JUGENDKULTUR, RELIGION UND DEMOKRATIE POLITISCHE BILDUNG MIT JUNGEN MUSLIMEN
Nr. 2/15. OKT. 2007
Newsletter des Modellprojekts in Berlin-Neukölln und Essen-Katernberg/-Altendorf
EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, dies ist der zweite Newsletters des bpb-Modellprojekts „Jugendkultur, Religion und Demokratie. Politische Bildung mit jungen Muslimen“. (Eine Projektbeschreibung finden Sie im Newsletter Nr.1 auf der Homepage von ufuq.de. []) Die Resonanz auf die erste Ausgabe war ausgesprochen positiv. Sie spiegelte deutlich den Informationsbedarf wider, den es bei Multiplikatoren in Schulen, Jugendeinrichtungen und Behörden zu den Themen Islam, Islamismus und Jugendkultur unter Jugendlichen aus muslimisch geprägten Milieus gibt. Es gab aber auch kritische Reaktionen. Vor allem ging es dabei um die Auswahl der Stimmen, die wir im Newsletter präsentiert EDITORIAL 1 haben. Wir würden, so hieß es in einer Zuschrift, ein „einsei1. HINTERGRUND 2 tiges“ Bild von der muslimischen Jugend in Deutschland zeich„Was guckst Du?“ – nen. Diese hasse den Westen, liebe die Hizbullah und stelle eine Mediennutzung von antisemitische und integrationsunwillige Randgruppe dar, die muslimischen Jugendlisich vornehmlich für homophobe Rap-Texte begeistere – kurz: chen (Teil 2) Wir würden das Bild einer „Horde von Problemverursachern“ 2. MUSLIMISCHE, ARABISCHE 4 zeichnen. UND TÜRKISCHE STIMMEN Dies liegt uns fern. Vielmehr soll der Newsletter über PhänomeRamadan, Verbände zu ne, Einstellungen und Themen informieren, die von JugendTerror und Gewalt, lichen mit arabischen, türkischen und/oder muslimischen FamiHiphop zu Nahost, Pierre lienhintergrund diskutiert werden und der breiten Öffentlichkeit Vogel über „Ungläubige“, wenig oder gar nicht bekannt sind. Und weil es vorrangiges Ziel Fatwa gegen Ehrenmorde des Projekts ist, durch politische Bildungsarbeit Einstellungen 3. PUBLIKATIONEN 16 vorzubeugen, die das Zusammenleben in einer demokratischen Schwimmunterricht, Gesellschaft in Frage stellen, nimmt die Dokumentation von Islamforum, Mus„Problemthemen“ relativ großen Raum ein. Womit selbstverlimische Bürger und Zeitzeugenbegegnungen ständlich nichts über „die“ Muslime gesagt ist. 4. HINWEISE & MATERIALIEN 18 Auch steht die Bewertung der dokumentierten Positionen nicht „Koran im Kopf“ und im Vordergrund. Sicherlich: Über die Ideologie der Hizb ut„Hamburger Lektionen“ Tahrir möchten wir nicht streiten – sie ist eindeutig. (s. NL 1/2007) Anders sieht das schon bei den Songtexten zu den Kriegen im Nahen Osten aus, die wir in dieser Ausgabe dokumentieren: In ihrer Mischung aus emotionaler Betroffenheit und Ideologie entziehen sie sich einer unmittelbaren Bewertung. Sie sind Ausdruck von dramatischen Erfahrungen, die manch ein deutsch-libanesischer Jugendlicher während des Krieges im Sommer 2006 machen musste. Die Texte sprechen eine deutliche Sprache und drängen sich für Diskussionen mit Jugendlichen geradezu auf. Und darum geht es uns: Der Newsletter soll zur kritischen Auseinandersetzung mit jungen Muslimen anregen, indem Themen und Positionen dokumentiert werden, die diese Jugendlichen beschäftigen. Zum Schluss noch etwas zur Versendung des Newsletters: Dieser erscheint alle sechs Wochen und wir würden uns freuen, wenn Sie ihn an potentielle Interessenten weiter verbreiten könnten. Falls Sie den Newsletter nicht weiter erhalten möchten, bitten wir Sie, uns dies mit einer kurzen Mail mitzuteilen. (info@ufuq.de)
RAA/Büro für interkulturelle Arbeit
MaDonna Mädchenkult.Ur e.V.
1. HINTERGRUND onsforschung oft benutzte Begriff der „Diaspora-Gemeinschaft“ nur bedingt zur Beschreibung der Online-Kommunikation von Migranten. Schließlich, so Hugger, lasse sich die Nutzung türkischer Internetangebote nicht mit einer sozial-kulturellen Abgrenzung in einer ethnisch-homogenen Gruppe gleichsetzen. Gerade die Internet-Nutzung von deutsch-türkischen Jugendlichen sei vielmehr ein Beispiel für die Entstehung eines „transnationalen sozialen Raums“ (Hugger: 7), in dem Themen, Sprachen und kulturelle Codes aus deutschen und türkischen Kontexten miteinander verbunden werden. Die deutsch- und türkischsprachige OnlinePlattform Vaybee! (vaybee.de) steht für einen solchen grenzüberschreitenden kommunikativen Raum. Als kommerzielles Angebot, das im Frühjahr 2000 initiiert wurde, versteht sich Vaybee! als „zentrale(r) Treffpunkt und die Quelle für Informationen, Interaktion, Business und Commerce der neuen türkischen Generation in Europa“. („Über
„Was guckst Du?“ – Zur Mediennutzung von Jugendlichen mit arabischen, türkischen und muslimischem Familienhintergrund (Teil 2) Neuere Studien zur Mediennutzung von Jugendlichen haben die besondere Bedeutung des Internets als Kommunikations- und Informationsmittel hervorgehoben. Jugendliche Migranten unterscheiden sich darin nur unwesentlich von ihren herkunftsdeutschen Altersgenossen. Nach einer repräsentativen Umfrage, die jüngst von der Medienkommission der ARD und ZDF durchgeführt wurde, wird das Internet von 38% der 14 bis 29-jährigen Migranten täglich genutzt. Unter den befragten Deutschen sind dies 46%. (ARD/ZDF, Migranten und Medien 2007: 12)
Die Bedeutung des Internets für die Identitätsentwicklung von Jugendlichen ist dagegen bisher kaum erforscht. Der Bielefelder Medienpädagoge Kai-Uwe Hugger kommt zu der Einschätzung, „dass die Offline-Lebenswelten zunehmend durch Online-Lebenswelten ergänzt werden, mit einschneidenden Folgen für das Jugendalter. Das Netz bietet den Jugendlichen heute einen immer gewichtiger werdenden Teil derjenigen Ressourcen, die sie für ihr soziales Miteinander und das Aushandeln eines authentischen Bildes von sich selbst benötigen.“ (Kai-Uwe Hugger, Transnationale soziale Räumen: 12) „Offline-Leben“ und „Online-Leben“ sind danach nicht zwei separate Sphären des jugendlichen Alltags. Vielmehr handelt es sich um zwei eng miteinander verwobene Lebensbereiche, in denen Jugendliche denken und handeln. Deutsch-türkisches Online-Portal Vaybee! Am Beispiel von deutsch-türkischen Jugendlichen beschreibt Hugger die uns“, vaybee.de) Bereits 2004 zählte das Bedeutung dieser Internetnutzung im KonPortal mit über 300.000 registrierten Nuttext von Migration und Identitätsentwickzern zu den am meisten genutzten Onlinelung. Dabei eignet sich der in der Migrati-
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Angeboten unter deutsch-türkischen Migranten. Die thematische Mischung aus Lifestyle, Musik, Politik und Erotik zielt vor allem auch auf Jugendliche als potentielle Nutzer. Ganz ähnlich „funktionieren“ die Online-Portale MarocZone (maroczone.de) und Afghanmania (afghanmania.de). Trotz deutlicher Anspielungen an eine gemeinsame marokkanische bzw. afghanische ethnische Identität bedienen diese Portale ein deutschsprachiges Publikum nicht-deutscher Herkunft, dessen vielfältige Interessen in den Foren zum Ausdruck kommen. Religiöse Inhalte stehen dagegen im Mittelpunkt der Online-Angebote, die von deutschsprachigen Seiten wie Muslim-Markt (muslim-markt.de) und Muslima-Aktiv (muslima-aktiv.de) präsentiert werden. Trotz der Zugehörigkeit des Muslim-Markts zum virtuellen schiitisch-islamistischen Netzwerk des deutsch-türkischen Aktivisten Yavuz Özoguz wendet sich das Portal ausdrücklich auch an eine sunnitische Öffentlichkeit. Neben konkreten religiösen Fragen stehen vor allem politische Themen wie der Konflikt in Israel/Palästina, im Irak und in Afghanistan im Mittelpunkt. Vornehmlich an Frauen wendet sich dagegen das Forum Muslima-Aktiv, dessen Publikum zu einem großen Teil durch deutsche Konvertiten geprägt ist. (Brückner, Islamisches Cyberspace: 11) Ohne dass konkrete Daten erhältlich wären, scheint die Reichweite beider Foren unter jugendlichen Migranten allerdings begrenzt. Deutlich populärer unter Jugendlichen sind die multimedialen Angebote des islamischen Community-Portal Waymo. Das Portal, dass im Frühjahr 2007 gelauncht wurde, bietet mittlerweile einen umfangreichen Fundus an Videos und Audio-Dateien, die neben Koranrezitationen und Sendungen zu religiösen Fragestellungen diverse Aspekte des Themas „Islam in Deutschland“ ansprechen. Aiman Mazyek, Generalsekretär des Zentralrats der Muslime und verantwortlich für Waymo, beschreibt das Portal als Versuch, den Islam im Web 2.0 zu etablieren: „Wenn Sie so wollen ist Waymo ein Klon zwischen
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YouTube und StudiVZ, nur ganz auf die Bedürfnisse unserer Community zugeschnitten.“ (Islamische Zeitung, 20. Juni 2007) Jugendliche Migranten finden sich auch im breiten Spektrum der Nutzer von Community-Portalen wie MySpace. Herkunft und Religionszugehörigkeit spielen dabei häufig eine wichtige Rolle. Mit der Bebilderung des eigenen Profils mit libanesischen oder palästinensischen Fahnen oder durch die Wahl von Nicknamen, in denen auf die kurdische oder bosnische Herkunft angespielt wird, betonen die Nutzer ihre Zugehörigkeit zu einer
Illustration des MySpace-Profils “SMZA & Crecko”
bestimmten ethnischen Gruppe. Die Nutzung dieser Portale zeichnet sich dabei durch die Offenheit für unterschiedliche jugendkulturelle und politisch-religiöse Einflüsse aus. So vermischen sich auf einigen Seiten Hiphop-Videos mit explizit islamischen Texten und politischen Stellungnahmen. Das Interesse jugendlicher Migranten an politischen und gesellschaftlichen Themen, das in diesen Portalen zum Ausdruck kommt, ist dabei keineswegs passiv. Gerade die Möglichkeit, eigene Inhalte produzieren zu können, scheint die Popularität dieses Mediums auszumachen. Die Bedeutung arabischer und türkischer Fernsehsender für jugendliche Migranten ist Thema des nächsten Newsletters.
