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im p r e ss u m Herausgeber Urs Blöchliger Verlag Leo Verlag, Zügnisstrasse 34, 8143 Stallikon, 044 700 56 66 und 079 423 31 32, info@leoverlag.ch Druck NZZ Fretz AG Gestaltung StilEcht Visuelle Kommunikation Korrektorat Anton Rohr Auflage 20 000 Exemplare pro Ausgabe Erscheinungsweise Zwei Ausgaben pro Jahr – Juni und Dezember Vertrieb Partnernetzwerk, ausgesuchte Hotels, Restaurants und Lounges, Fachgeschäfte und exklusive Boutiquen, zahlreiche Arztpraxen sowie ausgewählte Standorte, wo das Magazin für den interessierten Leser aufliegt. Abonnenten Direktversand und kostenloser Versand an Opinion Leaders aus Wirtschaft, Sport und Politik Einzelverkaufspreis CHF 15.–/EUR 10.– Papier Planojet, weiss, Offset matt – Umschlag 240 g/m2 und Inhalt 120 g/m2 Medieninhaber und Eigentümer der Markenrechte Urs Blöchliger Titelbild Andrea Badrutt
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Imposant, wie er da oben stand, sein gutmütiges Gesicht eingerahmt von einem langen weissen Bart, und mit freundlicher Strenge den Trubel unter sich auf der Langstrasse beobachtete. Weder Wind noch Schneegestöber konnten ihm etwas anhaben, und seine rote Kutte mit den schwarzen Handschuhen und schweren Stiefeln bezauberten mich unglaublich. Ganz genau erinnere ich mich an diesen Samichlaus – er hat sich über all die Jahre in meinen Gedanken festgekrallt. Damals wohnte ich zeitweise bei meiner Grossmutter an der Rolandstrasse; und gleich links um die Ecke war das Schuhhaus Csuka. Mitte der 60er-Jahre liess der damalige Inhaber – aus Werbezwecken und zur Freude aller Kinder – auf dem Vordach ebendiesen Samichlaus aufstellen. Diese Eindrücke sind über vierzig Jahre alt, und ich stelle hier die Behauptung auf, dass mir dieser witzige Plastikmanns‑ göggel eine wichtige Orientierungshilfe war. Er symbolisierte für mich das Gute, und gleichzeitig war er für mich so etwas wie eine Uhr, nach der ich meine simple Kinderzeit richten konnte. Ich freute mich immer darauf, wenn er Ende November wieder an seinem Platz auf dem Vordach angebracht wurde. Dann war für mich die Welt in Ordnung, und ich wusste tief in mir drinnen, jetzt kann nichts mehr schiefgehen, alles wird gut … Wir alle haben solche Bilder im Kopf. Sie stehen als Synonym für Erfahrenes und Gelerntes. Sie dienen zur Orientierung im Alltag und vermitteln uns ein kleines Stück Sicherheit. Gewollt und ungewollt tauchen sie auf, verbinden Vergangenes und Gegenwärtiges, weisen rätselhaft auf Künftiges, tauchen wieder ab, zerrinnen oder wirken weiter. Sollten wir dieses unerschöpfliche Bildarchiv nicht kultivieren und dabei Kinderfantasien bewusst mit aktuellen Impressionen verknüpfen? Zwar kann ich nicht dafür bürgen, dass Sie dabei nur aufbauende Bilder abspeichern werden, und trotzdem ist es dieser Vorgang, welcher unsere eigenen Welten immerfort emotionalisiert und stimuliert. Ich denke, es kann sich lohnen, darüber nachzusinnen. Weihnachten steht vor der Tür, und dabei spielt kindliche Fantasie die zentrale Rolle. Wenn ich Sie dafür sensibilisieren konnte, dann ist das Ihr schönstes Geschenk an mich. Ein weiteres tolles Geschenk ist, wenn wir es schaffen, Sie mit unserer neusten Ausgabe zu begeistern, und Sie das Schöngeistige darin entdecken können. Herzlichst Ihr Urs Blöchliger
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Bubenträume wahr machen. Sei es ein Jaguar E-Typ V12 1972, ein Ford Thunderbird Convertible 1964 oder ein Chevrolet Impala mit knallroten Ledersitzen und seinen gigantischen Fledermausflügeln – an den Auktionen der Oldtimer Galerie im bernischen Toffen findet man beinahe alles für Herzensangelegenheiten dieser Art. Es ist nicht so, meint der Inhaber Reinhard Schmidlin, dass nur Kunden mit fetten Geldbörsen ihr Glück versuchen können. Es gibt für fast jedes Budget etwas Interessantes zu ersteigern. Wenn auch Mitbieten und Zuschauen zwei Paar Schuhe sind, ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall, und sei es nur darum, an der Bar den unzähligen Auktionsanekdoten zuzuhören. www.oldtimergalerie.ch
Trends aus allen Ecken der Welt. Die Adressen von Ligne Roset in Zürich und Dübendorf sind für Avantgardisten und Designfreaks ein klares Muss. Die Marke Ligne Roset wurde in den vergangenen Jahren zum Symbol für moderne Lebensart. Und sie trägt die Handschrift der bedeutendsten zeitgenössischen Designtalente aus der ganzen Welt. Es scheint, jedes Produkt wurde allein dazu erdacht, dem Auge gut zu tun und der Seele zu schmeicheln. Gemäss CEO Patrick Auby gehört eine offene Geisteshaltung und Kreativität zur Unternehmenskultur. Genauso wie eine gewisse Portion Nichtangepasstheit und intellektuelle Neugier. Aus dieser Philosophie heraus dürfte noch einiges an originellem und anspruchsvollem Design auf uns zukommen. www.ligne-roset.ch
Auktionen, Handel und zündende Ideen. Die Geschichte der Steinfels Weinauktionen – des ersten auf Weinversteigerungen spezialisierten Unternehmens – begann vor fast 30 Jahren. Aus dem Pioniergedanken hat sich währenddessen eine Institution entwickelt, welche von Weinliebhabern ebenso geschätzt wird wie von Gastronomen und Händlern. Das ausgesuchte und motivierte Team um Marc Fischer unterstützt den Laien wie auch den Kenner mit Rat und Tat – sei dies beim Degustieren wie auch beim Vorbereiten und Durchführen der regelmässigen Auktionen. Die bedachte Mithilfe beim Auf- und Ausbau des eigenen Weinkellers ist Ehrensache, und die originellen Veranstaltungskonzepte für Firmen und Privatpersonen bleiben unvergesslich. www.steinfelsweine.ch
T r e nds U N D K l assi k e r
Ascona ist immer eine Reise wert. Und wenn ich einmal dort bin, dann will ich es mir gut gehen lassen. Hierfür ist das «La Meridiana» die richtige Adresse. Das bezaubernde Hotel liegt im Dorfzentrum und an vorderster Front zum See. Dem Architekten ist es gelungen, das historische Tessinerhaus mit Mauerfragmenten aus dem Mittelalter mit Lifestyle, elegantem Komfort und moderner Baukunst zu kombinieren. Jeder Raum ist stilvoll gestaltet, und der Blick von der Terrasse auf den Lago Maggiore ist phänomenal. Und sollte es einmal regnen, so verbringe ich etwas Zeit im Leseturm aus dem 13. Jahrhundert und geniesse das Kaminfeuer. Ascona, ich freue mich auf dich. www.garni-la-meridiana.ch
La tavola della nonna. Für Insider sind die Genuss events von Vinivergani schon seit Jahren ein Geheimtipp. Mindestens zweimal im Monat werden Kulinarikfreaks und Weinliebhaber mit einem fulminanten 5-Gang-Menü verwöhnt. Für 99 Franken, inklusive eines Glases Prosecco zum Anstossen und eines Glases Weiss- oder Rotwein pro Gang. Durchgeführt werden die Veranstaltungen jeweils im authentischen Gewölbekeller direkt unter der Enoteca. Während sich Küchenprofis um das kulinarische Wohl der Gäste kümmern, sorgt der Gastgeber Reto Vergani für gute Stimmung und unterhält mit ausgesuchten Anekdoten sowie mit erstaunlichem Wissen über Wein und Weinbau. Wer sich einen Platz sichern will, dem ist geraten, frühzeitig zu reservieren. www.vinivergani.ch
Clarks-Schuhe wurden seit je von jenen getragen, die auf der Suche nach Authentizität und Originalität waren. Das Modell Wallabee beispielsweise wurde in den 60er-Jahren von Lance Clark entworfen und ist seither ein Klassiker mit Millionen von Fans. Jede Generation entdeckt Clarks für sich neu und macht sie in ihrer Zeit und in ihrem Stil einzigartig. Sascha Tarone machte sich diese Stärken zunutze und eröffnete am Werdmühleplatz 4 den ersten Clarks-Shop der Schweiz. Gut zu wissen, dass er sein eigenes Geschäft mit derselben Etikette führt, wie es sein Vater Salvatore im alteingesessenen Schuhgeschäft Lutomirsky an der Löwenstrasse seit über 30 Jahren tut. Qualität und Service gehören in diesen Häusern aus Tradition zusammen. www.clarks.ch
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D ER PER S Ö N L I CHE T I PP
Im Ausland Zürich war immer gut zu mir. Und dafür liebe ich diese Stadt. Doch manchmal braucht man Abwechslung. Helmut Berger, ein Schauspieler, hat einmal gesagt, im Restaurant «Haute» nebenbei, wohin ich ihn einlud, weil er nie Geld hat, er hat gesagt, man könne nicht immer mit der First Lady ins Bett gehen, man müsse auch mal in die Bronx fahren. Ich mache es – und bitte keine Rückschlüsse ziehen auf mein Sexleben – umgekehrt. Ich steige nicht ab, sondern auf und fahre ins «Baur au Lac», wenn ich ab und zu genug habe von meiner First Lady mit Namen Zürich. Dieses Hotel gehört zur Stadt wie der See, der Paradeplatz und die Bahnhofstrasse. Sobald man durch die Drehtüre tritt, den Concierge rechts links liegen lässt, zehn Meter weiter in die Halle geht und an einem Tisch sitzt, ist man im Grund nicht mehr in Zürich. Sondern in irgendeiner grossen Stadt in Internationalistan. Viele Leute in Zürich wissen nicht, dass es diese Halle gibt beziehungsweise dass man einfach rein darf. Darf man aber. (Obwohl Andrea Kracht, Verwaltungsratsdelegierter des «Baur au Lac», sagt, man halte die Schwellenangst absichtlich ein wenig hoch.) Ich finde, es gibt nichts Grossstädtischeres, als in dieser Halle an einem, sagen wir, Durchschnittsdienstagnachmittag ein Clubsandwich zu essen und Coca-Cola zu trinken. (Oder einen doppelten Johnny Walker, Black Label, je nachdem wie durchschnittlich der Dienstagnachmittag ist.) Jetzt ein Satz, den man sonst in Dokumentarfilmen über den Regenwald oder die Antarktis hört: «Doch dieses vielleicht letzte Paradies ist bedroht. Wir wissen nicht, wie lange es in dieser Form noch existieren wird.» Schuld ist, wie im Dokumentarfilm eigentlich, der Verwaltungsrat des Unternehmens. Dort wurde entschieden, umzubauen, inklusive Halle. Das ist aber keine so schlechte Nachricht: Kracht sagt nämlich, es werde weiter eine Halle geben, in die jeder darf. Und dass man weiter ein wenig Schwellenangst wird überwinden müssen. Ihr Mark van Huisseling.
Hotel Baur au Lac, Talstrasse 1, Zürich, Telefon 044 220 50 20
Hand w e r k
Sta dter e
Der riecht am holz
Seit sieben Generationen verarbeitet die Sägerei Heer Tannen zu Bauholz. Ein staunenswerter Besuch bei einem Familienbetrieb, von dem nicht klar ist, wie lange man ihn noch besichtigen kann.
Tex t Thomas Meyer | FOTOGR AFIE Andrea Badrutt
Der Städter steht ein bisschen doof vor der Sägerei im Trichtenhauser Tobel. Er hat schon lang keine Sägerei mehr gesehen und erst recht keine von innen. Aha, von hier kommt also mein Designer-Kirschbaum-Esstisch her!, scherzt er, während er zwischen den klobigen Maschinen herumspaziert, deren Funktion sich ihm auch bei längerem Hinstarren nicht erschliessen will, und Peter Heer, der Besitzer der Sägerei, sagt, nein, das sei alles Tannenholz, keine Kirsche. Aha, dann werden aus diesen Brettern in dem Fall Designer-Tannenbaum-Esstische!, scherzt der Städter weiter, und Peter Heer entgegnet, nein, aus Tanne mache man keine Möbel, sondern Dachstöcke. Dies sei eine Bauholzsägerei, man beliefere hier Handwerker, Zimmerleute und Dachdecker. Peter Heer ist ein anständiger Mensch, er verzeiht die Ignoranz des Städters.
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Und die ist grenzenlos, wenn es um solche Angelegenheiten geht. Peter Heer ist der fünfte Heer, der hier die Tannen zersägt. Bis vor zehn Jahren war er als Treuhänder tätig, doch weil sein Vater zu alt geworden ist, die Sägerei zu betreiben, hat er sie übernommen. Wie das denn sei, vom Büro in die Sägerei, will der Städter wissen, während er sich über ein Brett beugt und tief einatmet und mit den Händen über die Maserung fährt und dabei befürchtet, sich einen Splitter zu holen. Das sei gut, sagt Heer, zwar hart, sogar sehr, aber gut. Keine falschen Probleme mehr, nur noch echte, erklärt er später im Café. Sein Auto ist voller Späne. Der Städter hat darum ein paar an seinen Hosen und damit ein vielleicht falsches, aber dennoch erhebliches Problem. Verstohlen klopft er sich das Zeug vom Zwirn. Heer grinst. Die Sägerei wird in Urkunden 1685 erstmals erwähnt, bestanden hat sie aber schon länger. Das steht in einem riesigen Buch, welches Heers Mutter mit viel Liebe und Sorgfalt angefertigt hat. Man liest darin vom Sager Stüssi aus dem Glarnerland, der im Sommer eine Bergwirtschaft betrieb und im Winter bei den Heers arbeitete; man liest davon, dass der kleine Heer damals, der Urgrossvater von Peter Heer, immer auf dem Sagiwagen mitfahren durfte, und weil er dabei jeweils einschlief, musste ihn der Sager Stüssi mit einem Brett sichern, damit er nicht vom Wagen rutschte, und der Städter muss lachen, denn mindestens einmal ist das ja wohl so passiert, bevor der Sager Stüssi auf die Idee kam, es mit einem Brett zu verhindern. In diesem wunder baren Buch hat es auch viele Fotos, auf denen ärmliche Männer mit Schnäuzen und Bärten und Pfeifen im Mund und mit riesigen Händen und Kleidern aus dickem Stoff vor Pferdewagen mit Baumstämmen stehen; den Tannen, die sie in der Umgebung geschlagen haben und nun in die Sägerei bringen, die damals ein einfaches Holzgebäude war, dessen Linien in keiner Weise zusammenpassen wollten, und natürlich denkt sich der Städter: Also bitte, da haben sie eine Sägerei und bekommen nicht mal ein anständiges Holzgebäude hin, und dann schämt er sich ein wenig für diese städtischen Gedanken und blättert weiter und bewundert auf anderen Bildern die Mühle, die 1872 durch Heinrich Heer-Bär zugekauft wurde. Damals gab es noch richtige Mühlen, wo der Weizen unter dem Mühlstein zermahlen und der Mühlstein vom Wasserrad angetrieben wurde,
und das Wasser plätscherte und das Holz knarrte und der Stein grummelte dumpf, und all das machte den Müller dösig, und die Luft war voll tanzendem Weizenstaub, und der Städter schaut in das Buch und damit in eine andere Zeit, die dabei wieder lebendig und farbig wird, auch jene Zeit in der Sägerei, wo die bärtigen Männer mit ihren riesigen Händen die Stämme zu Brettern sägten, und es roch damals so wie heute, nach Harz und Arbeit und Leben. Mittags gab es eine Suppe. Eine Hose hielt damals zwanzig Jahre und eine Ehe ein Leben lang. Keine falschen Probleme. 1970 wurde die Sägerei komplett neu gebaut. (Diesmal anständig, wie der Städter etwas spitz feststellt, während er die Fotos betrachtet.) Das Gebäude hat nun eine schöne Form, ist aber trotzdem funktional mit viel Platz unter dem Dach, das nach vorne offen ist, sodass man tausend Bretter hineinstapeln kann. Der Kran neben der Sägerei, der das macht, ist uralt. Er sieht ein bisschen gefährlich aus. Ist er es? Peter Heer schaut den Kran an und dann den Städter, und dann grinst er wieder. Auf anderen Bildern, in den eigentümlichen Farben der Jahre um 1980, stehen Männer im Wald, in der eigentümlichen Mode aus jener Zeit, um sie herum stapeln sich frisch geschlagene Tannen. Die Männer sind Holzhändler, die einander überbieten. Man sieht, dass sie sich schon lange kennen und einander schon lange überbieten. In einer gewissen Weise sind es dieselben Männer wie auf den alten Bildern, einfach ohne Bart und in dünneren Stoffen. Der Städter fragt sich: Ist das die Zeit? Die Bärte verschwinden, die Stoffe werden dünn und die Probleme falsch? Heute ist die grosse Zeit der kleinen Sägereien vorbei. Ein paar riesige Unternehmen erledigen die meiste Arbeit und bieten sie darum günstiger an als die Familienbetriebe, deren Überleben damit gefährdet ist. Auch die Sägerei Heer kann eine kaputte Maschine nicht einfach so ersetzen, und solange der Kran noch Lasten heben und senken kann, steht ein neuer, vertrauenswürdigerer auch nicht zur Diskussion. Peter Heer, was machen Sie, wenn die Sägerei eines Tages nichts mehr zum Sägen hat? Heer schweigt.
