studiengebühren zu verzichten. Im weiteren Verlauf schei-

gezahlt wird. Im Unterschied dazu wird der Begriff der Gebühr verwendet, wenn eine in An-

terte ein Gesetzesvorschlag im Bundestag, ein Staatsvertrag kam nicht zu Stande. Bis zum Jahr

spruch genommene Leistung bezahlt wird, die fremder Natur ist. Das heißt, dass eine Gebühr im

2002 beinhaltete das HRG also keine Regelungen bezüglich der Studiengebühren. Im August

Gegensatz zu einem Beitrag an eine tatsächliche Nutzung gebunden ist, wobei es beim Beitrag

2002 sicherte dann eine Änderung des HRG die Gebührenfreiheit des Studiums (im Sinne des

lediglich die Möglichkeit der Nutzung gibt. In Bezug auf die Studienfinanzierung von Seiten der

ersten berufsqualifizierenden Abschluss und des Anschlussstudiengangs) und die Einrichtung

Studierenden wird von offizieller Seite meist der Begriff des Studienbeitrags verwendet, wobei

von Studierendenschaften. Außerdem endete die Erprobungsphase für Bachelor- und Masterstu-

sich die Begriffe auch dort oft vermischen. Das heißt weiter, dass der Begriff des Studienbeitrags

diengänge. Auf diese Änderung klagten 2005 dann die sieben CDU/CSU regierten Bundesländer

nicht an eine bestimmte (Gegen-)Leistung gebunden ist – im Gegensatz zu dem der Studienge-

Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Hessen, Saarland, Hamburg, Bayern und Sachsen gegen

bühr. Daran gebunden ist auch der Begriff der Entlohnung – als Anerkennung der Leistung.

das Gesetz. Sie meinten, dass der Bund mit diesem Gesetz seine Kompetenz überschreite.

Möchte man also das Studium als eine entlohnte Leistung verstehen, in die investiert wird, so

Die seit der Föderalismusreform abgeschaffte Rahmengesetzgebung hatte den Zweck, angesichts

benötigt man den Begriff der Studiengebühr. Die Wahl des Begriffs ist also an die Grundfrage

der verschiedenen Ausgestaltungen des Hochschulbereichs, gleichwertige Lebensbedingungen

gebunden, was für eine Art der Institution das Studium ist und ob es überhaupt eine ist. Woran

zu wahren. Bildung ist im Föderalismus aber immer noch Ländersache. So kam das Bundesver-

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fassungsgericht schließlich zu dem Urteil, dass der Bund weder die Studiengebühren regeln darf,

und solchen gleichgestellte Personen. Die 1998 folgende Sorbonne-Erklärung beinhaltet unter

noch ihnen vorschreiben kann Studierendenschaften einzuführen. Es besteht also hiernach eine

anderem die Betonung von Mobilität und Vergleichbarkeit von Studienabschlüssen. Dafür sollen

Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz.

bestehende Hindernisse abgebaut und für die Grundlagen einer verbesserten europäischen Zusammenarbeit im Bereich der Hochschulen Sorge getragen werden. In einer Konkretisierung und

Die Gegenargumentation kam von Seiten der Bundesregierung sowie von den Grünen und der

Erweiterung der Erklärung von 1999 haben 30 europäische Bildungsminister die völkerrechtlich

SPD. Sie unternahmen Versuche die Erhebung der Studiengebühren für das Erststudium zu

nicht bindende Bologna-Erklärung unterschrieben. Für Deutschland haben Bund und Länder

unterbinden. Die Begründung war, dass Studiengebühren zu einem Rückgang von Studienanfän-

gemeinsam unterzeichnet.

gern führen, dass der Bund durch das Gesetz Rechtssicherheit schafft und, dass eine Verschlechterung der Studienbedingungen dort zu befürchten sei, wo eventuell keine Studienbedingungen

Dadurch ist deutschlandweit der Grundstein zu einer gemeinsamen Hochschulreform gelegt

eingeführt würden. Zudem ist die Auffassung, dass verfasste Studierendenschaften auch über die

worden. In der Bologna-Erklärung geht es um die Einführung eines konsekutiven, zweistufigen

Ländergrenze hinaus Bedeutung in der Interessenvertretung der Studierenden haben. Der Angel-

Abschlusssystems [also Bachelor (BA) und Master (MA)] und um nachhaltige Qualitätssicherung.

punkt und die Rechtfertigungsbasis dieser Argumentation sind, dass erst diese Bedingungen das

So lassen sich aus den Erklärungen sich drei Hauptziele formulieren: Mobilität, internationale

Ziel der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse verwirklichen.

Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungsfähigkeit. Der Umsetzung soll ein System dienen, das Vergleichbarkeit, ein Leistungspunktesystem – das European Credit Transfer and Accumula-

Die Verpflichtung zur Bildung von Studierendenschaften scheiterte im Bundesrat. Schließlich

tion System (ECTS) – sowie kulturelle Kompetenzen und Mobilität zwischen Hochschulen und

hatte der Bund zwar die Rahmenkompetenz, durfte diese aber nicht wahrnehmen, da das Grund-

Bildungsgängen fördert. Außerdem baut es die europäische Dimension aus, macht sie attraktiver

gesetz die Voraussetzungen dafür nicht bietet. Inwiefern die Studiengebühren nationalen bzw.

und verbindet sie mehr mit dem europäischen Forschungsraum. Das alles mit Blick auf das le-

internationalen Richtlinien entsprechen und wie man darauf reagieren kann ist seither nicht klar

benslange bzw. lebensbegleitende Lernen und das Mitwirken der Studierenden auf allen Ebenen.

definiert. Eine eigene übergreifende Maßnahme ist die Integration der sozialen Dimension. Dieser umfang2. Der Bologna Prozess: Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge

reiche Katalog soll in den drei Zyklen BA, MA und Doktor umgesetzt werden, die sich laut der Bergen-Deklaration von 2005 an den Qualifikationen gemessen am ECTS orientieren – wobei es