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Literatur:
in unseren Ländern – neue Wege zu gehen und vorwärts zu kommen. Wir bleiben, wo wir sind, jammern und beklagen unser schweres Los – und dann schauen wir wieder weg und machen weiter wie zuvor. (...) Die Sorgen Palästinas, des Iraks, des Libanons und des Sudans beschäftigen die Araber und Muslime in jedem Moment – es gibt eine feste Bande, die die Araber (in Deutschland) an die Umma bindet. Und jeder von uns wird von den Deutschen als Repräsentant aller Araber und Muslime betrachtet. Als Saddams Armeen Kuwait angriffen, wurden wir für sie alle zu Saddams. Als die Serben die Muslime in Bosnien massakrierten, wurden wir zu Opfern. Mit Tränen der Anteilnahme und des Mitleids über unser Schicksal, schauten sie uns an. Am Tag, als Muhammad Al-Durra gewaltsam und in die Enge getrieben getötet wurde, tötete man uns alle. Und nach den Ereignissen des 11. Septembers – möge Allah alles Unglück von Euch abwenden – waren wir alle verdächtig, selbst jene, die in ihrem
ARD/ZDF, Migration und Medien 2007. Ergebnisse einer repräsentativen Studie der ARD/ZDF-Medienkommission, 05. Juni 2007. [] Matthias Brückner, Zentrale Aspekte des islamischen Cyberspace – ein Überblick, 2004 (Powerpoint-Präsentation). [] Ahmet Attila Dogan, Internet-Online-Dienste mit türkischem Inhalt in Deutschland, in: Ev. Akademie Loccum (Hg.), Zwischen Autonomie und Gängelung. Türkische Medienkultur in Deutschland, Loccum 2002. Kai-Uwe Hugger, „Transnationale soziale Räume von deutsch-türkischen Jugendlichen im Internet“, MedienPädagogik, 10. Okt. 2005. []
2. MUSLIMISCHE, ARABISCHE UND TÜRKISCHE STIMMEN Al-Dalil zum Ramadan: „Rechte werden nicht gegeben, sondern erkämpft“ Die September-Ausgabe der Berliner Zeitschrift Al-Dalil stand ganz im Zeichen des Fastenmonats Ramadan. In einem Leitartikel gibt der Herausgeber des arabischsprachigen Magazins seine Sicht auf die Stimmung in der arabischen Community in Deutschland wider. Verbitterung über die Entwicklungen im Nahen Osten und Frustration über den geringen Einfluss von Migranten in der hiesigen Politik spiegeln sich in seiner Botschaft an die arabisch-islamische Bevölkerung in Deutschland. Zugleich fordert er die Muslime und Araber auf, selbst aktiv zu werden: „Der alljährliche Ramadan steht in diesem Jahr in Deutschland und besonders in Berlin unter denkwürdigen Vorzeichen. Er kommt zu einer Zeit, in der die Umma (die islamische Gemeinschaft) weltweit in dunkelsten Verhältnissen lebt und schwere Tage durchmacht. (…) Hier in der Fremde spüren wir die Schmerzen der Umma über das, was (in der arabisch-islamischen Welt) geschieht, vielleicht noch stärker. Trotzdem versuchen wir nicht – und darin gleichen wir den Menschen
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Illustration des Profils “Ein wahrer Weg” auf MySpace
Leben keine Moschee von innen gesehen haben. (…) Mitten unter den Menschen auf den Straßen Berlins wurden wir alle zu Bin Laden, verfolgt von tödlichen Blicken und Anklagen. Alle unsere Kinder, sogar die Mädchen, hießen an jenem Tag Usama, jeder Schleier wurde zur Zeitbombe und jedes orientalische Gesicht zu einer Sprengladung kurz vor der Explosion.
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Die Gemeinde (der Araber und Muslime) möchte der deutschen Regierung ganz klar sagen: Wir sind friedliche Menschen, aber wir lehnen den Überfall auf den Irak und die
Und nachdem die arabischen Organisationen (in Deutschland) ihre Vorreiterrolle aufgegeben haben und Ämter und institutionelle Interessen über Prinzipien stellten, machte sich Angst in den Herzen der Gemeindemitglieder breit. Lasst uns in die Moscheen und Kirchen gehen, unseren Kinder die göttlichen Lehren und die arabische Sprache beibringen. Lasst uns sie lehren, wie man sich in die deutsche Gesellschaft integriert, um so eine Generation heranwachsen zu lassen, die mit der Gesellschaft, in der sie lebt, im Austausch steht und sich gleichzeitig unserer Sorgen und Angelegenheiten bewusst ist. Lasst uns unsere Kinder dazu motivieren, sich politischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Initiativen anzuschließen, so dass unsere Stimme sichtbar und hörbar wird und wir merken, dass Rechte nicht gegeben werden, sondern dass man sie sich erkämpfen muss. Wenn wir uns auf uns selbst zurückziehen und darauf warten, dass die Vereine und Verbände irgendetwas für uns tun, verschwenden wir Zeit und Mühen. (...) Wir halten weiter an unseren legitimen Rechten fest – und warten darauf, dass der Tag kommt, an dem unsere Kinder der zweiten und dritten Generation unsere Angelegenheiten unter der Kuppel des deutschen Parlaments diskutieren werden. Und weiterhin hoffen wir, dass sich die Anstrengungen bündeln lassen. Vielleicht bietet der diesjährige Ramadan erstmals Anlass, Stolz für eine Gemeinde zu empfinden, die bis heute auf der Suche nach Orientierung war!“ (Al-Dalil, Sep. 2007 [])
Geschehnisse in Palästina ab. Wir sind kein Volk, das den Terror liebt, aber wir unterstützen den legitimen und moralisch gerechtfertigten Widerstand gegen die Invasoren im Irak und gegen die blinde Tyrannei in Palästina. In beiden Fällen handelt es sich um offenkundige, unentschuldbare Aggressionen, die weder legitim noch moralisch sind!
