TCT Germany 2.1

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TCT DEUTSCH BAND 2 AUSGABE 1 www.tctmagazine.com

3D-DRUCK VON KUNSTSTOFFTEILEN IM INDUSTRIELLEN MAÃ&#x;STAB WIR BESCHLEUNIGEN INNOVATION VON KONSTRUKTION BIS FERTIGUNG



BAND 2 I AUSGABE 1

ISSN 1751-0333

IMPRESSUM CHEFREDAKTEUR

Daniel O’Connor e: daniel.oconnor@rapidnews.com t: + 44 1244 952 398 STELLVERTRETENDE CHEFREDAKTEURIN

Laura Griffiths e: laura.griffiths@rapidnews.com t: + 44 1244 952 389 REDAKTEUR

Samuel Davies e: samuel.davies@rapidnews.com t: + 44 1244 952 390 NEWSDESK

+44 (0) 1244 680222 KOLUMNIST

Todd Grimm tgrimm@tagrimm.com

WERBUNG MEDIENLEITUNG

Carol Hardy e: carol@rapidnews.com t: + 44 1244 952 386 WERBELEITUNG

Kelley-Jo Beattie e: kelley-jo.beattie@rapidnews.com t: + 44 1244 952 365 Christine Joinson e: christine.joinson@rapidnews.com t: + 44 1244 952 385 VERKAUFSLEITUNG

Paul Lindon e: paul.lindon@rapidnews.com t: + 44 1244 952360 MARKETING-ASSISTENTIN

Rebecca Bohn e: rebecca.bohn@rapidnews.com t: + 44 1244 680 222

PRODUKTION Sam Hamlyn

Tracey Roberts

Matt Clarke

MANAGEMENT C.E.O.

Duncan Wood VP INHALT, STRATEGIE UND KOOPERATIONEN

James Woodcock e: james@rapidnews.com t: + 44 1244 952 391

ABONNEMENTS PREISE Printabo Europa - Kriterien erfüllt GB - Gratis Europa - Gratis USA/Kanada - £79 Rest der Welt - £99 Nordamerika Printabo - Kriterien nicht erfüllt GB- £79 Europa - £89 USA/Kanada - £99 Rest der Welt - £119 KOSTENLOS auf iOS und Android-Geräten – einschließlich Back-Catalogue und Buyers’ Guides.

TCT Magazine wird zweimonatlich von Rapid News Publications Ltd Carlton House, Sandpiper Way, Chester Business Park, Chester CH4 9QE, GB, herausgegeben.

t: + 44 (0) 1244 680222 f: + 44 (0) 1244 671074 © 2018 Rapid News Publications Ltd Obwohl wir uns bestens darum bemühen, sicherzustellen, dass die in dieser Veröffentlichung enthaltene Information korrekt ist, übernimmt der Verlag keinerlei Verantwortung für irrtümlich veröffentlichte Information oder hierin ausgedrückte Meinungen. Alle Rechte für The TCT Magazine vorbehalten. Teilweise oder ganze Reproduktion ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verlags ist strengstens untersagt.

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LEITARTIKEL

Die Beschleunigung geht weiter

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ibt es irgendwo auf der Welt einen Leitartikel, der die erste Ausgabe des Jahres nicht mit guten Wünschen zum Neuen Jahr beginnt? Ich bezweifle es und möchte daher nicht mit dieser Tradition brechen: Ich wünsche allen unseren Leser und Inserenten ein glückliches Neues Jahr und dass 2018 uns allen Erfolg bringen möge, der unsere Erwartungen noch übertrifft. Vielleicht fällt Ihnen auf, dass wir für alle Produkte der TCT Group einen neuen Slogan haben; alle variieren ein Thema, doch der wichtige Teil lautet: „Design-to-Manufacturing Innovation“, d. h. Innovation von der Konstruktion bis zur Fertigung“. Das Wort „to“ (bis) ist hier der Bedeutungsträger; zuerst wählten wir „and“, dann „to“, dann „through“, und schließlich kamen wir auf „to“ zurück. Die erste Frage von Interessenten, die unsere Marke nicht kennen, lautet: „Was bedeutet TCT?“ TCT ist ein Akronym für „Time Compression Technologies“, also: Zeitkomprimierungstechnologien. Diese Formulierung entsprach ganz dem Mitte der 90er Jahre herrschenden Zeitgeist und bezog sich auf schnellen Prototypenbau, Vakuumguss, CAD und verschiedene andere aufkommende Technologien, deren Ziel es war die Markteinführungszeit verkürzten. Was diesen Technologien jedoch fehlte, war ein durchgehendes Konzept, das den Herstellern eine Komplettlösung vom Anfang des Prozesses bis zum Ende bot. Das hat sich jetzt geändert – Innovation findet über das gesamte Spektrum hinweg statt: in den Bereichen Vorverarbeitung, Design, Simulation, Werkstoffkunde, schneller Prototypenbau, Brückenfertigung, additive Fertigung, Nachbearbeitung, Homologation und darüber hinaus. Deshalb ist das Wörtchen „to“ so wichtig. Heute steht die Branche der additiven Fertigung und der damit in Zusammenhang stehenden Technologien am kritischen Punkt von Industry 4.0 Initiativen, neben der Robotik und dem maschinellen Lernen.

Aufgrund der raschen Fortschritte bei KI, generativem Design, Simulation und additiver Fertigung ist für eine Generalüberholung des Design-to-ManufactureProzesses der perfekte Zeitpunkt gekommen. Das „TCT Magazine“ sowie Events und Konferenzen von TCT werden an der Spitze dieser Innovation stehen. Wir wollen Anwendungen eine Plattform bieten, durch die die Anhänger inspiriert werden. Die Beiträge über Design-Software und Nachbearbeitung, sowie einem Schwerpunkt auf innovativen Fertigungsentwicklungen in der Schmuckindustrie, vermitteln den Eindruck, als ob wir geplant hätten, diesen Slogan nun zu ändern. Der komplette Design-to-Manufacture-Workflow kann in verschiedenen Formen auftreten, und es gibt nicht nur einen Weg zum gesetzten Ziel und keine Technologie, die im Alleingang alle Probleme löst. Es ist die Fülle an Umsetzungen für den Prozess, die unsere Arbeit so interessant macht. Innovation kann in jedem Glied der Kette auftreten, sie kann aus langen Jahren von F&E in einem 300-köpfigen Team entstehen oder aus dem Geistesblitz eines Einzelnen. Wenn Sie einen innovativen Prozess oder eine innovative Anwendung vorstellen möchten, dann würden wir gerne von Ihnen hören. Wir möchten Ihre Neuigkeiten auf diesen Seiten, auf unserer Website, bei unseren Events publik machen; wir möchten Sie bei den TCT Awards feiern, und wir wollen unsere Branche fördern – also kontaktieren Sie uns!

DANIEL O’CONNOR, CHEFREDAKTEUR (Dieser Leitartikel wurde vom Englischen ins Deutsche übersetzt)

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VOLUME 2 | ISSUE 1

TITELSTORY

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SOFTWARE

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8. 3D-DRUCK VON KUNSTSTOFFTEILEN JETZT AUCH IM INDUSTRIELLEN MAßSTAB

Laura Griffiths zur einer experimentellen, von der Natur inspirierten Technologie.

11. DER TREND ZUR DIGITALEN ZAHNTECHNIK

Schnellere Bearbeitung, höhere Präzision und komplexere Zahnmodelle dank Stratasys 3D-Druck.

16. INTERVIEW: FRANK COOPER

Laura Griffiths spricht mit Materialise über die e-Stage for Metal Software.

21. UNTER DER OBERFLÄCHE

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Daniel O’Connor über eine Lösung, die die Nachbearbeitung von kranialen Implantaten beschleunigt.

23. DER DRUCKNACHBEARBEITUNGSKREISLAUF Solukon präsentiert eine neue Ära der Automatisierung für Nachbearbeitung.

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In unserem ersten TCTExpertenbeirat-Interview spricht Frank Cooper über Schmuck.

18. WIE EIN UHRWERK

29. NÄCHSTER SCHRITT BEI DER STÜTZSTRUKTURERZEUGUNG

NACHBEARBEITUNG

14. STRATASYS: NEUE WEGE FÜR KIEFERORTHOPÄDIE BEI NIMRODENTAL

Schmuckherstellung

Sam Davies beschreibt das neuesten Software-Update von Carbon..

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Laura Griffiths beschreibt, wie 3D-Technologie Zahntechnik kosteneffizenter machen kann.

Wie ein Architekt mithilfe von 3D Drucktechnologie eine klassische Armbanduhr kreiert hat.

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28. ANALYSIEREN UND OPTIMIEREN

Wie verschiedene Branchen von dem pulverbasierten Verfahren des LaserSinterns von EOS profitieren.

DENTAL

27. LEBENDIGE TEILE

FORMNEXT POWERED BY TCT 2017

Gastbeitrag

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31. INTEGRATION DES ADDITIVEN PULVERBETTVERFAHRENS IN DIE PRODUKTIONSPROZESSKETTE Ralf Loettgen zur Integration des additiven Pulverbettverfahrens in die Produktionsprozesskette.

35. FRISCHER WIND WELLE DES WIDERSTANDS

Todd Grimms Kolumne über den Tunnelblick bei der additiven Fertigung.

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24. RÜCKBLICK Eine Zusammenfassung der Highlights der Messe in Frankfurt.

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3D-DRUCK VON KUNS JETZT AUCH IM INDUS DER MARKT FÜR DEN INDUSTRIELLEN 3D-DRUCK HAT IN DEN LETZTEN JAHREN SIGNIFIKANT AN DYNAMIK ZUGELEGT. MITTLERWEILE HAT DAS VON EOS ANGEBOTENE, PULVERBASIERTE VERFAHREN DES LASER-SINTERNS EINEN REIFEGRAD ERREICHT, DER ES KUNDEN ERLAUBT, NICHT NUR IHREN PROTOTYPENBAU SIGNIFIKANT ZU OPTIMIEREN, SONDERN AUCH ANSPRUCHSVOLLE KOMPONENTEN UND ENDTEILE IN SERIE HERZUSTELLEN.

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MIT MEHR ALS 500 SYSTEMEN DER FORMIGA FAMILIE IST DIE FORMIGA P 110 EINER DER ERFOLGREICHSTEN UND ZUVERLÄSSIGSTEN INDUSTRIELLEN 3D-DRUCKER FÜR POLYMERWERKSTOFFE AM MARKT. (QUELLE: EOS).

jedem Fall gilt es, die Bauteile zu identifizieren, bei denen die Technologie ihre Potentiale voll ausspielen kann. Am besten eignen sich Bauteile, die eine hohe Design-Komplexität und gleichzeitig eine geringe Gewicht-zu-Volumen-Ratio aufweisen – Stichwort Leichtbau. Entsprechend gibt es Branchen, die die Vorteile der Technologie früh erkannt haben, beispielsweise die Luft- und Raumfahrt sowie der Medizinbereich. Aber auch Branchen wie Werkzeugbau, Sondermaschinenbau, Robotik oder Automobilindustrie setzen auf den industriellen 3D Druck. EOS hat diese Entwicklung als Pionier wesentlich mitgeprägt und optimiert sein Verfahren kontinuierlich, so etwa in Punkto Stückkosten, Geschwindigkeit und Bauteilqualität. Insbesondere die für die Serienfertigung so wichtigen, reproduzierbaren Bauteileigenschaften - von Komponente zu Komponente, Auftrag zu Auftrag und System zu System - baut auf das umfassende und langjährige Expertenwissen von EOS über die Interaktion von Werkstoff und Laser im Bauprozess auf. Gleichzeitig sehen sich Unternehmen derzeit mit einer Welle vielfältigster Umwälzungen ihrer Märkte konfrontiert. Im Rahmen von Industrie 4.0 geht es um nicht weniger als die Digitalisierung der Fertigung. Der industrielle 3D-Druck spielt dabei als digitale Technologie eine zentrale Rolle auf dem Weg hin zur smarten Fabrik der Zukunft und wird damit für viele Unternehmen zum Game Changer. Denn Innovationszyklen werden immer kürzer, gleichzeitig müssen Unternehmen immer flexibler auf sich ändernde Marktanforderungen reagieren. Es gilt, einerseits existierendes Geschäft in zunehmend härter werdenden Wettbewerbsumfeldern zu stärken. Oder andererseits sogar völlig neue Geschäftsfelder zu erschließen. Der Einsatz neuer, innovativer Technologien wie des industriellen 3D Drucks hilft Unternehmen auf diesem Weg.

EOS KUNSTSTOFFTECHNOLOGIE: FÜR JEDEN BEDARF DAS PASSENDE SYSTEM

3 DIE ADDITIVE FERTIGUNG

KOMPLEXER STRUKTUREN, DIE GLEICHZEITIG EXTREM LEICHT UND STABIL SEIN KÖNNEN (QUELLE: EOS).

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Wurden die ersten Schritte in Richtung Serienfertigung in den letzten Jahren häufig auf Basis der EOS-Metalltechnologie getan, sind nun auch zunehmend die gleichen Effekte für die Verarbeitung von Kunststoffen zu beobachten. EOS baut sein Angebotsportfolio im Bereich Systeme und Werkstoffe


TITELSTORY

NSTSTOFFTEILEN USTRIELLEN MAßSTAB dahingehend kontinuierlich aus. Für seine Kunststofftechnologie bietet es mittlerweile für jeden Bedarf das passende System an: mit der FORMIGA P 110 ein Einsteigersystem, mit der mittelgroßen EOS P 396 ein System für Prototypenbau und Kleinserien und mit der neuen Systemgeneration EOS P 500 nun auch ein Großsystem für die Serienfertigung.