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Der Städter schaut den schönen alten Kran an und die schöne Sägerei und dann die Buddhas aus Stein, die überall herumstehen, und er fragt Heer, was das für Figuren seien, und hört, dass nahe der Sägerei die Frau Angelika Tischendorf wohne, die in Zürich in einem Geschäft namens Angel’s East Kunst aus Indonesien und Bali verkaufe und einmal bei der Sägerei vorbeispaziert sei und dem Herrn Heer gesagt habe, die Sägerei sei doch ein prima Ausstellungsgelände für ihre Steinbuddhas, und weil es noch andere schöne Sachen aus Indonesien und Bali gibt, stehen die nun auch alle dort, darunter Brunnen und Vasen und Lampen und Designertische, und der Städter scherzt, aha, also doch Designertische!, und Peter Heer sagt, jawohl, aus indonesischem Massivholz. Der Städter beugt sich darüber und atmet tief ein. Es riecht auch gut, aber nicht so gut wie in der Sägerei drüben. Dort verarbeitet die Säge gerade lauthals eine Tanne zu Balken, und aus diesen wird dann ein Dachstock, so, wie es schon seit vielen Jahren geschieht; viele Tannen aus den Wäldern hier sind zu Dächern in den Dörfern in der Umgebung geworden. Aber wenn es noch lange schwierig ist, müssen die Zimmerleute und Handwerker ihre Bretter woanders holen. Es war sehr nett bei Ihnen, Herr Heer, sagt der Städter, nachdem er sich noch ein paar Späne von der Hose gestrichen hat. Leider brauche ich gerade keinen Dachstock, sonst würde ich Ihnen sofort einen abkaufen. Aber den kleinen Steinbuddha dort, den hätte ich gern. Der passt prima auf meinen Designerbalkon in der Stadt. Weitere Informationen unter www.steinundholz.ch
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MODE
EINE HÜLLE GEGEN DEN
WINTERBLUES Träge fliesst die Limmat an der Wasserkirche. Der Himmel ist so grau wie die Fassade des Fraumünsters. Ver lassen schaukelt die Frauenbadi auf der Wasseroberfläche auf und ab und wartet darauf, bis der Frühling kommt und mit ihm die Badenden.
Tex t CHRISTINA HUBBELING | FOTOGR AFIE DOLORES RUPA
Die Winterstimmung hat die Stadt Zürich in Besitz genommen. Es ist eine schöne Stimmung, finde ich. Das Licht ist weniger grell als im Sommer, die Launen wirken nicht so aufgesetzt und angestrengt fröhlich. Sind wir schön dick eingepackt, mit langem Schal, Mütze, dicken Leggins und einem warmen Mantel, können einem die Temperaturen nichts anhaben. Das ist denn auch der Grund, der mich an diesem Herbsttag in die Altstadt führt: Ich mache mich auf die Suche nach tragbarer Winterstimmung in Form eines Schals und eines neuen Wintermantels. Neues Schuhwerk ist natürlich auch stets willkommen, auch eine Mütze gegen Wind und Wetter wäre nicht schlecht. Die alte macht einen verfilzten Eindruck und sieht irgendwie nach ewiger Berufsjugendlichkeit aus. Kleider und Accessoires altern – genau wie Menschen – eben nicht immer zwingend mit Eleganz und Würde.
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Mein inneres GPS ist auf die Kirchgasse programmiert, wo sich die Boutique LOOQ befindet. Schon einige Male bin ich an deren Schaufenster vorbeigegangen, habe Blicke ins Innere des Geschäfts geworfen und registriert, dass hier viel gelacht, geschwatzt und auch Kaffee oder Cüpli getrunken wird – sehr sympathisch. Heute werde ich nicht am Schaufenster vorbeigehen. Heute werde ich zielgenau durch die Eingangstüre schreiten. Als ich das schliesslich mache, wird mir auf Anhieb klar: Das hier ist nicht einfach eine weitere Kleiderboutique in dem bereits gut dotierten Zürich. LOOQ ist anders. Ein bisschen unkonventioneller, ein bisschen schräger, avantgardistischer. Hier findet man Kleider, die nicht alltäglich sind und trotzdem alle Tage getragen werden können. Wie der Name schon suggeriert, geht es um den «Look», um die Gesamterscheinung. Man – oder besser gesagt Frau, denn diese Boutique führt keine Herrenmode – kann sich von Kopf bis Fuss einen individuellen Look verpassen. Für jede Stimmungslage und Laune, für jede Gelegenheit und jeden Dresscode gibt es das Passende. Das ist ganz praktisch, denn schliesslich tragen wir in der Regel das, wonach uns gerade der Sinn steht. «Wir alle sind doch unseren Launen unterworfen», sagt Tatjana Burkhardt, die Geschäftsführerin, «da ist es ganz normal, dass man seinen Stil je nach Gemütszustand, Tagesform und Anlass ändern und variieren will.» Im Moment steht mir der Sinn nach Wärme. Ich suche mir eine Hülle gegen die Winterstimmung. Ich finde sie im Erdgeschoss. Hier hängen und liegen die eher ausgefallenen, unkonventionelleren Teile. Kleider im Boheme-Chic oder Garçonne-Stil. Weites, Voluminöses, Asymmetrisches, Grafisches, Gestricktes, aber auch Düsteres und Rockiges – Stücke, die den guten Stil ungewohnt inszenieren. Schräge Eleganz und intellektuelle Weiblichkeit. Aber auch die avantgardistische, weite Mode von Limi Yamamoto alias «Limi Feu», der Tochter des japanischen Modedesigners Yohji Yamamoto, die auf den Pariser Laufstegen vom letzten Herbst als begabte Newcomerin gefeiert wurde.
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Dass LOOQ ihre Kollektionen führt, darauf ist Tatjana Burkhardt schon ein bisschen stolz, wie sie sagt. Tatjana Burkhardt führt das Geschäft zusammen mit drei weiteren starken Frauen. Seit einem Jahr schon. Eines ist den vier gemeinsam: ihre ungebrochene Leidenschaft für Mode. Dass Tatjana Burkhardt und ihr Team die Kleiderboutique in der Nähe des Grossmünsters aus Passion und mit einem stilsicheren Gespür fürs Zeitgeistige führen, macht die Sache spannend. Tatjana Burkhardt hat über schöngeistige Umwege zur Mode gefunden: Eigentlich ist sie Historikerin. Sie studierte in Sibirien Geschichte und kam vor fast 20 Jahren als eine der ersten Russinnen mit einer privaten Einladung in die Schweiz. Kaum habe ich das Geschäft betreten, wird mir ein Espresso offeriert, der, wie es sich gehört, von einem Glas Wasser eskortiert wird. Ich trinke den Kaffee, man redet ein bisschen über dies und jenes, über die Zuzüge und Wegzüge im Quartier, darüber, dass die sensationelle Daniela Chemelli leider nicht mehr nebenan wirten darf – und natürlich auch ein bisschen über Mode. Die Stimmung ist unkompliziert, die Atmosphäre persönlich und der Umgangston unaufgesetzt freundlich. Aufgeschwatzt wird einem hier nichts. Das haben die LOOQ-Frauen schlichtweg nicht nötig. Sie beraten, unaufdringlich. Die Kleider sprechen für sich. Es sind Objets de désir, die einem nicht aufgedrängt werden müssen, weil man sie eh haben will. Wie zum Beispiel dieser voluminöse Strickmantel von Hannes Roether. In Grau. Grau wie die Fassade des Fraumünsters. Grau wie der Himmel, der heute keinem einzigen Sonnenstrahl auch nur einen Hauch von einer Chance geben will. Hannes Roether ist ein deutscher Designer, der in letzter Zeit von sich reden lässt. Sie ahnen es natürlich schon, selbstverständlich werde ich diesen Hannes-Roether-Mantel erwerben. Und was ich auch machen werde: Ich werde hinterher Hannes Roether googeln. Und dabei herausfinden, dass ihm das Stricken schon als Primarschüler in der Rudolf-Steiner-Schule beigebracht worden ist. Mit 13 bekam er dann von seiner Oma eine Nähmaschine geschenkt, die dann aber anscheinend explodierte (natürlich die Maschine, nicht die Oma).
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Wie schön, wenn man ein Kleidungsstück trägt, das mit einer hübschen Geschichte verbunden ist. Ich kann ja leider nicht nähen und auch nicht stricken, obwohl ich auch die SteinerSchule besucht habe. Neun Jahre lang. Im Leben ist eben für nichts garantiert. Gut, ich habe also gefunden, wonach ich suchte. Bevor ich das Geschäft wieder verlasse, schaue ich mir noch das obere Stockwerk an, wo sich die mehrheitlich klassischen Teile befinden. Wobei «Klassisches» hier immer auch über eine Prise Nonkonformismus verfügt. Was mir hier gefällt, ist die subtile Art des Stilbruchs, den die vier Frauen ziemlich raffiniert umzusetzen wissen. Sie sind nämlich der Ansicht, dass gerade die kleinen Ungereimtheiten einen Stil erst richtig interessant machen. So werden die eleganten Kleider gerne mit schrägen Accessoires kombiniert. Diese spielen denn auch eine zentrale Rolle. So findet man nebst den Kleidern auch Ketten, Anhänger, Taschen, Gürtel, Schuhe, Schals oder Mützen. Ich verlasse die Kleiderboutique nach rund einer Stunde, die mir vorgekommen ist wie fünf Minuten, in aufgeräumter Stimmung. In der Tasche ein Hannes-Roether-Mantel und eine Mütze. Eine Mütze, die zum Mantel passt und, wie ich finde, jedem Anflug von Berufsjugendlichkeit entgegenwirkt. Dass sie dennoch ein bisschen rockig ausschaut, ist völlig okay. Wie war das noch genau mit dem kleinen Stilbruch? Eben. Weitere Informationen unter www.looq.ch
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U r b an e s z ü r i c h
Ein kleines
KO nigreich e
Das Gebiet um die einstige Grossbrauerei Hürlimann ist eines der unzähligen umgenutzten Industrieareale in der Stadt. Hier wohnt, arbeitet und geniesst der urbane Mensch auf gehobenem Niveau – und das an einem äusserst idyllischen und geschichtsträchtigen Ort.
Tex t Stephan Pörtner | FOTOGR AFIE Christoph Köstlin
Als ich das letzte Mal hier war, fuhr ich mit meinem verbeulten Lieferwagen der Marke Peugeot auf das Brauareal, um ein paar Kisten Aventinus-Weizenstarkbier zu holen, die ein Kunde bei mir bestellt hatte. Ich hatte damals mit viel Herzblut und Idealismus einen kleinen Getränkehandel gegründet, und die Brauerei Hürlimann stand noch in vollem Saft. Sie hatte sogar den Stadtzürcher Konkurrenten Löwenbräu geschluckt und thronte selbstbewusst auf dem Hügel wie ein kleines Königreich. Die eindrucksvollen Backsteinbauten und das charakteristische Brauhaus waren von weitem zu sehen, und in der Villa Hürlimann residierten seit Generationen die Patrons selbst. Die Brauerei Hürlimann gab es damals schon seit über hundert Jahren, und sie würde mich mit meinem kleinen Getränkehandel ohne Frage um Generationen überleben.
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Dachte ich. Wie man weiss, kam es anders. Inzwischen habe ich mich aus dem Getränkehandel zurückgezogen, doch den bescheidenen Betrieb von damals gibt es noch immer, er feierte heuer sein 20-Jahr-Jubiläum. Geblieben ist meine Vorliebe für Bier und das Interesse für Brauereien. Die Branche wurde wie so viele andere in den letzten Jahrzehnten komplett aufgemischt, und heute gibt es nur noch die ganz Grossen und die ganz Kleinen. Aber das ist wohl eine andere Geschichte. Diesmal fahre ich mit dem Velo zum Hürlimann-Areal. Hier erinnern nur noch der Name und die ehrwürdigen Gebäude an alte Zeiten. Das weitläufige Gelände rund um die ehemalige Brauerei wurde neu gestaltet und mit imposanten Neubauten ergänzt. Ähnlich wie in Neu-Oerlikon hat man hier Alt- und Neubauten gemischt und ein modernes kleines Quartier entstehen lassen. Es ist ja eigentlich zentrumsnah, aber trotzdem komme ich hier selten vorbei. Die Lage an der Sihl ist ganz idyllisch, und wenn man von Wiedikon her über den neuen Bahnübergang kommt, dann ist es nicht so, dass man mitten im pulsierenden Leben landen würde. Es ist eher ruhig hier, und an einigen Ecken wird noch gebaut. Besonders oben auf dem Hügel, da, wo sich früher das Brauhaus befunden hat. Hier sollen in Kürze ein Hotel und die grösste Bäder- und Wellnessanlage der Stadt eröffnet werden. Gebadet soll dereinst in aufgeheiztem Aqui-Mineralwasser werden, dem Quellwasser, mit dem früher gebraut wurde. Ob es in der geplanten Bäderwelt auch ein Bierbecken geben wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Das Bad
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wird in die alten Braugebäude integriert, und das Ganze verspricht ziemlich spektakulär zu werden. Hier wird offenbar verwirklicht, was am Tiefenbrunnen nicht zustande kam. Als Bäderfreund werde ich die neue Anlage sicher einmal testen. Wenn sie dann fertig ist. Fertig sind hingegen die neuen Bürogebäude neben den aufwendig renovierten alten Werkgebäuden im hinteren Teil des Geländes. Hier wird offensichtlich gearbeitet und Geld verdient. Von den Firmen, die sich hier eingemietet haben, kennt man einige. Es sind renommierte Anwaltskanzleien, bekannte Unternehmensberatungen, Immobilienhändler und Finanzboutiquen darunter. In einem Fenster werben Plakate für Finanzprodukte, und ich vermute, dass es den Leuten in diesem Büro zurzeit wahrscheinlich nicht so gut geht. Die Finanzkrise ist in vollem Gange. Ernst & Young. Was machen die jetzt schon wieder? Und ich sehe das Google-Logo. Hier sind die also. Die wahrscheinlich meistdiskutierte Firma der Stadt. Vor dem Google-Eingang stehen Velos, auch Google-Velos sind darunter. Hinter der Glasscheibe wird Billard gespielt, die Leute tragen Jeans und T-Shirts, auch Google-T-Shirts. So, wie man sich das vorstellt. Vom Hürlimann-Übergwändli zum Google-T-Shirt. Wenn das nicht symbolträchtig ist. Als die Hürlimann 1996 von Feldschlösschen geschluckt wurde, da gab es Google noch gar nicht. Heute kann man sich gar nicht vorstellen, dass es Google irgendwann mal nicht mehr gibt. Aber auch das ist eine andere Geschichte.
