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Judith Krämer

Gender und Schule – nicht nur ein Thema im Zusammenhang mit muslimischen Schülerinnen und Schülern Zur Relevanz von Genderstudies in der Schule

ZGS Arbeitspapier 2/2007


Angaben zur Autorin: Judith Krämer hat an der Universität Bremen (Politikwissenschaften, Kunstwissenschaften und Erziehungswissenschaften) und an der University of Bradford (Genderstudies) studiert. Im Juli 2006 absolvierte sie ihr Erstes Staatsexamen. Die Autorin ist seit mehreren Jahren in der außerschulischen politischen Bildungsarbeit in dem Bereich der antirassistischen und der geschlechtssensiblen Pädagogik und in der MultiplikatorInnenfortbildung tätig. Seit September 2007 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit dem Schwerpunkt Genderkompetenz im Fachbereich Erwachsenenbildung an der Universität Bremen.

Hrsg.: Zentrum Gender Studies (ZGS) Universität Bremen Grazer Str. 8 D-28359 Bremen Tel.: 0421/218-9375 Fax: 0421/218-2522 E-mail: zgs@uni-bremen.de http://www.zgs.uni-bremen.de Bremen, November 2007

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Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung ..................................................................................................5 1

Ausgangsfrage(n) ...........................................................................................6

2

Übersicht über den Forschungsstand ...............................................................8 2.1

Paradigmen der Geschlechterforschung...................................................8

2.2

Genderstudies in der Schulforschung ....................................................11

2.3

Geschlechterforschung und Politische Bildung........................................13

3

Anlage der Studie .........................................................................................17

4

Darstellung und Interpretation der Ergebnisse................................................19 4.2

Genderwissen der Befragten.................................................................19

4.1.1 Sprache und Geschlechtssensibilität ...........................................19 4.1.2 Begriffliches Verständnis des Geschlechterverhältnisses ..............21 4.1.3 Feminismus ..............................................................................22 4.3

Relevanz von Geschlechterthemen in der Politischen Bildung..................25

4.4

Die Rolle von Geschlechterdifferenzen im Schulalltag .............................27

4.3.1 Inkonsistente Wahrnehmung der Lehrperson ..............................27 4.3.2 Mädchen und Jungen sind nicht interessiert an Politik .................29 4.3.3 Implizite Ansätze einer geschlechtssensiblen Pädagogik ..............30 4.3.4 Bedeutung der Geschlechtszugehörigkeit der Lehrpersonen in der Schule ............................................................................31 4.3.5 Geschlechterdifferenzen im Kollegium ........................................33 4.5

Verquickung der Kategorie Geschlecht mit anderen Differenzlinien – insbesondere mit Religion/Migration...................................................35

4.6 5

Hinderungsgründe für Geschlechterreflexion..........................................39

Fazit ............................................................................................................40

3


6

Quellenverzeichnis........................................................................................45 6.2

Literatur ..............................................................................................45

6.3

Webseiten ...........................................................................................48

4


Zusammenfassung Der Beitrag stellt die Ergebnisse einer empirisch-qualitativen Studie vor, in der sechs Lehrpersonen zu ihrer Wahrnehmung der schulischen Realität des Geschlechterverhältnisses befragt wurden. In der Studie standen die Fragen im Mittelpunkt, inwieweit Wissen über feministische Theorien bzw. Geschlechtertheorien in den Haltungen und Einstellungen von Lehrpersonen integriert sind und welche Positionen sie diesem Wissen gegenüber einnehmen. Es wurden Lehrpersonen ausgewählt, die das Fach Gemeinschaftskunde in Bremen lehren, da dieses Schulfach für das politische Lernen in der Schule und somit auch für die Vermittlung von Kenntnissen zu Geschlechterverhältnissen prädestiniert ist. In dem vorliegenden Text wird zuerst ein ausführlicher Überblick über die theoretische Entwicklung von Genderstudies und der darin entwickelten Paradigmen für die Schulforschung sowie über die Rezeption der Kategorie Geschlecht in der politischen Bildung und der Politikdidaktik gegeben. Danach werden der Aufbau und die zentralen Ergebnisse der Studie dargestellt. Zentrales Ergebnis ist, dass Theorien der Genderstudies und die Bedeutung des Wortes Gender bei den Befragten überwiegend unbekannt sind. Es zeigte sich, dass aktuelle Ergebnisse und Debatten der Genderstudies in der pädagogischen Praxis der Interviewten derzeit nicht relevant sind, obwohl sie es ihrem eigenen Anspruch nach sowie nach dem der Rahmenlehrpläne und des Grundgesetzes eigentlich sein müssten. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Geschlechterdifferenzen in der Schule werden fast ausschließlich bei Schülern und Schülerinnen mit Migrationshintergrund (insbesondere bei Muslimen und Muslimas) problematisiert. Mit der Reduzierung der Genderthematik auf den Aspekt der Migration vermeiden die Lehrenden jedoch eine Verknüpfung mit feministischen Ideen und Theorien. Die vorliegende Studie erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität. Da die Erforschung der Gender-Wahrnehmung und des Gender-Bewusstseins von Lehrpersonen jedoch bisher noch eine Forschungslücke darstellt, entwickelt sie Kategorien für die weitere Forschung und zeigt weiteren Forschungsbedarf auf. Diese beziehen sich vor allem auf die Frage nach der Rolle folgender Kategorien für das Wissen und die Einstellung zu Geschlechterfragen von Lehrerinnen und Lehrern: das Erbe traditioneller Diskurse und differenztheoretischer Strömungen, eine gesellschaftliche Gleichheitsrhetorik bzw. ein Ungleichheitstabu, Fort- und Ausbildung von Lehrpersonal sowie deren hohe zeitliche und mentale Belastung im Schulalltag.

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Ausgangsfrage(n) „Gender is a social system that divides power. It is therefore a political system” (MacKinnon 1998: 160, zit. i. Krause 2003: 47).

„Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass die Gesetze, die über das Verhältnis der Geschlechter bestimmen, den Kern jeder Gemeinschaftsordnung bilden (…).“ (Braun/Stephan 2000: 11f.).

In der Schulsoziologie werden unter den vier zentralen Aufgaben von Schule ihre demokratisierende, d.h. Normen vermittelnde Funktion, und ihre den Staat legitimierende Funktion genannt, d.h. die Funktion der Rechtfertigung und Stärkung der bestehenden Gesellschaftsordnung (vgl. Braun/Wetzel 2001: 376f., Brockhaus 1995: 499).1 Vor dem Hintergrund des Gleichberechtigungsgrundsatzes, der seit 1949 als Artikel in der Verfassung der BRD verankert ist, und des seit 1994 beigefügten Zusatzes2, sowie vor dem Hintergrund der fortbestehenden ökonomischen und sozialen Ungleichheit (vgl. Kaschuba 2005: 9), wäre davon auszugehen, dass die Thematisierung von Geschlechterhierarchie und das Streben nach ihrer Aufhebung ein wesentliches strukturierendes Moment der schulischen Bildungsinhalte und Interaktionen ist. Ein Blick in die schulischen Lehr- und Bildungspläne unterstützt diese Vermutung.3 In den Pädagogischen Leitideen für die Sekundarstufe I im Land Bremen heißt es unter den Bildungs- und Erziehungszielen4:

„Unterricht und Erziehung in der Sekundarstufe I sind den Zielen des Grundgesetzes und der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen verpflichtet. (…) Im Spannungsfeld von Individuation und Sozialisation werden Mädchen und Jungen ermutigt, ihre Persönlichkeit kreativ und in kritischer Distanz zu Stereotypen bzw. Klischees zu entwickeln“ (6). Der Politikunterricht, auch Gemeinschaftskundeunterricht oder Sozialkunde genannt, zählt in der Schule, neben den Mitbestimmungsgremien wie Klassen- und Schü-

1 Als erste wird die Qualifikations- und als zweite die Selektionsfunktion genannt. 2 „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“ (GG, Art. 2, Abs. 3). 3 Die Rahmenpläne und Lehrpläne anderer Bundesländer (z.B. Schluss 2003) bestätigen Analogien zu den im Folgenden genannten Auszügen. 4 http://lehrplan.bremen.de/sek1/paedLeit (24.10.2007).

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ler_innenvertretung5, zu den Orten, die für das politische Lernen prädestiniert sind. Seiner offiziellen Bestimmung nach gilt er daher auch als Raum, in dem begriffliche Kenntnisse und Hintergründe der Geschlechterverhältnisse vermittelt werden. So formuliert der Rahmenplan6 des Landes Bremen aus dem Jahr 2004 als ein Ziel des Faches:

„Die Schüler und Schülerinnen können den Weg zur rechtlichen Gleichstellung der Geschlechter wiedergeben und die Probleme der Gleichberechtigung von Mann und Frau definieren“ (40). Persönliche Erfahrungen in der schulischen- und außerschulischen politischen Bildungsarbeit sowie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Ergebnissen von Genderstudies im Allgemeinen und der schulbezogenen bzw. die Politikdidaktik betreffenden Geschlechterforschung im Besonderen, zeigen Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieser Ansprüche auf und kontrastieren diese normativen Sätze mit einer empirischen Realität. Faulstich-Wieland (2003: 136) führt an, dass sich insbesondere die Einstellung der Lehrpersonen als eine wichtige Variable für den Erfolg von Maßnahmen der Reflexiven Koedukation7 herausgestellt hat. Die Sensibilität der Lehrer_innen und ihr Wille sind ausschlaggebend für den Erfolg von geschlechtssensibilisierenden Unterrichtsmaßnahmen (ebd.). Mich interessiert deshalb die Wahrnehmung der schulischen Realität des Geschlechterverhältnisses durch die Lehrpersonen. Wie weit ist das Wissen um feministische Theorien bzw. Geschlechtertheorien, das durch die Genderstudies8 (vermittelt über Populärwissenschaft und Medien oder über Bildungsmaßnahmen, z.B. im Zuge von Gender Mainstreaming) in die Gesellschaft wirkt, in den Haltungen und Einstellungen von Lehrpersonen integriert? Welche Positionen nehmen die Lehrerinnen und Lehrer diesem Wissen gegenüber ein? Diese Fragen wurden in dieser Studie anhand von qualitativen, teilstandardisierten Interviews untersucht, da diese Methode es ermöglichte, Thesen über die Wahrneh-

5 Ich verwende in meinem Text das ‚Unterstrich_i’ (Schüler_innen). Dies ist eine relativ neue und bislang noch nicht weit verbreitete Schreibweise, die Ende der 1990er Jahre durch Teile der Queer- und Transgenderbewegung eingeführt wurde. Der leere Raum zwischen der weiblichen und der männlichen Endung macht auf die Existenz von mehr als nur zwei Geschlechtern aufmerksam. In der Aussprache ist es genauso zu handhaben wie das Binnen-I (SchülerInnen). 6 http://lehrplan.bremen.de/sek1/wug/rahmenplan (27.01.2006). 7 Reflexive Koedukation meint das gemeinsame, jedoch geschlechtersensible, Unterrichten von Jungen und Mädchen. 8 Zu den Genderstudies zählen sowohl die theoretischen Gebäude und Begriffssysteme als auch die empirische Forschung.

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mung von Geschlechterfragen durch Lehrpersonen respektive über den aktuellen Stand der reflexiven Koedukation zu formulieren. Dies war notwendig, da die Forschung an und mit Lehrer_innen bislang nicht zu den zentralen Forschungsgebieten und Methoden zählt. Nach wie vor fehlt eine stärkere Fokussierung auf den genuin schulischen Prozess, d.h. den Einbezug des Unterrichts und damit auch der Lehrkräfte (vgl. Faulstich-Wieland 2003: 136f.). Der Politikunterricht gilt, wie bereits angeführt, als der Ort in der Schule, an dem das Verstehen der Geschlechterverhältnisse explizit gefördert und gleichberechtigte Partizipation gelernt werden sollen. Politik- und Gemeinschaftskundelehrer_innen wurden für diese Studie ausgewählt, weil die Vermutung besteht, dass gerade diese aufgrund ihrer Profession die geeigneten Expert_innen auf dem Gebiet ‚Geschlechterverhältnisse an der Schule’ sein könnten oder zumindest einen spezifischen Blick auf sie haben. Dies steht im Spannungsverhältnis dazu, dass die Politikwissenschaft und die Politische Bildung, noch ausgeprägter als andere Disziplinen, lange Zeit als resistent bzw. ‚neutral’ gegenüber der Kategorie ‚Geschlecht’ galten. Dies gilt in großen Teilen noch heute. Im Vergleich dazu öffneten sich andere Fachwissenschaften und didaktiken schon erheblich früher für die Geschlechterproblematik (Oechsle/Wetterau 2000: 9-13). Bevor ich die Anlage und Ergebnisse der Studie vorstelle, gebe ich jedoch zuerst einen relativ ausführlichen Überblick über den relevanten Forschungsstand, um den theoretischen Kontext der Studie zu verdeutlichen und die Lücke aufzuzeigen, die die genderspezifische Analyse von Lehrpersonal bisher noch darstellt.

2

Übersicht über den Forschungsstand

2.1

Paradigmen der Geschlechterforschung

Um die Wahrnehmung und das Wissen von Politiklehrer_innen hinsichtlich der Kategorie Geschlecht untersuchen zu können und um festzustellen, ob diese sich auf Geschlechterdiskurse beziehen, ist es bedeutsam, sich auf einige Schlaglichter und Entwicklungen innerhalb dieser Diskurse zu berufen. Im Folgenden werde ich die zentralen Ansätze in der Geschlechterforschung und den darin vollzogenen theoretischen Paradigmenwechsel skizzieren, um den Kontext

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und den theoretischen Hintergrund der Interviews zu verdeutlichen. Allerdings kann hier aufgrund des Rahmens des Artikels keine differenzierte Darstellung erfolgen. An dieser Stelle sei auf die gängige einführenden Literatur verwiesen (z.B. Krause 2003, Faulstich-Wieland 2003, Becker-Schmidt/Knapp 2000). Das Gebiet der Genderschulforschung verbindet theoretische feministische Ansätze mit pädagogischer Praxisforschung. Da es sich bei den Interviewten um Politiklehrer_innen handelt, wird ein besonderer inhaltlicher Bezug zur Disziplin der politischen Bildung und der Politikdidaktik vermutet. Aus diesem Grund wird anschließend der aktuelle Forschungsstand hinsichtlich der Kategorie Geschlecht in der politischen Bildung erläutert. Die Erkenntnisse der Geschlechterforschung, um deren Rezeption durch Politiklehrer_innen es im zweiten Teil gehen wird, lassen sich ihren Grundannahmen nach durch drei verschiedene Paradigmen umschreiben: Gleichheitsparadigma, Differenzparadigma und Dekonstruktionsparadigma (vgl. Dingler/Frey 2002: 141-156). Auch für pädagogische und politische Praxen sind diese Paradigmen folgenreich. Das Gleichheitsparadigma gilt als der erste und älteste Ansatz. Darin wird von der prinzipiellen Gleichheit von Männern und Frauen ausgegangen. Seine Wurzeln liegen in der liberalen Vertragstheorie, die allen Menschen auf Grundlage ihrer Vernunftbegabung und unabhängig von ihrer Geschlechtszugehörigkeit gleiche Rechte zukommen lassen will (ebd.: 144f.). Für genderreflektierende Pädagogik folgte aus diesem Paradigma in der schulischen und außerschulischen Bildung der sogenannte ‚Defizitansatz’, der bis in die späten 1980er Jahre praktiziert wurde. In diesem wird davon ausgegangen, dass Frauen und Mädchen besonderer Förderung, z.B. im Bereich des Selbstbewusstseins oder mathematischer Fähigkeiten, bedürfen. Differenzfeministische Kritiker_innen des Gleichheitsansatzes sehen in ihm die Gefahr einer Affirmation des existierenden Androzentrismus und des männlichen Herrschaftssystems. Sie stellen ihm das Differenzparadigma gegenüber, welches positive Aspekte von Weiblichkeit in den Vordergrund stellt. Auch in der schulischen und außerschulischen Mädchenarbeit schlug sich dieser Paradigmenwechsel nieder. Männliche Domänen wurden nicht länger als das für Mädchen Erstrebenswerte gesehen, sondern vielmehr sollte an den Stärken der Mädchen angesetzt und das ‚Weibliche’ gefördert werden. Auf der Annahme der gemeinsamen Betroffenheit von Pädagoginnen und Mädchen als Frauen begründete sich das Prinzip der feministisch-parteilichen Pädagogik (Horstkemper 2001: 49f.). Ein erneuter Paradigmenwechsel erfolgte Anfang der 1990er, nach einer mehrjährigen „Rezeptionssperre“ (Gildemeister/Wetterer 1992: 202). Nun wurden schließlich auch in der deutschsprachigen Frauen- und Geschlechterforschung die amerikanische Kritik am Sex-Gender-Modell sowie die Kritik am Differenz- und Gleichheitsansatz auf-

