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TEURE KRISE(N) Kindergarten – Achtung Einsturzgefahr • Much: Weihnachtskarten für alle Lebenslagen • Scharfe Kontrolle statt Demokratie Dezember 2012 Einzelheft: 1,50 Euro, Abonnement: 15 Euro P.b.b., Verlagspostamt 1040 Herausgegeben von
02 Z 031 242 M, Kd.-Nr: 0 021 012 558
Gewerkschaft & Betrieb
Gedenken Seit elf Jahren versammeln sich – zumeist am 26. Oktober – rund hundert Personen im Donaupark, um vor einer unscheinbaren Tafel an jenem Ort, wo sich die Hinrichtungsstätte des Militärschießplatzes Kagran befunden hat, der Opfer der NS-Militärjustiz zu gedenken. Insbesondere dank der Aktivitäten des Personenkomitees „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“ hat sich in den letzten Jahren – gut ein halbes Jahrhundert zu spät – einiges getan. 2009 wurden Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz, 64 Jahre nach der Niederlage des Nationalsozialismus, endlich politisch und juristisch rehabilitiert. Und vor wenigen Tagen fiel endlich die Entscheidung für ein angemessenes Deserteursdenkmal am Ballhausplatz. Es besteht die Chance, dass zumindest einzelne, die Hitler den Dienst im Vernichtungskrieg verweigert haben, die Eröffnung der neuen Gedenkstätte noch erleben, wie Richard Wadani, der am 11. Oktober seinen neunzigsten Geburtstag gefeiert hat. Buchtipp: 2009 gab es in Wien die Ausstellung „Was damals Recht war? – Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht“ zu sehen. Das Begleitbuch dazu: Lisa Rettl, et al (Hg.): „Da machen wir nicht mehr mit …“ Österreichische Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht. Mandelbaum-Verlag. Diese Zeichnung von Markus Koza wurde Richard Wadani im Rahmen seines neunzigsten Geburtstags im Rathaus übergeben
Der ANDERE Dialog: Parlamentarische BürgerInnenInitiative für den
Verantwortung einfordern!
Freien Hochschulzugang
Krise – Einkommensverteilung – Prekarisierung
Die unterstützt die BürgerInnen-Initiative für einen freien Hochschulzugang und ruft zur Unterstützung auf! Aus der Petition: „Der Nationalrat wird ersucht, Gesetzesinitiativen zu unterlassen, die zu einer Beschränkung des Hochschulzuganges und einer Verringerung der freien Studienwahl führen. Gleichzeitig sollen bestehende Hürden abgeschafft werden, die eine freie Studienwahl von Studierenden erschweren.“
Mittwoch, 5. Dezember 2012, 15—19 Uhr AK-Bildungszentrum, Saal 11A+B, Theresianumgasse 16—18, 1040 Wien Eine Veranstaltung der Wiener Arbeiterkammer und Netzwerk Soziale Verantwortung. Anmeldung und Programm: netzwerksozialeverantwortung.at
Informationen und Petition: lasstunsstudieren.at SEITE 2 • ALTERNATIVE 12/2012
IM DEZEMBER
Thema Teure Krise(n) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4 Arbeitszeit: Lang, länger, Österreich. . . . . . . . . . . . . . . Seite 9
EDITORIAL von Alfred Bastecky Alternative proudly presents:
Gewerkschaft & Betrieb
DIE NACHFOLGERIN
Null Bock auf Nulllohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 10 Sparefroh gespart. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 11 AbfallberaterInnen: Arbeitskampf geht weiter . . . . . . Seite 12 Kindergärten: „Achtung Einsturzgefahr“ . . . . . . . . . . . Seite 16 Fonds Soziales Wien: KIV/UG-Siege da capo. . . . . . . . Seite 17 Tridonic: Aus dem Stand absolute Mehrheit . . . . . . . . Seite 18
Magazin Bücher statt Panzer: Kritische Literaturtage . . . . . . . . Seite 19 Mord=Geil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 20
International Europäisches Semester. Scharfe Kontrolle . . . . . . . . . . Seite 22 Solidarität im Öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 24
Seite 14
IMPRESSUM Medieninhaber, Verleger: Alternative und Grüne GewerkschafterInnen (AUGE/UG) Herausgeberin: Unabhängige GewerkschafterInnen im ÖGB (UG/ÖGB) Redaktion, Satz, Layout: Alfred Bastecky (Koordination), Renate Vodnek, Franz Wohlkönig (Layout) Alle: 1040 Wien, Belvederegasse 10/1, Telefon: (01) 505 19 52-0, Fax: -22, E-Mail: auge@ug-oegb.at (Abonnement), alternative@ug-oegb.at (Redaktion), Internet: www.ug-oegb.at, Bankverbindung: (BAWAG) Kto.-Nr. 00 110 228 775 Dass namentlich gezeichnete Beiträge nicht unbedingt der Meinung der Redaktion oder des Herausgebers entsprechen müssen, versteht sich von selbst. Titel und Zwischentitel fallen in die Verantwortung der Redaktion, Cartoons in die Freiheit der Kunst. Textnachdruck mit Quellenangabe gestattet, das Copyright der Much-Cartoons liegt beim Künstler. DVR 05 57 021. ISSN 1023-2702.
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Mag.a Renate Vodnek In der letzten Ausgabe haben Lisa Langbein und ich unseren längst fälligen Abschied von der Alternative bekanntgegeben. Seither herrschte großes Rätselraten um die Nachfolge. Heute können wir das Geheimnis lüften: Der Koordinationsausschuss der UG hat Kollegin Renate Vodnek mit der redaktionellen Koordination unserer Zeitschrift betraut. Aufmerksame LeserInnen haben in den letzten Monaten schon einige Texte von Renate gelesen. Jetzt haltet ihr die Erstlingsausgabe unter Renates Obhut in Händen. Renate Vodnek ist gelernte Psychologin. Während des Studiums war sie bei der Studienrichtungs- und Fakultätsvertretung aktiv. Nach dem Studium war sie zwei Jahre Wirtschaftsreferentin der ÖH der Uni Wien Anschließend hat sie sechs Jahre im Büro einer kleinen Bauprojektfirma die Widrigkeiten einer antigewerkschaftlich ausgerichteten Firmenpolitik kennen gelernt: Die Gründung eines Betriebsrates scheiterte an der „rechtzeitigen“ Kündigung einer Kollegin und der dann zu geringen Anzahl von MitarbeiterInnen. Und: In ihrer Freizeit engagiert sie sich bei einem Frauenfußballverein im 23. Bezirk. Seit 1. Oktober ist Renate Vodnek im Büro der AUGE/UG tätig. Liebe Renate! Viel Erfolg bei deiner neuen Tätigkeit. Zum letzten Mal darf ich euch ersuchen, möglichst rasch euer AlternativeAbo einzuzahlen …
Thema
Das Budget 2013 leistet kaum einen Beitrag zur Bewältigung der Krise. Die Budgetlöcher aus der Bankenrettung werden immer größer. Die Belastungen für die ArbeitnehmerInnen ebenfalls. Von Markus Koza.
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16. Oktober präsentierte Finanzministerin Fekter im Rahmen ihrer Rede das Budget für 2013. Übertitelt mit: „Stabile Finanzen durch Reformen. Wachstum durch Offensivmaßnahmen“. Einmal mehr hat auch die Arbeiterkammer das österreichische Budget analysiert. Vorweg genommen sei: Im Gegensatz zur Finanzministerin sprechen die ExpertInnen der Arbeiterkammer allerdings weniger von „stabilen Finanzen“ als von hohen Kosten der Bankenrettung. Und: Dass die veranschlagten „Offensivmaßnahmen“ das Wachstum besonders befördern würden, wollen die AnalystInnen der Arbeiterkammer (AK) auch nicht so recht glauben. Vielmehr sind die „Offensivmaßnahmen“ viel zu wenig.
Budget 2013 – wesentliche Kennzahlen Im Bundeshaushalt 2013 sind „Einzahlungen“ (also Einnahmen) von 68,7 Milliarden Euro und „Auszahlungen“ (also Ausgaben) von 75 Milliarden Euro veranschlagt. Das ergibt einen Abgang von rund 6,3 Milliarden Euro, was einem „Maastricht“-Defizit des Bundes von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) entspricht. Das „gesamtstaatliche“ Maastricht-Defizit (die Defizite von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungsträgern zusammengerechnet) wird auf 7,4 Milliarden Euro oder 2,3 Prozent des BIP geschätzt. , Insgesamt betragen die geschätzten gesamtstaatlichen Einnahmen 2013 155 Milliarden Euro, die gesamtstaatlichen Ausgaben 162,4 Milliarden Euro. Die Staatsschulden, also der öffentliche Schuldenstand, wird 2013 einmal
MARKUS KOZA UG-Vorsitzender, im ÖGB-Vorstand und Mitarbeiter der
mehr leicht auf 75,4 Prozent des BIP steigen (2012: 74,7 Prozent)., Während Länder und Gemeinden ihre im Rahmen des innerösterreichischen Stabilitätspakts vorgesehenen Defizitziele übererfüllen (0,44 Prozent Neuverschuldung statt maximal zulässiger 0,54 Prozent, nicht zuletzt als Folge höherer Ertragsanteile für Länder und Gemeinden aus neuen Steuern), die Sozialversicherungsträger sogar Überschüsse produzieren, ist der Bund die einzige Körperschaft, die ihre Verpflichtungen im Rahmen des innerösterreichischen Stabilitätspakts nicht einhalten wird können: Statt maximal zulässiger 1,75 Prozent Defizit wird dieses bei bereits erwähnten zwei Prozent liegen. Warum konnten die Budgetziele auf Bundesebene nicht eingehalten werden? Der Grund liegt vor allem in der teuren Bankenrettung.
Teure Krise, noch teurere Bankenrettung Kommt die Wirtschaftskrise die SteuerzahlerInnen – also vor allem die Masse der SteuerzahlerInnen, die ArbeitnehmerInnen – schon teuer, kommt die Bankenkrise dieselben ganz besonders teuer. 15 Milliarden Euro sah die Bundesregierung anno dazumal im Rahmen des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes für Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals der Banken („Partizipationskapital“, Haftungsübernahmen, Erwerb von Anteilen) vor. Bis heute wurden 14,3 Milliarden Euro (rund 96 Prozent) ausgeschöpft. Von diesen 14,3 Milliarden entfallen 4,1 Milliarden auf Haftungen, 1,3 Milliarden auf Bürgschaften und Garantien, 4,1 Milliarden auf Partizipationskapital und 4,7 Milliarden Euro auf Kapitalzuschüsse. In diesen Zahlen enthalten sind bereits Kapitalaufstockungen für die Hypo Alpe Adria in Höhe von 1,5 Milliarden Euro (2012) und 700 Millionen Euro (2013). Bekanntlich sollte die Bankenrettung ja ein „Bombengeschäft“ für die Republik werden – versprach zumindest ein gewisser Josef Pröll, seines Zeichens damals FinanzminisSEITE 5 • ALTERNATIVE 12/2012
ter der Republik. Nun: Bombengeschäft wurde die Bankenrettung keines. „Bombig“ ist allerdings das tiefe Loch, das in den öffentlichen Haushalten seitdem klafft. Die Verluste aus der Bankenrettung summieren sich bislang auf beinahe 5,4 Milliarden Euro. Allein die angefallenen Kosten für die Hypo Alpe Adria belaufen sich von 2008 bis 2013 auf über zwei Milliarden Euro, jene der Kommunalkredit auf über 2,6 Milliarden, die der Volksbanken AG auf knapp unter eine Milliarde. Hinzu kommen noch „entgangene“ Dividenden von knapp 700 Millionen Euro sowie Refinanzierungskosten von rund einer Milliarde Euro. Summa summarum fast 7,6 Milliarden Euro, denen Erträge aus Dividenden und Haftungsentgelten von rund 2,2 Milliarden Euro gegenüberstehen. Bei den 5,4 Milliarden Euro Verlust dürfte es allerdings nicht bleiben, so die AK-Studie: „Da mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Haftungen für die Eigenkapitalaufstockungen für die Hypo Alpe Adria im Jahr 2012 in Höhe von 1,2 Milliarden Euro weder von der Bankenaufsicht noch von Eurostat akzeptiert werden, dürfte der kumulierte Nettoverlust bei 6586 Millionen Euro liegen.“ Damit würde sich das gesamtstaatliche Defizit noch einmal deutlich erhöhen – 2012 von 3,1 auf 3,5 Prozent des BIP. Somit stehen für den Zeitraum 2008 bis 2012 Budgetausfälle von bis zu 6,6 Milliarden Euro im Raum. Und es könnte noch mehr werden, die Bankenkrise ist längst nicht ausgestanden. Die Bankenrettung, ein „Bombengeschäft“.