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Es ist nun Mittag, die Sonne scheint verhalten. Schwer zu sagen, ob es warm oder kalt ist. Wärmer jedenfalls als in den letzten Tagen, die den Sommer so abrupt beendet haben. Ich schlendere über das Areal und versuche zu rekonstruieren, wo ich damals die Bierkisten abgeholt habe. Ich glaube, genau dort, wo man jetzt Yoga und Pilates anbietet. Das passt ja irgendwie. Sowohl Weizenbier wie Yoga tragen zum geistigen und körperlichen Wohlbefinden bei. Schon bei meiner Ankunft habe ich festgestellt, dass der Aquibrunnen nicht mehr da steht, wo er ehemals einmal war. Der war früher ein beliebtes Ausflugsziel, vor allem für die südländischen Gastarbeiter. Am Feier abend und erst recht am Samstag reihten sich an der Brandschenkestrasse die Autos auf dem Trottoir, und die Leute füllten Flasche um Flasche mit dem gesunden Quellwasser. Dort, wo ich mein Velo abgestellt habe, auf dem grossen, etwas leeren Hürlimannplatz, entdecke ich den Brunnen dann doch noch. Er ist jetzt ein modernes Kunstwerk, und das Wasser sprudelt aus vier Schläuchen, die wie Duschschläuche aussehen. Nicht so hübsch wie früher, denke ich, beliebt scheint er hingegen immer noch zu sein. Eine alte Dame füllt sich gerade ihre PET-Flaschen mit dem Gratismineralwasser auf. Vielleicht wohnt sie ja in der Seniorenresidenz, die sich ebenfalls auf dem Areal befindet. Auf meinem Streifzug über das Gelände komme ich an zwei kleinen verwunschenen Riegelhäusern vorbei. Im Garten steht ein Grill. Na so was. Eine unerwartete Einfamilienhausidylle mitten zwischen alten Industriebauten. Im Untergeschoss eine kleine Kunstgalerie. Ich befinde mich jetzt auf der eigentlichen Ladenstrasse, zwischen den alten Werkgebäuden. Designmöbel und Wein und was es sonst noch so für den gehobenen Lebensstil braucht. Es passt zu der Atmosphäre, die so typisch neuzürcherisch ist. Alles sehr schön, alles recht edel und stilvoll, aber auch ein bisschen unterkühlt. Männer im Anzug mit Plastikbehältern in der Hand und Handys am Ohr eilen vorbei. Doch da ist ja auch ein kleines Geschäft für Umstandsmode. Offenbar sind die Menschen hier nicht ganz so kühl, wie sie scheinen. Dieser Eindruck bestätigt sich, als ich das Restaurant Juan Costa betrete. Gerade traut ein Grüppchen Unentwegter den ersten scheuen Herbstsonnenstrahlen seit Wochen und lässt sich auf der Terrasse nieder. Bald gesellen sich andere dazu, und trotz der leichten Bise kommt ein wenig Sommerstimmung
auf. Ich gehe an die Bar, um einen Espresso zu trinken. Am Zapfhahnen gibt es immer noch Hürlimannbier. Immerhin, denke ich mir. Auch wenn es jetzt aus dem Kanton Aargau kommt. In diesem Teil des Lokals geht es äusserst lebhaft zu und her. Es wird ausgiebig zu Mittag gegessen, diskutiert und gelacht. Das mediterrane Ambiente scheint durchzuschlagen, es wird gequalmt (offenbar ist dies der Raucherteil), Wein getrunken, und Carajillos werden geordert, man hört Schweizerdeutsch, Englisch, Französisch und Spanisch. Keine Spur von hastigen Businesslunchs und kühler Zurückhaltung. Ich staune. Eine Gruppe Bauarbeiter kommt herein und setzt sich an die Bar, um Kaffee zu trinken. Die Mittagsrunde nebenan gönnt sich noch einen Nachtisch. Ich habe meinen zweiten Espresso getrunken und gehe wieder nach draussen. Die Gäste auf der Terrasse sind immer noch da, eine Frau schiebt einen Kinderwagen über den Platz, und auch auf den Bänken des Hürlimannplatzes haben sich Leute niedergelassen. Zum Abschluss trinke ich noch einen Schluck Aqui vom Brunnen und radle davon. Weitere Informationen unter www.huerlimann-areal.ch
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L I FE S TYLE
kleines
KU chen e
-Latein
Moderne Innenarchitektur versteht die Küche als ein zentrales und vorzeigewürdiges Element des Wohn bereichs. In einer Küche mit beeindruckendem Design lassen sich die Gastgeber bisweilen gerne mal über die Schulter blicken.
Tex t Gaston Fasnacht | FOTOGR AFIE Dolores Rupa
Apéro – Kopf und Bauch wollen auf die bevorstehenden Köstlichkeiten eingestimmt sein. Beim ersten Augenschein in der Küchenausstellung stellt sich eine gespannte Erwartung ein – fast wie bei einem geselligen Apéro. Der geplante Umbau der Wohnung ist ein willkommener Anlass, sich über Möglichkeiten und Trends im modernen Küchenbau zu orientieren. Im Ausstellungslokal eröffnet sich eine beeindruckende Welt aus Kochfeldern und Glanzlack, Naturstein und Chrom, Schubladen systemen und Abwaschtechnik – da hat sich in Küchendesign und Küchentechnik ganz schön viel getan in den letzten Jahren! Aufgeräumte, minimalistische Linien für Arbeitsflächen, Schrankfronten, Waschbecken sowie Systeme mit versteckten Funktionalitäten rücken die gezeigten Installationen eher in den Wohnbereich als in die Domäne der Domestiken. Ganz nach
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dem schon seit einigen Jahren gültigen Grundkonzept der «Living Kitchen», des angelsächsischen Design-Etiketts, welches die Küche in die Wohnlandschaft integriert. Damit wird sie auch zur Bühne für einen Lebensstil, in dem das Abendkleid nicht mehr unbedingt aus dem Küchenbereich verbannt ist. Ganz im Gegenteil: Der Ort, wo das bevorstehende Festmahl zubereitet wird, kann auch zur Vorzeigewerkstatt von kulinarischen Höhenflügen werden, die man seinen Gästen keineswegs vorenthalten will. Denn edles Küchendesign schreit geradezu danach, vorgeführt zu werden. Auch dann – oder gerade dann, wenn die Dame oder der Herr des Hauses in Abendgarderobe dabei ist, dem bereitgestellten Spargelflan des Entrées mit elegantem Schwung die zarte, rahmverfeinerte Orangensauce beizufügen. Erster Gang – Wollen wir für den Küchenbau beim Bild einer Menüabfolge bleiben, dann könnte man die Auswahl von Ausstattung und Küchengeräten der Vorspeise zuordnen. Das ist die Vorstufe für die Detailauswahl und schliesslich für Einbau und Montage der neuen Küche. Im ersten Schritt geht es also zunächst darum, vage Präferenzen für Küchenmöbel und Geräte näher zu konkretisieren. Dabei ist es oft nicht einfach, ständig das Gesamtbild im Auge zu behalten. Denn die verschiedenen Formen, Oberflächen und Geräte sollen schliesslich als stilistische Einheit wahrgenommen werden. Gefragt ist hier die Kompetenz von guten Gestaltern. Gerade hochwertige Elemente müssen aufeinander abgestimmt werden.
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Nur so kann sich die Wirkung des Designs entfalten», meint Innenarchitektin Katharina Bütler von Boffi Zollikon, Showroom und Filiale des grossen italienischen Küchen designers. Bei einem geplanten Küchenumbau – wie in unserem Fall – ist ein Grundrissplan von Wohn- und Küchenbereichen vorteilhaft. Sofort erkennt Frau Bütler die Schwachpunkte der alten Küche: «Zu wenig Arbeitsfläche. Der Herd steht rechts statt links – für Rechtshänder ein Handicap.» Und ganz vorsichtig erkundigt sie sich auch, ob beim Umbau allenfalls eine Wand entfernt werden könnte. Zuallerst geht es aber darum, die Bedürfnisse möglichst genau abzuklären: Wie gross ist die Familie? Wie häufig werden Gäste eingeladen? Für welche Grösse soll die Küche ausgelegt werden? Welchen Bedarf gibt es für Stauraum und Vorräte? Auch kulinarische Vorlieben wollen besprochen sein, denn sie haben Einfluss auf den Gerätebedarf: Soll der Backofen mit einem Steamer kombiniert werden oder eher mit einem Mikrowellengerät? Braucht es gar einen Teppanyaki-Showgrill für japanische Steaks? Hauptgang – Die Möglichkeiten der Umgestaltung zeigt uns Frau Bütler anhand von ersten Skizzen, begleitet von direkter Anschauung an Geräten und Arbeitsflächen, Schränken und Schubladensystemen in der Küchenausstellung. Skizze um Skizze kommen wir der Lösung näher. Der Herd wird links platziert, Hochschränke ermöglichen eine Arbeitsfläche von vernünftiger Grösse. Der Geschirrspüler wird in die hintere Ecke verlegt. Das bedingt zwar einen neuen Wasseranschluss, dafür müssen keine Wände verschoben werden. Bevor wir zum «Hauptgang» gelangen, der endgültigen Platzierung und Auswahl von Geräten und Materialien, werden wir uns die neue Küche anhand von überarbeiteten Detailskizzen vorzustellen versuchen – um schliesslich alles noch ein paarmal zu überschlafen. Das Ringen um Entscheide erscheint gelegentlich als harte Arbeit, gleichzeitig ist es spannend und faszinierend, den kontinuierlichen Planungsfortschritt zu erleben. Zumal darauf Verlass ist, dass Frau Bütler sowohl die planerischen Details als auch das Gesamtbild der fertigen Küche immer im Auge behält. Sie hat ja auch schon einiges erlebt: Beispielsweise eine explizit gewünschte Überhöhe der Arbeitsfläche wollte die Bauherrschaft nach der Kücheneinweihung wieder aufs Normalmass zurückgestutzt haben – ein später und teurer Änderungswunsch.
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Oder nach Fertigstellung erhielt sie einen dringlichen Ruf nach Soforthilfe für das Einräumen der Küchenschränke. Und was sind Höhepunkte im Alltag der Innenarchitektin? «Wenn ich hin und wieder zu einer Kücheneinweihung im Familienkreis der Auftraggeber eingeladen werde», meint Frau Bütler. Wo sind wir stehen geblieben? Bei den Materialien: Chrom ist nicht mehr so gefragt, auch uns gefällt Naturstein viel besser. Am liebsten mit sichtbaren Einschlüssen und Adern. Erfreulich dabei: Das ist günstiger als gleichmässige Muster – und passt trotzdem gut zu den ausgewählten, glänzend-weissen Polyesterschränken. Apropos Kosten: Billig kann eine Küche mit funktionalem Design in edeln Materialien und modernsten Apparaturen natürlich nicht sein. Aber für ein Haus oder eine grössere Eigentumswohnung erscheinen sie gerechtfertigt, zumal die Küche in der Regel eine Investition für zwanzig oder noch viel mehr Jahre ist und jedenfalls einen deutlich längeren Nutzungshorizont besitzt als ein Sofa. Dessert – Sind einmal alle Entscheidungen gefällt und alle Details geklärt, gehts an den Einbau und die Montage. Eine Phase, welche die Bauherrschaft kaum belasten sollte. Denn zur Gesamtplanung gehört auch die Orchestrierung von Baufirma, Bauarchitekten, Gerätelieferanten, Elektrikern und Installateuren. Mit dem Bau- oder Umbaufortschritt intensiviert sich die Vorfreude auf das fertige Produkt. Ganz am Schluss, wenn schliesslich der ganze Baustaub weggewischt ist und auch die Besitzer angepackt haben, um Geschirr, Besteck und Vorräte einzuräumen und den Kühlschrank zu füllen, kommt der grosse Moment, quasi der Dessert des ganzen Umbaus: das erste Festmahl für Familie und Gäste aus der neuen Küche. Weitere Informationen unter www.boffi-suisse.ch
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der private
Banker In Zürich gibt es über 40 000 Bankangestellte – und fast ebenso viele Klischees. Über einige von ihnen sprachen wir mit Walter Thoma, Leiter Private Banking bei Vontobel. Und staunten über seine Stresstheorie.
Tex t Matthias Mächler | FOTOGR AFIE Marc Kollmuss
Der Mann ist stauresistent: Über eine halbe Stunde sass er in den verstopften Strassen Zürichs fest. Doch jetzt blickt er so gelassen in die Morgensonne, als hätte er gerade eine Lektion in Zen-Buddhismus hinter sich. «Man soll sich nicht über Dinge ärgern, die man nicht beeinflussen kann», sagt er und nippt am Espresso. Walter Thoma ist 48-jährig und Leiter Private Banking der Vontobel-Gruppe. Eine wache, interessierte und dennoch zurückhaltende Erscheinung. Ohne die auffällige IWC Portugieser am Handgelenk und die assortierten Manschettenknöpfe in trendigem Rot-Gold ginge er auch als Tourismus direktor oder gar als Pfarrer durch. Thoma lacht: «Pfarrer? Das hat sich meine Mutter immer für mich gewünscht.» Doch Thoma wurde nicht Pfarrer.
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b u sin e ss
Thoma wurde auch nicht Hotelier wie seine Eltern, die zwanzig Jahre ohne Ferien krampften, hoch über dem Walensee, in Amden. Und Thoma wurde nicht Feinmechaniker: In der Schnupperlehre hatte ihn das stundenlange Stehen an der Werkbank derart ermüdet, dass er beschloss, einen Beruf zu lernen, mit dem er sich seine Faszinationen zwar nicht selber herstellen, dafür finanziell leisten kann. Er wurde Banker. Oder eher: ein Bankier. Denn trotz modernen Anzügen und dynamischem Vokabular erinnert er an die distinguierten Herren von einst. Das Schmunzeln im alterslosen Gesicht kann sich jederzeit übergangslos in Ernsthaftigkeit wandeln. Dem Gesprächspartner biedert er sich zwar nicht an, eine allzu abweichende Meinung würde er allerdings auch nicht formulieren. Und so agil seine Gedanken sind, so einfach und verständlich kommen ihm die Worte über die Lippe. Da ist nichts vom lauten, draufgängerischen, testosterongesteuerten Banker, wie man ihn an den Afterwork-Partys treffen kann. Der heute mal dahin jettet, morgen dorthin und mit Geld nur so um sich schmeisst. Thoma: «Ein solcher Charakter wäre im Private Banking fehl am Platz. Bei uns muss man vor allem zuhören können – und den Kunden inspirieren.» Denn die Reichsten der Reichen mögen keine Schwätzer. Allerdings auch keine Kriecher. «Wenn Sie mit solchen Leuten über Rendite reden, langweilt sie das fürchterlich», sagt Thoma. Bei Energiefragen oder Hintergründen zu nachhaltigen Projekten allerdings könne man stundenlang verweilen. Oder bei Fragen zur richtigen Schule für die Kinder. Denn gerade traditionell vermögende Familien seien vor allem daran interessiert, den Nachkommen eine möglichst gute Welt zu hinterlassen, und investieren entsprechend in solche Projekte. Ohne dies allerdings an die grosse Glocke zu hängen. Die Familie – auch für Walter Thoma dient sie als Tankstelle. Seit zwanzig Jahren ist er verheiratet, die drei Töchter sind bald erwachsen. Da will er sie geniessen, solange sie noch daheim wohnen, in Neuheim im Kanton Zug. Allerdings weilt die älteste Tochter im Moment in Australien – für ein ganzes Jahr. Thoma leidet: «Meine Frau und ich spüren zum ersten Mal, wie schwierig dieser viel zitierte Loslösungsprozess ist. Wir müssen uns zwingen, nicht ständig zu orakeln, was dort in der Fremde alles passieren könnte.» Doch es geht nicht nur um die Familie, es geht auch um seine ganz persönliche Work-Life-Balance,
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wenn Thoma heute nicht mehr bis in alle Nacht in der Bank arbeitet. Um 19.30 Uhr kommt er normalerweise zu Hause in Neuheim an. Auf der Fahrt zwischen Zürich downtown und dem Zugerland transformiert er sich «relativ mühelos» zum Familienmenschen. Dann streckt er gerne mal für zehn Minuten die Füsse, um in einen anderen Rhythmus zu gelangen, oder arbeitet noch etwas im Garten, bis sich die Familie zum Essen versammelt: «Ein hektischer, harter Alltag ist nur halb so schlimm, wenn man Oasen hat, wo man das Tempo rausnehmen kann.» Für ihn ist klar, dass er stets beide Seiten des Lebens braucht, um glücklich zu sein: schnelle, harte, anspruchsvolle Momente im Job und ruhige, einfache Tätigkeiten daheim. Orte, wo er mit vielen Menschen kommuniziert, und Zeiten der Ruhe. Es werden wohl diese Augenblicke sein, in denen Thoma sich seine Gedanken jenseits von Börsenkursen macht. Zum Beispiel zum Stress: «Wir überdramatisieren heute doch alles, was mit der Arbeit zu tun hat», sagt er. «Vor 50 Jahren noch war es normal, sechs Tage die Woche zu rackern – und trotzdem nichts zu verdienen. Dafür genoss man schon bei kleinen Freuden ein wahres Wohlstandsgefühl, etwa bei einem Stück Fleisch oder einer Reise ins Emmental. Heute ist es in der Schweiz für jeden normal, dass er am Wochenende frei hat, sich erholen und sich jederzeit einen Kinoeintritt leisten kann.» Wobei es nicht das Kino ist, das Walter Thomas Herz höherschlagen lässt. Lieber besucht er Museen oder Ausstellungen.
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Besonders angetan haben es ihm die Schweizer Maler aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Giacometti etwa, Segantini oder Meisser. Thoma, der begeisterte Mountainbiker, liebt die Bergwelt, interessiert sich aber auch für die Architektur und für Autos. Eine seiner grössten Leidenschaften aber sind die Uhren, seit er zur Erstkommunion vom Götti eine Eterna Kontiki bekam und damit bei seinen Schulkameraden mächtig punktete. Uhren wurden zu seinem Spezialgebiet. «Schon wieder so ein faszinierender Gegensatz», sagt er lächelnd. «Eine Uhr lässt die Zeit beinahe stehen – und treibt sie dennoch kontinuierlich voran.» Heute gibt es in der Schweiz kaum ein Modell, mit dem Thoma nicht vertraut ist. Und kaum eine Manufaktur, die er mit seinen Privatkunden nicht schon besucht hat. Wer den Bankier näher kennt, kann von der Uhr an seinem Handgelenk sogar auf seine innere Verfassung schliessen. Denn Thoma wählt aus seiner Sammlung jeden Morgen die passende zu seiner Stimmung. Was die heutige Portugieser zu bedeuten hat, lässt er allerdings offen. Dafür schwärmt er von ihrem ewigen Kalender und der Genauigkeit, die erst in einigen hundert Jahren korrigiert werden muss. Und wenn Thoma nach einem harten Tag, nach Gartenarbeit und Familienessen noch schnell nach seinen tickenden Schätzen schaut, wird aus dem zielstrebigen, scharf denkenden, taktisch versierten Banker vollends ein kleiner Knabe, der träumt und sich verzaubern lässt, bevor er zufrieden einschlummert. Oder wie er es selber formuliert: «Um gut zu schlafen, sollte man sich in einem Zustand befinden, in dem man nichts mehr muss, sondern nur noch darf.»