Auf Anwenderseite sehen wir derzeit vor allem zwei Arten von Nutzern: Zum einen Firmen, die den Mehrwert unserer Technologie erkannt haben, aber vom Wissenslevel her Einsteiger sind. Ihr Ziel ist es, Bauteile in guter und zuverlässiger Qualität zu erzeugen. Gleichzeitig möchten diese Unternehmen ein eher geringeres Investitionsrisiko eingehen. Die FORMIGA P 110 ist für diese Firmen die optimale Lösung, ermöglicht sie doch als kompaktes System einen kostengünstigen und leistungsfähigen Einstieg in die Welt der additiven Fertigung. Mit mehr als 500 installierten Systemen ist „die FORMIGA“ einer der erfolgreichsten und zuverlässigsten industriellen 3D-Drucker für Polymerwerkstoffe im Markt. Basierend auf 8.600 Bewertungen verifizierter Anwender wurde sie von der Plattform 3D Hubs als bester industrieller 3D-Drucker des Jahres 2018 ausgezeichnet. Nimmt ein Kunde das Beratungsangebot von EOS in Anspruch, so kann es schnell Wissen und Erfahrung aufbauen und mit der Fertigung beginnen.

EOS P 500: MAXIMALE PRODUKTIVITÄT, AUTOMATISIERBARKEIT, HOCHTEMPERATURWERKSTOFFE EINSETZBAR

Es hat sich herausgestellt, dass eine steigende Zahl an Unternehmen bereit ist, in Großsysteme zur additiven Serienfertigung zu investieren und bereits über ein gewisses Maß an Knowhow verfügt. Diesen Unternehmen geht es darum, die EOS-Technologie in der Serienfertigung einzusetzen und deren Automatisierungsgrade in enger Zusammenarbeit mit EOS kontinuierlich zu erhöhen. Die Ende 2017 neu am Markt eingeführte EOS P 500 ist nicht einfach nur ein weiteres System, sondern eine neue Maschinenplattform, die knapp 25 Jahre EOS-Erfahrung auf dem Gebiet des Laser-Sinterns vereint. Mit der Lösung adressiert EOS vor allem Unternehmen, die Kunststoffbauteile mit ausgezeichneter Qualität und im industriellen Maßstab produzieren wollen. Das System bietet höchste Effizienz zur Erreichung niedrigster Teilekosten, ist automatisierbar und kann Polymerwerkstoffe bei Betriebstemperaturen von bis zu 300°C verarbeiten. Dadurch erweitert sich die Palette denkbarer Anwendungen, so etwa um temperaturbeständige technische Bauteile wie Stecker und Gehäuse oder Komponenten im Motorraum von Fahrzeugen. Unternehmen erhalten mit diesem System eine intelligente und stabile Technologie, mit der sie flexibel, zuverlässig und wirtschaftlich additiv fertigen können. Durch das Auslagern von Aufheizund Abkühlvorgängen kann eine deutlich höhere Effizienz erreicht werden. Damit steigt die produktive Betriebszeit um bis zu 75 Prozent verglichen mit EOS Vorgängersystemen und Wettbewerbsmodellen.

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FORMIGA P 110: KOMPAKTES, KOSTENGÜNSTIGES UND LEISTUNGSFÄHIGES EINSTEIGERSYSTEM

EOS P 500 IST EINE AUTOMATISIERBARE FERTIGUNGSPLATTFORM ZUM LASERSINTERN VON KUNSTSTOFFTEILEN IM INDUSTRIELLEN MASSSTAB (QUELLE: EOS)

AUSBLICK: ADDITIV + KONVENTIONELL IN DER FERTIGUNG DER ZUKUNFT

Insgesamt ermöglicht der industrielle 3D Druck nicht nur schnellere Durchlaufzeiten von der Idee über die Vorserie bis zum Serienprodukt. Die Technologie wird in der Zukunft auch eine dezentrale Produktion ermöglichen, da Hersteller ihre Produkte näher an ihren Kunden und stärker nach Bedarf additiv fertigen können. Konkret: Bauteile müssen zukünftig nicht mehr zentral produziert und dann global verteilt werden. Vielmehr werden in dezentralen Fertigungszentren Bauteile direkt dort „vor Ort“ produziert, wo sie gebraucht werden. Dies trägt zur Minimierung von Lieferkosten und Lieferzeiten bei. Technologieseitig wird es zukünftig immer stärker um die effiziente Verknüpfung additiver und konventioneller, abtragender Fertigungsschritte innerhalb einer Prozesskette gehen. Es gilt, den industriellen 3D-Druck sinnvoll in existierende und zukünftige Fertigungsumgebungen zu integrieren und dabei den Teile- und Datenfluss in der Serienfertigung weiter zu optimieren. Industrielle 3D-Drucker und Peripheriegeräte werden dafür Stück für Stück über Software-Schnittstellen in die Fabriksteuerung eingefügt. So gelangen Daten für den Bauprozess auf das additive Fertigungssystem. Ziel ist es, in der smarten Fabrik der Zukunft Qualität und Kosten der additiv gefertigten Serienbauteile noch weiter zu optimieren. EOS arbeitet heute bereits an Lösungen, die Kunden vor diesem Hintergrund beschäftigen: Qualitätskontrolle im Bauprozess, Skalierbarkeit und Automatisierung der additiven Fertigung sowie natürlich Total Cost of Ownership. Wir stehen heute am Beginn des Serieneinsatzes und die Potentiale sind enorm. In der Luft- und Raumfahrt ist der industrielle 3D Druck bereits ein etabliertes Produktionsverfahren. Die Technologie entwickelt sich weiter, mehr und mehr der genannten Kundenanforderungen wurden und werden von Anbietern wie EOS adressiert. In gleichem Maße wächst das Interesse an unserer Technologie. Ist die AM-Fertigung einmal als eine mit Bauaufträgen zu beschickende Standard-Produktionszelle nahtlos in die Fabriken von morgen integriert, werden wir den nächsten Entwicklungssprung bei Verbreitung und Einsatz der Technologie sehen.

Lösungsportfolio EOS: www.eos.info/systeme_loesungen

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Dental

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DER TREND ZUR DIGITALEN ZAHNTECHNIK TE X T: La u r a G r iffith s

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m Wohlers Report von 2017 wird geschätzt, dass der Medizin- und Dentalsektor aktuell 11% der gesamten additiven Fertigungsbranche ausmacht. Das ist ein solider Anteil der anwendungslastigen Sparte, doch im größeren Zusammenhang betrachtet – man schätzte den Dentalgerätemarkt 2015 auf 6.342, 3 Millionen $ und 2024 wird er voraussichtlich 10 Milliarden $ übersteigen – ist die Nutzung noch alles andere als weit verbreitet. Um dieses Marktpotenzial zu erschließen, bieten die Gerätehersteller kosteneffektivere Lösungen und Materialien, die 3D-Technologien zu einem verlockenden Angebot für Klein- und Mittelbetriebe machen. Hier sprechen wir mit den Dentalfachleuten, die den Wechsel bereits vollzogen haben.

ZAHNTECHNIK IN DUBAI

Die in Dubai ansässige Firma Sinterex ist auf die Fertigung von individuellen 3D-Druck-Produkten spezialisiert und ist seit der Eröffnung im letzten Jahr im Dentalsektor tätig. In der Anlage in Jebel Ali hat Sinterex ein EOS Metallsystem und einen MultiJet Drucker von 3D Systems installiert und bietet seinen Kunden derzeit Kronen, Brücken, herausnehmbare Teilprothesen und chirurgische Führungen, die im Metall-3D-Druck gefertigt werden, sowie Dentalmodelle aus Harz. -

GeschäftsführerJulian Callanan erklärt: „Unsere Kundenbasis hat sich gut entwickelt, und wir haben festgestellt, dass Firmen, sobald sie von manuellen Fertigungstechniken zu unseren digital aktivierten 3D-Druckprozessen gewechselt haben, auch dabei bleiben.“ Das Unternehmen bedient primär die Vereinigten Arabischen Emirate, exportiert jedoch auch nach Bahrain, Pakistan, Jordanien und in andere benachbarte Märkte. Callanan ist jedoch überzeugt, dass der Standort eine Schlüsselrolle für den Erfolg des Unternehmens spielt, denn Dubai hat die Absicht bekundet, zu einer Drehscheibe für den 3D-Druck zu werden, als das Land letztes Jahr seine 3D-Druckstrategie verkündete. Der Dentalsektor wird einen Teil der Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sobald die Gesundheitsbehörde Dubai ihre Pläne für die Abteilung Dentalleistungen durchführt.

EIN ANWENDUNGSBASIERTER ANSATZ

Seit seiner Gründung im Jahr 2014 hat das in Singapur ansässige Unternehmen Structo zwei Maschinensysteme auf den Markt gebracht: die OrthoForm und kürzlich die DentaForm, die auf der firmeneigenen MSLA-Technologie (Masken-Stereolithographie) basieren. Der Prozess besteht aus zahlreichen individuellen Lichtquellen unter einer „digitale Maske“, wie Structo sie bezeichnet. Diese steuert, welcher Bereich der Bauplattform zu einem bestimmten

MEHRERE ZAHNBÖGEN GEDRUCKT AUF DER STRUCTO BAUPLATTFORM

Zeitpunkt beleuchtet wird. Wenn man Licht bis zum Harz durchdringen lässt, kann es eine ganze Schicht in einer einzigen Belichtung formen. Die DentaForm zeichnet sich durch einen „anwendungsbasierten Ansatz“ aus und wurde für die restaurative Zahnheilkunde entwickelt. Das System bietet eine Druckgenauigkeit von 50 Mikrometer und ein 200 x 150 x 100 mm großes Bauvolumen, um Geschwindigkeiten und Durchsätze für die Prothetik (Kronen und Brücken) zu liefern. Die OrthoForm bietet eine Genauigkeit von 100 Mikrometer für kieferorthopädische Anwendungen wie beispielsweise transparente Schienen. Der Schwerpunkt liegt auf der Geschwindigkeit, und laut Structo lassen sich mit dieser Technologie bis zu 30 kieferorthopädische Modelle in nur 92 Minuten drucken. „Die OrthoForm wurde von Grund auf zusammen mit einem ortsansässigen Kunden hier in Singapur entwickelt“, erklärt Jonathan Lim, Geschäftsführer bei Structo. „Danach kaufte einer unserer ersten Kunden, Glidewell Dental, mehrere Systeme, und bei ihm laufen sie rund um die Uhr in seiner Produktionsanlage. Ihr Technikerteam hat uns im Lauf der letzten Jahre eine Menge Feedback geliefert, das zu etlichen Verbesserungen geführt hat, die in der Entwicklungsphase unseres zweiten Druckers, der DentaForm, eingebracht wurden.” Glidewell, eines der weltweit größten Dentallabore, hat bisher in fünf Structo Systeme investiert und sogar andere vorhandene 3D-Druck-Hardware in der Anlage in Newport Beach, Kalifornien, ersetzt. David Leeson, Director of Engineering bei Glidewell, beschriebt die Technologie als „genau die Art von Innovation, die die Branche braucht“, dank ihres hohen Durchsatzes und der relativ niedrigen Vorlaufkosten. „Die digitale Zahntechnik ist ein sehr bedeutender Trend in der Branche“, kommentiert Jonathan Lim. „Sie4

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WAY2PRODUCTION SOLFLEX UND 3D-DRUCKER

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Dental bietet den Dentalfachleuten nicht nur eine wertvolle Zeitersparnis bei herkömmlichen Prozessen, sie trägt auch dazu bei, bessere Ergebnisse beim Patienten zu erzielen.“

FRÄSEN HALBIERT DIE FERTIGUNGSZEIT

Das Dentallabor „Studio 32 Dental Laboratory“ in Iowa, USA, setzt intensiv auf Vollzirkonoxidar-beiten (Metall wird zur Schaffung haltbarer Dentalstrukturen wie Kronen verwendet) und erstellt seine Sanierungen im eigenen Labor mit Hilfe von mehreren Dentalfräsmaschinen. Shane Williams, Miteigentümer und CAD/ CAM-Spezialist, arbeitet mit einem Team von über 20 Labortechnikern. Die große Nachfrage vom Zirkonoxidmarkt führt dazu, dass das Labor zum zweiten Mal in größere Räumlichkeiten umziehen wird. „Wir hatten unsere Zirkonoxidarbeiten ausgelagert, und bei einem genaueren Blick auf die Zahlen war die Kosteneffizienz von eigenen Geräten ganz klar ersichtlich“, erklärt Williams. Das Labor kaufte sein erstes Roland Frässystem im Jahr 2011. Es ist noch immer im Einsatz und ermöglicht es dem Team, mit