Nulllohnrunde, „Pensionsanpassung“ Sind die „stabilen Finanzen“ schon nicht so stabil, wie sie Finanzministerin Fekter glauben machen will, stellen sich die „Offensivmaßnahmen“ zusätzlich weder als besonders offensiv, noch als besonders wachstumsfördernd heraus. Eher das Gegenteil ist der Fall. Bitte umblättern
Europa fällt in die Rezession. Auch Ergebnis, so die AK-AutorInnen, „einer falschen, weil zu harten Konsolidierungspolitik“ im Zeichen von Schuldenbremsen, Fiskalpakt und EUweiter Austeritätspolitik. Heute, 2012 sind in der Eurozone 8,5 Millionen Menschen mehr arbeitslos, als noch 2008. „Die missglückte europäische Politik bremst auch die Konjunktur in Österreich, auch wenn sie in Relation zu den anderen EU-Ländern besser gelaufen ist,“ führt die AK-Budgetanalyse weiter aus. Für 2013 wird für Österreich ein reales Wirtschaftswachstum von nur noch einem Prozent prognostiziert und ein Anstieg der Arbeitslosenrate auf 7,4 Prozent der unselbständig Beschäftigten bzw. 277.700 Arbeitslose im Jahresschnitt befürchtet. Ein Rekordwert. Dabei scheint selbst dieses schwache Wachstum noch nicht einmal gesichert: „Vor allem der anhaltende Sparkurs und die durch eine weitere Verschlechterung der Absatz- und EinkommenserwartunEU-weit liegt gen ausgelöste ZurückÖsterreich bei haltung bei InvestiSteuern auf Arbeit tionsausgaben auf Platz 1 der Unternehmen und Konsumausgaben der privaten Haushalte könnte den Abschwung über das gegenwärtig angenommene Maß hinaus verstärken.“ Entsprechend kritisch fällt die Bewertung der ins Budget eingepreisten, im Rahmen des „Stabilitätspakets 2012–2016“ beschlossenen Konsolidierungsmaßnahmen aus: Besonders der Aufnahmestopp und die Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst sowie der Abschlag von einem Prozentpunkt bei der Pensionsanpassung würde „die gesamtwirtschaftliche Nachfrage tendenziell schwächen.“ So sollen alleine 2013 über 1300 Planstellen im Bundesdienst abgebaut werden, bis 2016 beinahe 4000.
Die Arbeiterkammer schätzt, dass diese Maßnahmen das Wirtschaftswachstum im Jahr 2013 allein um 0,4 Prozentpunkte dämpfen.
Offensivmaßnahmen vollkommen unzureichend Bereits beschlossene „Offensivmaßnahmen“ der Vorjahre – von Universitäten und Fachhochschulen über thermische Sanierung bis zum Ausbau der Ganztagsbetreuung an den Schulen und von Kinderbetreuungs-Einrichtungen – werden zwar im Umfang von rund 400 Millionen Euro fortgeschrieben – das wars allerdings auch schon. Mehr, „offensiv“ eingesetztes Geld gibt es nicht, „sparen“ diktiert. Damit werden diese von Fekter so hoch gepriesenen „Offensivmaßnahmen“ 2013 „nur wenig zusätzliche positive Nachfrage- und Beschäftigungseffekte bringen.“ Ganz im Gegenteil: „Insgesamt belasten daher die diskretionären Maßnahmen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage.“ Die Arbeiterkammer fordert entsprechend ein Beschäftigungsprogramm mit den drei Schwerpunkten • sozialer Wohnbau • Ausbau sozialer Dienste • aktive Arbeitsmarktpolitik In diesem Zusammenhang fordern die AK-ÖkonomInnen einmal mehr eine Umschichtung von finanziellen Transfers und Förderungen hin zu sozialen Dienstleistungen sowie einen Umbau des Steuersystems von Steuern auf Arbeit hin zu Steuern auf Vermögen. Beide Maßnahmen würden „positive Nachfrage- und Beschäftigungswirkungen“ mit sich bringen, „ohne den Staatshaushalt zusätzlich zu belasten.“
Hauptlast der Konsolidierung tragen ArbeitnehmerInnen Dass eine Umschichtung der Steuerbelastung von den ArbeitnehmerInnen hin zu Kapital und Vermögen nicht nur aus Steuergerechtigkeits-, sondern auch aus wirtschaftspolitischen Gründen tatsächlich ein Gebot der Stunde wäre, zeigen nicht zuletzt die aktuellen Zahlen des Finanzministeriums: Das Aufkommen aus der SEITE 6 • ALTERNATIVE 12/2012
Lohnsteuer beläuft sich 2013 auf geschätzte 23,9 Milliarden Euro und liegt damit beinahe doppelt so hoch wie das Aufkommen aus Selbständigen-, Kapital- und Unternehmenssteuern mit rund 12,9 Milliarden Euro. Weiterhin hoch bleiben die Einnahmen aus der Umsatzsteuer mit 25,1 Milliarden Euro, stagnierend jene aus der Mineralölsteuer mit 4,47 Milliarden Euro.
Österreich bei Steuern und Abgaben auf Arbeit EU-Spitze EU-weit liegt Österreich bei Steuern und Abgaben auf Arbeit (hinsichtlich des Anteils am Gesamtsteueraufkommen) bereits auf Platz 1, bei Steuern auf Kapitalgesellschaften fällt die Alpenrepublik schon tief auf Platz 22, bei Umwelt- und Vermögenssteuern gleich noch tiefer: Nämlich auf den 24. Platz. „Rote Laterne“ in unmittelbarer Reichweite … Insgesamt leisten die ArbeitnehmerInnen in Österreich 49,4 Prozent aller Steuern und Abgaben. 27,8 Prozent des gesamten Steuer- und Abgabenaufkommens kommen aus Konsumsteuern (ebenfalls wieder von der Masse der KonsumentInnen, den „Lohnsteuerpflichtigen“) geleistet. Lediglich 5,7 Prozent aller Steuern und Abgaben fallen dagegen auf Selbständige, der Steueranteil aus Kapitalerträgen und Unternehmensgewinnen beläuft sich auf lediglich 14,7 Prozent (Quelle: EU-Kommission, 2009).
Fast ein Drittel „Nullfälle“ bei Einkommensteuerpflichtigen! Interessante Aufschlüsse darüber, wer denn jetzt tatsächlich wie viel an Steuern zahlt, liefert auch die Einkommen- und Körperschaftssteuer-Statistik. Aus dieser lässt sich nämlich ersehen, wie hoch der Anteil der „Nullfälle“ (keine Lohn-, Einkommen-, bzw. Körperschaftssteuer-Leistung) unter allen „Veranlagungsfällen“ (ArbeitnehmerInnenveranlagung, Einkommensteuererklärung …) ist: Während bei jenen Lohnsteuerpflichtigen, die eine ArbeitnehmerInnenveranlagung Bitte umblättern
Ein Aktionsprogramm für mehr Gerechtigkeit, Klimaschutz und Investitionen ist möglich! Die Einführung einer allgemeinen Vermögenssteuer, eine grundlegende Reform der Grundsteuer sowie eine Neugestaltung der Erbschaftssteuer brauchen ebenso Zeit wie die Umsetzung einer umfassenden sozial-ökologischen Steuerreform. Dennoch wären auch 2013 verhältnismäßig rasch umsetzbare Einzelmaßnahmen im Steuer- bzw. Subventionsbereich (vor allem bei umweltschädigenden Subventionen) möglich, die mehr Verteilungsgerechtigkeit brächten und Mittel für notwendige Investitionen und Konjunkturprogramme auf Bundes- wie Gemeindeebene frei machen würden. • Einnahmen aus der Grundsteuer könnten durch die Verdoppelung der Hebesätze um bis zu 500 Millionen Euro gesteigert werden. Damit stünden Gemeinden wie Städten zusätzliche Mittel für Investitionen in kommunale und soziale Dienste sowie für den sozialen Wohnbau zur Verfügung. • Ein zusätzlicher Erbschaftssteuer-Satz von 55 Prozent ab einem steuerpflichtigen Einkommen von 140.000 Euro im Jahr und 60 Prozent ab 280.000 Euro brächten zwischen 200 und 300 Millionen Euro zusätzlich – sozial garantiert treffsicher. • Eine Erbschafts- und Schenkungssteuer (kurzfristig im Sinne des Verfassungsgerichtshofs „repariert“) wäre rasch wieder einführbar und würde sich jedenfalls in der Größenordnung der Abschaffung zwischen 150 und 200 Millionen Euro bewegen. • Eine Erbersatzsteuer auf Stiftungen brächte geschätzte 180 Millionen Euro. • Eine bescheidene Körperschaftssteuer-Anhebung um 2,5 Prozent-Punkte brächte rund 500 Millionen Euro zusätzlich. • Die steuerliche Anpassung von Diesel an Benzin (Erhöhung der Mineralölsteuer um 4 Cent) brächte rund 200 Millionen Euro. • Die Ausweitung der LKW-Maut auf alle Straßen bringt bis zu 400 Millionen Euro jährlich. • Eine behutsame Reform der steuerlichen Begünstigung von Firmenwägen brächte ebenfalls rund 400 Millionen Euro. • Die Abschaffung der Steuerbefreiung von umweltschädlichem „Bio-Sprit“ käme auf 200 bis 300 Millionen Euro. • Die Abschaffung der Pauschalierung in der Landwirtschaft brächte rund 200 Millionen Euro. • Eine Ökologisierung der Normverbrauchsabgabe erbringt 45 Millionen Euro. Rund drei Milliarden Euro wären alleine aus diesen Maßnahmen lukrierbar. Diese zusätzlichen Mittel könnten knapp zur Hälfte zur Stabilisierung von Einkommen und Nachfrage verwendet werden. Diese würden sich zu einem nicht unerheblichen Teil über rückfließende Steuern und Abgaben wieder „refinanzieren“. Maßnahmen zur Stärkung von Einkommen und Kaufkraft wären etwa: • keine Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst (Kosten zirka 500 Millionen Euro, wobei in diesem Falle zum Beispiel zirka 40 Prozent als Sozialversicherung und Steuern sofort wieder in die öffentlichen Haushalte zurückfließen). • Verdoppelung der Negativsteuer auf 220 Euro im Jahr (zirka 100 Millionen Euro) für NiedrigverdienerInnen. • Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld in einem ersten Schritt auf 70 Prozent (360 Millionen Euro). • Ökologisierung der Pendlerpauschale mit Negativsteuerwirkung – also auch für zum Beispiel Teilzeitbeschäftigte. • Sicherung der Kaufkraft kleiner und mittlerer Pensionen (200 bis 300 Millionen Euro). Für Offensivmaßnahmen, die Beschäftigung schaffen und ein ökologisch wie sozial verträgliches Wohlstandswachstum generieren könnten in ersten Schritten zusätzlich zum Beispiel je • 100 Millionen Euro in thermische Sanierung, • 100 Millionen Euro in den Ausbau erneuerbarer, umweltfreundlicher Energien, Energiesparmaßnahmen, Heizkessel-Austauschprogramme etc, • 150 Millionen Euro in den Ausbau umweltfreundlicher, öffentlicher Mobilität insbesondere im ausgedünnten, ländlichen Raum, • 150 Millionen Euro in den Ausbau von Ganztagsschulen und die entsprechende räumliche Adaptierung, • 150 Millionen Euro in den bedarfsgerechten Ausbau von Kinderbetreuungsplätze für 0–5-Jährige, • 150 Millionen Euro in Pflege und Betreuung, • 150 Millionen Euro in Universitäten und Fachhochschulen, • 150 Millionen in den Erhalt regional- bzw. beschäftigungspolitisch bedeutender Unternehmen bzw. zur Unterstützung von Betriebsübernahmen durch die Belegschaften, • 150 Millionen Euro in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, um den Strukturwandel in der Wirtschaft sozial verträglich zu gestalten investiert werden. Zusätzliche Mittel für ein Konjunkturpaket „Bildung und Soziales“ könnten kurzfristig etwa aus einer Reform der „Familienförderung“ (zum Beispiel fünf Prozent der Familienlastenausgleichsfonds-Mittel für Kindergärten, -krippen und außerschulische Kinderbetreuung; Umschichtung von Geld- zu Sachleistungen) und – mittelfristig – aus sinnvollen Verwaltungsreformen (zum Beispiel im Schulbereich durch Bundeskompetenz für alle Schulen und der damit verbundenen Abschaffung von Verwaltungseinrichtungen auf Landesebene sowie Stärkung der Eigenständigkeit der Schulen) frei gemacht werden. Mittel der Wohnbauförderung sind zur Förderung des Wohnbaus wieder ausschließlich für diesen Zweck zu widmen. Innovative Politik zur Krisenbewältigung ist möglich! Innovative Politik wäre möglich! Es bräuchte nur den entsprechenden politischen Willen dazu. SEITE 7 • ALTERNATIVE 12/2012
ugoegb.at auge.or.at kiv.at ugoed.at
(Lohnsteuererklärung) machen, der Anteil der „Nullfälle“ bei 18 Prozent liegt, betragen die Nullfälle bei den Selbständigen 30 Prozent, bei den Gewerbetreibenden 50 Prozent, bei jenen, die Einkünfte aus Vermögen, Vermietung und Verpachtung beziehen bei sehr hohen 46 Prozent, bei Land- und ForstwirtInnen sogar bei 66 Prozent (Einkommensteuer insgesamt: 31 Prozent). Selbst 39 Prozent aller körperschaftssteuerpflichtigen Unternehmen sind „Nullfälle“ (Quellen: Einkommensteuerstatistik 2008, Körperschaftssteuer-Statistik 2008). Die relativ hohe Zahl an „Nullfällen“ bei Selbständigen, Unternehmen und KapitaleignerInnen ist dabei weniger Ergebnis einer immer bedrohlicher werdenden, systematische Verelendung der Selbständigen, noch einer geradezu existenzbedrohenden Gewinnsituation österreichischer Unternehmen, sondern eher Folge großzügiger, steuerlicher Gestaltungsspielräume. An der Einkommensverteilung zwischen Kapital und Arbeit dürfte der schwache steuerliche Beitrag der „besitzenden Klasse“ jedenfalls nicht liegen, ist die Lohnquote seit den siebziger Jahren doch von um die 75 Prozent auf deutlich unter 70 Prozent gesunken, die Gewinnquote dagegen von um 25 Prozent auf über 30 Prozent gestiegen.
