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beyond boarders

ENTSCHULDIGEN SIE, IST DAS DER SONDERZUG NACH PANKOW

GRENZGEDANKEN ICH MUSS MAL EBEN DAHIN, MAL EBEN NACH OST-BERLIN

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Eine Grenze, laut Definition der Rand eines Raumes und damit ein Trennwert, eine Trennlinie oder Trennfläche.

Grenzen trennen also. Menschen, Länder, Gedanken. Auch wenn sie uns beschränken, brauchen wir sie. Vor allem, um unsere Freiheit zu erkennen.

„Freiheit kann sich ohne Grenzen nicht entfalten. Schon allein deshalb, weil ein Mensch sich nur dann als frei erleben kann, wenn er den Unterschied zur Unfreiheit zu empfinden vermag. Jedes menschliche Streben nach Freiheit ist nur denkbar durch das Überwinden bestehender Grenzen.“ So sagte es der Philosoph Konrad Paul Liessmann in einem Interview mit dem Magazin brand eins. Eine Grenze wurde vor 30 Jahren überwunden. Die Berliner Mauer fiel am 9. November 1989 und einte, was Jahrzehnte getrennt war und nie getrennt hätte sein dürfen. Eine Mauer durch eine europäische Stadt, irgendwie kaum vorstellbar. Und doch gerade in Tagen wie diesen ein sehr populärer Gedanke.

Was bedeutete die Mauer in Berlin? Eine Grenze, von Menschen gezogen, die Familien, Freunden, Leben trennte und aus einer Welt zwei Welten machte. Plötzlich wurde aus einem Land – wenn auch durch den Zweiten Weltkrieg mehr als erschüttert –, das zusammengehörte, zwei zerrissene Teile, die nicht mehr zusammengehören sollten. Und diese Grenze war für die einen noch restriktiver und unverschiebbarer als für die anderen. Während man vom „Westen“ in den Osten reisen durfte, konnte man vom Osten nicht so einfach in den Westen hinüber. Sie wurde zu einer Grenze, die sich heute noch auf die Menschen und das Leben in Deutschland auswirkt. Auch ich kann mich an diese Zeit erinnern, ich war noch ein Kind. Wir fuhren mit dem Auto unsere Familie in Berlin besuchen. Im Westen. Als wir an der Grenze waren, wurde ich aufgeweckt von einem schwer bewaffneten Grenzbeamten, der kontrollieren wollte, ob ich auch tatsächlich das Kind bin, das im Pass meiner Mutter

vermerkt war. Das war im Jahr 1989, also im selben Jahr, in dem die Mauer wenig später fallen sollte. Obwohl ich noch keine fünf Jahre alt war, ist mir diese Erinnerung stark im Gedächtnis geblieben. Auch die Nervosität meiner Tante, einer Berlinerin, die niemals in den Osten fahren wollte. Sie hatte jedes Mal fast panische Angst, dass meine Eltern und ihr Bruder nicht mehr zurückkehren könnten von einem ihrer Abstecher auf die andere Seite der Mauer. Sie versuchte es vor uns Kindern nicht zu zeigen, aber wir merkten ihr an, dass etwas nicht stimmte. Damals beunruhigte es mich auch, obwohl mir natürlich die Tatsache, dass wir uns in einer geteilten Stadt befanden, nicht wirklich bewusst war. Später, als junger Teenager, mit ein bisschen mehr Verständnis um und Wissen über die damalige Zeit, aber mit großer Naivität, wünschte ich mir, alt genug gewesen zu sein, um diese Zeit noch direkter erlebt zu haben. Ich stellte es mir abenteuerlich und aufregend vor, in den Osten zu fahren, den Checkpoint Charlie zu passieren, in eine andere Welt einzutauchen und diese Menschen auf der anderen Seite der Mauer kennenzulernen. Damals war mir immer noch nicht klar, was diese Mauer für die Menschen bedeutete – und für die Geschichte eines ganzen Landes.

Die österreichische Fotografin Elfie Semotan begann als Model vor der Kamera, doch schon bald entdeckte sie ihre Leidenschaft für den Platz dahinter. Das machte sie zu einer der bekanntesten Fotografinnen, für die gute Modefotografie schon immer Kunstfotografie war.

aufgelöste

grenzen

Wie war es, als Sie das erste Mal nach Paris gekommen sind?

