Alternative Oktober/November 2012

Page 1

10/11

NULL=MINUS Alle Jahre wieder: EQUAL PAY DAY • Schieflage bei den HAUSHALTSVERMÖGEN • ATYPISIERUNG in der Krise • Sag zum Abschied leise „GLÜCK AUF“

Oktober/November 2012 Einzelheft: 1,50 Euro, Abonnement: 15 Euro P.b.b., Verlagspostamt 1040 Herausgegeben von

02Z031242 M, Kd.-Nr: 0021012558


Gewerkschaft & Betrieb Anlässlich des hundertsten Geburtstages des Schriftstellers Jura Soyfer, der im KZ-Buchenwald ermordet wurde, finden im Herbst einige Veranstaltungen in Wien statt:

24. Oktober 2012, 19.30 Uhr Kulturcafé 7Stern, Siebensterngasse 31, 1070 Wien Vergessen und wiederentdeckt Die Rezeption Jura Soyfers von 1945 bis zur Gegenwart Vortrag von Mag. Christoph Kepplinger, Projektmitarbeiter im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek.

8. November 2012, 19.30 Uhr Kulturcafé 7Stern, Siebensterngasse 31, 1070 Wien Ihr nennt uns Menschen? Wartet noch damit! Eine Lesung mit Texten von Jura Soyfer. Mit Claudia Marold, Dieter Hofinger und Gunther W. Lämmert. Zusammenstellung: Erna Wipplinger. Der Weltuntergang Oper von Wilhelm Zobl in sechs Szenen für neun Solisten, nach dem gleichnamigen Stück von Jura Soyfer. Hörbeispiele, präsentiert von Hannes Heher (Vizepräsident des Österreichischen Komponistenbundes, Mitarbeiter der Musikredaktion von Ö1).

4. Dezember 2012, 19 Uhr Theater Rabenhof, Rabengasse 3, 1030 Wien 100 Jahre Jura Soyfer – Die Gala Erinnerungsgala mit Texten, Liedern und Szenen im Gemeindebau. Mit Josef Hader, Erwin Steinhauer, I Stangl, Mercedes Echerer, Die Schmetterlinge, u. a. Mit Live-Textbeiträgen von Elisabeth Reichart, Julya Rabinowich, Doron Rabinovici, Nikolaus Habjan, Heinz R. Unger, Mieze Medusa, u. a.

Betroffenen- und Frauen-VOR!-Konferenzen: Was erwartet Sie? Interaktives Start-Forum, Workshops, Video-Intervention, Kulturprogramm, Abschluss-Panel und vieles mehr.

SEITE 2 • ALTERNATIVE 10-11/2012

„Gut für alle! Was mehr wird, wenn wir es teilen. Allmende“: All diese Begriffe knüpfen an die Forschungen der Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom an, die die Bedeutung von Gemeingütern für eine faire und gerechte Gesellschaft herausgearbeitet hat. Gemeingüter sind Grundbestand und Voraussetzung gesellschaftlichen Wohlstands: Gerade in krisenbestimmten Zeiten – von der Umwelt, über die Energie bis zur Staatsschuldenkrise, zeigt sich die Bedeutung von „Commons“. Natürliche Gemeingüter sind notwendig für unser Überleben, soziale Gemeingüter sichern den Zusammenhalt und kulturelle Gemeingüter sind Bedingung für unsere individuelle Entfaltung. Es geht darum, gemeinsam Ressourcen zu nutzen und zu pflegen, Regeln auszuhandeln, sich die Welt anzueignen, ohne sie in Besitz zu nehmen. Was heißt das für die soziale Arbeit, für die Ausgestaltung sozialer Dienste, für staatliche Angebote, für Gemeinden und den öffentlichen Raum?