Die Bank Vontobel AG ist eine international ausgerichtete Schweizer Privatbank und spezialisiert auf das Vermögensmanagement anspruchsvoller privater und institutioneller Kunden. Sie konzentriert sich auf Private Banking, Investment Banking und Asset Management. Vontobel ist eine Publikumsgesellschaft mit starkem Aktionärskern. Die Familie und die VontobelStiftung besitzen die Aktien- und Stimmenmehrheit. Die Aktionärsstruktur und die finanzielle Stärke sind die Basis für ihre unternehmerische Eigenständigkeit und die Orientierung an langfristig gültigen Werten. Weitere Informationen unter www.vontobel.com
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Fas h i o n
Das
Modehotel Die Boutique Sträuli am Rennweg erfreut sich grosser Beliebtheit. Das liegt an Hans Sträuli und seiner Art, Geschäfte zu führen – obwohl er eigentlich ein ganz anderes Geschäft führen möchte. Ein überraschendes Porträt.
Tex t Thomas Meyer | FOTOGR AFIE Patrick Rinderli
Am liebsten hätte ich ja ein Hotel», sagt Hans Sträuli und nimmt einen Schluck Espresso. Sträuli ist ein grosser Mann mit einer grossen Stimme und einer grossen Ausstrahlung, und das Espressotässlein wirkt ganz winzig in seiner Hand. Trotzdem leert er es nicht, wie man erwarten könnte, in einem Male, sondern behutsam über eine halbe Stunde hinweg. Sträuli ist der Inhaber der gleichnamigen Modeboutique am Rennweg, und wenn der Inhaber einer Boutique als Erstes sagt, er hätte am liebsten ein Hotel, so muss man vermuten, dass er nicht ganz glücklich ist mit seiner Boutique. Dabei laufen die Geschäfte prima; samstags steht jeweils ein Mann von der Securitas am Eingang, weil dann mehr Leute ins Obergeschoss wollen als dort Platz haben.
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Das liegt nicht nur daran, dass es ein kleines Obergeschoss ist, sondern auch an der eigenwilligen Präsentation der edlen Schuhe von Prada, Hogan, Tod’s und Car Shoes: Sträuli baut mit den Schachteln riesige Türme und stellt den Inhalt obendrauf. Es ist das Sträuli-Schuh-Präsentations-Konzept, und es ist ziemlich berühmt. Sogar im Ausland sagen sie: «Ah, Sträuli! The guy with the shoe boxes!» Trotzdem sitzt der Mann mit den Schuhschachteln nun da und sagt: Ich wäre gern Hotelier geworden. Gefragt, warum er denn einen Kleiderladen habe, erzählt Sträuli seine Geschichte, und die geht so: 1946 gründete sein Vater an der Werdstrasse das Sportgeschäft Sträuli Sport. 1970 übergab er den mittlerweile an den Rennweg umgezogenen Laden seinem Sohn Hans, der bis dahin im Ausland Stoffe verkauft hatte. «Dort hatte ich gelernt, dass man alles verkaufen kann, man muss es nur können», sagt Sträuli. «Was muss man genau können?» – «Man muss ehrlich sein. Manchmal sage ich einem Kunden auch: Das gefällt mir nicht an Ihnen, ziehen Sie das wieder aus.» Man kann sich gut vorstellen, wie dieser Mann so was sagt und wie man es sich ohne Weiteres von ihm sagen lässt, weil man dankbar ist
um diese Offenheit von einem, der eigentlich daran interessiert sein müsste, dass die Kunden nichts wieder ausziehen, sondern alles kaufen. Sträuli übernahm also den Sträuli Sport und setzte sein Talent von da an für Skianzüge ein. Damals gab es einen Designer namens Henri Charles Colsenet, der mit seinen Skianzügen eine ausgefallene und international beachtete Modeschau machte, und Hans Sträuli brachte diese Schau 1978 nach Zürich. Um halb sieben ging es los, und um viertel nach sechs war noch keiner da. Sträuli verfluchte sich und die Skianzüge und auch Herrn Colsenet, doch der meinte ganz trocken: «Warten Sie ab, Monsieur Sträuli, das wird schon.» Es wurde dann auch, 200 Leute kamen und beim zweiten Mal schon 700. Der Anlass wurde bald die Sträuli-Show genannt und war sehr beliebt. Trotzdem fand Sträuli irgendwann, Skianzüge seien nicht gerade eben die Krönung der Modeschöpfung. Er fragte bei den damals grossen Marken Bogner und Ellesse an, ob sie ihn mit Kleidern beliefern würden. Doch er wurde abgewiesen und war also gezwungen, auf junge und noch unbekannte Marken auszuweichen. Dabei überlegte er sich: Ob aus diesem Label wohl mal was wird? Und, eher sachlich: Existiert es noch, wenn ich in ein paar Monaten nachbestellen will? So entwickelte Sträuli ein untrügliches Gespür für Mode und ihre Entwicklung und wurde dabei zu dem, was man einen Trend scout nennt: einer, der erkennt, was in naher Zukunft angesagt sein wird. Und wenn ein Trendscout die Dinge, von denen er vermutet, dass sie gross werden, in seinem eigenen Laden gleich selber grossmacht, dann ist er ein Trendsetter. Einer, der sagt, was angesagt ist, indem er es schlicht ansagt. Darum sagen die Leute: «Ich gehe zum Sträuli.» Sie meinen damit den Laden am Rennweg, aber vor allem Hans Sträuli und dessen Stilmajestät. Heute weisen die grossen Marken Sträuli nicht mehr ab; sie bitten ihn vielmehr um Aufnahme in seinen Laden, der nicht mehr Sträuli Sport heisst, sondern Sträuli Casual Luxury Store. Die Menschen meinen aber noch etwas anderes, wenn sie sagen, sie gehen zum Sträuli. Sie werden nämlich von einem Mann empfangen, der sich an jedes Gesicht erinnert, und von seinen freundlichen und aufmerksamen Mitarbeiterinnen. Man wird gefragt, ob man ein Mineralwasser trinken möchte.
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Kommt man an der Hand der Mama in den Laden, bekommt man ein Pixi-Büchlein – über 3000 Stück verschenkt Sträuli jedes Jahr. Und früher, als der berühmte Turnschuh Adidas Rom Fr. 44.80 kostete und die Buben mit abgezählten Fr. 44.80 vor dem Tresen standen, gab ihnen Sträuli den Adidas Rom auch noch, als er längst Fr. 49.80 kostete. «Mindestens 15 von ihnen sind heute noch meine Kunden», erzählt Sträuli, und er leuchtet dabei richtig. Hans Sträuli ist ein Mensch, der sich freut, wenn andere sich freuen. «Wollen Sie deshalb Hotelier sein? Weil Sie gern nett sind?» Sträuli nimmt wieder einen kleinen Schluck Espresso und sagt: «Ja. Ich schenke gern. Ich verwöhne die Menschen gern.» Das ist der Grund, warum die Menschen gern zu Sträuli gehen. Natürlich hat er tolle Kleider und prachtvolle Schuhe in seinem Laden. Aber man ist dort nicht Kunde, sondern Gast. Und wenn man Hans Sträuli beobachtet, wie er die Menschen bewirtet mit Zwirn und Getränk, ein bisschen wie ein Vater, der seine Sippe zum Weihnachtsfest begrüsst, und wie seine Mitarbeiterinnen professionell und liebevoll ihren Dienst verrichten, und wenn man diesen Menschen zuschaut, wie sie im Grunde nichts anderes tun, als die Menschen gernzuhaben, sieht man es in aller Deutlichkeit: Sträuli muss sich nicht länger wünschen, Hotelier zu sein. Er ist schon einer. Es besteht kein Unterschied zwischen Hans Sträuli, der schon immer ein Hotel haben wollte, und Hans Sträuli, der Tausende von Pixi-Büchlein verschenkt, sondern eine wundervolle Verbindung, nämlich die Freude eines Menschen, anderen Menschen eine Freude zu machen. Dies ist eine der schönsten Eigenschaften, die ein Mensch haben kann, und es ist noch schöner, wenn er es schafft, sie sich ein Leben lang zu bewahren. Ein Einkauf bei Sträuli ist also immer auch ein kleiner Aufenthalt in der Freude, und die wird hier so herzlich gelebt, dass sie für lange Zeit in den Stoffen wirkt, die man aus dem Laden heraus und in sein Leben hineinträgt. Weitere Informationen unter www.straeuli.ch
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EV e n t
Freiheit
Die kommt aus Kuba
Cuba Libre – das klingt nach Freiheit. Nur: Wer befreit eigentlich Kuba wovon und wie oft? Und muss Kuba überhaupt befreit werden? Oder befreit nicht eigentlich letzten Endes Kuba sogar uns? So viele Fragen. Am besten beantwortet die jemand, der es wissen muss.
Tex t Arne Völker | FOTOGR AFIE Ami Siano
Es una mentirita, sagen viele, eine kleine Lüge. Dabei ist es nicht nur eine kleine Lüge, sondern eine grosse! Che Guevara redet sich in Rage, wenn er sich an die Tage vor der Revolution erinnert. An die Leichtigkeit, mit der viele im Exil die Lage hinnehmen. Und mit der sie den Drink, der für ihn Cubata heisst, beim Namen der Gringos nennen, Cuba Libre. In den Gedanken, mi amigo, beginnt der Fehler. Es ist nicht unsere Freiheit, wenn die Andrews Sisters singen: Drinkin’ rum and Coca-Cola, Go down Point Koomahnah, Both mother and daughter, Workin’ for the Yankee dollar. 1945 ist das zum Hit geworden. Und der Drink dazu auch. Aber das ist falsch.
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Rum und Coca-Cola allein sind noch lange kein Cubata. Kein Wunder, dass die Gringos den Drink falsch mischen. Hör mal genau hin, sagt Che. Since the Yankee come to Trinidad, They got the young girls all goin’ mad, Young girls say they treat ’em nice, Make Trinidad like paradise. Trinidad, hast du gehört? Calypso, hast du gehört? Das ist Karibik, ja schön. Aber das ist nicht Salsa. Und das ist nicht mein Kuba. Hier am Zürichsee, in der «Seerose», mischt man den Cubata richtig. Viel mehr als Coca-Cola gehört gar nicht rein: ein bisschen Limettensaft, die zerdrückte Limettenscheibe. Eis dazu. Und natürlich Rum, aber der richtige. Es muss kubanischer sein, sonst ist es kein Cubata. Und er darf nicht mehr ganz jung sein, sagt Che mit einem breiten Grinsen, sozusagen im Kampf erprobt. Ein Schluck, und die Freiheit beginnt. Was eben noch aussah wie graue Zürcher Wolken, bekommt plötzlich den schiefernen Lichterglanz, mit der sich ein tropischer Sturm ankündigt. Keine Ahnung, woher dieses Gefühl kommt, wahrscheinlich direkt aus der Kehle. Oro que se funde a la boca, Gold, das im Mund schmilzt, so nennen es die maestros roneros, die Meister, die den Rum blenden. Und eine Kunst daraus machen, aus den Fässern, die seit Jahren, manchmal Jahrzehnten in ihren Kellern schlummern, irgendwie magisch genau die richtigen Geschmacksnoten zu mischen. Was nicht ein bisschen alt ist, das ist nicht wirklich Kuba, philosophiert Che. Wir haben vieles verändert, vieles neu gemacht. Aber manchmal liegt Fortschritt eben
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gerade darin, nur aufs Neue herauszuschälen, was schon seit Ewigkeiten einfach menschlich ist. Entschuldigen Sie, dürfen wir Sie mal befreien? Alle Nase lang werden die Kubaner das gefragt. Che war nicht der Erste. Mit schöner Regelmässigkeit stehen alle 60 Jahre Umwälzungen vor der Tür. Dann kämpfen die Kubaner. Anschliessend feiern sie. Überall auf der Welt findet sich nach einem Machtwechsel jemand, der jubelt. Man wird allerdings den Eindruck nicht los, dass bei den Kubanern mehr gejubelt wird. Nicht nur, weil sie sich freuen, wenn mal wieder jemand anders herrscht. Sondern vielleicht, weil auf Kuba eigentlich nie jemand wirklich herrscht. Ausser der Lebensfreude. Ein 51er-Chevrolet ist auf dem Malecon in Havanna nichts Besonderes. In Zürich schon. Wer pünktlich am nächsten Meeting erscheinen muss, kann sich kein Auto leisten, das eine Seele hat. Das Pflege braucht, wo andere Autos funktionieren. Das nicht so will, wie man selber will – einen dafür aber auch immer wieder überrascht. Toni Gallati fährt so ein Auto jeden Tag. So ist aus dem offiziellen Botschafter der Marke Havana Club inzwischen längst der inoffizielle Botschafter des kubanischen Lebensgefühls geworden. Irgendwer muss sich schliesslich die Zeit für die guten alten Dinge nehmen. Ein Hauch von Fernweh packt mich schon seit Jahren immer, wenn sein Auto vorbeigleitet und im noblen Einerlei der modernen Industrieproduktion hervorsticht. Toni sagt, das ist das Mindeste, was er für die Tradition tun kann.
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Auf seine Art ist das vermutlich ebenso viel, wie die maestros roneros auf Kuba tun. Deren Meisterwerk heisst Havana Club Máximo Extra Añejo, es ist fast so alt wie Tonis Chevrolet und ähnlich komplex. Nur dass bei ihm die Überraschungen alle positiv sind, immer wieder, wenn sich plötzlich auch noch ein Oberton von Vanille in die Wahrnehmung mischt, der eben noch gar nicht da war. Oder für den wir keine Zeit hatten, ihn wahrzunehmen? Man sagt, Zeit könne man nicht kaufen. Das hier aber, die konzentrierte Geduld der maestros roneros, kommt nahe heran. Che begrüsst Toni herzlich. So viele Jahre, nachdem die Revolution gesiegt hat, kann er grossmütig darüber hinwegsehen, dass da jemand ausgerechnet den amerikanischen Teil der kubanischen Vergangenheit pflegt. Er bestellt für Toni, sich und mich noch eine Runde Cubata. Die Vergangenheit ist ein Teil von uns. Bildung und Krankenhäuser für alle sind wichtiger, als ein neues Auto zu schaffen. Denn, mal ehrlich, kann ein neues Auto eine Identität stiften? Wer die westliche Version des Fortschritts wollte, der sitzt heute in Miami Beach, fährt ein neues Auto und sieht dabei zu, wie der Preis seiner Eigentumswohnung verfällt. Er muss entweder anderen Rum trinken oder sein Stück Heimat einschmuggeln. Denn kubanischer Rum ist in den USA ebenso verboten wie echte Havannas, immer noch. Land of the Free, Home of the Brave, lacht Che und zeigt auf Tonis Chevrolet. Wir haben uns mit unserer Vergangenheit versöhnt. Die Gringos werden dafür wohl noch eine Weile brauchen.
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Ob sie die Zeit je finden? Aber es waren doch die Amerikaner, die sich gegenseitig mit den Worten viva Cuba libre zugeprostet haben? Das war eine andere Zeit, sagt Che. Die Kubaner waren damit beschäftigt, gegen andere Unterdrücker zu kämpfen, die spanischen Kolonialherren. Zehn Jahre offener Krieg, von 1868 bis 1878. Danach Jahrzehnte im Untergrund. Und als sie müde waren, haben die Gringos die Früchte geerntet und den Sieg gefeiert. 1898 landen die amerikanischen Truppen auf Kuba, technisch und zahlenmässig den spanischen weit überlegen, in Daiquiri. Das kennen wir heute als Cocktail. Für ihn nimmt man, wie auch für den anderen Klassiker, den Mojito, hellen kubanischen Rum. Man könnte ihn fast weiss nennen. Aber auch der ist besser, wenn er nicht mehr ganz jung ist. Che legt seinen Geldschein auf den Tisch, winkt dem Barkeeper lässig zum Abschied. Willst du mit in die Stadt fahren?, fragt er, ich muss nur noch schnell aufs WC. Als er nach zwei Minuten zurückkommt, ist das T-Shirt mit dem Popstar der Revolution verschwunden. Stattdessen passen nun Hemd und Krawatte stilecht zu dem Anzug, den er schon vorher die ganze Zeit getragen hat. Ich schaue ihn verwundert an. Er grinst und sagt: Zürich ist eben nur manchmal Havanna. Vamanos? Weitere Informationen unter www.havanna-club.com
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s p e is u nd t r an k
Alchemie
in Birrhard
Der beste Platz an einer Party ist meistens in der Küche. Doch wer hat in seiner eigenen Küche schon Platz für 60 Gäste und einen Profikoch samt Serviceteam? Die Weinkellerei Riegger weiss Rat: den Cubus.