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METALLKRONE MIT SINTEREX GEDRUCKT

dessen bevorzugten Fräswerkzeugen und Werkstoffen zu arbeiten. Da die Produktion des Labors drastisch angestiegen war, besitzt es nun vier Roland DWX-50 5-AchsDentalfräsmaschinen sowie einen D700 Dentalscanner von 3Shape und andere Frästechnologien. „Nachdem wir unsere erste DWX bekommen hatten, stieg unser Arbeitspensum von 20 Einheiten pro Monat auf 300 400 pro Monat und schließlich auf 750 Einheiten pro Monat an – und das sind nur die Zirkonoxidarbeiten“, erklärt Williams. Zusätzlich zu den Zirkonoxidarbeiten fräst Studio 32 sein gesamtes Wachs für Teile in Gold, Keramik und Metallkeramik (PFM) sowie für Guss- und Pressteile, von denen Williams denkt, dass sie dem Labor mehr Kontrolle verleihen und eine bessere Passform ermöglichen. Alle vier DWX Fräsen werden von einem einzigen Rechner gesteuert und arbeiten von morgens bis wann immer der letzte Auftrag eingeht, manchmal sogar über Nacht, um mit der Nachfrage Schritt zu halten. Seit dem Zugang der DWX Fräsen haben sich die Produktionszeiten von Studio 32 von zwei Wochen auf eine reduziert, und eilige Aufträge können falls nötig an einem Tag fertig gestellt werden. „Ich mache eigentlich dieselbe Arbeit wie zu Anfang“, meint Williams, der seit acht Jahren als Wachstechniker arbeitet. „Aber jetzt mache ich die Wachsarbeiten mit einem Computer und einer Roland Fräse. Selber Vorgang, andere Werkzeuge.“ Mit Blick in die Zukunft untersucht das Labor die Möglichkeit, digitale Akten anzunehmen, Modelle zu drucken und herausnehmbaren Zahnersatz für seine kieferorthopädische Abteilung anzufertigen. Bevor sich das Labor jedoch auf die Installation einer neuen

Technologie einlässt, muss laut Williams die Nachfrage zunehmen, damit sich die Investition auch lohnt; er bestätigt jedoch, es sei „ein Trend, den wir sehen.“

EINE FRAGE DER ZEIT

Fräsmaschinen können oft ein Sprungbrett für den 3D-Druck im Dentallabor sein. Die spanische Dentalfirma Cambicon investiert seit 15 Jahren in die neuesten Dentaltechnologien und produziert damit individuelle, funktionelle Dentalprothetik. Am Anfang standen Frässysteme, und nun hat das Unternehmen einen 3D-Drucker im Labor installiert. „Der 3D-Druck verändert unsere Arbeitsweise und setzt das, was vor Jahren mit den Fräsmaschinen begann, in Richtung des digitalen Labors fort“, erklärt Kevin Reger, Produktmanager bei Cambicon. „Der Dentaltechniker von heute muss ein grundlegendes Computerwissen besitzen, um Modelle am Computer statt von Hand zu erstellen. Das ermöglicht uns den Einsatz neuer Werkstoffe und verbesserter Techniken, um das Endergebnis zu verbessern und so ein besseres Produkt für den Patienten zu schaffen.“ Die häufigsten Anwendungen bei Cambicon sind Dentalmodelle und Schienen. Dabei werden bislang von Hand gefertigte Produkte durch solche verdrängt, die unter Einsatz von intraoralen Scannern und Fräsen hergestellt werden, um eine höhere Qualität zu erhalten. Nachdem das Unternehmen vor rund drei Jahren anfing, mit dem 3D-Druck zu experimentieren, setzt es nun einen Way2Production SolFlex Plus 3D-Drucker ein, um Schienen zeit- und kosteneffizienter zu fertigen. „Schienen, die einmal virtuell entwickelt und gedruckt wurden, sind reproduzierbar“, führt Reger weiter aus. „Das heißt, dass dieselbe Schiene immer wieder gedruckt werden kann, falls der Patient sie verliert oder falls sie kaputtgeht. Diese Möglichkeit erspart dem Zahnarzt, dem Techniker und dem Patienten Zeit und Aufwand.“ Das Desktop-Stereolithographie-System zeichnet sich durch das patentierte VDFS (Vat Deflection Feedback System) aus. Dieses überwacht und steuert den Separationsprozess und verkürzt so die Fertigungszeit um bis zu 40%. Die digitale Technik fließt zwar allmählich in den Dentalsektor ein, doch Reger erklärt, dass die Erstinvestition und der Unterhalt einige Dentallabore und Zahnarztpraxen von der Einführung der Technologie abhält. Doch er ist davon überzeugt, dass ein verbesserter digitaler Arbeitsablauf und niedrigere Verbrauchsmaterialkosten letztendlich den Wechsel zur digitalen Technik „zur einzig richtigen Entscheidung“ machen.

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ROLAND DG FRÄSEN IM STUDIO 32

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STRATASYS: NEUE WEGE FÜR KIEFERORTHOPÄDIE BEI NIMRODENTAL

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eit seiner Gründung 1991 war es das Hauptanliegen von NimroDENTAL Orthodontic Solutions, seinen Zahnarztkunden im Großraum London nur die besten Laborarbeiten zu liefern. Aufgrund der steigenden Nachfrage expandierte das Unternehmen. Der Markt entwickelte sich weiter und durch den Einsatz neuer Technologien wurden kürzere Bearbeitungszeiten, höhere Präzision und komplexere Zahnmodelle zum neuen Standard. „ London ist nicht einfach nur eine große Stadt, es ist eines der Zentren der Welt“, so Nimrod Tal, Gründer und Managing Director von NimroDENTAL. „Menschen aus aller Welt kommen für medizinische Spezialbehandlungen in diese Stadt. Patienten mit zahnmedizinischen Problemen sind nur für eine begrenzte Zeit im Land, daher muss die entsprechende Behandlung so schnell wie möglich erfolgen. Durch Stratasys 3D-Druck können wir diesen Service jetzt anbieten.“ „Heutzutage sieht sich die Zahnmedizin höheren Anforderungen gegenübergestellt. Dentallabore müssen den Wünschen von Zahnärzten und ihren Patienten nachkommen,“ fügt Nimrod Tal hinzu. „Wir mussten uns anpassen und wollten unsere Produktivität steigern, daher sind wir mit Stratasys ins Gespräch gekommen und haben 2011 mit einem Objet Eden500V

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3D-Drucker den ersten Schritt in Richtung 3D-Druck gewagt, später kam dann noch ein Objet260 Connex3 System hinzu.“

Die Verwendung transparenter und farbiger 3D-Druckmaterialien von Stratasys ermöglicht es, funktionstüchtige Modelle von Zahnspangen, Kronen, Brücken und komplexen kieferorthopädischen Prothesen schneller und mit höherer Präzision herzustellen, als es bisher möglich war. Bei Bedarf können innerhalb kürzester Zeit bis zu 20 hochwertige kieferorthopädische Modelle 3D-gedruckt werden. Das spart Zeit und Kosten und verringert den Platzbedarf für die Aufbewahrung von sperrigen Originalabgüssen und -modellen in der Klinik. Mit leicht verständlichen, präzisen Modellen kann auch das Verständnis der Patienten verbessert werden. „Die Einführung der 3D-Drucktechnologie von Stratasys in unserem Unternehmen hat unsere Arbeitsabläufe revolutioniert,“ erklärt Hugo Patrao, Leiter des Bereichs Forschung und Entwicklung und Manager der Abteilung 3D-Druck bei NimroDENTAL. „Der Arbeitsablauf ist effizienter und produktiver und unsere Modelle sehen hochwertiger und professioneller aus. Tatsächlich gehen die Vorteile des 3D-Drucks über die Modelle selbst hinaus.“ Unter den Vorteilen hebt Patrao die Verwendung der zahnmedizinischen Materialien hervor: „Die gedruckten Modelle ermöglichen einen höheren Kontrast als herkömmliche Gipsmodelle oder solche, die in Fast-Weiß gedruckt wurden. Der erhöhte Kontrast gibt den Patienten eine bessere Vorstellung von Aussehen und Funktionsweise der kieferorthopädischen Prothesen. Modelle mit beweglichen Teilen sitzen perfekt und unterstützen den Zahnarzt bei der Erklärung der bevorstehenden Behandlung und der Anwendung der endgültigen Prothese.“

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NIMRODENTAL DRUCKT MIT SEINEN 3D-DRUCKERN OBJET260 CONNEX3 UND OBJET EDEN500V ZAHNMEDIZINISCHE GEBRAUCHSMODELLE IN 3D.

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MIT DER 3D-DRUCKTECHNOLOGIE VON STRATASYS KÖNNEN IN KURZER ZEIT BIS ZU 20 HOCHWERTIGE KIEFERORTHOPÄDISCHE MODELLE 3D-GEDRUCKT WERDEN.


DENTAL Bei NimroDENTAL wird viel Wert auf die Verständigung mit dem Patienten gelegt. Spezielle Wünsche können berücksichtigt werden und enttäuschten Erwartungen und nachfolgenden Beschwerden wird vorgebeugt. „Die detaillierte Aufklärung mit präzisen, 3D-gedruckten Modellen hat hohen Beweischarakter, wenn es in einem seltenen Fall doch zu einer rechtlichen Auseinandersetzung kommen sollte“, so Nimrod Tal weiter. „Ungeachtet dessen hat die verbesserte Verständigung mit den Patienten durch 3D-gedruckte Modelle einen äußerst positiven Einfluss auf die Zufriedenheit der Patienten.“

SAUBERE UND SCHNELLE PRODUKTION

Abgesehen von der verbesserten Produktivität, kürzeren Bearbeitungszeiten und präziseren, detaillierteren Modellen bietet 3D-Druck Dentallaboren und deren Kunden weitere Vorteile. „3D-Drucker von Stratasys sind geeignet für den Einsatz in Büroumgebungen“, erklärt Patrao. „Sie sind leichter zu handhaben und sauberer als Gipsmodelle. Darüber hinaus sind sie auch weniger arbeitsaufwändig und wir können über Nacht drucken. Das hat einen sehr großen Einfluss auf die Bearbeitungszeit und die Produktivität. „Unsere 3D-Drucktechnologie muss zuverlässig sein“, fügt er hinzu. „Die Drucker arbeiten rund um die Uhr und fertigen sowohl einfache als auch hochkomplexe Anwendungen. Zuverlässigkeit ist sehr wichtig und unsere Stratasys 3D-Drucker liefern beständig, Tag für Tag.“

DER MARKT IST NOCH NICHT GÄNZLICH ÜBERZEUGT

„Während unser Betrieb gewachsen ist und unsere Stratasys 3D-Drucker Tag und Nacht arbeiten, muss noch viel Entwicklungsarbeit in diesen Markt gesteckt werden“, sagt Nimrod Tal. „Der Anteil an Zahnärzten, die 3D-Scans und 3D-Druck verwenden, ist noch immer äußerst gering. Einige der Gründe dafür sind: Die Zeit, damit zu experimentieren, die Fehleinschätzung der Kosten und zu wenig Weitblick, um die Vorteile zu erkennen. Darum kümmert sich bei uns die Abteilung der Geschäftsentwicklung.“ Einer der augenscheinlichen Vorteile von 3D-Scan und 3D-Druck für Zahnarztpraxen ist der geringere Platzbedarf. Scan- und 3D-Druckdateien können digital an verschiedenen Orten gespeichert werden. Dadurch entfällt die Aufbewahrung von Originalabgüssen und modellen, von denen die meisten sowieso nie wieder gebraucht werden. „3D-Druck bietet Lösungen für viele Herausforderungen in diesem Marktsegment,“ schließt Nimrod Tal. „Präzision, Geschwindigkeit, Kosteneffizienz und verbesserte Verständigung sind die Bereiche mit den größten Vorteilen für uns und unsere Kunden sowie für Zahnärzte und ihre Patienten. Patienten werden immer höhere Erwartungen haben und schließlich immer mehr Zahnarztpraxen dazu bewegen, auf digitale Zahnmedizin umzustellen. Der Wert einer verständlichen Erklärung zu einer Behandlung und einer exakten Vorschau auf das Ergebnis dürfen nicht unterschätzt werden. Unsere Stratasys 3D-Drucker machen diese Verständigung erst möglich.“

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BEI NIMRODENTAL WIRD PRAKTISCH RUND UM DIE UHR GEARBEITET, DAHER MUSS DIE EINGESETZTE 3D-DRUCKTECHNOLOGIE FÜR DIE HERSTELLUNG VON HOCHWERTIGEN MODELLEN ABSOLUT ZUVERLÄSSIG SEIN.

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TCT EXPERTENBEIRAT

INTERVIEW: FRANK COOPER

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ls wir letztes Jahr den TCT Expertenbeirat zusammenstellten, der uns bei der fairen Beurteilung der Auszeichnungen helfen sollte, hatten wir immer im Hinterkopf, dass uns diese klugen Köpfe bei der Berichterstattung helfen würden. Wir werden dieses Jahr in jeder Ausgabe einen ausgewählten Experten für unsere Hauptthematik ausführlich dazu befragen, wie die additive Fertigung oder deren Umfeld den Herstellungsprozess verändert hat. Der erste in der Reihe ist Frank Cooper, Dozent für Schmuckherstellungstechnik und Leiter des Centre for Digital Design and Manufacturing an der School of Jewellery in Birmingham. Cooper hat fast sein ganzes Leben in der Schmuckindustrie verbracht, und seine wegweisende Arbeit hat dazu geführt, dass er dem Ruf nach seinem Wissen in Vortragsverpflichtungen auf der ganzen Welt folgt. Er ist ein waschechter Birminghamer, und er repräsentiert wie kein anderer das Jewel-lery Quarter von Birmingham. TCT: Wie haben sich während Ihrer Zeit in der Branche die additiven Fertigungstechniken in der Schmuckbranche entwickelt? FC: Der Standarddrucker der Schmuckindustrie, der Solidscape, wurde in den vergangenen zehn Jahren oder so zu einem robusten und zuverlässigen Gerät, das in der Schmuckindustrie auf der ganzen Welt häufig genutzt wird. Als ich damals in der Branche anfing, sozusagen im Bronzezeitalter der Schmuckherstellung, hatte der Solidscape den Ruf, dass seine Düsen unzuverlässig seien.