I M O K T O B E R / N OV E M B E R

Thema Vermögensverteilung: Dummverteilen? Frauen: Equal Pay Day . . . . . . . . . 3 Männer und ein „Pensionsmodell“ . . Null Bock auf Nulllohnrunden . . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

Seite 4 Seite 7 Seite 8 Seite 10

Gewerkschaft & Betrieb Wahl im Fonds Soziales Wien: Auf ein Neues Bildung: Alles bleibt besser? . . . . . . . . . 15 Jahre UG-Fest . . . . . . . . . . . . . . . UGöD: Anerkennung Jetzt . . . . . . . . . . „Atypisierung“ in Zeiten der Krise . . . . . . Finnland: Entspannte Gelassenheit . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

Seite 13 Seite 14 Seite 18 Seite 21 Seite 22 Seite 26

International Indien: Novartis gefährdet „Apotheke der Armen“ . . . . Seite 30

Leserlich Dorthin kann ich nicht zurück; Der Augenblick . . . . . Seite 31 KritLit: Bücher statt Panzer . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 32

. . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 16

IMPRESSUM Medieninhaber, Verleger: Alternative und Grüne GewerkschafterInnen (AUGE/UG) Herausgeber: Unabhängige GewerkschafterInnen im ÖGB (UG/ÖGB) Redaktion, Satz & Layout: Alfred Bastecky (Koordination), Lisa Langbein, Franz Wohlkönig (Layout) Alle: 1040 Wien, Belvederegasse 10/1, Telefon: (01) 505 19 52-0, Fax: -22, E-Mail: auge@ug-oegb.at (Abonnement), alternative@ug-oegb.at (Redaktion), internet: www.ug-oegb.at, Bankverbindung: BAWAG Kto. Nr. 00110228775 Dass namentlich gezeichnete Beiträge nicht unbedingt der Meinung der Redaktion oder des Herausgebers entsprechen müssen, versteht sich von selbst. Titel und Zwischentitel fallen in die Verantwortung der Redaktion, Cartoons in die Freiheit der Kunst. Textnachdruck mit Quellenangabe gestattet, das Copyright der Much-Cartoons liegt beim Künstler. DVR 05 57 021. ISSN 1023-2702.

SEITE 3 • ALTERNATIVE 10-11/2012

EDITORIAL von Alfred Bastecky SAG ZUM ABSCHIED LEISE „GLÜCK AUF” In diesem Heft findet ihr einen Bericht vom Fest „15 Jahre UG“. Einer der Programmpunkte: die Verabschiedung von Lisa Langbein und mir als Alternative-Verantwortliche. „Eine Ära geht zu Ende!”, verkündete Markus Koza in seiner Laudatio leicht pathetisch. Tatsächlich brachte Lisa es auf beachtliche 17 Alternative-Jahre, bei mir waren es gar 25 Jahre. Offiziell. Denn beide machten wir die Zeitung noch länger, doch wurden anfangs die „MacherInnen” vornehm verschwiegen. Dabei haben wir eine ganz schöne Geschichte des Zeitung-Machens erlebt: von wochenlanger Produktion, begonnen in der Setzerei, Korrekturlesen, nochmals in die Setzerei, nächtelanger Klebeumbruch der Endlos-Satzfahnen. Bis zum modernen Desktop-Publishing, mit dem unser ArtDirektor Franz Wohlkönig heute das Layout am Computer produziert. Benötigte Zeit: nur mehr ein Bruchteil. Wir haben alles erlebt, was ZeitungMachen so spannend macht. Ein übervolles Redaktions-Postfach und die Notwendigkeit, etliche Seiten zu streichen. Aber auch ein gähnend leeres Postfach zum vereinbarten Redaktionsschluss-Termin. Da hieß es dann, improvisieren, was das Zeug hält. Trotzdem ist die Alternative immer erschienen. Und oft erhielten wir das Lob, die beste Gewerkschaftszeitung in Österreich zu produzieren. Trotz aller Wehmut überwiegt bei mir die Erleichterung: Nie wieder ein Editorial schreiben müssen. Vielen Dank auch an Lisa für die tolle Zusammenarbeit. Trotz aller Routine werden wir keine Pensionisten-Zeitung machen. Im nächsten Heft: Alternative proudly presents – die neue Chefin.


Thema

Die Österreichischen Nationalbank hat die aktuelle Vermögenserhebung für Österreich vorgelegt. Von Markus Koza.