Tex t K arin Pr ätorius | FOTOGR AFIE Patrick Rinderli
Grosse Effekte waren gestern. Oder vielleicht auch schon vorgestern. Schlicht ist schick, Einfachheit ist gefragt. Dem Wort «einfach» aber habe ich zu misstrauen gelernt. Erklärungen, die mit «Man muss einfach nur... » oder «Du nimmst einfach... » beginnen, enden unweigerlich in Frustration und Abneigung, weil das, was da als so einfach beschrieben wird, mir nie so mühelos gelingt, wie es ausgesehen hat. Trotzdem fühle ich mich angezogen von Dingen, die selbstverständlich und unangestrengt aussehen, so, als könnten sie gar nicht anders sein, weil die einfach (!) cooler sind als alles Komplizierte, Aufwendige. Nur eben schwieriger. Tatsächlich denke ich mittlerweile, dass die Leute, die aus schlichten Zutaten «einfach» etwas ganz Grossartiges machen, sich einer modernen Form der Alchemie bedienen – und mir ihr Geheimnis nicht verraten.
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Aber vielleicht lässt sich dem doch auf die Spur kommen. An einem sonnigen Spätsommerabend begebe ich mich also auf eine Forschungsreise zu einem Ort, an dem diese moderne Alchemie praktiziert wird: zum Cubus der Weinkellerei Riegger. Weinkeller und Cubus liegen in Birrhard, an der A1 zwischen Mägenwil und Baregg. Schon von der Autobahn aus sieht man den schmucklosen Zweckbau, der auch noch Büros, ein Verkaufslokal und eine Spedition beherbergt. Das soll der Ort sein, von dem ich so begeisterte Schilderungen gehört habe, frage ich mich, während ich mich in grösseren Schleifen über Seitenstrassen dem Ort nähere – schon der Weg zum Cubus sieht einfacher aus, als er ist. Von aussen weist wenig darauf hin, was sich im Inneren verbirgt. Umso frappanter ist dann die Überraschung beim Eintreten. Glatte Flächen in dunklem, mattem Stahl, der Fussboden aus 200-jähriger Eiche, schwarz glänzende Oberflächen einer Hightech-Küche, ein überraschender Raumteiler aus Glas, Leuchtmittel und Weinflaschen – die Zutaten, mit denen Roger Bächtold vom Zürcher Innenarchitekturbüro P.5 den Raum gestaltet hat, sind ungewöhnlich, und sie verbinden sich zu einem klaren, aber keineswegs kühlen Gesamteindruck. Der Raum wirkt stilvoll und elegant, ohne zu erdrücken oder sich in den Vordergrund zu spielen. Denn im Vordergrund sollen hier die Menschen stehen, der Austausch, das Gespräch. Und der Genuss. Tatsächlich gelingt mit diesen an sich einfachen Mitteln etwas Erstaunliches: Man fühlt sich weit fort vom Alltag, ein wenig feierlich und zugleich auch sofort heimelig.
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Was ist das Geheimnis? Der Mut, etwas Neues zu wagen, gehört offensichtlich dazu. Aber auch die Küche, die im Zentrum des Raumes steht, hat entscheidenden Anteil an der entspannten Stimmung. Es muss wohl so etwas wie ein Naturgesetz sein, dass in einer Küche keine steife Atmosphäre aufkommen kann. Noch auf den langweiligsten Partys findet man in der Küche, selbst wenn es nur eine winzige Kochzelle ist, Menschen im angeregten Gespräch. Die Grundidee hinter dem Cubus ist also nicht neu. Tatsächlich wird wohl das Prinzip schon in der Steinzeit ähnlich funktioniert haben: das Herdfeuer als Zentrum menschlichen Zusammenseins. Das mag zwischenzeitlich immer mal wieder in Vergessenheit geraten sein, und auch die Form hat sich geändert. Doch wenn diese uralte Idee, wie hier, mit modernstem Interior Design zusammenkommt, sprühen die Funken. Selbst im stylishen Ambiente des Cubus vermittelt die Kochstelle mitten im Raum den festlich gekleideten Gästen an den langen Tafeln noch spürbar ein heimeliges Gefühl, ein kleines bisschen Lagerfeuer. «Kochstelle» ist allerdings kaum das richtige Wort für eine offene Küche, deren technische Ausstattung, vom Induktionsherd bis zum Steamer, keine Profiwünsche offenlässt. Der Clou: Die Küche steht auf einem Podest und kann verschoben werden, je nach gewünschter Raumsituation. Das macht es möglich, für unterschiedliche Veranstaltungen den passenden Rahmen zu inszenieren: ob eine Lounge in gemütlichen Clubsesseln am Cheminée, ein Bankett für 60 Personen
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oder ein Stehapéro für 120. Die technische Ausstattung mit Plasmabildschirmen und Soundanlage hält sich dezent im Hintergrund. Auch das Lichtkonzept ist auf Wandelbarkeit hin angelegt; dank der dunklen Verkleidung der Wände kann der Raum zudem beleuchtet werden wie eine Theaterbühne oder ein Fernsehstudio – nicht, um hier Theater zu spielen oder Filme zu drehen, sondern um unterschiedliche Anlässe in Szene zu setzen. «Mehrzweckräume» sind mir normalerweise ein Gräuel, unpersönlich und zu nichts gut, weil sie für alles gut sein wollen. Dieser Raum ist anders, vielleicht, weil er nicht unentschieden ist, sondern entschieden einem Ziel folgt. Entstanden ist der Cubus aus dem Wunsch der Firma Riegger, einen Ort zu schaffen, der ganz dem entspannten Geniessen gewidmet ist. Zunächst einmal ist der Raum gedacht für die eigene Weinschule, die Vinécole, wo Weinfreunde und Aficionados schwelgen, diskutieren, lernen und den Augenblick (aus)kosten. Weil Genuss und Gastfreundschaft aber geteilt werden wollen, steht der Raum auch anderen zur Verfügung. An diesem Abend feiert im Cubus eine Hochzeitsgesellschaft, und auf der «Bühne» des Küchenpodestes lässt sich Harry Pfändler, der sonst im Gasthof zum Bären in Birmenstorf seine Gäste empfängt, beim Kochen in die Töpfe schauen. Dieses «Schau kochen» hat aber hier für einmal nichts mit Showeinlagen zu tun. Es geht nicht um Effekte, sondern um die Magie eines rundum stimmigen, anregenden Abends, darum, sich verwöhnen zu lassen.
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Das Prinzip, nach dem Harry Pfändler kocht, passt zum Cubus: kein Schnickschnack, sondern kompromisslose Qualität. Einfache Gerichte, aber aus besten Zutaten, mit Liebe zum Detail und grosser Sachkenntnis zubereitet. Ein Bissen vom Loup de Mer, im Ofen gegart, mit ein paar Körnern Fleur de Sel und ein wenig feinstem Olivenöl serviert, illustriert das besser als viele Worte – und beweist, dass auch hier ein wenig Alchemie im Spiel ist. Mir zaubert er sofort eine Erinnerung an Ferien am Mittelmeer auf die Zunge. Viele der verwendeten Gemüse und Kräuter baut Pfändler, der sich als Frischefanatiker bezeichnet, selbst an. Über 40 verschiedene Tomatensorten hat er in diesem Jahr in seinem Garten angebaut, erzählt er nicht ohne Stolz und reicht gleich eine Probe: Johannisbeerparadeiser, etwa stachelbeergross, leuchtend gelb und umwerfend aromatisch. Vielleicht haben die Brautleute sich gedacht, dass dieser Raum, der der Feier des Genusses, des Augenblicks gewidmet ist, und ihre Feier der Gegenwart, die auf Dauer in der Zukunft hofft, gut zusammenpassen. Dass sie sich ein wenig Inspiration für ihren gemeinsamen Weg abholen können, indem sie einem leidenschaftlichen Koch über die Schulter schauen – schliesslich bringt selbst der Dalai Lama Liebe und Kochen zusammen: «Widme dich der Liebe und dem Kochen mit wagemutiger Sorglosigkeit.» Harry Pfändler würde wohl ergänzen, dass Erfahrung und Geduld dazugehören und dass – zumindest, was das Kochen angeht – solides Handwerk Grundlage des Wagemuts ist. Gefragt, was einen guten Koch ausmache, sagt er als Erstes: eine solide Ausbildung, die umfassende Kenntnis der Technik und der Zutaten. Wenn er aber von seiner Arbeit erzählt, wird klar, dass noch mehr dazugehört – Leidenschaft, Faszination und eine grosse Portion Neugierde. Und damit wäre man dann – weil das allen gemeinsam ist – wieder bei der Liebe angelangt und auch bei dem Genuss, dem dieser Raum gewidmet ist. Eine kleine Hoffnung hatte ich ja, vielleicht doch einen Trick zu entdecken, eine Art Zauberformel. Aber die Alchemie des Einfachen, so überlege ich mir auf dem Weg zurück in die Stadt, hat tatsächlich nichts Geheimnisvolles. Magisch wirkt sie trotzdem. Weitere Informationen unter www.riegger.ch
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Harry Pf채ndler und sein Team w체nscht Ihnen
scho ne Weihnachten e
und ein erfolgreiches neues Jahr.
Pf채ndlers Gasthof zum B채ren | Kirchstrasse 7 | 5413 Birmensdorf | Fon 056 201 44 00 | Fax 056 201 44 01 | www.zumbaeren.ch
D e sign
Der Magier von Bagno Sasso
Wie wird man preisgekrönter Bad-Designer? Indem man zuerst als Radrennfahrer und Skilehrer arbeitet. Klingt unkonventionell. Ist sie auch – die spannende Erfolgsgeschichte eines aussergewöhnlichen Bündners …
Tex t Damian Zingg | FOTOGR AFIE Andrea Badrutt
Es scheint tief in unserer Zürcher Volksseele verwurzelt zu sein: Kaum hören wir Bündner Dialekt, zieht es uns in die Berge. Genauso ist es mir ergangen, als ich mit Rolf Senti einen Termin vereinbarte. Eigentlich hätte ich ihn in seinem Ausstellungsraum an der Zürichbergstrasse treffen wollen. Während er sprach, zogen Carigiets legendäre Zeichnungen an mir vorbei. Ich glaubte, würzige Alpenluft zu atmen. Zweifellos hat Sentis kernige Sprache in mir Bündnerland-Fieber ausgelöst. Also fahre ich für das Treffen zu seinem Hauptsitz nach Landquart. Kurz vor dem Ziel erblicke ich jene steilen Felswände, in denen ich mich schon einmal aufgehalten hatte. Tief unter Tage, als Rekrut der Festungstruppen. Das spartanische Badezimmer bestand aus einer in den Stollen gesprengten Seitennische, wo eiskaltes Wasser aus rostroten Röhren floss. Duschen machte unter solchen Umständen nicht sonderlich Spass. Zumal das Trocknungstuch in den weitverzweigten Gängen immer feucht blieb. Wochenlang. Der Kontrast zwischen diesen Erinnerungen und dem stimmungsvollen Showroom von Bagno Sasso hätte grösser nicht sein können. Gemessenen Schrittes, wie beim Besuch einer Galerie, dringe ich in die stilvolle Badezimmer-Landschaft ein. Meine Sinne nehmen nicht Ausstellungsobjekte, sondern Kunstwerke wahr. Verstohlen fahre ich mit den Fingern über die blank polierte Granitplatte einer gediegenen Waschbecken-Kombination. Zwischen dunklen Adern schimmern im Lichtkegel der dezenten Beleuchtung grüne, silberne und bläuliche Farbtöne. Das Gestein wirkt geheimnisvoll warm. Fast weich. Ich stelle mir vor, wie es in einem abgeschiedenen Bündner Bergtal sorgsam abgebaut wird. Von verschwiegenen Einheimischen mit wettergegerbten Gesichtern, die um ihren kostbaren Schatz wissen. Punkt vier Uhr. Gut gelaunt kommt der Mann auf mich zu, der solche Rohstoffe veredelt. Es ist keine alltägliche Begegnung: Er Bad-Designer. Ich Schriftsteller. Der Gründer von Bagno Sasso begrüsst mich wie einen alten Bekannten. Obwohl wir uns zum ersten Mal treffen. Doch möglicherweise haben sich unsere Wege vor vielen Jahren schon einmal gekreuzt. Als Teenager besuchte ich einmal die offene Radrennbahn in Zürich-Oerlikon. Nie habe ich die einzigartige Stimmung im legendären Oerlikoner Oval vergessen. Es kann gut sein, dass Rolf Senti damals an mir vorbeiraste. Denn in jener Zeit verdiente er sein Geld als Radrennfahrer, nahm an der Tour de Suisse teil und bestritt im Dress des Schweizer Nationalteams Weltmeister schaften. Der gelernte Sanitärzeichner schwärmt noch heute von seinen Erfahrungen als Profisportler. Auch wenn das Ende seiner vielversprechenden Karriere einem Schock gleichkam. Knieprobleme zwangen ihn über Nacht zur Aufgabe seiner Leidenschaft. Plötzlich stand er vor dem Nichts. Dank einer glücklichen Wendung fand der Bündner einen Job als Skilehrer. Fortan unterrichtete er in Flims und Arosa Zürcher Persönlichkeiten.
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Augenzwinkernd meint Senti, es gebe nur drei Berufe, in denen man sehr enge Beziehungen zu besonders spannenden Menschen knüpfen könne: Skilehrer. Golflehrer. Und Badezimmer-Designer. Immer stärker erliege ich dem Zauber der vielfältigen Formen, Farben und Materialien im Ausstellungsraum. Von den exklusiven Einzelstücken gehen Harmonie, Ruhe und Tiefe aus. In den Wannen und Waschbecken steckt jede Menge Kreativität. Ein Fossil als Vorbild für einen Waschtrog? Der Ammonit zieht mich magisch an. Fasziniert folge ich dem Wasserstrahl auf seiner spiralförmigen Reise ins Zentrum, wo er in einem kleinen, schwarzen Loch verschwindet. Dieser Anblick führt eindrucksvoll vor Augen, womit man es im Badezimmer zu tun hat: mit Schönheit, Sauberkeit – und dem ewigen Kreislauf des Wassers. Spätestens beim Blick auf die muschelförmige Holzwanne fliessen meine Gedanken endgültig mit der Poesie zusammen, die Bagno Sasso umgibt. Langsam füllt sich das aussergewöhnliche Muschelbad mit kostbarem Nass. Dabei entstehen ungewohnt sanfte, beruhigende Töne. Rosenblütenduft liegt in der Luft. Aus dem schäumenden Wasser taucht eine bezaubernde
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Schönheit auf. Dann liegt Venus in der Muschel. Sie scheint darin zu schweben. Ich stammle etwas von der Sinnlichkeit dieses Designs. Rolf Senti lächelt verschmitzt. Ob er sie eben auch in seiner Muschelwanne liegen sah? Plötzlich kommt er mir wie ein Magier vor. Passend zur märchenhaften Szenerie kommen wir auf den Orient zu sprechen. Dort ist er seit kurzem mit seiner Firma Emirates Waterfront im Markt vertreten. In Dubai stehen ungewöhnliche Projekte an. Design-Badezimmer für Häuser, die nicht nur die Wolken, sondern den Himmel kratzen. Für Unterwasserhotels und schwimmende Luxusvillen. Dazu braucht es Innovationen. Eine Herausforderung, die den ehemaligen Sportler besonders reizt. So hat er mit seinen Partnern jahrelang an einer speziellen Betonmischung getüftelt, bis sie endlich höchsten Anforderungen genügte. Für die hochkomplexe Produktion der Holzwannen spannt er mit einem Hightechunternehmen aus der Formel 1 zusammen. Das ungewöhnlichste Material, mit dem er arbeitet, stammt aus Vietnam: Zersprungene Schalen geschlüpfter Enten. Die Splitter werden mosaik förmig auf Badoberflächen eingelegt. Für Neuentwicklungen scheut sein Unternehmen keinen Aufwand. Zurzeit laufen Experimente mit neuartigen Hightechmaterialien und mit Elektronik. Eben doch. Senti der Magier. Gar ein Alchemist? «Ach wo», schmunzelt der Bündner. Ziel sei es, aus jedem Werkstoff das Maximum herauszuholen, um damit spannende Formen und Bäder vom Feinsten zu schaffen. Seine aufsehenerregenden Kreationen brachten ihm den renommierten Red Dot Design Award 2007 – Best of the Best ein. Inzwischen ist der ehemalige Profisportler auch für den deutschen Bundesdesign-Preis nominiert. Beim Zuhören geht mir das arabische Sprichwort «Viel Ehr – viel Feind» durch den Kopf. Senti stimmt nachdenklich zu. Neid müsse man sich eben erarbeiten. Das sei schon im Radsport so gewesen.