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genommen. Diese Kritik an herkömmlichen Erklärungsmodellen von Geschlecht erfolgte vornehmlich in zwei Disziplinen: zum einen im sozialwissenschaftlichen konstruktivistischen

Diskurs

und

zum

anderen

in

dem

eher

der

Philosophie

und

den

Kulturwissenschaften zuzuordnenden Diskurs der Dekonstruktion. Die sozialwissenschaftliche konstruktivistische Perspektive betont das Gewordensein von Geschlechtlichkeit als Zweigeschlechtlichkeit respektive die performative Herstellung, die Eigenaktivität der Individuen und die Konstitutionsleistung des Subjekts im Erkenntnisprozess (Rentorff 2000: 47, zit. i. Faulstich-Wieland 2003: 108). Diesen Ansätzen ist auch die Theorie des ‚Doing Gender’ (nach West/Zimmermann) zuzuordnen, die auch in der neueren empirischen Schulforschung eine Rolle spielt. Im Diskurs der Dekonstruktion steht der Zusammenhang zwischen Textualität und Geschlechtlichkeit9 im Fokus. Die Beschaffenheit unseres Denkens in dichotomen Kategorien, wie Mann/Frau, schwarz/weiß, Natur/Kultur etc., konstruiert auch unser Verständnis der Biologie. Nach Ansicht dekonstruktivistischer feministischer Theoretikerinnen wirkt Geschlechterdifferenz immer hierarchisierend (Kahlert 2000: 39). Deswegen sei auch die Differenz respektive die Zweigeschlechtlichkeit an sich zu hinterfragen.10 Nach Boeser (2002) folgt aus diesem dritten Paradigma ein ‚Diskurs der Offenheit’ (ebd.: 23), aus dem wiederum der pädagogische Ansatz der ‚versteckten Potenziale’ resultiert:

„Hier wird davon ausgegangen, dass der Sozialisationsprozess im System der kulturell konstruierten Zweigeschlechtlichkeit die Potenziale beider Geschlechter selektiv abruft und fördert. Deswegen werden spezifische Maßnahmen für notwendig erachtet, damit die (möglicherweise) verdeckten politischen Potenziale bei Mädchen/Frauen freigelegt werden können (z.B. die Fähigkeit zu selbstbewusstem öffentlichen Auftreten). Ziel ist eine Veränderung und Erweiterung traditioneller Geschlechterrollen“ (ebd.: 24).

9 Mit Geschlechtlichkeit werden Sex und Gender gemeint. 10 Landweer (1993: 35) fasst anschaulich zusammen: Der Dekonstruktivismus richte sich gegen: Ontologisierungen (z.B. biologisierende Beschreibungen von ‚weiblicher Identität’), Politisierungen von Identitätsvorstellungen, Moralisierungen der Differenz (z.B. ‚Care-Ethik’, ‚Maternal Thinking’), Naturalisierungen der Geschlechterdifferenz (z.B. dass Zweigeschlechtlichkeit ein biologisches Faktum sei), Mythisierungen (z.B. die Vorstellung, dass für das Begehren diese Art von Spannung zwischen den Geschlechtern konstitutiv sei).

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2.2

Genderstudies in der Schulforschung

Geschlechtsreflektierende Schulforschung wird in Deutschland etwa seit Beginn der 1980er durchgeführt. Zu dieser Zeit dominierten in der Schulgeschlechterforschung Ansätze, die die Konsequenzen der Koedukation für den ‚heimlichen Lehrplan’ der Geschlechtererziehung untersuchten. Die Bezeichnung ‚heimlicher Lehrplan’ steht dafür, dass den Schüler_innen jenseits der offiziellen Curricula auch soziale Lernerfahrungen durch die Schule vermittelt werden. Die Untersuchungen zeigten, dass in der Koedukation einerseits oft sehr subtil über die Interaktion und andererseits, zum Teil sehr offensichtlich, über die Curricula und Lehrmittel die Ungleichheit der Geschlechter weiter fortgeschrieben wird. Bei weitem nicht alle Vorteile, die sich viele engagierte Feministinnen und Lehrerinnen von der Abschaffung des monoedukativen Bildungswesens, welches bis in die 50er und 60er Jahren in der BRD vorherrschte, versprochen hatten, trafen ein. Das lag zum einen daran, dass damals sowohl bei der Zusammenführung von Jungen- und Mädchenschulen die Curricula, das heißt Lehrpläne und Unterrichtsmaterialien, der vormaligen Jungenschulen übernommen als auch die Schulstrukturen nicht verändert wurden (Horstkemper/Kraul 1999: 33). Zum anderen lag es daran, dass, vor dem Hintergrund der in den 1970er Jahren durch die Frauenforschung bekannt gewordenen Kritik an der Annahme naturbedingter, ontologischer Differenzen, Unterschiede von Jungen und Mädchen zum Teil tabuisiert wurden. Vergleiche koedukativer und monoedukativer Schulen indizierten, dass sich das nach Geschlecht getrennte Unterrichten in bestimmten Kontexten, z.B. in den Naturwissenschaften, positiv auf die Unterrichtsbeteiligung und Lernerfolge von Mädchen auswirkte (Horstkemper/ Kraul 1999, Prengel 2006, Faulstich-Wieland 2003). Nach Faulstich-Wieland (1999: 124) dominiere deshalb in der deutschen Debatte die Forderung nach einer erneuten Trennung der Geschlechter, um dem Bildungsziel, allen Geschlechtern gleiche Zugangschancen zu allen Bereichen zu sichern, gerecht zu werden. Diese Forderung sei keinesfalls empirisch belegt. Nach Zusammenfassung verschiedener Studien und mit Verweis auf die aktuellen Debatten in den Genderstudies, die derzeit die Herstellungspraxen von Geschlecht und weniger Geschlechterdifferenzen pointieren, sieht Faulstich-Wieland eine Chance für eine Weiterentwicklung eher in einer reflexiven Koedukation. Reflexive Koedukation bedeutet für sie, alle pädagogischen Gestaltungen daraufhin zu durchleuchten,

„ob sie die bestehenden Geschlechterverhältnisse eher stabilisieren oder ob sie eine kritische Auseinandersetzung und damit ihre Veränderung fördern. Getrennte Gruppen sind dabei keinesfalls ausgeschlossen. Ihren Stellenwert erhalten sie jedoch nur dann, wenn eine Stärkung des Selbstbewusstseins von Mädchen und jungen Frauen bzw.

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eine antisexistische Entwicklung von Jungen tatsächlich erreicht werden. Beides stellt sich aber nicht von selbst her, quasi ‚natürlich` durch das schlichte Zusammensein von Mädchen oder nur Jungen. Auf der Seite der Lernenden erscheint das Kriterium der Freiwilligkeit sehr hoch zu veranschlagen. Auf der Seite der Lehrenden erfordert die pädagogische Arbeit in solchen Gruppen neben hoher sozialer Sensibilität und didaktischer Kompetenz vor allem eine intensive Auseinandersetzung mit eigenen Rollenvorstellungen und Verhaltensweisen“ (Faulstich-Wieland/Horstkemper 1996: 583, zit. i. Faulstich-Wieland 1999: 133). Einen Überblick über den Stand der Forschung und verschiede Forschungsfragen gibt das ‚Handbuch Gender und Erziehungswissenschaften’ (Hrsg. Glaser/Klika/Prengel 2004). In der Publikation ‚Einführung in Genderstudien’ (Faulstich-Wieland 2003) werden fünf zentrale Felder der feministischen Schulforschung herausgearbeitet, die ich hier abschließend und zusammenfassend mit einigen von mir angefügten Ergänzungen darstelle: •

die Curriculumsforschung,

die Unterrichtsforschung,

die Schulentwicklungsforschung,

die Professionsforschung und

die Untersuchungen der Leistungsdifferenzen von Jungen und Mädchen.

Die Curriculumsforschung, zu der die Analyse von Genderaspekten in Schulbüchern zählt, gehört zu den frühen Gender-Schulforschungsbereichen und ist Ansatzpunkt für die Diskussion um den ‚heimlichen Lehrplan’. Veränderungen in der Darstellung der Geschlechter konnten hier aufgezeigt werden, jedoch bleiben diese immer noch weit entfernt von egalitärer Behandlung und sind noch immer häufig geschlechtshierarchisch orientiert.11 Die Unterrichtsforschung befasst sich mit der schulischen Interaktion. Hier wird die Bedeutung von Geschlecht in verschiedenen Unterrichtsformen und die soziale Konstruktion von Geschlecht im Prozess des ‚Doing Gender’ untersucht.12 Insbesondere Koch-Priewe (2002) hat auf dem Gebiet der Schulentwicklungsforschung nachgewiesen, dass Geschlechteraspekten in der Schulentwicklung bislang keine Bedeutung beigemessen wurde. Anhand von Modellprojekten zeigt sie auf, wie Jun-

11 Eine gute, allerdings nicht mehr ganz aktuelle Zusammenfassung findet sich in Brehmer 1991: 28-40. 12 In letzterem Bereich sind die aktuellsten, mir bekannten empirischen Studien von FaulstichWieland (2004), Güting (2004) und Budde (2005).

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gen- und Mädchenarbeit und die reflexive Koedukation in den Schulalltag integriert werden können, aber auch, dass noch ein langer Weg zu gehen ist, um diese z.B. in Schulprofilen zu verankern. Die Professionsforschung fragt, welche Relevanz das Geschlecht der Lehrperson für den Bildungsprozess hat. Hier haben Studien gezeigt, dass Lehrerinnen teilweise ein anderes Berufsverständnis haben als Lehrer. Jedoch besteht bei dieser Frage die Gefahr simpler Stereotypisierung. Als Resultat der Ergebnisse der PISA Studie von 2000 ergänzt Faulstich-Wieland die Auflistung um ein fünftes Feld, welches sich mit den Ursachen der schulischen Leistungsdifferenzen von Jungen und Mädchen befasst. Hier stehen nun auch die Probleme der Jungen13 bei bestimmten schulischen Leistungen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Bei dieser Aufzählung fällt jedoch auf, dass insbesondere der stärkere Einbezug der Lehrkräfte in die Schul- und Unterrichtsforschung fehlt (Faulstich-Wieland 2003: 136f.). Es wäre daher sinnvoll, der Erforschung der Gender-Wahrnehmung oder des GenderBewusstseins der Lehrpersonen einen eigenen Bereich zuzuordnen. Daneben mangelt es bisher auch an Untersuchungen zum Zusammenwirken von ethnischen (oder so wahrgenommenen) und sozialökonomischen Hintergründen von Schüler_innen und Lehrpersonal auf Geschlechtlichkeit und deren Wahrnehmung in der Schule. Nicht zuletzt sind dekonstruktivistische Fragestellungen in der Schulforschung kaum repräsentiert. So findet sich beispielsweise in dem Übersichtswerk ‚Dekonstruktivistische Pädagogik’ (Fritzsche u.a. 2001) nicht ein Beitrag, der sich auf die Schulpädagogik bezieht. Auf dem Feld der Unterrichtsforschung dominieren im Bereich der Interaktionsforschung derzeitig konstruktivistische Ansätze. In anderen Gebieten der feministischen oder genderbewussten Erziehungswissenschaften dagegen, wie zum Beispiel in der außerschulischen Mädchen- und Jungenarbeit, hat der dekonstruktivistische Diskurs bereits Eingang gefunden (Rauw u.a. 2001, Plößer 2005, Schmidt 2002).

2.3

Geschlechterforschung und Politische Bildung

In der universitären Ausbildung von Gemeinschaftskundelehrer_innen hat die Theorie der politischen Bildung, die Politikdidaktik14, einen erheblichen Anteil. Die Zielformulierungen der Rahmenlehrpläne der Länder differieren zwar erheblich (Massing 2003), es

13 Z.B. haben Jungen oft Problem beim Lesen, während die Mädchen schlechter in naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern abschneiden. 14 Fachdidaktik ist die Schnittstelle zwischen Fachwissenschaft und Pädagogik, sie ist die Wissenschaft vom Lehren und Lernen bestimmter Fachinhalte.

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besteht jedoch ein didaktischer Grundkonsens in der Bundesrepublik, dass politische Bildung eng mit der Gesellschaftsform der Demokratie und dem Grundgesetz verbunden ist. Sie bezieht sich vornehmlich auf die Vermittlung von Eigenschaften wie Autonomie, Kritikfähigkeit, Mitbestimmung, Mündigkeit und Politikbewusstsein (Deichmann 2004, Kuhn/Massing 1999).15 Vor dem Hintergrund von ‚Geschlecht als Strukturkategorie’ impliziert dieser Zielkonsens eine große Bedeutung dieser Kategorie in der politischen Bildung. Denn wenn ‚Geschlecht’ als hierarchisierendes Moment alle gesellschaftlichen Bereiche durchzieht, dann bedeutet dies, dass die Kategorie auch während des ‚Demokratielernens’ in der schulischen politischen Sozialisation respektive in der staatsbürgerlichen Subjektwerdung eine zentrale Rolle spielt. Dies ist jedoch nur möglich, wenn sich politische Bildner_innen der durch die Geschlechterforschung aufgedeckten gesellschaftlich vorherrschenden Ideologien (wie Hierarchisierung von Männlichkeiten und Weiblichkeiten, Zweigeschlechtlichkeit und Biologismus) bewusst sind. Die Kategorie Geschlecht ist jedoch erst seit Beginn der 90er Jahre, wenn auch nur marginal, zum Gegenstand politikdidaktischer Fragestellungen geworden. Der Forschungsstand steht in keinem Verhältnis zu den offiziell proklamierten geschlechterdemokratisierenden Zielsetzungen von Gemeinschaftskundeunterricht und ist auch verglichen mit dem Stand der Geschlechterforschung in anderen didaktischen Disziplinen unterentwickelt. Einschlägige Wissenschaftler_innen beklagen eine ‚Geschlechtsblindheit’ der politischen Bildung, die unter der Proklamation von ‚Geschlechtsneutralität’ praktiziert wird (z.B. Oechsle/Wetterau 2000). Oechsle und Wetterau heben die Ambivalenz dieser ‚Neutralität’ hervor: Es könne nicht darum gehen, sich von dem universalistischen Anspruch politischer Bildung zu verabschieden und nun partikulare Zielsetzungen, Methoden und Inhalte für jeweilige Personengruppen zu befürworten, d.h. so genante Bindestrich-Didaktiken zu entwickeln (feministische Didaktik, interkulturelle Didaktik etc.). Doch hätten die meisten Politikdidaktiker_innen die Koedukationsdebatte der 80er Jahre schlicht ignoriert (ebd.: 12). Verstärkend wirkten sich die in den Bezugsdisziplinen vorherrschende Resistenz gegenüber der Genderforschung (z.B. in der Politikwissenschaft und der Ökonomie) und die personelle Unterrepräsentanz von Frauen in Politik und Wissenschaft aus. Zwar finden sich mittlerweile in einigen aktuellen Nachschlagewerken zur Politikdidaktik geschlechtssensible Ansätze, doch der Forschungsstand ist nach wie vor unbefriedigend. Nur einige wenige Wissenschaftler_innen versuchen seit Jahren kontinuierlich diese Lücken zu schließen; ihre Namen

15 Für einen tieferen Einstieg in die Diskussion empfiehlt sich die Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung: http://www.bpb.de (16.1.2006).