Das erste Mal Paris – mit dem Entschluss, auch dort zu bleiben – war aufregend! Denn ich wusste nicht, ob es überhaupt möglich ist, das Leben dort zu finanzieren. Ich bin in ein Hotel in der Nähe von Trocadéro gegangen und nahm dort ein Zimmer für eine Woche – denn genau so viel Geld hatte ich. Nach meiner Ankunft war es also wichtig, umgehend Arbeit zu finden. Dafür nahm ich mir ein Telefonbuch zur Hand und rief alle HauteCouture-Häuser in Paris der Reihe nach an und fragte, ob sie ein Mädchen zum Vorführen brauchen – es muss nur sofort sein. Das gelang mir auch, bei Lanvin. All das war natürlich extrem spannend für mich. Lanvin war – wie alle Modehäuser – auf der Rue du Faubourg Saint-Honoré. Ich war unglaublich beeindruckt, diese schönen Räumlichkeiten zu sehen, in denen Kundinnen saßen und ich herumgehen musste, um zu zeigen, wie ich vorführe. Alle Leute haben mich angesehen. Ich erinnere mich auch, dass Lanvin damals einen jungen spanischen Designer hatte, der unglaublich schnell und schön Spanisch gesprochen hat.

Warum haben Sie sich so schnell für die Perspektive hinter der Kamera entschieden?

So schnell habe ich mich gar nicht entschieden. Das hat ein paar Jahre gedauert. Denn so schnell konnte ich mich in Paris nicht etablieren – mit meinen nicht so guten Französischkenntnissen – und auch auf dem Markt als Fotomodel musste ich erst Fuß fassen. Als Idee gefiel mir der Platz hinter der Kamera immer schon besser. Es war aber damals noch eine Vorstellung, ein Gedanke. So richtig formulierte sich diese Idee erst aus, als ich John Cook kennenlernte, in der Dunkelkammer arbeitete, lernte, zu entwickeln und ein Gespür dafür bekam, wie man helle und dunkle Kleider, Räume und Formen fotografiert und wie man Dinge am besten darstellt. Ich habe einige Jahre lang fotografiert, selbst entwickelt und viel über die Qualität des Lichtes, der Filme und des Papiers gelernt. Über alles, was eine Rolle spielt.

Man sagt, Sie haben „die Grenzen zwischen Kunst- und Modefotografie aufgelöst“ und damit die Modefotografie neu erfunden.

Ich habe die Grenze zwischen Kunst- und Modefotografie schon sehr früh in meinem Kopf aufgelöst und für mich darauf bestanden, dass ich keine Grenze zwischen den beiden Bereichen ziehen werde. Ich bin der Meinung, dass da keine Grenzen sein müssen. Gute Modefotografie war immer Kunstfotografie. Diese Einordnung wurde ja stets nur von jenen Menschen formuliert, deren Arbeit nicht in der aktiven und praktischen Tätigkeit besteht, sondern die hinsehen und betrachten und dann auch beurteilen und einordnen.

Wie sehr war Ihnen in dem Moment bewusst, was Sie taten?

Es war mir bewusst, was ich gemacht habe. Es war mir auch bewusst, dass es im österreichischen Kontext der Kunst und im Kontext der Frage, was Kunst ist und was nicht, neu war, was ich machte. Hier hat man sehr genau zwischen Kunst- und Modefotografie bzw. Kunstfotografie und kommerzieller Fotografie unterschieden.

Welchem Antrieb sind Sie gefolgt?

Es war kein spezieller Antrieb, sondern der Antrieb, den man hat, wenn man arbeitet. Jede Arbeit, die man macht, sollte sich weiterentwickeln. Ebenso sollte sich jedes Ziel, das man hat, weiterentwickeln und man sollte sich davon entfernen, wo der Anfang lag – die Regeln, unter denen man sein Ziel kennengelernt hat, zurücklassen. Ich wollte mich von den gängigen Mustern der Modefotografie, dem Verbleiben im gleichen Milieu, der Betonung der klassischen Schönheit, entfernen. Ebenso von der Darstellung etablierter Schönheit im gesellschaftlichen Sinn, den Situationen, in denen Modefotografie gemacht wird und auch gefestigt ist – durch eine gewisse Klasse und einen gewissen Zugang, also die Darstellung eines luxuriösen Lebens. Genau das wollte ich nicht akzeptieren und tat es ohnehin nicht – in meinem eigenen Leben nicht und auch in der Modefotografie nicht.