Islamische Verbände verurteilen Anschläge und Radikalisierung Postkarte einer Nachbarschaftsaktion islamischer Vereine in Berlin zum Zuckerfest
Scharf verurteilten islamische Verbände die Anschlagspläne, die Anfang September aufgedeckt wurden. Dabei wurde auch die Verantwortung von Muslimen und ihren Verbänden und Gemeinden betont, aktiver als bisher gegen eine Radikalisierung von Muslimen vorzugehen. In einer Stellungnahme
Als Gemeinde stehen wir am Rande der Gesellschaft, in der wir leben. Wir haben keinen Einfluss und hinterlassen keine Spuren. Weder fordern wir unsere Rechte noch stehen wir ein für unsere Angelegenheiten.
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des Koordinationsrats der Deutschland (KRM) heißt es:
Muslime
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Auch die Türkisch-Islamische Union der Anstalt der Religion e.V. (DITIB) rief die islamischen Gemeinden auf, vor allem die Jugend vor einer Radikalisierung zu schützen: „Wir sehen mit Sorge, dass die mutmaßlichen Täter deutscher und türkischer Herkunft sind. Aufgrund der Vorfälle wie am gestrigen Tag sollten die Muslime in Deutschland ein wachsames Auge haben. Der Islam lehnt jegliche Form von Gewalt und Extremismus ab und daraus erwächst das Selbstverständnis für jeden Muslim sich gegen Radikalismus zu stellen und das Gemeinwesen in Deutschland zu schützen. Alle muslimischen Gemeinden in Deutschland sollten verstärkt im Rahmen ihrer Gemeindearbeit vor Terrorismus warnen und insbesondere die Jugend vor extremistischen Verführern schützen.“ (06. Sep. 2007 [])
„Anlässlich der jüngsten Festnahmen von Terrorverdächtigen in Oberschlehdorn und des bevorstehenden 6. Jahrestags des 11. September 2001 verurteilen die im Koordinationsrat der Muslime in Deutschland KRM gemeinsam wirkenden muslimischen Verbände Terror und Gewalt im Namen ihrer Religion auf das Schärfste. Dieser erneute Versuch des Missbrauchs der friedlichen und friedliebenden Religion des Islams für extremistische und terroristische Interessen ist eine existenzielle Belastung des Miteinanders von Muslimen und Nichtmuslimen in unserer Gesellschaft. Der KRM ruft alle Muslime in Deutschland auf, sich für den Frieden in der Gesellschaft einzusetzen und jeglichen extremistischen Ideologien eine deutliche Absage zu erteilen und ihnen keinen Platz in Moscheen zu gewähren. Der KRM stellt jedoch auch fest, dass Islamfeindlichkeit und Antisemitismus in den letzten Wochen und Monaten erschreckende Maße angenommen haben. (…) Der KRM appelliert an Politik und Gesellschaft, die Muslime nicht als Teil des Problems sondern als Teil der Lösung zu begreifen und unterstreicht die gemeinsame Verantwortung die Auseinandersetzung mit extremistischem Gedankengut zu führen, um das friedliche Miteinander in diesem Land zu sichern.“ (06. Sep. 2007 [])
Auf scharfe Kritik stieß zudem der antisemitisch motivierte Übergriff auf einen Rabbiner in Frankfurt Anfang September 2007. [] Mit deutlichen Worten distanzierte sich DITIB zudem von Drohungen gegen Günter Wallraff, der wegen seines Vorschlags, die „Satanischen Verse“ in einer Kölner DITIBMoschee zu lassen, im Internet als „Feind des Islams“ bezeichnet worden war: „Die fortschrittliche Religionsauffassung des Islams rechtfertigt unter keinen Umständen die Androhung oder den Einsatz von Gewalt. Wir lehnen daher Terrorismus, den Einsatz oder die Androhung von Gewalt unter jeden Umständen ab. Der Koran bildet auch in Deutschland für unsere Gesellschaft die spirituelle Grundlage unserer Religiosität. Er darf aber keineswegs als Rechtfertigung zur Gewaltanwendung herangezogen werden.“ (24. Sep. 2007 [])
Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, betonte die Notwendigkeit einer intensiveren innerislamischen Auseinandersetzung mit dem Terrorismus: „Ich erwarte jetzt von den Muslimen, dass sie sich noch energischer mit Extremismus und Terrorismus auseinandersetzen und die Gemeinden dafür sensibilisieren, dass es Bürger– und Muslimpflicht ist, Extremismus zu melden. Der ZMD ist sehr an einer Aufklärung des Hintergrundes dieser Männer interessiert.“ (05. Sep. 2007 [])
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SaDe und Taleb Khalil: Ehrenmord und Libanon-Konflikt im deutschen Hiphop In der aktuellen Diskussion um GangstaRap geht es vornehmlich um gewaltverherrlichende und sexistische Texte. Weniger Aufmerksamkeit bekommen Songs, in de-
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nen junge Interpreten die Konflikte im Naan der sich auch yezidische Jugendliche behen Osten verarbeiten und ihre Wahrnehteiligten, ging es dementsprechend hoch her. mung der Ereignisse zum Ausdruck bringen. Mittlerweile ist das Video nur noch auf dem In Online-Foren wie MySpace und YouTube Portal MyVideo zu sehen. [] finden sich diverse Musikvideos, in denen Wir dokumentieren im Folgenden Textausaktuelle Konflikte beispielsweise im Irak, züge. Ihre suggestive und emotionale Kraft dem Libanon oder Palästina im Mittelpunkt entfalten die Stücke aber erst im Zusamstehen. Die Kommentare, die dazu auf den menhang mit Musik und Bildern. jeweiligen Seiten hinterlassen werden, machen deutlich, wie emotional auch Jugendli„SaDe: Ruhe in Frieden – che in Deutschland auf diese AuseinanderMord an Doha“ setzungen reagieren. Ein aktuelles Beispiel ist das Lied „Ruh in Frieden – Mord an Doha“, das im August „Siebzehn Jahre alt, verliebt in einen Junvon dem deutsch-libanesischen Rapper gen, hatte eine Horde gestandener Männer „SaDe“ als Video in verschiedenen Foren sie bezwungen. Die eigene Familie hat diegepostet wurde. Thema des Stücks ist das ses Kind verraten, durch Verrat folgten unSchicksal eines 17-jährigen kurdisch-yezidimenschliche Taten. Hunderte von Menschen schen Mädchens, das im Frühjahr diesen sehen tatenlos zu, keiner schreitet ein, das Jahres im Nord-Irak von Familienangehörigen gesteinigt wurde. Hintergrund des „Ehrenmordes“, der als Videoaufnahme im Internet kursierte und weltweit empörte Reaktionen auslöste, war die vermeintliche Beziehung des Mädchens zu einem muslimisch-arabischen Mann. Im Kontext der ethnischen und religiösen Spannungen im Irak kam es nach dem Mord zu Angriffen auf Yeziden, die in der Vergangenheit in der Türkei und im Irak oft als „Teufelsanbeter“ verfolgt wurden. Das Entsetzen über den Mord, aber auch die Wahrnehmung der Yeziden als Musikvideo "Libanon" auf YouTube „Ungläubige“, kommen in dem Song zum Ausdruck. Grauen nimmt seinen Lauf. (…) Während der Mord an dem Mädchen als kollektive Tat eines frevlerischen Volkes dargeHabt ihr nicht gesehen, verdammt es war stellt wird, suggeriert das Video, in dem die ein Kind! Was zu weit ging, ging zu weit. dramatischen Bilder der Steinigung verarbeiUnd hütet euch, wenn ihr diese Tat im Natet werden, dass es sich bei den Yeziden um men Gottes meint! eine fünfte Kolonne Israels im Irak handele. Durch falschen Glauben hat man dieses In der deutschsprachigen AuseinandersetKind getötet, und das Blut dieses Kindes hat zung, die sich auf YouTube entwickelte und die ganze Welt errötet. Das ist haram, was