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Wie verbringt der Unternehmer seine Zeit, wenn er einmal gerade nicht für sein Lebenswerk arbeitet? Begeistert erzählt er von seinem Hobby. Mit Vorliebe fahre er mit seiner Ducati über die Gebirgspässe des Gotthardmassivs. Bis er am Wegrand plötzlich einen sonderbaren Felsen entdecke. Einen Sasso mit Charakter. Dann steige er vom Sattel, sehe genauer hin und lasse sich von der Form inspirieren. Daraus entstehe vielleicht eine neue Badezimmer-Linie. Also doch, denke ich, als wir uns verabschieden. Für mich ist er ein Design-Magier. Ich bin mir ganz sicher: Rolf Senti ist der Magier von Bagno Sasso. Weitere Informationen unter www.bagnosasso.ch und www.emirateswaterfront.com
Der Red Dot Design Award ist einer der grössten und renom miertesten Design-Wettbewerbe der Welt. Er unterteilt sich in verschiedene Disziplinen und wird seit 2005 jährlich in Essen und in Singapur ausgeschrieben. Insgesamt verzeichnete der Wettbewerb im Jahr 2007 mehr als 7000 Anmeldungen aus 60 Nationen.
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Mehr erfahren Sie unter www.vola.ch Gewinner des GOOD DESIGNTM Award
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Luxus
Get shirty Ein Franzose mit deutschem Pass, der in Zürich in der Finanzbranche arbeitet, will mit seinen Masshemden die Italiener und die besten anderen der Branche schlagen. Kann das sein? Unser Autor, ein BorrelliHemdenträger, lässt sich vermessen und auf die Übung ein.
Tex t Mark van Huisseling | FOTOGR AFIE Alessandra Leimer
Es gibt ein paar Dinge, die sind schwer zu überbieten. Chronometer von Rolex, Sportwagen von Ferrari oder Masshemden von Borrelli, nicht wahr? Möglich, vielleicht aber auch nicht, wenigstens was die Masshemden von Borrelli, Kiton, Charvet oder sonst einem Schneider von ganz weit oben angeht. Das hat sich auf jeden Fall Mathieu Vinson, 35, gesagt und zusammen mit seinem Bruder Thomas, 38, in Zürich die Firma Fratelli Sartoria gegründet. Ihr Ziel: die besten Masshemden der Welt herzustellen. Oder wenigstens solche, die so gut sind, dass auch Borrelli-, Kiton- oder Charvet-Träger darin glücklich werden. Ich trage Masshemden von Borrelli. Und ich finde, das seien feine Hemden. Das war eine Untertreibung, wie wenn man sagt, Luca Toni sei ein guter Fussballer oder Capri eine schöne Insel.
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Ich habe vor zwei Jahren oder so meine ersten drei Hemden bei Borrelli in Neapel nähen lassen, auf Mass. Als ich sie ein paar Wochen später nach Hause geschickt bekam, erkannte ich den Unterschied zwischen einem Hemd und einem «Hemd». Zuvor hatte ich irgendwelche «Hemden» getragen, die zwar einen Kragen hatten und irgendwie aussahen wie Hemden. Es waren, nebenbei, keine billigen Stücke, sondern Designerhemden von, sagen wir, Costume National, Helmut Lang oder Gucci. Das ist natürlich alles nicht schlecht, aber es ist eben noch nicht gut. Gut ist nur ein Masshemd, es sitzt am Körper, wie es sitzen soll, und ist doch angenehm zu tragen wie ein alter Schuh. Irgendein «Hemd» fühlt sich, verglichen mit einem Hemd, an wie ein Sonnenbrand auf der Haut neben der Umarmung einer Geliebten. Kurz, es ging mir, nachdem ich zum ersten Mal Borrelli-Träger war, wie dem Menschen in Platons Höhlengleichnis, der nach oben darf, um das Licht und die Welt zu sehen. Das war jetzt vielleicht ein wenig übertrieben. Aber der Entwurf dürfte klar sein. Und deshalb interessierte es mich, als ich von Mathieu, wie er sich nennt, und seinen Fratelli-Hemden hörte. Der erste Unterschied, der einem auffällt zwischen, sagen wir, Borrelli und Fratelli: Fratelli hat keine Geschäfte. Man geht nicht zu Fratelli, Fratelli kommt zu einem. Mathieu stand vor meiner Türe an dem Morgen, an dem wir uns verabredet hatten, eine Assistentin war mit ihm unterwegs, und er hatte eine Art Musterkoffer dabei. Der Deutsche mit französischem background und accent, der in Zürich lebt, sieht ein wenig mehr aus wie ein Banker als wie ein Schneider. Das ist in Ordnung, denn er arbeitet für eine ausländische Investmentbank, im Hemdengeschäft ist er zurzeit noch nebenbei. Man kann unter vier verschiedenen Kragenformen auswählen (zwei Haifischtypen, einem Neapolitaner und einem ButtonDown), zwei Manschettenarten (einfach oder doppelt), natürlich den Stoff, die Farbe, das Muster, ob Brusttasche oder keine Brusttasche, ob slim fit (auf Taille geschnitten) oder etwas weitere Passform... Bei Borrelli ist das Angebot noch breiter und tiefer. Doch das Angebot von Fratelli ist schon breit und tief genug. Männer, denke ich, wollen nicht aus Dutzenden, sich nur wenig unterscheidenden Stoffen auswählen. Männer sind Komplexitätsminimierer: Wenn man einen Stoff sieht, der einem gefällt, dann tut es der, dann braucht man nicht zehn
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weitere. Das überfordert Männer. Ähnlich wie eine sechzehnseitige Speisekarte; ein Mann bestellt die erste Vorspeise, die ihm schmeckt, und den ersten Hauptgang, den er mag. Frauen lesen die Karte von vorne bis hinten, wählen, verwerfen die Wahl, wählen neu und und und. Männer wissen im Grund nicht, was sie wollen, sie wissen höchstens, was sie nicht wollen. Mathieu macht es seinem Kunden recht einfach. Zum Beispiel weil er selber ein Fratelli-Hemd trägt. Man kann dann sagen, man möchte eigentlich dasselbe, aber ein bisschen anders, hier und dort und dieses und jenes nicht so, sondern – anders. Ich habe mich für ein Hemd entschieden, wie ich es bereits vor zwei Jahren gewählt habe (Komplexitätsminimierung eben): ziemlich hoher Kragen, da eher langer Hals, keine Brusttasche, was zwar unpraktisch ist, aber cool aussieht – cool ist das Gegenteil von praktisch –, einfache Manschetten, weil doppelte unter einem Pullover Beulen machen an den Handgelenken, und das Ganze in slim fit, weil ich erstens schlank bin und zweitens gerne das Hemd über der Hose trage ab und zu, was klar besser aussieht, wenn es nicht weit ist wie das Nachthemd einer alten Frau. Dann kamen wir zum vielleicht wichtigsten Entscheid: der Farbe. Weiss und Hellblau habe ich bereits. Und was mir wirklich steht, ist Dunkelblau. Aber es gibt ein Problem: Dunkelblaue Hemden sind nicht farbecht. Die Farbe wäscht sich schnell aus, und das sieht rasch so aus, als hätte man einen Teil aus der Altkleidersammlung an. Sein dunkelblauer Stoff, sagte Mathieu, bleibe lange schön und dunkel.
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Und selbst wenn er einmal verwaschen sein sollte, werde er immerhin schön verwaschen sein. Patina heisst das. Ich glaubte ihm und bestellte. Das heisst, zuerst vermass mich Mathieu; Armlänge, Hals- und Brustumfang und was man sonst noch messen muss bei einem Mann, der ein Hemd bestellt. Dann dauert es etwa sechs Wochen. In dieser Zeit wird das Hemd in Italien von Hand genäht. Viele Details, die man von Borrelli kennt, gibt es auch bei Fratelli – das so genannte Mouche, ein rotes Dreieck aus Baumwolle innen befestigt, das das Hemd verstärkt, Knöpfe aus Perlmutter, von den besten Stickerinnen angenäht, verstärkte Knopflöcher und so weiter. Alles halt, was ein Hemd haben und können muss, wenn es rund 480 Franken kostet und einem der Verkäufer sagt, er biete nicht weniger als das Beste. Eine paar Accessoires, nebenbei, sind bei Fratelli auch noch zu haben: Manschettenknöpfe aus Silber und Holz mit ziemlich klaren, rechteckigen Formen sowie verschieden breite Krawatten aus edlem Material. Schliesslich stand Mathieu wieder vor der Türe, diesmal ohne Assistentin, dafür mit einer grauen Kartonschachtel, und darin lag mein neues Fratelli-Hemd. Ich probierte es, und was ich sah und spürte, gefiel mir. Das fertige Hemd ist ein Hemd, kein «Hemd». Ich habe es gleich anbehalten und ging damit an eine Verabredung zum Dinner. Ich bekam recht viele Komplimente, was kein schlechtes Zeichen ist. Seither habe ich es zweimal gewaschen, und das Dunkelblau ist immer noch dunkelblau. Ich bin zuversichtlich, dass Mathieu nicht zu viel versprochen hat. Zurzeit lässt er ungefähr 60 Hemden im Monat nähen, sagt er. Er möchte noch ein wenig zulegen, vielleicht 100 Stück monatlich verkaufen. Was die Zahlen betrifft, kann er Borrelli und die anderen also nicht konkurrenzieren in nächster Zeit. Was alles andere betrifft, schon. Weitere Informationen unter www.fratelli-sartoria.com
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DANIEL DREIFUSS PRESENTS:
maurice de mauriac manufactured in zurich MAURICEDEMAURIAC.CH
WOH N R A U M
Meisterstücke aus edlem
Leder
Alles ist Gebrauchsgegenstand, vielleicht auch Accessoire. Trifft man im Sammelsurium der praktischen und schönen Dinge jedoch auf ein Möbelstück, das der Mensch als sich zugehörig empfindet, könnte es ein Meister werk von de Sede sein. Dieser Begriff ist beledert. Man kann ihn sich stoffig nicht denken. Sowohl Marke als auch Möbel sind Haut- und Zeitzeugen, erzählen Geschichten, sind Träger einer langjährigen Tradition.
Tex t Andrea Keller | FOTOGR AFIE Christoph Köstlin
Die Schönheit des Leders sitzt tief – Leder ist mehr als nur Oberfläche, ist mehr als Aussenseite eines Inneren. Gegerbte Haut berührt einzigartig. Sie beheimatet den Eros der Nähe und erzählt uns von Vergangenem. Ein Lederstück aus dem edlen Traditionshaus gibt nicht nur Aufschluss über Design und moderne Möbelindustrie. In ihm und jedem der Nadeleinstiche manifestiert sich das Wissen einer jahrtausendealten Handwerkskunst. Und alles gründet in Tagen, in denen die Sattler von Hofe zu Hofe schritten. Mit Sattlerahle, Nähkolben, Kantenzieher und anderen Werkzeugen fertigten sie Geschirre für Ochsen und Pferde an. Zwischen damals und heute liegt eine kleine Ewigkeit, hat manch grosse Veränderung die Welt auf den Kopf gestellt – und doch: Bei der Möbelmanufaktur in Klingnau ist viel vom traditionellen Metier erhalten geblieben.
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Peter Denz weiss um diese bewährten Traditionen – die des Gerbens und die der Unternehmung. Der Möbelmacher ist seit einem halben Leben auf die Lederkunst von de Sede eingeschworen und hat den alten Patron des Unternehmens, Ernst Lüthy selig, noch persönlich gekannt. Seine Erinnerung an den manischen Magister ist lebendiger denn je. Letzterer gründete die Firma 1965, und alles begann mit einer kleinen Polsterei. Er muss ein überaus eindrückliches Mannsbild gewesen sein, dieser Lüthy, ein exzellenter Berufsmann, ein Tüftler und ein kompromissloser Perfektionist. Man munkelt gar, er habe Leder nach Alchemistenart in Gold verwandelt und zentimeterdickes Neckleder zu Hause in den eigenen vier Wänden gegerbt. Legendär und berüchtigt war auch des Meisters Messer. Zückte er es auf seinem allmorgendlichen Rundgang durch die Werkstatt, stockte den Mitarbeitern der Atem, blieb so manches Herz stehen. Denn Lüthy scheute sich nicht, eine nach seinem Dafürhalten nicht einwandfreie Naht an einem fertigen Ledersessel brutal aufzuschlitzen: «Da capo, gopfetori!»
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Eine Wunde im Leder tut weh. Ein jedes Mahnmal schmerzt, auch wenn es den Zweck erfüllt: das Bestreben nach Perfektion. Die einwandfreie Verarbeitung ist noch heute das wichtigste Qualitätsmerkmal für die Ledermöbel von de Sede. Allem Anschein nach aber haben die schmerzhaften Schlitze des Meisters Wunder gewirkt, wurde im Verlaufe der Jahre hinzugelernt. So lässt Peter Denz sein Sackmesser auch in der Hosen tasche, jedenfalls an jenem Morgen, an dem er uns durch das weiträumige Arbeitsreich führt. Im Leder zentrum in der Stadt an der Aare unterliegt die Arbeit einem stetigen Fluss. Hier werden ständig über 40 000 Quadratmeter feinstes Nappa-Leder gelagert. Mit Stolz erklärt man uns, dass ein jedes Polstermöbelstück, welches die Fabrik verlässt, auch hier gefertigt wird. Und dass der Lederbezug – wenn irgend möglich – aus nur einem Stück, einem einzigen, oder aber aus solchen von gleicher Güte geschnitten wird. Der Fachmann weiss alles über Leder. Es ist seine lebenslängliche Faszination. Diese liebenswürdige Begeisterung ist ehrlich ansteckend. Und Leder keine tote Materie, begreifen wir, sondern lebendiges Material. Was daraus entsteht, ist mehr als blosses Werk, ist vollendetes Können, ist atmendes Kunstwerk. Als exemplarisches Glanzstück gilt das Schachbrett Kaiser Karls des Grossen. Doch auch manch meisterhaft gefertigte Liege, manch Sofa, Bett und Stuhl brauchen den Vergleich nicht zu scheuen. Zumindest dann nicht, wenn sie aus dem aargauischen Lederreich stammen. Denn hier wird eine jede Lederhaut im Laufe des Produktionsprozesses mindestens fünfmal geprüft, werden ausschliesslich Häute aus Süddeutschland und Skandinavien verwendet. Weil für die Kunden nur das Allerbeste gut genug ist, weil das, was verkauft wird, qualitativ hochwertig und schön sein soll. Denn Schönheit gilt nach wie vor als «Promesse de bonheur», also als Glücksversprechen. Und dass die Zeichen der Zeit nicht eine jede Schönheit und ein jedes Versprechen vergessen lassen, wird uns bewusst, als wir in einer Nische auf eine Ansammlung alter und gebrauchter Möbelstücke treffen.
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Makelloses Leder ist faszinierend – doch von jenem, das Spuren trägt, können wir den Blick erst recht nicht abwenden. Es beschäftigt uns länger, denn es erzählt ungleich mehr. So kommen wir beim Anblick eines annähernd dreissigjährigen Sofas nicht umhin, uns zu fragen: Was hat es erlebt? Und was hat es zu berichten? Zweifelsohne wurde darauf gesessen, gelegen, es wurde gelitten, gestritten und geliebt, es wurde gelebt. Die Sorgfalt, mit der manch ein Möbelstück von den Eigentümern gepflegt wurde, ist rührend, und solche Stücke sind dann eben wirklich mehr als «nur» praktisch und schön. Sie sind dem Menschen zugehörig, sind Familienmitglieder, die nicht selten Generationen kommen und gehen sehen. Diese Betrachtungsweise mag übertrieben klingen und es auch sein – doch im Am biente der Manufaktur wird Nüchternheit zum Ding der Unmöglichkeit. Und wir können gut verstehen, dass manch ein romantischer Besitzer sein treues Lieblingsstück hier wieder überholen und auffrischen lässt. Diese Einstellung teilt auch Gregor Staeger, ein um sichtiger Unternehmer aus Thalwil, der ebenfalls am Rundgang teilnimmt. Gregor Staeger führt Europas grössten Shop für Nobel-Audio- und -TV-Geräte der Marke Bang & Olufsen, erfahren wir. Und dass er von Haus aus höchste Ansprüche stellt – an Qualität und Design. «Ich will und kann es mir nicht leisten, in meinem Geschäftsfeld auf diese beiden Eigenschaften zu verzichten», meint er. Wir nicken und verstehen. Sein zementiertes Credo macht auch vor Möbeln nicht Halt. Also ist es kein Zufall, dass der sympathische Strahlemann bei unserer Hallen-Wanderschaft mit LederPanorama mitmarschiert.