Schlussfolgerungen
ug-vida.at we4youug.at
Die drohende Rezession 2013 – nicht zuletzt Folge einer EU-weiten Austeritätspolitik und verabsäumter Finanzmarktregulierungen – würde eigentlich ein energisches Gegensteuern der Politik erfordern: Mit „intelligenten“, sozial und ökologisch verträglichen, nachhaltig und beschäftigungsfördernd wirkenden Investitionen in Bildung, soziale Dienste, Klimaschutz und den ökologischen Umbau unseres Industrie- und Energiesystems. Zusätzlich wäre es Aufgabe der Politik, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu stabilisieren und zu stimulieren, um den Konjunktureinbruch und den damit verbundenen drohenden Anstieg von Arbeitslosigkeit abzufangen. Gleichzeitig müsste es endlich an die Bewältigung der Krisenursachen – Ungleichverteilung, SEITE 8 • ALTERNATIVE 12/2012
Ungleichgewichte und Unterregulierung der Finanzmärkte – gehen. Über eine umfassende Besteuerung von Vermögen und Vermögensübergängen würden nicht nur Mittel für sozial verträgliche Konsolidierung und gesellschaftlich sinnvolle Investitionen frei gemacht, sondern auch die Ungleichverteilung gemindert, sowie „Spielkapital“ für die Finanzmärkte abgeschöpft werden. Über eine Stärkung unterer Einkommensgruppen, eine offensive (Mindest-)Lohnpolitik sowie die Erhöhung der Binnennachfrage könnte auch Österreich einen Beitrag zum Abbau wirtschaftlicher „Ungleichgewichte“ in Europa setzen. Über ein Bankeninsolvenzrecht, das Eigentümer und Gläubiger im Konkursfall zur Kasse bittet, statt die Allgemeinheit zahlen zu lassen. Von alledem ist im Budget nur wenig zu finden. Im Gegenteil: Nulllohnrunden, Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst und Pensionsanpassungen unter Inflation schwächen Binnennachfrage, Löhne und Einkommen. Der Einstieg in eine umfassende Vermögensbesteuerung scheitert am Veto der „Klassenpartei“ ÖVP wie am mangelnden Einsatz der SPÖ. Die Hauptlast der Krise wie der Budgetkonsolidierung tragen wie eh und je die ArbeitnehmerInnen. Regulierungsmaßnahmen im Bereich der Finanzmärkte scheitern nicht nur auf EUEbene: Nach wie vor gibt es kein Bankeninsolvenzrecht und werden Banken, unabhängig von ihrer tatsächlichen volkswirtschaftlichen Relevanz gerettet. Offensivmaßnahmen bleiben im Zeichen von Schuldenbremse, Fiskalpakt und anderen Budgetrestriktionen bescheiden und der Schwere der Krise nicht angemessen. Um rezessive Entwicklungen zu mildern reicht das Budgetierte jedenfalls nicht – vielmehr droht der Sparkurs in Österreich wie der EU die Krise noch zu verschärfen. Dann droht nicht nur ein verlorenes Jahr. Dann droht ein verlorenes Jahrzehnt. Und was das bedeuten würde, kann wohl jeder selbst abschätzen.
Thema
LANG, LÄNGER, ÖSTERREICH A
uch 2011 belegen die unselbständig Beschäftigten der Alpenrepublik bei den Arbeitszeiten einmal mehr Platz zwei – und liegen damit deutlich über dem EU-Schnitt. Nur in Großbritannien arbeiten vollzeitbeschäftigte ArbeitnehmerInnen noch länger. Die Zahlen im Einzelnen: • Vollzeitbeschäftigte ArbeitnehmerInnen arbeiten im EU-Schnitt (EU-27) 40,4 Wochenstunden (Männer: 41,1, Frauen: 39,9). In der Eurozone (EU-17) liegt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bei 40 Stunden (Männer: 40,7, Frauen 38,9). • Im europäischen Spitzenfeld liegt Großbritannien mit 42,2 Wochenstunden (Männer: 43,6, Frauen: 39,9) und: Österreich. Vollzeitbeschäftigte ArbeitnehmerInnen arbeiten in Österreich durchschnittlich 41,8 Wochenstunden (Männer 42,4, Frauen 40,8). Deutlich über dem europäischen Schnitt. Die als besonders „fleißig“ und europäisch „vorbildlich“ arbeitenden Deutschen liegen mit 40,7 Stunden in der Woche (Männer: 41,1, Frauen: 39,9) dagegen deutlich unter der Alpenrepublik und nur knapp über dem EU-Schnitt. • Deutlich unter dem EU-Schnitt gearbeitet wird in Ländern wie – Dänemark (37,7 Wochenstunden; Männer: 38,1, Frauen 37,2), – Schweden (39,9 Wochenstunden; Männer: 40, Frauen 39,8), – Finnland (39,1 Wochenstunden; Männer : 40, Frauen: 38,1) – und den immer wieder als „Scharfmacher“ auftretenden Niederlanden (39 Wochenstunden; Männer: 39,2, Frauen: 38,1). • Allesamt „wohlhabende“ Staaten. • Dass die ArbeitnehmerInnen des südlichen Europas im Vergleich zu Deutschland oder Österreich „faul“ wären, wie so gerne vom Boulevard behauptet, straft die Erhebung Lügen: In Griechenland wird mit 40,4 Stunden pro Woche (Männer: 41,2, Frauen 39,3) EU-Durchschnitt, aber über Eurozonen-Schnitt gearbeitet, in Spa-
Egal ob Krise oder Hochkonjunktur: Wochenarbeitszeiten in Österreich sind im europäischen Spitzenfeld. Von Markus Koza. nien mit 40,3 Wochenstunden (Männer: 41, Frauen: 39,9) ebenfalls. In Portugal liegen die Wochenarbeitszeiten der ArbeitnehmerInnen bereits deutlich über EU oder gar EurozonenSchnitt (41,1 Stunden, Männer: 42, Frauen: 40,1), ebenso im neuerdings krisengebeutelten Zypern (41,1 Wochenstunden, Männer: 41,7, Frauen: 40,4). • Irland dagegen, Krisenland der „nördlichen“ Hemisphäre, um das es in der Berichterstattung überraschend ruhig ist, hat „unterdurchschnittliche“ Arbeitszeiten: Nämlich 38,4 Wochenstunden (Männer: 40, Frauen 36,5). Unter EU-Schnitt auch Italien: Hier liegen die wöchentlich geleisteten Arbeitsstunden bei 38,8 Stunden (Männer: 40, Frauen: 36,5). • In allen Mitgliedsstaaten liegen die Arbeitszeiten der Männer über jenen der Frauen. Zugenommen haben innerhalb der EU-27 die Zahl befristeter Arbeitsverträge – von 12 Prozent im Jahr 2000 auf 15 Prozent im Jahr 2007, um bis 2011 wieder leicht auf 14 Prozent (Eurozone: 15,8 Prozent) zurückzugehen. Auffallend die deutlichen Unterschiede zwischen den EU-Staaten. • Die höchsten Anteile befristeter Arbeitsverhältnisse bei allen ArbeitnehmerInnen fanden sich in Polen (27 Prozent) und den von der Krise besonders betroffenen Staaten Spanien (25) und Portugal (22). • Hohe Anteile befristeter Arbeitsverhältnisse weisen allerdings auch Staaten wie Schweden (16,4 Prozent), Finnland (15,6), Deutschland (14,7), SEITE 9 • ALTERNATIVE 12/2012
die Niederlande (18,4), Frankreich (15,3) und Slowenien (18,2) auf. Griechenland liegt mit 11,6 Prozent unter EU-Schnitt. • Am unteren Ende der Skala befinden sich Rumänien (1,5 Prozent der ArbeitnehmerInnen arbeiten hier befristet), Litauen (3), Bulgarien und Estland (4). • Unter EU-Schnitt liegen Länder wie Österreich (9,6 Prozent), Dänemark (8,8), Belgien (9) aber auch Großbritannien (6,2). Was die Eurostat-Studie einmal mehr belegt: Es besteht in Österreich dringender Handlungsbedarf bei den Arbeitszeiten. Seit Jahren belegt Österreich bei der Länge der wöchentlichen Arbeitszeiten einen Spitzenrang. Lange Arbeitszeiten (vor allem wenn diese regelmäßig über lange Zeiträume hindurch erbracht werden) gefährden allerdings die Gesundheit. Wen verwundert dann wirklich „die Flucht“ in die vorzeitige Alterspension, um diesem „Arbeitsleid“ zu entkommen? Einmal mehr gilt: Es braucht Arbeitszeitverkürzung – der täglichen, der wöchentlichen und der jährlichen Arbeitszeit. Um Arbeit – bezahlte wie unbezahlte, Einkommen und Teilhabe gerechter zu verteilen. Grundlage des Beitrages ist die Arbeitskräfteerhebung (Oktober 2012 veröffentlicht) von Eurostat (statistisches Amt der Europäischen Union).
Gewerkschaft & Betrieb
NULL BOCK AUF NULLLOHN N
ach der Hauptgruppe III (Wasserwerke, Friedhöfe, Bäder, Stadtreinigung) haben auch die Hauptgruppe II (Krankenanstaltenverbund) und die Hauptgruppe IV (Wiener Linien) Beschlüsse gegen eine Nulllohnrunde für Gemeindebedienstete gefasst. Die Hauptgruppe IV alleine vertritt 9000 ArbeitnehmerInnen, darunter jene der Wiener Linien und der Wiener Stadtwerke, die Hauptgruppe II vertritt noch mehr, nämlich an die 35.000 Bedienstete im Bereich der Krankenhäuser. Damit gibt es Beschlüsse von Betriebsrats- und Personalvertretungs-Körperschaften, die weit mehr als 50 Prozent der Gemeindebediensteten vertreten. Aber auch in den Bundesländern tut sich einiges: Der Vorsitzender der Vorarlberger GdG-KMSfB, Wolfgang Stoppel, ruft zum „Ungehorsam“ gegen die geplante Nulllohnrunde auf. Stoppel (selbst aus der Fraktion Christlicher Gewerkschafter) spart nicht mit Kritik am Vorsitzenden der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) Neugebauer: „Es fanden keine Verhandlungen statt, wir wurden nicht einbezogen, deshalb fühle ich mich auch nicht an die Nulllohnrunde gebunden“. Seinen GewerkschaftskollegInnen in den Ländern rät er, eigenständig mit den Landeshauptleuten und dem Gemeindebund zu verhandeln. Der Aufschrei wird aber nicht nur von Seiten der Beschäftigten im Gemeindebereich immer lauter, sondern im gesamten öffentlichen Dienst
CHRISTINE RUDOLF Politische Sekretärin der
Die Führung der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten unter Vorsitzendem und Wiener Gemeinderat Christian Meidlinger nimmt die Nulllohnrunde 2013 hin. Die Basis macht dagegen mobil. Von Christine Rudolf. und auch im Privatbereich – was nicht zuletzt die bislang eingelangten Unterstützungserklärungen unserer Petition gegen Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst zeigen. Die insgesamt bis Mitte November rund 2050 eingelangten Unterstützungs-Unterschriften sprechen eine eindeutige Sprache. Viele Listen sind noch an Dienststellen und in den Betrieben unterwegs, ebenfalls nicht mitgezählt sind zahlreiche Unterschriftensammlungen – überfraktionell oder von anderen Fraktionen. Die Zahlen gehen jedenfalls in die Tausende. Kurios: Die „Einladung“ des Wiener grünen Stadt-Regierungspartners an die Gewerkschaft, doch endlich zu verhandeln, statt an der Nulllohnrunde festzuhalten. Dazu sagt der Klubobmann der Wiener Grünen David Ellensohn in einem Artikel auf derStandard.at: „Wir sind entschieden gegen die Nulllohnrunde, solange es eine Inflation gibt. Man muss die Kaufkraft stärken und nicht schwächen.“ Was Ellensohn verwundert: Die Gewerkschafter seien bisher kein einziges Mal auf die Grünen zugekommen, um Lohnverhandlungen anzuregen. (…) Wir haben das Hölzel oft genug geworfen.“ Im Rahmen eines Sonderlandtages am 6. November 2012 wurde ein Antrag gegen die Nulllohnrunde für Wiener Gemeindebedienstete sowohl von der rot-grünen Regierung, als auch der ÖVP abgelehnt. Für mich SEITE 10 • ALTERNATIVE 12/2012
wiedermal ein Beweis dafür, wie wichtig es wäre, wenn Gewerkschaftsvorsitzende einer Unvereinbarkeitsregel mit einem politischem Mandat unterliegen. Denn ich habe vollstes Verständnis dafür, wie schwierig es ist, sich täglich fragen zu müssen: „Und welchen Hut habe ich heute auf …?“ Also: So sehr die Einladung der Grünen an die Gewerkschaftsspitze für Verhandlungen auch ernst gemeint sein mag, ist es bedauerlich, wie sich die rot-grüne Koalition (es stehen ja schließlich beide gemeinsam in Regierungsverantwortung) in dieser Sache insgesamt verhält. Das „Hölzel“ zu alleine werfen, genügt offensichtlich nicht. Skurril ist es allemal, dass die Gewerkschaftsführungen im öffentlichen Dienst bis jetzt nicht einmal den Schritt zu den üblicherweise jährlich stattfindenden Gehaltsverhandlungen als eine der gewerkschaftlichen Kernaufgabe schlechthin, setzen. Sparprogramme hin, „sozialpartnerschaftliche“ Abmachungen her. Noch dazu, wo die Gewerkschaftsmitglieder weder etwas dazu sagen konnten, geschweige denn befragt wurden. Urabstimmungen zu Lohnverhandlungen sind in der GÖD von je her ein Fremdwort! Da werden dann halt Gewerkschaftsmitglieder nach dem Motto geprägt: „Uns fragt ja sowieso keiner ...“. Aber diesmal regt sich die Basis eben doch – selbst innerhalb der Mehrheitsfraktion FSG! Wie sich Meidlinger, aber auch Neugebauer aufgrund der steigenden Proteste an der Basis über Fraktionsgrenzen hinweg und angesichts anscheinend durchaus vorhandener Verhandlungsangebote verhalten werden? Wir sind gespannt … Wir jedenfalls bleiben dran und bitten Euch weiterhin um Unterstützung unserer Kampagne – denn wir haben „Null Bock auf Nulllohnrunden!“ Infos: nullbockaufnulllohn.at