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TRADITIONELLE HANDWERKLICHE FÄHIGKEITEN SIND FÜR DIE SCHMUCKHERSTELLUNG IMMER NOCH WICHTIG

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Nachdem eine Reihe von Patenten ausgelaufen ist, gibt es nun eine ganze Menge Neulinge, die ihre Produkte der Schmuckindustrie anpreisen. Für ihren erfolgreichen Geschäftseinstieg gibt es zwei Schlüsselfaktoren: Der erste und offensichtliche ist die Erschwinglichkeit, der weniger offensichtliche ist, wie gut sich die Druckausgabe gießen lässt, wenn sie für den primären Herstellungsprozess der Branche eingesetzt wird, nämlich den Wachsausschmelz-Präzisionsguss. Heutzutage finden entweder wachsbasierte Systeme oder Fotopolymer-Gießharze eine breite Akzeptanz und Anwendung. Je weniger der Gießer seine Standardprozesse zur Aufnahme der Wachse und Harze ändern muss, desto mehr Akzeptanz finden sie in der Branche. Die größeren, kostenintensiveren Technologien haben ihren Platz in der Branche, in der Regel bei den Volumenherstellern, doch es gibt auch eine Nische für die kleineren, kostengünstigeren Drucker. Solange das Druckresultat eine vernünftige Auflösung aufweist und den Gießvorgang zufrie-denstellend durchläuft, wird sich die Branche gern ihren Weg durch die zahlreichen aktuell vorhandenen Optionen suchen. Besonders großer Beliebtheit erfreut sich momentan das Formlabs Form 2 System, über das man nur Gutes hört: unkomplizierte Einrichtung, einfache Bedienung, gute Ergebnisse und hervorragender Kundensupport. TCT: In welchem Bereich des Fertigungsprozesses könnten Schmuckhersteller Ihrer Meinung nach am meisten vom Einsatz der aktuellen Technologien profitieren? FC: Hohe Reaktionsgeschwindigkeit auf spezielle Kundenanforderungen: Insbesondere auf Sonderanfertigungen oder Änderungen im Modestil kann sowohl schnell als auch kosteneffizient reagiert werden, wenn die richtigen Kombinationen aus CAD und 3D-Druck eingesetzt werden. Bei richtiger Anwendung können diese beiden Technologiebereiche auch den Umfang der gerade durchgeführten Arbeiten oder den Bestand eines Schmuckherstellers reduzieren, wenn man bedenkt, dass einen ein Kilo 18-karätiges Gold um die 35.000 £ oder mehr kosten kann. Diese Technologien können zudem die Erzeugung von Urmodellen beschleunigen – auch das ein seit langem etablierter


Schmuckherstellung und traditioneller Teil der Schmuckfertigungsindustrie. Urmodelle werden zur Fertigung von Gussformen eingesetzt, in die beim Gießprozess für Großserien Wachs eingespritzt wird, und natürlich lässt sich mit der „herkömmlicheren“ Funktion der 3D-Druck“Prototypen“ der Entwurfsiterationsvorgang vom Entwurf zum endgültigen Muster erheblich beschleunigen. Und noch ein Beispiel, das wiederum interessanter für den Volumenschmuckhersteller ist: Sobald, sagen wir mal, ein Ringentwurf produktionsreif ist, ist es um einiges einfacher, die Funktionalität der richtigen CAD-Software einzusetzen, um eine Reihe von Urmodellen für eine beliebige Anzahl an Ringgrößen herzustellen. TCT: Welche Kenntnisse und Fähigkeiten erwarten die Schmuckhersteller heutzutage von den Absolventen und inwiefern hat sich hier etwas geändert? FC: Unsere Absolventen gehen mit breit gefächerten Kompetenzen, die sie in unterschiedlichen Studiengängen erworben haben, in die Industrie. Viele dieser Kompetenzen sind noch immer das traditionelle Schmuckdesign und vor allem die handwerklichen Fähigkeiten, die man erwarten würde. In der Schmuckbranche gelten sie als Handwerkskunst; die Fähigkeit, ein Stück Edelmetall und vielleicht ein paar Edelsteine oder Halbedelsteine mit Hammern, Feilen, manuellen Werkzeugen, Poliermotor usw. in ein wunderschön gearbeitetes Schmuckstück zu verwandeln. Es gibt jedoch auch eine stetig steigende Nachfrage an eine große Anzahl unserer Absolventen, dass sie vor allem sehr gute CAD-Kenntnisse und mindestens Grundkenntnisse der verschiedenen, in der Branche vorhandenen Druckoptionen haben sollten. Die Absolventen müssen in der Lage sein, mit Hilfe von CAD Schmuck zu entwerfen, der sich industriell fertigen lässt, und daher brauchen sie diese grundlegenden Kenntnisse der verschiedenen Schmuckerzeugungstechniken und -optionen zum CAD-Entwurf von produzierbaren Schmuckartikeln. Ein Punkt, den ich den Besuchern meines Technology Hub im Institut ständig vorbete, ist, dass keine meiner wunderbar schlauen Drucktechnologien – und ich habe eine ganze Menge davon – fertigen Schmuck macht oder druckt. Dafür braucht man eine entsprechend qualifizierte Person, die diesen Output in ein schönes Schmuckstück verwandelt. Und

genauso wenig entwerfen die Algorithmen der intelligenten CADSoftware und die noch intelligenteren Algorithmen in meiner CAD Training Suite schönen, produzierbaren Schmuck – es ist der gut ausgebildete Mensch vor dem Rechner mit dem CAD-Programm, der die echte gestalterische Arbeit leistet. TCT: Können Sie kurz umreißen, was die Leistungsversprechen und Einschränkungen beim Sintern von Edelmetallen sind? FC: Zweifellos hat das Sintern von Edelmetallen das Potenzial, der Schmuckindustrie einige interessante und neue Wege in Richtung Markt aufzuzeigen, insbesondere in den Bereichen des personalisierten und individualisierten Schmuckes und bei Einzelstücken. Es gibt derzeit auch interessante Bestrebungen, das geometrische Komplexitätspotenzial für derart gefertigte Schmuckartikel weiter zu erkunden, sowie einige faszinierende neue Methoden, jene schwer zugänglichen Stellen zu polieren, die durch die geometrische Komplexität entstehen. Hier in der School of Jewellery führen wir außerdem seit Kurzem interessante Forschungen durch, wie man den laufenden Bauprozess unterbrechen und zusätzliche Elemente wie Halbedelsteine oder Perlen hinzufügen oder einbetten kann. TCT: Welche Technologie finden Sie im Hinblick auf die Schmuckindustrie am spannendsten? FC: Die fortlaufende Demokratisierung der Zugangsmöglichkeiten zu den unterschiedlichen 3D-Druckoptionen, die dem Schmuckhersteller mittlerweile zur Verfügung stehen, gewinnt innerhalb der Branche beständig an Fahrt und Zugkraft und kann für die Zukunft der Branche nur gut sein. Wenn ich etwas nennen soll, was man im Auge behalten sollte, dann ist die immer länger werdende Liste an erschwinglichen Desktop-Metalldruckern ein Bereich, den ich sehr aufmerksam ver-folge und bei dem ich nach Möglichkeiten Ausschau halte, wie sie in den Edelmetalldruck integriert werden könnten. Wenn ich mal einfach ins Blaue hinein und ganz unorthodox sprechen soll, dann kann ich die Möglichkeiten und das Potenzial des XJet Systems einfach nur bewundern, und ich könnte mir das Werbevideo stundenlang ansehen und denken „Was wäre, wenn ...“.

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BAUPLATTFORM EINES FORMLABS FORM 2 DRUCKERS

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TEXT : SAM DAVIES

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in Absolvent der Technischen Universität Delft und Sohn eines Künstlers und Restaurators von Oldtimern stellt eine neue Kunstfertigkeit im Bereich Uhrmacherei vor. Es ist ein Jahr seit seinem Masterabschluss in Architektur an der Universität Delft vergangen, vier Jahre seit der Gründung seines eigenen Unternehmens namens Holthinrichs Watches und neun Jahre, seitdem seine Faszination für Zeitmesser begann. Obwohl es sein Kindheitstraum war, Architekt zu werden, verdrängte schließlich sein Interesse an Uhren und Mode die Konstruktion von Großstrukturen. „Ich begann, mich für Stil und Art déco und Kleidung zu interessieren“, erinnert sich Holthinrichs, „und ich dachte, ich sollte mir eine Taschenuhr zulegen.“ Das war vor neun Jahren. Ich kaufte mir eine Amica Taschenuhr, und wenn ich sie öffnete, ging ein Zauber von ihr aus. Sie ist Architektur im Kleinformat. Sie ist Kunsthandwerk und Technik und Design in einem einzigen kleinen Stück.

GEHÄUSE (VORDERSEITE): MIT EINEM DURCHMESSER VON 38 MM UND EINER STÄRKE VON 10 MM. GEDRUCKT IN 316L-EDELSTAHL. STEEL 316L

ZIFFERBLÄTTER: METALLZIFFERBLATT AUS DUNKLEM RUTHENIUM MIT MATTGLANZ, AUF HERKÖMMLICHE WEISE GEFERTIGT

BAND: HANDGEARBEITETES LEDERBAND KRONE: MARKENNAME HOLTHINRICHS AUF DER KRONE. GEDRUCKT IN 316L-EDELSTAHL

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Schmuckherstellung

SCHLIESSE: 3D-TEXTUR MIT HANDPOLIERTER OBERFLÄCHE. GEDRUCKT IN 316L-EDELSTAHL.

„Ich begann, wie ein Besessener zu sammeln. Und schließlich, nach vier Jahren, dachte ich, ich bin eigentlich gelernter Designer, und zu diesem Zeitpunkt wusste ich, wie eine Uhr funktioniert und wie sie gebaut ist. Ich dachte, ich sollte in der Lage sein, selbst eine zu bauen. Das war der Anfang.“ Kurz nach der Fertigstellung seines ersten Uhrenentwurfs wurde das erste Gebäude im 3D-Druck-Verfahren in der Hauptstadt seines Landes gebaut: Das Amsterdam 3D Print Canal House. Es weckte Holthinrichs‘ Interesse, und er begann herauszufinden, welche Möglichkeiten es gab, den 3D-Druck in seine Uhrmachereskapade einzubringen. Nach einer Zusammenarbeit mit Aldema, mittlerweile ein Unternehmen von Materialise NV, und dem Einsatz einer Renishaw AM250 Maschine, wurde Holthinrichs in ein Zentrum für additive Fertigungslösungen eingeladen, wo er seine erste Armbanduhr, die Ornament 1, entwickeln konnte. Er baut die Uhr von Hand, die Zeiger sind beispielsweise auf herkömmliche Weise gefertigt, doch bei einigen der eher ästhetischen Merkmale greift er auf 3D-Druck zurück. Die Schließe, das Gehäuse und die Krone werden in einem 30-stündigen Verfahren in 316L-Edelstahl gedruckt. Das Gehäuse mit einem Durchmesser von 38 mm und einer Stärke von 10 mm weist eine erhabene Signatur des Markennamens Holthinrichs auf. Auf der Rückseite steht in Großbuchstaben „Stainless steel“ (Edelstahl), „3D printed case“ (3D-Druck-Gehäuse) und „Swiss movement“ (Schweizer Uhrwerk). Holthinrichs exportiert seinen Entwurf in die QuantAM Software zur Bauvorbereitung, wo er die Teile auf der Bauplatte prüft und konfiguriert und an den erforderlichen Stellen Stützkörper hinzufügt. Dann werden die Dateien an eine Renishaw AM 400 geschickt. Diese Maschine wurde wegen ihrer Flexibilität und ihrer Fähigkeit, feinste detailreiche Designs zu fertigen, gewählt. Da die Teile eine Präzision von einem Hundertstel Millimeter erfordern, ist eine Nachbearbeitung nötig. Diese wird ausgelagert, bevor

Holthinrichs den Teilen durch Feilen und Polieren von Hand den letzten Schliff verleiht. Nachbearbeitung, Zusammenbau und Einstellung von Hand nehmen für jede Uhr weitere 30 Stunden in Anspruch. Die Ornament 1 ist das neueste Modell in einer Uhrenkollektion, die noch immer mit rund 80 Zeitmessern aufwarten kann; mehr als 100 wurden repariert und verkauft, um die eigenen Uhrmacheraktivitäten zu finanzieren. Die Entwicklung wurde zwar im Januar 2016 abgeschlossen, doch die Uhr hat das Handgelenk von Holthinrichs noch nicht verlassen – sie ist einfach ein Meisterstück für einen Modebesessenen. Obwohl er mit seiner ersten Uhr mehr als zufrieden ist, brennt er darauf, mit seinen nächsten Kreationen weiterzumachen: „In der Architektur ist man nie fertig“, bemerkt er nachdenklich. Als Nächstes will er sich mit dem Druck der beweglichen Uhrenteile befassen, und da er inzwischen sein eigenes Atelier im Zentrum von Delft eröffnet hat, verfügt er dafür auch über das nötige Umfeld. Es ist bestrebt, eine Produktlinie von Uhren zu kreieren, in der die Ornament 1 das erste Element darstellt, sowie eine „ultimative individualisierte Version [zu produzieren], bei der die Verarbeitung und das Design maximal optimiert sind.“ Während die jeweilige Designs unterschiedlich sein werden, wird der Einfluss von 3D-Drucktechnik sicherlich weiter bestehen bleiben. „Für mich stellt der 3D-Druck eine neue Kunstfertigkeit in der Uhrmacherei dar“, erklärt Holthinrichs. „Ich glaube, die meisten Marken oder Uhrmacher betrachten den 3D-Druck nur als Mittel zum Prototyp, doch ich denke, dass sie in diesem Sinn vielleicht zu konventionell, zu konservativ sind.“ Ich bin überzeugt, dass diese Technik die Branche bereichern könnte.“

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NACHBEARBEITUNG TE X T : Da n ie l O’ C on nor

UNTER DER OBERFLÄCHE IN DER MEDIZINISCHEN UND ZAHNMEDIZINISCHEN ABTEILUNG VON RENISHAW WURDE EINE LÖSUNG ENTWICKELT, MIT DER SICH DER ZEITAUFWAND FÜR DIE ENDBEARBEITUNG VON KRANIALEN IMPLANTATEN MIT HILFE VON VERFÜGBARER TECHNOLOGIE DER FIRMA RÖSLER DRASTISCH VERRINGERN LÄSST.