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Er weiss, was er will und warum er es will. Und es überrascht auch nicht, dass B & O-Kunden seit neuem eine Auswahl an de-Sede-Produkten in Staegers Geschäftsräumen probesitzen können. All die Klänge, die ein exquisiter Lautsprecher von sich gibt, mögen wahrlich noch berauschender klingen, sitzt man lauschend auf der richtigen Couch. Für Staeger jedenfalls liegts auf der Hand: doppelter Luxus vervielfacht den Genuss. Und wie sagte einst Cicero so schön: «Die dem Genuss nachlaufen, erreichen ihn am wenigsten.» Also endlich fertig gerannt und hingesessen – aufs richtige Möbelstück, versteht sich. Und das könnte durchaus eine Liege aus gestanztem, geheftetem, gerafftem Leder sein. Weitere Informationen unter www.desede.ch und www.desede.org
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Frankie Boy bringt den Wein zum Klingen Leidenschaft, Gelassenheit und Augenmass. Wie kaum ein Zweiter verkörpert Weinhändler Frank Ebinger die Zunft der Weinhändler. Er ist «body and soul» der Casa del Vino, die in der Schweiz spanischen Wein salonfähig gemacht hat.
Tex t Stefan Keller | FOTOGR AFIE Daniel Gerber
Als ich vor zwanzig Jahren mit dem Vertrieb spanischer Weine begann, war vieles, was uns angeboten wurde, übel riechende, zu lange im Fass gelagerte Weine grosser Firmen», meint Frank Ebinger mit ausladender Geste. «Wir stiessen auf unseren Entdeckungsreisen aber auch auf faszinierende, schillernde Gewächse junger, hungriger Produzenten, für die wir einen Markt aufbauen wollten.» Das ist erst zwanzig Jahre her und erscheint doch wie eine Ewigkeit. Es war die Zeit, als Frank Ebinger im Weingeschäft seines künftigen Schwiegervaters Arthur Steiert seine Sporen abverdiente. Anfang der 1990er-Jahre lief das Fass über. Frank Ebinger hatte genug vom Gemischtwarenladen. Er wollte etwas anderes – den Stier bei den Hörnern
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packen. Grafiker Ernst Meier lieferte ihm dazu die Steilvorlage: mit einem Logo, das sich zur Ikone entwickelt hat. Stierenkopf, gebildet aus Traubenbeeren, elegant geschwungenes Hörnerpaar und über allem die strahlende Sonne. Die Inspiration dazu holten sich Ebinger und Meier bei Picassos Tuschzeichnungen, die eindrücklich und kraftvoll die Faszination des Stierkampfs aufzeigen und auch beim Logo des spanischen Tourismus verbands, der mit einem Bild von Miró warb. Hunderte von Entwürfen malte Ernst Meier, bis er mit seinem Stier zufrieden war, bis es ihm gelang, das Hörnerpaar symmetrisch auf Papier zu bringen. Spaniens Weinwelt war im Aufbruch, und Frankie Boy hatte den guten Riecher, zu spüren, was sich da zusammenbraute. «Noch vor den einflussreichen Weinkritikern Parker und Peñín entdeckten wir die heutigen Stars und konnten uns so früh zeitig ein attraktives Portefeuille zusammenstellen.» Aus dem beschaulichen Haus des Weins wurde die innovative Casa del Vino und aus Frank Ebinger ein Weinhändler, der sich mit Leib und Seele dem Geschäft verschrieb. Noch heute sitzt er mittags wie abends bei Kunden aus der Gastronomie bei Tisch, und so wuchs parallel zur stetigen Umsatzzunahme auch seine Leibesfülle. «Meine Konstitution scheint ausser gewöhnlich zu sein, selbst mein Hausarzt staunt.» Und grinsend führt er an: «Wenn die Werte etwas aus dem Lot sind, reichen ein paar Schontage, und schon ist alles wieder im grünen Bereich.» Den guten Riecher für Trends, die Konstitution eines Stiers und die Bereitschaft, sich mit Haut und Haar einer Sache zu widmen, reicht das wirklich aus, um ein Unternehmen zu formen, das heute über 50 der ambitioniertesten spanischen Weinhäuser in der Schweiz als Generalimporteur vertritt? Es braucht einiges mehr dazu. Vom markanten Logo war schon die Rede. Es ist Teil des Corporate Design, für das Grafiker Ernst Meier seit zwanzig Jahren verantwortlich zeichnet. Zum konzeptionellen Auftritt gehört auch die jährlich erscheinende Broschüre. Sie hat den Stil und die Klasse der Produkte, für die sie wirbt. Auch das Verkaufsgeschäft an der Sihlfeldstrasse strahlt dieselbe gepflegte Sinnlichkeit aus. Grosszügigkeit ist für Frank Ebinger keine Attitüde, sondern wird aus dem Bauch heraus gelebt.
Frank ist ein unglaublich treuer und zuverlässiger Partner. Wen er in sein Herz geschlossen hat, dem bleibt er verbunden. Er führt das Geschäft wie ein guter Patron», weiss Ernst Meier. Diese Kontinuität ist Stärke. Das widerspiegelt sich auch in der Zusammensetzung des zehnköpfigen Teams. Die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten seit Jahren für die Casa del Vino. Für die Geschäftsführung verantwortlich ist Marco Caluori, mit dem Frank Ebinger vor dreissig Jahren im selben Betrieb seine kaufmännische Lehre gemacht hat. Auch seine ehemalige Partnerin Véronique und Mutter seines Sohns Yanick arbeitet im Geschäft mit. Kontinuität auch in den Veranstaltungen: Alle zwei Jahre geht im «Kaufleuten» das Festival Español über die Bühne, zu dem jeweils rund fünfzig Produ zenten nach Zürich eingeladen werden. Wer erfolgreich Weine verkaufen will, muss die Menschen mögen und er muss sie kennen. «Früher ging ich an jede Hundsverlochete, ich war extrem verschwenderisch im Umgang mit mir. Heute kann ich mir leisten, wählerischer zu sein. Ich finde mich dort ein, wo ich meine, dass es geschätzt wird und verdient ist.» Das Netz seiner Freunde und Bekannten umspannt mittlerweile
den ganzen Globus. An den Wochenenden ist ihm kaum eine Distanz gross genug, um sie zu treffen. Er ist einer, der von sich sagt, er könne nicht allein sein und dass ihn das Lesen von Büchern langweile. Und so lässt er sich durch die Arena des Lebens treiben. Frank Ebinger vermittelt den Eindruck, dass er das, was er tut, mit Leichtigkeit verrichtet, instinktiv die passende Wahl trifft, intuitiv die richtige Weiche stellt. Wenn andere beim Weindegustieren hin und her werweissen, zweifelnd und zögernd mit einem Urteil ringen, hat er für sich in der Regel nach dreissig Sekunden geklärt, was er vom Tropfen im Glas hält. Obwohl sein Spanisch nicht brillant ist, fällt es ihm leicht, mit seinen Produzenten ins Gespräch zu kommen. Er ist wahrlich kein Kind von Traurigkeit, und wenn in Spanien oder wo Fiesta angesagt ist, dann muss man ihn nicht zweimal bitten... «Heute steh ich etwas später auf als noch vor zehn Jahren. Damals musste ich zeitweise ziemlich ran.» Die amerikanische Sängerin Dionne Warwick soll über Frank Sinatra gesagt haben: «Er könnte den Menschen das Telefonbuch vorsingen, und es würde ihnen immer noch gefallen.» Wenn Frank Ebinger über seine Weine spricht, beginnt alles zu glänzen. So leger und vertrauensvoll sich Frank Ebinger auf dem öffentlichen Parkett bewegt, so klar und konsequent setzt er seine Vorstellungen um. Wohl lässt er seine Leute an der langen Leine und geniesst es, wenn sie ihm den Rücken freihalten. Und doch drückt er dem Unternehmen seinen Stempel auf. Da kommt ihm sein Faible für Formen und Farben entgegen. Sein Geschäftssinn ermöglicht es ihm, Leaderprodukte wie Conde de Valdemar oder Finca Antigua zu lancieren und so auch Weine im Sortiment zu führen, von denen er weiss, dass sie nicht die Qualitäten eines Gassenhauers bieten, sondern in einer Nische blühen. Goldrichtig war auch der Entscheid, sich auf spanische Weine zu konzentrieren und sich als Casa del Vino einen Namen zu schaffen. Frank Ebinger konnte sich so auf ein einziges Land konzentrieren, dort ein Netzwerk aufbauen und pflegen, die Tiefe eines Landes ergründen, statt die weltweiten Dimensionen des Weinanbaus zu bearbeiten. «Wir sind bezüglich spanischen Weins in der Schweiz nicht die Grössten, aber vermutlich die Besten und bieten – auf hohem Niveau – für alle Bedürfnisse etwas.»
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Auf dieses Ziel hin war der Kompass von Beginn an gerichtet. Wie Jahrringe haben sich die Nachwirkungen des kulinarischen und önologischen Dauerlaufs zwischen Herz und Hüften abgelagert. Der Hometrainer steht wohl zu Hause, aber so wirklich kann man sich Frankie Boy nicht vorstellen, wie er sich im Schweisse seines Angesichts freistrampelt. Menschsein macht müde. Augenringe zeugen von den Anstrengungen eines Lebens, das mit einem «Nine to five»-Job so wenig zu tun hat wie eine Sangria mit einem Pingus. Ein Hauch Melancholie umgibt den puer aeternus, den ewigen Jüngling. Vor zehn Jahren stieg Frank Ebinger in ein Projekt ein, das ihn begeistert und vitalisiert: Clos d’Agon. Zusammen mit Silvio Denz, Besitzer von Weingütern in Frankreich und Italien, Weinauktionator und Weinhändler Franz J. Wermuth und drei weiteren Partnern übernahm er das Gut in der Nähe von Girona an der Costa Brava. Man weiss, dass hier schon vor 300 Jahren Wein angebaut wurde. Clos d’Agon liegt rund 100 Meter über Meer am Rande eines Tales, eingebettet und geschützt von riesigen Wäldern, die Teil des Naturschutzgebiets «Las Gavarres» sind. Herzstück ist eine 350 Jahre alte Villa mit Sonnen terrasse und Sicht aufs Meer. Hier lässt sich gut sein, Atem schöpfen und Kraft tanken. Als Berater konnte das Schweizer Team Peter Sisseck gewinnen, den Schöpfer des spanischen Kultweins Pingus. Die Ambitionen sind hochgesteckt. Die hervorragenden Kritiken auf die ersten Jahrgänge zeigen, dass der eingeschlagene Weg richtig ist. Mit dem eigenen Wein im Angebot gibt Frank Ebinger der Casa del Vino eine zusätzliche, sehr persönliche Duftnote, die Wirkung zeigt und ausstrahlen wird. Man darf auf weitere Streiche gespannt sein... Weitere Informationen unter www.casadelvino.ch
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t r adi t i o n
Kult
Seele
und einer schuhmanufaktur
Dinge, die uns ein Stück unseres Weges begleiten, die uns ans Herz wachsen können, sind selten geworden. Aber es scheint, als käme das Bedürfnis nach dem Luxus der Langlebigkeit zurück. Produkte, welche unsere Sehnsucht nach alten Zeiten wecken und Qualität versprechen, sind wieder gefragt.
Tex t K arin Pr ätorius | FOTOGR AFIE Jürg Waldmeier
Der ältere Herr, der die Kandahar-Werkstatt verlässt, schaut irgendwie eigenartig, denkt Konstanze von Allmen. Ob alles in Ordnung sei, fragt sie ihn – sei er vielleicht nicht gut bedient worden? Statt einer Antwort streckt der Mann mit dem verdächtigen Schimmer in den Augen ihr wortlos eine Tüte entgegen: Ein Paar Winterstiefel aus Seehundsfell, Modell Cresta, liegt darin, getragen, aber gut gepflegt, mit neuer Sohle. Sie sehen auch sonst fast wie neu aus, findet die Geschäftsführerin der Thuner Schuhmanufaktur und schaut den Mann fragend an. Er komme aus Norddeutschland, aus Flensburg, erklärt der, und die Schuhe habe er vor dreissig Jahren in St. Moritz gekauft. Seitdem sei er immer wieder in die Schweiz gekommen, zum Winterurlaub, die Schuhe im Gepäck.
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Nun habe er gedacht, er würde sich endgültig von ihnen trennen müssen – aber in der Kandahar-Werkstatt seien sie noch einmal aufgearbeitet worden, und jetzt könne er noch ein paar Jahre mit ihnen verbringen. Er verabschiedet sich mit einem Lächeln und nimmt seine Schuhe mit, seine Geschichten, seine Erinnerungen an Winter in den Schweizer Bergen. Die Cresta werden heute noch produziert, auch aus dem besonders langlebigen Seehundsfell. Mit Aria, Alpina, Montana und Palace – alles Modelle aus den 1950er- und 1960erJahren – bilden sie die Celebrity-Kollektion von Kandahar. Celebrity ist eine Hommage an eine vergangene Zeit, an eine Zeit, die es so vielleicht nur in der Erinnerung gibt: als die Winter noch kalt waren und die Sommer heiss, als die Zukunft rosig aussah und Lifestyle noch Stil hiess. Auch die Produktion selber sieht ähnlich aus wie vor dreissig oder vierzig Jahren: Jeder einzelne der etwa 120 Arbeitsschritte, die zur Herstellung eines Kandahar-Schuhs nötig sind, wird in der Schweiz ausgeführt, in Gwatt am Thunersee. Die Herstellung erfolgt über wiegend von Hand, zum Teil mit den gleichen Maschinen wie vor vierzig Jahren, wenn diese es noch tun, zum Teil mit neuen
Geräten. Man ist schliesslich keine Museumswerkstatt, sondern eine heutige Schuhmanufaktur – die letzte in der Schweiz. Hier werden Traditionen nicht um ihrer selbst willen lebendig erhalten, sondern bewahrt und erweitert, weil sie sich als zweckmässig erweisen. Und jenseits aller Sehnsucht nach der guten alten Zeit und jenseits aller Vintage-Trends werden hier einfach sehr gute, sehr bequeme und sehr funktionale Schuhe produziert – die erst noch sehr gut aussehen. Man kann es handwerkliche Tradition nennen oder Nachhaltigkeit: Wenn es ein Anachronismus ist, dann ein sehr zeitgemässer. Zwischen schwarzen und braunen liegen Felle in leuchtenden Farben, in Orange, Pink, Eisblau und Dunkelrot. Schon im Materiallager, wo die Tour durch die Produktionsräume beginnt, ist zu sehen, wie hier Tradition interpretiert wird: mit dem Blick nach vorne und mit einem guten Schuss Rock ’n’ Roll. Winterstiefel aus Rossfell in Magenta mögen nicht jedermanns Sache sein – aber man zielt ja auch nicht auf den Massengeschmack. Die handwerkliche Produktion macht Einzelanfertigungen und Kleinserien problemlos möglich. So werden etwa für die exklusive Boutique «en soie» in Zürich die Modelle Alpina und Palace in Spezialfarben produziert, passend zur jeweiligen Kollektion und nur dort erhältlich. Innovation, das Streben nach ständiger Weiterentwicklung, ist die wichtigste Tradition bei Kandahar. Schon früh gab es die besondere Gummimischung, die, wie ein Winterpneu, auch bei Kälte weich und flexibel bleibt und so für die unerreichte Rutschfestigkeit der Sohle sorgt, oder die Innensohle aus Kork, die wie kein anderes Material gegen die Kälte isoliert und zum Abtransport der Feuchtigkeit dient. Neu werden bei Kandahar sogenannte propriozeptive Einlagen angeboten, individuell angefertigte Therapie-Einlagen, die nicht, wie es konventionelle Einlagen tun, den Fuss abstützen und damit inaktiv machen, sondern die stattdessen die Muskeln des Fusses sanft aktivieren. Schuhe, das versteht man nach einem Besuch bei Kandahar, sind nicht nur simple Kleidungsstücke und sicher keine reinen Accessoires. Eine schlecht sitzende Hose mag stören, ein schlecht passender, falsch gebauter Schuh schadet.
