4 minute read
Medizin
Der Traum vom Abenteuer
Freeriding oder Variantenskifahren erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Immer mehr Skifahrer bewegen sich abseits der markierten und gespurten Pisten und geniessen den Traum des ursprünglichen Skilaufens fern des Trubels.
Advertisement
Ganz so neu ist die Idee nicht. Schon immer waren Skifahrer jenseits der Pisten unterwegs – nur nannte man dies seinerzeit Skitouren und nicht Freeriding oder Off-Piste Skiing. Die Trendwende, nicht zuletzt auch gefördert durch die Industrie, mit einem Wandel vom «uncoolen» Tourengänger im selbstgestrick ten Pulli zum hippen Freerider in Markenkleidung und High-Tech-Material ist längst vollzogen. Die Skigebiete haben dies erkannt und bieten zunehmend auch Varianten abseits oder neben den gespurten Pisten als Abfahrten an.
Fahren im freien Gelände
Die meisten der heute gebräuchlichen Begriffe kommen aus dem Englischen und werden entweder übernommen oder, frei übersetzt, teilweise auch synonym verwendet. Freeriden bezieht sich auf das Fahren im freien Gelände, was man auch als Variantenfahren bezeichnet. Da diese Art des Skilaufens in der Regel abseits der regulären Pisten stattfindet, bezeichnet man es fälschlicherweise auch als Backcountry Skiing, was so nicht ganz korrekt ist. Richtigerweise unterscheidet man: Frontcountry, Slackcountry, Sidecountry und eben Backcountry Skiing. Frontcountry bezieht sich auf das Skifahren abseits der Piste, allerdings innerhalb eines Skigebietes in unmittelbarer Nähe zum Skilift und den entsprechenden Pistenkontrollen. Slackcountry ist Skifahren ausserhalb des Skigebietes. Allerdings wird der Lift als Aufstiegshilfe benutzt und teilweise werden Busse oder Shuttles nötig, um wieder ins Skigebiet zurückzukehren. Beim Sidecountry Skiing können Skilifte benutzt werden, meist sind jedoch mehr oder weniger lange Lauf- und Aufstiegspassagen mit Fellen notwendig. Beim Backcountry Skiing findet der Skisport ausserhalb jeglicher Skigebiete mit Aufstiegen, Traversen und z.T. Kletterpassagen statt.
So schön...
Backcountry Skiing kommt dem klassischen Tourenskifahren am ähnlichsten. Die Popularität des Variantenskilaufs in allen beschriebenen Formen ist stetig wachsend. Die Industrie hat dies längst erkannt und gefördert. Waren Tourenski, Felle, Tourenbindungen und Schuhe vor Jahren ein Nischenprodukt, so hat heutzutage praktisch jeder Hersteller eine mehr oder weniger grosse Palette an entsprechendem Equipment im Programm. Off-piste-Skiing ist «hip», ist cool und trifft den Zeitgeist einer Generation, bei der es gilt, dem Mainstream zu trotzen und extravagant und individuell zu sein. Zugegeben, was ist schöner, als an einem Sonnentag im unverspurten Gelände seine Kurven im Tiefschnee zu ziehen?
...wäre da nicht ein Spielverderber
Der Spielverderber ist hierbei – wie so oft – das Thema Sicherheit. Immer wieder trifft man auf Variantenfahrer, die nicht ausreichend ausgerüstet bzw. vorbereitet sind. Dies bezieht sich in der Regel weniger auf das Material (Ski, Bindung, Schuhe usw.), sondern vielmehr auf das Know-how und die Benutzung der sicherheitsrelevanten Ausrüstung. Der «perfekte Variantenskitag» beginnt bereits am Küchentisch. Informationen über Wetter, Wind, Schneesituation, Hangneigung und -exposition bestimmen die Wahl der Variante. Eine Kontrolle der Sicherheitsausrüstung (LVS-Gerät, Schaufel, Sonde, Airbag oder Avalung usw.) sind genauso unabdingbar, wie die Kenntnis darüber, wie man diese Ausrüstung sinnvoll einsetzt. Hierzu gibt es eine Vielzahl an audio-visuellem Material (Apps, Internetpattformen, YouTubeClips) oder besser noch, man besucht einen entsprechenden Ausbildungskurs. Mobile Apps wie White Risk, Snow Safe und viele mehr stehen zur Verfügung. Trotz all dieser, mitunter endlosen Zahl an autodidaktischen Möglichkeiten, bleibt eine gemeinsame Tagestour mit einem erfahrenen
Dr. Andreas Goesele-Koppenburg
Leiter Swiss Olympic Medical Center Crossklinik, Basel und Dornach Skilehrer oder Bergführer weiterhin unübertroffen. Selbst nach Jahren noch freue ich mich jedes Jahr von neuem auf unsere gemeinsamen Erlebnisse, in unserem Fall mit «Sämi», der nicht nur das Gebiet wie seine Westentasche kennt, sondern immer genau weiss, wo und wann der beste Spot zu finden ist. Diese Kenntnis und Erfahrung wird uns keine App und kein Internet ersetzen können und ist mein persönliches Highlight eines jeden Winters.
Was alles wichtig ist
Eine gute Skitechnik sowie eine gute bis sehr gute Grundkondition sind ebenso wichtig, wie das Mitführen von Verpflegung und Getränken. Gerade, wenn man längere Aufstiegspassagen zu bewältigen hat, kommt es mitunter zu einem deutlichen Flüssigkeitsverlust (Schweiss, Atmung) sowie zu einer Entleerung der Energiespeicher durch die intensive Belastung und die Kälte. Sonnenschutz sowie warme und trockene Ersatzkleidung sind wichtig, bedeuten aber auch Mehrgewicht, welches zusätzlich belastet. Der zunehmende Trend des Variantenfahrens hat die Industrie motiviert, Designs und Konstruktionsprinzipien zu entwerfen, die eine enorme Gewichtsersparnis des Materials bei gleichbleibender Funktion in Aussicht stellen. Moderne Skischuhe können gegenüber herkömmlichen weit mehr als ein Kilogramm einsparen. Gleiches gilt für Ski und Bindungssysteme. So können in der Summe mehrere Kilos an Gewicht eingespart werden, was zu einer Belastungsreduktion und dadurch zu einem ermüdungsfreieren Skilaufen beiträgt. Tourenschuhe sind durchaus pistentauglich, bieten aber gegenüber einem klassischen Skischuh eine deutliche Verbesserung der Möglichkeit, mit dem Schuh zu gehen. Meist haben sie zusätzliche Gehfunktionen, eine Abrollunterstützung und eine griffige Sohle. Aus technischer Sicht war Skilaufen noch nie so variantenreich möglich, wie heutzutage. Alles, was uns jetzt noch fehlt, sind ausreichend Schnee und die nötige Kondition.
Clara Koppenburg BSc. Sportwissenschaftlerin Swiss Olympic Medical Center Crossklinik, Basel und Dornach