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man diesem Menschen antat – und das sind die Worte, die nicht ich, sondern der Islam sagt. Sie kriecht am Boden, sie weint und sie fleht sie an. Die Männer jubeln, als das Mädchen nicht mehr flehen kann. Durch Tritte drangsaliert, durch Schläge blutet sie, ein Mann ballt beide Fäuste zu einer und prügelt sie. Er zerschmettert voller Kraft ihr Gesicht. Alle schauen zu, wie das kleine Kind zerbricht. Man zieht ihr den Rock hoch, alleine liegt sie da. Ihre Hände schützen ihr Gesicht an diesem letzten Tag. Blutrünstig fallen alle über Doha her, treten ihr in den Unterleib – und Doha kann nicht mehr. Keiner bemerkt und sieht wie sie Angst hat. Man zieht sie an den Haaren hoch und wirft sie auf den Asphalt. Wie ein Stück Fleisch ohne Seele behandelt man das zarte kleine junge Leben. (…) Wie konnte so was passieren, was sind das für Menschen, die einem Kind mit einem Stein das Gesicht zertrümmern. Was sind das für Menschen, die ein Kind demütigen, bespucken, beschimpfen, schlagen, treten, ausziehen – und dann meinen, so die Ehre der Familie wieder herzustellen. Die selber die Ehre des Mädchens nicht würdigen. Sie hat nichts getan. Sie hat nur geliebt. Sie hat nichts verbrochen! Ihr seid keine Muslime, das hat nichts mit Islam zu tun. Das ist haram, was ihr getan habt. In welchem Vers im Koran sagt Allah: ‚Ihr sollt aufgrund von Liebe töten!’ Allah braucht keinen von Euch Ungläubigen, um zu strafen. (…) Allah wird Euch dafür richten. (…) Was habt Ihr Kuffar mit Islam zu tun. Ihr Ungläubigen nehmt den Namen Gottes in den Mund?!“ []
nicht gegen Juden richte, sondern die unmittelbare Wut über den Krieg wiedergebe. „SaDe: Libanon“ „Sieht denn keiner, wie im Libanon die Kinder schreien, wie die Kinder leiden. Wie täglich Kinder weinen. Mütter liegen im eigenen Blut erschossen. Wie viel Blut ist bis zum heutigen Tag geflossen? Wie viel muss noch fließen, wie viel muss passieren, damit die Menschen diese Falschheit ihrer Tat kapieren? Väter knien vor den Leichen der Kinder und Frauen. Menschen können voller Angst sich nicht mehr vor die Türe trauen. Dieser Alptraum lässt sie abhauen, lässt die Menschen durch das Grauen selbst ihr Grab bauen. (…) Ich stehe ein für das Land meiner Brüder, gegen euch skrupellose Mörder und Betrüger! Wir stehen hier vereint im Herzen Libanons und warten alle bis zum Tag, an dem der Frieden kommt! Der Tag erscheint leer und man wacht durch Schüsse auf. Wie lange halten es die Leute im Libanon aus. Sie flüchten vor dem Tag, sie flüchten vor der Nacht. Sie werden durch die Explosionen dennoch umgebracht. Auf den Straßen Beiruts bildet sich ein Meer aus Blut. Obwohl das jeder weiß, lässt man so ein Blutbad zu. (…) Die Welt läuft an uns vorbei und hat keinen Schimmer, denn was im Nahen Osten passiert, ist wahrlich viel schlimmer. Deren Augen bleiben verschlossen, uns bleibt nur noch hoffen. Der Glaube an Allah hält uns unsere Wege ständig offen. (…) Ich stehe ein für das Land meiner Brüder, gegen euch skrupellose Mörder und Betrüger! Wir stehen hier vereint im Herzen Libanons und warten alle bis zum Tag, an dem der Frieden kommt! Hass überflutet meinen Körper, ich dreh durch. Haben diese Menschen denn vor Allah keine Furcht? Ich weine, weil wir jeden Tag die Wahrheit mitbekommen. Und sehen, wie sie jeden Tag erneut auf Häuser bomben. Ein Kind läuft die Straße lang, morgens, will zur Schule. Sie rennt, weil sie
Zuvor hatte SaDe bereits das Stück „Libanon“ herausgebracht. Wie im Fall von „Doha“ löste auch das Musikvideo über den Libanon-Krieg, das bis Oktober 2007 allein auf YouTube über 100.000 mal angesehen wurde, viele Reaktionen aus. In diesem Fall allerdings überwiegend positive. In einer Stellungnahme betonte ein Co-Produzent des Clips, dass sich das Lied ausdrücklich
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zu spät ist. Es lässt ihr keine Ruhe. Doch voller Elan hebt der Soldat das Gewehr. Heute sind es Engel, die dem Mädchen diese Welt erklären. (...) Falscher Alarm, unnötig geschockt, doch zur Sicherheit schießt man ihr lieber in den Kopf. Inshallah geht es euch Brüdern und Schwestern im Himmel gut. Man ließ euch keine Chance und wollte euren Tod. Heute muss hier keiner mehr nach den Schuldigen suchen. Schuld an diesem Elend seid ihr skrupellose –––.“ []
jeden von uns einen schicken Orden. Ihr holt den Holocaust zurück, ihr seid verrückt geworden. Wer ist jetzt radikal, wer ist der Terrorist ? (…) Wo sollen die Leute hin, ohne zu Hause, Mann, da wo es einmal war, ist jetzt nur noch einen Haufen da. Glaub mir, die Bomben auf Haifa gehen mir genauso nah, doch was sie hier mit uns machen, ist einfach zu grausam, Mann. (…) Wenn der Tag dann kommt, dann glaubst auch du! Vergeben kann nur Gott. Er schaut uns zu, Gerechtigkeit wird kommen, unser Leben wird wieder gut. Wenn der Tag dann kommt, dann glaubst auch du! Vergeben kann nur Gott. Er schaut uns zu, Gerechtigkeit wird kommen, unser Leben wird wieder gut. Bismillah al-Rahman al-Rahim. Mein Land der Zedern, was musst du noch ertragen. Schon wieder fließen Blut und Tränen durch deine Straßen. Schon wieder Schutt und Asche, wir wollen doch nur kurz atmen. Schon wieder müssen wir zusehen, wie du kaputt gemacht wirst. Meine Familie ist da, mein Bruder kommt nicht raus. Südlibanon, hier fallen die meisten Bomben drauf. Dayaa, kleines Dorf in den Bergen. Alles liegt unter Beschuss, keine Chance, sie zu bergen. Kein Brot, kein Strom, kein Wasser. (…) Er sagt am Telefon, dass er keine Angst hat. Doch ich hab Angst, soviel Angst, dass es mich krank macht. Leute schreien im Hintergrund durcheinander. Mein Bruder sagt durchs Telefon: ‚Taleb, bleib stark, Mann!’ Er macht einen kleinen Witz und sagt mir: ‚Mach Dir keine Sorgen. Grüß Mama und Papa von mir, wir hören uns beide morgen!’ Mama, stark wie ein Löwe, guck wie sie kämpft! Sie geht raus, macht alles publik, bis jeder euch kennt. Sie sitzt die ganze Zeit am Telefon, danach ruft sie dich an. Sie geht in jede Show, erzählt, Mann, sie tut was sie kann. Und Papa? Mann, du weißt, wie er ist, er will cool sein, aber hat Angst, doch er zeigt es dir nicht. Er sagt: ‚Wenn wir stark bleiben, dann verzweifeln wir nicht.’ Bruder, du weißt Bescheid, Mann, ich lebe für dich! Ich gebe für dich, mein Herz und
„Taleb Khalil: Mahdi“ Persönliche Erfahrungen des Libanon-Krieges sind auch Thema des deutschsprachigen Songs „Mahdi“, das von dem Berliner Sänger Taleb Khalil produziert wurde. Es handelt unter anderem von seinen telefonischen Gesprächen mit einem Bruder, der sich während des Krieges im Südlibanon aufhielt. Anlässlich des ersten Jahrestages des Krieges stieß das Video in den vergangenen Wochen erneut auf Beachtung: „Ihr habt für New York geweint, warum weint ihr nicht für uns? (…) Da drüben ist ein Krieg, den keiner von uns haben will. Unsere Leute sterben für einen Krieg, den sie nicht haben wollen. Ich meine, wer glaubt ihr, dass ihr seid? Seid ihr Gott, oder was? Glaubt, ihr könnt einfach so ankommen und alle Leute umbringen? Und dafür nicht mal bestraft werden? Dieser Track ist nicht anti-israelisch, er ist pro-menschlich! Ich sehe die Bilder und fühle mich als wäre ich ohnmächtig. Es ist so dreckig, was hier grad passiert, die Welt schaut weg, obwohl meine Leute hier grad krepieren. Ich rappe diese Zeilen unter Tränen, das ist nicht untertrieben. Ich sehe mein Land untergehen, wie sie es bombardieren. Wie sie wiederkommen und das Tag für Tag. Wie meine Leute draufgehen, langsam, Sarg für Sarg. (…) Und jeden Tag heißt es: Aus Versehen! Doch irgendwann schafft ihr es nicht mehr, euch raus zu reden. Ich weiß, ihr kriegt für
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Blut, und ich rede für dich. Ich bete für dich. Und dann lese ich für dich, unser Buch. (…) Du bist mein Blut, also wähle ich dich. Ich gebe meine Seele für dich, doch jetzt versprich mir eins, Bruder: Bitte lebe für mich!“ []
und ideologischen Bezügen des Vereins zum Spektrum der islamistischen Muslimbrüderschaft. Einen Einblick in das religiöse Selbstverständnis und die programmatische Ausrichtung des Vereins bietet das viel beworbene Buch „Jung & Muslim“ von Murat Demiryürek, das im Sommer 2007 im MJD-nahen Green Palace Verlag erschienen ist. Im Vorwort des Buches heißt es: „Mit diesem Buch soll jungen Menschen geholfen werden, sich einen Zugang zur Religion zu verschaffen. Es soll klar werden, dass Religion durchaus etwas Lebbares ist und keinen Bereich unseres Lebens auslässt.“ Im Mittelpunkt der Darstellung stehen dabei unterschiedliche Situationen des jugendlichen Alltags, in de-
