Programmheft Schubert am Flügel

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Sonntag, 23. Juli, 11 Uhr Schloss Gamlitz

Schubert am Flügel

Franz Schubert (1797–1828) Zwölf „Graetzer Walzer“, D 924 „Wiener Damen-Ländler“, D 734 Acht Ecossaisen, D 529 Zwölf Deutsche, D 790 Impromptu in Ges, D 899/3

Menuett in cis, D 600 Trio in E, D 610 Walzer in e, D 979 Klavierstück in es, D 946/1 Fantasie in C, D 605A („Grazer Fantasie“)


Stefan Gottfried, Hammerflügel Stefan Gottfried spielt heute auf einem Hammerflügel von Franz Bayer (Wien um 1825) aus der Sammlung Gert Hecher (Wien).

Konzertdauer: Erster Konzertteil: ca. 35 Minuten Pause: ca. 30 Minuten Zweiter Konzertteil: ca. 40 Minuten

Die Einladung zum heutigen Weinempfang, bei dem ein Sauvignon blanc vom Weingut Melcher – Schloss Gamlitz ausgeschenkt wird, ergeht von der Gemeinde Gamlitz. Dafür bedankt sich die styriarte sehr herzlich.


Schubert am Flügel

Es ist beinahe wie vor 190 Jahren, nur das Schloss und der Pianist sind andere: Im September 1827 unternahm Franz Schubert von Graz aus eine Landpartie ins Schloss Wildbach bei Deutschlandsberg und verbrachte dort musikalische Tage mit seinen Freunden, wobei auch das leibliche Wohl nicht zu kurz kam. Natürlich setzte er sich auch an einen Hammerflügel, um seine Tänze anzustimmen – ganz ähnlich jenem Flügel, den Stefan Gottfried heute spielt. Es handelt sich um ein Wiener Instrument von Franz Bayer aus der Zeit um 1825 aus der Sammlung Gert Hecher.


Zum Programm Schubert in Graz Am 2. September 1827 bestieg Franz Schubert in Wien einen Eilwagen nach Graz, wo er schon sehnsüchtig erwartet wurde. Sein Freund Johann Baptist Jenger hatte den Besuch eingefädelt. Bereits fünf Jahre früher hatte Jenger in Graz den „Erlkönig“ zur Erstaufführung gebracht und damit eine Schubert-Begeisterung ausgelöst, die sich immer mehr steigerte. Inzwischen war Schubert vom Steiermärkischen Musikverein zum Ehrenmitglied ernannt worden, seine Lieder und seine Klaviermusik hatten in Graz viele Freunde gefunden, man war gespannt auf die Begegnung mit dem berühmten Compositeur aus Wien. Nach einer Tagesreise kam Schubert am 3. September in der Grazer Herrengasse an, wo er im Hause der Familie Pachler freundlich aufgenommen wurde. Marie Leopoldine Pachler, geborene Koschak, war eine berühmte Muse der Grazer Gesellschaft. Schon 1817 hatte sie der Maler Josef Abel im antikischen Gewand an der Leier porträtiert, mit schmachtendem Blick vor steirischer Landschaft im Hintergrund. Ihr Gatte Karl war 1827 bereits jene Respektsperson, die der Maler Josef Teltscher drei Jahre später auf einem Aquarell festhielt. Glaubt man den Künsten der beiden Maler, so stand den Eheleuten das neugierige, aufgeschlossene Wesen ins Gesicht geschrieben, was dem hohen Gast aus Wien nur sympathisch sein konnte. Denn dergleichen Offenheit war er aus der Kaiserstadt nicht gewohnt. Entsprechend nostalgisch fiel Schuberts Resümee aus, als er sich in einem Brief aus Wien bei Marie Pachler für die Grazer Gastfreundschaft bedankte. Natürlich benutzte er damals noch die Schreibweise „Grätz“:


„Schon jetzt erfahre ich, dass ich mich in Grätz zu wohl befunden habe, und Wien will mir noch nicht recht in den Kopf, es ist freylich ein wenig groß, dafür aber ist es leer an Herzlichkeit, Offenheit, an wirklichen Gedanken, an vernünftigen Worten, und besonders an geistreichen Thaten. Man weiß nicht recht, ist man gescheidt oder dumm, so viel wird hier durcheinander geplaudert, und zu einer innigen Fröhlichkeit gelangt man selten oder nie. Es ist zwar möglich, dass ich selbst viel Schuld bin mit meiner langsamen Art zu erwärmen. In Grätz erkannte ich bald die ungekünstelte und offene Weise, mit und neben einander zu seyn, in die ich bey längerem Aufenthalt sicher noch mehr eingedrungen seyn würde.“ In der Tat: Der Grazer Aufenthalt war kurz, aber reich an Eindrücken. Das große Haus der Pachlers mit eigener Brauerei im Erdgeschoss und Kanzlei des Herrn Gemahls enthielt als besonderen Anziehungspunkt den musikalischen Salon der Marie Pachler. Als virtuose Pianistin hatte sie selbst vom strengen Beethoven das Placet zur Aufführung seiner Sonaten erhalten. Für Schuberts Aufenthalt leitete sie alles Notwendige in die Wege. Natürlich kam es zu einer „Schubertiade“ im Salon. Kontakte zu Verlegern und Dichtern vor Ort sollten den Komponisten zu neuen Liedern anregen, was auch glückte. In Graz komponierte er die beiden Lieder Opus 93, die er dem Verleger Kienreich zur Veröffentlichung überließ, außerdem das schöne Lied „Heimliches Lieben“ auf einen Text von Caroline Louise von Klencke, datiert „Grätz, Sept. 1827“. Zwei Tage nach seiner Ankunft ermöglichte ihm Frau Pachler einen Opernabend im Landständischen Theater, wo man den „Ägyptischen Kreuzzug“ des jungen Giacomo Meyerbeer gab. Eine Woche später wirkte Schubert dank Maries Empfehlung in einem Wohltätigkeitskonzert des Steirischen Musikvereins mit. Am 10. September schließlich brach man mit Freunden nach Schloss Wildbach auf, das von einer Verwandten der Pachlers bewirtschaftet wurde. Drei Tage dauerte der Ausflug,


Schubert wohnte im Turmzimmer. Im „blauen Zimmer“ fand eine Schubertiade statt, bei der sich Marie Massegg, die Tochter des Hauses, durch den gefühlvollen Vortrag diverser Schubertlieder hervortat. Der Wein der Gegend machte in der fidelen Gesellschaft die Runde. Schuberts Grazer Freund Anselm Hüttenbrenner sprach dem Schilcher dermaßen zu, dass ihm die Freunde den Spitznamen „Schilcherl“ verliehen. Wieder zurück in Graz, machten sich die Freunde zum Hallerschlössl auf, das die Familie Pachler als Sommerfrische gemietet hatte. Eine junge Witwe begleitete den Ausflug und verfasste darüber ein humoristisches Theaterstück mit dem Titel „Der Fußfall im Hallerschlössl oder Zwilchen’S mi net so!“ Schubert gehört zu den Dramatis Personae dieses Werkchens, und zwar unter seinem Spitznamen „Schwammerl“. Am 20. September brach er wieder gen Wien auf, nach einem herzlichen Abschied von den Pachlers und ihrem Sohn Faust, von seinem Freund Hüttenbrenner und anderen Grazer Schubertianern. Mit nachhause nahm er einige in Graz komponierte Lieder und Klaviertänze: die „Graetzer-Walzer“ und den „Graetzer Galopp“.

„Graetzer-Walzer“ Gleich nach der Rückkehr aus Graz musste Schubert daran denken, den Wiener Verlegern neue Walzer für den bevor­ stehenden Fasching anzubieten. Anfang Januar 1828 brachte Haslinger Schuberts „Graetzer-Walzer“ heraus. Sie müssen im September 1827 in der Steiermark entstanden sein oder gleich darauf in Wien, als Nachklang auf die glücklichen Grazer Tage. Dem Verleger Haslinger kam Schuberts Ausflug in die Steiermark gerade recht, konnte er doch mit „Grazer Walzern“ in Wien sozusagen einen „exotischen“ Akzent setzen. Wie gerne tanzten die Wiener einmal auf Musik aus der Steiermark! Die schönen „Steirischen“ mit ihrer rustikalen Gangart


und ihren herzigen, ungeschminkten Melodien brachten frischen Wind in die Ballsäle der Kaiserstadt.