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sind wiederkehrend in den fachdidaktischen Publikationen zu lesen (z.B. Hoppe 2004, Richter 2004). Erste, wenn auch wenige, disziplineigene empirische Forschungen sind in den letzten Jahren erschienen (z.B. Kroll 2001, Boeser 2002).16 Kroll stellte schon zu Beginn ihrer Untersuchungen fest:

„Es gibt weder Theorien noch Methoden, die in der Wissenschaftsdisziplin Politikdidaktik entwickelt wurden, um die Geschlechterdifferenz zu untersuchen“ (Kroll 2001: 8). Darüber hinaus existieren zwei Aufsatzsammlungen im Bereich Politische Bildung und Geschlechterverhältnisse (Oechsle/Wetterau 2000, Genter 2001). Diese beiden, aber auch Boeser (2002: 90f.), liefern einen Überblick über das noch recht magere Forschungsfeld. Die Notwendigkeit einer Berücksichtigung der Kategorie Geschlecht in der politischen Bildung, d.h. in ihren Inhalten, ihrer Didaktik und der empirischen politikdidaktischen Forschung, wird darin aufgezeigt. Die Autor_innen bemängeln, dass eine Implementierung als Querschnittskategorie in keinem dieser Bereiche erfolgt sei. Bezüglich der Relevanz der Kategorie Geschlecht für die Inhalte verweisen die Autorinnen auf die genderorientierten Untersuchungen in den Bezugsdisziplinen Soziologie, Politikwissenschaft und Wirtschaftswissenschaften. Genannt werden Forschungen über die stattfindende Reformulierung der Geschlechterverhältnisse im Zuge gesellschaftlicher Transformationsprozesse, über die Ursachen der Unterrepräsentanz von Frauen in bestimmten Teilen der öffentlichen Sphäre, über den Zusammenhang von als privat erlebten Problemen und gesellschaftlichen Strukturen, über zunehmende Entdemokratisierung und Politikverdrossenheit sowie Studien zur politischen Partizipation von Frauen. Die Relevanz geschlechtsspezifischer Aspekte in der schulischen Interaktion ist schwerer zu erfassen, da die wenigen existierenden Untersuchungen eher einen Fragen und Hypothesen generierenden Charakter haben als dass sie repräsentative Ergebnisse liefern. Immer wieder wird jedoch die These unterstrichen, dass eine Relation zwischen Interaktionsprozessen, d.h. dem Doing Gender, im Gemeinschaftskundeunterricht und dem differierenden Verhältnis von Jungen und Mädchen zu offizieller Politik

16 Christian Boeser (2002) hat die Relevanz geschlechtsspezifischer Aspekte in der politischen Bildung untersucht. Mit den Methoden des Interviews und des Fragebogens befragte er SchülerInnen an der Sekundarstufe 1 in Bayern. Der Aufbau seiner Studie ist der meinen sehr ähnlich. Karin Kroll geht in ihrer Studie ‚Die unsichtbare Schülerin’ im Bereich der Politikdidaktik erstmalig das Vorhaben an, „Kommunikations- und Interaktionsformen der Schülerinnen unter Berücksichtigung der Geschlechterdifferenz qualitativ zu untersuchen“ (Kroll 2001: 8). Sie arbeitet mit der Methode der teilnehmenden und Video aufzeichnenden Unterrichtsbeobachtung.

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besteht. Es wird die provokante These aufgestellt, dass durch die Struktur von Schule ein geschlechtsspezifisches Desinteresse von Mädchen an (traditioneller) Politik bzw. sogar eine Entpolitisierung von Mädchen hergestellt wird. Im Kontext dieser Diskussionen spielt aber auch die Frage eine Rolle, ob Mädchen vor dem Hintergrund eines erweiterten Politikverständnisses, das die Politik sozialer Bewegungen und Bürgerinitiativen mit einschließt, nicht als ebenso politisch interessiert betrachtet werden können. Eine Fragestellung in der Literatur ist die nach den praktischen Konsequenzen einer querschnittsmäßigen Integration der Kategorie Geschlecht. Hoppe (2000: 247f.) betont, dass sich Gruppenarbeit und lebensweltlicher Bezug positiv auf die Unterrichtsbeteiligung von Mädchen auswirken. Sie hebt die Bedeutung subjektorientierter Ansätze für einen mädchen- und jungengerechten Unterricht hervor, wie etwa Methoden der Biographiearbeit, des Perspektivenwechsels und der Metakommunikation. Diese subjektorientierten Methoden mit ideologiekritischer Zielsetzung ermöglichen die Auseinandersetzung mit Vorurteilen mit Hilfe von Rollenspielen. Karin Kroll kommt in ihrer Studie zu dem Fazit, dass sich die Lehrkräfte geschlechtsspezifischer Unterschiede nicht bewusst sind (Kroll 2001: 235, siehe auch 4.3), daher sei eine wichtige Konsequenz die geschlechtersensibilisierende Ausbildung von Lehrkräften. Die Diskussion der themenspezifischen Schwierigkeiten stellt ein weiteres Feld dar. Das Genderthema beinhaltet, extremer als andere Gegenstände, das „Problem des Brückenschlags zwischen dem Mikrokosmos der eigenen Lebensführung und dem Makrokosmos globaler Schlüsselprobleme“ (Oechsle/Wetterau 2000: 12).

„Das Geschlechterthema ist kein Thema wie jedes andere, enger als andere Bereiche sozialer Ungleichheit ist es mit der sozialen und persönlichen Identität der Lernenden wie auch der Lehrenden in der politischen Bildung verbunden und tangiert diese“ (ebd.: 13). Je nach Position könne die kritische Betrachtung der Geschlechterthematik einen Zugewinn an Chancen oder einen Verlust von Privilegien bedeuten. Durch eine Neuordnung des Wissens in diesem Bereich könne es bei Lehrenden und Lernenden zu Brüchen in ihrer Realitäts- und Selbstwahrnehmung kommen (ebd.: 14). Sind diese Friktionen zu gewaltig, so können sie Verweigerungshaltungen auslösen, die den Unterrichtsprozess behindern oder dazu führen, dass die Lehrperson das Thema meidet. Um das Thema ‚Geschlechterverhältnisse’ in der politischen Bildung auf die Unterrichtsagenda zu setzen, ist die im gesellschaftlichen Mainstream vorherrschende Gleichheitsrethorik oftmals hinderlich, da diese zu einem Ungleichheitstabu führt:

„Der öffentliche Diskurs über Geschlechterverhältnisse ist inzwischen so weitgehend von einer Gleichheitsrhetorik geprägt, dass allein die Benennung von Geschlech-

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terasymmetrien wie ein Rückfall in voremanzipatorische Zeiten anmutet. Gleichheit zwischen den Geschlechtern wird inzwischen als gegeben vorausgesetzt; über die Ungleichheit zu sprechen wird als unangemessen und, aus Sicht der Frauen, als implizit kränkend empfunden – fast könnte man von einem Ungleichheitstabu sprechen“ (Oechsle/Wetterau 2000: 15). Junge Frauen zum Beispiel erleben sich als gleichgestellt und keinesfalls als Opfer. Auch erahnen sie das gesellschaftlich implizierte Label von ‚Emanzen’ oder ‚Männerhasserinnen’, welches der Thematik anhaftet. Eine moralisierende oder abwertende Gestaltung der Thematik lässt sich durch eine professionelle Lehrkraft vermeiden. Der Subtext jedoch, der bei den Rezipient_innen individuell entstehen kann, ist nicht kontrollierbar. Er kann und sollte allerdings gemeinsam reflektiert werden. Um zu zeigen, wie sich Bremer Gemeinschaftskundelehrer_innen zu der Fragestellung von Gender in der Schule verhalten, werde ich im Folgenden nun die Anlage und Ergebnisse der von mir durchgeführten qualitativen Studie zu deren Genderwissen vorstellen.

3 Anlage der Studie Der Forschungsbedarf auf dem hier untersuchten Gebiet sowie der Mangel an Kategorien und Instrumentarien, um Geschlechterungleichheiten innerhalb der politischen Bildung hinreichend zu beschreiben, wurde bereits unterstrichen. Deshalb habe ich eine qualitative Forschungsmethode mit Hypothesen generierendem Charakter gewählt und mich gegen einen repräsentativen, Theorie und Hypothesen testenden Anspruch der Studie entschieden. Qualitative Forschung geht quantitativer Forschung immer voraus. Sie dient der Kategorienbildung. Die folgende Studie hat damit zwar keinen repräsentativen Charakter, ihre Ergebnisse sollen jedoch das weitere Nachdenken über die Problematik anstoßen und Wege für folgende – auch quantitative – Forschung aufzeigen. Das teilstandardisierte, ‚offene’ Interview bietet die Möglichkeit, die Fragen dem Kenntnisstand der befragten Person anzupassen und unverständliche Äußerungen durch Nachfragen zu klären. Die Auswertungsmethode ‚Qualitative Inhaltsanalyse’ nach Mayring (1988) ermöglicht es, die Verortung des Subjekts in Nuancen und Untertönen zu beschreiben sowie „das Subjekt zur Sprache kommen“ zu lassen (vgl. Mayring 1988: 116). Gleichzeitig kann so eine strukturierende Beschreibung erstellt werden, also die Konstruktion eines deskriptiven Systems angegangen werden (ebd.: 22).

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Die Grundgesamtheit der Studie sind Gemeinschaftskundelehrer_innen in Bremen. Aus dieser heraus wurden als Stichprobe sechs Lehrer_innen (vier männlich, zwei weiblich) befragt. Anfangs stellten sich vor allem männliche Lehrer zur Verfügung. Das ist nicht unbedingt verwunderlich, da das Fach Gemeinschaftskunde nach wie vor in erster Linie von Männern unterrichtet wird. Erst nach gezielter Suche fand ich auch interviewbereite Lehrerinnen. Die Länge der Interviews betrug durchschnittlich ca. 45 min, variierte jedoch zwischen 30 min und 1 1/2 Stunden. Das Alter der Befragten liegt zwischen 45 und 64 Jahren. In 5-Jahresabschnitten gerechnet habe ich in jeder Altergruppe eine Person interviewt, in der Gruppe von 50-55 Jahren zwei. Die Berufserfahrung der Interviewten lag zwischen 5 und 30 Jahren. Von den von mir Befragten haben vier Politik studiert und zwei unterrichten fachfremd. Vier von ihnen unterrichten in der Sekundarstufe I, meist an verschiedenen Schulzweigen (Real-, Haupt-, Gesamtschule und Gymnasium). Zwei der Befragten arbeiten in der Sekundarstufe II (Gymnasium und Berufschule). Die Zielebene des Interviewleitfadens bezog sich auf folgende Hauptfragen: •

Wie nehmen die Lehrpersonen die Kategorie Geschlecht im Schulalltag wahr?

Wie werden Forschungsstand und Theoreme der Genderstudies in der Schule rezipiert?

Diese Leitfragen wiederum waren in folgende Fragen untergliedert: •

Welches ‚Genderwissen’ (theoretisch und empirisch) besteht bei den Lehrpersonen?

Verwenden die Lehrer_innen eine geschlechtssensible Sprache?

Hat ‚Geschlecht’ bzw. ‚Gender’ eine Bedeutung für die Inhalte oder Methoden des Gemeinschaftskundeunterrichts?

Ist Geschlechtsbewusstsein Teil des Selbstverständnisses und der Haltung der Lehrpersonen?

Wird die Kategorie Geschlecht im Schulalltag reflektiert? Wenn ja, mit welchen Methoden?

Welche Vokabeln stehen zur Verfügung, um über Geschlechterverhältnisse zu kommunizieren?

Wie beurteilen Gemeinschaftskundelehrer_innen die politische Relevanz der Kategorie Geschlecht?

Wie stellen Lehrpersonen ihre subjektive Rezeption und ihre Empfindungen gegenüber Geschlechterfragen dar?

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4 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse Ich habe die Ergebnisse meiner Studie in fünf Bereiche unterteilt. Im ersten Teil (4.1) gehe ich auf das allgemeine Genderwissen der Befragten ein, das heißt auf ihre Vorstellungen über Geschlechterdifferenzen, auf ihren Sprachgebrauch, ihr begriffliches Verständnis von Geschlecht und die Positionierung der Befragten zu Frauenbewegung und Feminismus. Im zweiten Abschnitt (4.2) geht es um die Relevanz von Geschlechterthemen im Unterricht und in der Schule und um die Bedeutung des Geschlechts der Lehrperson für die Unterrichtsgestaltung. Anschließend (4.3) werden Ergebnisse betreffend der Wahrnehmung der Lehrpersonen in der Schule erläutert. Beschrieben werden von ihnen beobachtete Geschlechterdifferenzen, wie beispielsweise ein unterschiedliches Interesse von Mädchen und Jungen im Politikunterricht, sowie geschlechtsbezogenes Handeln der Lehrpersonen. Schließlich stelle ich im vorletzten Abschnitt (4.4) ein zentrales Ergebnis meiner Untersuchung dar: die untrennbare Verquickung der Wahrnehmung von Geschlecht mit anderen Differenzlinien. Die von mir Befragten benannten Geschlechterdifferenzen immer in Verbindung mit dem türkischen oder muslimischen Hintergrund von Schüler_innen. Im letzten Abschnitt (4.5) gehe ich auf Untersuchungsergebnisse ein, die Hinderungsgründe für die Entwicklung einer sensibilisierten Wahrnehmung aufzeigen. Das Fazit skizziert die Beschaffenheit der bei der Untersuchung ausgemachten Charakteristika. Abschließend werden mögliche Faktoren erörtert, die Einfluss auf die Wahrnehmung der Lehrpersonen haben.