DUMMVERTEILEN? rhoben wurde nicht Vermögen pro Person, sondern Vermögen je Haushalt. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in „Geldpolitik und Wirtschaft“, dem Quartalsheft (Nummer 3/12) der ÖNB zur Geldund Wirtschaftspolitik. 2006 wurde von der Europäischen Zentralbank sowie den nationalen Notenbanken das „Household Finance and Consumption Network“ (HFCN) gegründet. Im Rahmen des HFCN werden Daten zu Einkommen, Vermögen, Verschuldung und Ausgaben der privaten Haushalte erhoben (HFCS-Erhebung).

Verteilung des Nettovermögens Das Nettovermögen umfasst Bruttovermögen abzüglich der Verschuldung eines Haushalts. Im Gegensatz zum Bruttovermögen kann das Nettovermögen auch negativ ausfallen – wenn Haushalte eine höhere Verschuldung als Vermögen ausweisen. Verteilung der Nettovermögen • rund 7 Prozent der Haushalte weisen ein „negatives“ Nettovermögen aus. Ihr Vermögen deckt also die Verschuldung nicht ab • mit 40 Prozent die größte Gruppe der Haushalte weist ein Nettovermögen zwischen 0 und 50.000 Euro aus, wobei 10 Prozent der Haushalte

Markus Koza UG-Vorsitzender, im ÖGB-Vorstand und Mitarbeiter der

über ein Nettovermögen verfügen das unter 1000 Euro liegt • die folgenden zirka 30 Prozent der Haushalte verfügen über ein Nettovermögen zwischen 50.000 und 250.000 Euro • das heißt: Ungefähr 70 Prozent der Haushalte mit Nettovermögen besitzen weniger als 250.000 Euro, erweitert durch die Zahl der verschuldeten Haushalte erweitert sich der Anteil auf über 75 Prozent. • etwa ein Viertel der Haushalte verfügt über ein Nettovermögen von über 311.000 Euro • 11 Prozent der Haushalte verfügen über ein Nettovermögen von mehr als 500.000 Euro • Ein Zehntel der Haushalte besitzt mehr als 543.000 Euro. Zwei wesentliche Größen, um die Verteilung der Nettovermögen zu bestimmen, sind der Median- sowie der Mittel- bzw. Durchschnittswert. • Der Medianwert der Nettovermögen liegt bei 76.000 Euro (50 Prozent der Haushalte verfügen über mehr, 50 Prozent über weniger Vermögen). • Der Durchschnitt liegt dagegen um ein Vielfaches über dem Median – nämlich bei rund 265.000 Euro. Je weiter entfernt der Durchschnittswert vom Median liegt, desto stärker ist die Ungleichverteilung, sprich die Vermögenskonzentration oben. Durchschnittlich besitzen die Haushalte ein Nettovermögen von 265.000 Euro. Tatsächlich (siehe oben) verfügen 75 Prozent aller Haushalte über weniger als 250.000 Euro. Der „Durchschnittswert“ von 265.000 Euro fällt ins 8. Dezil – also in den Bereich der reichsten zwanzig Prozent. Dazu die AutorInnen Fessler/Mooslechner/Schürz: „Dies illusSEITE 4 • ALTERNATIVE 10-11/2012

triert wiederum die ausgeprägte Rechtsschiefe der Verteilung des Nettovermögens. Es gibt sehr viele Haushalte mit einem geringen Nettovermögen und sehr wenige Haushalte mit sehr hohem Nettovermögen.“ Aus dem durchschnittlichen Vermögen und der Anzahl der Haushalte (in Österreich sind es 3,77 Millionen) errechnet sich das Gesamtnettovermögen: dieses liegt in Österreich bei ziemlich exakt einer Billion Euro – wobei dies eine „Untergrenze“ darstellt.

