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Die Kemenate in Orlamünde
Fortsetzung der Serie: Das Landratsamt Saale-Holzland-Kreis stellt vor Die Kemenate in Orlamünde
Neben der über 800jährigen Kirche St. Marien, erhaben auf dem schmalen Ausläufer eines Bergrückens hoch über der Saale, steht die Kemenate. Sie blieb einzig von einer mittelalterlichen Burganlage der Grafen von Weimar-Orlamünde erhalten. Mit Blick auf die damalige Saalefurt beherrschten von hier die Burgherren den wichtigen Knotenpunkt der Handelsstraße, die Thüringen mit Böhmen, Gotha mit Altenburg und Leipzig mit Nürnberg verband. Das gut erhaltene romanische Burggebäude gilt als das älteste Thüringens, erbaut um 1150. Der ursprüngliche Eingang befand sich an der Ostseite in etwa 8 Metern Höhe und führte in den dritten Stock, den – wie den vierten – die Burgherren bewohnten. Einst üblicher Schutz gegen feindselige Eindringlinge. In den Wohnetagen finden sich noch die Rauchabzüge der Kamine des „Warmhauses“, die dem Bau den Namen „Caminata“ gaben, und die Aborterker. Die wuchtigen Deckenbalken aus mit der Axt zugehauenen Weißtannen zwischen den sechs Geschossen stammen aus der Zeit um 1425. Vermutlich befestigte damals Friedrich der Streitbare, Kurfürst zu Sachsen, die Burg wegen der Kriegszüge der Hussiten, die auf dem Zug nach Sachsen in Thüringen marodierten. Die oberen Geschosse dienten als Militärdepot und Lagerraum. Bis 1840 noch als „Fruchtböden“, u. a. zur Lagerung des Zinsgetreides. Nach der Novemberrevolution fiel die Kemenate an das Land Thüringen, das sie 1920 der Stadt Orlamünde überließ. Genutzt als Turnhalle, als Lager für Schott und die pharmazeutische Störreserve des Kreises Jena-Land, für die Penicillin-Forschung und als Möbel- und Apfellager. 1978 nahmen junge Leute die Kemenate in Besitz und gründete nach einem gelungenen Burgfest den FDJ-Jugendklub „Kemenate“. In unzähligen freiwilligen Arbeitsstunden entsorgten sie Schutt und Gerümpel und gestalteten mit Hilfe der Stadt das Objekt zu ihrem Jugendzentrum. Unter dem Dach des Kulturbundes gründeten 1982 Heimatfreunde den „Freundeskreis Kemenate“. Theater, Musik und Tanz, Burgfeste und Möglichkeiten sinnvoller Freizeitgestaltung zogen nun Jung und Alt auf den Berg. Als 1994 die Orlamünder das 800jährige ihrer Kirche feierten, mit Stadtfest und Aufsehen erregendem historischen Umzug, besannen sie sich ihres Erbes und ihrer Tatkraft, nutzten den Schwung des Erfolges zur Gründung des Orlamünder Burgvereins, diesmal unter dem Dach des Thüringer Landfrauenverbands. Seither dient der einstige „Rittersaal“ im ersten Obergeschoss vielerlei Veranstaltungen – Vortragsabenden, Konzerten und privaten Festlichkeiten im mittelalterlichen Flair. In den vier darüber liegenden Geschossen nebst Dachboden richtete der Verein, wiederum in unzähligen ehrenamtlich geleisteten Arbeitsstunden und eigenen Mitteln, zunächst auch unterstützt von Freistaat, Denkmalschutz und E.on, ein Museum zur geschichtlichen Entwicklung der Stadt und ihrer Umgebung, würdigt Handwerk, Industrie, erinnert an Persönlichkeiten wie Luther-Kontrahent Karlstadt und die Maler Alfred und Gerhard Sporleder und vermittelt einen lebendigen Einblick, wie und wovon die „alten Orlamünder*innen“ lebten. Durch die Räume der Kemenate geistert indessen die „Weiße Frau“, der ruhelose Geist der Gräfin Kunigunde. Die Witwe Ottos VII. liebte Albrecht den Schönen, einen Hohenzollern-Vorfahren, für den seine Eltern aber Sophia von Henneberg bereithielten. „Wenn vier Augen nicht wären …, so Albrecht, hätte er sie erhört. Blind vor Leidenschaft ließ sie ihre beiden Kinder töten, im Wahn, er meinte diese. Er aber meinte seine Eltern. Zur Buße rutschte sie auf Knien zum Kloster Himmelsthron, wo sie begraben liegt.“ So die Legende bei Ludwig Bechstein. Doch die schaurige Tat geschah nie – Kunigunde war kinderlos. Auch Ängstliche können sich also auf dem Walpurgisfest (30.04.) oder auf dem Burgfest (1. So. im August) unbeschwert tummeln. Sofern Corona nicht umhergeistert. Wilhelm Schaffer Hausberg 29 | 07768 Orlamünde | Telefon 036423 / 60444 / 60209 16 TiPs Das MAGAZIN Jena+Saaleland