Susanne Wuest diePresse

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Filme, die einzigartig sind Die junge Wienerin Susanne wuest verfolgt eine ungewöhnliche Karriere. Von ihrem Werdegang und der Suche nach unüblichen Projekten, bei denen sich jemand was traut. e x t: C h r i st o p h H u b e r F o t o s : J u l i a S p i c k e r t 4  Kultur Spezial


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ie junge Wienerin Susanne Wuest blickt bereits auf eine der ungewöhnlichsten Schauspielkarrieren im Lande zurück: Aufsehen erregte sie im Kino erstmals 2004 als eifersüchtige Supermarktkassierin in Götz Spielmanns „Antares“, es folgten u. a. Bühnenrollen im Theater an der Josefstadt – und eine Filmlaufbahn mit eigenwilliger Projektauswahl. So spielte Wuest 2010 in Österreich für den radikalen Einzelgänger Peter Kern in dessen „Mörderschwestern“, während sie an der Seite von Henry Maske in Uwe Bolls Filmbiografie „Max Schmeling – eine deutsche Legende“ die Freundin des Boxers darstellte. Internationale Produktionen sind ebenso ihr Metier wie Gastspiele bei heimischen TV-Krimis: Der dänische Film „The Secret Society of Fine Arts“, der nur aus mit Spezialeffekten belebten Standbildern besteht, hatte eben in der Heimat Premiere, demnächst wird aber in Österreich eine „Tatort“-Folge ausgestrahlt, in der sie neben Harald Krassnitzer agiert.

Sie wussten schon sehr früh, dass Sie Schauspielerin werden wollten. Woher kam der Entschluss? Ich habe ganz zeitig begonnen zu lesen, meine Eltern haben mich da sehr unterstützt. Und irgendwann kam der klassische Moment, als sie mich ins Theater mitnahmen – das war’s dann: Die Verbindung von Literatur und dieser weiteren Dimension. Das hatte ich vorher schon im Kinderzimmer gemacht, mit meiner kleinen Schwester: eine Geschichte hernehmen, sich so anziehen und das nachspielen. Und dann kam mit der Liebe zur Literatur die Erkenntnis: Das gibt’s ja wirklich, im richtigen Leben, ich bin nicht die Einzige, die das macht! Da wusste ich: Großartig, das mach ich den Rest meines Lebens, das macht am meisten Spaß! Wissen Sie noch, welches Stück Sie als Erstes sahen? Leider nicht mehr. Aber eines der ersten Stücke war „Cats“: Das ganze Singen und Tanzen in Perfektion, wirklich toll gespielt – das gibt es ja leider so nicht mehr. Etwas später sah ich Lessings „Emilia Galotti“. Das wirkte auch ganz stark. Sie spielen Theater und Film. Prinzipiell sind das ja zwei Paar Schuhe. Haben Sie da eine Präferenz? Es schadet nichts, wenn man viele verschiedene Paar Schuhe herumstehen hat! Das Theaterspielen ist schön, aber ich möchte nicht wieder ein Jahr angebunden sein. Ein kurzfristiges Projekt würde ich sofort machen, weil ich es vermisse. Welche Theatererfahrung hat Sie so festgenagelt? In der Josefstadt spielte ich über ein Jahr in „Der Duft des Lebens“ von Franz Xaver Kroetz. Natürlich lernt man auch wahnsinnig viel dabei, wenn man über einen so langen Zeitraum ein Stück bei jedem Auftritt neu erfinden soll. Und die Kollegen waren wahnsinnig lieb. Aber ich bin so ein Zigeuner, mir fällt es schwer, an einem Platz zu bleiben. Und am meisten Kraft und Inspiration beziehe ich aus dem Reisen: Jeder neue Ort ist eine neue Idee, ebenso jedes neue Umfeld, jede neue Crew. Filmteams sind meistens eine andere Kombination von Nationalitäten und Identitäten: Jeder, der aus einem anderen Kulturkreis kommt, bringt eine neue Idee vom Geschichtenerzählen mit. Eben habe ich mit einem

polnischen Regisseur an einem Pilotfilm für eine Vampirserie gearbeitet, dabei fiel mir ganz stark auf, wie unterschiedlich der an die Geschichte herangeht: ganz bezaubernd und romantisch. Das gibt es bei uns gar nicht, leider. Ihre Filmografie ist voller ungewöhnlicher Projekte. Was zieht Sie daran so an? Auch etwas ganz Herkömmliches kann großen Spaß machen, aber es reizt mich viel mehr, Dinge zu entdecken, die „out of the box“ sind. Und dass man von einem Extrem ins andere gerät, ist unglaublich bereichernd: Direkt nach Uwe Bolls Hochglanz-Boxerfilm „Schmeling“ bin ich nach Frankreich gefahren, um den Independent-Film „La Lisière“ zu machen, für die außerordentlich begabte Debütantin Géraldine Bajard. Beim Vampirdreh in Schottland stand ich Tag und Nacht am Set, in so einem Erschöpfungszustand – dann kam zwischendurch ein Anruf aus London, und ich flog für einen Tag für Tests dorthin. Als ich zurückkam, merkte ich, der eine Tag hat mir mehr Kraft gegeben, als wenn ich 24 Stunden frei gehabt hätte. Das ist wie ein selbst regenerierender Motor. Ihr jüngster Film „The Secret Society of Fine Arts“ besteht nur aus Standbildern. Wurde da anders gedreht? Der Dreh war ganz normal, aber so sind eben mehrere 100.000 Standfotos entstanden, aus denen mit heutigen Postproduktionsmöglichkeiten etwas ganz anderes gemacht wurde. Dabei wurde aber akribisch geprobt. Regisseur Anders Rønnow Klarlund war großartig, auch wenn das Projekt vier Jahre dauerte, mit Nachdrehs, weil er das Drehbuch stark änderte. Der Film liegt mir wahnsinnig am Herzen, er ist einzigartig geworden. Darum wähle ich wohl auch diese ungewöhnlichen Projekte: Das gibt mir eine Befriedigung beim Arbeiten und auch beim Ansehen, wie es wenige andere Sachen tun. Da habe ich den Eindruck: Das wird bleiben. Es ist zwar kein Blockbuster, sondern wird nur ein bestimmtes Publikum ansprechen. Aber ich werde mir das auch in 20, 30 Jahren noch mal ansehen. Das ist selten. Ich suche Leute mit eigener Vision. Was wären da Ihre Wunschregisseure? Guillermo del Toro wäre das ganz große Luftschloss. Es ist wahnsinnig schön, wie er mit Mythen und Legenden arbeitet. Das geht bei uns verloren, habe ich das Gefühl. Mir gefällt ein verspielter Umgang mit dem Leben – nicht immer dieses Denken: „Was, wenn das nicht funktioniert?“ Und ein Märchen kann man auch realistisch erzählen! Es gibt auch viele Skandinavier, mit denen ich arbeiten möchte: Nicolas Winding Refn, etwa: Wie der in „Valhalla Rising“ diese zwanzigminütige Überfahrt inszeniert hat. Oder Lars von Trier, der in „Melancholia“ die Welt untergehen lässt. Solche Filme will ich machen: Wo sich jemand was traut. Konsequent. e

„Ich bin so ein Zigeuner, die meiste Kraft beziehe ich aus dem Reisen“.

tipp Demnächst im TV: Die Wiener Tatort-Episode „Zwischen den Fronten“ mit Susanne Wuest soll Anfang 2013 ausgestrahlt werden. Weitere Infos über die Projekte der Schauspielerin: susannewuest.com/

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