Sachvermögen, Finanzvermögen, Verschuldung Das Nettovermögen (wie auch das Bruttovermögen) setzt sich aus unterschiedlichen Komponenten zusammen: aus dem Sachvermögen (Immobilien, Schmuck, Autos, Bilder, Unternehmenseigentum …) und Finanzvermögen (Ersparnisse, Aktien, Lebensversicherungen, Anleihen, …). Von diesem Bruttovermögen werden – wie bereits erwähnt – Schulden (zum Beispiel der Hauskredit) abgezogen, um zum Nettovermögen zu gelangen. Verteilung der Sachvermögen 85 Prozent der Haushalte verfügen über ein Sachvermögen. Die größte Gruppe – nämlich rund 34 Prozent der Haushalte – verfügen dabei über ein Sachvermögen von 0 bis 50.000 Euro. In diesen Haushalten ist das Auto meist die größte Sachvermögenskomponente! Wie verteilt sich nun das Sachvermögen. Einige Zahlen: • Insgesamt vierzig Prozent der Haushalte, die über ein Sachvermögen verfügen, besitzen weniger als 47.000 Euro.


• Der Median bei Sachvermögen (50 Prozent verfügen über mehr, 50 Prozent verfügen über weniger) liegt bei rund 108.000 Euro. • Der Durchschnittswert bei Sachvermögen liegt bei rund 278.000 Euro und wird nur von den zirka 22 Prozent der wohlhabendsten Haushalte erreicht. Das heißt: Drei Viertel aller Sachvermögensbesitzer halten weniger Sachvermögen als den „Durchschnitt“! • Die Sachvermögen der reichsten 10 Prozent liegen über 534.000 Euro. • Die größte Sachvermögenskomponente stellt der Hauptwohnsitz dar. Allerdings besitzen überhaupt nur 47,7 Prozent der Haushalte ihren Hauptwohnsitz (Medianwert: 200.000 Euro, Durchschnittswert: 258.072 Euro) – mehr als die Hälfte der Haushalte verfügt über diese „größte Sachvermögenskomponente“ überhaupt nicht. • „Weiteres Immobilienvermögen“ halten schon nur noch 13,4 Prozent der Haushalte. Der Mittelwert (50 Prozent dieser Haushalte halten mehr, 50 Prozent weniger) beläuft sich auf 94.028 Euro, der Durchschnittswert auf 227.929 Euro. • Zum Sachvermögen zählen auch Beteiligungen an Unternehmen, in denen mindestens ein Haushaltsmitglied aktiv tätig ist (Medianwert: 180.603 Euro, Durchschnittswert: 731.425 Euro!). Bei Unternehmensbeteiligungen reduziert sich der „Partizipationsgrad“ – also der Anteil jener Haushalte, der derartiges Sachvermögen hält – auf nur noch 9,4 Prozent aller Haushalte.

Verteilung der Finanzvermögen Im Gegensatz zum Sachvermögen halten beinahe alle Haushalte – nämlich 97 Prozent – Finanzvermögen. Dabei besitzen • drei Viertel aller Finanzvermögen besitzende Haushalte weniger als 50.000 Euro, • nur 10 Prozent der Haushalte mehr als 105.000 Euro, • nur rund 1,3 Prozent mehr als 500.000 Euro Finanzvermögen. • Der Medianwert bei den Finanzvermögen liegt bei 14.000 Euro. • Der Durchschnitts- oder Mittelwert bei 48.000 Euro. Interessant die „Partizipation“ an den unterschiedlichsten Formen von Finanzvermögen: • Girokonten halten etwa 99 Prozent der Haushalte (darunter auch etliche mit einem Wert von Null oder negativen Wert, weshalb diese Zahl über jenem der Finanzvermögensbesitzer liegen kann) • Sparkonten immer noch 87,1 Prozent • Bausparverträge werden von 54,7 Prozent, Lebensversicherungen von 38 Prozent der Haushalte gehalten • Immerhin 10,3 Prozent der Haushalte haben Geldforderungen gegenüber anderen Haushalten – eine Summe die jener des Aktienbesitzes in Österreich entspricht • Aktien halten übrigens überhaupt nur 5,3 Prozent der Haushalte • Auch Anleihen sind nicht eine weit verbreitete Sparform sondern eher auf Eliten konzentriert – nämlich auf 3,5 Prozent der Haushalte. Interessant, wie sich der Anleihenbesitz konzentriert: Während der Median bei 13.832 Euro liegt, liegt der DurchSEITE 5 • ALTERNATIVE 10-11/2012