Muslimische Jugend in Deutschland: „Jung & Muslim“ Die Muslimische Jugend in Deutschland e.V. (MJD) ist einer von mehreren islamischen Vereinen, die in den letzten Jahren mit vielfältigen zivilgesellschaftlichen Initiativen in die Öffentlichkeit getreten sind. Die bundesweit aktive Organisation bemüht sich dabei nach eigener Darstellung darum, Muslimen der zweiten und dritten Generation die Möglichkeit zu geben, sich als Muslime konstruktiv in die Gesellschaft einzubringen. Die MJD engagiert sich insbesondere im Bereich des interreligiösen Dialogs. Kritik an der MJD gründet vor allem in personellen
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Veranstaltungsankündigung des Berliner Vereins al-Hiwar
nen Konflikte mit dem Glauben entstehen können. Die Faszination, die von materiellen Werten, von Alkohol und Drogen ausgeht,
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der Reiz einer freundschaftlichen oder sexuellen Beziehung, der Besuch einer Disko und die Gefahren einer kriminellen Karriere sind Beispiele, an denen Demiryürek die alltäglichen Herausforderungen muslimischer Jugendlicher beschreibt. Viele dieser Probleme sind nach Ansicht Demiryüreks dem Leben in einer religionsfernen Gesellschaft geschuldet: Die religionsfeindliche „Lehre des Rationalismus“, die bereits in der Schule verbreitet werde, die gesellschaftlich geförderte Distanzierung der Kinder von der Autorität ihrer Eltern und die vermehrte mediale Präsenz von „Minderheitsreligionen oder gar kuriose(n) Sekten, welche tief im Amazonas oder im fernen Osten beheimatet sind“, bilden den Rahmen, vor dem die Orientierungslosigkeit junger Muslime zu verstehen sei. Verstärkt wird dies noch durch die unzeitgemäßen Methoden der religiösen Erziehung und die „unislamischen Traditionen“, die in vielen muslimischen Familien praktiziert würden. Die Gefahren, die für einen derart verunsicherten Jugendlichen bestehen, werden von Demiryürek anschaulich beschrieben. Ein besonderes Augenmerk legt er dabei auf die Verlockungen der Zina, des außerehelichen Geschlechtsverkehrs. Die menschliche Schwäche für körperliche Reize und das Treiben Iblis, des Teufels, stellen den Jugendlichen permanent auf die Probe, die letztlich nur durch eine strikte Einhaltung der islamischen Kleiderordnung und tiefen Glauben bestanden werden kann: “Wer sich freiwillig in eine Situation begibt, wo alle sexuellen Anregungen gegeben sind, kann sich nicht mehr beherrschen, weil die Anziehungskraft des nackten Körpers zu groß wird und die Widerstandskraft der Person bricht. (…) Ich habe viele Brüder gesehen, die stolz darauf waren, ständig in solchen Situationen zu sein und nicht Unzucht begangen zu haben. Für sie stellte die Sache einen Nervenkitzel dar. Doch genau diesen Leichtsinn nutzte Iblis bei ihnen aus, um sie in immer schwerere Prüfungssituationen zu locken, bis auch ihre Widerstandskraft gebrochen ist. Iblis hat mehr Wissen
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als wir und ist auf dem Gebiet der Unzucht definitiv erfahrener. Der oft beobachtete Prozess mit der Freundin sieht wie folgt aus: Als erstes wird sich ‚verliebt’. Eine optimale Zeit beginnt. Beide können es kaum abwarten, sich mit dem anderen zu treffen oder sich gegenseitig anzurufen. Dann kommt der erste Körperkontakt durch das Händehalten und dem ersten Wangenkuss zustande. Später sitzt man eng an eng zusammen. Es berühren sich immer mehr Körperstellen und irgendwann reicht das nicht mehr aus. Es kommt zur Zina. Was anfangs mit einem schönen Bauchkribbeln begann, endet mit einer wirklich großen Sünde. Unmittelbar nach dem Geschlechtsakt setzt eine tiefe Verbitterung und das Gefühl, etwas Schlechtes getan zu haben, ein. Wer noch nicht einmal dieses Gefühl im Herzen bekommt, dem gnade Allah. Denn das Herz, was schmerzen soll, kann wegen Leblosigkeit nicht mehr schmerzen. Dieser Zustand stellt sich bei Menschen ein, welche die Verbitterung des Herzens nicht als Möglichkeit nutzen, von der Sünde reuig Abstand zu nehmen. Stattdessen bleiben sie bei der Sünde und das Herz stirbt. Nach dem Geschlechtsakt ist Iblis sofort das zweite Mal zur Stelle und sagt, dass man etwas sehr Schlechtes gemacht hat. Dies macht er nicht, um uns dazu zu ermutigen, Reue für die Tat zu zeigen, sondern um uns einzureden, wie schlecht und sündhaft wir sind. Das Ganze dient dazu, den Widerstand vor der nächsten Sünde zu reduzieren.“ Trotz der Gefahren, die den muslimischen Jugendlichen in der nicht-islamischen Umgebung drohen, plädiert Demiryürek ausdrücklich gegen einen Rückzug aus der Gesellschaft. Nicht die Abwendung in Form von Kriminalität oder Selbstisolation bietet für ihn eine Lösung, sondern allein die Rückbesinnung auf den Islam: „Das Strafgesetz ist von uns Muslimen automatisch mit anerkannt, wenn wir den Islam befolgen. Deshalb ist eine islamische Rückbesinnung in mehrheitlich muslimischen Stadtvierteln (so seltsam sich das auch anhören mag) für mich die einzige Möglich-
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keit, die uns Muslimen hierzulande bleibt. Kriminalitätsbekämpfung via Islam!“ Gleichzeitig ruft er zu einer aktiven Beteiligung der Muslime am gesellschaftlichen Leben auf: „Durch das Abspalten signalisiert man der Umgebung, dass der Islam das Ausscheiden aus der Gesellschaft bedeute. Dieser Fehler ist leider immer noch oft zu beobachten. Mit dieser Einstellung machen sich viele das Leben schwer. Wenn mit Personen nicht mehr geredet wird, weil sie Nichtmuslime oder nicht praktizierende Muslime sind, kann den Leuten nicht beigebracht werden, dass der Islam eine lebbare Religion ist. Das erzeugt bei ihnen eine Abneigung gegenüber dem Islam, für die wir dann verantwortlich sind.“ Das Handeln des Einzelnen ist insofern bedeutsam: „(J)eder einzelne Mensch (ist) wichtig für diese Gesellschaft. Deshalb legt Allah einen riesigen Wert auf jeden einzelnen Menschen, schreibt ihn nicht ab und wartet auf seine Reue. Jeder trägt somit eine Teilverantwortung für die Entwicklung der Welt. In diesem Zusammenhang kann man dann verstehen, warum eine Tat überhaupt als Sünde bezeichnet wird: Sünden tragen dazu bei, dass der persönliche Niedergang und daraus folgend der Niedergang der Gesellschaft beschleunigt wird!!!“
Vogel, der mit bundesweit organisierten Vorträgen und seinen im Internet dokumentierten Reden auf großes Interesse stößt, wendet sich damit auch gegen Dialog-Veranstaltungen, in denen die beteiligten Religionen als gleichberechtigt angesehen werden. Auf Grund seines strikten Verständnisses der islamischen Lehre wird Vogel auch von vielen Muslimen scharf kritisiert. Eine Sammlung von Vorträgen, die Vogel in den vergangenen Jahren gehalten hat, findet sich auf dessen Website diewahrereligion.de. Ein Bericht über Pierre Vogel erschien jüngst in der Zeit.[] Auch in einer ZDF-Sendung von Frontal 21 ging es um Vogels Einfluss unter jungen Muslimen. []
Pierre Vogel in einer Video-Präsentation auf der Website www.diewahrereligion.de
Pierre Vogel: „Wir sind nicht im Schmusekurs, es geht um den Islam“
Die Rede über die „Kuffar“ ist im Folgenden in Auszügen dokumentiert: „Wenn Du im Deutschen ‚Ungläubiger’ sagst, bedeutet das: Der glaubt an nichts. Atheist! Wenn Du zum Beispiel sagst: Der glaubt an die Schamanen-Religion, dann sagen die: Och, der ist gläubig, der glaubt ja an was! Wenn du sagst: Der ist Buddhist, dann sagen die: Ja, der glaubt ja an was, der ist ja Buddhist. Wenn du sagst, der ist Hinduist, dann sagen die, der ist nicht ungläubig, der glaubt ja an was! Ein Ungläubiger ist im Deutschen nur jemand, der Atheist ist.