„Bertl“ beim „Würstelball“ Für Schubert war der Erfolg seiner Klaviertänze zugleich Fluch und Segen. Regelmäßig spülte das Honorar für seine Neujahrsund Faschingstänze ein wenig Geld in die notorisch leeren Kassen des Komponisten und seiner Freunde. Eduard von Bauernfeld hat den steten Wechsel zwischen „Ebbe und Flut“ in der materiellen Ausstattung des Freundestrios Schubert – Schwind – Bauernfeld anschaulich beschrieben. Dabei berichtete er freilich auch von der Fron, der sich Schubert im Freundeskreis ausgesetzt sah: „Nach Zeiten der Ebbe kamen wohl wieder Schubert-Abende, so genannte ‚Schubertiaden‘, mit munteren und frischen Gesellen, wo der Wein in Strömen floss, der treffliche Vogel alle die herrlichen Lieder zum Besten gab und der arme Schubert Franz akkompagnieren musste, dass ihm die kurzen und dicken Finger kaum mehr gehorchen wollten. Noch schlimmer erging es ihm bei unseren Hausunterhaltungen – nur ‚Würstel­ ­bälle‘ in jener einfachen Zeit – , wobei es aber an anmutigen Frauen und Mädchen durchaus nicht fehlte. Da musste nun unser ‚Bertl‘, wie er im Schmeichelton bisweilen genannt wurde, seine neuesten Walzer spielen und wieder spielen, bis ein endloser Kotillon sich abgewickelt hatte, so dass das kleine, korpulente und schweißtriefende Männchen erst beim bescheidenen Souper sein Behagen wiederfinden konnte.“

„Ländlerkompositeur“ Der Unmut Schuberts, von den Wienern zum „Ländlerkomponisten“ verdammt zu sein, machte sich zumindest einmal Luft in einem fürchterlichen Wutanfall, der sich nachts in


einem Wiener Beisl abspielte. Wieder war Bauernfeld der Augenzeuge, als sich ein paar besonders intrigante Wiener Orchestermusiker dem schon reichlich angetrunkenen Komponisten näherten und ihn um ein paar Solostücke baten. „Nein! Für euch schreib ich nichts!“ „Nichts für uns? Und warum nicht, Herr Schubert? Ich denke, wir sind Künstler wie Sie! Man kennt in ganz Wien keine besseren!“ „Künstler? Musikanten seid Ihr! Weiter nichts! Der eine beißt in das Messingmundstück seines hölzernen Prügels, der andere bläst seine Backen auf an seinem Waldhorn. Nennt ihr das Kunst? ... Ich bin ein Künstler, ich! Ich bin Schubert, Franz Schubert, den alle Welt kennt und nennt! Der Großes gemacht hat und Schönes, das ihr gar nicht begreift! Und der noch Schöneres machen wird! Das Allerschönste! Kantaten und Quartette, Opern und Sinfonien! Denn ich bin nicht bloß ein Ländlerkompositeur, wie’s in der dummen Zeitung steht und wie’s die dummen Menschen nachschwatzen – Ich bin Schubert! Franz Schubert, dass ihr’s wisst!“ Während dieser Rede warf Schubert immerzu seinem Freund Franz Lachner ein Beifall heischendes „Gelt, Bruder, gelt?“ zu, was allein schon zeigt, dass der ganze Auftritt nicht ohne Ironie war. Der Ärger Schuberts über den Stempel „Ländlerkomponist“ aber war echt.

„Wiener Damen-Ländler“ „Hommage aux belles Vienoises – Wiener Damen-Ländler“ druckte der Verleger Diabelli effektvoll auf eine Sammlung Schubert’scher Ländler, die er zehn Tage vor Weihnachten 1826 veröffentlichte – gerade noch rechtzeitig zum Beginn des Faschings, wo derlei Tänze dringend gebraucht wurden. Da sich die Wiener gleich nach Neujahr ins Ballsaal-Vergnügen stürzten, nannte man diese Serien auch „Neujahrstänze“. Schubert gehörte regelmäßig zu den Favoritkomponisten


dieser Serien, ja seine Faschingstänze wurden sogar bis hinüber ins ungarische Pest in Orchesterfassungen aufgeführt, stets zur Begleitung der Tanzpaare beim Ball. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass Schubert an der Titelfindung solcher Sammlungen beteiligt war. Immerhin aber kommen die „Wiener Damen-Ländler“ besonders leichtfüßig daher, gleichsam im Trippelschritt, mit viel Staccato, kurzen Vorschlägen und anderem, was auf die koketten Wienerinnen gut passen würde.