schnitt bei 102.860 Euro. Dabei muss bei der Interpretation dieser Ergebnisse beachtet werden, „… dass es insbesondere bei den Finanzvermögen zu einer starken Untererfassung besonders im oberen Bereich der Verteilung kommt“.*) Verschuldung 36 Prozent der österreichischen Haushalte sind verschuldet. • 20 Prozent der verschuldeten Haushalte (das sind sieben Prozent aller Haushalte) halten Schulden von mehr als 67.000 Euro. • Weniger als 10 Prozent aller Haushalte sind mit mehr als 50.000 Euro verschuldet . • Die Hälfte aller verschuldeten Haushalte sind mit weniger als 14.000 Euro verschuldet. • Rund 17 Prozent der Haushalte haben mit dem Hauptwohnsitz besicherte Schulden. Der Median liegt dabei bei rund 37.000 Euro. Der Mittelwert von 73.000 Euro „spiegelt den aktuellen Stand bei der Rückzahlung der Finanzierung der Immobilien wieder.“

Die Bedeutung von Erbschaften für den Vermögensaufbau „Menschen erwerben Vermögen auf zwei Arten: Sie sparen es aus ihrem Einkommen oder sie bekommen es von anderen Personen … Erbschaften und Schenkungen spielen beim Vermögensaufbau eine wichtige Rolle und die akkumulierten Vermögen bilden ihrerseits die Grundlage für Zuwendungen und Vererbungen.“ So die AutorInnen Bitte umblättern


der Studie. Wer erbt überhaupt? Und: wie viel? • Bei der Erhebung gaben 35 Prozent der Haushalte an, eine Erbschaft oder Schenkung erhalten zu haben. • Rund 15 Prozent (also rund 43 Prozent der Erbenhaushalte) haben ihren Hauptwohnsitz geerbt, der „mit Abstand wichtigsten Kategorie“ bezogen auf das gesamte Erbvolumen. • Der Durchschnittswert eines ererbten Hauptwohnsitzes liegt bei rund 280.000 Euro, der Median bei 163.000 Euro. • Werden alle Erbschaften betrachtet (inklusive jene Erben-Haushalte, die keinen Hauptwohnsitz erben) sinkt der Mittelwert auf 242.000 Euro, der Medianwert auf 100.000 Euro. • Die Bedeutung von Erbschaften für den Vermögensaufbau beziehungsweise die Vermögensverteilung belegen folgende Zahlen: Während von den reichsten 20 Prozent der Haushalte bereits 65 Prozent geerbt haben, liegt der Anteil der „Erben“ bei den ärmsten 20 Prozent der Haushalte bei lediglich 10 Prozent. • Jene 10 Prozent der Haushalte im „ärmsten“ Haushaltszwanzigstel erben Vermögen mit einem Medianwert von Euro 14.000. Die Erbschaften der 65 Prozent Haushalte im „reichsten“ Zwanzigstel erben im Median ein Vermögen von 237.000 Euro! • Relativ zum eigenen Vermögen gesehen, sind die relativ „niedrigen“ Erbschaften für vermögensärmere Haushalte dennoch weit bedeutender! So macht bei den „ärmsten“ Erbenhaushalten die „Medianerbschaft“ 317,2 Prozent des eigenen Vermögens aus, bei den „reichsten“ Erbhaushalten dagegen 35,7 Prozent

Zusammenfassung • Während nahezu alle Haushalte – nämlich 97 Prozent – Geldvermögen halten, hält weniger als die Hälfte der Haushalte Eigentum am Hauptwohnsitz (etwa 48 Prozent). Nur 36 Prozent der Haushalte sind verschuldet. • Die Nettovermögen in Österreich sind höchst ungleich verteilt: Ein Zehntel hält weniger als 1000 Euro. Am anderen Ende der Skala halten 10 Prozent mehr als 542.000 Euro. • Vermögen steigt tendenziell mit Alter, Einkommen und Bildung.

