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Jacqueline Surer Im Grenzgebiet zwischen Realität und Virtualität Zum Internationalen Basler Figurentheaterfestival

IM GRENZGEBIET ZWISCHEN REALITÄT UND VIRTUALITÄT

Zum Internationalen Basler Figurentheaterfestival

Mit dem Thema „Körperwelten“ widmete sich das Basler Figurentheaterfestival (BAFF) einer hochaktuellen Diskussion. Mehrere Inszenierungen untersuchten die Frage, was einen realen Körper ausmacht.

Von Jacqueline Surer /// Die Corona-Pandemie hat die Auseinandersetzung mit unserer eigenen Körperlichkeit verändert. Wie gehen wir damit um, dass wir andere nicht mehr berühren sollen? Ist jemand, der nur virtuell anwesend ist, wirklich da? Diese Fragen wurden an der 11. Ausgabe des Basler Figurentheaterfestivals (BAFF!) vom 15. bis 19. September 2021 ausführlich untersucht. Die eingeladenen Inszenierungen, die rund um das Thema „Körperwelten“ gezeigt wurden, vereinigten ein breites Spektrum unterschiedlicher Kunstformen. Dieser transdisziplinäre Ansatz ist dem Festival-Leitungsteam um Kathrin Doppler und Marius Kob ein grosses Anliegen. Der Begriff des Figurentheaters wird am BAFF! bewusst ausgeweitet, indem auch andere Sparten Raum bekommen.

Hybrid aus Sound, Licht und VR-Trip Allgegenwärtig war insbesondere der Einsatz von Technik und was geschehen kann, wenn diese immer stärker in unser Leben eingreift. Die Frage nach der Notwendigkeit der physischen Präsenz wurde in „Presence“ (HK) besonders eindringlich gestellt. Körperlich in Hongkong, handelt der Künstler Royce Ng durch eine Performerin, die ihn vor Ort vertritt. Ist seine körperliche Anwesenheit nötig, damit er vor dem Publikum „präsent“ sein kann? Oder reicht dafür seine Stimme? Oder ein Abbild seines sprechenden Kopfes? Abschliessend beantworten konnte die Performance diese Frage nicht. Die tatsächliche „Präsenz“ des Künstlers blieb dafür zu vage. Die Zuschauer wurden trotzdem mit reichlich Gehirnfutter zurückgelassen: Was ist wirklich real? Werden wir das in Zukunft gar nicht mehr wissen können? Oder wissen wollen?

In „Virtual wombs“ von Anna Fries und Malu Peters (CH/NL) verschwammen die Grenzen zwischen Realität und Virtualität noch mehr. In diesem Hybrid aus Sound- und Lichtinstallation sowie einer Reise durch eine Virtual-Reality-Welt stand das Thema Schwangerschaft im Zentrum. Keine normale Schwangerschaft allerdings, sondern die fiktive eines männlichen Tänzers, der sich als realer Mensch immer wieder hautnah durch das Publikum bewegte. Eine eindringliche Inszenierung, die Genderrollen infrage stellte und geschickt zwischen Fiktion und Realität hin und her jonglierte.

Warnung oder Glücksfantasie? Eine im Vergleich klassische Inszenierung war „Ersatz“ des Collectifs Aïe Aïe (FR). Auch hier ging es um die Frage nach dem Einfluss der Technik auf den menschlichen Körper. Anders als in „Virtual wombs“ trug nicht das Publikum die VR-Brille, sondern der Puppenspieler (Julien Mellano) – mehr Cyborg als Mensch. Diese hatte er sich aus Karton zusammengebaut. Mit extrem reduzierten Mitteln nahm er die Zuschauer mit auf eine Reise in eine Science-Fiction-Welt, in deren Verlauf er auf verstörende Weise die Entstehungsgeschichte der Menschheit nachvollzog. Am Schluss endete die Reise sozusagen wieder am Anfang, anstatt eines Cyborgs sass ein Menschenaffe vor den Zuschauerrängen. Ob das als Warnung oder als Glücksfantasie einer besseren, unschuldigeren Zukunft zu verstehen war – diese Einordnung blieb dem Publikum überlassen. – www.figurentheaterfestival.ch

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