Auf nationaler und internationaler Ebene befindet sich eben auch gerade die Diskussion um die

im Rahmen des Doktor keine ECTS Angaben gibt. Die Abschlüsse müssen nicht in jedem Land

Studienreform. Im Rahmen des Bologna-Prozesses geht es darum bis zum Jahr 2010 ein einheit-

gleich benannt werden. Der Focus liegt darauf, dass die Abschlüsse kompatibel mit dem Rah-

liches europäisches Hochschulwesen zu schaffen. 1997 haben der Europarat und die UNESCO

menwerk sind. Die Treffen unter den Bildungsministern der Staaten finden alle zwei Jahre statt.

das Lissabon-Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Studienabschlüssen erarbeitet. Es

Bisher tagten sie 2001 in Prag (33 Staaten), 2003 in Berlin (40 Staaten), 2005 in Bergen, 2007

geht um einen an jede Hochschulurkunde gebundenen Leistungsnachweis, wobei im Speziellen

in London und 2009 in Löwen (46 Staaten).

die Kriterien im Anerkennungsverfahren transparent und zuverlässig sein sollen. Die Unterzeichner verpflichten sich dazu aussagekräftige Informationen zu den anzuerkennenden Qualifikation

So wurde in Löwen beschlossen, dass 20 Prozent aller Absolventen bis 2020 einen Studien- oder

bereitzustellen.

Praktikumsaufenthalt im Ausland gehabt haben sollen. Dabei legten sie die zu erreichenden Ziele fest, die im Zuge des Bologna-Prozesses erreicht werden sollen. Zentrale Ziele und Ver-

Dabei geht es um Vorgaben in Bezug auf den Zugang zur Hochschulbildung, von Studienzei-

einbarungen zwischen den Beteiligten, werden jeweils in den Kommuniqués der Ministertreffen

ten, von Hochschulqualifikationen sowie von Qualifikationen von Flüchtlingen, Vertriebenen

festgehalten. In Löwen nahmen im Anschluss an die Konferenz Vertreter aus 15 außereuropäi-

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schen Ländern an einem Bologna-Forum teil. Dort ging es um Möglichkeiten einer Kooperation.

So darf ein konsekutiver Studiengang eine Gesamtregelstudienzeit von höchstens 10 Semestern

Die nächste Ministerkonferenz findet im April 2012 in Bukarest statt. Damit ein Land aufgenom-

haben. Die Studienzeit soll also im Vergleich zum vorherigen System verkürzt werden. Beim BA

men wird muss es die Europäische Kulturkonvention des Europarats unterzeichnen und sich zu

müssen mindestens 180 ECTS-Leistungspunkte erreicht werden und darauf aufbauend beim MA

den Zielen und der Umsetzung des Bologna-Prozesses verpflichten.

mindestens 300 ECTS-Punkte.

Auf Länderebene sind die Minister verantwortlich die Ziele umzusetzen. Auf europäischer Ebene

Des Weiteren wird die Studierbarkeit eines Studiengangs anhand der Akkreditierung überprüft.

kommt Unterstützung von der Bologna Follow-Up Group (BFUG) und auf nationaler Ebene

Dabei geht es beim BA um wissenschaftliche Grundlagen, Methodenkompetenz und berufsfeld-

von Bologna-Gruppen. In der BFUG sind Vertreter aus der Europäischen Union und aus den

bezogene Qualifikationen und beim MA muss zwischen anwendungs- und forschungsorientiert

Bologna-Staaten. Beratung erfolgt von Seiten der Hochschulen durch die European University

unterschieden werden. Außerdem müssen Modularisierung und das Leistungspunktsystem

Association (EUA) und die European Association of Higher Education (EURASHE) sowie von

gegeben sein.

Seiten der Studierenden durch die European Student`s Union (ESU). Neben diesen haben auch Wirtschaft (BusinessEurope) und Europarat Beobachterstatus.

Zudem wurde eine Arbeitsbelastung von 1.800 Stunden im Jahr, also 45 Wochen im Jahr, 40 Stunden pro Woche berechnet. Darunter fallen Präsenzzeiten, Prüfungszeiten, Selbststudium und

Inoffiziell sind die nicht-profitorientierte Organisation führender technischer Universitäten

Praktika. Der Rest der Zeit sind sechs Wochen Urlaub und eine Woche Krankheit. Die Zeit für

Europas CESAER (The Conference of European Schools for Advanced Engineering Education

anderweitiges Engagement oder Jobs außerhalb des Studiums ist da nicht mit einberechnet.

and Research) und SEFI dabei. Letztere ist ein europäischer Zusammenschluss von Institutionen und Privatpersonen aus dem Ingenieurwesen – dessen Verbesserung und Entwicklung sie sich

Jedes Semester müssen so 30 ECTS-Leistungspunkte erworben werden, wobei ein Leistungs-

widmen.

punkt 30 Arbeitsstunden entspricht. Leistungspunkte werden durch Modulprüfungen erworben. Dadurch entsteht eine Äquivalenz zwischen Wochenstunden und Leistungspunkten – was die

In der nationalen Bologna-Gruppe in Deutschland sind Vertreter aus dem Bundesministerium für

Prüfungen eher in den Hintergrund rücken lässt.

