Spreu und Weizen. Wie sich KMU-Automobilzulieferer für die E-Mobilität rüsten. Eine Expertenbefragung von Struktur Management Partner.
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AUFGABE 02
AUFGABE 01
75 % KURZFASSUNG
S TA R T
Inhalt
Einleitung
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I. Aktuelle Entwicklungen stellen Automobilzulieferer vor neue Herausforderungen
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II. Automobilzulieferer in der Transformation
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III. Weg vom unidirektionalen Denken: Unternehmen mĂźssen in Szenarien planen und Strategien entwickeln
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Die Autoren
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Anhang
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Einleitung
Die Automobilindustrie steht vor einem radikalen Umbruch. Und wie immer wird es auch hier Gewinner und Verlierer geben. Doch welche Unternehmen wird es treffen? Die Struktur Management Partner AutomotiveStudie von 2016 hat aufgezeigt, dass vor allem kleine und mittelgroße Automobilzulieferer im Bereich Powertrain und Karosserie vor existenziellen Herausforderungen stehen und dies zwar auch zunehmend erkennen, aber in wesentlichen Handlungsfeldern dennoch keine bzw. nur unzureichende Maßnahmen ergriffen haben.
Aufgrund der seit Anfang 2017 stark zunehmenden Dynamik in der öffentlichen Diskussion und der positiven Wahrnehmung der Elektromobilität untersucht die hier vorliegende Veröffentlichung vertieft die Vorbereitung der Automobilzulieferer auf die sich anbahnende Elektrifizierung. Im ersten Teil gehen wir auf aktuelle Entwicklungen der Elektromobilität und deren Einfluss auf die Wertschöpfung der KMU ein. Im zweiten Teil beleuchten wir auf Basis unserer Befragung von Zulieferern, Finanzierern und Experten aus der Automobilindustrie die erwarteten Auswirkungen auf die Unternehmensplanungen sowie den Status der eingeleiteten Maßnahmen. Daraus abgeleitet identifizieren wir im dritten Teil weitere Handlungsbedarfe und Empfehlungen.
Abb. 6: Veränderung der Wertschöpfung Prognose 2015: Vergleich der Wertschöpfung zwischen Elektro- und Kraftstofffahrzeug
Abb. 7: Veränderung der Zerspanungshauptzeiten
Abb. 8: Geschätzter jährlicher Output an Aggregaten pro Angestellter
Quelle: PTW TU Darmstadt
Quelle: ING Bank, „Breakthrough of electric vehicle threatens European car industry”
Prozent Zerspanungshauptzeiten
Quelle: IKA RWTH Aachen, eVchain.NRW, September 2014
Drehen
Angaben in EUR pro Fahrzeug, excl. Batterie
Fräsen
Bohren
Schleifen 100 100 100 100 100
Verbrennungsmotor -1.500
Verbrenner
Getriebe/Kupplung -400 Abgassystem -240 Nebenaggregate -120 Kraftstoffsystem -70 Thermomanagement Bordnetz Leistungselektronik Elektromotor
200
Hybrid
150 480 800
Gesamte Veränderung -700
Die Wertschöpfung der Zulieferer wird sich verlagern und abnehmen. Während ein Verbrennungsmotor ein komplexes System mit fast zweitausend Bauteilen ist, hat ein Elektromotor gerade mal ca. zweihundert Komponenten. Stromer verfügen nicht nur über weniger komplexe Motoren und Getriebe; es entfallen auch Komponenten für die Abgasnachbehandlung, Geräuschdämmung und viele weitere Bauteile und Systeme (Abb. 6). Der Produktionsprozess wird dadurch deutlich einfacher. Während ein Mitarbeiter durchschnittlich rund 350 Verbrennungsmotoren oder Getriebe pro Jahr produzieren kann, verarbeitet in Zukunft ein einzelner Mitarbeiter bis zu 1.600 Elektroantriebe jährlich (Abb. 8). Beispielsweise wird zur Herstellung von Elektroantrieben nur noch 28% der Zerspanungszeit eines Verbrennungsmotors benötigt (Abb. 7).
