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Ich wollte immer nur spielen.
Das Lebenswerk der Keramikerin
Ulli Wittich-Großkurth
Die Sonderausstellung im Stadtmuseum Jena zeigt Werke der Jenaer Künstlerin aus über 70 Jahren Schaffenszeit.
Ulli Wittich-Großkurth (*1932) ist eine Grande Dame der Keramik. Über Jahrzehnte ist ihr umfangreiches Œuvre entstanden, das große plastische Installationen ebenso umfasst wie Gebrauchsgeschirr. Ihre keramischen Gefäße und Objekte wurden auf vielen nationalen Ausstellungen gezeigt. Über die Landesgrenzen hinaus wurde Ulli Wittich-Großkurth durch mehrere Diplome auf den internationalen Weltausstellungen für Keramik in Faenza/ Italien bekannt. 1973 erhielt ihr Schaffen einen starken Impuls durch die Teilnahme am Keramiksymposium in Siklós/Ungarn, auf dem sich Keramiker aus Ost und West trafen. Diese sechs Wochen wurden für sie zu einer Offenbarung: „Ich bin förmlich explodiert. Zum ersten Mal habe ich Wickeldekore angefertigt und an aufbrechenden Formen gearbeitet“, so Ulli Wittich-Großkurth. Mit der Lösung von der funktionsbezogenen Gebrauchsform wurde sie zur freien Künstlerin. Zwei Jahre danach startete das I. Internationale Keramiksymposium der DDR in Römhild mit Ulli Wittich-Großkurth, die zu den Auserwählten gehörte. Neben dem Austausch bot dieser Workshop die Möglichkeit, neue Techniken und Materialien zu erproben. Die Keramikerin wagte sich danach mit großformatigen Arbeiten in den Bereich der architekturbezogenen Kunst vor. Zu ihren größten Werken zählen eine Keramikwand im ehemaligen Klinikum für Innere Medizin der Friedrich-Schiller-Universität (abgebaut) und eine Baumlandschaft, die heute in der chinesischen Botschaft in Berlin zu finden ist. Ihre Experimentierlust und die Liebe zur Keramik halten bis heute an.
Begleitprogramm
09.07.2023, 14 Uhr: Öffentliche Führung durch die Sonderausstellung
20.07.2023, 19 Uhr: Kuratorinnenführung mit Doris Weilandt
20.08.2023, 14 Uhr: Öffentliche Führung durch die Sonderausstellung
Jens Rötzsch, Pfingsttreffen der FDJ, Showtänzerinnen, Berlin/Ost, 1989 ©Jens Rötzsch
Es ist kein Geheimnis: Kunst aus dem Osten hat es schwer, bis heute. Seit 1990 ist der Westen Deutschlands das dominante Referenzsystem, der Wertmaßstab, aus dessen Blickwinkel die Ausnahme, der Osten, gedeutet und erklärt wird. Dennoch gibt es Veränderungen, neue Gemeinsamkeiten und nach mehreren Jahrzehnten ist auch im Osten der Blick auf die eigene Geschichte unbefangener, offener und deutlich neugieriger geworden. Zunehmend entwickelt sich ein waches Interesse für das Leben, Denken und das Zusammenleben in einer Gesellschaft, die sich auch im Rückblick auf die eigene Geschichte neu erfindet und begreift.
Die Ausstellung „Der große Schwof. Feste feiern im Osten“ untersucht den Osten mit künstlerischen Mitteln in zumeist nichtkünstlerischen Bereichen. Es geht um etwas ganz Essenzielles, um etwas, dass in geschlossenen Gesellschaften eine hohe Relevanz besitzt: Es geht um Feste und um die Art und Weise diese zu feiern! Und die Bilder zeigen es: Jeder Anlass wurde genutzt – geplant oder spontan, mit etwas Alkohol wurde der Alltag schnell deutlich freundlicher!
Gezeigt werden rund 300 Fotografien von 31 Künstlerinnen und Künstlern, die dieses privat und öffentlich so gewichtige Thema bis in die Zeit der Wende darstellen und hinterfragen. Die Kapitel sind verrückt, langweilig, von außerordentlicher Schönheit oder so stumpf wie ein normierter Alltag nur sein kann. Sie sind so heterogen wie das Leben und die Lebenserfahrungen in diesem untergegangenen Land waren.
Die Themen der Ausstellung reichen von handfesten Dorffesten bis zu den Partys der Bohème im Prenzlauer Berg, von Punkkonzerten bis zu Männertags-Ausflügen, von Turnfesten bis zu spontanen Kneipenfesten und von legendären Miss-Wahlen bis zu Betriebsfesten. Das Leben war ein Fest oder besser: Das Fest war notwendig, um das Leben zu ertragen. Fragt man Menschen nach ihrem geselligen Leben in der DDR, geht fast immer ein Leuchten über ihre Gesichter. Viele erzählen gern von genau diesen Erinnerungen, von ungezwungenen Gemeinsamkeiten an ein Miteinander jenseits der offiziellen Normen und politischer Vorgaben. Feiern, Tanzen, Trinken: Zu allen Zeiten galt„Schwofen“ als willkommenes Ventil für aufgestaute Energien, die aus dem Diktat von Meinungen, Redeverboten, Diskreditierungen und einer Bevorteilung opportunistischer Verhaltensweisen erwachsen sind. Es ist kein Geheimnis, dass eine jede Gesellschaft ihre innere Verfasstheit besonders deutlich über ihre spezifische Art des Feierns ausdrückt. Die Ausstellung versucht dies am Beispiel der DDR erstmals darzustellen und zeigt dabei jenseits aller Klischees vom grauen Osten und tagtäglicher Überwachung ein höchst überraschendes Stück Alltagskultur – lebendig, bunt und vielfältig.
Sammlung