4.1

Genderwissen der Befragten

4.1.1 Sprache und Geschlechtssensibilität Die Interviewergebnisse lassen sich nicht nur auf einer inhaltlichen Ebene, sondern auch auf der grammatikalischen Ebene interpretieren. Alle Interviewten benutzten in ihrer Sprache das generische Maskulinum. Sie sprachen von ‚Schülern’ und ‚Lehrern’ und meinten dabei ‚Schüler und Schülerinnen’ und ‚Lehrer und Lehrerinnen’. In den Sprachwissenschaften besteht die Annahme, dass Bewusstsein und Sprache in einer Wechselwirkung zueinander stehen. Sprache ist nicht nur das Produkt der Gesellschaft und ihrer Sprecher_innen, sondern sie prägt auch die Gesellschaft (Samel 2000: 52). Der linguistische Wissenschaftler Whorf zeigte bereits 1963 in seinen Untersuchungen auf, dass Sprache die Wahrnehmung beeinflusst:

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„Menschen, die Sprachen mit sehr verschiedenen Grammatiken benützen, werden durch diese Grammatiken zu typisch verschiedenen Beobachtungen und verschiedenen Bewertungen äußerlich ähnlicher Beobachtungen geführt. Sie sind daher als Beobachter einander nicht äquivalent, sondern gelangen zu verschiedenen Ansichten der Welt“ (Whorf 2003: 20). Dieser Gedanke kann, wie andere Wissenschaftler_innen später spezifizierten, nicht determinierend gedacht werden, denn der Verstehenshorizont eines Menschen kann auch durch metasprachliche Ebenen oder durch fachspezifische Terminologien erweitert werden (Gipper 1972: 238, Samel 2000: 85). Dennoch gilt das linguistische Relativitätsprinzip, das besagt, dass geäußerte Wahrnehmungen und Gedanken einer Person immer mit der ihr verfügbaren Sprache und mit dem ihr zugänglichen Vokabular in einem Verhältnis stehen (Samel 2000: 85). Paradigmatisch für diese Relativitätsthese kritisiert die feministische Linguistik den Genusgebrauch in der deutschen17 Sprache. Das generische Maskulinum wird häufig im oralen Alltagssprachgebrauch, oft auch noch im schriftlichen Sprachgebrauch, als ‚geschlechtsneutrale’ Bezeichnungspraxis benutzt und gedacht. Durch die Subsumption von Frauen unter die ‚neutrale Sprachform’ werde von ‚weiblichen Erfahrungen’ abstrahiert und Frauen und Mädchen so in der Sprache unsichtbar gemacht. Samel (2000: 85f.) zählt Studien auf, die den Zusammenhang zwischen dem in der Sprache verwendeten maskulinen Genus und der bei den Rezipierenden entstehenden Zuordnung des Bezeichneten zu einer männlichen Geschlechtszughörigkeit (Sexus) nachgewiesen haben. Nach Prengel hat diese diskursive Verdrängung des Weiblichen in der Sprache auch Auswirkungen auf den Unterricht, zum Beispiel bei der Identitätsbildung von Mädchen:

„Wenn (...) in mündlichen Äußerungen und in den Unterrichtsmaterialien Mädchen in der männlichen Form angesprochen werden und selten direkt von ihnen als Schülerinnen die Rede ist, so entsteht eine grundsätzliche Verunsicherung“ (Prengel 2006: 112). Sie müssten aus dem Kontext erspüren, ob sie mitgemeint sind oder nicht (ebd.). Früheren feministischen Sprachkritiken zufolge kommt in der sprachlichen Subsumption von Frauen eine Weltanschauung zum Vorschein, die das Männliche als etwas Ursprüngliches und das Weibliche als etwas Abgeleitetes auffasst (Pusch 1984: 66).18 Diese konservativen Denk- und Betrachtungsweisen haben zwar in der bürgerlich-

17 Auch der englische und französische Genusgebrauch wurde kritisiert. 18 Wie z.B. bei dem polnischen Linguisten Baudouin de Courtenay, der das ‚Männliche’ als das Allgemeingültige in der deutschen Sprache beschrieb (Samel 2000, 51).

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parlamentarischen Demokratie längst an Legitimität verloren, ihr Erbe ist jedoch weiterhin wirksam (Prengel 2006: 110f.). Nach einer heutigen Deutung kann die ‚neutrale’ Verwendung des generischen Maskulinums als Ausdruck für eine Denkweise gesehen werden, in der eine Differenzierung nach Geschlechtern bereits als überflüssig angesehen wird (ebd.). Sie spiegelt das Ungleichheitstabu und die Gleichheitsrethorik des öffentlichen Diskurses. Die geschlechtssensible Reflexion des grammatikalischen Sprachgebrauchs zählt den Ergebnissen meiner Interviews zufolge jedoch nicht zur pädagogischen Praxis der Befragten.

4.1.2 Begriffliches Verständnis des Geschlechterverhältnisses Die Wahrnehmung gegenüber Bereichen, in denen sprachlich (also gesellschaftlich), blinde Flecken bestehen, kann mithilfe von Fachterminologien geschult und erweitert werden. In den Genderstudies wurde in den letzen Jahrzehnten gesellschafts- und praxisrelevantes Wissen hervorgebracht. Es etablierten sich verschiedene Fachtermini, um theoretische Konzepte zu fassen, die über die alltäglichen Erklärungs- und Verstehenshorizonte hinaus reichen. Auch wenn nicht erwartet werden kann, dass Lehrer_innen sich in allen Forschungsbereichen immer auf dem aktuellsten Stand befinden, soll hier doch festgestellt werden, welche Begriffe, verstanden als Ausdruck eines differenzierten Verständnisses, den befragten Lehrkräften zur Verfügung stehen, um über Geschlechterverhältnisse zu reflektieren. Die Assoziationen der meisten Befragten zum Wort ‚Geschlecht’: ‚Unterscheidung in Mann und Frau’, ‚Gleichberechtigung, die noch nicht vollständig verwirklicht ist’, ‚Unterschiede im Äußeren’. Nur eine Befragte nannte als Assoziation zu Geschlecht ‚Gender’. Ihre Definition wies zwar Inkonsistenzen auf, in ihr wurde jedoch auch eine Auseinandersetzung mit dem Begriff deutlich.

„Mein Verständnis von Geschlecht? Also eher Gender. Die Sexualität wird im Unterricht ausgespart, die Rolle in der Gesellschaft ist hier entscheidend, der biologische Unterschied ist die andere Seite.“ Zentrale Termini der Genderstudies wie ‚Zweigeschlechtlichkeit’, ‚Konstruktion von Geschlecht’, ‚Dekonstruktion’, ‚Hierarchisierung von Männlichkeit und Weiblichkeit’, ‚Doing Gender’, ‚Vergeschlechtlichung’ ‚Heteronormativität’ etc. fielen nicht. Die Aussage der einen Interviewten, dass Geschlecht im Politikunterricht eher im Sinne von ‚Gender’ Bedeutung erlange, lässt sich vor dem Hintergrund des Dekonstruktionsparadigmas in der aktuellen Geschlechterforschung in Frage stellen (‚Sex’ und ‚Gender’ lassen sich nicht losgelöst voneinander betrachten. Gerade die politische Bedeutung von

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‚Sex’ wird hervorgehoben). Für einen anderen Lehrer gehörte Sexualität und ‚biologisches’ Geschlecht bislang nicht in den Politik-, sondern in den Biologieunterricht. Auf die direkte Frage nach ‚Gender’ fand der Großteil der Lehrpersonen keine bis wenige Worte: „Gender? Was ist Gender?“ Es bestand Verunsicherung. Außer einer Befragten wusste keine Person etwas über den Ursprung des Wortes und seine Definition im lexikalischen Sinne. Es wurden Ahnungen ausgesprochen.

„Gender? Augenblick, also, mhhh (denkt 5 Sek. nach). Gender heißt so viel wie Geschlecht, sehe ich das richtig? Oder so was Ähnliches (denkt 3 Sek. nach). So um im weitesten Sinne, um die Benachteiligung des einen Geschlechtes aufzuheben, so was?“ „Zum Begriff Gender fällt mir ein, dass es ein Modethema ist. Es taucht immer wieder bei Weiterbildungsveranstaltungen auf, zu denen die Leute, die in diesem Bereich arbeiten, aber wenig Zeit haben. Ich weiß nicht genau woher der Begriff Gender kommt und was er bedeutet. Ich verstehe Gender so, dass es heißt, mich mit geschlechtlichen Unterschieden im Unterricht auseinanderzusetzen.“ Die Mehrzahl der männlichen Interviewpartner kannte die Bedeutung des Wortes Gender nicht. Dies muss nicht notwendig darauf hinweisen, dass geschlechtsbewusstes Denken und Handeln (also ‚Reflexive Koedukation’ im Sinne Faulstich-Wielands 1996) ihnen fremd ist. Es demonstriert jedoch, dass die interviewten Lehrpersonen nahezu unberührt durch aktuelle wissenschaftliche Geschlechterdiskurse geblieben sind bzw. sich nicht mit ihnen auseinandergesetzt haben. Geschlechterpolitik und -theorie findet im öffentlichen Diskurs und an den Universitäten derzeit unter dem Schlagwort ‚Gender’ statt (z.B. ‚Gender Mainstreaming’, ‚Genderstudies’, ‚Genderbudgeting’). Auch ‚Dekonstruktion’ und ‚Konstruktion’ von Geschlecht, zentrale Begriffe der aktuelle Genderstudies, waren den Lehrpersonen unbekannt (zu möglichen Gründen siehe 4.5).

4.1.3 Feminismus Die Assoziationen der Interviewten zum Thema Feminismus waren divers, wiesen jedoch auch starke Ähnlichkeiten auf. Die Personalisierung dieses Themas war sehr auffällig: Dieselbe prominente deutsche Vertreterin wurde viermal genannt, meist sogar an erster Stelle. Von den meisten wurde Feminismus als eine in der Vergangenheit und auch in Bezug auf die Gegenwart wichtige und notwendige Bewegung beschrieben, worin eine positive Haltung zum Ausdruck kam. Gleichzeitig wurde auch die ‚andere Seite’ des öffentlichen Mainstream durch alle gespiegelt: Die Negativ-Stilisierung der ‚Feministin’ wurde entweder selbstreflexiv hervorgehoben oder affirmativ nachgezeichnet.

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„Ich würde mich als Feministin bezeichnen, aber es klingt immer noch militant und ist in der Öffentlichkeit negativ besetzt.“ „Ich würde mich selber nicht als Feministin bezeichnen. Für mich ist Feminismus oder Feministin genannt zu werden kein Schimpfwort, so wie das bei vielen so ankommt leider. (…) Aber als Feministin bezeichnet zu werden ist im Kollegium nicht gut angesehen, das ist sehr negativ belegt (…). Für mich ist es das nicht, für mich ist es genau das Gegenteil. Aber deswegen lehnen viele Kollegen das ab, und Frauen auch. Und Arbeit für Frauen, so beobachte ich das, wird nicht unter diesem Namen gemacht, sondern unter einem anderen Namen, schön verdeckt, aber tatsächlich ist es das eigentlich. Ich find das ein bisschen verlogen. Das ärgert mich immer, aber es ist nicht zu ändern. Es ist halt so. Aber wenn ich an Frauen herankomme, für die dieses Thema nicht so wichtig ist, die da Berührungsängste haben, da ist wichtig bestimmte Zusammenhänge oder bestimmte Begriffe einfach nicht zu verwenden, um an sie heranzukommen oder um mit ihnen arbeiten zu können. Und ich habe schon viel Ablehnung deswegen erfahren, weil die Kollegen natürlich wissen, wo ich stehe.“ Bei den beiden weiblichen Befragten fanden sich ambivalente Haltungen. Einerseits verbanden beide Lehrerinnen Positives mit dem Begriff und konnten sich mit feministischen Zielen und Inhalten identifizieren, auf der anderen Seite waren sie sich der negativen Assoziationen ihres Umfeldes bewusst. Ich vermute, dass es kein Zufall ist, dass dies in meinen Interviews vor allem auf die beiden weiblichen Befragten zutrifft, dies müsste jedoch durch quantitative Daten überprüft werden. Für einen der männlichen Befragten hingegen war der Begriff eindeutig negativ geprägt. Er drückte seine Distanz zu der Thematik folgendermaßen aus:

„Wenn du viele von den Emanzen, die hier rumlaufen, siehst, dann wunderst du dich auch nicht, warum die Frauen alle lesbisch und die Männer alle schwul werden. (…) Aber ich weiß nicht, ob das ’ne Antwort auf die Frage ist, was ist Feminismus. Ich weiß da nicht viel zu sagen. Was weiß ich. Ist schon okay. Frauen sollen sich für ihre Rechte einsetzen. Aber, aber, was soll ich dazu sagen? Was soll ich dazu sagen? Mehr fällt mir dazu nicht ein. Wüsst’ ich jetzt nicht. Ich erzähl dir, mit manchen Frauen, mit manchen Kolleginnen… (macht abwertende Geste), aber das muss ja nicht, das muss ja nichts mit Feminismus zu tun haben. Keene Ahnung. Ich weeß es nich’. Muss die Frau dann lesbisch sein ?(…) Denk ich nich’, nee, würd’ ich nich’ sagen.“ Deutlich wird an diesem Zitat das mit dem Begriff Feminismus verknüpfte negative Frauenbild und die enge Verknüpfung mit Homosexualität. Unmissverständlich ist der Einsatz für Gleichberechtigung unter dem Titel Feminismus eine reine ‚Frauensache’ für ihn.

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Genderstudies sind nicht denkbar ohne Feminismus und feministische Theorien. Für viele Wissenschaftler_innen und Praktiker_innen ist Feminismus, das heißt das Bestreben, Hierarchien zwischen den Geschlechtern aufzuheben, eine Motivation für Geschlechterforschung oder geschlechtssensible Pädagogik. Da die Etablierung von Frauen- und Geschlechterforschung nicht losgelöst von den Errungenschaften der zweiten Frauenbewegung, die sich als feministische Bewegung verstand, gedacht werden kann, ist auch die Frage nach dem Feminismusbegriff der Interviewten und ihrer Positionierung zu diesem für die Fragestellung dieser Untersuchung wichtig. Im jeweiligen Verständnis von Feminismus spiegelt sich Geschichtsbewusstsein (Gleichberechtigung wurde vor noch nicht langer Zeit erkämpft) und Problembewusstsein (es gehen noch immer Machtverhältnisse mit der Geschlechterdifferenz einher).19 Obwohl die Gleichberechtigung und die ‚Emanzipation der Frau’ gesellschaftlich gutgeheißen werden, ist Feminismus im gesellschaftlichen Mainstream oft negativ belegt und umstritten. Mit seinen damaligen Protagonistinnen20 und heutigen Befürworterinnen werden zum Teil negative oder lächerliche Bilder verknüpft. Kritik an Feministinnen gibt es bereits seit der ersten Frauenbewegung. Aufgrund ihres Ausbruchs aus tradierten Rollenmustern werden sie von ihren Kritiker_innen häufig als unweiblich, übertrieben und ungebührlich dominant beschrieben. Obwohl es zahlreiche, zum Teil in ihren Theoremen sich widersprechende Feminismen gibt, wird Feminismus meist mit Differenzfeminismus und Dogmatismus gleichgesetzt. Die Diffamierung der Protagonistinnen des Feminismus trägt zur Blockade emanzipativer Prozesse bei. Durch ihre Diffamierung wird die damit einhergehende Abwertung des Feminismus selbst verschleiert. Über eine Negativ-Typisierung der ‚Feministin’ wird ein Negativimage von Feminismus produziert, das bei jungen Menschen eine abwehrende Haltung und Desinteresse bezüglich feministischer Theorie und Praxis erzeugt und somit eine geschlechtsbewusste Haltung21 erschwert.