In einem Vortrag zum Thema „Was bedeutet Kafir im islamischen Sinne?“ betont der deutsche Konvertit Pierre Vogel, dass sich der Begriff des „Ungläubigen“, des „Kafirs“, auch auf Christen und Juden beziehe. Zudem gehören auch Muslime, die sich von einzelnen Prinzipien des Islam abgewendet haben, zu den „Kuffar“ (Plural von „Kafir“). Der Islam sei dagegen die einzig wahre Religion. Deswegen sei es die Aufgabe der Muslime, den „Kuffar“ deutlich zu machen, dass allein das Bekenntnis zum Islam vor dem Höllenfeuer bewahre.
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Im Arabischen ist jeder ein ‚Kafir’, der den Islam leugnet – und selbst wenn er nun einen Teil vom Islam leugnet. Wenn beispielsweise jemand sagt: Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt außer Allah und ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte ist. Und er betet und er fastet und er gibt Zakat aus – und er sagt, dass die Hadj nicht Pflicht ist, dann ist er mit Ijma’a, mit Konsens der Gelehrten des Islams ein Kafir, einer der den Islam leugnet. Denn Allah sagt im Koran: Glaubt er an das eine von dem Buche und nicht an das andere – wer auch nur einen Teil des Buches ist ein Kafir. (…) Wenn jemand sagt: Ein Christ ist kein Kafir – dann ist er selber ein Kafir! Weil Allah sagt im Koran: Diejenigen sind Kuffar, die sagen, 'Allah ist der Messias, der Sohn der Maria'. Heute sagen die Christen: der Vater ist Gott, der Sohn ist Gott und der Heilige Geist ist Gott. Die sagen: Jesus ist Gott – und alle zusammen sind nur ein Gott. (…) 'Ich schwöre beim gewaltigen Gott' – Wer daran nicht glaubt, und stirbt so, wer glaubt, dass Juden und Christen Gläubige im islamischen Sinne sind, und (Angehörige) der richtigen Religion sind, der wird für alle Ewigkeit in die Hölle gehen. Und das ist ein ganz klarer Fall und das sage ich nicht, um Juden oder Christen zu bekämpfen. Im Gegenteil, ich will, dass diese Menschen zum Islam kommen. Diese Botschaft ist jetzt hauptsächlich für sogenannte Muslime, die den Islam nicht kapieren. (…) Man muss den Leuten auch klar machen, dass sie den Islam annehmen müssen. Warum sollte er den Islam annehmen, wenn er in die Moschee reinkommt und sagt: ‚Ja, ich bin Katholik, aber ich glaube Muhammad ist ein Prophet!’ Dann sitzen die (die Muslime) da vorne und sagen: ‚Schön, das ist aber ja toll, dass sie das glauben, ach ja schön. Sie haben ihre Religion, wir haben unsere.’ Dann muss man aber doch diesem Menschen sagen: ‚Hör mal, irgendwas stimmt doch da nicht! Wenn Du glaubst, dass das ein Prophet ist, dann kann ja irgendwas nicht stimmen. Dann kann ja Deine Religion nicht stimmen, weil der Islam dem Christentum ja in fundamentalen Sa-
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chen widerspricht. Das zum Beispiel Gott gestorben und geboren ist und so weiter und so fort.’ Aber mit dieser Methode, dieser Angsthasenmethode, bei der man noch nicht mal in der Lage ist, jemanden zu sagen, dass er Muslim werden will – dadurch wird doch keiner Muslim! ‚Ja guck mal, was wir für eine schöne Religion haben! Komm, trinken wir ein bisschen Tee!’ ‚Ach, das ist aber schön!’ ‚Die Muslime beten fünfmal am Tag!’ ‚Ja, das ist aber schön!’ Dadurch wird er aber noch kein Muslim – sondern Du musst ihm auch klarmachen, dass er Muslim werden will! Und das ist die Dawa des Propheten! Was hat der Prophet gemacht, als Allah zu ihm gesagt hat: ‚Oh Gesandter, stehe auf und warne!’ Was hat er gemacht, ist er zu den Quraish gegangen und hat gesagt: ‚Ja, wisst ihr, ich hab ein schöne Religion, wir trinken Tee, oder was?!’ Nein, er hat gesagt: ‚Oh ihr Volk der Quraish! Ich bin euch ein deutlicher Warner! Vor euch liegt eine deutliche Strafe!’ (…) Deswegen sind die Gesandten Warner! Man muss den Leuten sagen, dass wenn sie den Islam nicht annehmen, gehen sie in die Hölle, sonst nehmen sie den Islam sowieso nicht an. (…) Wer zu feige ist, zu sagen, dass der Islam die wahre Religion ist, als Muslim, der hat den Islam nicht verstanden. Ganz klarer Fall. Wer zu feige ist und denkt, er hätte die richtige Dawa-Methode, der ist an der falschen Stelle. Natürlich muss man nicht gleich sagen: ‚Hallo, ihr seid alle verkehrt!’ Aber man muss klar machen, man muss die Sache auch rüberbringen. Wir sind nicht im Schmusekurs, sondern es geht hier um den Islam, es geht um die Religion Allahs. Er hat die Gesandten als Warner und Vorboten geschickt – und nicht, damit die mit den Leuten Tee trinken. Du kannst ruhig mit den Leuten Tee trinken – damit das nicht wieder einer falsch versteht, weil sonst sagt nachher wieder jemand, Pierre Vogel hat gesagt: Man darf kein Tee trinken! – Du kannst ruhig Tee mit denen, nur versuch doch, die Sache rüberzubringen. Du musst
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nicht mit der Tür ins Haus fallen, aber trotzdem: Das ist die Botschaft!“ []
als ‚Ehrenmord’, den manche Männer an ihren Töchtern, Schwestern, Ehefrauen oder auch Frauen aus der Verwandtschaft begehen. Er geschieht unter dem Vorwand, dass diese etwas getan hätten, was gegen Züchtigkeit und Ehre verstoße. Auf der anderen Seite sind diese Männer aber nicht erzürnt, wenn sich Männer aus ihrer Verwandtschaft so verhalten (wie sie es den Frauen vorhalten) – als ob Züchtigkeit allein der Frau auferlegt wäre. In Wirklichkeit handelt es sich dabei nicht um eine Frage von Ansehen und Ehre, sondern eher um patriarchalisches Stammesdenken, von dem noch immer viele Menschen beherrscht sind.