110 126 112 109 101
Elektroantrieb
28 53 29 22 22
Laut einer Studie des Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen sind in Deutschland rund 620.000 Jobs direkt vom Verbrennungsmotor abhängig und somit im Zuge des technologischen Wandels potenziell gefährdet. Obwohl gemäß dem Institut für Automobilwirtschaft (IFA) aus einer Makroperspektive der Großteil der wegfallenden Jobs durch Anstellungen in aufkommenden Technologiebereichen wie autonomem Fahren und Digitalisierung ersetzt werden können, werden für einzelne, technologiespezifische KMU deutliche Rückgänge spürbar sein, die sich nicht ohne weiteres kompensieren lassen. Den Übergang zu Elektromotoren gestalten in den meisten Ländern aller Voraussicht nach aber vorerst Hybridsysteme, die aufgrund des doppelten Antriebssystems über eine höhere Wertschöpfung verfügen. Und nicht nur der Antriebsstrang verändert sich durch die Elektrifizierung. Zunehmender Leichtbau und
Verbrennungsmotor Getriebe Elektromotor
350 350 1.600
flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten führen auch zu Modifikationen an Karosserie, Fahrwerk, Elektrik/Elektronik und Interieur (Abb. 9).
Abb. 9: Veränderung Fahrzeugsysteme bei Elektrofahrzeugen der Stufe 211)
Karosseriestruktur Rohkarosserie
Quelle: nach IKA RWTH, eVchain.NRW, September 2014; Darstellung SMP 1)
neue Fahrzeugmodelle mit Elektro-Antrieb, wie z.B. BMW i3, Tesla Model S, 3 und X
Leichtbaumaßnahmen
PTC = positive temperature coefficient (Zuheizer)
neues Modul / System verändertes Modul / System entfallenes Modul / System
Verstärkungen Strukturbauteile
(Batterienintegration)
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Elektrik / Elektronik Antrieb
Niedervoltbordnetz und -Komponenten Fahrwerkselektronik
Verbrennungsmotor
E/E-Architektur
Abgasanlage
Hochvoltbordnetz
Kraftstoffanlage
DC/DC Wandler / Ladegerät
Antriebswellen
DC/AC Wandler
(Hinterachs-)Differential
Batteriemanagementsystem
Motorkühlung
Motormanagement
Getriebe Elektromotor Energiespeicher Kühlung Batterie/Elektronik Nebenaggregate
Interieur Kombiinstrument Klimatisierung Verkleidung / Akustik
Fahrwerk Räder / Radaufhängung Stoßdämpfer / Federung Lenkung Bremssystem
Leichtbaumaßnahmen PTC Heizung
III. Weg vom unidirektionalen Denken: Unternehmen müssen in Szenarien planen und Strategien entwickeln
Unsere Umfrageergebnisse zeigen, dass sich die Automobilzulieferer in der Lage sehen, die Transformation der Antriebstechnologie zu managen, eventuelle Risiken jedoch nur vereinzelt in die Unternehmensplanung mit einfließen lassen. Ein Großteil trifft keine Vorkehrungen zur Risikoabsicherung. Die unsicheren Prognosen erschweren zudem Investitionen in neue Technologien und belasten die Finanzierungssituation gerade für kleinere, weniger diversifizierte KMU. Unsere konkreten Handlungsempfehlungen für den bevorstehenden Umbruch:
Auf verschiedene Szenarien vorbereitet sein und frühzeitig handeln. Angesichts der großen Unsicherheit müssen Automobilzulieferer in Szenarien statt linearer Entwicklung denken. Die frühzeitige Identifikation von potenziellen Bedrohungen und deren Berücksichtigung in den Unternehmensplanungen ist dabei essentiell. Die Gefahr, dass sich beispielsweise die Elektromobilität schneller durchsetzt als bisher erwartet, dadurch erhebliche Teile der bisherigen Wertschöpfung wegfallen und neue Technologien früher hochlaufen, muss frühzeitig erkannt werden. Nur so können rechtzeitig Maßnahmen bezüglich Portfolio, Wertschöpfung und Finanzierung eingeleitet werden. Eine Diskussion dieser Szenarien mit den jeweiligen Kunden – seien es die OEM oder Tier-1Zulieferer – hilft entscheidend, mögliche Zukunftsstrategien zu entwickeln.
Um das Eintreffen eines (Stress-)Szenarios rechtzeitig zu erkennen, müssen Frühwarnindikatoren definiert und in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden. Die potenziellen Bedrohungen und die entsprechenden Frühwarnindikatoren müssen dabei unternehmensspezifisch erarbeitet werden. Exemplarisch ist dies in Abbildung 22 dargestellt. Als zweites müssen wirksame Maßnahmen formuliert werden, die beim Erreichen eines vordefinierten Schwellenwerts der Frühwarnindikatoren umgesetzt werden. Klar festgelegte operative Abläufe und Verantwortlichkeiten sichern dabei eine kurze Reaktionszeit.