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or allem die patientenspezifischen, in 3D-Druck gefertigten Implantate von Renishaw werden hoch gelobt. Es wurde schon viel über den Schritt vom CT-Scan-zu-CAD und über preisgekrönte Software geschrieben, sowie darüber, wie die Titanpulver von LPW in den AF-Systemen (additive Fertigung) von Renishaw dazu verwendet wurden, diese lebensrettenden Implantate zu drucken, doch wenig wurde bisher über die außergewöhnliche Qualität der Oberflächenbeschaffenheit berichtet. Der ursprüngliche Auftraggeber, der Neurochirurg Bartolomé Oliver, benötigte ein 3D-Druck-Implantat, das präzise auf die Schädelkonturen des Patienten abgestimmt sein und vorzugsweise eine samtartige Oberfläche aufweisen sollte. Die Aufgabe von Andy Wescott, Anwendungstechniker bei Renishaw, bestand in der Entwicklung eines wiederholbaren und optimierten Nachbearbeitungsprozesses, der den Kranialplatten nach dem Bauzustand eine sowohl samtartige als auch hochpolierte Oberfläche verleihen sollte. „Bisher war die Nachbearbeitung dieser Teile auf eine geringe Oberflächenrauigkeit ein manueller und sehr zeitaufwändiger Vorgang“, erklärte Wescott. „Die Nachbearbeitungszeit für eine große Kranialplatte betrug bis zu fünf Stunden. Es galt, diese Zeit und den manuellen Bearbeitungsaufwand zu reduzieren, denn wenn jemand ein Teil bearbeitet und eine Sekunde unkonzentriert ist und ein Loch in das Teil brennt, dann hat er dadurch nur ein teures Ausschussteil produziert.“ Die Lösung war nicht die Neuerfindung des Rads, sondern nur eine kleine Anpassung einer Maschine, nämlich einer Rösler Rüttelscheuermaschine. Mit 3D-Druck gefertigte Metallteile sind mittlerweile von solcher Qualität, dass sie wie jedes andere Metallteil behandelt werden können. Und Rösler kennt sich

mit der Oberflächenbearbeitung von Metallteilen aus: Das Unternehmen spielt seit über 80 Jahren mit seinen Gleitschleifund Strahltechniksektoren eine bedeutende Rolle im Bereich Nachbearbeitung. Aufgrund der Tatsache, dass die meisten Metallteile mit einer relativ rauen Oberfläche aus der AF-Maschine kommen, kann Rösler seine jahrelange praktische Erfahrung bei der additiven Fertigung einbringen. Daher entschied sich Wescotts Abteilung für die Anschaffung einer Rösler KompaktFliehkraftgleitschliffanlage FKS 04 zur Endbearbeitung ihrer Teile. Wenn nun eine Kranialplatte aus einem Renishaw AF-System kommt, wird sie nur einer kurzen manuellen Bearbeitung unterzogen, bei der die Stützkörper mithilfe einer Hartmetallfräse und einer Schleifscheibe entfernt werden. Anschließend kommt das Teil in die Rösler Rüttelscheuermaschine, wo es automatisch ein dreistufiges Verfahren durchläuft, das eine einwandfrei glatte Oberfläche erzielt und zugleich die manuelle Bearbeitungszeit auf unter eine Stunde verkürzt. Den intelligenten Beitrag, mit dem die Wiederholbarkeit für jedes einzelne Teil sichergestellt wird, steuert ein Häppchen technisches Know-how von Renishaw bei, wie Wescott erklärt: „Wir haben ein Werkzeug entwickelt, das unsere Teile in einer bestimmten Ausrichtung fixiert (innerhalb der Rüttelscheuertrommel). Anstatt die Teile lediglich drei Arten von Medien auszusetzen, so dass sich irgendein festes Teil ergibt, ist für unsere Teile eine hohe Präzision erforderlich. Bestimmte Bestandteile müssen geschützt werden (vor den Medien in der Rüttelscheuermaschine); daher haben wir eine Werkzeugmethode entwickelt, mit der die Teile in den Medien nach unten weisend fixiert werden, so dass die OberflächenEndbearbeitung nur an den gewünschten Stellen stattfindet.“ Obwohl es für die Endbearbeitung bisher noch keine Patentlösung gibt, hat Renishaw gezeigt, dass sie keine zermürbende Erfahrung sein muss. Ähnlich wie das AF-Verfahren selbst, ist Ihre Endbearbeitungstechnik von Ihrer Anwendung abhängig, und Sie sollten die Endbearbeitung der Produkte auf Ihre Anforderungen abstimmen. „Die Endbearbeitung ist noch immer ein relativ schwaches Glied in der AF-Kette; aber ich glaube, die Gefahr besteht darin, die additive Fertigung nur als eine einzelne, in sich geschlossene Technik zu betrachten“, meint Ed Littlewood, Marketingleiter der Renishaw Medical and Dental Division. „Nehmen wir zum Beispiel das Fräsen; wir machen das seit Jahren und es versteht sich von selbst, dass dabei auch entgrätet werden muss, es gibt Anodisierungsvorgänge und alle anderen Abtragprozesse. Genau wie beim Fräsen müssen wir also zuverlässige Verfahren entwickeln, die mit der additiven Fertigung einhergehen.“

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NACHBEARBEITUNG

DER DRUCKNACHBEARBEITUNGSKREISLAUF TE X T: La u r a G r iffit h s

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ir sind Deutsche, wir schaffen Sicherheit“, bemerkt Andreas Hartmann, Ingenieur und Geschäftsführer der Solukon Maschinenbau GmbH. Als ich Andreas Hartmann auf der Messe formnext powered by tct 2017 in Frankfurt treffe, stellt das Unternehmen, das auf Reinigungskabinen und Auspackstationen für lasergesinterte Metall- und Kunststoffbauteile spezialisiert ist, seine Maschinen zum ersten Mal kommerziell aus; eine von ihnen überquert gerade den Atlantik auf dem Weg zu ihrem ersten Kunden in den USA. Die Firma Solukon Maschinenbau GmbH war ursprünglich als Maschinenbauberatungsunternehmen geplant und wurde 2013 von Andreas Hartmann und seinem Ingenieurskollegen Dominik Schmid gegründet. Das Duo kam von einem namhaften Hardware-Hersteller für additive Fertigung (AF) und erkannte die Nachfrage nach Lösungen, die den zeitaufwändigen und häufig unstrukturierten Reinigungsprozess bei AF –den Part, den man nicht sieht, wenn man die perfekten Ausstellungsteile auf einem Messestand betrachtet – sowohl effizient als auch sicher machen könnten. Die Solukon Maschinenbau GmbH mit Sitz in Stadtbergen bei Augsburg hat drei individualisierbare Systeme entwickelt. Angeregt wurden diese Entwicklungen von Kunden wie der Firma Daimler, die das Team 2016 kontaktierte auf der Suche nach einer Lösung, welche ihren eigenen langwierigen Reinigungsprozess optimieren sollte. Der Automobilhersteller verbrachte fast 16 Stunden mit dem manuellen Reinigen von AM-Teilen, doch mit der Einführung eines automatisierten Systems wurde diese Nachbearbeitungszeit auf nur zwei Stunden reduziert. „Daimler kam zu uns, sie hatten ein Problem mit dem Reinigen von Teilen, also entwickelten wir dieses System für sie und machten ein Produkt daraus“, erklärt Hartmann. „Diese Maschine [die SFM-AT800] ist in der Lage, 300 kg Teile in Inertgasatmosphäre zu reinigen. Sie wird von oben beladen und hat zwei Achsen für die automatische Reinigung, sodass jede Seite des Teils gereinigt wird. Danach sammeln wir das Pulver und bringen es wieder in den Prozess ein.“ Die drei Systeme umfassen die SFM Reinigungskabine für lasergesinterte Metallbauteile, von der es eine kleine und eine größere Ausführung gibt, die SFP Auspackstation für lasergesinterte Kunststoffbauteile sowie die SFK Reinigungskabine für Kunststoffoder Metallbauteile. Die Solukon Reinigungskabinen entfernen lose Pulverbestandteile von lasergesinterten Bauteilen durch gezielte programmierbare Schwingungsanregung und automatisiertes 2-Achsen-Schwenken. Je nach Baumaterial kann die Entstaubung in der Prozesskammer mit Schutzgas-Inertisierung erfolgen, um sie für eine manuelle Bearbeitung sicher zu machen. Das überschüssige Pulver wird anschließend in einem Trichter gesammelt und kann in einen versiegelten Behälter entsorgt werden. Die Systeme stellen sicher, dass der Reinigungsprozess wiederholbar ist, sodass der Hersteller dasselbe Qualitätsniveau für jedes Teil gewährleisten kann. Außerdem ermöglichen sie die Wiederverwertung von Pulvern. Vor ihrer kommerziellen Markteinführung haben die Systeme bereits tagein, tagaus ihre Arbeit verrichtet: Über 30 Maschinen stehen mittlerweile in den Fertigungsbereichen von Unternehmen wie Audi und der FKM Sintertechnik GmbH. Hofmann, ein deutscher Anbieter von Ingenieursdienstleistungen, installierte

seine erste Reinigungskammer 2016 und hat seitdem ein weiteres System für seine Aluminium- und Edelstahlerzeugnisse erworben. Bei der Versorgung von hochregulierten Branchen wie dem Automobil-, Luftfahrt- und Medizinsektor sowie beim Umgang mit reaktiven Materialien ist Wiederholbarkeit von allergrößter Wichtigkeit; sie stellt sicher, dass stets dasselbe Reinigungsresultat und die erforderliche Sicherheit gewährleistet sind. Hofmann berichtete TCT, dass das Unternehmen mittlerweile in der Lage ist, ca. 90 % seines Pulverreinigungsverfahrens zu automatisieren und reaktive Materialien sicher zu entpacken. „Wir haben Speziallösungen“, erklärt Hartmann. „Einige Kunden hatten Sonderwünsche wie beispielsweise eine Absauganlage im Inneren. Wir können die Maschinen entsprechend anpassen. Wir werden eine Software auf den Markt bringen, die über mehr Funktionalität, mehr Bewegungskontrolle verfügt, und das entstand auf Anregung eines Kunden. Wenn die Kunden nach mehr Funktionen verlangen, werden wir dem entsprechen.“ Laut Solukon geben die Kunden des Unternehmens an, dass ca. 70 % ihrer AF-Gesamtkosten von Nebenprozessen wie dem Laden von Daten und der Reinigung und nicht vom tatsächlichen Drucken verursacht werden. Während sich AF immer weiter in Richtung Produktion bewegt, zielen die Lösungen von Solukon darauf ab, einen Großteil dieses Prozesses zu vereinfachen. „Unsere Kunden, vor allem die Servicezentren, denken an die Zukunft – wie diese Fertigungslinien perfektioniert werden können“, für Hartmann hinzu. „Wir freuen uns sehr, dass sie unsere Maschinen einsetzen.“

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BERICHT ÜBER DIE FORMNEXT - POWERED BY TCT 2017 DIE ERFOLGSSTORY VON FORMNEXT POWERED BY TCT FAND IHRE FORTSETZUNG IM NOVEMBER 2017, ALS DIE MESSE IN FRANKFURT MIT AUSSTELLUNGEN UND KONFERENZEN AN DEN VIER MESSETAGEN UNGLAUBLICHE 21.492 BESUCHER ANZOG.