19 ‚Feministisch’ problematisiert stärker die mit der Geschlechterdifferenz einhergehenden Machtverhältnisse als beispielsweise Begriffe wie ‚geschlechtsspezifisch’ oder ‚geschlechtsbezogen’. 20 Die Verwendung des kleinen ‚i’ an dieser Stelle und im Folgenden (z.B. bei ‚Feministinnen’) soll ausdrücken, dass es sich in der Mehrzahl um weibliche Personen handelt. Natürlich engagier(t)en sich auch Männer in feministischer Sache. Ihre Anzahl ist bis heute jedoch so gering, dass eine andere Schreibweise einen falschen Eindruck erweckte. 21 Im Sinne einer emanzipatorischen Zielrichtung.

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4.2

Relevanz von Geschlechterthemen in der Politischen Bildung

Drei der Interviewten benannten unter den wichtigen Inhalten des Gemeinschaftskundeunterrichts Themen, die die Frage der Geschlechterverhältnisse unmittelbar berühren. Die Themen ‚8. März’ und das ‚Grundgesetz’ und die darin verankerte ‚Gleichberechtigung’ wurden von den beiden weiblichen Interviewten genannt. Einer der männlichen Interviewpartner äußerte, er habe früher ‚den Paragraphen 218’ als Unterrichtsthema behandelt. Keine Lehrperson gab ‚Geschlechterverhältnisse’, ‚Gender’ oder ‚geschlechtsspezifische Sozialisation’ als einen Schwerpunkt an.22 Der meist genannte Bereich war das politische System der BRD.23 Die folgenden Interviewausschnitte unterstreichen die Vermutung, dass die Wahl der Unterrichtsthemen mit dem Geschlecht der Lehrperson zusammenhängt. Als Gründe, warum Geschlechterverhältnisse kein Bestandteil ihres Unterrichts seien, führten alle männlichen Befragten die eigene NichtSpezialisierung auf dieses Thema, eigene Unkenntnis und/oder die geringe Stundenanzahl im Fach an. Die Einarbeitungszeit für das Thema lohne sich nicht.

„Nein (sehr entschieden), Geschlechterfragen thematisier’ ich nicht im Unterricht. Ich hab ’nen Kollegen, der macht das. Der hat ’ne Frau, die hat das Thema in ihrem Politikunterricht, und da hat er ordentlich Material, der macht das in Geschichte, ‚Frauenbewegung’ und so weiter. Und, ähm, nein ich mach’s nicht. Ich könnte es machen, aber ich mache es nicht. (…) Wenn die Schüler danach fragten, würde ich es thematisieren. Ich müsste mich da selbst reinarbeiten. Ich muss ja auch Geschichte machen, da gibt es in der französischen Revolution den Titel ‚Frauen in der Revolution’, das könnte ich auch im Geschichtsunterricht machen. Das mache ich nicht, weil ich als Themen in dem Halbjahr drei Bereiche machen muss, ‚Französische Revolution’, ‚Industrielle Revolution’ und ‚Imperialismus’, da mache ich dann also nicht ‚die Frauen in der Revolution’, die lasse ich einfach weg.“ Es klang kein Bedauern oder Unsicherheit in seiner Stimme mit, so dass der Eindruck vermittelt wurde, dass die Nichtbearbeitung von Geschlechterthemen im Unterricht für diesen Lehrer bislang eine Selbstverständlichkeit war. Da die Einordnung von Geschlechterthemen als Frauenthemen im öffentlichen Diskurs der (schulischen) politi-

22 Beispielsweise könnte das Thema ‚geschlechtsspezische Sozialisation’ als Schwerpunkt einer Unterrichtseinheit behandelt werden. (Siehe z.B. ‚Wie wir wurden, was wir sind – wie wir werden, was wir sein wollen’ in Markmann 1991: 136). 23 Dazu zähle ich hier auch die Themen ‚Demokratie’, ‚Wahlen’, ‚Institutionen’, ‚Verfassung’. Zusätzlich werden Themen genannt wie ‚Dritte Welt’, ‚Asylpolitik’, ‚Rechtsextremismus’ ‚Terrorismus’, ‚Wirtschaftspolitik’, ‚Jugendkriminalität’.

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schen Bildung verbreitet ist24, kann der Verweis auf die Frau eines Kollegen und auf den Titel ‚Frauen in der Revolution’ indizieren, dass auch er Geschlechterverhältnisse als ein ‚Frauenthema’ ansieht. Dies wiederum könnte ihn dazu bewogen haben, dieses Thema auszuklammern. Eine Lehrerin hob geschlechtsspezifische Unterschiede in der Haltung gegenüber der Genderthematik hervor. Für sie stand ihre Identität als Frau in engem Zusammenhang mit der Thematisierung von „Frauenthemen“ im Unterricht:

„Dass ich eine Frau bin, hat im Unterricht insofern eine Bedeutung, dass ich sehr viel Wert darauf lege, Dinge zu betonen, vom Frauenwahlrecht an bis zur Gleichberechtigung, dass ich versuche dieses Thema auch immer wieder zu betonen. Ich denke dies ist bei meinen männlichen Kollegen nicht unbedingt der Fall.“ „Im Unterricht ist es schwer, Feminismus als extra losgelöstes Thema zu behandeln, da so wenig Zeit da ist. Insgesamt ist es in der Schule etwas, was immer einfließen muss. Was man nicht extra thematisiert, sondern was sich stringent durch alles ziehen muss. Bei mir passiert das, aber bei den anderen denke ich, bei den Männern eigentlich nicht so. Weil sie das nicht für so wichtig halten. Es betrifft sie nicht, obwohl es natürlich alle betrifft, weil sich die Gesellschaft dadurch verändert, in den Auswirkungen, aber das Interesse daran ist bei vielen Männern eben nicht sehr ausgeprägt, die betrachten das als geregelt.“ Die Lehrerin, die das Thema 8. März nannte, gab im Interviewverlauf an, dass ‚Gender’ und ‚Gender Mainstreaming’ als Themen im Unterricht bedeutsam seien. Ihre Explizierung, „weil mir das persönlich wichtig ist“, unterstreicht, dass diese Ansicht ihrer Erfahrung nach keine Selbstverständlichkeit ist. Ihrer Meinung nach bestehe sogar darüber hinaus eine Geringschätzung von Geschlechterthemen, insbesondere durch den älteren Teil des männlichen Kollegiums. Bei den jungen männlichen Referendaren

24 Auch die Internetrecherche zeigt, dass Geschlechterverhältnisse in der Schule in erster Linie unter dem Titel ‚Frauen und ...’ behandelt werden. Die Suche nach fertig ausgearbeiteten Unterrichtsmaterialen (zum Teil ganze Unterrichtseinheiten) auf den Webseiten des Deutschen Bildungsservers im Bereich ‚Sozialkunde/Politik’ (http://dbs.schule.de/db/fachlist.html?fach= 4034, 14.1.2006) ergibt unter den Schlagwörtern ‚Geschlecht’ 0 Treffer, ‚Frauenbewegung’ 0 Treffer, ‚Frauen’ 7 Treffer. Die Suche nach ‚Männer’ und nach ‚Gleichberechtigung’ verweist auf Materialien mit dem Titel ‚Familie- und Frauenrollen’. Diese sind auch die einzigen Materialien zu dem Thema ‚Frauen’, die sich mit Geschlechterrollen auseinandersetzen. Unter dem weiter gefassten Suchbegriff ‚sozialkundlich-philosophische Fächer’ befinden sich 26 Einträge zum Thema ‚Frauen’; jedoch weiterhin nur der eben genannte zum Thema ‚Männer’ und keine zu dem Thema ‚Geschlechterverhältnisse’ oder ‚Feminismus’. Auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung (http://www.bpb.de/suche/,14.1.2006) hingegen finden sich unter dem Stichwort ‚Frauen’ 618 Artikel, unter ‚Geschlechterverhältnisse’ 24 Artikel und unter ‚Feminismus’ 18 Artikel.

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nehme sie zum Teil Interesse wahr. Demnach stünde die Ablehnung von Geschlechterthemen im Zusammenhang mit dem Alter der männlichen Kollegen. Der Verweis, dass die jüngeren Kollegen aufgeschlossener seien, könnte im Hinblick auf die Frage, ob das geschlechtertheoretische und politische Verständnis in der eigenen Studienzeit für den Umgang der Lehrpersonen mit dem Thema relevant ist, näher betrachtet werden. Die 70er und 80er Jahre, die Studienzeit der Befragten, war von differenzfeministischen und separatistischen Abgrenzungsbestrebungen der Frauenbewegung gekennzeichnet. Für die Frauen der damaligen Zeit war es von großer Bedeutung, sich zunächst ohne die Anwesenheit von Männern über Geschlechterhierarchien bewusst zu werden. Eine weitere zu überprüfende Fragestellung ist, ob und inwiefern Lehrer_innen ihr geschlechtsbezogenes Wissen in der Regel ausschließlich über den gesellschaftlichen Mainstreamdiskurs beziehen, welcher von einer Gleichheitsrhetorik durchzogen ist (vgl. Oechsle/Wetterau 2000: 15, Kaschuba 2005: 9).

4.3

Die Rolle von Geschlechterdifferenzen im Schulalltag

4.3.1 Inkonsistente Wahrnehmung durch die Lehrperson Die Antworten der Lehrerpersonen auf die Frage nach der Bedeutung von Geschlecht im Schulalltag wiesen starke Inkonsistenzen auf. Einerseits wurde Geschlecht als unbedeutend beschrieben und andererseits wurden Geschlechterkategorien mit starken stereotypen Attributen belegt. Auf die allgemein gehaltene Frage nach Unterschieden und unterschiedlichen Vorraussetzungen der ‚Schüler’ wurden Elternhaus, Migrationshintergrund, Religion, Wohnort, Schultyp, Temperament, Charakter, Alter genannt. ‚Geschlecht’ als eine relevante Kategorie, die zu unterschiedlichen Vorraussetzungen oder unterschiedlichem Verhalten führt, wurde nicht erwähnt. Ich hatte in der Fragestellung die, oft als ‚neutral’ gehandelte, im allgemeinen Sprachgebrauch immer noch dominierende, männliche Bezeichnung gewählt. Dies erwies sich wie bereits unter 4.1.1 ausgeführt als gerechtfertigt: die männliche Endung wurde von allen Interviewten, wie im gesellschaftlichen Mainstream üblich, als die ‚geschlechtsneutrale’ verwandt. Als Interviewerin habe ich meine Sprache den von mir Interviewten angepasst, um keine Irritationen auszulösen oder bereits durch die Fragestellung eine Antwort zu suggerieren (vgl. Hopf 1991: 177f., Konrad 2005: 54f.). Durch meine gezielte Nachfrage zu Differenzen zwischen den Geschlechtern fielen die Antworten in meinen Interviews schließlich gegensätzlich zu den zuerst gemachten Aussagen aus. Jedoch erst nach einer offenbar zu überwindenden Barriere.

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„Nicht dass ich hier provokative Thesen aufstelle, hochpolitisch. Wer kriegt denn das dann alles zu hören?“ Der Interviewte schien hier auszusprechen, was eventuell auch in den Köpfen der anderen Befragten vor sich ging. Antworten wurden oft erst nach längerem Zögern genannt.

„Klar gibt es diese Unterschiede. Eine Generalisierung fällt mir jetzt schwer, muss ich sagen. Zu sagen, die Mädchen sind mehr so, die Jungen sind mehr so. Das ist schwierig zu beantworten.“ Die Beantwortung erfolgte zudem indirekt, über die Schilderung von eigenen Beobachtungen. Genannt wurde meist die ganze Palette altbekannter Geschlechtszuschreibungen.25 Mit der Zusammenstellung dieser als ‚typisch’ weiblich oder männlich wahrgenommenen Eigenschaften werde ich mich nicht ausführlicher befassen, da in der Schulforschung darüber bereits Ergebnisse vorliegen (Nyssen 1994). Die Mehrfachnennung dieser Eigenschaften durch verschiedene Lehrpersonen und die Bestimmtheit, mit der diese Charakteristika schließlich genannt wurden, bestätigt, dass ihre Bedeutung in der Praxis nicht gering ist (Kroll 2001, Nyssen 1994). Interessant erscheint in diesem Zusammenhang, dass die in der PISA-Studie festgestellten Geschlechtsunterschiede (Baumert 2001: 251f.) in den Basiskompetenzen, z.B. Mangel an Lese- und verbaler Kompetenz bei den Jungen und ein mathematisches Defizit bei den Mädchen, nicht angeführt wurden, sondern sich vornehmlich auf soziale und charakterliche Eigenschaften bezogen wurde. Auch bezogen auf das Kollegium, wurden geschlechtsspezifische Eigenschaften genannt. Sie bewegten sich ebenfalls innerhalb ‚typischer’ Geschlechtscharaktere26: beim Mann wurde Aktivität und Rationalität, bei der Frau Passivität und Emotionalität betont (zu Geschlechterdifferenzen im Kollegium siehe auch 4.3.5). Gründe für diese inkonsistente Wahrnehmung durch die Lehrpersonen, in der einer-

25 Jungen/junge Männer sind: ein bisschen unhöflich, in der Regel leistungsschwächer, zu Beginn Geschlechterthemen gegenüber eher negativ eingestellt, aggressiver, zurückgezogen, haben es schwerer, gewaltbereiter, schluderig, undiszipliniert, können sich nicht gut auf Dinge konzentrieren, ‚sind wie sie sind’. Mädchen/junge Frauen sind: leistungsfähiger, sind den Jungen voraus, engagierter, arbeiten sauberer, bringen sich ein, sind sozialer, hören besser zu, gehen auf den anderen ein, zickiger. 26 Die in meinen Interviews genannten Attribute waren: Frauen seien intrigant, nicht so risikobereit, gäben sich aufgrund mangelnden Ehrgeizes schnell mit Dingen zufrieden. Verglichen mit Männern seien sie rücksichtsvoller, kompromissbereiter, fürsorglicher und bei Konflikten eher vermittelnd. Ihr Diskussionsverhalten sei nicht offen (d.h. vieles werde nicht offen ausgesprochen). Männer seien rücksichtslos in ihrer Art, Karriere zu machen, seien weniger nachtragend, seien leichter in der Lage, ihre Interessen zu sehen, zu vertreten und durchzusetzen.

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seits Geschlecht als irrelevant erlebt wird und andererseits geschlechtsspezifische Unterschiede benannt werden, werden im Fazit noch einmal aufgegriffen.

4.3.2 Mädchen und Jungen sind nicht interessiert an Politik Die Wahrnehmung, dass Desinteresse an Politik unter Jugendlichen weit verbreitet ist, teilten die meisten Interviewten. Hierin spiegelten sie den gegenwärtigen Forschungsstand wider (Hoppe/Kaiser 2001: 88). Zwei der Interviewten erwähnten unaufgefordert geschlechtsspezifische Interessensunterschiede am Fach Politik.

