Keine Zukunft für Musikmedien? Was haben der einst so populäre Musik-TV-Sender „VIVA“ und die Musik- und Popkulturzeitschrift „SPEX“ gemeinsam? Beide haben in den vergangenen drei Jahren ihren Betrieb eingestellt. Heute stellt sich die Frage, ob im Zeitalter von „YouTube“ und „Spotify“ Musikfernsehen und -magazine überhaupt noch eine Rolle spielen. SUMO sprach daher mit dem Musiksoziologen Michael Huber und Theresa Ziegler, Chefredakteurin des österreichischen Kulturmagazins „The Gap“, über Musiksozialisation, wirtschaftliche Herausforderungen von Musikmedien sowie Musikwahrnehmung in der digitalen Ära.
Die Rolle der Musiksozialisation So oder ähnlich ging es vielen jungen Erwachsenen in Deutschland und Österreich, die in den 1990er und 2000er Jahren mit „VIVA“ und MTV aufgewachsen sind. Auch Michael Huber, stellvertretender Leiter des Instituts für Musiksoziologie an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, erinnert sich gerne zurück und verdeutlicht die Rolle der Musiksozialisation. Die MTV-Sendung „120 Minutes“, eine Musik-Show, in der die neuesten und interessantesten Clips gezeigt wurden, habe er damals mit seinem VHS-Rekorder aufgenommen, um am nächsten Tag nachzusehen, ob etwas Spannendes dabei war. Mit Fragen wie „Hast
du schon das neue Video von ‚Nine Inch Nails‘ gesehen?“ wurden die Themen des nächsten Tages durch solche Sendungen festgelegt, wodurch man mit der Rezeption dieser Inhalte soziales Kapital innerhalb einer Gruppe generieren konnte, so Huber. Für die gebürtige Bayerin und Chefredakteurin von „The Gap“, Theresa Ziegler, war der österreichische Musikfernsehsender „gotv“ sogar der erste Zugang zu österreichischen Musikmedien und einer der ersten Anknüpfungspunkte für ihre spätere musikjournalistische Karriere. „Hier habe ich zum ersten Mal ein‚‚Bilderbuch‘-Musikvideo gesehen“, erzählt Ziegler. Geld ist nicht alles Als Paradebeispiel, dass es bei Musikmedien nicht ausschließlich um monetäre, sondern auch um gesellschaftliche Aspekte geht, dient „The Gap“. Aus Theresa Zieglers Sicht wäre ein monatliches Erscheinen des Magazins durchaus möglich, wobei sich dabei aber die Frage des Sinnes stellen würde. „Unter meiner Redaktion habe ich ‚The Gap‘ als Magazin verstanden,
das in die Tiefe geht, also von AuskennerInnen für AuskennerInnen“. Dabei werde auch der Begriff Popkultur weit gefasst, da es nicht nur um konkrete Albumveröffentlichungen geht, sondern auch um „Strukturen und Bewegungen hinter den Themen“, so Ziegler weiter. Daher wäre der zweimonatige Erscheinungsrhythmus sinnvoller, weil dadurch mehr Zeit für intensivere Recherchen der Meta-Themen bleibe und gesellschaftspolitische Hintergründe besser beleuchtet würden. Mitte April 2020, zur Zeit der ersten Corona-Welle, hat „The Gap“ beschlossen, Kulturschaffende in Österreich mit einem Kulturkalender zu unterstützen, in dem Online-Veranstaltungen der KünstlerInnen dort eingetragen wurden. Und das, obwohl man selbst auch nicht von der Krise verschont wurde: „Der erste Lockdown kam gerade bei einer Magazin-Produktion und das hat uns natürlich getroffen. Was passiert jetzt? Aber uns war schnell klar: Wir haben ein gewisses Verantwortungsgefühl gegenüber der Szene“, meint Ziegler. Dies sei etwas sehr österreichspezifisches, da Österreich zwar ein kleines Land, die
© Copyright: adobe stock / xavier gallego morel
Ein Freitag im November 2013, 14:00 Uhr. Ich eile von der Schule nach Hause, denn um 15 Uhr beginnen die „VIVA Top 100“. Meine einzige Sorge: die ersten Musikclips zu verpassen. Mein Bruder wartet bereits gespannt vor dem Fernseher und ist bereit für das Highlight der Woche und den Start in das Wochenende. Das Leben ist einfach schön und die Welt in Ordnung.
Keine Zukunft für Musikmedien?
29