Bildung und Forschung (BMBF), dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), der Kultusministerkonferenz (KMK), des freien Zusammen-

Jedoch hat die Anzahl der Prüfungen im Vergleich zu den Diplom- und Magisterstudiengängen

schlusses von Studentinnenschaften (fzs), der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände

zugenommen. Beispielsweise gibt es in letzteren Präsenzzeiten von etwa 20 Semesterwochenstun-

(BDA), der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), des Akkreditierungsrates und des

den, wovon nur ein Teil prüfungsrelevant ist.

deutschen Studentenwerks (DSW). Was die Notengebung betrifft, gilt mit dem ECTS zusätzlich zur objektiven Benotung eine reIn Deutschland ist die Bologna-Reform die größte Studienreform seit Jahrzehnten. Ein Kernele-

lative. Das bedeutet, dass in einer Statistik ermittelt wird, wie die Leistungen der Studierenden

ment ist bei der Umsetzung die Einführung eines Akkreditierungsverfahrens.

sind und dann 10 Prozent der Besten die bestmögliche Note erhalten und dann die nächsten 25 Prozent die nächst beste Note. So erfolgt die Benotung anhand des Vergleichs aller Prüfungsleis-

Was einen Studiengang akkreditierungsfähig macht, wird von der KMK vorgegeben. Innerhalb

tungen innerhalb eines Moduls an einer Universität.

dieser Vorgaben geht es etwa um die mögliche Einrichtung von BA- und MA-Studiengängen sowohl an Universitäten als auch an Fachhochschulen. Weiterhin gibt es eine Regelstudienzeit

Dadurch ist für alle Beteiligten möglich das System an die eigenen Zwecke anzupassen, an-

für BA-Studiengänge von 6 bis 8 Semestern und für Masterstudiengänge von 2 bis 4 Semestern.

statt im System die eigenen Zwecke verwirklicht zu sehen. Des Weiteren stellt sich hiermit ein

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Problem der Vergleichbarkeit der Noten. Durch das Umgehen des Problems der Notenentwertung handelt man sich das Problem willkürlicher Bewertung ein. An dieser Stelle muss die Frage nach dem Sinn und dem Objekt der Notengebung gestellt werden. Im Zuge der Umsetzung der Bologna-Reform kommt von Kritik bis hin zur Ablehnung des Systems von Seiten der Studierendenorganisationen, Verbänden, Verantwortlichen der Hochschulen und aus der Politik. Kritikpunkte sind etwa Überforderung und Stress, die Gefahr sozialer Selektion und der Druck auf Studierende, die einer Lohnarbeit nachgehen. Der nächste Vorwurf ist, dass mit der Reform eine Reduktion des Studiums auf wirtschaftliche und berufsbezogene Interessen, eine Verschulung und Zugangshürden für das Master-Studium einhergehen. Dahinter steht das Humboldtsche Bildungsideal. Bundesbildungsministerin Annette Schavan ist der Auffassung, dass dieses Ideal zum einen von Konservativen befürwortet wird, die gegen Veränderungsprozesse sind und zum anderen, dass es neu gedacht werden muss. Ein Vorwurf gegenüber dem Bologna-Prozess ist, dass er unzureichend demokratisch legitimiert sei, da an ihm hauptsächlich die Exekutive und weniger die Legislative der einzelnen Staaten beteiligt ist. In Deutschland stellt sich die Herausforderung der Umsetzung auf der Kommunikationsebene zwischen Bund und Ländern. Seit den Föderalismusreformen ist die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes aufgehoben. Zusätzlich erschwert das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern eine einheitliche Studienreform. Mit der Föderalismusreform geben auch die Länder immer mehr Aufgaben an die einzelnen Hochschulen ab. Auf internationaler Ebene geschieht jedoch eine Angleichung der Staaten miteinander anhand des Bologna-Prozesses, wobei dadurch auf manch nationaler Ebene radikale Änderungen passieren. So geht die internationale Harmonisierung einher mit wechselseitiger Abhängigkeit, einem Regulierungswettbewerb und der Frage nach der Umsetzung in den einzelnen Staaten.

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Ein zweischneidiges Schwert Ein zweischneidiges Schwert – Warum die Proteste unterstützen könnten, was sie bekämpfen.

Und genau das ist der Punkt, an dem es kein zurück geben

Um auf unsere Anfangsfrage zurückzukommen: Solan-

darf: Bildung muss um der Menschen willen angeboten

ge mit Argumentationen wie dieser, die nur bis gestern

»Es gibt kein richtiges Leben im falschen«, schreibt Theodor W. Adorno 1951 in Minima

werden, nicht um der Wirtschaft willen, um des Kapitals

denken, diskutiert wird, solange die Forderung, dass

Visp, Schweiz) war ein deutscher

Moralia. Was der Kritische Theoretiker auf der Ebene des Lebens feststellt, lässt sich leicht

willen.

Bildung nicht nur Mittel zum Zweck sein darf, nicht erfüllt

Philosoph, Soziologe, Musikthe-

auch analog auf den aktuellen Bildungsstreik – wie auf jeden anderen – in folgende These

Theodor W. Adorno (* 11. September 1903 in Frankfurt am Main; † 6. August 1969 in

oretiker und Komponist. Als Philosoph und Sozialforscher

übertragen: Die Demonstranten unterstützen mit ihren Forderungen letztlich nur ein System,

Das falsche Studium, wie ich es analog zu Adorno nennen

die Gefahr, nur das falsche System zu unterstützen und

das schon in seinen Grundsätzen falsch ist. Eine sicherlich radikale These.

will, ist nicht das grundsätzliche Angebot eines Studiums.

damit gegen seine eigentliche Intuition zu handeln. Es

Das falsche ist die Ausrichtung auf den Nutzen – und

ist ein zweischneidiges Schwert: Ohne einen Aufschrei,

Bewirke ich also, wenn ich auf die Straße gehe und gegen das aktuelle Bildungssystem protes-

damit die Reduzierung von Bildung auf denselben und die

hätte auch keiner die Forderungen gehört. Aber die Gefahr

tiere, genau das Gegenteil und unterstütze das, was ich angreifen will?