• Erben ist eine der wichtigsten Vermögensquellen, in 35 Prozent der Haushalte sind bereits Erbschaften angefallen. Mit dem Nettovermögen steigen Erbhäufigkeit und -volumen stark an, „reiche“ Haushalte erben also eher und mehr als „arme“ Haushalte, wenn auch Erbschaften für arme Haushalte in Bezug zu ihrem gehaltenen Vermögen bedeutender sind. • Trotz hoher Datenqualität und sorgsamer Datengewinnung und Datenauswertung unterschätzt die HFCSErhebung die Vermögensungleichheit in Österreich. Hinsichtlich der Verteilung von Vermögen, Rolle von Erbschaften beim Vermögensaufbau, der Komponenten von Vermögen und möglicher (wirtschafts-)politischer Schlussfolgerungen daraus bietet die Studie einen wertvollen Beitrag zu einer (möglichen) Versachlichung der Diskussion. Insbesondere sollte es angesichts aller vorliegender Daten zunehmend schwerer fallen (außer aus einem rein ideologisch motivierten Blickwinkel), vermögensbezogene Steuern (von Erbschafts-, Schenkungs- Grund- bis hin zu einer allgemeinen Vermögenssteuer) als „Belastungswelle für die Mittelschicht“ zu denunzieren … Die Höhe des Gesamtvermögens ist darum unterschätzt, weil die kleine Gruppe der Reichsten nur unzureichend erfasst beziehungsweise unterrepräsentiert ist. Dies liegt unter anderem daran, dass diese Gruppe schwer „greifbar“ ist, weil zum Beispiel keine Einkommensdaten bereitgestellt werden, um diese Gruppe entsprechend repräsentativ befragen beziehungsweise erfassen zu können. Zusätzlich verweigern besonders vermögende Haushalte sowohl Antworten als auch genaue Angaben. Das Ausmaß der Unterschätzung zeigt sich, wenn beispielsweise der Valuga Report aus dem Jahr 2011 herangezogen wird. Demnach besitzen in Österreich rund 0,88 Prozent der Bevölkerung – rund 73.900 Personen – ein Geldvermögen von über einer Million Euro. Laut einem Bericht von McKinsey 2010 verfügten alleine die EuromillionärInnen in Österreich über ein Geldvermögen von zusammen 150 Milliarden Euro. kleinezeitung.at/allgemein/jobkarriere/2429635/150-milliarden-euro-fluessig.story

*)

SEITE 6 • ALTERNATIVE 10-11/2012

ug-oegb.at auge.or.at kiv.at ugoed.at ug-vida.at we4youug.at


Thema

EQUAL PAY DAY as ist jener errechnete Stichtag, an dem Männer das Einkommen erreicht haben, für das Frauen noch bis Ende des Jahres arbeiten müssen. Dieses Jahr wurde der Equal Pay Day in Österreich am 6. Oktober erreicht. Ab diesem Zeitpunkt müssen Frauen statistisch gesehen „unbezahlt“ arbeiten. In Zahlen ausgedrückt: Frauen verdienen laut Berechnungen der Arbeiterkammer-Oberösterreich für gleiche Arbeit um 23,7 Prozent weniger als Männer. Obwohl es seit über 30 Jahren das Gleichbehandlungsgesetz gibt, das ungleiche Bezahlung eigentlich verbietet, ist die Lohnschere bis jetzt erst auf dem Papier geschlossen. Damit Frauen überprüfen können, ob sie fair entlohnt werden, hat das Bundesministerium für Frauen einen Onlinegehaltsrechner eingeführt (gehaltsrechner.gv.at).