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Schon als Fritz von Allmen 1932 die Firma gründete, waren Innovation und das Wissen um die Funktionalität der Schuhe sein Antrieb. Den passionierten Skifahrer trieb die Frage um, welche Schuhe die Sportler tragen könnten, wenn die Füsse nach der Anstrengung Platz im Schuh brauchen, um sich zu erholen. So entstand der Après-Ski-Schuh aus Lammfell, seinerzeit der einzige in der Schweiz. Es riecht nach Leder und Klebstoff in den Produktionsräumen, und es ist erstaunlich ruhig. Aber das passt zu Kandahar. Mit Leidenschaft, aber ohne grosses Getöse werden hier, mit Blick auf die Berge des Berner Oberlandes, die Schuhe gefertigt, die dann in Zürich, St. Moritz und Klosters, in München und Düsseldorf und zunehmend auch in den USA und in Russland, in Japan und in Skandinavien ihre Käufer finden. Die 23 Mitarbeiter, die die Schuhe produzieren, gehören zur Familie, sagt Konstanze von Allmen. Sie kommen aus der Schweiz, aus Portugal, aus Jugoslawien und aus der Türkei. Nicht alle sprechen die gleiche Sprache, aber allen gemeinsam ist der Stolz auf das, was sie tun. Sie alle strahlen das Selbstbewusstsein und die Würde von Menschen aus, die gute Arbeit leisten dürfen. Auch das gehört zum Handwerk, wie es hier gepflegt wird: das Wissen um die Produktionsbedingungen, die die Liebe zum Detail und handwerkliche Sorgfalt erst möglich machen. Wer trägt Kandahar-Schuhe? Das sei schwer zu sagen, meint Dieter von Allmen, Sohn des Firmengründers, Geschäftsleiter und zuständig für die Gestaltung. Menschen, die auf Qualität schauen, die irgendwann entscheiden, dass sie genug von Massenware haben und nun den «rechten Schuh» wollen. In jedem Fall aber meist Wiederholungstäter, sagen die von Allmens lächelnd: «Es bleibt selten bei einem Paar.» Weitere Informationen unter www.kandahar.com
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RE I S E N
Farben im Sand
Westwind wirbelt Sand bis in die Strassen Pekings. Chinas Wüsten wachsen. Sie werden zum Gegner. Schon klar, Wüsten sind menschenunfreundlich. Trotzdem atemberaubend schön. Und manchmal sind sie ein Tor zu einer anderen Wahrnehmung. Wie die Wüste Badain Jaran, das Juwel im chinesischen Teil der Gobi.
Tex t und Fotogr afie Daniel B. Peterlunger
Vor mir liegt nichts als Sand! Riesige Dünen wellen zum Horizont. Dahinter, so viel weiss ich, warten noch höhere Dünen. In dieses menschenleere Niemandsland hineinwandern? In diese reine Sandwüste, gross wie die Schweiz? Und Berge gibts auch. Megadünen. Wissenschafter nennen sie so, weil sie bis zu 450 Meter hoch sind. Die meisten, Zigtausende, erreichen stolze 300 Meter. Nirgendwo sonst auf der Welt existieren Dünen in dieser gigantischen Grösse und Vielzahl. Und als wäre das noch nicht genug, um den Wüstenfan in mir zu verführen, trumpft das stille Sandland mit einer weiteren Exklusivität auf: Weit im Süden des Ausgangspunkts Kurote, tief im Herzen der Badain Jaran, sollen zwischen windmodellierten Sandbergen mehr als hundert blaue Seen glänzen. Eine Seenlandschaft in einem Sandmeer. Da will ich hin!
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Uinga, die Kamelführerin, hängt ihr buntes Handtäschchen über den vorderen Höcker des Kamels, zurrt ihr türkisblaues Kopftuch fest und flüstert dem Tier sanft ins Ohr: «Los!» Das Leitkamel rülpst leise, aber aromatisch, klimpert mit den langen Wimpern, um eine Fliege zu verscheuchen, und setzt sich in Bewegung. Uinga marschiert los und wirft einen kurzen Blick zurück: Die Karawane folgt. Ich folge. Zehn Tage Fussmarsch liegen vor uns. Den ersten See werden wir erst in einer Woche erreichen. Ein paar Tage in der Wüste, schon verlieren Uhren jeden Wert. Zeitlosigkeit öffnet die manchmal enge Pforte der Wahrnehmung. Die Wüste hilft beim Fokussieren auf Wesentliches. Es ist die Wiederentdeckung elementarer Dinge: Wasser, Essen, Feuer. Eine gute Erfahrung. Und die Schönheit der Natur macht beim blossen Hingucken glücklich: eine sonnenverwöhnte Traumlandschaft aus wohlgeformten Sandflanken für unendlich variierende Schattenspiele. Wir überqueren sandige Pässe, wandern von Tal zu Tal und um Dünen herum. Im Riesenslalom durch die Wüste. Rund vierzehn Kilometer schaffen wir täglich. Luftlinie.
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Geriffelte Dünen tragen gut. Manchmal ist der Sand hart, dann knirschts wie beim Gehen in Schnee. Dann wiederum ist das Terrain weich. Ziemlich anstrengend. Auch für die Kamele. Ohne sie geht nichts. Wie schon vor Jahrhunderten. 24 Zweihöckrige tragen Gepäck, Essen, Wasser und die Zelte von uns fünfzehn Wüstenwanderern. Auf der Pionierreise ist auch die in vielen Wüsten erfahrene 73-jährige Monika. Schon nach ein paar Tagen meint sie begeistert: «Das hier ist kein Déjàvu!» Zwei Kamelzüchterfamilien, vier Frauen, inklusive Chefin Uinga, und zwei Männer, kümmern sich um die Tiere. Sie gehören ihnen. Und sie kochen für uns. Die stets gut gelaunten Mongolen – wir befinden uns in der Inneren Mongolei, auf chine sischem Staatsgebiet – sprechen Mongolisch und Chinesisch. Damit wir uns verstehen, wandert die Deutsch sprechende Chinesin Aiwen mit. In der fünften Nacht kommt Wind auf, rüttelt an den Zelten, wirbelt Sand auf. Der Mond wird blass. Die Wüste spuckt trocken. Starke Böen fegen über den Lagerplatz. Ein Überzelt reisst sich knatternd los. Hastig schaufeln wir Sand, um die Zelte zu stabilisieren. Die Chinesin hat, wie jede Nacht, ihr Einerzeltchen ins grosse Küchenzelt hineingestellt, weil es so wärmer ist. Mit einem Knall zerreissen Schnüre. Wie ein Drache segelt das Küchenzelt durch die Nacht. Blechpfannen rollen weg, Teller fliegen. Spät nach Mitternacht ist der Spuk vorbei. Zerbrochene und verbogene Zeltstangen ragen in den wolkenverhangenen Himmel. Als hätte eine Bombe eingeschlagen. Inmitten des Chaos steht unversehrt das kleine Zelt der Chinesin. «Diese Wüste ist einfach schrecklich», seufzt sie. Wir ziehen durch eine atemberaubende Landschaft, die jeden Tag anders aussieht. Die Farben des Sands wechseln von Beige zu Braun, spielen ins Goldgelb hinein oder ins Schneeweiss. Vereinzelt gibt es grüne Büsche. Die Kamele rupfen sie im Vorbeigehen mit einem lässigen Schlenker des Kopfs. Die Kamele! Weiche Felle, harte Köpfe. Wie wir sie lieben, schätzen, ihnen dankbar sind. Doch zwei Stunden dauert es jeweils, bis die Karawane beladen ist. Eine Übung in Geduld. Jeden
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Morgen das gleiche Theater: Der Kampf der Kamele mit dem Gepäck. Die Last der Karawane verringert sich täglich um hundert Kilo, Wasser- und Lebensmittelvorräte nehmen ab. Am siebten Tag, nach einem langen Aufstieg, liegt tief unter uns, was schon auf den als Navigationshilfe mitgebrachten Satellitenbildern faszinierend aussah: der erste See! Wie immer ist die Wirklichkeit besser als ihr digitaler Abklatsch: Wie eine silberne Platte liegt der See zwischen steilen Sandwänden. Kein Windhauch kräuselt das Wasser, das die Dünen spiegelt. Doch Baden geht nicht. Zu salzig sind die meist alkalischen Seen. Zu seicht und zu schlammig sind die Ufer. Es riecht faulig. Doch in Ufernähe gibts Süsswasserquellen. Wir trinken. Und wir duschen! Erleben hautnah, was Wasser wert ist. Müssen wir tatsächlich so weit reisen, um zu begreifen? Alle paar Stunden erreichen wir jetzt einen weiteren See. Schliesslich den schönsten, den tiefblauen Badain Jaran. Die Buchten schimmern gelb und grün: Schilf, das der warme Wind streichelt. Überirdisch perfekt spiegelt sich im See das 1775 gegründete buddhistische Kloster Badan Jilin. Badan hiess der Mann, der sechzig Seen entdeckt hatte. Jilin bedeutet sechzig. Heute sind mehr als hundert Seen bekannt. Ihre Entstehung ist hingegen noch wenig erforscht. Uraltes Regenwasser, das in den Megadünen gespeichert sei, speise die Seen, vermutet man. Es soll auch unterirdische Quellen geben. Im Kloster lebt ein Mönch. Sein Vater ist abwesend – in Tibet zur Weiterbildung. Acht Menschen, allesamt Kamelzüchter, leben in der Oase, in der Vögel zwitschern. Has, der Bruder des Mönchs, und seine Frau Ölgüngerle haben einen Gemüsegarten angelegt. Sogar Birnen gedeihen da. Saftig, fruchtig, kühl, und das mitten in der Wüste. Jeder Biss ist eine Offenbarung. Has vermietet Zimmer. Bislang nur an einheimische Besucher, die hier einmal jährlich ein religiöses Fest feiern. Ausländische Gäste würde der stille Has natürlich auch beherbergen. «Aber eigentlich reichen die bisherigen Einnahmen», meint er bescheiden. Weitere Dünenzüge liegen vor uns. Dazwischen weitere blaue Seen, die den wolkenlosen Himmel so spiegeln, dass man sich gern darin verliert – beim Traumwandern.
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Im Süden, eine weitere Tagesetappe entfernt, sollen am Ufer des Sees Nuo Te Jeeps auf uns warten. Damit sollen wir die vielleicht schönste Wüste der Welt verlassen. Wollen wir das? Wir bleiben. Hier, am Klostersee, legen wir einen Ruhetag ein. Es ist Vollmond. Silbrig schimmern Zelt- und Kamellager, die Kisten und die Packleinen, die überall herumliegen. Wie auf Expeditionsfotos des vorletzten Jahrhunderts. Noch ist der Boden warm und mein Atem wieder ruhig, nach dem Aufstieg auf die höchste Düne. Hier ist es still. Absolut still. Ich werde still. Deutlich hörbar rauscht mein Blut. Je länger ich hinhöre, desto mehr entwirrt sich das scheinbare Chaos der Töne und wird zum fein gewobenen Klangteppich, der im Rhythmus des Herzschlags schwingt. Hundert Atemzüge später: Die Töne aus der Tiefe werden kräftiger – und plötzlich ist alles Klang! Die Wüstenstille füllt sich mit Musik. Mit überirdisch schönem Sound, der von überall und nirgendwo herzukommen scheint, aus einem Raum, der weit über die Wüste hinaus ins All reicht. Sphärenmusik? Chinesisches Opium ist nicht im Spiel. Die Wüste reicht. Weitere Informationen unter www.globotrek.ch
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ausblick
Der Stoff aus dem die Helden sind
Du bist ein Held, wenn du schnell fährst und trotzdem ankommst. Du bist ein Held, wenn du dich was traust. Vor allem, du selbst zu sein. Du folgst deinem Instinkt, und du hast Benzin im Blut. Kraftstoff, der Stoff, der auch dich zum Helden macht.
Tex t Alan Smithee | FOTOGR AFIE Patrick Rinderli
James Dean war 1955 der Rebel Without a Cause, auf der Suche nach Liebe und Anerkennung. 1968 war Steve McQueen Bullitt, auf der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Barry Newman war dann 1971 in «Fluchtpunkt San Francisco» als Kowalski in seinem Dodge Challenger unterwegs von Denver nach San Francisco. Wie alt du auch bist: In jeder Generation gibt es fahrende Helden. Und genügend Gründe, endlich selbst das Steuer in die Hand zu nehmen. Wer heute jung ist, der sieht bei seinen Helden oft ein Zeichen, das einen Phönix darstellt – das Logo von Belstaff. Das tragen sie auf dem Arm ihrer Jacken, wenn sie als letzte Überlebende unseres Planeten durch die Strassen von New York fahren, so wie Will Smith in «I am Legend». Nicht immer war dieses Logo das Symbol der Stars. Früher war es ein Zeichen dafür, dass Männer und
Frauen guten Geschmack bewiesen bei der Auswahl einer brauchbaren Motorradjacke. Wie Michael Bachmeier, damals, 1978. Aus Wachscotton war sie und nur halb so teuer wie eine aus Leder. Aber, wie sich rausstellte, besser und stilsicherer als alles andere. Kein Beizentisch, auf dem das schwarze Wachs nicht Spuren hinterlassen hätte. Fast so, als hätte Bachmeier nicht die Jacke mit nach drinnen genommen, sondern gleich das ganze Motorrad. – Du musst wissen, dass deine Maschine noch da steht. Du kannst dich an ihr nicht sattsehen. Darum stellst du sie immer so ab, dass du sie im Blick hast. Touren, Benzin und zeitlose Klamotten, das sind die Zutaten für einen Laden, der – natürlich! – in einer ehemaligen Tankstelle ist. Und für den man sich keinen anderen Namen vorstellen kann als den, den er trägt: Kraftstoff. Dort hat jedes Teil seine eigene Geschichte. Ob Fotografien von Bachmeier und seinen Kunden auf ihren Touren oder Reliquien von Steve McQueen im Schrein auf dem Ehrenplatz gegenüber der Eingangstür. Ob da die alte Belstaff-Kombi seiner ersten Freundin hängt oder direkt daneben Teile aus den aktuellen Kollektionen. Und zwar nicht nur die aus der Motorradkollektion, sondern auch die der gesamte Fashionlinie. Normalerweise gibts die einen nur im Töfffachgeschäft. Die anderen ausschliesslich in Boutiquen. Nur der Laden in Rapperswil darf beide Linien führen. Denn Kraftstoff ist der einzige Ort in der Schweiz, wo alles stimmt, Authentizität und zeitloser Lifestyle, findet Franco Malenotti, Chef der Marke Belstaff, der früher selber einmal Rennfahrer war.
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Für die meisten läuft die Entwicklung genau anders herum. Sie haben erst einen ganz normalen Job und widmen sich der Liebe zum Fahren erst später wieder. Bei Bachmeier war der Benzingehalt im Blut immer etwas höher. Und deswegen wohl auch seine Wandlung radikaler. Früher war er Manager und trug, was man so bei der Arbeit trägt: einen Anzug. Heute trägt er nur noch Sachen aus dem eigenen Sortiment und duzt alle, die zu ihm in den Laden kommen. Die Leute finden es gut. Es hat sich gelohnt, acht Monate den Kopf durchzulüften und von den Businessplänen, die er währenddessen geschrieben hat, genau den umzusetzen, der am besten zu ihm passt. – Nietzsche flüstert dir ins Ohr: Werde, der du bist. Weil das, was du anziehst, ein wichtiger Teil deines Lebens ist. Weil es der direkteste Weg ist, deine Identität zu kommunizieren. Dein Stil ist die Botschaft, wie du dich von einer Gruppe abgrenzt oder ein Teil davon bist. – Dieses Credo ist auch in den eigentlichen Leistungen für seine Kunden spürbar: Er bewahrt sie vor überstürzten Käufen und empfiehlt nur Marken, die sich über Jahre bewährt haben und die er selber trägt. Helme von Davida, T-Shirts von Johnson Motors, Schuhe von Red Wing und Jeans von Levi’s Vintage. Und natürlich Prps, die man ständig an den neuen Helden sieht. Auf Paparazzi-Fotos von Brad Pitt zum Beispiel, einem der wirklich coolen Hollywood-Stars. Jeans, welche die Gebrauchsspuren von Jahrzehnten haben. Wer nicht die Zeit hat, seine Jeans selbst über Jahre einzutragen, findet bei Prps Mitarbeiter, die sie in liebevoller Handarbeit altern lassen. Mit echten Ölflecken, deutlich sichtbar und doch nicht zu stark. Mit glaubhaften Löchern genau an den Stellen, wo sie auch das Leben selbst hinterlassen hätte. Eben so, wie sie bei einem Mechaniker in vielen Jahre harter Arbeit entstanden wären. Einzigartig und echt. – Du siehst das Ziel nicht, aber du weisst, es ist da. Du wirst dafür kämpfen müssen und schneller fahren. Manchmal sieht es so aus, als ob du es nicht schaffst. Deine Zuschauer ahnen längst, dass du siegreich bleibst. Nur: Wissen kannst du es nicht, du musst es glauben. Wenn du es glaubst, bist du ein Held, denn du bist am Leben. Manchmal mit Narben. Aber immer aufrecht. Weitere Informationen unter www.kraftstoff-suisse.ch
Hier investieren Sie vor allem in technologische Spitzenqualität – und ganz nebenbei auch in ein Kunstobjekt Bei der Schaffung eines technologisch vollendeten Home Cinema-Systems achten wir auch auf eine stilvolle Erscheinung. Noch mehr Wert legen wir bei Bang & Olufsen allerdings auf eine unübertroffene Bild- und Klangqualität. Das Ergebnis ist ein Fest für die Sinne, das Sie live sehen, hören und erleben müssen. Überzeugen Sie sich selbst vom BeoVision 9. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
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«Leistung heisst für mich: überzeugen im persönlichen Gespräch.»
Dr. Duri Prader
Im Beratungsgespräch geht es um mehr als nur um Vermögenswerte: Es geht um Menschen, ihre Lebenswege und die Leistungen, die sie über die Jahre erbracht haben. Dieser persönlichen Situation meiner Kunden begegne ich mit Respekt und höchster Kompetenz. So wie es unseren Werten als unabhängige, weitschauende und erstklassige Privatbank entspricht.
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