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enn man bedenkt, dass 2014 in Frankfurt zu dieser Jahreszeit fast keine Messe stattgefunden hätte, da die Euromold aus dem Kalender verschwunden war, ist dieser Anstieg von 60% gegenüber dem Vorjahr unglaublich. „Wir sind mehr als zufrieden, da die Qualität der Fachvorträge unglaublich hoch und die allgemeine Quantität hervorragend ist. Wir sehen uns näher an unserem mittelfristigen Ziel, die formnext zu einer der weltweit führenden Messen auszubauen. Ich glaube, dass das Herz der additiven Fertigung in den letzten Tagen in Frankfurt geschlagen hat, und das freut mich ungemein“, bemerkt Dr. Christoph Schumacher, Abteilungsleiter Marketing und Unternehmenskommunikation bei Arburg und Mitglied des formnext Ausstellungsgremiums. Die Konferenz der formnext powered by tct wurde dieses Jahr zum ersten Mal parallel auf zwei Bühnen abgehalten und hatte an allen vier Ausstellungstagen ihren Schwerpunkt sowohl auf aktuellen Anwendungen als auch auf der Zukunft der additiven Fertigung. 62 führende Experten aus zahlreichen Branchen gaben 1.028 Teilnehmern einen hervorragenden Überblick darüber, wie additive Fertigung heute und in Zukunft genutzt werden kann, sowie viele Denkanstöße, die zu weiteren Entwicklungen führen könnten. Unter den Vortragenden befanden sich Dr. Raphael Salapete von Airbus Safran Launchers, Martin Harnisch und Matthias Leidescher von Premium AEROTEC, Miguel José von Volkswagen Autoeuropa, Michael Kenworthy und Dr. David Dietrich von Honeywell Aerospace sowie Dr. Carrie Stern vom Montefiore Medical Center. Wir dürfen zwar aus Datenschutzgründen keine Namen veröffentlichen, doch hier ist ein Teil des extrem positiven Feedbacks von den Konferenzteilnehmern: „Ich habe die Konferenz genossen und fand die Sitzungen sehr informativ.“ „Ich verstehe jetzt die zentralen Technologien der additiven Fertigung viel besser.“ „Die wichtigsten Highlights waren für mich, über die neuesten

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KONFERENZ

BESUCHERZAHLEN STIEGEN SEIT 2016 UM 60%

Trends und Marktentwicklungen bei additiver Fertigung im Metallbereich zu hören und zu erfahren, welchen Einfluss der 3D-Metalldruck auf den Feinguss haben wird.“

DIE MARKTEINFÜHRUNGEN

Es gab zahlreiche gigantische Produktneuvorstellungen bei der formnext powered by tct, wie beispielsweise das System aus dem Projekt A.T.L.A.S. von GE, doch gab es auch etliche wohl ebenso berichtenswerte Neuvorstellungen von Firmen mit weniger Marktmacht als GE (und geben wir es zu: das ist fast jeder). Die Stereolithographie konnte ihren Podiumsplatz als Goldstandard des 3D-Drucks behaupten. Eine ganze Palette von verbesserten Harzen von DSM Somos und 3D Systems demonstrierte die kommerzielle Konfiguration ihrer Figure 4 Technologie, und es gab Produkteinführungen von Firmen wie UnionTech und dem neuen Player RAPLAS. Martin Forth, Vorstandsvorsitzender von RAPLAS, sprach mit TCT über das neu vorgestellte Harzproduktionssystem und erläuterte: „Wir wollen die Prototyp-Arena verlassen und


FORMNEXT

LESEN SIE HIER – JENSEITS DER STEREOLITHOGRAPHIE MIT SEINEN ÜBER 400 AUSSTELLERN – EINIGE KURZE ABSCHNITTE ZU PRODUKTNEUVORSTELLUNGEN IM AUSSTELLUNGSBEREICH:

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EOS läutete mit seiner neuen EOS P 500 Lasersintermaschine eine „neue Ära in der Fertigung“ ein und zog mit dem System, das für die Massenproduktion von Polymerteilen im industriellen Maßstab konzipiert ist, mit die größte Besuchermasse an. Nur ein paar Stunden nach der Produkteinführung meldete EOS die Firma Materialise als den ersten bestätigten Kunden. Desktop Metal zeigte das Produktionsystem zum ersten Mal zusammen mit einem substantielleren mikrowellenunterstützten Sinterofen. Das Unternehmen führte auch einige Fallstudien vor, unter ihnen ein Beispiel aus dem Spritzgusssektor, in dem sogar sein kleineres Studio System über das Potenzial verfügt, die Werkzeugausstattung für die Gießformen zu revolutionieren. Der Werkzeugmaschinenund Laserhersteller TRUMPF kündigte die Markteinführung seines neuesten Lasermetallfusionssystems an, der TruPrint 5000, die auf den Luftfahrtsektor, die Werkzeugindustrie und die Medizintechnik abzielt. Die TruPrint 5000 reduziert die Belichtungszeit pro Auftrag um den Faktor 3; sie verfügt über drei scannergeführte Laser, die speziell darauf ausgelegt sind, gleichzeitig an einem beliebigen Punkt in der Baukammer (T: 300 x H: 400) des Systems zu arbeiten. GE Additive lüftete den Vorhang zu der ersten Anlage, die von Teams von GE Additive und Concept Laser entwickelt worden war, einem Projekt namens A.T.L.A.S. (Additive Technology Large Area System). Die neue Metall-3D-Druckanlage ist eine Beta-Technologie und bietet ein Bauvolumen von 1,1 x 1,1 x 0,3 m, mehr als die doppelte 46% DER AUSSTELLER KAMEN VON AUSSERHALB DEUTSCHLANDS

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in die Produktion kommen, deshalb brauchte unsere Maschine Präzision, Konsistenz, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis mit niedrigen Betriebskosten.“ Eines der Alleinstellungsmerkmale von Raplas ist ein Laserscansystem, das einen Dualspot von 80 μm bis zu 1,2 mm liefert. „Die meisten anderen Systeme dieser Größe auf dem Markt bieten einen Bereich von etwa 200 - 800 μm“, erklärt Forth. „Doch was bedeutet diese Zahl tatsächlich? Tatsache ist, dass wir Teile mit sehr feinen Details produzieren können, und wir können sehr große Teile auf derselben Plattform fertigen, ohne dass wir neu fokussieren oder neu kalibrieren müssen.“

FIRMEN WOLLEN MIT IHREN STÄNDEN AUS DER MASSE DER 470 AUSSTELLER HERAUSRAGEN

Größe in y-Richtung im Vergleich zur größten Anlage von Concept Laser, der X LINE 2000R. GE Additive gibt an, dass die z-Achse von 0,3 m auf über 1 m skalierbar ist. Zwei Jahre nach der Markteinführung seiner RenAM 500 stellte Renishaw seine neue RenAM 500Q vor, ein additives Fertigungs-System mit vier Lasern, das die Druckgeschwindigkeit für kleine und mittelgroße Metallteile vervierfachen soll. Xjet kündigte die kommerzielle Einführung seiner 3D-Druckerreihe Carmel an, deren Systeme auf der „NanoParticle Jetting“-Technologie basieren, bei der Pulver zum Druck von sehr dünnen Schichten aus Nanopartikeltinten verwendet werden. Mit der Einführung von Carmel 1400 und Carmel 700 will XJet die additive Fertigung von Keramik- und Metallteilen in Sektoren wie dem Rüstungsbereich und dem Gesundheitswesen grundlegend verändern. Die Carmel 1400 verspricht eine hohe Produktivität: 24 Tintenstrahlköpfe aus insgesamt 12.228 gleichzeitig arbeitenden Düsen tragen 222.000.000 Tröpfchen auf. Die Oerlikon-Tochter citim sowie Youngstown Business Incubator (YBI), Firmensitz von America Makes, wurden als die ersten Nutzer des Systems angekündigt. Das deutsche Metall-AM-Unternehmen SLM Solutions enthüllte das großformatige System SLM 800, das einen Bauraum von 500 x 280 x 850 mm und Kapazitäten für bis zu vier 700-Watt-Laser zur Fertigung von umfangreichen Metallteilen bietet. Die formnext war ein voller Erfolg für SLM; das Unternehmen berichtete über einen Einzelabschluss in Höhe von rund 37 Mio € über 20 der neuen SLM 800 Systeme und ein SLM 280 System. Auf der Werkstoffseite vermeldete Royal DSM eine weitere Expansion in die additive Fertigung mit einem neuen integrierten Unternehmen namens DSM Additive Manufacturing, das auf das vorhandene Materialgeschäft und das AM-Know-how von DSM aufbaut. Eines der weltweit größten Werkstoffunternehmen, BASF, ging u. a. Partnerschaften mit Firmen wie BigRep und Ricoh ein, um seine Fähigkeiten im Bereich additive Fertigung mithilfe von Entwicklungspartnerschaften weiter zu entwickeln. Das Chemiekonglomerat SABIC zeigte auf der Messe ebenfalls zwei neue Produkte: das LEXAN EXL AMHI240F Filament und die Compoundserie THERMOCOMP sind High-End-FDM-Werkstoffe. Es hat außerdem Werkstoffe für SLS in der Entwicklung. Wenn Sie mehr über alle Produktneuvorstellungen auf der formnext erfahren möchten, dann besuchen Sie http://mytct.co/formnexttct

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Software

LEBENDIGE TEILE A TEXT: La u r a G r iffit h s

uf der SOLIDWORKS World 2018 in Los Angeles bestimmte ein gemeinsames Thema die zahlreichen Neuvorstellungen im Bereich 3D-Druck: die Inspiration, die wir bei Design und Fertigung aus der Natur beziehen. Mit seinem jüngst auf den Markt gebrachten generativen Design-Tool „Live Parts“ macht das auf 3D-Metalldruck spezialisierte Unternehmen Desktop Metal, das eine strategische Partnerschaft mit dem Software-Riesen Dassault Systèmes besiegelte, ebenfalls eine Anleihe bei Mutter Natur. Bei Live Parts handelt es sich um eine experimentelle Technologie, die das Ziel verfolgt, das generative Design für den 3D-Druck zu vereinfachen. Zur Zeit steht sie exklusiv den Benutzern von SOLIDWORKS zur Verfügung. In seiner Rede zur Markteinführung sagte Ric Fulop, Vorstandsvorsitzender und Mitbegründer von Desktop Metal: „Wir sind davon überzeugt, dass neben der Hardware auch das Design der Software-Tools und -Techniken für die additive Fertigung wesentliche Faktoren für die erfolgreiche Herstellung starker, leichter und leistungsfähiger Teile sind. Es ist uns eine Freude, bei der Vorstellung unserer jüngsten Innovation, Live Parts, eine Partnerschaft mit Dassault Systèmes einzugehen und unser Software-Tool der größten Gemeinschaft führender Ingenieure bei der Weiterentwicklung der additiven Fertigung als ein Mittel zur Erforschung für ihre Weiterbildung anzubieten.“ Topologie und generatives Design sind natürlich nichts Neues in der additiven Fertigung. Das Einzigartige dieses Tools ist Desktop Metal zufolge seine Fähigkeit, innerhalb von Minuten starke und leichte Metallteile „wachsen“ zu lassen, die auf vielfältige, in Echtzeit in einer Cloudumgebung ablaufende Kräfte reagieren. Bei einer Vorführung des Tools auf der SWW18 durch das Team von Desktop Metal war zu sehen, wie die Teile in ähnlicher Weise wachsen, wie eine Pflanze der Sonne entgegenwächst. Das Teil erscheint wie ein lebendiger Organismus und man kann zusehen, wie es sich entwickelt und dabei unnötiges Gewicht abwirft. Das Tool heißt nicht von ungefähr „Live Parts“, denn die Teile sind genau das – lebendige, aus Zellstrukturen aufgebaute Organismen. Der Prozess ist ein beeindruckendes Schauspiel, und auch wenn er anderen bereits auf dem Markt verfügbaren generativen oder Topologie-Tools ähnlich erscheinen mag, lässt er sich doch mit nichts vergleichen, was wir bislang gesehen haben. Gian Paolo Bassi, Vorstandsvorsitzender von SOLIDWORKS, erläuterte, wie die aktuelle Optimierung der Topologie auf einer Annahme basiert, wie Teile derzeit entwickelt und gefertigt werden. Das Ziel dieses Tools ist es, bei der Herstellung eines Teils allein die Bedingungen in einer bestimmten Umgebung zugrunde zu legen, wie zum Beispiel die zahlreichen Kräfte, denen es vor, während und nach der additiven Fertigung ausgesetzt sein kann. „Wir müssen die Art und Weise umsetzen, wie Dinge in der Natur wachsen. Dabei handelt es sich um einen Prozess, an dem Zellen sehr niedriger Ordnung beteiligt sind, die wie kleine Maschinen sind, die chemische Stoffe erzeugen und auf chemische Reize reagieren. Wir müssen ein System erzeugen,

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ANZEIGE EINER HALTERUNG IN LIVE PARTS.

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GENERATIV ENTWICKELTES METALLTEIL, AUSGEDRUCKT MIT TECHNOLOGIE VON DESKTOP METAL.

das aus solchen Zellen niedriger Ordnung ein Objekt schafft“, erklärte Andy Roberts, leitender Software-Ingenieur bei Desktop Metal im Gespräch mit TCT. „Die additive Fertigung erfolgt in mehreren Phasen: Nach dem Drucken wird das Teil gesintert, d. h. es sind viele Prozesse beteiligt, viele Chemikalien und Temperaturveränderungen. Für uns heißt das, dass Teile mit vielen geraden Linien und scharfen Winkeln mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Probleme bereiten. In der Natur sehen wir hingegen, dass die konstante Kombination sich verändernder Kräfte organische Strukturen schafft, die unerwarteten Dingen standhalten. Zum Beispiel weisen unsere Teile natürlich glatte Übergänge auf, sie sind besser ausgewogen und weisen eine konsistente Stabilität auf. Dadurch funktionieren sie besser und lassen sich besser sintern, sodass wir widerstandsfähigere und stärkere Teile erhalten.“ Live Parts befindet sich Angaben von Desktop Metal zufolge immer noch überwiegend „in aktiver Entwicklung“ und eine frühe Version des Tools wird den Benutzern von SOLIDWORKS exklusiv zur Verfügung gestellt, um Feedback zu erhalten. Außer bei Live Parts werden Desktop Metal und Dassault Systèmes im Rahmen ihrer strategischen Partnerschaft auch bei der Implementierung künftiger Funktionen zusammenarbeiten, die es Benutzern ermöglichen, vom Design bis zum 3D-Druck einen durchgängigen additiven Arbeitsablauf zu nutzen.