Gewerkschaft & Betrieb
SPAREFROH GESPART K
ollegInnen aus einem staatlichen Kulturbetrieb in Bulgarien berichten am Ende eines dienstlichen Mailaustausches: „Bei uns ist es auch sehr schwierig mit dem Geld. Für November und Dezember werden wir eine Arbeitsbelohnung nur für 5 Tage monatlich bekommen! Das bedeutet, wir werden etwa 2 Monate lang frei haben. Ist unangenehm, aber es kommt Weihnachten.“ Ich habe versucht neueste Nachrichten zur Lage in Bulgarien zu finden. Das einzige Pressedokument war eine Mitteilung der österreichischen Wirtschaftskammer vom September, dass Österreich von der bulgarischen Regierungsspitze als Auslandsinvestor Nummer 1 gesehen wird und dass eine Mitwirkung Bulgariens an der „Donauraumstrategie“ langfristig Erfolge für eine Strukturreform und für den Tourismus verspricht. Wir müssen uns also um Bulgarien keine Sorgen machen, österreichische Investoren (Investorinnen mögen sich bitte mitgemeint fühlen) haben sich dort bereits bestens verankert – cui bono! Die Berichterstattung zum Problemstaat Griechenland wird immer aggressiver und alle anderen EU-Staaten in Randlagen, denen es mindestens gleich schlecht und kaum anders als Griechenland geht, fallen deshalb nahezu völlig aus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Wer nicht sparen will, soll nicht einmal mehr den Anspruch auf die existentiell notwendigsten Mittel haben. Wer das Pech hat, in einem armutsgefährdeten Staat
BEATE NEUNTEUFELZECHNER Vorsitzende der
Sparen um des Sparens willens. Von Beate Neunteufel-Zechner. der EU leben zu müssen, darf weder auf nationale noch auf EU-Solidarität hoffen. Wer hingegen das Glück hat, wirklich reich zu sein, darf in der EU uneingeschränkt wandern und dadurch die Herkunft der Mittel verschleiern, bis diese in den Finanzzentren dafür eingesetzt werden können, dass sich das Geld endgültig vom Leben entfernt und in den Finanzmarkt entschwindet. In London sollen die Liegenschaftspreise unrealistische Höhen erreichen und die griechische Gemeinde in London wächst und wächst … Die EU-Verwaltungsspitze steht solchen Phänomenen nach wie vor hilflos gegenüber. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer wird von den möglichen Betroffenen als Raub an den Mitteln der Leistungsträger (Leistungsträgerinnen scheint es bislang nicht zu geben) gebrandmarkt. Die Einführung einer effizienten, EUweit vernetzten Finanzpolizei scheitert an der Sparpolitik, die sich besonders auch die EU-Verwaltungsbediensteten selbst auferlegen – besonders erfolgreich in diesem Zusammenhang ist Österreich. Im Budgetbericht 2013 habe ich gelesen, dass seit 1997 der öffentliche Dienst in Österreich 29.500 Planstellen eingespart hat. Das bedeutet, dass in 15 Jahren pro Jahr zirka 2000 Planstellen eingespart wurden – nehmen wir ein durchschnittliches Jahresgehalt von 40.000 € an, so ergibt das pro Jahr eine Ersparnis an Gehaltskosten in der Höhe von jeweils 80 Mio. €. Also in 15 Jahren in Summe 1,2 Mrd. €. Die Regierung der Republik erspart sich also seit 15 Jahren erfolgreich das Personal, das den Staat als solchen funktionsfähig erhält. In den ORF-Nachrichten Anfang November wurde den Bürgerinnen (Bürger dürfen sich mitgemeint fühlen) berichtet, dass die ResSEITE 11 • ALTERNATIVE 12/2012
sorts seit längerem schon nicht mehr ihre Budgets bis zum Jahresende komplett verbrauchen müssen, damit sie mit gleichen oder höheren Budgets in den Folgejahren rechnen dürfen. Dienststellen, die bei der Erfüllung öffentlicher Verpflichtungen sparten, kürzten sich also durch ihre Sparsamkeit selbst die Ansprüche. Um derartige Kürzungen zu vermeiden, haben die Ressorts im öffentlichen Dienst damals üblicherweise zum Jahresende hin angeblich den Ankauf von vielem Unnötigen angeordnet und somit Steuermittel verschwendet. Als Bedienstete einer nachgeordneten Dienststelle eines Bundesministeriums habe ich in vielen Jahren eine ganz andere Vorgehensweise erlebt: Wenn das Budget ausreichte, wurden dadurch erst die Mittel für Anschaffungen frei, über deren Notwendigkeit es einen nahezu demokratischen innerbetrieblichen Konsens gab. Jetzt ist das aber eben anders und daraus ergibt sich neuerdings, dass die österreichischen Ressorts Rücklagen bilden können und das sehr erfolgreich tun (Ressort Verkehr 453 Mio. €, Finanzen 800 Mio. €)! Eine erste vollständige Liste wird vermutlich bereits im Bundeskanzleramt vorliegen, weil die Bundesbediensteten noch immer effizient und erfolgreich arbeiten. Heißt diese Nachricht von den Rücklagen in öffentlichen Dienststellen nicht eigentlich, dass den Bürgerinnen ihr eigenes Steuergeld vorenthalten wird, damit eine traditionell vorgegebene Sparwut befriedigt werden kann? Kann das nicht auch heißen, dass dadurch im Notfall wieder unsere Steuermittel für die Aufrechterhaltung der Spielespirale auf dem Finanzmarkt bereit stehen? Gibt es bereits Verfahrensanweisungen zum Verbrauch derartig hoher Rücklagen? Wird an Übertragungsmöglichkeiten für bedürftige oder nicht ausreichend hoch dotierte Ressorts gedacht? Oder wird sparefroh gespart um des Sparens willen und um der an sich und den Bundesbediensteten mit Nulllohnrunden sparenden Regierung eine Freude zu machen? Rund um den heurigen Weltspartag konnte ich feststellen, dass sogar die Banken fleißig weiter sparen – an Weltspartagsgeschenken.
Gewerkschaft & Betrieb
Seit einem halben Jahr kämpfen wir, die Initiative Abfallberatung, um faire und rechtskonforme Dienstverträge mit fairer Entlohnung. Die Leitung der MA 48 ist bis jetzt zu keinem Zugeständnis bereit.
DER ARBEITSKAMPF GEHT WEITER
U
nser Arbeitskampf tritt in eine neue Phase: Unsere Klage gegen die Stadt Wien steht bevor. Traurig aber wahr, es scheint der einzige Weg zu sein, zu unserem Recht zu kommen: Wenn die rot-grün regierte Stadt Wien nicht doch noch einlenkt, bedeutet das für uns, mitunter etwa eineinhalb Jahre auf ein Urteil warten zu müssen! Bis dato hat unser von der Gewerkschaft gestellter Anwalt die Klagen noch nicht eingereicht. Aktuell stellt sich auch die Frage, ob bei einer Klage tatsächlich alle AbfallberaterInnen von der Gewerkschaft unterstützt werden oder wir uns eine weitere anwaltliche Vertretung organisieren müssen. Spannende Wochen stehen bevor. Im Moment sind wir 28 AbfallberaterInnen mit der detailreichen Vorbereitung unserer Klagen vor dem Arbeits- und Sozialgericht beschäftigt. Inhaltlich richten wir uns zum einen gegen unsere jahrelange Scheinselbständigkeit (Stichwort „Feststellungsklage“). Zum anderen steht eine Menge Geld am Spiel, das die Stadt Wien uns, der Gebietskrankenkasse und dem Finanzamt vorenthalten hat („Leistungsklage“). Werkverträge scheinen der MA 48 eben billiger gewesen zu sein ... Für alle Beteiligten wäre es besser, eine rasche und sozial verträgliche Lösung zu finden. Im Moment wird jedoch ganz bewusst auf Zeit gespielt – offenbar in der Hoffnung, dadurch unseren Durchhaltewillen zu brechen. August und September waren übrigens geprägt von wiederholten Terminversäumnissen der Stadt Wien, auf die Aufforderung unseres Anwalts, zu reagieren und endlich
eine Stellungnahme zu ihrer Sicht der Dinge abzugeben. Parallel haben wir bis heute verschiedene Gelegenheiten genutzt, die Öffentlichkeit weiter über unseren Arbeitskampf zu informieren und auf die „Entsorgung“ der Wiener Abfallberatung aufmerksam zu machen. Im Zuge einer Anfrage an Ulli Sima (SPÖ) bei der Gemeinderatssitzung am 7. September 2012 konnte die Umweltstadträtin erstmals nicht mehr ausweichen. Während sie daran festhielt, dass „die MA 48 (...) hier korrekte Werkverträge auf einer legal rechtlichen Basis abgeschlossen“ habe, erhielten einige AbfallberaterInnen just zwei Tage zuvor Post von der Personalabteilung der MA 48. Dort war zu lesen: „Zur Vermeidung einer langwierigen, gerichtlichen Auseinandersetzung erachten wir es als sinnvoll, die Angelegenheit zum jetzigen Zeitpunkt für beide Seiten positiv zu erledigen.“ Offensichtlich ist auch der MA 48 klar, dass sie in dieser „Angelegenheit“ Mist gebaut hat. Frau Stadträtin Sima hat sich bis heute nicht mit einem Gesprächsangebot an uns gewandt. Wir würden uns nach wie vor darüber freuen. Allerdings: Anfang September erhielten erneut nur einige von uns Briefe inklusive Einzelgesprächstermin. Dazu kam die Ankündigung, dass es ein „konkretes Jobangebot“ geben werde. KollegInnen, die den vorgegebenen Termin nicht wahrnehmen konnten, haben danach nie einen Alternativtermin erhalten. Andere, die sich informieren wollten, mussten feststellen, dass das „Konkrete“ nichts weiter war, als ein Zettel mit zweifelhaften Rechenbeispielen. Das JobanSEITE 12 • ALTERNATIVE 12/2012
gebot selbst unterscheidet sich durch nichts von jenem, das manche von uns bereits im Frühsommer erhalten hatten: Ein Dienstverhältnis in der sogenannten „handwerklichen Verwendung“ der Stadt Wien. Ein gemeinsamer Termin für alle, wie von der Initiative Abfallberatung seit langem gefordert, war erneut nicht möglich. Sogar die Mitnahme einer Vertrauensperson in den Besprechungsraum wurde von der MA 48 nicht zugelassen. Wir möchten herausstreichen, dass nur manchen von uns ein Jobangebot unterbreitet wurde, anderen nicht. Wieder andere AbfallberaterInnen wurden gar nicht bedacht. Da aber wir alle mit nicht rechtskonformen Arbeitsverträgen beschäftigt waren, bestehen wir weiterhin auf eine Lösung für alle. Wir hoffen und bauen auf die Unterstützung durch unsere Gewerkschaft – für alle. Besonders negativ aufgefallen ist, dass sämtliche Mütter in Karenz für eine Weiterbeschäftigung bei der MA 48 nicht in Betracht gezogen worden sind. Ebenso unser Kollege, der kurz vor der Pensionierung steht. Auf eine sozialdemokratisch regierte Stadt wirft das ein sehr ungünstig herbstlich-trübes Licht. Beim Fest der Unabhängigen GewerkschafterInnen im September kam ÖGB-Präsident Erich Foglar zur Bühne, um unsere Forderungen an Umweltstadträtin Ulli Sima mit seiner Unterschrift zu unterstützen. Dass es im Moment Probleme gibt, einen Termin mit AbfallberaterInnen der MA 48 zu bekommen, wird uns von mehreren Seiten berichtet. Das bei Schulen
und Kindergärten beliebte pädagogische Angebot ist momentan kaum oder gar nicht buchbar. Unsere Leistungen fehlen. Unschätzbar ist der Verlust an Umweltaufklärung, der dadurch entsteht. Die „Altstoff Recycling Austria AG“ (ARA) zahlt für ungefähr 15 vollzeittätige Wiener AbfallberaterInnen ungefähr eine Dreiviertel Million an die