„Ich merke bei älteren Schülern, dass sie denken, dass Politik eine männliche Sache ist, immer noch. Sie sind dann erstaunt, wenn man viele Dinge weiß.“ Die Mädchen seien politischen Fragestellungen gegenüber weniger aufgeschlossen.27 Durch ihre Aussagen bestätigten die Lehrer_innen die These der politikdidaktischen Geschlechterforschung, die besagt, dass ein Defizit in der politischen Sozialisation von Mädchen besteht (siehe 2.3). Als Ursachen für das geringere Interesse bei Mädchen wurden von den Lehrpersonen genannt, dass 1. Politik oftmals etwas mit ‚Krieg und Gewalt’ zu tun habe und Mädchen sich dafür nicht interessierten, 2. bei vielen Schülerinnen noch immer die generelle Vorstellung vorherrsche, Politik sei nichts für Mädchen, 3. Mädchen nicht daran gewöhnt seien, sich mit Politik zu beschäftigen. Für die Jungen sei Politik eher ein ‚natürliches’ Terrain, das ihnen offen stehe. Aber es wurde nicht nur eine Differenz im Ausmaß des Interesses zwischen Jungen und Mädchen festgestellt, sondern auch im jeweiligen Fokus:

„Mädchen interessieren sich eher dafür, sich über die Strukturen zu informieren und sie haben da gute Kenntnisse, aber sind, was die politische Diskussion angeht, eher etwas zurückhaltend.“ Zudem führte eine Lehrerin unterschiedliche Gründe für das Nichtinteresse der Schülerinnen und Schüler an, abhängig davon, ob sie einen Migrationshintergrund hätten oder nicht.

27 Dazu schreiben Hoppe/Kaiser (2001: 88): „Werden im Fach Politik/Sozialkunde (…) Unterrichtsbeobachtungen durchgeführt, so zeigt sich meistens, dass Mädchen sich weniger am Unterricht beteiligen als Jungen. Jungen erhalten von den LehrerInnen insgesamt ein höheres Maß an Aufmerksamkeit, von ihnen werden die ‚gewichtigeren’ und interessanteren fachlichen Beiträge erwartet.“

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Der Wahrnehmung der beiden zitierten Lehrpersonen, die geschlechtsspezifische (Des)Interessenunterschiede bei den Schüler_innen am Fach Gemeinschaftskunde beschrieben, stand die Meinung der anderen Befragten gegenüber. Diese äußerten bereits bei der Frage nach einer Geschlechtsspezifik im Fach Gemeinschaftskunde brüskierte oder belustigte Ablehnung. „Nein (schüttelt den Kopf und lacht), was ist das für

eine Frage? Nee!“. Sie dementierten vehement die Existenz geschlechtsspezifischer Unterschiede in ihrem Gemeinschaftskundeunterricht. Es könnte angenommen werden, dass in dem Unterricht dieser Lehrpersonen keinerlei wahrnehmbare Geschlechterdifferenzen auftraten. Die Studie von Kroll (2001) legt jedoch einen anderen Schluss nahe. Kroll fand über die Analyse von Unterrichtsmitschnitten von Politikunterricht28 heraus, dass es signifikante geschlechtsspezifische Unterschiede in der Kommunikation und Interaktion von Schüler_innen im Politikunterricht gibt. Als Gründe führt sie an: 1. das unterbewusste Wirken von Leitbildern von Männlichkeit und Weiblichkeit bei Schüler_innen, 2. dass Lehrern und Lehrerinnen das unterschiedliche Verhalten von Mädchen und Jungen nicht bewusst ist und dass sie es deshalb nicht in die Planung des Politikunterrichts mit einbeziehen. Es ist also auch möglich, dass den Lehrpersonen die Wahrnehmung für Geschlechtsunterschiede fehlt, entweder weil sie kaum Wissen über geschlechtsspezifische Kommunikations- und Interaktionsmuster haben oder weil sie sich noch nicht mit der Relevanz der Kategorie Geschlecht in den Feldern ‚Politik’ und ‚Politikdidaktik’ auseinandergesetzt haben.

4.3.3 Implizite Ansätze einer geschlechtssensiblen Pädagogik Nur Wenige äußerten sich im Gesprächsverlauf zu ‚unterschiedlichen’ pädagogischen Haltungen gegenüber Schülern und Schülerinnen. Die Aussagen dazu standen meist im Widerspruch zu der zuvor verkündeten Nichtrelevanz von Geschlechtlichkeit. Einige der Interviewten sagten aus, ihnen sei es wichtig insbesondere die Mädchen im Unterricht zu stärken. Ihre Haltung kann auch als ‚parteilicher Ansatz’ eingeordnet werden (die Mädchen in ihren eigenen Fähigkeiten bekräftigen).

28 In anderen Bundesländern findet politische Bildung nicht unter dem Oberbegriff ‚Gemeinschaftskundeunterricht’ statt, sonder unter der Bezeichnung ‚Politikunterricht’. Die Zielsetzungen der beiden Fächer unterscheiden sich im Wesentlichen jedoch nicht.

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„Ich denke, dass feministische Bemühungen immer noch in der Schule notwendig sind, zum Beispiel wichtig, um Mädchen an der Schule zu kräftigen, um Auswüchse bei den Jungen im Zaum zu halten (…).“ Der Ansatz der ‚verdeckten Potentiale’ und der ‚(De)Konstruktion’ wurde von keiner Lehrperson favorisiert, obwohl er in der Wissenschaft derzeit als der meist favorisierte gilt. Ein Lehrer war der Meinung, dass besonders in Klassen mit ‚starken’ Lehrerinnen etwas für die Jungen getan werden müsse:

„Dass sie sich nicht entschuldigen müssen dafür, dass sie da sind. Dass sie hoch geputscht werden, dass sie Selbstbewusstsein kriegen.“ Mit seinem Fokus auf den Jungen lag er im momentanen gesellschaftlichen Trend nach PISA (2000). Auch durch die Entwicklung von Jungenarbeit seit Beginn der 90er Jahre sind heute besonders Jungen als Adressaten geschlechtsbewusster Pädagogik Thema aktueller erziehungswissenschaftlicher Fragestellungen geworden. Interessanterweise stellt das von dem Lehrer bei den Jungen vermutete Defizit eine Umkehrung des früheren Defizitansatzes (siehe ‚Gleichheitsparadigma’ in 2.1) dar, bei dem Defizite bei den Mädchen gefunden wurden. Andere Lehrpersonen hingegen beschrieben den klassischen Defizitansatz als den in ihrer Praxis geltenden Ansatz:

„Jungen brauchen Grenzen und Mädchen brauchen Förderung. Wenn ich da so stille Mädchen habe, dann nehme ich die dran, ich fordere sie, ich hole die Leistung aus denen raus, denn ich weiß, sie haben die Leistungsfähigkeit. So dass ich den Jungen da eher einen drauf gebe, (…).“

4.3.4 Bedeutung der Geschlechtszugehörigkeit der Lehrpersonen in der Schule Auf die Frage, welche Bedeutung ihr eigenes Geschlecht im Schulalltag habe, begegnete mir zum Teil Verunsicherung.

„Hier merken Sie vielleicht schon, da hab ich mir noch nie Gedanken drüber gemacht.“ Insgesamt wurden verschiedene Aspekte genannt: 1. Bedeutung im Umgang mit den Schüler_innen

„Also, diese flapsige Art, die ich manchmal habe, die kriegen eher die Männer zu spüren. Ein Wort von Mann zu Mann findet manchmal schon statt, das sage ich dann auch spaßeshalber. Im Benehmen der Schüler so untereinander da appelliere ich schon mal an die Ritterlichkeit, (…).“

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„Ich denke, wenn wir ein reines Männerkollegium wären, dann würden wir hier anders miteinander und mit den Schülern umgehen als wenn das so gemischt ist.“ Ein Lehrer beschrieb, dass die Lehrerinnen eher auf die Mitarbeit von Schüler_innen achteten und auf den Kontakt. Er hob hervor, dass es meistens die Lehrerinnen seien, die die Schüler_innen auch privat zuhause empfingen.

„Ich leg da keinen großen Wert drauf, ich trenn das: Schule und Privatheit. Mhhh, ich bin da nicht so empfänglich für, und ich denke mal, das ist sehr typisch für Männer.“ 2. Bedeutung für die Identitätsbildung von Jungen und Mädchen Dieser Ansatzpunkt wurde von den Interviewten verschieden interpretiert. Ein Lehrer gab an, ein ‚männliches’ Identifikationsmodell für seine Schüler sein zu wollen.

„Für viele Hauptschüler bin ich immer Ersatzvater. Mit denen mache ich Armdrücken oder Ringkampf (…). Ich hau die in die Tonne und werde richtig körperlich. Weil die ein männliches Modell suchen. Da geht’s dann richtig körperlich zur Sache und das suchen die.“ „Die müssen auch männliche Modelle haben. Richtige Männer, die Bäume pflanzen, Kinder zeugen, die was weiß ich was. Wichtige Männer, die die Welt bewegen (…). Und deswegen sag ich, manchmal muss auch kloppen sein, da muss man halt zur Sache gehen. Besser als den ganzen Tag nur rumnölen. Das ist wie ein reinigendes Gewitter und dann geht’s weiter.“ Hier bezog sich der Befragte auf ein Stereotyp traditioneller Männlichkeit. Er betonte Sexualität (Kinderzeugen), Körperkraft und autoritäres und konkurrierendes Handeln (‚ich hau die in die Tonne’) als männliche Eigenschaften. Für einen anderen Interviewten waren es die „unterschiedlichen Eigenschaften“ von Lehrern und Lehrerinnen, die in der Schule relevant werden:

„Wir haben unterschiedliche Eigenschaften, die auch an die Schüler weitergegeben werden.“ 3. Bedeutung von Geschlechtsrollenzuweisung durch Schüler_innen Aufgrund klassischer Rollenbilder von Schülern, insbesondere an der Haupt- und Realschule, erfolge nach drei Interviewten oft eine Nichtakzeptanz der Lehrerinnen. Ein Lehrer verwies auf die Erfahrungen seiner Frau. Sie habe schon vor fünfzehn Jahren von der Haupt- und Realschule zur Grundschule gewechselt, da sie keine Lust auf die Frauenrolle hatte, die ihr dort durch die Schüler zugewiesen worden sei. Aber auch Männer, die nicht dem klassischen Geschlechterbild entsprechen (wollen), unterrichteten, so dieser Lehrer, besser nicht an der Haupt- oder Realschule. Er selbst habe sich

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aus diesen Gründen entschieden, Gymnasiallehrer zu werden. Aber auch am Gymnasium sehe er sich in schwierigen Klassen gezwungen, Eigenschaften anzuwenden, die er ‚männlich’ konnotiere und die er ablehne.

„So, und dann bin ich als Mann gefordert, hier Seiten anzuwenden, wo ich dann hart vorgehe (…), da muss ich wirklich Mann sein.“ Dieser Lehrer erscheint hier offensichtlich als Gegenpol zu dem anderen, der ‚autoritäre’ Seiten als Teil von Männlichkeit positiv unterstrich.29 Festzuhalten bleibt, dass das Bild eines ‚richtigen’ Mannes sich in beiden Beschreibungen ähnelte, einer der Lehrer jedoch allerdings als negativ bewertete, was ein anderer als positiv hervorhob. Geschieht durch die Akzeptanz und Nichtakzeptanz der Schüler_innen eine Selektion der Lehrer_innen danach, ob sie klassisches Modell sein wollen oder ob sie dem klassischen Bild nicht entsprechen wollen? Ist es Zufall, dass die hier erwähnten Lehrer in konträren Schulstufen unterrichten? Handelt es sich nicht vielleicht eher um die Akzeptanz des schichtspezifisch Gewohnten? Wenn ja, trägt diese Selektion zur Reproduktion klassen- bzw. schichtspezifischer Geschlechtsstereotypen bei?30 Wird hier die Verschränkung der Strukturkategorie Geschlecht mit der Strukturkategorie ‚Klasse’ mitreflektiert?

4.3.5 Geschlechterdifferenzen im Kollegium Es wird deutlich, dass die Interviewten sehr feste Vorstellungen davon haben, was als ‚männlich’ und was als ‚weiblich’ gilt. Frauen, die diesen Vorstellungen nicht entsprechen gelten als ‚untypische’, also ‚männlich agierende’ Frauen. Ein Lehrer unterschied das ‚weibliche’ Handeln der Kolleginnen von dem der Schulleiterin:

„Das ist eine Karrierefrau, die weiß was sie will, die die Richtlinien der Behörde ganz ernst nimmt, die sich nichts vormachen lässt, die sich nicht auf der Basis von Charme umwickeln lässt (....). Zweifellos nutzt sie ihren Charme, den sie hat, aus, um Dinge durchzusetzen. Sie kann sehr gut delegieren (...). Sie schafft es also sehr gut, andere einzusetzen für Aufgaben, und nutzt da auch den Vorteil der Frau aus, da man ihr schlecht was abschlagen kann, wenn man ein Mann ist. (...) Sie macht es bewusst,

29 Eine Analyse der Männlichkeiten und der (Ent-)Hierarchisierung von Männlichkeit an der Schule vor dem Hintergrund der theoretischen Konzepte von Connell (1999) und Meuser (1998, 2002) wäre an dieser Stelle interessant. 30 Dass die soziale Herkunft in Deutschland maßgeblich darüber bestimmt, welcher Bildungsweg eingeschlagen wird, wurde erneut durch die PISA-Studie 2000 empirisch bestätigt.

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dass ist kein naiver Charme, das ist ein sehr gezielter Charme. Sie kennt ihre Wirkung. Aber das ist nicht das Wesentliche ihrer Arbeit, sagen wir mal sie lässt den Charme nicht aus als Mittel. Ihr Spektrum ist da weiter als das eines männlichen Chefs, sag ich mal. (...) Und sie schafft sich durchaus auch ein weibliches Umfeld, indem sie sich eine Mannschaft von Kolleginnen langsam heranbildet, ein Team. Also das gehört vielleicht zu ihrer Überlebensstrategie dazu.“ Die Schulleiterin setze ihren ‚weiblichen Charme’ auf eine männliche Weise, da sehr rational, ein und erweitere dadurch ihr Handlungsrepertoire. Dieser Lehrer lieferte zugleich eine Deutung des Verhaltens der Schulleiterin mit, indem er die dahinter liegend vermutete ‚Überlebensstrategie’ benannte. Ein anderer Interviewpartner beschrieb ein ähnliches Konkurrenzphänomen: Wenn Frauen versuchten, sich in ‚männlichen Qualitäten’ stark zu machen, dann überträfen sie darin meist die Männer.

„Dann werden sie noch mehr Mann, dann wollen sie noch mehr Seilschaften aufbauen, dann versuchen sie noch mehr sich durchzusetzen, sie überziehen dann sozusagen. Das kommt dann dadurch zum Ausdruck, dass die Männer dann nicht rauchen, die Frauen aber rauchen, rauchen, rauchen. Die stehen total unter Spannung, vielleicht auch, weil sie sich mit den Männern auseinandersetzen müssen und behaupten müssen auch vielleicht.“ Die Frage nach der Differenz wurde hier in Zusammenhang mit einem Machtkampf zwischen den Geschlechtern beschrieben. Beide Lehrer beschrieben ihre Beobachtungen mit dem reflektierten Verweis, dass es Frauen auch von den Männern nicht leicht gemacht werde, so genannte ‚männliche’ Tätigkeiten auszuüben. Die Konkurrenz um die gesellschaftliche und berufliche Position wurde hier wahrgenommen als ein Ringen, das sich als Ringen der Geschlechter vermittelt. Das heißt, die strukturkategoriale Bedeutung von Geschlecht lag durchaus im Wahrnehmungshorizont dieser beiden Lehrer. Thematisiert werden diese Geschlechtsunterschiede, nach der Erfahrung dreier Befragter, nur in privaten Einzelgesprächen. Nur ein Lehrer erwähnte ein Fortbildungsangebot zum Thema ‚Feedback’, wo seiner Meinung nach ein geeigneter Raum zur Reflektion geschlechtsspezifischer Beobachtungen innerhalb des Kollegiums gewesen sei. Er sei jedoch der einzige männliche Teilnehmende seines sonst relativ geschlechterparitätisch besetzten Kollegiums gewesen. Auf direkte Nachfrage hin wurden wahrnehmbare Geschlechtsunterschiede im Kollegium von den meisten verneint. Nur die beiden ältesten Befragten, beide männlich,

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teilten Beobachtungen mit.31 Sie beschrieben das unterschiedliche Engagement von Lehrerinnen und Lehrern im Schulalltag.