Reduzierung des Studenten – des Menschen – auf seinen

eines Missbrauchs ist groß. Ob er diese Gefahr eingehen

Warenwert.

will, muss jeder für sich entscheiden.

war Adorno für das Frankfurter Institut für Sozialforschung in den 1950er Jahren wegen seiner

ist, so lange besteht für jeden einzelnen Demonstranten

Forschungen zum „totalitären Antisemitismus“ und für die Stu-

In mir ruft diese Frage einen Zwiespalt hervor: Ich bin sicher, wohin sich »unser« Bildungssys-

dentenbewegung wegen seiner

tem bewegt (dieses System nicht mein System) ist der falsche Weg. Ich sehe Schulabgänger, die

Jeder Kompromiss, der diesen grundlegenden Fehler nicht

Ich für meinen Teil, traue den Politikern nicht zu, sich in

nicht das studieren können, was sie möchten, weil ihr Abiturschnitt, der nur zu einem gewis-

behebt, ist ein fauler Kompromiss. Er stinkt.

diesem Punkt von der Wirtschaft zu trennen und ihre ka-

Kulturkritik zum „Verblendungszusammenhang der bürgerlichen Gesellschaft“ wichtig.

sen Grad aussagekräftig ist, zu schlecht ist. Ich sehe Studenten, die sich nicht auf ihr Studium

pitalistischen Denkmuster im Bereich der Bildung hinter

konzentrieren können, weil sie parallel Geld, nicht nur zum Leben und Wohnen, sondern

Alles was aktuell von Seiten der Politik unternommen

sich zu lassen. Und so wird der Protest am Ende wohl im

auch zum Studieren verdienen müssen. Und am aller schlimmsten: Ich sehe Politiker, die das

wird, zielt genau in diese Richtung. Erst wird alles in

besten Fall zu gar nichts führen, im schlimmsten aber das

Bildungssystem mehr und mehr dahin ausrichten, dass junge Menschen möglichst schnell und

die gewünschte – falsche – Richtung umgekrempelt.

falsche System sogar stützen.

zielgerichtet auf den Arbeitsmarkt geworfen werden. Sie behandeln diese Menschen als Ware.

Dann gibt es hier ein paar Zugeständnisse und da einen

Bildung wird nicht um der Bildung willen, wird nicht für den Menschen betreiben, sondern für

»Bildungsgipfel« und die Masse ist beschwichtigt. In

Solang ich also keine realistische Chance sehe, mit meiner

die Wirtschaft. Etwas in mir schreit: Auflehnung!

Wirklichkeit sind wir aber wieder einen Stück näher am

Kritik etwas aus meiner Sicht Positives zu erreichen, will

Warenkorb.

ich nicht als Teil dieser Demonstranten gesehen werden –

Auf der anderen Seite sehe ich eine Gefahr: die Gefahr, dass meine Stimme missbraucht wird,

ob sie vorübergehend im Audimax wohnen, ob sie lauthals

von Menschen, die sich zu meinem Sprecher erklären, die in meinem Namen faule Kompromis-

An dieser Stelle ließe sich auch das gern genannte Argu-

die immer gleichen Parolen skandieren oder ob sie schwei-

se eingehen und so das System stützen, das ich bekämpfen will.

ment anführen, die Wirtschaft schneide sich ins eigene

gend mit Laternen in der Hand die Leopoldstraße entlang

Fleisch, wenn der Staat die Bildung in ihrem Namen zu

marschieren.

Ist nun aber unser Bildungssystem an sich falsch, oder ist es in seinen Grundzügen richtig? Ist

eine Berufsvorbereitung degradiere: Vielfalt, Selbststän-

es noch auf einen richtigen Weg zu bringen? Oder ist es hoffnungslos verloren?

digkeit und Innovation werden nicht gefördert und gehen

So wichtig der Aufschrei ist, so wichtig ist es für mich zu

verloren. Aber: Diese Argumentation ist genau der Falsche

sagen: Ich will mit meiner Kritik nicht für etwas instru-

Ich denke nicht. Denn ich studiere gerne! Ich habe das Gefühl, das was ich tue ist richtige;

Weg. Wir würden in den Strukturen argumentieren, die

mentalisiert werden, das ich nicht vertrete.

das, was ich lerne, ist wichtig für mich – weil Bildung wichtig für mich ist; Bildung um meiner

wir abschaffen wollen.

Bildung willen, ob ich sie in einem spätere Beruf brauchen kann oder nicht.

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Uni macht Schule

An einem Donnerstag erreicht mich eine Mail, die LMU sei besetzt. Besetzt?!? Nichts wie hin.

Gegen die Ökonominierung von Bildung

Meine Erwartungen? Ich denke eine Besetzung ist für mich einer der, zumindest kurzfristig, effi-

Die einzige zumindest scheinbar demokratische Instanz sind die Schüler_innen_sprecher_innen. Aber wie demo-

zientesten Wege etwas zu erreichen. Die politische Richtung der Besetzung ging auf jeden Fall in

Die »Ökonominierung« der Schulen ist nicht so offensicht-

kratisch sind 3 Vertreter_innen für bis zu 1.500 Schü-

meine Richtung. Meine inhaltliche Übereinstimmung mit den Forderungen ist groß. So kann ich

lich, wie nach Firmen benannte Hörsäle. Sie zeigt sich

ler_innen, von denen die meisten nicht von deren Existenz

auch den meisten Mitteilungen intern und nach außen Zustimmen.

vielmehr in der Zeit, die für die Schulbildung vorhanden

wissen und die in den wenigsten Fällen entscheiden dürfen?

ist und darin, was in dieser Zeit vermittelt werden soll. Die

Die Möglichkeiten auf beispielsweise den Unterricht

Nur ein Wort viel mir nach kurzem aus, sowohl in einigen Beiträgen, sowie Berichten in Medien

Zeit der für den Arbeitsmark »relevanten« Gymnasiat_in-

Einfluss zu nehmen, die eigene Meinung zu äußern oder

hieß es wir seien gegen die »Verschulung« von Bildung. Sind Schulen denn wirklich so schlecht?

nen und Realschüler_innen in Jahren wird immer weiter

Verantwortung zu übernehmen, sind sehr eingeschränkt –

Warum wollen wir nicht, dass die Universitäten bzw. »Hochschulen« so werden, wie diese Schu-

verkürzt – »G8« und »R6« – und gleichzeitig gehen die

häufig auch verboten.

len?