Warum müssen Grenzen erweitert und gebrochen werden?

Das muss man immer, sonst gibt es keine Entwicklung und keinen Fortschritt.

Kann man das heute noch?

Ja klar, das kann man immer – und wenn man meint, es nicht zu können, muss man es trotzdem tun.

ALL DIE GANZEN SCHLAGERAFFEN DÜRFEN DA SINGEN DÜRFEN IHREN GANZEN SCHROTT ZUM VORTRAGE BRINGEN

NUR DER KLEINE UDO, NUR DER KLEINE UDO DER DARF DAS NICHT, UND DAS VERSTEHEN WIR NICHT

ICH WEISS GENAU, ICH HABE FURCHTBAR VIELE FREUNDE IN DER DDR UND STÜNDLICH WERDEN ES MEHR OCH, ERICH EY, BIST DU DENN WIRKLICH SO EIN STURER SCHRAT WARUM LÄSST DU MICH NICHT SINGEN IM ARBEITERUND BAUERNSTAAT?

Doch wir wollen hier nicht nur über das trennende Element sprechen. Werden Grenzen überwunden, dann zeigt sich das Verbindende zwischen zwei Dingen. Plötzlich findet eine Annäherung statt. Wenn wir reisen und dabei Grenzen überschreiten, dann sehen wir, was uns vielleicht von einer anderen Kultur trennt, aber wir erkennen auch, was uns eint. Und indem wir uns öffnen und anderes kennenlernen, nähern wir uns an. Mit dem Namen der Fotografin Elfie Semotan wird sehr oft ihr erfolgreiches Streben genannt, die Grenzen zwischen Kunst- und Modefotografie mit ihrer Arbeit aufzulösen. Sie hat damit zwei Disziplinen miteinander verbunden, die in den Köpfen vieler Menschen wenig miteinander zu tun hatten. Oder der US-amerikanische Schriftsteller und Journalist Hunter S. Thompson, der mit einer einzigen „Story“ die Grenze zwischen Journalismus und Literatur aufhob und mit „Gonzo“ ein völlig neues Genre begründete. Mit exzessivem Drogenkonsum und selbst provoziertem Chaos wurde der Gonzo-Stil für ihn zu einem „professionellen Amoklauf“, der den meisten wohl durch den Film „Fear and Loathing in Las Vegas“ mit Johnny Depp als Thompson in Erinnerung geblieben

ist. Als einen Nachfolger könnte man den deutschen Autor und Journalisten Helge Timmerberg bezeichnen, dessen Reisegeschichten zu den unterhaltsamsten zählen. Sportler überschreiten in Wettkämpfen regelmäßig körperliche Grenzen. Kürzlich hat der Läufer Eliud Kipchoge die Demarkationslinie von zwei Stunden bei einem Marathon unterboten. Der Kenianer lief in Wien die Rekordzeit von 1:59:40 Stunden für die klassische 42,195 km-Strecke. Auf die Frage, warum er das unbedingt schaffen wollte, antwortete er: „Ich wollte die Menschen inspirieren. Ich habe gezeigt, dass kein Mensch ein Limit hat.“ Grenzen entstehen im Kopf, Grenzen sind von Menschen gemacht. So schließen wir den Text, wie wir ihn begonnen haben, mit einem Zitat von Konrad Paul Liessmann: „Ohne Grenzen wäre nichts wahrnehmbar. Sie sind die Voraussetzung jeder menschlichen Erkenntnis. Denn jede Erkenntnis beginnt mit einem entscheidenden Akt: zu verstehen, dieses ist nicht jenes. Aber, und das gehört zu jeder Grenzerfahrung: Man kann auch falsche Unterscheidungen treffen. Nicht die Grenze ist das Problem, sondern ob diese Grenze an dieser Stelle sinnvoll und notwendig ist.“ Über die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von Grenzen sollten wir also niemals aufhören, nachzudenken.

HONEY, ICH GLAUB’, DU BIST DOCH EIGENTLICH AUCH GANZ LOCKER ICH WEISS, TIEF IN DIR DRIN, BIST DU EIGENTLICH AUCH’N ROCKER DU ZIEHST DIR DOCH HEIMLICH AUCH GERNE MAL DIE LEDERJACKE AN UND SCHLIESST DICH EIN AUF’M KLO UND HÖRST WEST-RADIO

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