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1 Das Konkubinat – Zusammenleben ohne Trauschein

1 Das Konkubinat – Zusammenleben ohne Trauschein

■ «Wilde Ehe» 1945 Noch vor wenigen Generationen war es selbstverständlich, dass zwei Menschen erst

«Als Zemp in eine andere Wohnung umzog, folgte ihm Elise Saxer mit dem Kinde nach», schreibt das Bundesgericht. «Sie besorgte Zemp den Haushalt, nächtigte mit ihm in seinem Schlafzimmer und lebte mit ihm in Geschlechtsgemeinschaft.» Dafür seien die beidann in eine gemeinsame Wohnung zogen, wenn sie verheiratet waren. Und auch das heutige Familienrecht enthält ausschliesslich Regelungen, die in direktem Zusammenhang mit der Institution Ehe stehen. den zu Recht zu je einem Monat Gefängnis Entschliesst sich ein Paar zu heiraten, so bedingt verurteilt worden, so die höchsten ergeben sich daraus einige Vorteile rechtli-

Schweizer Richter weiter. Der Grund: «Damit cher Art, indem die Vorschriften des Eheverstossen sie gegen die öffentliche Ordnung, rechts für viele mögliche Konflikte Lösungswonach Grundlage für das Gemeinschafts ansätze vorgeben. Sind die Eheleute mit den leben der Geschlechter die Ehe ist.» «Standard»-Vorgaben des Zivilgesetzbuches Das war 1945, als es noch in zahlreichen einverstanden, so müssen sie grundsätzlich

Kantonen Konkubinatsverbote gab. Heute nichts unternehmen. Das Recht bietet in eigilt die wilde Ehe gesellschaftlich als salon nem beschränkten Rahmen zudem die Mögfähig. Mehr als 370000 Menschen leben in lichkeit, die «Regeln des Zusammenlebens» dieser Beziehungsform, das sind elf Prozent den eigenen Bedürfnissen anzupassen. aller Paare – dreimal mehr als vor 20 Jahren. Das Zusammenleben von Mann und Frau vor der Ehe (= Konkubinat), d. h. ohne dass Quelle: Beobachter Nr. 16, 31. Juli 2007 die Partner verheiratet sind, wird dagegen im Gesetz nicht geregelt (ist aber heute nicht mehr verboten). Dementsprechend gibt es auch keine «Gründungsvoraussetzungen». Heute leben viele Paare ohne Eheschliessung, oft über eine längere Zeit, im sogenannten Konkubinat zusammen. Manchmal wird das Konkubinat zwar als eine «Probeehe» verstanden, die gegebenenfalls eine relativ einfache, formlose Trennung ermöglicht. Gemäss einer Umfrage der Zeitschrift «Der Beobachter» aus dem Jahr 2007 betrachten allerdings mehr als die Hälfte der befragten Konkubinatspaare aus der Deutschschweiz das Konkubinat als selbstständige Lebensgemeinschaft, ohne in nächster Zeit heiraten zu wollen. Knapp ein Drittel der Befragten gibt als Grund die mögliche Steuerersparnis an, beinahe 20 % möchten sich nicht zu schnell festlegen.

Den unbestreitbaren Vorteilen stehen aber auch gewichtige Nachteile gegenüber. Weil das Konkubinat im Familienrecht nicht vorkommt, fehlt ein gesetzlich vorgesehenes soziales und finanzielles Netz bei Problemen zugunsten der Konkubinatspartner. So sieht beispielsweise die AHV keine Witwen- oder Witwerrenten vor, und auch in der zweiten Säule gibt es häufig keine obligatorische Rente an den überlebenden Partner. Bei weiteren Konflikten wird meistens auf die Regelungen zur «einfachen Gesellschaft» im Obligationenrecht (Art. 530 ff. OR) zurückgegriffen. Jene Bestimmungen wurden aber nicht für den Fall des eheähnlichen Zusammenlebens aufgestellt und sind deshalb für die meisten der daraus entstehenden Probleme eher ungeeignet. Daher empfiehlt es sich, bereits zu Beginn des Konkubinats die wichtigsten möglichen Konfliktbereiche in einem Vertrag zu regeln, der mindestens die folgenden Fragen klären sollte:

■ Hauptpunkte eines Konkubinatsvertrags

1. Vertragspartner und Zweck des Vertrags 2. Wem gehören die Einrichtungsgegenstände (Inventar)? 3. In welcher Form und in welchem Umfang tragen die beiden Partner zum gemeinsamen

Lebensunterhalt bei? 4. Wie wird der Mietvertrag ausgestaltet, sodass für keinen der Partner bei der Auflösung ein Nachteil entsteht? 5. Besteht eine gegenseitige Unterstützungspflicht bei der Aufgabe der Erwerbstätigkeit oder bei der Entstehung einer finanziellen

Notlage? 6. Wie soll die Lebensgemeinschaft aufgelöst werden (Kündigung)?

Ein Konkubinatsvertrag sollte je nach persönlicher Situation der Partner individuell ausgestaltet werden, sind doch ganz verschiedene Varianten solcher Lebensgemeinschaften vorstellbar: Von der «einfachen», eher auf eine kürzere Frist ausgelegten Situation einer Probeehe von zwei voll berufstätigen Personen bis hin zu Partnerschaften mit eigenen und/oder gemeinsamen Kindern, in denen ein Konkubinatspartner berufstätig und der andere Partner voll für die Kinderbetreuung sowie die Haushaltführung zuständig ist. Bei einem gemeinsamen Kind des Paares gilt z. B. der Mann rechtlich nicht automatisch als Vater; er muss die Vaterschaft formal beim Zivilstandsamt bejahen. Ähnliches gilt beim Sorgerecht, das vorerst von der Mutter alleine ausgeübt wird.

Konkubinatspartner sind gut beraten, auch einen weiteren wichtigen Problembereich schriftlich zu regeln: Sie sollten eine Vollmacht erstellen, die sämtliche dem Arztgeheimnis unterworfenen Personen von ihrer Schweigepflicht gegenüber der Lebenspartnerin oder dem Lebenspartner entbindet. Es kann unter Umständen nötig werden, dass Angehörige ihre Zustimmung zu einer ärztlichen Heilbehandlung geben sollten, wenn die zu behandelnde Person dazu nicht mehr selbst in der Lage ist. Ohne eine entsprechende Vollmacht des Konkubinatspartners können Ärzte oder Spitäler Auskünfte verweigern, weil die Konkubinatspartnerin nicht automatisch als angehörige Person anerkannt wird.

Zudem empfiehlt es sich, eine langjährige Lebenspartnerin oder einen langjährigen Lebenspartner in einem Testament im Rahmen der erbrechtlichen Möglichkeiten zu begünstigen. Das Erbrecht anerkennt lediglich den überlebenden Ehepartner als gesetzlichen Erben, nicht jedoch einen Konkubinatspartner. Es gibt auch keine Pflichtteile für Lebenspartner, auch wenn ein Paar jahrzehntelang zusammengelebt hatte. Dies kann dazu führen, dass im Todesfall eine langjährige Lebenspartnerin völlig «leer ausgeht», weil sämtliche Vermögensteile auf die gesetzlichen Erben aufgeteilt werden.

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