Anforderungen daran, was sie zu leisten haben nach oben. Es gibt kaum eine Schule, deren Schüler_innen nicht über

Wie sollen Menschen später aktiv in einer Demokratie le-

Alle der zentralen Forderungen der Besetzung lassen sich auf die »Schule« übertragen und

die Belastungen durch die neu entstandene Oberstufe des

ben, wenn sie während der Zeit ihrer Sozialisation, in ihrer

verstärken sich in dem Bereich, nicht, weil es bei den Missständen viel schlimmer steht, als bei

Gymnasiums in 8 Jahren (G8) klagen.

Kindheit und Jugend, in der Schule und in Kindergärten,

den Hochschulen, eher weil diese Missstände hier von zum ersten mal mitbekommen werden,

nie gelernt haben, was dies überhaupt bedeutet, geschweige

prägend mitgenommen werden und vor allem an niemandem vorbeigehen. Hierbei wären wie

Währenddessen wird auf der anderen Seit an den Haupt-

auch bei der einen Forderung:

schulen – und »Förderschulen« –, die einen in der Wirt-

denn es erlebt?

schaft immer weniger anerkannten Abschluss anbieten und

Vielleicht gründen hier auch einige der Probleme, die sich

auf denen immer mehr Schüler_innen überhaupt keinen

während der Besetzung ergeben: »Tendenziöse« Redeleitun-

Abschluss machen, immer weniger verlangt und immer

gen, Verfahrensvorschläge bei denen die eigene Meinung

Zum einen der »kostenfreien« Bildung, die in der Schule, abgesehen von wenigen Punkten, wie

mehr Zeit zur Verfügung gestellt. In der Absurdität finden

kundgetan wird, die 20. Wiederholung des bereits gesagten.

Material auch noch gegeben ist.

sich hier Klassen, an Berufsschulen, in die verpflichtet wird

– Wie sollen Menschen dies können, wenn sie zum ersten

zu gehen, hat man keinen Ausbildungsplatz oder besucht

mal damit in Berührung kommen?

Freie Bildung

Von »frei« im Sinne von »offen« kann hier schon kaum noch gesprochen werden. Lerninhalte

eine andere Weiterbildungseinrichtung. Dies ist nicht an-

sind bis ins Detail vorgegeben, für die Gestaltung des Unterricht gibt es für Lehrer_innen, sowie

ders als als »sinnfreie Beschulung« zu beschreiben.

für Schüler_innen kaum Freiräume und von einer freien Schulwahl kann nicht die Rede sein, von der Öffnung der Schulen nach außen ist keine Spur.

Soll sich tatsächlich etwas ändern, sollten nicht länger »Gegen die Verschulung der Universitäten« vorgegangen

Demokratisierung von Bildung

werden, sondern vielleicht »Für die Besetzungskultur an Schulen«. Solange sich diese Ansätze nicht durchsetzten, ist

Abgesehen von diesen Punkt die ebenso für Hochschulen gelten, existiert bei Schulen ein weite-

Hier liegt wohl das Hauptproblem der Schulen und in folge

es nicht verwunderlich, wenn an der Besetzung nur wenige

res Problem, genannt »Schulpflicht«. Diese bestimmt teilweise sinnvolle Sache, zwingt alle, wirk-

dessen auch unserer Gesellschaft. Demokratie wird hier

Schüler_innen beteiligt sind und ich sollte mich nicht wun-

lich ausnahmslos alle Menschen in unserem Staat, an der Teilnahme an eben dieser durchaus

bestenfalls theoretisch im Sozialkundeunterricht, ab der 10.

dern, dass ich als »Bildungsverliererin« bezeichnet werde,

problematischen Einrichtung Schule. »Freie Bildung« heißt für mich auch »freiwillige Bildung«,

Klasse, im Alter von durchschnittlich 16 Jahren gelehrt.

wenn nur »Schülerin« gemeint ist.

die »Freiheit« zu wählen, wie, wo und auf welche Weise ich mich bilden möchte.

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Bildung als Wert

Was ist Bildung eigentlich? Etwas für dessen Verbesserung sich einige einsetzten? Etwas das in

Bildung und größtmögliche Wissen aller Menschen sind der Ursprung für eine funktionierende

Schulen und Hochschulen passiert – oder ist das Ausbildung? Oder etwas ganz anderes?

Gesellschaft. Für das Bewusstsein, dass gegenseitige Hilfe und Rücksichtnahme wichtig sind, dass Respekt gegenüber anderen und auch gegenüber Tieren, Pflanzen und Gegenständen sinn-

Einen neuen Ansatz gab mir eine Äußerung gegenüber Stoiber in der besetzten LMU:

voll ist, dass Frieden nicht nur ein abstrakter Begriff ist sondern auch realistisch. Das daraus auch Verantwortung entsteht, Verantwortungsbewusstsein, dafür Aufgaben zu übernehmen und

»[…]Wie viel ist uns Bildung wert?«

auch das Wissen und die Fertigkeiten zu arbeiten und diese Arbeit sinnvoll auszuführen. Und all das ist auch allen bewusst.

Wir definieren Bildung am Anfang als einen gesamtgesellschaftlichen Wert. Wir geben ihr einen hohen Wert. In unserer Gesellschaft. In unseren Köpfen. Dieses abstrakte Konstrukt, bedeutet

Wir können jetzt diskutieren über die Öffnung dieser »Orte des Lernens«. Aber hilft uns das

für jede_n Einzelne_n einfach sich selbst möglichst gut, weitgehend und allumfassend bilden zu

weiter in einem komplett offenem System für jede_n und alles. Oder beginnen wir jetzt die Dis-

wollen und andere dabei zu unterstützen, genau das Selbe zu tun.

kussion darüber welche Wert wir noch etablieren wollen (bzw. ob die gerade genannten sinnvoll sind).