Die Realitäten In der Oktober-Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien brachten die AUGE/UG einen Antrag zur Unterstützung der Anliegen der AbfallberaterInnen ein. Von Christine Rudolf. Die Forderung lautete: „Die Arbeiterkammer Wien fordert den Dienstgeber Stadt Wien dazu auf, tatsächlich rechtskonforme Dienstverhältnisse für alle AbfallberaterInnen der Stadt Wien (…) herzustellen und zwar unter Berücksichtigung und Anerkennung aller dienst- und besoldungsrechtlichen Ansprüche aus den vergangenen Jahren und mit einer Fortsetzung des Dienstverhältnisses auf Grundlage der Vertragsbedienstetenordnung 1995 der Stadt Wien unter folgenden Bedingungen: (…).“ Wir hatten die Hoffnung, dass sich die gesetzliche Interessenvertretung in dieser Sache auf die Seite der KollegInnen stellt. In Graz vertrat die AK Anfang der 1990erJahre Abfall- und UmweltberaterInnen auf Grundlage entsprechender Bescheide der Gebietskrankenkasse, die ein umgangenes Dienstverhältnis der Stadt Graz aus sozialversicherungs-rechtlicher Sicht feststellte. Im Endeffekt wurde damit eine Anstellung, damals sogar noch als BeamtInnen, erzielt. Die Wiener AK-RätInnen der FSG lehnten den Antrag bis auf eine einzige Stimme ab. Die Begründung wurde nur in Einzelgesprächen gegeben: Einerseits sei das eine Gewerkschaftssache und die GdG-KMSfB wäre eh schon dran und andererseits, dass die AK nicht zuständig sei, weil es sich ja um Werkverträge mit Gewerbeschein handle. Die wohl „zynischste“ Begründung hörte ich erst nach der Vollversammlung in einem „Vier-Augen-Gespräch“. Sinngemäß: „Selbst wenn wir die KollegInnen unter-
MA 48. Soweit uns bekannt ist, gibt es momentan allerdings nur 2 bis 3 vollzeittätige AbfallberaterInnen, die die Tätigkeit auch tatsächlich ausüben. Wohin fließt das Geld der ARA? Quelle: abfallberatung.prekaer.at
stützen und rechtlich vertreten, was hätten wir davon? Die MA 48 fällt als Betrieb der Stadt Wien nicht in unseren Zuständigkeitsbereich. Die dort Bediensteten sind damit keine Mitglieder. Wenn die AbfallberaterInnen also einen Prozess gewinnen würden und damit ein unbefristetes Dienstverhältnis bekämen, hätten wir nichts davon, auch keine Mitgliedsbeiträge.“ Ich lasse diese Bemerkung so stehen – ich war fassungslos. Dass diese Geschichte große Aufmerksamkeit in der „Prekären Community“ erzeugt hat (alles potentielle Gewerkschafts- und AK-Mitglieder), ist offensichtlich unerheblich für die AK. Genauso wie die enorme Beispielswirkung für die Stadt Wien als einem der größten Arbeitgeber als auch für andere Unternehmen, die zunehmend mit Umgehungs- und Kettenverträgen operieren. Da steht möglicherweise der „sozialpartnerschaftliche Parteihut“ im Weg, denn den Hut der Interessenvertretung tragen manche AKRätInnen und GewerkschafterInnen leider erst in zweiter Konsequenz. Kollege Foglar und die ÖGB-Vizepräsidentin Oberhauser haben die Petition der Initiative Abfallberatung unterzeichnet. Er sagte auch persönlich Unterstützung zu, sollte es Schwierigkeiten geben. Anfang November meinte er, er könne sich nicht einmischen sondern wir müssen die Entscheidung der GdG-KMSfB abwarten. Nach der Presseaussendung der Initiative Abfallberatung Anfang November bekamen sie die Information, dass die Gewerkschaft sowohl der GdG-KMSfBRechtsschutzabteilung als auch dem Anwaltes lediglich ein „Verhandlungsmandat“ erteilt hat. Obwohl es für die KollegInnen bisher immer den Anschein hatte, dass die GdG-KMSfB auch eine Klage, welche die KollegInnen, aufgrund eines mangelnden Angebotes für eine Gesamtlösung, für alle seitens der MA 48
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nun einreichen wollten, unterstützt. Doch siehe da – auf einmal trudelte eine Woche später eine Nachricht ein. Der von der Stadt Wien beauftragte Anwalt hat nun den Auftrag erhalten „zur Vermeidung unerwünschter gruppendynamischer Effekte auch den restlichen 13 ehemaligen AbfallberaterInnen eine vergleichsweise Generalbereinigung anzubieten.“, so der Stadt-Wien-Anwalt. Schriftlich am Tisch liegt nichts Genaues für alle. Wir nehmen an, die KollegInnen werden nun – weil sie ja immer eine Lösung für alle wollten und solidarisch zueinander stehen – diese Gesamtlösung, sobald diese schriftlich vorliegt, gemeinsam mit ihrem Anwalt beurteilen und Vergleiche anstellen, ob diese „Angebote“ für alle sowohl einer Abgeltung der arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche für die Vergangenheit als auch einer ordentlichen und fairen Entlohnung und damit Einstufung unter Anrechnung ihrer Vordienstzeiten, der Qualifikationen und zustehenden Zulagen entsprechen und dann entscheiden, ob Gespräche über Nachbesserungen einen Sinn machen. Denn wie bereits mehrmals berichtet, handelt es sich um umgangene unbefristete Dienstverhältnisse und in zweiter Konsequenz Kettenverträge. Ein Angebot muss diesem Umstand also Rechnung tragen, wenn man ein Gerichtsverfahren vermeiden möchte. Die Frage ist: Bewegt sich die MA 48 und Stadt Wien nun doch endlich und gibt damit auch zu, hier jahrelang nicht korrekt gehandelt zu haben? Wir werden es sehen und darüber berichten! PS: Informationen zu den weiteren AK-Anträgen im Bereich der Stadt Wien und zur Thematik prekäre Beschäftigungsverhältnisse bei der Stadt Wien nachzulesen auf kiv.at
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„ACHTUNG EINSTURZGEFAHR“ E
rstmalig unterstützten die Gewerkschaften GdG-KMSfB, VIDA und GPA-djp*) gemeinsam die Anliegen von zirka 50.000 KollegInnen, die österreichweit in diesem Bereich tätig sind. Bei strahlendem Sonnenschein sammelten sich rund 4000 KollegInnen am Minoritenplatz, die Warnwesten mit dem Aufdruck „Kindergarten-Achtung Einsturzgefahr“ wurden angezogen, Transparente entrollt, Pfeiferln verteilt, von einer Kollegin war zu hören „Heute machen wir mal Lärm!“. KindergartenpädagogInnen, AssistentInnen, Bildungsinteressierte demonstrierten gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen, Senkung der Kinderanzahl in den Gruppen, for-
... war Anfang Oktober in der Wiener Innenstadt bei der Kindergarten-Demo zu lesen und zu hören. Von Karin Samer. derten ein Ende des gesetzlichen Fleckerlteppichs im elementaren Bildungsbereich. • Wir fordern aber nicht nur höhere Gehälter, bessere und gleiche Rahmenbedingungen für alle in diesem Bereich tätigen KollegInnen. • Wir fordern dies auch für die uns anvertrauten Kinder, für eine grundlegende Chancengleichheit in der
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Bildungs-Biographie aller Kinder in Österreich. • Wir fordern einheitliche Strukturen, nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. • Wir fordern das Bundesrahmengesetz! Die Bundesregierung ist aufgefordert in die Zukunft unseres Landes zu investieren, um Qualität und Ausbildung in den Kindergärten abzusichern. Denn unsere ZUKUNFT IST MEHR WERT! *) Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, Kunst Medien, Sport und freie Berufe; Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft; Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck Journalismus Papier. Karin Samer ist Betriebsratsvorsitzende der Wiener Kinderfreunde
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KIV/UG-SIEGE DA CAPO D
as Ergebnis: Die Listen der KIV/UG haben bei den Betriebsrats- und Behindertenvertrauenspersonen-Wahlen wie schon bei den letzten Betriebsratswahlen 2008 gewonnen beziehungsweise in den GmbHs auch noch dazu gewonnen. Ein phänomenaler Wahlerfolg und eine schöne Bestätigung für die Arbeit unserer BetriebsrätInnen! Die Ergebnisse im Detail: • Fonds Soziales Wien: Betriebsratswahl 2012: KIV/UG 7 Mandate, FSG 3 Mandate. Behindertenvertrauensperson: KIV/UG – Liste Knoll. • FSW-Wiener Pflege- und Betreuungsdienste GmbH: Betriebsratswahl 2012: KIV/UG 5 Mandate, FSG 2 Mandate. Behindertenvertrauensperson: KIV/UG – Liste Leisch. • „wieder wohnen“ GmbH: Betriebsratswahl 2012: KIV/UG 4
Die Betriebsratswahlen im Fonds Soziales Wien und den FSW-Tochterunternehmen*) sind geschlagen. Mandate, FSG ø Mandate, A-Team 2 Mandate. Behindertenvertrauensperson: KIV/UG – Liste Hovorka. Die Liste „A-Team“ hat erstmals kandidiert, der Listenerste war in der letzten Wahlperiode bereits Betriebsrat der FSG. Die Beschäftigten des FSW-Tochterunternehmens „Schuldnerberatung Wien gemeinnützige GmbH“ haben bereits letztes Jahr den Betriebsrat gewählt.
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Mehr Informationen unter kiv.at/fsw beziehungsweise br-fsw.at (Homepage der Betriebsräte und Personalvertretung) *) „Wiener Pflege- und Betreuungsdienste GmbH“ und „wieder wohnen“ – Betreute Unterkünfte für wohnungslose Menschen gemeinnützige GmbH.
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AUS DEM STAND ABSOLUTE MEHRHEIT D
ie Tridonic-ArbeiterInnen hatten im Oktober 2012 erstmals bei einer Betriebsratswahl eine tatsächliche Wahl und nahmen reichlich und deutlich davon Gebrauch. Zuvor war der Betriebsrat zu hundert Prozent von der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen dominiert. Nun muss diese drei von fünf BR-Mandate an die Liste „Team Bozgül Can“ abtreten. Can Bozgül wird aller Voraussicht nach zum neuen Betriebsratsvorsitzenden gewählt werden. Die Tridonic GmbH & Co KG ist ein Unternehmen der Zumtobel-Gruppe und produziert Beleuchtungskomponenten, Lichtmanagement-Systeme und LED. Sie beschäftigt in Dornbirn rund 360 Angestellte und 178 ArbeiterInnen. Davon haben sich 155 an der Betriebsratswahl beteiligt (87 Prozent Wahlbeteiligung). Fünf Stimmen waren ungültig. 87 ArbeiterInnen unterstützen das „Team Bozgül Can“ (58 Prozent). 63 Stimmen beziehungsweise 42 Prozent entfielen auf die FSG-Liste „Team Kaufmann“. Can Bozgül ist seit Feber 2000 als Prüfanlagentechniker bei Tridonic in Dornbirn angestellt. 2004 wurde er Mitglied des Angestellten-Betriebsrats. Damals war er noch türkischer Staatsbürger und ihm war bewusst, dass er nur deshalb Betriebsrat werden konnte, weil der Verein „Gemeinsam“, (die UG-Landesorganisation in Vorarlberg), durch eine Anfechtung der Arbeiterkammerwahlen 1995 nach mehrjährigem Rechtsstreit das allgemeine passive Wahlrecht bei Arbeiter-
Eine von Can Bozgül angeführte, unabhängige Liste erreichte bei der Wahl des Arbeiterbetriebsrats der Firma Tridonic 58 Prozent der Stimmen. Von Mario Lechner. kammer- und Betriesbrats-Wahlen durchgesetzt hatte. Er deklarierte sich daher zur AUGE/UG und wurde Vorstandsmitglied im Verein „Gemeinsam“. Can Bozgül vertritt die UG im Landesvorstand des ÖGB und der GPA-djp. Das Arbeitsverfassungsgesetz ermöglicht es, dass ArbeiterInnen für den Angestellten-Betriebsrat kandidieren und umgekehrt. Viele ArbeiterInnen wünschten sich eine Veränderung und eine Alternative. Can Bozgül, der im produktionsnahen Bereich arbeitet und die Sorgen und Wünsche der ArbeiterInnen kennt, machte daher von der Möglichkeit Gebrauch, die das Arbeitsverfassungsgesetz bietet, und organisierte die Kandidatur einer unabhängigen Liste. Aus dem Angestellten-Betriebsrat musste er nun aber ausscheiden. Mit dem Wahlerfolg bei Tridonic glaubt die AUGE/UG nun die Kriterien für die Anerkennung als Fraktion in der Produktions-Gewerkschaft „ProGe“ zu erfüllen. Neben den NeoBetriebsratsmitgliedern bei Tridonic gibt es noch AUGE/UG-deklarierte Betriebsräte, eine Jugendvertrauensperson und eine Behindertenvertrauensperson im Pro-Ge-Bereich in weiteren Betrieben in Vorarlberg sowie in je einem Betrieb in Tirol, Wien und Oberösterreich. Gemeinsam/UG wird nun auch die Anerkennung als Fraktion in der Pro-Ge Vorarlberg beantragen.
MARIO LECHNER Vorarlberger Landessprecher der
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Magazin
Bücher statt Panzer – Kritische Literaturtage 2012 Während am 26. Oktober das Bundesheer am Heldenplatz seine Kriegsgeräte präsentierte, fanden in der Brunnenpassage in Wien-Ottakring vom 26. bis 27. Oktober die Kritischen Literaturtage statt.