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SOFTWARE

ANALYSIEREN UND OPTIMIEREN T E X T : SAM DAVIES

IN

Redwood City, Kalifornien, bringt ein Team von kreativen Köpfen die Mission eines der innovativsten Player der Branche voran. Carbon besteht erst seit dem Sommer 2014, doch das Unternehmen genießt schon jetzt eine deutliche Präsenz im Bereich additive Fertigung (AF). Das ist vielleicht weitgehend auf das Team von SoftwareSpezialisten unter Roy Goldmann zurückzuführen. Im vergangenen November brachte Carbon das 15. Update der Software auf den Markt, die die 3D-Drucksysteme des Unternehmens unterstützt. Diese Updates kommen alle sechs Wochen heraus und stellen den Eckpfeiler der Bemühungen von Carbon dar, seine Partner zu einer Fertigung zu bewegen, bei der das CLIP-Verfahren (Continuous Liquid Interface Production, digitale Lichtsynthese) im Mittelpunkt steht. In der Regel werden diese neuen Software-Versionen ohne Aufsehen veröffentlicht, doch die letzten Updates waren so bedeutend, dass sich Carbon veranlasst fühlte, sie groß anzukündigen. Die neueste Software wird nämlich durch Finite Element Analysis (FEA) unterstützt, eine Cloud-basierte rechnergestützte Funktion, die eine Simulation des Druckprozesses ermöglicht. Die Integration von FEA, einem renommierten Engineering Tool, das auf CLIP zuge-schnitten ist, befindet sich seit zwei Jahren in der Entwicklung. Das Tool versteht die Physik des Prozesses und die Kräfte, die während des Baus im Spiel sind; für den User bedeutet das, dass er mit Unterstützung von Carbon kniffligere Designänderungen durchführen kann. Der erste Zielbereich betraf die Erzeugung von automatischen Stützstrukturen, die den Erfolg von erstmaligen Drucken wahrscheinlicher machen können. Ein weiterer wichtiger Fokus zielt auf komplexe Gitterstrukturen, ein Bereich, von dem Goldman annimmt, dass die Software hier glänzen kann. Carbon möchte dafür sorgen, dass die Konstruktion von Gitterstrukturen einfacher wird. Dafür ist die Mithilfe des Kunden gefragt, der eine Kompression und eine Antwort liefern soll, in der er genau angibt, wie sich das Teil verhalten soll.

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Daraufhin ist die Software in der Lage, ihre Fähigkeiten voll auszuschöpfen und ein breites Spektrum an Gitterstrukturen zu simulieren und die ideale Struktur für die gewünschte Leistung zu empfehlen. „Nicht nur die Druckbarkeit zu simulieren, sondern das Verhalten dieser komplexen Gitterstrukturen zu simulieren: Das ist etwas, was unsere FEA meiner Meinung nach wirklich von einigen der bereits vorhandenen Tools abhebt“, erklärt Goldman, Softwareleiter bei Carbon. „Diese Welt der Gitterstrukturen ist neu und kompliziert, weil man in der Lage sein muss, sehr dünne Stützstrukturen zu simulieren, und noch dazu sehr viele in einem möglicherweise relativ kleinen Teil. Das kann herkömmliche Simulationstechniken vor eine große Herausforderung stellen.“ Laut Goldman war das unmittelbare Feedback enorm. Die Partner können die Bereiche mit hohen Belastungen in einer Entwurfsiteration, die durch rote Punkte gekennzeichnet sind, erkennen und bei Bedarf Winkel ändern oder Stützstrukturen hinzufügen. Dadurch entfällt die Notwendigkeit, dass man einen Entwurf drucken muss, um herauszufinden, ob das Teil gemäß seinen Anforderungen funktioniert, und es ergeben sich zudem Zeiteinsparungen und finanzielle Vorteile. Für Unternehmen wie Adidas und Incase, zwei Partner, die auf komplexe und individuelle Entwürfe angewiesen sind, bietet die Software willkommene Weiterentwicklungen. „Es ist sehr ähnlich wie die Optimierung auf Herstellbarkeit“, betont Goldman. Bei seinem Bemühen, die Partner in Richtung einer Fertigung mit 3D-Druck zu bewegen, hat Carbon die Notwendigkeit von umfassenden Simulationsfeatures und eines optimierten Workflows erkannt. Die in sechswöchigen Abständen veröffentlichten Updates erfolgen als Reaktion auf Kundenfeedback und stellen sicher, dass das das Know-how von Carbon auch den Partnern zur Verfügung steht, welche die Technologie ausschöpfen und nutzen. „Dieser Zug fährt immer weiter“, meint Goldman, „ und jede Version ist eine Mischung aus neuen und verbesserten Funktionen, die auf dem Feedback unserer Kunden basieren, sowie aus Fehlerkorrekturen. Es ist ein Prozess, bei dem nicht nur die Software umfangreicher wird, sondern letztendlich auch die Art und Weise, wie die Funktionsweise des Druckers durch die Software selbst gesteuert wird. Das Aufregende ist, dass sich die Hardware unserer Kunden nicht geändert hat, seit sie unsere Kunden geworden sind, sondern dass alleine die Software-Updates die Drucke besser, zuverlässiger und schneller machen.“


SOFTWARE

NÄCHSTER SCHRITT BEI DER STÜTZSTRUKTURERZEUGUNG

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ie Erzeugung von Stützstrukturen für 3D-DirektdruckMetallteile ist ein sehr wichtiger Prozess. Beim Aufbau komplexer Geometrien kann es extrem zeitaufwändig sein, dafür zu sorgen, dass die Teile einerseits ausreichend verankert und andererseits leicht zu entfernen sind. Belgiens führendes 3D-Druck-Unternehmen Materialise setzt sich seit einem Jahrzehnt anhand seines Programms e-Stage for Stereolithographie und DLP mit der Problematik der Stützstrukturerzeugung auseinander. Und nun erweitert es diese Fähigkeiten auf den Metallmarkt. Mit der Markteinführung ist Materialise das erste Unternehmen, das ein vollautomatisiertes Software-Produkt zur Schaffung von optimalen Stützstrukturen für SLM-Teile (Selective Laser Melting, selektives Laserschmelzen) aus Titan, Aluminium und Edelstahl anbietet. Die Software, e-Stage for Metal, wurde nach dem Erfolg des e-Stage Polymerprodukts zwei Jahre lang entwickelt und offiziell auf der formnext powered by TCT vorgestellt. e-Stage for Metal soll im Vergleich zur manuellen Stützstrukturerzeugung eine erhebliche Zeitersparnis bieten: Es soll beim Entfernen der Stützstrukturen um bis zu 50 % und bei der Teileveredelung um bis 20 % schneller sein und das Risiko menschlicher Fehler und Brüche verhindern. Zudem kann aufgrund der Rautenform der Stützstrukturen fast das gesamte Metallpulver, das sich zwischen den Stützstrukturen sammelt, zurückgewonnen werden, so dass der Verbrauch an Pulver viel geringer ist und potenzielle Gesundheitsrisiken minimiert werden. Ingo Uckelmann, Technischer Leiter 3D-Metalldruck bei Materialise Bremen, erklärt: „Die automatisierte Generierung von Metallstützstrukturen spart viel Zeit und ermöglicht unseren Ingenieuren, sich auf andere Aufgaben zu konzentrieren. Der Wegfall manueller Arbeit macht den Prozess viel zuverlässiger und effizienter, sodass wir wachsende Kundenanforderungen erfüllen können.“ Materialise setzt die Software intern bereits seit einiger Zeit ein und arbeitet mit etlichen Beta-Kunden zusammen. Einer dieser Kunden ist Airbus APWorks. Das Unternehmen druckt und testet Flugzeugbauteile, die mit e-Stage for Metal gefertigt wurden, und ist schon jetzt von den möglichen Einsparungen beim Pulververbrauch und bei der Nachbearbeitungszeit bei gleichzeitiger Wahrung der hohen Baustabilität überzeugt.

T E X T : LAURA GRIFFITHS

Ich sprach mit Koen Neutjens, Product Manager für Materialise e-Stage, auf dem Materialise Messestand auf der formnext. Er erklärte: „Am Anfang hatten sie natürlich einige Zweifel. Doch sobald sie die Software an einem anspruchsvollen Teil getestet und gesehen hatten, dass sie funktioniert, wandelte sich der Vorbehalt in Begeisterung, und sie wollten unbedingt weitere Tests durchführen und die Software in ihre Produktionsumgebung integrieren.“ Koen erklärte, wie in einigen Fällen die Zeit für die Stützstrukturerzeugung von ca. 90 Minuten auf wenige Sekunden verkürzt werden konnte. Als Beispiel diente eine Fallstudie von Volum-e, die die Software dazu verwendeten, bei einer in 3D-Metalldruck gefertigten Drone die Stützstrukturerzeugungszeit um 80 % zu reduzieren und die Zeit für die Stützstrukturenentfernung zu halbieren. Basierend auf seiner eigenen Bezeichnung als „Rückgrat der 3D-Druck-Branche“ und für einen weiteren Ausbau der Leistungsfähigkeit seiner Software verkündete Materialise kürzlich eine Vereinbarung mit der Simufact Engineering GmbH, einem Hersteller für Metall-AM-Prozesssimulationssoftware, die den Anwendern von Materialise Magics eine bessere Kontrolle über ihre Pre-Build-Prozesse verleihen soll. Materialise sucht bereits nach Wegen, wie sich dieses Simulationsprogramm in e-Stage integrieren lässt, um den Anwendern die Erzeugung von optimierten Teilen noch weiter zu erleichtern. „Es gibt noch einiges zu lernen. Man kann die Software zwar zum Generieren von Stützstrukturen nutzen, jedoch muss man bei einigen Teilen, vor allem bei größeren mit großem Querschnitt, möglicherweise einige zusätzliche Stützstrukturen zur Verankerung des Teils oder zur Wärmeableitung hinzufügen“, erläutert Koen. „Das Erste, was wir mit diesem [Simufact] Programm machen wollen, ist, es auf e-Stage anwenden, um es intelligenter zu machen.“ Für die ursprüngliche e-Stage Software gibt es noch immer regelmäßige Updates; einige sahen wir letztes Jahr auf der TCT Show in Materialise e-Stage 7.0, das SLA Support bietet und damit die Bauzeit und den Harzverbrauch um bis zu 50 % reduziert. Mit zusätzlichen Tools wie Automatisierung und Simulation werden die notwendigen, jedoch häufig vernachlässigten Pre- und Post-PrintPhasen des AF-Prozesses allmählich stärker optimiert, intelligenter und letztlich wesentlich einfacher.

„E-STAGE FOR METAL SOLL IM VERGLEICH ZUR MANUELLEN STÜTZSTRUKTURERZEUGUNG EINE ERHEBLICHE ZEITERSPARNIS BIETEN: BEIM ENTFERNEN DER STÜTZSTRUKTUREN UM BIS ZU 50 % UND BEI DER TEILEVEREDELUNG UM BIS 20 %.“

3E-STAGE FOR METAL

IST DAS ERSTE VOLLAUTOMATISCHE SOFTWARE-PRODUKT ZUR ERZEUGUNG VON STÜTZSTRUKTUREN FÜR SLM

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Gastbeitrag

INTEGRATION DES ADDITIVEN PULVERBETTVERFAHRENS IN DIE PRODUKTIONSPROZESSKETTE te x t : Ra l f L oe t tg e n , E x p e r te f ü r a d d i t i v e F e r t i g u n g b e i GF M ac h in in g S ol u tion s in Ip sac h, S c hw e i z

E

in Kernziel der strategischen Partnerschaft von GF Machining Solutions und der EOS GmbH besteht in der Integration des Pulverbettverfahrens in die Prozesse des Werkzeug- und Formenbaus sowie in die Fertigung von Einzel- und Serienkomponenten für industrielle Anwendungen. Abgesehen von einigen speziellen Ausnahmen ist die Integration in herkömmliche Prozessabläufe zur Vorbereitung und/oder weiteren Verarbeitung von additiv gefertigten Komponenten ein Aspekt, der nicht übersehen werden sollte.