„s’Bedlwaibl wollt Kiarifiartn gehn“ Nicht oft, aber doch gelegentlich hat Schubert auf Volkslieder zurückgegriffen, wenn er seine Klaviertänze schrieb. Die letzte der acht Ecossaisen D 529 trägt die eigenhändige Überschrift „Nach einem Volkslied“. Ein Kenner hat das fragliche Lied schon früh identifiziert und auf dem Umschlag von Schuberts Originalhandschrift vermerkt. Es handelt sich um das Lied „Der geschlagene Mann“ mit dem oben zitierten Textanfang, das bereits 1818 in einer Sammlung „Österreichische Volkslieder mit ihren Singweisen“ gedruckt wurde. Schubert muss es schon früher gekannt haben, da die Ecossaisen mit Februar 1817 datiert sind. Jenes Volkslied aus Niederösterreich belegt übrigens, dass es sich bei seinen „Ecossaisen“ keineswegs um originale schottische Tänze handelt, wie der Titel nahelegen könnte.

Zwölf Deutsche, ediert von Brahms Sollte man unter Schuberts Tänzen eine allerschönste Serie auswählen, so wären es sicher die Zwölf Deutschen Tänze, die kein Geringerer als Johannes Brahms im Jahre 1864 im Verlag Spina unter dem Titel „12 Ländler“ herausgab. Dabei vermischen sich hier Walzer und mehr ländlerartige Episoden


in bunter Folge. Brahms besaß auch das Autograph dieser Tänze, wie er überhaupt ein eifriger Sammler Schubert’scher Tänze war, vorzugsweise in des Komponisten eigener Handschrift. Otto Erich Deutsch ordnete diese Tanzfolge im Schubert-Werkeverzeichnis unter der Nummer D 790 ein, kurz vor der „Schönen Müllerin“, denn Schubert hat sie mit „Mai 1823“ datiert. Die Serie ist in drei klare Vierergruppen gegliedert, die eine zwingende Walzerfolge ergeben. Man kann sogar eine Geschichte aus dem Ganzen herauslesen, wenn man mag, nicht unähnlich den Schumann’schen Tanzszenen im „Carnaval“ oder den „Davidsbündlertänzen“. Auf den jovialen Walzer N. 1 in D-Dur mit seiner weich einschmeichelnden Melodie folgt der stolze Nr. 2 in A-Dur, der mit einer Militärfanfare anhebt und sofort in trotziges Moll umkippt. Die orchestrale Wucht dieses Stückes wird gemildert durch die eleganten Arabesken von Nr. 3, die so schön zwischen Dur und Moll changieren. Auch der nächste Walzer steht in D-Dur und klingt noch ein wenig mehr wienerisch ironisch. Wahrhaft wehmütig wird die Musik ab Nr. 5: Die langen, schmerzlichen Vorhalte dieses h-Moll-Stücks klingen schon so, als seien sie einem Klavierstück von Brahms entnommen. Diese weiche Wehmut des h-Moll-Walzers wendet sich in der folgenden Nr. 6 ins tragische gis-Moll. Der Abgrund, der sich hier kurz auftut, wird von einem Sommernachtstraum-Ländler Schuberts wieder geschlossen, dem unwirklich schönen As-Dur-Ländler Nr. 7. Freilich kippt die Harmonie danach noch einmal nach as-Moll: Nr. 8 treibt die Wehmut der vorangehenden Ländler auf die Spitze, gerade wegen seiner so schlichten Melodie. Mit Nr. 9 kehren die Lebensgeister wieder zurück: strahlendes H-Dur, hektische Betriebsamkeit, wie eine Schar Debütantinnen vor ihrem ersten Ball. Auch Nr. 10 steht in H-Dur und


mischt zur Aufregung die Koketterie hinzu. Mit Nr. 11 in AsDur aber betritt eine wahre Königin des Balls das Parkett: Sie dreht sich so majestätisch und ohne Anstrengung im Kreis, dass die „Nonchalance“ der vollendeten Tänzerin zum Vorschein kommt. Den jungen Tänzerinnen bleibt nur, diesen Auftritt mit ein wenig Wiener Geschwätz zu kommentieren (Nr. 12 in E-Dur). Gerade im knappen, ironischen Schluss der Serie ist Schubert ganz Wiener.