Dies führt uns zu einer Bildungsgesellschaft. Einer Gesellschaft von Menschen, die Lernen wollen, die Lehren wollen. Aus Freude am Wissen. Die Möglichkeiten hier etwas zu lernen sind

Eine Diskussion, darüber wer, wie viel Geld an welche Bildungsinstitution zahlt, oder eben auch

vielseitig. Sie beginnen, beim Lesen, bei Vorträgen, bei Diskussionen, bei Experimenten und

nicht wird nicht nur überflüssig, sondern beinahe lächerlich. Soll »der Staat« 50€ mehr für ein

Versuchen, dabei sich gegenseitig Erfahrungen zu schildern, Dinge auf zu schreiben, Dinge zu

Kind im Kindergarten zahlen, oder übernimmt einfach ein Mensch freiwillig, aus der logischen

erschaffen, zu malen, zu bauen, zu erschaffen, in der Realität, wie in Gedanken und sie enden

Selbstverpflichtung heraus, die Betreuung des Kindes oder auch mehrerer? Soll der Staat mehr

bei Dingen, die sich momentan unvorstellbar daraus entwickeln.

Geld in Hochschulen investieren, oder soll es Studiengebühren geben oder steht jedem und jeder immer die Möglichkeit offen, die Dinge zu Lernen, die ihn/sie interessieren?

Im nächste Schritt entstehen daraus Bildungslandschaften. Orte an denen Bildung stattfinden, an denen jede_r, egal welchen Alters, Lernende_r und Lehrende_r ist, sein kann und sein

Wollen wir uns weiter darüber streiten, wer jetzt Schuld daran ist, dass so und so viele Menschen

möchten. Es werden die Voraussetzungen geschaffen, die es ermöglichen Lernen stattfinden zu

mehr oder weniger eine Universität besuchen? Wollen wir weiter darüber streiten, ob es jetzt

lassen. Räumlichkeiten, technisches Material auch Bücher, es schaffen sich Ruheräume, Ort für

sinnvoll ist ein 3-gliedriges, 20-gliedriges oder eingliedrieges Schulsystem zu haben, oder wollen

Kreativität, Orte des Gesprächs, Ort für all das, womit sich beschäftigt werden möchte, egal ob

wir die Möglichkeit geben, dass Jede_r sich selbst in allen nur denkbaren und allen undenkba-

von einer Person, oder von einer riesigen Gruppe von Personen.

ren Bereichen bilden kann?

Diese Orte können jetzt Schule genannt werden, oder Universität, oder Tagungsräume, oder auch

Bildung wird dann gelebt nicht nur gelehrt. Rollenbilder verschwinden in der Unwichtigkeit, der

Himmel, Wiese, Park, Garten, Müllverwertungsanlage, Schrottplatz oder Restaurant, wie auch

Mensch mit seiner Persönlichkeit tritt in den Fordergrund. Es entstehen Möglichkeiten für alles

immer einen beliebt. Vielleicht auch einfach Orte des Lernens.

und für Jede_n. Die einzige Frage die übrig bleibt ist: Wie etabliert man einen Wert?

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Brave Besetzer

Logisch brachte die von der lausigen deutschen Bildungspolitik seit Jahren gebeutelte (unterm

Vornehmliche Ärgernisse: Die absichtliche Verwechslung von Arbeit und Studium in so gut

Strich: vorgeführte) Universitätsleitung Verständnis für die Besetzung des Auditoriums Maximum

wie sämtlichen das eingeführte Bachelor/Master-System verteidigenden Argumentationen (der

der Ludwig Maximilians Universität München auf (schließlich hatte sie ihren Studierenden bis

Arbeitsdienst), der forcierte Pragmatismus, der gemeine Effizienz-Wahnsinn, der aller wissen-

zur letzten Minute good-ole Magisterstudiengänge eingeräumt). Darüber hinaus riet die Polizei

schaftlichen Kontemplation entgegengesetzte enorme Zeitdruck, der längst erfolgte Einbruch der

(als Ordnungshüter) von einer gewaltsamen Räumung des Hörsaals ab: bringt gar nichts. (Dienst-

expandierten Ökonomie und ihrer an reibungslos funktionierendem Nachwuchs interessierten

beflissene BWL-Studierende hatten es auch nicht geschafft, den Raum von innen zu räumen.)

Konzerne (mit den ihren Unternehmen verbundenen schillernden Namen wie Hanns-Martin Schleyer, Lothar Späth, Hubert Burda) in das universitäre System. (Als Manager werden sie dann

Jetzt aber nicht gleich Maximalforderungen stellen, gaben die politischen Kommentatoren der

aber doch zum enthemmten Herumsauen in die Toskana verschickt.)

bürgerlichen Medien unablässig durch. Selbst in der Süddeutschen Zeitung, immer wieder (ich wollte sie schon abbestellen): Bitte jetzt nicht gleich mit Fundamentalkritik kommen. Und nicht

Warum da nicht mal kapitalistische Zusammenhänge zur detaillierten Diskussion stellen?

auch noch die unlängst eingeführte Erhebung von Studiengebühren in Frage stellen: es wird ja

(Warum nicht auch ein Abu Jamal-Transparent aufhängen?) Und logisch kommen da Probleme

später (wenngleich große Teile meines Freundeskreises und, last but not least, ich selbst als Ma-

mit beziehungsweise in der Schnittmenge aus Ästhetik und Politik auf, nicht jeden möchte man

gister Artium der Theaterwissenschaft, das sprichwörtlich blanke Gegenteil beweisen) sehr viel

ja für sich sprechen lassen. Und muss aber auch für die sogenannte (selbsternannte) Mehrheit