Mit Büchern statt Panzern wartete die Literaturmesse abseits des kommerziellen Mainstreams auf. Ziel war es, Verlagen mit alternativen, gesellschafts- und sozialkritischen Büchern, insbesondere aber unabhängigen und kleinen Verlagen aus Österreich und dem deutschsprachigen Raum die Möglichkeit zu geben, ihr Sortiment zu bewerben. Bei netter Atmosphäre konnten die BesucherInnen bei den zahlreichen Verlags-Tischen in Büchern schmökern, Neuerscheinungen ansehen sowie die allerersten Buch-Weihnachtsgeschenke erstehen. Bei der Auftaktveranstaltung am Vorabend der Literaturtage diskutierten etwa vierzig BesucherInnen mit den Podiumsgästen Rolf Schwendter, Renate Nahar und Anna Rosenberg über soziale Bewegungen und die gegenseitigen Erfahrungen damit. Reges Interesse weckten die zahlreichen Infotische von Gewerkschaftsorganisationen und sozialen Initiativen, wie Amnesty International, der Österreichisch-Kubanische Gesellschaft oder die Wiener Friedensbewegung. Auch dieses Jahr war die UG mit VertreterInnen ihrer Säulen an beiden Tagen mit einem Infostand vertreten. Gleichzeitig fand ein attraktives Rahmenprogramm statt – mit Buchpräsentationen und Lesungen von Irene Messinger, Manfred Rebhandl, Mehmet Emir und vielen mehr. Höhepunkt war der Jura Soyfer-Abend am 26. Oktober. Anlässlich seines 100. Geburtstags wurde der in Vergessenheit geratene österreichische Dramatiker durch eine szenische Lesung von VINETA (Editionskollektiv Mezzanin) sowie vorgetragene Lieder (Maren Rahmann) gewürdigt. SEITE 19 • ALTERNATIVE 12/2012 Rückblick: krilit.at und flickr.com/photos/augeug/
Magazin
„Es geht darum, im europäischen Verbund in Zusammenarbeit mit der NATO einsatzbereit zu sein, die Rohstoff- und Energiequellen zu verteidigen, die Transportwege, Seewege und Pipelines. Dazu kommen das Flüchtlingsproblem, Terrorismus und Cyberwar.“*) Jetzt wissen wir also, warum wir ein Militär brauchen. Von Bernhard Redl.
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anke an Herrn Androsch, dass er die Wahrheit sagt – ein österreichischer Politiker wäre nach einer solchen Ehrlichkeit wohl rücktrittsreif gewesen; aber ein Ex-Politiker und schwerreicher Unternehmer kann die Wahrheit sagen. Dieser Sager war noch ein Grund an jenem kalten 26. Oktober, dem N-Feiertag, auf einen Panzer am Heldenplatz zu kraxeln und ein Transparent zu hissen, auf dem stand „MORD=GEIL“. Ein anderer Grund dafür war sicher auch der schiere Ekel, der einen überkommen muss, wenn man sich dieses Spektakel ansieht, wo Panzer zu Kinderspielzeug erklärt werden und der anwesende Teil der Nation der beamteten Profimördertruppe und ihren wehrpflichtigen Hiwis zujubelt. Ja und dann ist da
BERNHARD REDL Redakteur bei akin - Aktuelle Informationen
noch diese Volksbefragung, die uns wählen lässt zwischen Scylla und Charybdis, bei der wir aber nicht gefragt werden, ob nicht vielleicht doch das Bundesheer endlich dorthin soll, wo es schon lange hingehört, nämlich auf die Sondermülldeponie der Geschichte. Und unsere Panzerkraxelaktion stand nicht allein da – wir wurden lautstark unterstützt von einem Chor junger Leute, die schon vorher bei der Angelobung durch lautstarkes Gelächter den nationalen Konsens störten. Dazwischen gab es auch noch ein schönes Die-In mitten unter den schwer bewaffneten Vaterlandsschützern und irgendwo geisterte eine dadaistische Gruppe herum, die verkündete: „Profiteroles bringen Sicherheit“ – und damit den offiziellen Slogan des Heeres verarschten. Die „vergessene“ Antwortmöglichkeit „Bundesheer abschaffen!“ hat offensichtSEITE 20 • ALTERNATIVE 12/2012
lich an diesem 26. Oktober 2012 für weitaus mehr Friedensaktivismus gesorgt als sonst in den letzten Jahren zu sehen war. Wie sehr aber dieses Heer noch immer in der alten Tradition des Kadavergehorsams und des k.u.ksowie Wehrmachts-Militarismus steht – und das sei diesen sozialdemokratischen Milizoffizieren einmal gesagt, die etwas anderes gerne glauben wollen – ist daraus ersichtlich, dass das Bundesheer so einfach eine antifaschistische Gedenkfeier vertreiben darf. Denn Mitte Oktober hatte die Wiener Stadtregierung den Beschluss verkündet, dass es 2013 nun aber wirklich ein Denkmal zur Erinnerung an die Deserteure der Wehrmacht geben soll. Und zwar am Ballhausplatz. Aber zu einer Gedenkkundgebung am Nationalfeiertag an diesem Platz reicht es in Österreich immer noch nicht. Denn die entsprechende
„Das Bundesheer, die Wehrpflicht, die Befragung und wir“ Am 20. Jänner 2013 wird die österreichische Bundesregierung eine Volksbefragung über die Wehrpflicht abhalten. Die SPÖ plädiert für die Abschaffung der Wehrpflicht, die ÖVP will diese beibehalten. Und wie entscheidest Du? Keine Ahnung? Dann komm doch zu unserer Meinungsfindungs-Diskussionsrunde. Zeit: Donnerstag, 17. Jänner 2013, 18 Uhr, Ort: AUGE/UG-Büro, Belvederegasse 10/1, 1040 Wien mit • Christian Mokritzky ARGE für Wehrdienstverweigerung und Gewaltfreiheit, • Ingo Hackl Personalvertreter der UGöD im Bundesheer.
Abschaffen!
Kundgebung musste auf die ehemalige Hinrichtungsstätte auf dem Gelände des Militärschießplatzes Kagran ausweichen. Der Grund: Das Bundesheer war der Meinung, es bräuchte den Ballhausplatz, um dort seine LKWs abzustellen. Für jeden mörderischen und nationalistischen Unfug war Platz, aber ein Deserteursgedenken, selbst wenn es um Wehrmachtsdeserteure geht, auf die diese Republik gerade am Nationalfeiertag stolz sein müsste, ja, das hätte natürlich das militaristische Wohlbefinden gestört. So sieht diese Republik wirklich aus. Es bleibt dabei: Das Bundesheer gehört abgeschafft!
Anfang November 2012 übergaben VertreterInnen des Internationalen Versöhnungsbundes, der ARGE für Wehrdienstverweigerung und der AUGE/UG 755 Unterschriften für die Abschaffung des Bundesheeres und eine aktive Friedenspolitik an Nationalrats-Präsidentin Barbara Prammer. Damit kann diese parlamentarische BürgerInnen-Initiative online auf der Homepage des Parlaments von wahlberechtigten ÖsterreicherInnen ab 16 Jahren unterstützt werden. Bei der Überreichung der Unterschriften stellte Pete Hämmerle vom Internationalen Versöhnungsbund die Initiative vor, die eine aktive Friedenspolitik Österreichs in der Welt als Modell einer nicht-militärischen Sicherheitspolitik in den Mittelpunkt stellt. Als konkrete Punkte nannte Hämmerle unter anderem die Abschaffung des Bundesheeres, die Übernahme von sozialen Aufgaben von Zivildienstleistenden durch bezahlte Arbeitsplätze oder die Einführung eines staatlich geförderten Zivilen Friedensdienstes. Christian Mokricky von der ARGE Wehrdienstverweigerung kritisiert das Fehlen der Option einer aktiven Friedenspolitik ohne Bundesheer in der Fragestellung für die Volksbefragung. Für Hildegard Goss-Mayr, Ehrenpräsidentin des Versöhnungsbundes, könnte Österreich als neutrales Land ein Modell für einen gewaltfreien Umgang mit Konflikten in Europa und in der ganzen Welt liefern.
Weitere Infos samt vielen Links gibt es unter: akin.mediaweb.at *) Hannes Androsch, zitiert nach „Österreich“, 7. November 2012
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International
Zur Debatte der Reform des „Europäischen Semesters“, einer weiteren Umgehung von demokratischen Spielregeln. Von Veronika Beranek.
N
SCHARFE KONTROLLE
och nicht richtig etabliert und auf Tauglichkeit überprüft, sollen die Kontrollmechanismen im Rahmen der Haushaltspolitik der Eurostaaten weiter verschärft werden. Das so genannte Europäische Semester ermöglicht der Europäischen Kommission die Überprüfung nationalstaatlicher Haushalts- und Reformentwürfe vor Beschlussfassung in nationalen Parlamenten. Hauptziel dabei ist die Einhaltung der haushaltspolitischen Vorgaben sowie die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Kommission spricht dazu im Rahmen eines, einem festen Zeitablauf folgenden, „Semesters“ länderspezifische Empfehlungen gegenüber den Mitgliedstaaten aus, die diese bei der Verabschiedung ihrer Haushalte und politischen Maßnahmen berücksichtigen sollen. Diese Empfehlungen werden durch den Europäischen Rat verabschiedet und sind verpflichtend. War bislang nicht klar, was „verpflichtende Empfehlungen“ darstellen sollen, liegt nun ein Vorschlag vor, der diese Formulierung erläutert. Vor dem Hintergrund einer Forderung nach stärkerer Koordinierung der Politiken innerhalb der „Wirtschaftsund Währungsunion“ (WWU) zielt der Vorschlag auf eine Selbstverpflichtung der einzelnen Eurostaaten ab. Diese soll – wie bereits beim Fiskalpakt – in Form eines (völkerrechtlichen) Vertrages zwischen den jeweiligen Mitgliedsländern der Eurozone sichergestellt werden. Das würde zu einer automatischen Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der EU-Kommission führen. Die Stoßrichtung dieses Vorschlags entspricht dem
Zwischenbericht des sogenannten Quartetts der Präsidenten (Big Four), bestehend aus Van Rompuy (Europäischer Rat), Barroso (EU-Kommission), Juncker (Eurogruppe) und Draghi (Europäische Zentralbank) über die Vollendung der WWU vom 12. Oktober 2012. Im Rahmen der Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rats (EU-Gipfel) vom 18. bis 19. Oktober 2012 wird deutlich, dass die grundlegende Zielrichtung des Vorschlags auf Zustimmung stößt, eine Konkretisierung inklusive Zeitplan wird für den EU-Gipfel im Dezember gefordert.
Welche Auswirkungen sind zu erwarten? Ein europäisches Semester beginnt mit dem jährlichen Wachstumsbericht der Kommission. Aus diesem Bericht lässt sich die Ausgestaltung von Indikatoren zur Bewertung der Haushaltsplanung der einzelnen Mitgliedsstaaten ablesen. Bis April müssen die Mitgliedsstaaten ihre grundlegenden Pfade der Haushalts- und Wirtschaftspolitik entlang des Wachstumsberichtes an die europäische Kommission melden. Diese bewertet in der Folge, ob die Pfade den Zielsetzungen in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit und Haushaltskonsolidierung standhalten und gibt bis zum Sommergipfel Empfehlungen ab. Nach der bisherigen Ausgestaltung des Europäischen Semesters wurden die länderspezifischen Empfehlungen in den Rat eingebracht und dort abgestimmt. Erst danach waren sie verSEITE 22 • ALTERNATIVE 12/2012
bindlich. Dies würde sich durch einen (völkerrechtlichen) Vertrag, dessen Inhalt die Automatisierung der Umsetzung von länderspezifischen Empfehlungen der EUKommission ist, erledigen. Wenn die Staaten der Eurozone generell per Vertrag zustimmen, die Empfehlungen jedenfalls zu übernehmen, bedarf es keiner Zustimmung, eigentlich nicht mal mehr einer Befassung des Europäischen Rats.
Beträchtliche Auswirkungen für Mitgliedsstaaten Der formale Aspekt: Die EU-Kommission, eine demokratisch kaum legitimierte Einrichtung, spricht Empfehlungen aus, die für demokratisch gewählte Regierungen verpflichtend umzusetzen wären. Damit nimmt die EU-Kommission nicht nur Einfluss auf die wirtschaftspolitische Entscheidungsfindung, sondern direkt auf die Erstellung nationaler Haushalte. Der inhaltliche Aspekt: Die EUGeneraldirektion „Wirtschaft und Finanzen“ (DG ECFIN), in deren Aufgabenbereich die Überprüfung der nationalen Haushaltsplanung liegt und deren politische Ausrichtung auf die einseitige Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit durch Senkung von Produktionskosten und auf Haushaltskonsolidierung zusammengefasst werden kann, bewertet. Das betrifft alle Kapitel des Haushalts, wie etwa • Pensionen, • Arbeitsmarkt, • Steuer und Abgaben (Erleichterungen für Dienstgeber),
Aus einem Antrag der AUGE/UG:
Die EU-Kommission, eine demokratisch kaum legitimierte Einrichtung, spricht Empfehlungen aus, die für demokratisch gewählte Regierungen verpflichtend umzusetzen wären
• Sozialpolitik (Senkung der Arbeitslosigkeit durch Erhöhung des Drucks auf Arbeitslose). Dabei geht es nicht nur um die Feststellung, dass aus Sicht der DG ECFIN die haushaltspolitischen Maßnahmen nicht zielführend sind. Es werden konkrete Maßnahmen seitens der DG vorgeschlagen, die umgesetzt werden müssen. So ist beispielsweise eine spezifische Empfehlung im Rahmen des Europäischen Semesters, die zeitliche Vorziehung der Harmonisierung des Pensionsantrittsalters in Österreich!