DIE HERAUSFORDERUNGEN

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PROZESSKETTE IM WERKZEUG- UND FORMENBAU

Die Eigenart der Urformverfahren – das Pulverbettverfahren muss als solches betrachtet werden – besteht darin, dass sie normalerweise der tatsächlichen Produktionsprozesskette unmittelbar vorangehen und nicht Teil davon sind. Insbesondere fehlen häufig die Identität sowie die geometrische und physikalische Referenz einer einzelnen Komponente. Diese exakten Informationen sowie die physikalischen Eigenschaften sind jedoch Voraussetzungen für die typische Prozesskette im Werkzeug- und Formenbau (Abbildung 1). Die Kooperation zwischen GF Machining Solutions und der EOS GmbH war maßgeblich von dem Wunsch bestimmt, diese Lücke über alle Anwendungssegmente hinweg zu schließen. Auf den ersten Blick erscheint der notwendige Ansatz einfach, in der industriellen Praxis stellt er jedoch eine enorme potenzielle Produktivitätssteigerung für die gesamte Prozesskette dar. 4

4AM S 290

WERKZEUGMASCHINE – EINE KOLLABORATION ZWISCHEN GF MACHINING SOLUTIONS UND EOS

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Gastbeitrag

6 IM 3D-MODELL

ERZEUGTE UND HINZUGEFÜGTE REFERENZBEREICHE

DIE LÖSUNG

Während etablierte herkömmliche Fertigungsverfahren – insbesondere im Werkzeug-und Formenbau – auf einem Referenzsystem basieren, um aufeinander folgenden Fertigungsschritte ohne komplizierte Einrichtung oder Genauigkeitseinbußen miteinander zu verknüpfen, ist dies in der additiven Fertigung noch kein etablierter Standard. Kompatible Referenzsysteme in den Anlagen für das Pulverbettverfahren sind die große Ausnahme. Aktuell ist nur die AgieCharmilles AM S 290 Tooling standardmäßig mit einem voll integrierten System 3R MacroMagnum Referenzsystem ausgestattet. Ein Referenzsystem bietet z. B die folgenden erhebliche Vorteile bei typischen Problemen in der generativen Fertigung: • Obligatorische Ausrichtung der Bauplattform parallel zur Arbeitsebene (Nachbeschichterebene) ohne manuelles Nachstellen • Einspannen und Ausrichten von „Vorformen“ für HybridFormeinsätze1) ohne manuelles Nachstellen • Positionierung von auf der Bauplattform zu erzeugenden Komponenten in einer geometrisch definierten Position relativ zum Referenzsystem • Einfaches Einspannen und Ausrichten von Bauplattformen auf Funkenerosionsdrahtschneidemaschinen zum Trennen der im Pulverbettverfahren gefertigten Werkstücke • Nachrüstung der Bauplattformen beispielsweise durch Fräser oder Schleifer Die Einbindung des Referenzsystems ist nur der erste Schritt in Richtung einer nahtlosen Integration der additiven Fertigung in den industriellen Herstellungsprozess. Daher versucht GF Machining Solutions, die aktuellen Lücken auf mehreren Ebenen zu schließen. Das am leichtesten zu lösende Problem ist sicherzustellen, dass die Komponenten nicht einfach durch einen „Drag-und-Drop“Vorgang irgendwo im Arbeitsbereich platziert werden, sondern an einer geometrischen Position, die in der digitalen Prozesskette definiert wurde. Zu diesem Zweck ist die AgieCharmilles AM S 290 Tooling standardmäßig mit den erforderlichen SoftwareFunktionen ausgestattet. Ein schwerer zu lösendes Problem ist die digitale Integration des Pulverbettverfahrens in Werkstattmanagementsysteme, die von konventionellen, aufeinander folgenden Produktionsprozessen bestimmt werden. Im Pulverbettverfahren können jedoch

1) „Vorformen“ bezieht sich auf konventionell gefertigte, im Allgemeinen geometrisch einfache Teile eines Formeinsatzes, an den ein häufig komplexes geometrisches Teil mit Hilfe des Pulverbettverfahrens direkt befestigt wird. Der daraus resultierende Formeinsatz wird oft als „Hybrid-Formeinsatz“ bezeichnet.

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mehrere Komponenten gleichzeitig erzeugt werden, was erwünscht ist, um von der anschließenden Reduzierung der Fertigungsnebenzeiten zu profitieren. Dieser parallele Prozess stellt etablierte Werkstattmanagementsysteme allerdings vor eine Herausforderung, wenn es darum geht, den Status und die Identität von Komponenten zu verfolgen – eine Herausforderung, auf deren Lösung sich GF Machining Solutions mit seiner firmeneigenen Software System 3R WorkShopManager konzentriert. Keine geringere Herausforderung stellt die Tatsache dar, dass für das Pulverbettverfahren eine solide metallische Basis erforderlich ist, an welche die Komponente durch eine geschmolzene Metallschicht fixiert ist. Folglich benötigt man ein Trennverfahren (z. B. funkenerosives Drahtschneiden) für die Komponenten, die auf der Bauplattform erzeugt werden. Dieser Trennvorgang von der Bauplattform, der – je nach Komponentenund Prozesskonzeption – vor oder nach einer notwendigen Wärmebehandlung erfolgt, hat zur Folge, dass die Komponenten ihre physikalische und geometrische Position verlieren und in einer undefinierten Position irgendwo im Arbeitstank des Funkenerosionsdrahtschneidesystems landen. Dort müssen sie gesammelt und einzeln erneut eingespannt werden, um sie in herkömmlichen Fertigungsverfahren weiter zu bearbeiten, und ihre exakte geometrische Position muss wiederhergestellt werden. Durch Hinzufügen von Referenzflächen zum CAD-Modell in der Konstruktionsphase und ihren Bau während der Erzeugung der Komponente (Abbildung 2) lässt sich dieses Problem in vielen Fällen lösen. Diese Lösung ist jedoch nicht in allen Situationen zweckmäßig oder durchführbar. Hier schlägt GF Machining Solutions ein Konzept vor, das


Gastbeitrag

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KONZEPT 3R MASTERPAL/MINIPAL 3.1: 3R MASTERPAL 3.2: 3R MASTERPAL MIT EINER 3R MINIPAL 3.3: 3R MASTERPAL MIT 16 3R MINIPAL

aus einer Referenzplattform (3R MasterPal) und mehreren wiederverwertbaren komponentenspezifischen Minipallets (3R MiniPal; Abbildung 4) besteht. In diesem Konzept werden die Komponenten immer noch direkt auf der 3R MiniPal erzeugt; letztere wird jedoch durch eine lösbare Verbindung an der 3R MasterPal befestigt und mit Bezug auf das integrierte Spannfutter der AgieCharmilles AM S 290 Tooling mit Hilfe von Passstiften referenziert. Die Komponente, die durch additive Fertigung auf der 3R MiniPal erzeugt wird, lässt sich nun ganz einfach von der 3R MasterPal abtrennen und ggf. anschließend zusammen mit der 3R MiniPal wärmebehandeln. Danach kann die Komponente dank der mit ihr verbundenen 3R MiniPal wieder an Standardreferenzelementen (z. B. System 3R MacroHP) befestigt werden. Sie wird dadurch ausgerichtet und physikalisch in einer geometrischen Position fixiert, die für die restliche konventionelle Produktionsprozesskette ausreichend genau ist. Die Trennung der Komponente von der 3R MiniPal erfolgt entweder als letzter Schritt des Fräs- oder Drehvorgangs oder mit Hilfe von funkenerosivem Drahtschneiden. Dieser gesamte Prozess wird schematisch in Abbildung 4 dargestellt. Dieselbe Logik kann speziell im Werkzeug-und Formenbau zur Referenzierung von Vorformen oder Standardformplatten verwendet werden. Eine Berücksichtigung des Referenzlochmusters

auf der 3R MasterPal bei der Fertigung der Vorformen ermöglicht eine einfache Fixierung und beinhaltet zugleich die genaue Position relativ zum Referenzsystem der AgieCharmilles AM S 290 Tooling. Die Führung durch eine Koordinatenmessmaschine wird ebenfalls zum Standardprozess, da die Koordinatenmessmaschine und die AgieCharmilles AM S 290 Tooling dasselbe physikalische Referenzkonzept nutzen – das heißt, die gemessenen Koordinaten sind für die additive Fertigung übertragbar. Außerdem ist die 3R MasterPal kompatibel mit Standardformplatten von HASCO oder Meusburger. Das ist ein wesentlicher Vorteil bei der Direktfertigung von Formeinsätzen auf Standardformkomponenten; sie kann beispielsweise die Produktion von Formeinsätzen für Prototypen ganz erheblich beschleunigen.

SCHLUSSFOLGERUNG

Die Integration des Pulverbettverfahrens in die Produktionsprozesskette bereitet an verschiedenen Punkten physikalische und digitale Schnittstellenprobleme. GF Machining Solutions hat geeignete Lösungsansätze entwickelt, welche die speziellen Beschränkungen des Pulverbettverfahrens berücksichtigen und eine zweckmäßige, praxisorientierte Integration ermöglichen.

3.1

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5MÖGLICHE PROZESSKETTE BEIM EINSATZ VON 3R MASTERPAL/MINIPAL

3.3

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Grimms Kolumne

FRISCHER WIND WELLE DES WIDERSTANDS text: TO DD G R IM M

TODD GRIMM ist ein treuer Anhänger der additiven Fertigung und hat im Vertrieb einiger der größten Unternehmen der Branche gearbeitet. Derzeit ist Tood als AF-Berater für AMUG tätig.

tgrimm@tagrimm.com

M

it den Worten von Phil Collins: „I can feel it in the air tonight.“ Mein Gefühl sagt mir, 2018 könnte ein gutes, fortschrittliches Jahr und vielleicht sogar ein entscheidendes Jahr werden. Ich sage das ohne Berücksichtigung neuer Technologien und besserer Lösungen. Stattdessen beruht mein Gefühl auf veränderten Haltungen, Überzeugungen und Annahmen, im Grunde auf einer gewissen Stimmung. Teilnehmer und potenzielle Teilnehmer werden sich der Realitäten der additiven Fertigung (AF) bewusst. Doch der positive frische Wind, der uns vorantreibt, trifft auf eine Welle des unterbewussten Widerstands. Diese Veränderung wurde bei der formnext powered by TCT im November offenbar. Da war etwas in den Unterhaltungen, Benachrichtigungen und Erwartungen, das sich deutlich von den vergangenen Events unterschied. Die Besucher schienen echte, praktische Lösungen zu suchen anstatt Träumen hinterherzulaufen. Die Besucher, mit denen ich sprach, suchten kein Allheilmittel, und sie waren sich bewusst, dass AF eine Alternative mit sowohl eigenen Stärken als auch eigenen Schwächen darstellt. Es hat sich einfach echt angefühlt, um nicht zu sagen: pragmatisch. Es herrscht zwar noch immer eine Art Katerstimmung aus den Tagen des reinen Hypes, doch im Großen und Ganzen war die Situation viel ausgewogener. Ein Beweis für das sich wandelnde Umfeld kommt außerdem von immer weiter verbreiteten Einrichtungen: den Kundenschulungszentren der Gerätehersteller. Unlängst gab es Meldungen von ExOne und GE Additive über Anwenderzentren und ein internationales Kundenerfahrungszentrum. Diese Einrichtungen schließen sich denjenigen anderer Anbieter an, Ich nenne das einen Beweis, denn es bestätigt, dass AF – zumindest Metall-AF – keine einfache, leicht zu erlernende Lösung ist, die sich Anwender und potenzielle Anwender mal eben schnell „reinziehen“. Es beweist, dass es nicht funktioniert, die Auffassung zuzulassen, dass AF eine fertige Lösung ist, die mühelos umsetzbare Anwendungen findet. Die Anbieterseite hat sich eine pragmatische Haltung zu eigen gemacht, indem sie den Anwendern ermöglicht, praxisnah zu lernen, den Prozess auf eine Anwendung abzustimmen und Ressourcen von Drittfirmen für den Übergang zum internen Betrieb zu nutzen. Es gibt also eine positive Veränderung, doch die Schlacht ist noch lange nicht gewonnen. Jeder von uns wird unablässig daran arbeiten müssen, einen nebulösen Feind zu besiegen, einen Feind, der in den Köpfen der meisten lauert. Das ist die Welle des

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Widerstands, gegen die wir schwimmen. Der Feind ist ein altes Vorurteil zugunsten des Status Quo. Ich nenne es Tunnelblick. Der Tunnelblick kann die besten Absichten zunichte machen und eine hervorragende Anwendung zum Scheitern bringen, alleine dadurch, dass man die Vergangenheit über die Zukunft bestimmen lässt. Anstatt den Blick darauf zu erweitern, was machbar ist und welche Qualitäten vonnöten sind, wird das vorgefasste Urteil über die Möglichkeiten eines Nicht-AF-Prozesses nicht hinterfragt. So entsteht der Tunnelblick. Dieser erweist sich als unpassender Filter, durch den AF betrachtet wird. Die Prozesserwägungen, Produktionsqualitäten, Zeitbeschränkungen und Kostenfaktoren der vorherigen Lösung werden zur Grundlage für die Bewertung von AF. Außerdem kann der Tunnelblick das Erkennen von möglichen Chancen dahingehend beschränken, dass nur noch solche erkannt werden, die im Rahmen des Nicht-AF-Prozesses liegen. Da AF nach ganz eigenen Regeln abläuft und ganz andere Ergebnisse erbringt, blockiert dieser Tunnel häufig AFAnwendungen, unabhängig davon, wie viel für sie spricht. Etwas so Elementares wie eine unnötige, zu enge, globale Toleranz für eine Komponente kann AF ausbremsen. Um die Horizonte von AF zu erweitern, müssen wir diesen Feind, diese Voreingenommenheit, ans Licht zerren. Da es sich hierbei häufig um etwas Unterbewusstes handelt, besteht die wichtigste Maßnahme darin, ihn herauszulocken, indem man alles, was als Tatsache akzeptiert wird, hinterfragt und anzweifelt. Durch eine intelligente Fragestellung kann sich etwas, was als dringende Notwendigkeit gilt, als gutes, aber optionales Merkmal herausstellen. Durch Infragestellen und Neubewerten könnte sich der Tunnel so erweitern, dass er einem breiteren Spektrum an Spezifikationen Platz bietet. Ein Infragestellen könnte den Tunnel auch in eine andere Richtung ausrichten, so dass er auf tägliche Herausforderungen weist, die bisher ignoriert wurden, da sie durch Nicht-AF-Prozesse nicht zu bewältigen sind. Die Annahmen anderer in Frage zu stellen ist unerlässlich, doch sollten wir auch nsere eigenen Annahmen hinterfragen. Der Tunnelblick ist eine Falle, in die jeder von uns tappen kann. Er ist eine Falle, die unrealistische Barrieren schafft und uns vor unangebrachte Hindernisse stellt. Den Tunnel zu durchbrechen, um ein weiteres Blickfeld zu erhalten, ist nicht einfach, doch es ist nötig, damit AF in Ihrem Unternehmen von Erfolg gekrönt sein kann. Im Lauf der Zeit wird diese Welle des Widerstands von selbst verebben, doch wenn Sie bis dahin abwarten, werden Sie als Nachzügler hinter den Vorurteilslosen zurückfallen.


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