Geld verdient werden als hehrer Akademiker. (Sollen sich, lautet die Quintessenz dieses Gedan-

mitsprechen, die sich hier gar nicht vertreten sieht, alles soweit in Ordnung findet und ganz rasch

kens, doch bitte schon gleich die Angehörigen der dem angepeilten Einkommen bereits entspre-

zu Ende studieren möchte. (Die verstehen nicht.)

chenden gesellschaftlichen Klasse an der, wie nunmehr bevorzugt betont wird: Elite-Universität einschreiben.) Schließlich das auf den ersten Blick als Entgegenkommen lesbare und ja auch tatsächlich wohl freundliche, wenn auch letztlich fatale Angebot erheblich verminderter Semestergebühren: logisch unmöglich seitens der protestierenden Studierenden, darauf augenblicklich einzugehen (und damit als die braven Streikenden, die einfach nur weniger für ihr Studium zahlen wollten, in die Geschichte der Bildungspolitik einzugehen). Da ließe sich jetzt schon ein bisschen (von mir aus mehr als ein bisschen) angebrachte Fundamentalkritik anbringen.

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Die Schelte ist wohlfeil

Die deutsche Presse hat sich darauf geeinigt, die Umstellung des Hochschulstudiums auf

Der schwarze Peter wird in der Diskussion herum geschoben wie ein stinkender Socken und

das Bachelor/Mastersystem als verfehlt zu geißeln. Die gleichen Zeitungen, die jahrelang das

irgendwie erklären sich alle mit den Studierenden solidarisch und zeigen mit dem Finger auf den

uneffektive Universitätsstudium beklagt, die unkontrollierte Freiheit von Hochschullehrern als

jeweils anderen.

Willkür entlarvt hatten, die mehr Berechenbarkeit und Transparenz in der Lehre forderten und eine Vergleichbarkeit der Abschlüsse im europäischen Hochschulraum, sie alle sehnen nun die

Aus Sicht einer Hochschulleitung, die in den vergangenen Jahren für die Umstellung verantwort-

angeblich so freie Lehre und das unregulierte Langzeit-Studium wieder herbei.

lich war, eine absurde Situation.

Dabei hatte das alte System, in dem Magistergrade und Diplome vergeben wurden, vielbeschrie-

Es ist eine Tatsache, dass niemand in der deutschen Hochschullandschaft die Umstellung der

bene Defizite: da gab es Klagen der Absolventen über die Desorientierung in Studium, über

Studiengänge auf eine zweigliedrige Studienstruktur begrüßte. Schon sehr bald war aus Profes-

mangelnden Bezug des Studiums auf künftige Berufsfelder, man klagte über das Fehlen von

sorenperspektive die drohende Verschulung, das Ende der Freiheit für Forschung und Lehre und

Praxisanteilen, über die Beliebigkeit des Stoffs, über lange Studienzeiten und die hohe Zahl von

die Selbstbeschäftigung der Universitätsverwaltungen in Qualitätsprozessen mit Modulhandbü-

Studienabbrechern, die das Studium bei nicht bestandenem Examen als verlorene Lebenszeit

chern und Akkreditierungsunterlagen prophezeit worden.

empfanden. Die Probleme, die jetzt von Studierenden benannt werden, waren allen Beteiligten von Anfang Von all diesen berechtigten Klagen wollen die in diesen Tagen demonstrierenden Studenten

an bekannt – auch den Ministerien, die von den Hochschulen verlangten, die Vervielfältigung

nichts mehr wissen. Sie empfinden sich als Opfer einer Bildungspolitik, die die künftige »Hu-

der Lehrangebote mit kleineren Gruppen und eine Erhöhung der Prüfungsleistung um ca. 600

manressource Student« nur unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet, die möglichst

Prozent zum Nulltarif zu leisten. Denn Studienbeiträge (die parallel zur Umstellung der Studien-

kostengünstig möglichst vielen jungen Männern und Frauen eine akademische Bildung verpassen

ordnungen eingeführt wurden), so las man in den Sonntagsreden der Politiker, seien nicht dazu

möchte und dabei Arbeitnehmer produziert, die zu einem niedrigeren Preis zu »haben« sind, als

da, die BA/MA zu finanzieren, sondern die Bedingungen der Lehre zu verbessern.

ein Magister oder ein Diplomabsolvent. Wir, an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, haben versucht dem entgegenDie Absenkung des Lohnniveaus für Akademiker und die Möglichkeit von Betrieben, ihre Mit-

zuwirken, indem wir großmaschige Studienpläne verabschiedet haben, in denen die Hochschul-

arbeiter per Traineekursen passförmig ins Firmenprofil einzufügen, standen wohl unter anderem

lehrer die Chance haben, ihre Forschungsthemen auch im BA einzutragen und somit die Einheit

Pate bei der Umstellung des Hochschulstudiums und die Einsicht, dass, angesichts der demogra-

von Forschung und Lehre zu garantieren. Es ist also weiterhin erlaubt, kritisch zu denken.

phischen Entwicklung, die nachfolgenden Generationen länger arbeiten müssen, um die Renten ihrer Eltern zu bezahlen, also früher auf den Arbeitsmarkt kommen sollten. G8 und der Bachelor

Es ist uns gelungen, in einem System, das fast automatisch eine wissenschaftliche Monokultur

sind vermutlich diesen Überlegungen geschuldet.

evoziert, die kleinen Fächer – wie z.B. Mittellatein und Indogermanistik – zu integrieren und damit die Fächervielfalt zu retten. Und wir haben es geschafft, mit einem sehr überschaubaren

Nun will es keiner gewesen sein.

Verwaltungsaufwand, die Qualitätsprozesse in Gang zu setzen.