Fatwa gegen Ehrenmorde Der hohe schiitische Geistliche Muhammad Hussein Fadlallah hat sich in einer Fatwa ausdrücklich gegen die Praxis der „Ehrenmorde“ gestellt. Diese Morde verstießen gegen das islamische Recht und seien Ausdruck von „patriarchalischem Stammesdenken“. Die Erklärung Fadlallahs, der als einer der spirituellen Führer der libanesischen Hizbullah gilt, erschien Anfang August in der Zeitschrift Bayyanat, die vom Büro des Geistlichen herausgegeben wird: „In mehr als einem Land der arabisch-islamischen Welt ist ein sündhaftes Phänomen
Postkartenaktion des Neuköllner Mädchentreff MaDonna gegen “Ehrenmorde”
Ausgehend von der Scharia halten wir Ehrenmorde für verwerflich, verurteilenswert und verboten. Es handelt sich ohne Einschränkungen um ein Verbrechen, bei dessen Verurteilung es keine mildernden Umstände geben kann, da das Verüben dieser Verbrechen nicht auf Belegen und Grundlagen des islamischen Rechts gründet. In den meisten Fällen basieren diese Taten (allein) auf Verdächtigungen. Dabei steht es weder dem Mann, Vater, Bruder noch einem anderen Verwandten der Frau zu, das Recht in die (eigene) Hand zu nehmen und die Frau zu bestrafen. Dies ist die Aufgabe der Gerichtsbarkeit. Diejenigen aber, die solche Verbrechen im Widerspruch zur Scharia begehen, verdienen eine Strafe noch in dieser Welt. Auch zählen diese Verbrechen zu jenen
Bericht über “Ehrenmord”-Fatwa, Bayyanat, 03. Aug. 2007
verbreitet. In der jüngsten Zeit war es insbesondere in Palästina, Jordanien und dem Libanon, aber auch in vielen anderen unserer Länder, zu beobachten. Es ist bekannt
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Sünden, für die der Täter in die Hölle kommt.“ (Bayyanat, 3. August 2007 [])
„Eine der gefährlichsten Bewegungen, die ich in Deutschland beobachten konnte, wird von Reformern angeführt. Dabei handelt es sich nicht um eine christliche oder jüdische Bewegung, sondern um eine muslimische, die versucht, den Islam unter dem Banner von ‚Reform’ und ‚Modernität’ zu liberalisieren. Eine Reform in diesem Sinn würde die Scharia – den Koran und die Sunna – kritisch hinterfragen, was gegen die Absolutheit der göttlichen Regeln verstößt. Eine Liberalisierung des Islam auf Art dieser Reformer würde bedeuten, heilige Wörter als profan und den profanen menschlichen Geist als heilig zu betrachten. In ihrer Literatur stellen die Befürworter dieser Bewegung einige koranische Verse im Namen von Freiheit, Reform und Feminismus ausdrücklich in Frage. So wird in ihren Schriften die Aufforderung zur ‚Befreiung’ der muslimischen Frau, indem man ihr eine Heirat mit nicht-muslimischen Männern gewährt und sie den Männern im Erbrecht gleichstellt, sehr deutlich. Diese Bewegung ist eine Bedrohung für den Glauben der Muslime. (...) Die Türken, die die Mehrheit der Muslime in Deutschland stellen und massiv von der Türkei finanziert werden, versuchen beständig, die Oberhand über die anderen Muslime in Deutschland zu gewinnen. Den Arabern fehlt eine Organisierung und es fällt ihnen schwer, mit dem Überlegenheitsgefühl umzugehen, mit dem die Türken ihnen gegenüber auftreten. Die Aleviten und die Ahmadiyya haben mit ihren vagen und weit vom Islam entfernten Glaubensinhalten und – praktiken kein Interesse, sich mit anderen muslimischen Gruppen zusammenzutun. Und die Iraner arbeiten für sich und verfolgen eigene Ziele. Mit Blick auf die Aleviten und mehr noch die Ahmadiyya muss ein besonderes Problem angesprochen werden: Diese Leute, die innerhalb der islamischen Gemeinde in Deutschland 250.000 Menschen ausmachen, sind Ursache für große Unruhe und Verunsicherung in der Gemeinde. Mit ihren vagen Glaubensvorstellungen stehen sie für merkwürdige Praktiken, die der islamischen
Islam-Online zum Islam in Deutschland In einem Bericht für das Web-Portal IslamOnline beschreibt die ägyptische Doktorandin Sherin Hamed Fahmy ihre Wahrnehmung der Debatten um den Islam und die Muslime in Deutschland. Fahmy war drei Monate als Redakteurin in Bonn tätig, u.a. bei der Deutschen Welle. Deutlich wird in ihrer Darstellung die Befürchtung, dass in Europa traditionelle Glaubensinhalte aufgegeben werden könnten. Diese Befürchtung wird durch die Vielfalt der islamischen Strömungen in Deutschland noch verstärkt. Angesprochen wird von Fahmy auch ein vermeintlicher „Juden-Komplex“, der die Haltung der Deutschen gegenüber den Muslimen bestimme. Das englisch- und arabischsprachige Portal Islam-Online wendet sich mit seinen Berichten und religiösen Ratschlägen zur Lebensführung gezielt an junge Muslime, die in nicht-islamischen Gesellschaften leben. Es T-Shirt-Motive des steht unter Leitung Online-Shop Omeirat des renommierten, aber wegen seiner Nähe zur Muslimbruderschaft und seinen Positionen u.a. zu Selbstmordanschlägen umstrittenen Gelehrten Yusuf al-Qaradawi:
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Lehre entgegenlaufen. Ein größeres Problem ist noch, dass die Aleviten und Ahmadiyya substantiell vom deutschen Staat finanziert werden, da man sie am besten als integrationsfähige Muslime ‚vorzeigen’ kann. Der ‚Juden-Komplex’ und die Amerikanisierung sind zwei weitere wichtige Probleme, die negative Auswirkungen für die Muslime in Deutschland haben. Bis heute glauben die Deutschen, sie hätten einen Fehler gegenüber den Juden begangen, der nicht vergeben und vergessen werden kann und darf. Bis heute klagen sich die Deutschen wegen des Holocausts an und kommen nicht darauf, dass der Holocaust vom Zionismus ausgebeutet wurde. Jeder deutsche Bürger ist verpflichtet, einen Teil seines Einkommens als eine Art Kompensation an Israel zu zahlen. Diese ‚Verpflichtung’ führte dazu, dass die Deutschen immer für Israel und gegen die Araber und die Muslime Partei ergreifen, weshalb die muslimische Community beständig unter Druck steht.“ (Islam-Online, 5. Sep. 2007 [])
“In den Bundesländern kommt die Befreiung von Schwimmunterricht aus religiösen Gründen überhaupt nur dann in Betracht, wenn kein getrennt geschlechtlicher Schwimmunterricht angeboten wird. In einigen Bundesländern wie z. B. Baden-Württemberg und Bayern findet der Sport- und Schwimmunterricht ab Klassenstufe 5 bzw. Klassenstufe 7 generell nach Geschlechtern getrennt statt. (…) In Berlin werden Anträge auf Befreiung vom Schwimmunterricht aus religiösen Gründen nicht als wichtiger Grund angesehen, der zu einer Befreiung vom Schwimmunterricht führt. (…) Die religiös begründete Nichtteilnahme am Schwimmunterricht ist nach den Erkenntnissen der zuständigen Landesministerien kein flächendeckendes Problem. Es handelt sich vielmehr um Einzelfälle, für die in der Praxis in den Schulen vor Ort einzelfallorientierte Lösungen gesucht und gefunden werden. Demzufolge sind seit dem Jahr 2000 keine Gerichtsverfahren anhängig, in denen es um die religiös begründete Befreiung vom Schwimmunterricht geht.” Interkultureller Rat in Deutschland e.V., Muslimische Mädchen und der Schwimmunterricht, August 2007 []
3. PUBLIKATIONEN Berliner Islamforum: Zusammenarbeit mit islamischen Vereinen
Umfrage: „Muslimische Mädchen und der Schwimmunterricht“
Die Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen islamischen Vereinen, den nicht-religiösen Akteuren der Zivilgesellschaft und der Berliner Verwaltung ist Thema einer Broschüre des Berliner Islamforums. Seit 2005 bemüht sich das Islamforum, Wege einer Beteiligung der verschiedenen islamischen Akteure auf Stadtteilebene auszuloten. Das Forum geht auf Initiative des Berliner Beauftragten für Integration und Migration und der Muslimischen Akademie zurück und versammelt mittlerweile verschiedene islamische Vereine, Vertreter der Verwaltung und nicht-religiöse Vereine und Verbände. Die zahlreichen in der Broschüre dokumentierten Beispiele für Kooperationen in der
Vor dem Hintergrund der von Neçla Kelek angestoßenen Debatte um die zunehmende Abmeldung muslimischer Mädchen vom Schwimmunterricht hat das Clearingprojekt “Zusammenleben mit Muslimen” des Interkulturellen Rats in Deutschland eine Umfrage (“Muslimische Mädchen und der Schwimmunterricht”) durchgeführt. Dazu wurden die Kultusministerien der Länder um eine Stellungnahme zum Umgang mit Befreiungsanträgen gebeten. Auf der Grundlage der Antworten von 15 Ministerien kommt der Interkulturelle Rat zu dem Ergebnis, dass Konflikte um die Teilnahme muslimischer Mädchen am Schwimmunterricht in der schulischen Praxis sehr selten sind:
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Stadtteilarbeit verstehen sich als Anregung für zukünftige Projekte. Dass islamische Vereine als Mittler zu Personengruppen dienen, die ansonsten nur schwer zu erreichen sind, ist dabei für viele nicht-islamische Akteure ein wesentlicher Anreiz für die Zusammenarbeit. Den islamischen Vereinen eröffnet die Beteiligung an städtischen Projekten dagegen Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort. Nicht weniger wichtig ist die mit solchen Projekten verbundene Anerkennung durch die nicht-islamische Umgebung. Zu den dokumentierten Projekten zählen neben der Organisation von Deutsch- und Integrationskursen auch Aktivitäten im Umweltschutz, der Gesundheitsversorgung, der Jugendsozialarbeit und der Konfliktprävention in Zusammenarbeit mit der Polizei. Unumstritten und konfliktfrei sind diese Projekte aber nicht. So heißt es einleitend in der Broschüre: „Strittig bleibt für die Mitglieder des Islamforums, ob ein Broschüre des Berliner Isbeispielhaftes lamforums Vorgehen nur an der konkreten Aktivität gemessen werden kann oder für eine Bewertung der durchführende Moscheeverein insgesamt in seinem Verband, seiner Arbeit und personellen Zusammensetzung heranzuziehen ist. Die dabei bestehenden Übergänge sind fließend. Hier eine am Einzelfall orientierte Lösung zu finden, ist die Herausforderung für alle Beteiligten. Für die folgende Darstellung heißt dies, dass sie auch begrüßenswerte Beispiele von Vereinen
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und Organisationen enthält, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.“ [] Broschüre: „Zeitzeugenbegegnungen in der Einwanderungsgesellschaft“ Über ihre Erfahrungen mit dem Projekt „Zeitzeugenbegegnungen in der Einwanderungsgesellschaft“ berichtet der Verein Miphgasch/Begegnung in einer 16-seitigen Broschüre. Im Rahmen des Projekts, an dem zwischen Mai 2006 und Juni 2007 etwa 110 Berliner Schüler – davon etwa 2/3 mit Migrationshintergrund und 55% mit islamischer Religionszugehörigkeit – teilnahmen, ging es um Formen der Auseinandersetzung mit dem NS und dem Holocaust in der Bildungsarbeit mit jugendlichen Migranten. Bei aller Problematik bietet das Projekt zahlreiche Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit: „Skepsis gegenüber Juden, manchmal auch eindeutige Ablehnung, die in antisemitischen Äußerungen zum Ausdruck kommen (ohne dass dahinter ein geschlossenes Weltbild erkennbar gewesen wäre), gehen einher mit offener Neugier, fühlbarem Interesse am Thema und der unverkennbaren Bereitschaft, neue Informationen aufzunehmen und eigene Stereotype zu hinterfragen.“ Die historischen Erfahrungen der Zeitzeugen dienten als Anregung für die Auseinandersetzung mit der Geschichte sowie den Umgang mit aktuellen Erfahrungen: „Dabei war es immer wieder wichtig, deutlich zu machen, dass dieses Sich-Hinein-Versetzen nur bis zu einem bestimmten Punkt funktionieren kann, da die Lebensumstände heute andere sind als damals. Zugleich galt es, den Jugendlichen zu vermitteln, dass die heutige Situation ein (Zwischen-) Ergebnis einer geschichtlichen Entwicklung ist. Ebenso waren dabei auch wesentliche Unterschiede zwischen dem diktatorischen NSSystem und der heutigen demokratischen Gesellschaftsordnung deutlich zu machen. Diese Unterscheidung wurde in der Regel auch von den Jugendlichen selbst gemacht.“
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Miphgasch zieht daher ein positives Fazit: „Letztlich gehört zum öffentlichen Bildungsauftrag auch, den Umgang mit Differenz produktiv zu nutzen und Unterschiede nicht zur Ursache von Abgrenzung werden zu lassen, sondern sie als Ausgangspunkt für Neugierde und individuelle Entwicklung zu nutzen. Es gilt, die für die Gesamtgesellschaft so zukunftsweisende Integration von bildungsbenachteiligten Jugendlichen zu erreichen und ihre Ausgrenzung aus gesellschaftlich wesentlichen und breit diskutierten Themenfeldern wie der NS-Geschichte zu beenden.“ Miphgasch/Begegnung e.V., „Zeitzeugenbegegnungen in der Einwanderungsgesellschaft. Erfahrungen und Überlegungen für die Bildungsarbeit zum Nationalsozialismus im 21. Jahrhundert“, Berlin 2007. []
ren, dass „der Islam grundsätzlich nicht mit den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats vereinbar sei“. Antworten auf diese und andere Fragen gaben muslimische und nicht-muslimische Referenten. Nachzulesen sind einige dieser Antworten nun einer Broschüre, die über die Veranstalter bestellt werden kann. Muslime als Staatsbürger: Bürgerschaftliches Engagement aus internationaler Perspektive. Eine Dokumentation einer Tagung in Berlin, 8.-10. Feb. 2007 []
4. HINWEISE
MATERIALIEN FÜR MULTIPLIKATOREN
Gerade erschienen sind zwei Filme, die sich für den Unterricht und die politische Bildungsarbeit mit jungen Muslimen anbieten:
Broschüre: „Muslime als Staatsbürger“
Eine Dokumentation, die der WDR im August unter dem Titel „Koran im Kopf“ ausstrahlte, zeigt den Werdegang von Barino, einem deutschen Konvertiten zum Islam. Barino begreift den Islam und seine Quellen als unantastbare Leitlinie seines Leben. Der Film zeigt, wie Barino in einer Kölner Moschee anfängliche Zweifel etwa über Koranverse zu „Ungläubigen“, zum „Tod auf dem Wege Allahs“ oder zu den Körperstrafen der Scharia hinter sich lässt und sich immer mehr einer wortwörtlichen, rigiden Interpretation der islamischen Quellen annähert. Angesprochen auf terroristische Anschläge von Muslimen spricht er am Ende des Films davon, dass manche den Mut zum Jihad hätten – andere eben nicht. Der Film ist über den WDR [] erhältlich. Dort gibt es auch das Manuskript der Sendung zum Download.
Um die Einbürgerung des Islams ging es in der Konferenz „Muslime als Staatsbürger: Bürgerschaftliches Engagement aus internationaler Perspektive“, deren Beiträge nun in einer Broschüre dokumentiert sind. Die von der Bundeszentrale für politische Bildung, der Heinrich-Böll-Stfitung, der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Deutschen Welle organisierte Tagung stellte Fragen, die nicht mehr darauf zielten, „ob“ der Islam Teil der deutschen Gesellschaft ist. Vielmehr ging es darum, wie das Zusammenleben gelingen kann: „Wie können wir dazu beitragen, dass sich Muslime in westlichen Gesellschaften mit ihrem Land, seiner Sprache, seiner Kultur und seinen Gesetzen identifizieren, ohne dies als Widerspruch zu ihren religiösen Vorstellungen zu empfinden? Welche Rahmenbedingungen für gleichberechtigte Partizipation sind erforderlich? Was können westliche Gesellschaften, was müssen die Muslime selbst tun, um bürgerschaftliches Engagement zu erleichtern? Welche Rolle können neue Konzepte staatsbürgerlicher Bildung spielen?“ Nicht zuletzt müsse denjenigen Stimmen begegnet werden, die erklä-
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Einen Schritt weiter als Barino ging der islamistische Prediger Mohammed Fazazi aus Hamburg. Fazazi hatte Verbindungen zu islamistischen Attentätern und sitzt heute in marokkanischer Haft. Im ging es nicht nur
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darum, Muslime im Denken zu radikalisieren. Er forderte auch Taten. Das dokumentiert der Film „Hamburger Lektionen“ von Regisseur Romuald Karmakar. Er zeigt die innere Logik des Hasses auf den Wes-
men darf – selbst dann nicht, wenn sie gebracht und abgeholt wird; und er spricht sich gegen Demokratie und Menschenrechte aus, weil alle Souveränität von Gott ausgehen müsse. Religionsgelehrte wären demnach allein dafür zuständig, den Gläubigen die uninterpretierbaren Gebote zu erklären und sie zu ihrer unbedingten Einhaltung zu bewegen. Dazu gehöre auch der Jihad: Denn alle im Westen lebenden Ungläubigen seien Teil der seit Jahrhunderten betriebenen westlichen Machtpolitik, die aus Unterdrückung, Ausbeutung und Krieg gegen Muslime bestehe – daher dürfen sie getötet werden. In der Zeit schließt Jörg Lau seinen Beitrag zum Film so: „Was der Film zeigt, ist unwillkommen, weil es bestehende Ängste vor dem Islam verstärken könnte. Karmakar zeigt die Nachtseite unseres mühsamen 'Dialogs mit dem Islam'. Darum sollte er auf Islamkonferenzen, in Schulen und vor allem in Moscheen diskutiert werden. Denn am Ende werden nur Muslime, die von der Auslegung ihres Glaubens als Machtergreifungsideologie angewidert sind, den Fazazis das Handwerk legen können“. []
WDR-Dokumentation "Koran im Kopf"
ten, der Fazazi zum geistigen Brandstifter macht. Dem Film zugrunde liegen Reden, die Fazazi im Jahr 2000 in der Hamburger Al-Quds-Moschee gehalten hat. Diese wurden gefilmt und als Videos verbreitet. Karmakars Film besteht ausschließlich aus dem unkommentierten Verlesen dieser Reden. Darin erklärt er beispielsweise, dass eine Frau unbegleitet keine Flugreise unterneh-
Impressum: ufuq.de – Medienforschung und politische Bildung in der Einwanderungsgesellschaft, Dieffenbachstr. 74, 10967 Berlin, info@ufuq.de. Redaktion: Götz Nordbruch und Jochen Müller. Der Newsletter erscheint sechswöchentlich im Rahmen des Modellprojekts “Jugendkultur, Religion und Demokratie. Politische Bildung mit jungen Muslimen” der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). Kooperationspartner sind das Bezirksamt Berlin-Neukölln, die RAA/Büro für interkulturelle Arbeit der Stadt Essen, der RAA Verein in NRW e. V., der Berliner Mädchentreff MaDonna e.V. und ufuq.de.
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