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Abb. 22: Frühwarnindikatoren für potenzielle Bedrohungen Quelle: SMP Expertenbefragung 2017
Potenzielle Bedrohungen
Ein expliziter Strategieprozess soll frühzeitig die Weichen stellen. Basierend auf den definierten Szenarien müssen sich Unternehmer überlegen, welchen Beitrag ihr Unternehmen im Markt der Zukunft leisten wird. Ein strukturierter Strategieprozess greift bestehende und mögliche neue Leistungsangebote auf und definiert daraus im Vorfeld für jedes (Stress-)Szenario ein explizites Maßnahmenpaket, das bei Eintritt des Szenarios entschlossen umgesetzt werden muss. Genau wie die Prämissen der Szenarien sollten auch diese Maßnahmen mit den jeweiligen Kunden besprochen werden, um sicherzustellen, dass ihre Umsetzung auch realistisch ist. So wird zudem wertvoller Input für Strategien und Szenarien gewonnen.
Frühwarnindikatoren
Elektrofahrzeuge gewinnen schneller als erwartet an Marktanteil
• Marktanteil • Veränderung der Absatzprognosen • Marktdurchdringung in Vorzeigemärkten • Anschaffungskosten / Batteriepreise
Kunden/OEM setzen verstärkt auf Elektromobilität
• Kommunizierte Commitments der OEM • Anteil Elektromodelle in der Fahrzeugflotte • Anzahl neu angekündigte Elektromodelle • Anteil Investitionsvolumen in Elektrokapazitäten
Verstärkter Wettbewerb durch branchenfremde Unternehmen
• Anzahl neuer Wettbewerber • Marktanteil neuer Wettbewerber
Verstärkte öffentliche Wahrnehmung zu Gunsten Elektromobilität
• Negative Berichterstattung über konventionelle Antriebe (z.B. Betrugssoftware VW) • Erhöhtes Umweltbewusstsein • Verstärkte Werbung / Berichterstattung E-Mobilität
Politische Anreize führen zu Nachfrageverschiebung
• Elektroquoten • Dieselverbote • Subventionen
Förderungen in Infrastruktur und F&E
• Ausbau Ladeinfrastruktur / Anzahl Ladesäulen • Fördergelder für F&E in Elektromobilität
Bisherige Wirkung auf Nachfrage niedrig
hoch
Die Autoren
Marc-René Faerber Managing Partner | Dipl.-Wi.-Ing., EMCCC (Insead)
Dr. rer. pol. Claus-Ulrich Lott Senior Manager | Dipl.-Ingenieur
Wirtschaftsprüfung (Big Four); Assistent der Geschäftsleitung (Maschinenbau), Management Buy-Outs (MBOs); Geschäftsführer im Maschinenbau mit Verantwortung für Vertrieb, Entwicklung und Produktion.
Seit 2013 bei Struktur Management Partner mit den Schwerpunkten Operations, Supply Chain Management und Lean Enterprise. Mehr als 15 Jahre Berufserfahrung in der Beratung sowie zwei Jahre Industrieerfahrung bei einem Automobilzulieferer.
Seit 2000 bei Struktur Management Partner mit den Schwerpunkten Turnaround- und Wachstumskonzepte sowie deren Umsetzung, Turnaround-Geschäftsführung. Branchen: Maschinen- und Anlagenbau, Automotive m.faerber@struktur-management-partner.com
Branchen: Automotive, Maschinen- & Anlagenbau und Luftfahrtindustrie c.lott@struktur-management-partner.com
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Richard de Vaan Senior Manager | M.Sc.
Christian Stiefel Senior Consultant | M.Sc. in Finance
Seit 2017 bei Struktur Management Partner mit den Schwerpunkten Automotive, Produktentwicklung, Operations und Projektmanagement. Mehr als 10 Jahre Berufserfahrung in der Unternehmensberatung für die Automobilindustrie.
Seit 2017 bei Struktur Management Partner mit den Schwerpunkten Markt- und Wettbewerbsanalysen sowie Prozess, Finanz- und Liquiditätsplanungen.
Branchen: Automotive, Luftfahrt und Bauindustrie
Branchen: Maschinen & Anlagenbau, Handel, Call & Kontaktzentren
r.devaan@struktur-management-partner.com
c.stiefel@struktur-management-partner.com
Für ihren Input, ihre kritische Durchsicht und viele wertvolle Anregungen möchten wir folgenden Mitarbeitern unseres Unternehmens ausdrücklich danken: Georgiy Michailov | Managing Partner David Südi | Partner Friedemann Faerber | Senior Manager Laura Hoffmeister | Team Manager Hagen Steller | Team Manager Dominic Kürten | Team Manager
Struktur Management Partner Führend bei Turnaround und Wachstum.
Struktur Management Partner GmbH Gereonstraße 18-30 | D-50670 Köln Tel.: +49 (0) 221 / 912730-0 info@struktur-management-partner.com www.struktur-management-partner.com