Die Unternehmen, die noch vor Jahr und Tag für eine Verkürzung des Hochschulstudiums

Die Gespräche mit den Fachschaften, dem Konvent und der Studierendenvertretung haben wir

plädierten, schließen sich der allgemeinen Schelte ebenso an wie die Politiker, die einst die Um-

an der FAU bereits im vergangenen Jahr begonnen. Regelmäßig wird von Seiten der Universi-

stellung in gesetzliche Vorgaben fassten.

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tätsleitung und der Verwaltung über den Stand der Umstellung berichtet und die Perspektive der

Insgesamt bedeutet die neue Studienstruktur eine Kulturveränderung an der Universität: man

Studierenden notiert. Ihre Anmerkungen fließen in die Nachjustierung von Prüfungsordnungen.

muss mit anderen kooperieren, Hochschullehrer müssen sich absprechen und viel häufiger prüfen als bisher.

Der Diskurs mit den protestierenden Studenten stellt sich derzeit als sehr schwierig dar, weil die Bedingungen der Umstellung so komplex sind, dass sie leider auf kein Plakat passen.

Auf der anderen Seite wird dem Studierenden, der nach G8 mit 17 Jahren an die Universität kommt, ein transparentes Studiensystem geboten, das die Studierenden mit ihren Evaluationen

Die deutsche Hochschulpolitik hat es abgelehnt, einen BA nach angloamerikanischem Vorbild zu

mitbestimmen können. Die Studierenden haben die Möglichkeit, statt ein Studium abzubrechen

stricken. Dort bedeutet ein BA eine breite Grundorientierung im gewählten Wissenschaftsgebiet,

nach sechs Semestern und einem BA-Abschluss auf Arbeitssuche zu gehen. Sie können sich wei-

Einführungen in die Methodiken der Fächer und jede Menge sogenannter Softskills.

ter im Master dann noch einmal ganz neu spezialisieren und auf diese Weise unterschiedlichste Kompetenzkombinationen erwerben, die viel individueller angelegt werden können als bisher.

Die deutschen Universitäten haben diese unspezifische, eher allgemeinbildende Orientierung nicht übernommen. Sie haben versucht, die hohen Standards deutscher Diplome zu halten und

Und – erste Absolventenstudien haben ergeben, dass der Bachelor wesentlich besser ist als der

wenn – wie die Politik das forderte – für ein Studium nur noch die Regelzeit von 6-8 Semestern

Ruf, der ihm jetzt angedichtet wird. BA-Absolventen haben auch in der Geisteswissenschaft

zur Verfügung stand, um den Studenten auf den Arbeitsmarkt zu entlassen, dann sollte in dieser

relativ rasch eine Arbeitsstelle gefunden, die Zeiten für die Suche dauerte ebenso lange wie bei

Regelstudienzeit möglichst viel Stoff vermittelt werden. Die Folge war eine von den Studieren-

einem Magisterabschluss. Nur in den Naturwissenschaften, Fächer, die traditionell mit einer

den zu Recht beklagte Überfülle an Lernstoff. Heute, nach den Protesten und nach zwei Jahren

Promotion abschließen, ergibt der BA keinen Sinn. Hier rechnen die Fächer mit dem Regelab-

Erprobung des neuen Systems, scheint sich auch in der Politik herumgesprochen zu haben, dass

schluss »Master«.

Studienabgänger, die sechs Semester studiert haben, nicht das gleiche Niveau haben können wie ihre Kolleginnen nach zehn Semestern. Und so gibt es ganze Fachgruppen, wie Ingenieure und

Die Studierendenproteste haben eines gezeigt: eine solche Umstellung kann die Universität

Chemiker zum Beispiel, die inzwischen den Master als Regelabschluss verstehen.

nicht ohne zusätzliche Mittel bewältigen; insofern ist es gut, dass die Studierenden protestieren. Die Gefahr dabei ist, dass man zugleich eine Studienstruktur madig macht, die noch gar keine

Es ist auf jeden Fall eine positive Entwicklung, dass nun auch die rigoristischen ministeriellen

Chance hatte, sich zu bewähren. Das ist, als wolle man das Wendemanöver eines gigantischen

Vorgaben etwas gelockert werden und von den Universitäten jetzt nachgebessert werden kann.

Kreuzfahrtschiffs nach 10 Grad als gescheitert erklären. Das hieße die reellen Chancen der BA/ MA-Struktur versäumen und sich Zeiten herbeiwünschen, in denen ein Fach wie Philosophie

Diese altehrwürdigen Institutionen haben in den vergangenen fünf Jahren die größten Verän-

zum Beispiel 95 Prozent seiner Studienanfänger bis zum Magister verloren hat.

derungen seit 200 Jahren aushalten müssen. Neben Exzellenzinitiativen und Neuordnung der Gehaltsstrukturen für Professoren nach dem Leistungsprinzip, neben allen möglichen Profil-

Und die Theologie? Da wird sich so sehr viel in Zukunft nicht ändern. Die Grundstruktur des

maßnahmen und Innovationsbündnissen, müssen die Universitäten nach dem neuen Studien-

Studiums bleibt erhalten, nur die Prüfungen mehren sich. Mehr Seminare als bisher müssen mit

system ganz ungewohnte Tätigkeiten erledigen: da muss die Lehre in und zwischen den Fächern

einer Prüfung abgeschlossen werden, das wird all den Studierenden entgegenkommen, die sich

koordiniert werden, da müssen, um die Studierbarkeit zu gewährleisten, Absprachen getroffen

in diesem Studium alleingelassen gefühlt haben. Und die anderen? Denen wird es wohl nicht

werden über einzelne Module und Zulieferung von anderen Fächern, es müssen Garantien der

schaden.

Studierbarkeit abgegeben werden usw. Auch Absprachen über Prüfungen sind erforderlich und ein neue Kreativität in der Präsentation von Prüfungsformen.

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