D

Falsch eingestuft Eine Studie des Meinungsforschungsinstitutes IFES vom Frühjahr zeigt, dass viele ArbeitnehmerInnen falsch eingestuft sind – Frauen sind dabei besonders betroffen. Etwa ein Drittel der Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern entsteht dabei bereits beim Einstieg in das Arbeitsleben. Laut IFES-Umfrage fanden bei zirka vier von zehn Befragten frühere Dienstzeiten und bei der Hälfte Ausbildungs- und Karenzzeiten keine Beachtung. Diese Einkommensunterschiede summieren sich im Laufe eines Berufslebens – im

Renate Vodnek Mitarbeiterin der

Frauen verdienen in Österreich nach wie vor für gleiche Arbeit nicht den gleichen Lohn. Um diese Einkommensschere sichtbar zu machen, wurde der Equal Pay Day installiert. Von Renate Vodnek. Handel ist dadurch zum Beispiel ein Gehaltsverlust von etwa 13.000 Euro in zehn Jahren möglich. Diesbezüglich hat die Gewerkschaft der Privatangestellten / Druck Journalismus Papier letztes Jahr ein beispielgebendes Urteil für eine weibliche Beschäftigte im Handel erreicht. Demnach müssen KassierInnen an Scannerkassen, die mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Kassieren verbringen, in einer höheren Verwendungsgruppe des Handelskollektivvertrages eingestuft werden. Zehntausende Beschäftigte, darunter wieder hauptsächlich Frauen, waren betroffen. Der Großteil der Unternehmen hat sie in der Zwischenzeit richtig eingestuft.

Fehlende Information Die Studie des IFES zeigt weiters, dass jede zweite Beschäftigte nicht über die kollektivvertragliche Gehaltsregelung ihrer Branche Bescheid weiß. Damit sind doppelt so viele Frauen nicht entsprechend informiert wie Männer. Die Hälfte der Frauen wissen außerdem nicht, welches Gehalt ihnen überhaupt zustehen würde – und die es wissen, machen zu einem Drittel nichts dagegen. SEITE 7 • ALTERNATIVE 10-11/2012

Schließung der Schere Um dagegen anzugehen, sollten im Zuge der jährlich stattfindenden Kollektivvertrags-Verhandlungen neben prozentuellen Lohnerhöhungen noch stärker die Erhöhung um Mindest-Fixbeträge verhandelt werden. Fixbeträge kommen unteren Einkommensgruppen, unter denen sich besonders viele Frauen befinden, besonders zugute. Weitere dringende Maßnahmen sind ein gesetzlich festgelegter Mindestlohn von acht Euro pro Stunde und Mindestarbeitszeiten, die nicht unterschritten werden dürfen. „Wir fordern eine Mindestarbeitszeit bei Teilzeit von beispielsweise 18 Wochenstunden mit einem entsprechend garantierten Mindesteinkommen beziehungsweise eine entsprechende Mindestentlohnung, die bei geringeren Wochenstunden nicht unterschritten werden darf. Es ist uns vollkommen bewusst, dass es entsprechende gesellschaftliche Rahmenbedingungen – angefangen bei Kinderbetreuung, Pflegeeinrichtungen, flächendeckender Mobilität etc. – braucht, die eine derartige Mindestarbeitszeit ermöglichen. Wir halten allerdings die Diskussion rund um eine Begrenzung der Arbeitszeit nach oben wie nach unten für unumgänglich. Wenn wir die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen schließen wollen, dürfen wir die ‚Arbeitszeitschere’ zwischen den Geschlechtern nicht ignorieren“, so Klaudia Paiha, Bundessprecherin der AUGE/UG in einer Presseaussendung.


Thema

Wie Generationen von Menschen zu Sozialhilfe-EmpfängerInnen degradiert werden sollen. Von Lukas Wurz.