Impromptu in Ges Noch in Graz begann Schubert mit der Komposition seiner vier Impromptus für Klavier, D 899. Beim Abschied nämlich schenkte er Marie Pachler die Skizze zum „Impromptu Nr. 1“, die sich später im Besitz von Lilly Noraberg befand. Stefan Gottfried spielt das besonders anrührende Impromptu Nr. 3, ein einziges Wogen des Klaviers in Sextolen, worüber sich eine endlos lange und ruhige Melodie erhebt. Man kann sich gut vorstellen, wie Schubert hier in wehmütigen Erinnerungen an die Steiermark schwelgte.

Menuett und Trio „Trio zu betrachten als verlorener Sohn eines Menuetts, von Franz Schubert für seinen geliebten Herrn Bruder eigens niedergeschrieben im Feb. 1818“. So steht auf dem Manuskript eines einzelnen Klavierstücks in E-Dur vermerkt, das Schubert 1818 seinem Bruder Ferdinand schenkte. Die Suche nach dem Vater dieses „verlorenen Sohnes“ führte Stefan Gottfried zurück in den Mai 1814. Damals komponierte Schubert ein Menuett in cis-Moll, das sich als Hauptteil zum E-Dur-Trio bestens eignet, obwohl die Verwandtschaft der beiden Sätze letztlich nicht bewiesen werden kann. Als „Vaterschaftstest“ dient lediglich das Urteil unseres Publikums.


„Moderner Liebes-Walzer“ Im Erfinden reißerischer Titel für ihre Sammlungen mit Klaviertänzen überboten sich die Wiener Verleger gegenseitig: „Moderne Liebes-Walzer für das Piano-Forte“ nannten Sauer & Leidesdorf einen Druck mit acht Walzern verschiedener Komponisten, die zwei Tage vor Weihnachten 1826 erschienen. Sie standen damit in direkter Konkurrenz zu den „Wiener Damen-Ländlern“, die Diabelli acht Tage früher veröffentlicht hatte. Umso reißerischer musste der Titel sein. Auch bei den „Modernen Liebes-Walzern“ machte Franz Schubert den Anfang mit dem schönen G-Dur-Walzer, D 979, bei dem Stefan Gottfried das e-Moll immer durchschimmern hört. Wieder muss unser Publikum entscheiden, ob der Titel dem Inhalt dieses hübschen Tanzes angemessen ist.

Klavierstück in es Obwohl die Verleger nach Schuberts Tod im November 1828 nicht ruhten und rasteten, bis sie alles aus seinem Nachlass in klingende Münze verwandelt hatten, entging ihnen doch mancher Schatz, sofern die Originalhandschriften nicht greifbar waren. Drei hochbedeutende Klavierstücke vom Mai 1828 wurden erst vierzig Jahre später im Verlag RieterBiedermann herausgebracht, und zwar von Johannes Brahms, der den Wert dieser gewaltigen Spätwerke natürlich erkannte. Stefan Gottfried spielt das düstere erste Stück in es-Moll, das mit seinen nahezu 300 Takten einem riesigen Rondo gleicht. Es wäre noch länger, wenn Schubert nicht eine Andantino-Episode gestrichen hätte.

„Grazer Fantasie“ Zu Beginn des Jahres 1969 konnte Konrad Stekl in den „Mitteilungen des Steirischen Tonkünstlerbundes“ einen sensa-


tionellen Fund vermerken: eine bislang gänzlich unbekannte Klavierfantasie von Franz Schubert. Dessen Freund Josef Hüttenbrenner hatte davon glücklicherweise eine Abschrift anfertigen lassen, bevor er das Autograph einem gewissen Professor Pirkert auslieh, von dem er es nie zurückerhielt. Letzteres ist bis heute verschollen, die Abschrift dagegen hat sich erhalten, und zwar in der „Schubert-Mappe“ der Grazer Sammlerin Maria Ruckenbauer-Weis-Ostborn. Der Stück ist also nicht deshalb eine „Grazer Fantasie“, weil es an den Ufern der Mur komponiert worden wäre, sondern weil sich dort lange Zeit die einzige Notenquelle befand. Wann Schubert dieses große, mehr als 300 Takte umfassende Werk in C-Dur komponiert hat, ist nicht bekannt. Die Datierung des Autographs wurde in die Kopie leider nicht übertragen, wie schon Hüttenbrenner vermerkte. Josef Beheimb