Fazit Sollte dieser Vorschlag des „Quartetts der Präsidenten“ im Europäischen Rat angenommen werden, würden damit einmal mehr elementare demokratische Spielregeln verletzt bzw. parlamentarische Verfahren zur Entscheidungsfindung ausgehebelt. Inhaltlich führt die Einseitigkeit der
„Die 158. Vollversammlung der AK-Wien möge beschließen: Die im Entwurf der Schlussfolgerungen des Europäischen Rats vom 8. Oktober 2012 angedachte völkerrechtliche Verpflichtung der Eurostaaten, Strukturreformen (unter anderem länderspezifische Empfehlungen der EU-Kommission) automatisch umzusetzen, wird entschieden abgelehnt. Für die AK-Wien stellt dieses Vorhaben nicht nur einen weiteren Versuch, wirtschafts- und sozialpolitische Entscheidungen von der demokratisch legitimierten Ebene des Nationalstaats bzw. nationalstaatlicher Elemente hin zu demokratisch nicht entsprechend legitimierten EU-Ebenen zu verlagern, dar. Vielmehr handelt es sich auch um einen massiven Angriff auf demokratische, soziale und gewerkschaftliche Rechte – insbesondere auf die Autonomie der Sozialpartner im Rahmen der Lohnfindung – sowie auf die sozialen Sicherungssysteme, insbesondere auf Pensionen und Gesundheitsversorgung. Eine Schwächung der Position der ArbeitnehmerInnen sowie ihrer Organisationen wird die AK nicht hinnehmen! Der Bundeskanzler ist daher aufgefordert, am Europäischen Rat im Oktober und im Vorfeld der Ausarbeitung des Endberichtes zur Vollendung der WWU unter der Leitung von ER Präsident Van Rompuy entschieden gegen diesen Vorschlag aufzutreten. Weitreichende Reformen in der Europäischen Union müssen unter Einbeziehungen aller demokratischen Kräfte und gesellschaftlich relevanten Organisationen – insbesondere auch jener der ArbeitnehmerInnen – erfolgen und dürfen nur im Rahmen europäischen Rechts bzw. entsprechender geordneter Verfahrensregeln zu einer Reform der EU und ihrer Institutionen („Konvent“) durchgeführt werden. Eine Umgehung europäischen Rechts über völkerrechtliche Verträge ist strikt abzulehnen.“ Dieser Antrag wurde mit Änderungen und Auslassungen, aber unter Erhalt der substanziellen Aussagen und Forderungen mit Mehrheit angenommen. Die AK gibt sich damit den Auftrag in Sachen Ablehnung verpflichtender Strukturreformen aktiv zu werden – gegenüber dem Bundeskanzler und gegenüber der Bundesregierung!
wirtschaftspolitischen Ausrichtung zu rigider Sparpolitik in den Mitgliedsstaaten, die Forcierung der Wettbewerbsfähigkeit nach deutschem Muster zu enormen Druck auf die Lohnund Beschäftigungspolitik. Eine Abkehr der EU-Kommission von dieser Politik ist nicht zu erwarten. Das wir uns nicht ohne weiteres auf die Vernunft unserer Parlamente, die einer Selbstbeschneidung nicht zustimmen sollten, verlassen können, zeigt das Vorgehen und das Ergebnis in Bezug auf den Fiskalpakt, als letztes großes Unterfangen in Richtung der Einschränkungen demokratischer Entscheidungsebenen. Es müssen Anstrengungen unternommen werden, diese Pläne zu stoppen, um zu verhindern, dass EU-Recht SEITE 23 • ALTERNATIVE 12/2012
weiterhin durch völkerrechtliche Verträge umgangen wird. Es muss weiter Kraft investiert werden, um die einseitige Ausrichtung der Sparpolitik zu entschärfen bzw. abzuschaffen. Nicht zuletzt muss der damit verbundene Angriff auf Rechte der ArbeitnehmerInnen und auf den Sozialstaat unterbunden werden. Die AUGE/UG hat sowohl bei der letzten Vollversammlung der Arbeiterkammer als auch in der Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer entsprechende Anträge (siehe Kasten) eingebracht, die angenommen wurden. Dies ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
International
Internationale Gewerkschaftskämpfe sind in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst eher kein Thema. Solidarität reicht nur wenig über die eigene Berufsgruppe hinaus. Von Reinhart Sellner.
KONSEQUENZEN
W
enn FCG- oder FSG-Vorsitzende und Stellvertreter die Lage der griechischen KollegInnen erwähnenswert finden, dann geht es auch nicht um Solidarität mit ihren Kämpfen ums Überleben, sondern ums Ruhigstellen der GÖD-KollegInnen, die mit der fortgesetzten Einsparung von Arbeitsplätzen („Aufnahmestopp“), der laufenden Erhöhung von Arbeitsumfang und Arbeitsintensität und Gehaltskürzungen („Nulllohnrunde“) unzufrieden sind. „Was wollt’s denn? Gehaltsverhandlungen wie die Metaller? Schaut’s lieber wie’s bei den Griechen zugeht, im öffentlichen Dienst, und da müsst’s zugeben: Wir tun für euch, was geht, aber spar’n müssen wir alle und einen Beitrag leisten.“ Mitte Oktober, beim internationalen Kongress der Europäischen Linken „Education for a society of solidarity“ im Alten AKH in Wien, hatte ich Gelegenheit, den Lehrerkollegen und Gewerkschafter Pavlos Charamis und Sissy Velissarious, Professorin an der Athener Uni kennenzulernen. Sie haben im Arbeitskreis „Educational Policy in Times of Austerity“ eine Zusammenfassung der aktuellen Entwicklung in Griechenland berichtet; im Folgenden wesentliche Passagen aus ihrem (englischen) Handout: „Consequences of the Crises on Greek
REINHART SELLNER Unabhängiger Gewerkschafter der
Education“. Das von der Troika (EU, Europäische Zentralbank, IWF) mit der griechischen Regierung vereinbarte Memorandum1) gilt nach Lesart des Bildungsministeriums nicht für den Bildungsbereich, allerdings musste sich darin die Regierung zur Einrichtung einer unabhängigen Task Force verpflichten, die über die Implementierung eines möglichst sparsamen Managements der weiter reduzierten Budgetmittel wacht. Die Regierung hat der Troika alle drei Monate zu berichten, welche Maßnahmen mit welchem Erfolg gesetzt worden sind. Ergebnis ist „the new poor education“, ein Bildungswesen, das auf allen Ebenen strikt nach finanziellen Erwägungen funktionieren soll: Kostensenkung durch Effektivitätssteigerung, durch Schließen kleinerer Einheiten und allgemein das Suchen nach den billigsten Lösungen, ohne Rücksicht auf die massiven negativen Auswirkungen auf das Bildungswesen, auf die Gesellschaft und die Überlebensfähigkeit des Landes. Wenn die MaastrichtBeschlüsse Bildung als nationale Angelegenheit definiert haben, die von der EU subsidiär zu unterstützen sind, dann ist das nicht wahr.
Weniger Bildung für alle – „the death of the Greek miracle“ Bis 2015 müssen die öffentlichen Bildungsaufgaben weiter bis auf 2,23 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zurückgefahren werden2). Seit den 1990er-Jahren wirksame demokratische, sozial-integrative Schulreformen werden rückgängig gemacht. LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen haben massive Kürzungen, die den Schulalltag betreffen, zu spüren SEITE 24 • ALTERNATIVE 12/2012
bekommen, die Mittel der „school committees“ wurden um 60 Prozent heruntergefahren, die öffentlichen Schulen werden stranguliert: Eltern werden aufgefordert, immer mehr zum Ankauf des Notwendigsten angehalten, damit der Schulbetrieb aufrecht erhalten werden kann. Ein Beispiel: Die Regierung hat zur gleichen Zeit den Heizölpreis verdreifacht, die Schulen werden im Winter die Heizkosten nicht aufbringen können. Das vergangene Schuljahr startete ohne Schulbücher, SchülerInnen mussten photokopieren oder im Internet lesen. Heuer können sie Bücher ausleihen, müssen sich aber verpflichten, sie am Ende des Schuljahres in neuwertigem Zustand zurückzugeben.
Öffentliche Schulen werden geschlossen Das drastische Einsparungsprogramm führte auch zum Zusammenlegen und Schließen von Schulen und Universitäten. Das bedeutet weniger Bildung für alle, der demokratische Grundsatz „The Greek Education and Higher Education is Public and Free“ ist Vergangenheit, die Gegenwart sind teure Privatschulen und Bildungsprivilegien für eine schmale Elite. Das Bildungsministerium hat ohne jedes Gespräch mit den betroffenen LehrerInnen, Eltern und lokalen Gemeinden die Zusammenlegung von 1933 Schulstandorten beschlossen. 1056 Grundschulen, vor allem in schwer zugänglichen Gebirgsregionen, sind auf Dauer zugesperrt worden (7,8 Prozent), 205 Schließungen betreffen die Sekundarbereiche (6,5 Prozent). Nichtnachbesetzung nach Pensionierung und Entlassungen
von LehrerInnen haben die KlassenschülerInnenzahlen von 25 wieder auf 28 bis 30 ansteigen lassen. Fördermaßnahmen wurden gestrichen, besonders betroffen davon sind Kinder armer Eltern und MigrantInnen. Sozial engagierte LehrerInnen, deren Gehälter laufend gekürzt werden, versuchen diesen SchülerInnen mit nicht bezahlten Zusatzstunden zu helfen, während nazistische Hetze auf Roma und Schwarzafrikaner die Schulen erreicht und Gewalt unter SchülerInnen zunimmt.
LehrerInnengehälter halbiert In Griechenland lagen die LehrerInnengehälter bei 50 Prozent der Durchschnittsbezüge von LehrerInnen in der Euro-Zone, wurden in den letzten zwei Jahren halbiert, während das Pensionsalter von 60 bis 65 Jahren, abhängig von der Zahl der Dienstjahre, auf 70 angehoben wurde. Zum Erreichen der vollen Pension müssen 40 statt bisher 35 Dienstjahre absolviert worden sein. • Monatseinkommen netto: 640 Euro (im ersten Dienstjahr) bis 1400 Euro (ab dem 35. Dienstjahr) • Jahresnetto: 8500 bis 17.800 Euro • Gehaltserhöhungen nur bei Erfüllung strenger Leistungskontrolle • Gehaltserhöhungen kann im neuen System nur eine limitierte Zahl von LehrerInnen erreichen
Fragmentiertes Lernen
Mittel, die in Zukunft wie Unternehmen nach betriebswirtschaftlichen Kriterien geführt werden sollen, bedeuten das Aus für eigenständige Grundlagenforschung, für theoretische Fächer, Human- und Sozialwissenschaften und verstärken stattdessen das Angebot von auf dem Markt gefragten Ausbildungen.
Autokratische Verwaltung und Marktorientierung Das Ministerium plant aus SchulleiterInnen vorgesetzte Manager der „New Schools“ zu machen. Diese sollen bestehende Kompetenzen der Schulleitung abgeben, nach ministeriellen Qualitätsvorgaben ihre Schule führen und ihre LehrerInnen laufend kontrollieren und evaluieren. Bestehende demokratische Mitbestimmungsrechte an den Schulen werden zurückgenommen. An den Universitäten sind die entsprechenden Reformen im vergangenen Jahr zwar am Widerstand der Betroffenen gescheitert, doch wird im Ministerium weiter daran gearbeitet, Universitätsleitungen einzusetzen und demokratisch gewählte Organe wie Rektor, Senate und die Selbstverwaltung der Universitäten unter Mitwirkung von Universitätspersonal und Studierenden abzuschaffen. Autoritäre Managementstrukturen, Marktorientierung machen aus neoliberalen Sachzwängen freie Universitäten zu betriebswirtschaftlich geführte Unternehmen.
„enterprise university“ und Elite-Bildung Die Politik des Zusammenlegens oder Zusperrens betrifft auch Universitäten und///oder Fakultäten und Institute, insbesondere an der Peripherie des Landes. Diese Maßnahmen sollen
Das Ziel der Bildungsreformen der Regierung bei der Sekundarstufe II ist die Bereitstellung von fragmentiertem Wissen, die Entwicklung von „Skills“, die den Anforderungen des Marktes entsprechen. Diese Reformen folgen dem gleichen Muster wie die neuen Gesetze für tertiäre Bildung: Universitäten ohne ausreichende öffentliche SEITE 25 • ALTERNATIVE 12/2012
bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Das Zusammenlegen in Verbindung mit dem Auslaufen von Verträgen, Nichtnachbesetzen von nach Pensionierung frei werdender Stellen und Anstellungen mit schlecht bezahlten befristeten Verträgen für LehrerInnen, nichts für Forschung, bedeutet die Zerstörung der griechischen Universität, denn die tertiäre Bildung wird zu einer post-sekundären Schulausbildung. Die in der Zeit der Krise für Postgraduate-Studien eingeführten Studiengebühren werden auf alle Studien ausgedehnt. Universitätsbildung wird wieder zu einem Privileg der herrschenden Elite.
