Umweltkrisenberichterstattung – überbewertet oder Zukunft? Die einen finden es durchaus berechtigt, die anderen können es kaum noch hören: Klimawandel, Umweltkrisen, „Fridays for Future“ und Co. SUMO diskutiert mit Journalist, Autor und Referent Prof. Claus Reitan, und Viktoria Auer, Pressesprecherin von GLOBAL 2000, über die Relevanz und Herausforderungen von Umweltkrisenberichterstattung für Medien und Gesellschaft. Fast bedächtig fließt das Gewässer der Donau, sanfte Wellen schlagen ans seichte Ufer. Der Wasserstand ist relativ niedrig und lässt auf wenig regnerische Tage in den letzten Wochen schließen. In den ersten Augustwochen des Jahres 2002 hätte sich wohl niemand nach Krems Stein getraut, geschweige denn am Rathausplatz flaniert. Dauerregen und starke Niederschlagsmengen ließen zuerst das Wasser von Kamp und Kremsfluss überschwappen, ehe auch die Wassermassen der Donau über die Ufer traten. Was blieb, war eine Spur der Verwüstung. Von der schönen blauen Donau zur Jahrhundertflut – ganz zu schweigen vom entstandenen Schaden, der auf knapp eine halbe Mio. Euro geschätzt wurde. Etwa zwei Meter über dem Boden erinnert eine steinerne Tafel an der Ecke zum Rathaus mit den Worten „Hochwasser 14. August 2002“ an das Ausmaß der Katastrophe. Das Hochwasser blieb unzweifelhaft in den Köpfen vieler Menschen hängen und hatte neben einer gestärkten Gemeinschaft auch zahlreiche Hochwasserschutzmaßnahmen und große -investitionen zur Folge. So wurde entlang der Donau ein auf einer Höhe von elf Metern errichteter mobiler Hochwasserschutzwall geschaffen. Doch das nächste „Jahrhunderthochwasser“ trat bereits im Jahr 2013 ein. Noch heute (Stand November 2020) lässt sich an dem abgebröckelten Putz der Wände eines Gebäudes entlang der Steiner Donaulände auf die Folgen, die das verheerende Hochwasser hinterlassen hat, schließen. © Copyright: adobe stock / piyaset
Dass für die effiziente Vermittlung von Umweltkrisen die persönliche Betroffenheit besonders wichtig ist, um Umweltthemen effektiv zu kommunizieren, unterstreicht auch Viktoria Auer. Für viele ÖsterreicherInnen sei beispielsweise das große Thema Klimakrise zu fern von der eigenen Lebenswelt. Daher sei die Schaffung eines persönlichen Bezugs wichtig, um die Folgen auch im direkten Umfeld aufzuzeigen. Das Bild der Mee-
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Umweltkrisenberichterstattung - überbewertet oder Zukunft?
resschildkröte, die im Plastikmeer ums Leben kommt, ist zwar den meisten Menschen bekannt, aber erst die unmittelbare Nähe, zum Beispiel das Aufzeigen der Konsequenzen der Vermüllung auf den Feldern der Bauern und Bäuerinnen, mache die Dynamik greifbar. Diese Thematik wurde auch 2018 im Rahmen des „Kongresses zu Klimawandel, Kommunikation und Gesellschaft“ von Isabella Uhl-Hädicke näher behandelt. Dabei wurden unerwünschte Nebenwirkungen der Klimawandelkommunikation ins Auge gefasst. Aufgrund von Erkenntnissen der sozialwissenschaftlichen Bedrohungsforschung konnten zwei Reaktionen auf existentielle Bedrohungen wie den Klimawandel erkannt werden: direktes Lösungsverhalten oder symbolisches Verteidigungsverhalten. Ersteres bezieht sich auf die Bedrohungsquelle (zum Beispiel Klimawandelinformation) und trägt zur Reduktion des Problems bei (zum Beispiel durch klimafreundliches Verhalten). Im Gegensatz dazu fehlt bei symbolischem Verteidigungsverhalten der Bezug zur Bedrohungsquelle und ist somit kontraproduktiv für das Finden von Lösungen. Symbolische Verteidigungsreaktionen dienen der Aufrechterhaltung eigener gesellschaftlicher Werte und Weltanschauungen sowie der Angstreduktion. Wird beispielsweise über die negativen Folgen des Klimawandels berichtet, kommt es zum Gefühl der Machtlosigkeit und damit zu keiner erhöhten bzw. gar verringerter Bereitschaft, klimafreundlich zu agieren und kann etwa zu Ethnozentrismus führen. Der Klimawandelreduktion kann laut der Studie daher nur durch direktes Lösungsverhalten beigetragen werden. Für die Medien selbst lasse sich bezüglich der Verantwortung, wie Reitan beschreibt, zwar eine gewisse Bringschuld unterzeichnen, die Holschuld, die publizierten Inhalte aufzunehmen, liege aber bei den StaatsbürgerInnen. „Diejenigen KollegInnen, die die Massenmedien inhaltlich gestalten, haben sicherlich eine