Der Interpret

Stefan Gottfried, Cembalo & Leitung Der gebürtige Wiener studierte an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien Cembalo, Klavier, Komposition und Musikpädagogik sowie Generalbass und historische Tasteninstrumente an der Schola Cantorum Basiliensis, daneben Horn am Konservatorium Wien und Mathematik an der Technischen Universität Wien. Es folgte eine vielfältige internationale Konzerttätigkeit (Cembalo, Hammerklavier und Klavier) als Solist, Kammermusikpartner und Continuospieler in Ensembles mit historischen Instrumenten (u. a. Concentus Musicus Wien, Bach Consort Wien, Wiener Akademie) und modernen Orchestern (u. a. Wiener Phil­ harmoniker und Berliner Philharmoniker unter Dirigenten wie Zubin Mehta, Daniel Harding, Georges Prêtre oder Kent Nagano). Seit 2004 arbeitete Stefan Gottfried regelmäßig mit Nikolaus Harnoncourt zusammen, unter anderem bei dessen Opernproduktionen bei der styriarte (Purcell „Fairy Queen“, Mozart „Idomeneo“, Smetana „Die verkaufte Braut“, Offenbach „Barbe-Bleue“), am Theater an der Wien (Händel „Rodelinda“, Haydn „Orlando paladino“, „Il mondo della luna“, Beethoven „Fidelio“, Strawinsky „The Rake’s Progress“ und zuletzt beim Mozart-Da Ponte-Zyklus) und bei den Salzburger Festspielen


(Mozart „Le nozze di Figaro“, „Die Zauberflöte“) sowie bei vielen Konzerten u. a. im Wiener Musikverein, in der Berliner Philharmonie und beim Lucerne Festival. Stefan Gottfried ist Professor für Klavier an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und hält Vorträge zu verschiedenen Aspekten der historischen Aufführungspraxis. 2015 debütierte er als Dirigent an der Wiener Kammeroper mit der Wiederaufführung von F. L. Gassmanns „Gli Uccellatori“. Nach dem Rücktritt von Nikolaus Harnoncourt im Dezember 2015 hat Stefan Gottfried gemeinsam mit Erich Höbarth und Andrea Bischof die Leitung des Concentus Musicus Wien übernommen und dirigierte daraufhin am Theater an der Wien, die Concentus-Abonnementkonzerte im Wiener ­Musikverein und etwa auch das Gedenkkonzert für Nikolaus Harnoncourt in Sankt Georgen.



Aviso Sonntag, 23. Juli – Helmut List Halle, 20 Uhr

Fiesta Criolla Geistliche und weltliche Tanzlieder aus Peru: Cachuas, Tonadas und Tonadillas aus dem „Codex Trujillo de Lima“ (Kathedrale von Lima 1780-1790) Tembembe Ensamble Continuo (Mexiko) La Capella Reial de Catalunya Hespèrion XXI Leitung: Jordi Savall

Es waren unruhige Zeiten, als fromme Padres der ­Kathedrale von Lima im Codex Trujillo die Tanzlieder Perus zusammentrugen: 1780 brach eine Indianer-Revolte los, angeführt vom letzten Sprössling des letzten Inka. Der spanische Vizekönig ließ den Auf­ rührer Túpac Amaru vierteilen und machte ihn dadurch zur Legende. Um 1790 breiteten sich die ­Ideen der Französischen Revolution in Lima aus. Umso wichtiger schien es, die alten Gesänge und Tänze zu bewahren. 225 Jahre später hat sie Jordi Savall aus den Archiven geholt. Er erweckt die Tonadas und Tonadillas zu neuem Leben, die Arbeits- und Tanz­ lieder der Indios, die Cachua-Tänze und die fröhlichen Gesänge. Sie alle waren zum singenden Tanzen bestimmt: „para bailar cantando“.


HAUS

DER

KUNST

Galerie · Andreas Lendl A-8010 GRAZ · JOANNEUMRING 12

Tel +43 /(0)316 / 82 56 96 Fax 82 56 96 - 26 www.kunst-alendl.at office@kunst-alendl.at

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Eine Ausstellung des Amtes für Umwelt Liechtensteins und des Liechtensteinischen Landesmuseums


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