Gemeinsam kämpfen für das Menschenrecht auf Bildung, gegen Armut und Hoffnungslosigkeit, überall Deregulierung, Flexibilisierung, Arbeitsverträge auf niedrigstem Niveau, Lohn- und Pensionskürzungen und eine bis vor kurzem nicht vorstellbare Massenarmut werden von einer neoliberalen Bildungspolitik begleitet, die auf die Produktion billiger, flexibler und angepasst-gefügiger Arbeitskräfte abzielt und auf einen privaten Bildungsmarkt, in dem sich die wirtschaftlichen und politischen Eliten exklusiv und nach Belieben bedienen können. Nur die Kinder dieser Elite sind in der Lage, das volle Bildungsprogramm zu absolvieren. Das Memorandum von EU, EZB, IWF und griechischer Regierung befestigt die Macht der herrschenden Minderheit über eine in ihren Grundzügen und ihrer Verfassung demokratische Gesellschaft. Soziale Gegensätze und Konflikte spitzen sich zu. Studiengebühren und verschärfte StudienbedinBitte umblättern
gungen verstärken die Abhängigkeit junger Menschen von ihren Familien und deren umfassender, nicht nur finanzieller Unterstützung. Konservative Familienmuster werden nicht mehr hinterfragt, ein Hinweis auf konservative Tendenzen in der Gesellschaft. Die restriktive Bildungspolitik generell und das massive Kürzen (bis zum völligen Verschwinden) bei Human- und Geisteswissenschaften, bei theoretischen Fächern und Grundlagenforschung zugunsten angewandter und verwertbarer Fertigkeiten sind Maßnahme des kapitalistischen Systems gegen das freie, kritische, selbstbewusste und auch subversive Denken. Gegen den neoliberalen Bildungsabbau gemeinsam kämpfen ist eine der zentralen Aufgaben von Linken, von Demokraten aller politischen und weltanschaulichen Zugänge, nicht nur in Griechenland. PS: Und nicht vergessen „nulllohn.ug-oegb.at“ 1)
Memorandum of Understanding (kurz MoU) ist ein englischer Begriff, der eine Absichtserklärung unter künftigen Vertragspartnern bezeichnet. Es handelt sich um ein Dokument, das die Eckpunkte eines noch abzuschließenden Vertrages festlegt. Diese Grundsatzvereinbarung hat keine rechtliche Bindungswirkung, kann also vor Gericht nicht eingeklagt werden. Wer Informationen zum Invitation Memorandum der Republik Griechenland vom 24. Feber 2012 ergoogeln will, findet kaum Informationen über die von der Troika oktroyierten Maßnahmen, wie zum Beispiel das Verbot vom Kauf Milliarden-teurer deutscher U-Booten zurückzutreten, und die katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen, stattdessen jede Menge Tipps des deutschen BMF für Anleger, Anlageberater und Bankfachleute. 2) BIP-Vergleich: Griechenland 2008/2011: 341/299 Milliarden; Österreich: 414/418,5 Milliarden. Quelle: Weltbank 6. September 2012. Fotos aus: „Wir sind alle Griechen“, ÖGB-Flashmob, 14. November 2012, Wiener Stephansplatz.
„Die beste Hilfe ist eure politische Arbeit“ Viele wollten mehr wissen! Ein erfolgreicher Austausch mit GewerkschafterInnen beim Dorfplatz der UG. Und Sophia Theodoropoulou hatte aus Athen eine klare Botschaft mitgebracht: „Es geht nicht nur um Griechenland. Es geht um den Kapitalismus.“ Von Michael Bonvalot. Sophia Theodoropoulou ist Aktivistin der Kommunisten-Internationalisten Griechenlands und Gewerkschaftsvorsitzende bei Vodafone, mit 2600 KollegInnen einer der größten Betriebe des Landes. Auf Einladung der „Revolutionär Sozialistischen Organisation“ und der Unabhängigen GewerkschafterInnen sprach Sophia beim Dorfplatz der UG Anfang November in der Zentrale des ÖGB vor zahlreichen KollegInnen. Sophia spannte einen breiten Bogen von der wirtschaftlichen Situation über die aktuellen Kämpfe bis zur faschistischen Gefahr. Sie berichtete von ihrer Arbeit bei Vodafone. Sie erzählte von den Mobilisierungen und Generalstreiks. Und sie sprach über die Übergriffe auf MigrantInnen und die Notwendigkeit von Selbstverteidigungskomitees. Viele FreundInnen waren an der Situation der ArbeiterInnenbewegung interessiert. Sophia erzählte von den großen Generalstreiks, stellte aber auch klar, dass Streiks nicht ausreichen werden. Sie glaubt, dass eine revolutionäre Lösung notwendig ist, um eine Gesellschaft aufzubauen, die die Bedürfnisse der Bevölkerung im Zentrum hat und nicht Kapitalismus und EUDiktat. Sophie erzählte auch von ihrer Arbeit als Gewerkschaftsvorsitzende. Binnen drei Jahren sind bei Vodafone 600 KollegInnen der Gewerkschaft beigetreten. Alle wesentlichen Entscheidungen werden auf für alle KollegInnen offenen Sitzungen und auf Betriebsversammlungen getroffen. Vorgesetzte dürfen daran nicht teilnehmen, damit die KollegInnen in Ruhe diskutieren können. Im Anschluss wird immer ein Komitee gewählt, das die betreffende Entscheidung umsetzt. Bei Streiks wird ein Streikkomitee gewählt, das sich um die Mobilisierung kümmert und den Demoblock und die Streikpostenkette vorbereitet. Apropos Mobilisierungen: Als Sophia gefragt wurde, was sie von der „Solidaritäts-Aktion“ des ÖGB hält, der zum öffentlichen Sirtaki tanzen aufrief, lachte sie laut und lange ... Sophia wurde auch mehrmals gefragt, was denn in Österreich getan werden könnte. Sie erklärte, dass die beste Hilfe für die griechischen KollegInnen der eigene politische Kampf wäre. Sophia sprach auch über Zukunftsperspektiven. Sie betonte, dass es innerhalb dieses Systems keine Lösung gäbe – stattdessen war ihre Botschaft eindeutig: Die Selbstorganisation der ArbeiterInnen und der Jugendlichen im Kampf gegen den Kapitalismus. Michael Bonvalot ist Redakteur von sozialismus.net
Solidarität ist praktisch! Internationale Solidarität ist wichtig. Wir konnten Sophia in Wien 770 Euro an Spenden für die Arbeit in Griechenland übergeben. Weitere Spenden sind notwendig: Volksbank (BLZ 430 00), Kto.Nr.: 36 001 263 007, Kennwort Griechenland
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Empfehlungen
Verleitung zum Aufstand. Springler Elisabeth, Jäger Johannes, Mandelbaum-Verlag, Wien 2012, ISBN 978-3-85476386-4, 384 Seiten, 19,80 Euro
Ein Versuch über Widerstand und Antirassismus.
Ökonomie der Internationalen Entwicklung. Eine kritische Einführung in die Volkswirtschaftslehre. Von Vedad Lubenovic.
Seit der 2007 in den USA ausgebrochenen Finanz- und Wirtschaftskrise, die sich ab 2008 zu einer Krise internationalen Ausmaßes entwickelte, ist eine Zunahme des öffentlichen Interesses an wirtschaftspolitischen Fragen bemerkbar. Jedoch stellte und stellt für das Gros der neugierigen und fachfremden Allgemeinheit die Ökonomie eine Herausforderung dar, die aufgrund ihrer Komplexität schwer zu meistern ist. Des Weiteren gaben die in den Medien und Büchern gefundenen Erläuterungen und Theorien meist Erklärungsmuster des herrschenden ökonomischen Diskurses wieder. Genau an diesen beiden Punkten setzt die wissenschaftliche Publikation der zwei an der Fachhochschule des bfi-Wien angestellten VolkswirtInnen Johannes Jäger und Elisabeth Springler an. Sie bietet jedem und jeder InteressentIn einen über weite Strecken leicht verständlichen Zugang zu den zentralen volkswirtschaftlichen Themenfeldern (unter anderem: Staat, Gesellschaft und Wirtschaft; Ungleichheit und Verteilung; Geld und Finanzsystem). Darüber hinaus liegt es im Interesse der AutorInnen, wirtschaftliche Fragestellungen nicht nur innerhalb des gängigen neoklassischen Paradigmas zu erläutern. So bietet das Werk auch alternative keynesianische und politökonomische Erklärungsansätze, um dadurch eine kritische Auseinandersetzung der LeserInnen mit dem Thema zu fördern. Praxisrelevante Vertiefungstexte am Ende jedes Thementeiles setzen die theoretischen Zugänge in Bezug zu aktuellen wirtschaftspolitischen Entwicklungen. Zusammenfassend stellt das Buch einen, dank der logischen Strukturierung, gut nachvollziehbaren und kritischen Einstieg in die (internationale) Volkswirtschaftslehre dar. Die Beispiele am Ende der Kapitel dienen neben dem Verständnis und der Abwechslung auch dazu, den LeserInnen die praktische Relevanz des gewonnen Wissens näherzubringen.
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Michael Genner schreibt über seinen jahrzehntelangen Versuch, Verfolgte zu schützen, Menschenrechte zu verteidigen: Von der Spartakus-Kampagne „Öffnet die Heime“ bis zur Flüchtlingshilfe bei „Asyl in Not“. Diese Kämpfe langer Jahre schildert Genner anhand vieler „Einzelfälle“: Er erzählt von Jugendlichen auf der Flucht vor dem Erziehungsheim, von Asylsuchenden, denen die Abschiebung droht, von rassistischen Beamten und Apartheidgesetzen … Er beschreibt Mechanismen des Unrechts und nennt dessen Akteure beim Namen. Genners Buch ist daher nicht nur autobiographisch, sondern dokumentiert den antidemokratischen Ungeist, der seit jeher die politischen und gesellschaftlichen Strukturen dieses Landes durchdringt. Genner zeigt aber auch, dass Widerstand Erfolg haben kann, und welche Methoden zum Ziel führen. Daher gibt sein Buch, trotz der darin beschriebenen Schrecknisse, den Lesern Hoffnung. Es ist eine Verleitung zum „Aufstand der Anständigen“ gegen eine unmenschliche Politik. Michael Genner, Mandelbaum-Verlag, kritik&utopie, 240 Seiten, 19,90 Euro.
DAS WEITERLEBEN DER RUTH KLÜGER Ein Dokumentarfilm von Renata Schmidtkunz.
DVD im FilmladenOnline-Shop, im FalterShop, Thalia und im gutsortierten Fachhandel wie zum Beispiel Buchhandlung ChickLit, Kleeblattgasse 7, 1010 Wien, erhältlich.
Ruth Klüger, 1931 in Wien geboren, ist eine der bedeutendsten Literaturwissenschafterinnen unserer Zeit, eine herausragende Persönlichkeit, eine große Denkerin und Feministin. Als Kind hat sie den Holocaust überlebt, später emigrierte sie in die USA. Wie gestaltet sich ein Leben nach dem Überleben? Welche Spuren hinterlassen die Erfahrungen von Verfolgung und Todesbedrohung im Leben einer Überlebenden? Fragen, denen die Filmemacherin Renata Schmidtkunz nachgegangen ist, als sie Ruth Klüger drei Jahre lang an die vier Orte ihres Lebens begleitet hat: Nach Irvine in Kalifornien, Göttingen, Jerusalem und Wien. Das Weiterleben der Ruth Klüger ist ein nachdenkliches und humorvolles Portrait einer Frau, die mit scharfem Verstand über ihre Kindheit im „judenkinderfeindlichen“ Wien, ihre Eltern, ihre eigene Rolle als Mutter
zweier amerikanischer Söhne, über ihr Frausein, das Gefühl von Heimat und Zugehörigkeit und den Umgang von Gedenkstätten mit dem Gedenken reflektiert. Ihr Denken ist präzise und immer wieder schonungslos sich selbst und anderen gegenüber. Das Weiterleben der Ruth Klüger ist ein Film über das Leben.
Schandfleck
Das Netzwerk Soziale Verantwortung möchte Unternehmen, Organisationen, Institutionen und Einzelpersonen, die besonders verantwortungslos und ohne Rücksicht auf soziale und oder ökologische Schäden gehandelt haben, auszeichnen. Vergeben werden zwei Awards: Ein Jury-Preis (vergeben durch den NeSoVe-Vorstand) und ein Publikums-Preis (vergeben durch Internet-Abstimmung). Nominiert werden kann jeder, der ökologische und///oder soziale Bedürfnisse der Menschen gefährdet oder verletzt hat und einen Bezug zu Österreich aufweist (Sitz des Unternehmens, Filiale, Wohnort oder Aufenthaltsort der Person, Vertrieb oder (Teil-) Produktion, Dienstleistung in Österreich). „Wir vergeben den „Schandfleck“, denn gesellschaftlich rücksichtsloses Verhalten muss angeprangert werden“, erklärt DI Dr. Franz Fiala, Vorstandsvorsitzender des Netzwerks Soziale Verantwortung, ein Netzwerk von ArbeitnehmerInnen-Vertretungen und NGOs, deren Mitglied unter anderem jetzt auch die AUGE/UG ist. Im Jänner wird eine Shortlist veröffentlicht, aufgrund derer die GewinnerInnen ermittelt werden. Die Vergabe der Preise erfolgt am 20. Feber 2013, dem Welttag der sozialen Gerechtigkeit. Der Award lebt von Euch! Bitte meldet uns Unternehmen, Organisationen, Institutionen und Einzelpersonen, die sich aus Eurer Sicht um gesellschaftlich besonders unverantwortliches Verhalten verdient gemacht haben. Der nominierenden Organisation///Einzelperson wird Anonymität zugesichert. Nominierungen bitte an Marieta Kaufmann, Koordination Schandfleck: office@sozialeverantwortung.at
Weitere Informationen demnächst auf schandfleck.or.at