„Die Kolleginnen sind die, die immer da sind, die helfen immer, die schlagen nie was ab. Die Männer sind immer noch diejenigen, die sagen, ‚Ja wieso krieg ich denn dafür ’ne Freistunde oder habe ich dafür meine Präsenszeit abgegolten, wenn ich das hier mache?’ (...) Die Kolleginnen sind auch die, die mehr auf Mitarbeit von Schülern achten und auch sehr viel Kontakt zu Schülern haben, sie privat empfangen. Und ich zum Beispiel, ich leg da keinen großen Wert drauf. Ich trenn das – Schule und Privatheit.“ Der hier zitierte Lehrer beschrieb seine Wahrnehmung ohne Wertung, ein anderer hingegen distanzierte sich von dem von ihm als ‚weiblich’ konnotierten Verhalten:

„Gut, und in der Schule da gibt es auch einige Kolleginnen, die irgendwas monieren oder beklagen, wo wir dann mit drei Kollegen sitzen und sagen, ‚Sach mal, hat die ’ne Schacke oder was?’. Die monieren zum Beispiel, dass ich ins Klassenbuch falsch eingetragen hab. Die sind so formalistisch, so pingelig. Das sind nicht alle Kolleginnen, aber das sind mehr Frauen bei uns. Alles was hier der Senat beschließt ist mehr Arbeit für die Lehrer. Jetzt sind wir wieder bei Frauen. Im Moment müssen wir Konferenzen machen. Ich bin 30 Jahre Lehrer, ich habe keine Lust über ‚Die Stellung des Kommas bei Goethe’ zu reden oder mit jemandem den Deutschunterricht vorzubereiten. Das ist doch lächerlich! Wenn wir diese Konferenzen jetzt haben, versuchen wir halt möglichst wenig Arbeit rein zu stecken. Weil wir das für sinnlos halten, für absoluten Schwachsinn, was die da beschlossen haben. Und da sind ganz viele Frauen, die formalistisch sind, die sagen, wir müssen Protokoll führen, und ’nen Hefter anlegen und schreiben sich alles auf.“ Beide Lehrer skizzierten, dass die Kolleginnen sich weniger von offiziellen Arbeitsaufträgen abgrenzen können als die Kollegen, und dies auch gar nicht wollten.

4.4

Verquickung der Kategorie Geschlecht mit anderen Differenzlinien – insbesondere mit Religion/Migration

Anhand der Interviews wurde deutlich, dass verschiedene Differenzlinien im Zusammenhang mit den Unterschieden zwischen Schüler_innen wahrgenommen wurden. Verknüpft mit der Wahrnehmung von geschlechtsbezogenen Differenzen zwischen den

31 Auch hier wäre zu überprüfen inwiefern das Alter (evt. synonym für das anzunehmende Ausmaß oder den Schwerpunkt der geschlechtertheoretischen Vorbildung) entscheidend ist und ob ein Ungleichheitstabu eventuell bei jüngeren Lehrer_innen oder bei Frauen ausgeprägter ist.

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Schüler_innen dominierte eindeutig eine Differenzkategorie: In allen interaktiven Bereichen, in denen ‚Geschlecht’ wahrgenommen wurde, thematisierten und problematisierten die Lehrer_innen Schüler_innen mit Migrationshintergrund, meist sogar an erster Stelle (z.B. bei der Frage nach der Bedeutung des Geschlechts der Lehrperson). Die Gender-Praktiken von Schüler_innen mit Migrationshintergrund wurden hier nicht nur als anders, sondern, wie im anstehenden Zitat, als extremer beschrieben. Erst dadurch, dass geschlechtlich markierte Handlungsweisen ‚muslimischer’ Schüler_innen als störend wahrgenommen wurden, problematisierten die Lehrer_innen geschlechtlich kodiertes Handeln im Interview. Geschlechtsbezogene Unterschiede der weißen bzw. autochthonen Schüler_innen wurden nicht wahrgenommen. Vier der sechs Interviewten hoben die Geschlechterbilder der ‚türkischen’ oder ‚muslimischen’ Schüler_innen hervor.

„Bei den türkischen Schülern, da sind die Unterschiede krasser noch, da sind die Jungen machohaft teilweise und die Mädchen sehr scheu und sehr zurückhaltend. Die Jungen sind sehr viel offener und fallen mehr auf, machen mehr Lärm und machen mehr Theater.“ An dieser Stelle lässt sich nicht klären, inwieweit diese Beurteilung der Lehrperson auf empirisch signifikanten Unterschieden beruht. Die Ähnlichkeiten einer ethnisierenden Wahrnehmung von Geschlechterstereotypen und einer traditionellen Genderattribution haben jedoch Tradition. Die Topoi vom machohaften türkischen Jungen und dem zurückhaltenden und stillen (Kopftuch tragenden) türkischen Mädchen wurden in verschiedenen Studien bereits analysiert (Auernheimer u.a. 2001, Weber 2003). Als Quelle des durch die Lehrkräfte und Schüler_innen wahrgenommenen ‚GenderTraditionalismus’ gilt bei diesen die Religion des Islams (Weber 2003: 175). Webers Untersuchung der ‚Wahrnehmung und Beurteilung ethnischer und geschlechtlicher Differenzen aus Lehrer_innensicht’ an der gymnasialen Oberstufe ergab, dass ‚türkische Mädchen’ außerdem noch in zwei weiteren Kategorien durch die Lehrpersonen beschrieben wurden: das des freizügigen, Minirock tragenden, selbstbewussten türkischen Mädchens und des ‚untypisch türkischen’, also des ‚normal wirkenden’, dem deutschen Mädchen ähnelnden türkischen Mädchens (Weber 2003: 117-180). Weber stellt die These auf, dass sich hierin „die westlich-christliche Tradition einer doppelseitigen Weiblichkeitsattribution“ (ebd.: 178) zeigt. In dieser ist die Frau entweder ‚Heilige’ (‚die brave Ehefrau’) oder Hure (‚Hexe‚ ‚femme fatale’, ‚Flittchen’). Bereits Simone de Beauvoir beschrieb 1949 diese Doppelseitigkeit in der Wahrnehmung und Beschreibung des Weiblichen. In ihr wird die Frau durch ihren Mangel als das ‚Andere’, als das ‚Naturhafte’ charakterisiert, also als Gegenpol zu dem ‚zivilisierten’ Mann (Beauvoir 1999: 320f.). Diese Komplemente funktionieren, wie die meisten Kategorisierungen, nicht nur als Außenzuschreibungen, sondern präsentieren sich auch als die einer „weib-

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lichen Selbstentfremdung in der patriarchalen Welt“ (Horkheimer/ Adorno 2000: 81). Weber (2003: 183) weist auf die Analogie zwischen der doppelseitigen Sicht auf die ‚Frau’ (Heilige oder Hure) und der doppelseitigen Sicht auf den ‚Wilden’ (‚Edler Wilde’ oder ‚Kannibale’) in der Kolonialgeschichte hin. Nach Fleßner (2005: 168) sind Rassismen in pädagogischen Settings facettenreich präsent. Über quasi-naturalisierende Abwertungssysteme werden soziale Ausschlussprozesse begründet. Heterogenität werde nicht wahrgenommen, sondern es gehe zum Beispiel nur um die ‚türkischen Frauen’ (ebd.). Weber stellt fest, dass die Beschreibung der ‚türkischen’ Gender-Praktiken durch Lehrpersonen immer mit einer darin hervorgehobenen Abwertung verbunden sei (Weber 2003: 188).32 Das eingangs angeführte Zitat, in dem von ‚krasseren Unterschieden’ gesprochen wird, könnte nun folgendermaßen zugespitzt werden: „‚Türkische’ SchülerInnen werden als Geschlechtswesen konstruiert. Im Kontrast dazu werden ‚deutsche’ SchülerInnen geschlechtlich neutralisiert“ (ebd.: 188). Nach Weber beziehen Autochthone durch den vergeschlechtlichten Ethnisierungsdiskurs Distinktionsgewinne im Kampf um legitime Lebensstile innerhalb der symbolischen Ordnung33 der Geschlechterverhältnisse. Durch die Abgrenzung gegenüber ‚türkischen’ Geschlechterkonzepten wird ein kulturelles Ideal von Weiblichkeit (und Männlichkeit; J.K.) entworfen,34 „dessen Entsprechung in den Gender-Praktiken der autochthonen Mehrheit verortet wird“ (ebd. 176). Die Selbstverortung als emanzipierte und gleichberechtigte Frau oder als aufgeklärter Mann wird bekräftigt durch die Zeichnung des Komplements der muslimischen ‚unterdrückten’ Migrantin oder des ‚türkischen Machos’. Geschlechterunterschiede, die unter als nicht-muslimisch geltenden, autochthonen Jungen und Mädchen auffallen, werden nicht mit einer Hierarchisierung der Geschlechter in Verbindung gebracht. Sie werden nicht im Hinblick auf ihre strukturkategorialen Aspekte betrachtet, sondern gelten als ‚normal’ und „spielen im Unterricht keine Rolle“ (siehe 4.3). Die Geschlechtlichkeit der die Mehrheit bildenden nicht-muslimischen Schüler_innen wird nur wenig thematisiert, ebenso wenig steht die Geschlechtlichkeit von Lehrpersonen im Schulalltag auf der Agenda der gemeinsamen Reflektion. Das heißt,

32 Zu überprüfen wäre, ob hier ein Zusammenhang mit der Zunahme an Islamophobie nach dem 11. September (EUMC-Bericht 2002) besteht. 33 Die symbolische Ordnung ist ein Begriff, der durch Pierre Bourdieu (1987) geprägt wurde. Er geht davon aus, dass sich in den, meist unbewussten, Praxen von Individuen, wie etwa in Geschmack und Habitus, gesellschaftlicher Status abbildet. Durch diese Praxen können Individuen in ihrem gesellschaftlichen (symbolischen) Rang unterschieden werden. So kann die Legitimation des Herrschaftsgefüges auch ohne offensiven Zwang aufrechterhalten werden. 34 Meuser (1998, 2002) hat beschrieben, wie sich reflektierte bzw. aufgeklärte Männlichkeit als hegemoniale Männlichkeit über die Differenz zur subalternen ‚Macho-Männlichkeit’ herstellt.

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unter Kolleg_innen wird nicht thematisiert, inwiefern ein bestimmtes erlerntes Verhalten oder eine im Moment eingenommene Rolle mit hierarchisierenden gesellschaftlichen Strukturen zusammenhängt. Erst im Falle einer massiven Störung, das heißt, wenn die (in der Schulhierarchie höhergestellte) Lehrerin von einem ihrer Schüler nicht akzeptiert wird, kann das Lehrperson-Sein als vergeschlechtlicht zum Gegenstand des Austauschs und der Lösungssuche werden. Drei meiner Interviewpartner_innen problematisierten im Hinblick auf die Bedeutung des Geschlechts der Lehrenden den differierenden Grad der Akzeptanz von Lehrerinnen und Lehrern durch muslimische Schüler.

„Die muslimischen Kinder sind in Konfliktsituationen oftmals fixiert auf Männer, das heißt, die Männer werden eher akzeptiert als Frauen.“ Eine Lehrperson beschrieb das als ‚anders’ wahrgenommene Verhalten ‚türkischer’ Schüler im Hinblick auf ihr Desinteresse am Politikunterricht. Sie führte an dieser Stelle jedoch nicht kulturelle (im Zusammenhang mit der Religion stehende) Gründe an, sondern beschrieb das ‚Mackergehabe’ als situatives und strategisches Verhalten, um Unwissenheit zu überspielen:

„Bei Schülern mit Migrationshintergrund, z.B. mit türkischem, da steht häufig ein Mackergehabe im Vordergrund mit dem Unkenntnis kompensiert wird. Hinzukommt, dass die Akzeptanz von weiblichen Lehrkräften gering ist, Ablehnung der demokratischen, gleichberechtigten Strukturen, die den Schülern im Politikunterricht nahe gebracht werden sollen, demokratisches gleichberechtigtes Verhalten.“ Zwei der interviewten Lehrpersonen gaben an, dass die Nichtakzeptanz von Lehrerinnen durch ‚muslimische Schüler’ auch im Lehrer_innenzimmer thematisiert werden. Durch die Erfahrung des drastischen Autoritätsverlusts auf der institutionellen Seite wird das als überholt geglaubte Thema ‚Geschlecht’ im Lehrer_innenzimmer wieder35 ‚salonfähig’. Allerdings bedeutet diese ‚Salonfähigkeit’, wie den Aussagen der Interviewten zu entnehmen ist, nicht die Reflektion eigener Gender-Praktiken, sondern zunächst handelt es sich um einen von außen herangetragenen Konflikt. Ein weiteres Beispiel für ethnisierende Wahrnehmung lässt sich an der Haltung eines Lehrers gegenüber dem Feminismus explizieren: Skandalisierung von Geschlechterdifferenzen und -hierarchien im nichteuropäischen Ausland, während von einer Irrelevanz der Geschlechterdifferenz im eigenen westlich-europäischen Kontext ausgegangen wird.

35,Wieder’, wenn davon ausgegangen wird, dass in den 70er und 80er Jahren, also zur Zeit der zweiten Frauenbewegung, feministische Bemühungen auch in der Schule ihren Widerhall fanden.

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„Aber Feminismus ist für mich, ähm, doch ne Sache, die sag ich mal so, doch aus den 60ern kommt (…). Äh, und da absolut, äh, ja seinen Platz hatte, und jetzt hat es eher für mich den Platz in anderen Ländern, also in Entwicklungsländern, im Islam also, äh, in Vorderasien, in Afrika, da ist das Thema, denk ich, also, das heißt, da ist soviel zu tun, und in diesen Ländern, z.B. die Tschadorgeschichte im Iran und, ähm, die Beschneidungsgeschichte in Afrika und in Indien auch, die Witwen die dort verbrannt werden, also ich denke da, das ist das Thema eigentlich.“

4.5

Hinderungsgründe für Geschlechterreflexion

Zentrale Gründe für die mangelnde Thematisierung von Geschlechterverhältnissen durch Gemeinschaftskundelehrer_innen liegen in dem Mangel an Zeit sowie an entsprechenden Weiterbildungsmöglichkeiten begründet. Zwei der Interviewten konstatierten hohe und darüber hinaus zunehmende Arbeitsbelastung, die keine Kapazitäten für Feedback, Reflektion oder Weiterbildung ließe, sondern maximal für die reine Unterrichtsorganisation ausreiche.

„An der Schule ist schon auch beobachtbar, dass die Errungenschaften der Frauenbewegung rückläufig sind. Das hängt nicht unbedingt mit den Themen zusammen, sondern dass durch administrative Geschichten Aufgaben auf die normalen Lehrkräfte verlagert werden, und durch das Alter. Viele Jahre war ich die jüngste Kollegin, jetzt sind noch ein paar Kollegen da, die noch unter 40 sind. Also, die Kollegen sind alt, teilweise krank, und dann ist der Rückzug in das Private einfach da. Die sagen, bevor ich ganz zusammenbreche, die haben richtig heftige Burnout -Symptome, erfolgt dieser Rückzug ins Private, nach dem Motto, ich mach gerade meinen Unterricht, nichts mehr. Zu den Konferenzen meld’ ich mich krank, und das belastet natürlich. Das fördert nicht.“ Verschiedene Studien haben das außergewöhnlich hohe Auftreten von Stress- und Burnout-Symptomen im Lehrer_innen-Beruf nachgewiesen36, das verstärkt bei älteren Lehrer_innen auftritt. Momentan liegt der Altersdurchschnitt der Lehrer_innen in Bre-

36 Im Auftrag des Senators für Bildung und Wissenschaft haben die Wissenschaftler Berndt/Schönwälder/Tiesler/Ströver vom Institut für Interdisziplinäre Schulforschung am Fachbereich Human- und Gesundheitswissenschaften der Universität Bremen 178 Lehrer und Lehrerinnen an fünf Bremer Schulen ein bis zwei Wochen lang in ihrem Arbeitsalltag begleitet: Lehrkräfte sind hohen und nicht ausreichend kompensierten psychischen und körperlichen Anforderungen ausgesetzt; über wenige Berufs-Jahrzehnte hinweg führen diese Bedingungen zu einem Verschleiß an psychischer und physischer Leistungsfähigkeit und zwingt den größeren Teil aller Lehrkräfte zur vorzeitigen Beendigung des Berufslebens (http://www.tresselt.de/arbeit.htm, 3.3.2006).

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men bei etwa 50 Jahren. Die derzeitige Bildungspolitik forciert dabei die zunehmende Ökonomisierung der Schulstrukturen und damit die Verschlechterung der Situation der Lehrpersonen (z.B. durch Vergrößerung der Klassenstärken, Erhöhung der Stundenzahl, Belastung von Lehrpersonen mit Verwaltungsaufgaben).37 Eine andere der Befragten problematisierte die Struktur von Schule im Hinblick auf die Organisation von Weiterbildungsangeboten. Nicht die Arbeitsüberbelastung steht im Fokus ihrer Kritik, obwohl sie diese benennt, sondern die Beschaffenheit der Weiterbildungsmöglichkeiten. Ihrer Meinung wäre eine engere Koppelung von Schule und Weiterbildungsmöglichkeiten für Lehrer_innen notwendig:

„Also neuere Theorien der Geschlechterforschung sind garantiert noch nicht in der Schule angekommen, wie Sie hier an mir sehen. Und das liegt an der Struktur von Schule. Dafür gibt es keine Zeit. Es gibt viele Dinge, die man gerne machen würde oder mit denen man sich gerne beschäftigen würde und es beim besten Willen nicht schafft. Die Arbeitsbelastung ist zu hoch, da würde es nur etwas bringen, wenn man das an die Leute heran trägt, dichter noch. Es gibt jetzt einen Frauenarbeitskreis, das ist schon relativ dicht dran, aber der ist dann aber auch freiwillig, wenn ich denn dann mal dahin gehe. Und dass müsste direkt an die Schulen ran.“

5 Fazit Ich werde im Folgenden zunächst die bei der Untersuchung ausgemachten Charakteristika der Haltung und Einstellung von Lehrpersonen skizzieren, um dann in einem weiteren Schritt mögliche Faktoren zu erörtern, die die Wahrnehmung der Lehrpersonen beeinflussen. In einem abschließenden Ausblick werden praktische Implikationen angesprochen, die durch die hier ermittelten empirischen Befunde nahe gelegt werden. Die Auswertung meiner Interviews zeigt verschiedene Facetten der Wahrnehmung der Lehrpersonen hinsichtlich der Relevanz von Genderstudies für die Schule. Die qualitativen Ergebnisse erlauben hier keine abschließende Beantwortung, sie veranschaulichen mögliche Tendenzen und eröffnen somit vielfältige neue Forschungsfragen. Sie geben ein erstes Gerüst an Auswertungskategorien, welche bei einer quantitativen For-

37 Beispielsweise wurde in Bremen im Schuljahr 2004/2005 die Wochenarbeitszeit von Lehrer_innen um eine Stunde erhöht (http://www.kmk.org/statist/Pflichtstunden%20der%20Lehrer_2005.pdf, 4.3.2006).

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schung verwendet werden könnten.38 Diese Arbeit kann demnach als vorbereitender Schritt für ein noch zu erschließendes Feld der Schulforschung und der Politikdidaktik verstanden werden. Die zentralen Ergebnisse der Interviewauswertung lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Wahrnehmung der Bedeutung von Geschlecht und daraus folgend die Wahrnehmung der Bedeutung von Genderstudies für die Schule durch Gemeinschaftskundelehrer_innen ist von ausgeprägten Ambivalenzen gekennzeichnet. Alle Interviewten betonten, wie wichtig die Gleichberechtigung in der Gesellschaft, aber auch im Privaten sei und dass es immer noch in Richtung Gleichberechtigung zu wirken gelte, da diese noch immer nicht umgesetzt sei. Die Lehrpersonen waren in der Lage, fortbestehende Geschlechterdifferenzen zu benennen. Von manchen Befragten konnten diese auch sehr deutlich im Hinblick auf ihr Wirken im Schulalltag beschrieben werden. Sie nannten ebenso eigene Praktiken mit Geschlechterdifferenzen umzugehen, die sich ihrer Tendenz nach auch als ‚geschlechtssensible’ Ansätze beschreiben lassen.39 Diese Gender-Kompetenz der Lehrer_innen wird durch verschiedene Aussagen stark relativiert. Die männlichen Befragten sprachen mit Selbstverständlichkeit davon, dass sie Geschlechterverhältnisse nicht im Gemeinschaftskundeunterricht thematisierten. Die weiblichen Befragten reflektierten diesen Ist-Zustand zwar als bedauerlich, jedoch ohne ihn zu skandalisieren.40 Auch wurde ‚Geschlecht’ nicht unter den aufzuzählenden Kategorien, die unterschiedliche Voraussetzungen der Schüler_innen ausmachen, genannt. Dem Anschein nach bestand eine Barriere, Differenzen zwischen Mädchen und Jungen und Männern und Frauen klar zu benennen: Geschlechtsspezifische Unterschiede, die auf Nachfrage hin benannt werden konnten, wurden zuerst ignoriert oder als irrelevant verworfen. Trotz des proklamierten Anspruches, dass es weiterhin wichtig sei, Geschlechterhierarchien entgegen zu wirken, bestand kaum oder keine Auseinandersetzung mit differenziertem und aktuellem Wissen darüber, wie dies geschehen könnte. Zentrale Theo38 Bei einer vertiefenden Forschung wäre insbesondere auf eine ausgewogene Anzahl bei Alter und Geschlecht der Befragten zu achten. Aufgrund des begrenzten Zeitrahmens war es mir leider nicht möglich, eine paritätische Anzahl von weiblichen und männlichen als auch von jüngeren und älteren Lehrer_innen zu interviewen. 39 Diese Ansätze können allerdings, da es sich meistens um ‚Defizitansätze’ handelte, gemessen an den aktuellen Konzepten der Reflexiven Koedukation bzw. Jungen- und Mädchenarbeit, als veraltet bezeichnet werden. 40 Aufgrund der geringen Datenmenge lassen sich keine endgültigen Schlüsse darüber formulieren, ob und wie stark die Geschlechtszugehörigkeit mit der Thematisierung von Geschlechterverhältnissen im Unterricht korreliert.

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rien der Genderstudies und sogar die Bedeutung des Wortes ‚Gender’, waren unbekannt. Hier zeigt sich, dass aktuelle Genderstudies als Wissenschaft für die pädagogische Praxis der Interviewten derzeit irrelevant sind, obwohl sie es dem Anspruch der Lehrer_innen nach (und auch nach dem der Rahmenlehrpläne und des Grundgesetzes) sein müssten. Gewöhnlich dauert es in allen Wissenschaftsfeldern eine Zeit bis Forschungsergebnisse in der Institution Schule rezipiert werden. Meine Interviews legen jedoch die Hypothese nahe, dass im Bereich der Genderstudies keinerlei Transfer zwischen Schule und Universität stattfindet, da nur in Ausnahmen Basiswissen zu Genderfragen bestand. Die inkonsistenten Sinnstrukturen, die sich in den Aussagen der jeweiligen Interviewten manifestieren, sind nicht verwunderlich. Wie schon in der Einleitung dieser Arbeit skizziert wurde, ist die Thematisierung von Geschlechterhierarchien und Geschlechterfragen dem Bereich der Gemeinschaftskunde durch Rahmenpläne offiziell zugeschrieben und durch die Beschaffenheit des Gegenstandes ‚Gender’ naheliegend. Gleichzeitig jedoch sind die Bezugswissenschaften und die offizielle Politik von Geschlechtsblindheit und Androzentrismus geprägt. Vor dem theoretischen Hintergrund und angeregt durch die Aussagen der Lehrpersonen selbst lassen sich Hypothesen über verschiedene Faktoren aufstellen, die die Wahrnehmung der Lehrpersonen beeinflussen: •

Die interviewten Lehrpersonen gebrauchten in ihrer Sprechweise, wie im gesellschaftlichen Mainstream üblich, das generische Maskulinum als ‚neutrale’ Endung. Die dadurch geschehende Unsichtbarmachung von Frauen in der Sprache wirkt einer Problematisierung von Differenz, also einer Anerkennung der Relevanz von geschlechtertheoretischer, d.h. geschlechtsreflektierender, Auseinandersetzung, entgegen.

Dekonstruktive Konzepte und Lebensweisen von Geschlecht, die über den Horizont der Zweigeschlechtlichkeit hinausweisen, wie Inter- und Transsexualität oder Transgenderismus, blieben unbenannt. Dichotome Geschlechterdifferenz, das bipolare Kategorienpaar Mann und Frau, wird unhinterfragt als gegeben gesetzt.

Als Erbe traditioneller Diskurse oder als Relikt differenzfeministischer Strömungen gilt Gender als Frauenthema. Das könnte bedeuten, dass weibliche Geschlechtszugehörigkeit eine Aufgeschlossenheit gegenüber Ergebnissen der Genderstudies und männliche Geschlechtszugehörigkeit Ignoranz oder Unsicherheit gegenüber dem ‚Genderthema’ begünstigt.

Die Studienzeit der Lehrperson nimmt Einfluss auf die Positionierung zu und Kenntnis der Genderstudies. In meinen Interviews kamen nur Lehrpersonen äl-

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ter als 45 Jahre zur Sprache. Zwei Lehrerinnen äußerten die Beobachtung, dass jüngere Lehrer Gender- bzw. feministischen Themen gegenüber aufgeschlossener seien. Das könnte daran liegen, dass im heutigen universitären Alltag ‚Gender’ mittlerweile häufiger thematisiert wird als vor 30 Jahren.41 •

‚Feministisch-Sein ist out’: Da dies sogar von einer interviewten, feministisch inspirierten Lehrperson soweit in ihr Bewusstsein integriert wurde, dass sie von dieser ‚Selbstbezeichnung’ ähnlich einer ‚Selbstbezichtigung’ Abstand nahm, zeigt die prekäre Lage auf, in der sich feministische Bemühungen, zu denen wohl auch die Implementierung von geschlechtertheoretischen Erkenntnissen an der Schule zählen dürfte, befindet.

Geschlechterdifferenzen und -hierarchien werden von den Lehrpersonen entdramatisiert, d.h. als irrelevant abgetan, bevor sie genannt werden. Grund dafür ist die gesellschaftliche Gleichheitsrethorik. Sie schafft ein Ungleichheitstabu, das verhindert, dass wahrgenommene Differenzen unaufgefordert benannt werden. Sie werden für ‚längst nicht mehr wichtig’ gehalten und verschwiegen. Geschlechterunterschiede können jedoch erst über eine Offenlegung, also Benennung, differenziert wahrgenommen und als strukturell bedingt reflektiert werden, so dass schließlich eine Erweiterung von Handlungsoptionen, also eine tatsächliche Entdramatisierung, möglich ist, die den Stereotypen und damit Hierarchien entgegenwirkt.

Geschlechterdifferenzen werden nur bei den Schüler_innen mit Migrationshintergrund (insbesondere bei den Muslimen und Muslimas) problematisiert. Durch diese Fokussierung wird zum einen von den Gender-Praktiken der autochthonen Schüler_innen und der (in der Regel ebenfalls autochthonen) Lehrer_innen abgelenkt. Andererseits rückt z.B. die Nichtakzeptanz von Lehrerinnen durch ‚türkische’ Jungen Geschlechterdifferenzen überhaupt erst in den Fokus der Aufmerksamkeit und in den Bereich des Thematisierbaren, ohne dass z.B. die Thematisierende durch die Thematisierung in Gefahr gerät, als ‚Feministin’ oder ‚Softi’ abgewertet zu werden. Lehrer_innenfortbildungen zum Thema ‚Gender’ könnten an dieser Stelle ansetzen. Hier zeigt sich auch, dass eine feministische bzw. gendersensible Pädagogik nicht getrennt werden darf von einer antirassistischen bzw. interkulturellen Pädagogik.

Die Struktur der Schule, bedingt durch die Bildungspolitik, behindert auf verschiedenen Ebenen den praktischen Bedeutungsgewinn von Genderstudies:

41 Der Studienort, also das Lehrer_innenbildungskonzept der jeweiligen Akademie, könnte demnach auch ausschlaggebend sein. Auf diese Kategorie wurde in meinen Interviews jedoch nicht eingegangen.

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Durch hohe zeitliche und mentale Belastungen werden Geschlechterfragen reflektierendes Feedback (zum Beispiel über Teamteaching) oder Extrakonferenzen zu diesem Thema erschwert. •

Es werden bislang keine obligatorischen bzw. in den Lehralltag integrierten Fortbildungen zur Genderthematik angeboten. In fachspezifischen und didaktischen Fortbildungen wird, den Aussagen der Lehrpersonen nach, die Kategorie Geschlecht nicht thematisiert. Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung können Lehrpersonen nicht an freiwilligen Zusatzfortbildungen teilnehmen.

Wissenschaftliche Studien haben veranschaulicht, wie bedeutend die Kategorie Geschlecht heute noch immer für die Reproduktion von Hierarchien und Chancenungleichheit ist. Meine Studie zeigt die große Kluft auf, die zwischen dem Anspruch und der Realität der Schule und zwischen zeitgenössischer Geschlechterforschung und der Praxis der Vermittlung von sozialem und kognitivem Genderwissen in der Schule besteht. Um dieser Kluft entgegen zu wirken, wären Veränderungen auf allen Ebenen notwendig: gesellschaftlich, auf der Ebene der Organisation von Bildungspolitik, von Schule, Lehrer_innenbildung und -fortbildung und schließlich auch individuell, auf der Ebene individueller und interpersoneller Reflexion. Die Faktoren, die die Wahrnehmung der Lehrpersonen im Hinblick auf Genderstudies an der Schule beeinflussen, wären für Veränderungen notwendigerweise zu berücksichtigen. Sie zeigen konkrete Ansatzpunkte für Strategien auf, mit denen eine Rezeption und Multiplikation von geschlechtertheoretischem und feministischem Wissen an der Institution Schule implementiert werden könnte.

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6 Quellenverzeichnis

6.1

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