3 MÄNNER UND EIN „PENSIONSMODELL“

DA

haben sich wohl ein paar Leute ordentlich die Augen gerieben: Nachdem sie einen eher allgemeinen Aufruf für ein zukunftstaugliches Pensionsrecht unterschrieben haben, finden sie sich in den Medien als ProtagonistInnen eines „Pensionsmodells“ wieder, das ganze Generationen von Menschen zu SozialhilfeempfängerInnen degradieren würde. Für das „Missverständnis“ verantwortlich sind die Herrn Holzmann, Marin und Schuh. In einer Pressekonferenz erzählen diese, wie sie ein zukunftstaugliches Pensionssystem gestalten würden. Was dann durch die Medien geisterte, ist weder zusammenhängend noch klar oder widerspruchsfrei. Klar ist nur: Der Staat soll in die Pensionsvision der drei Herren keine Budgetmittel mehr einbringen. Ein leistungsbezogenes Pensionskonto soll ausschließlich tatsächlich bezahlte Beiträge auflisten, die in der Folge „verzinst“ und bei Pensionsantritt durch die Lebenserwartung dividiert die Pensionshöhe wiedergeben. Jeder Mensch soll nur das an Pension erhalten, was er oder sie wirklich eingezahlt haben. All das ist angeblich dem schwedischen Pensionsmodell nachempfunden.

Lukas Wurz Wiener Arbeiterkammer-Rat der

Ob dem auch wirklich so ist, lässt sich nicht nachvollziehen: Keine Budgetmittel und „Verzinsung“ lassen sich sinnstiftend nur mit einem kapitalgedeckten Verfahren (wie etwa in der unglaublich „erfolgreichen“ privaten Pensions„vorsorge“ mit ihren alljährlichen Verlusten) realisieren. Beiträge werden verbucht und dann etwa über Kredite an den Bund „verzinst“. Schwer vorstellbar, dass auf diese Weise – mensch vergleiche etwa die derzeitige Zinsentwicklung mit der aktuellen Inflationsrate – eine Wertsicherung der Beiträge erreicht werden kann. Weit gewichtiger ist aber, dass dies zwangsläufig ein Ende des Umlageverfahrens zur Folge hätte, da ja aktuelle Beiträge eben „veranlagt“ werden müssten und nicht mehr für die Bedienung der aktuellen Pensionen zur Verfügung stünden. Ein derartiges Vorgehen würde in den nächsten Jahren gut 27 Milliarden Euro an jährlichen Mehrkosten für das Budget bedeuten (weil die Pensionen der aktuellen PensionistInnen ja noch bezahlt werden müssen).

Unklarheiten, Denkund sonstige Fehler … Vielleicht meinen die drei Herren aber auch nur eine fiktive Verzinsung, also ein Fortbestehen des derzeitigen Umlageverfahrens und eine Ergänzung (vulgo „Verzinsung“) der Mittel aus Steuern. In diesem Fall hätten sie aber nichts anderes als eine grobe Täuschung vorgenommen: Eine fiktive Verzinsung der Beiträge gibt es nämlich auch im jetzigen System. Ziel der drei Herren ist also ausschließlich die VerSEITE 8 • ALTERNATIVE 10-11/2012

kürzung der „fiktiven Verzinsung“. Eine starke Verkürzung: Wer in den 2030ern mit 65 Jahren und einer durchschnittlichen Beitragshöhe von 1000 Euro in Pension geht, wird dann (mit der bereits beschlossenen, aber erst ab 2029 voll geltenden Rechtslage) eine Pension von zirka 712 Euro erwarten können (nach derzeit geltendem Recht wären es noch im Bereich zwischen 780 und 810 Euro). Der Vorschlag von Holzmann, Marin und Schuh würde die Pensionserwartung auf 436 Euro verringern. Der oder die Versicherte müssten mindestens sechs Jahre – also bis zum 71. Lebensjahr – bei gleichem Lohn weiterarbeiten, um wieder auf die 712 Euro zu kommen. Wenn, … ja wenn … es nicht eine ganze Reihe weiterer Unklarheiten, Fehler und Probleme in der Denkwelt dieser Herrn gäbe. Holzmann, Schuh und Marin unterläuft nämlich selbst in ihrer Gedankenwelt ein erheblicher Fehler: Der Anstieg der Kosten für Pensionen der letzten Jahre ist Ergebnis längst nicht mehr geltender Rechtslagen. Zukünftige Generationen können nicht annähernd jene Pensionen erreichen, die ein Mensch mit Pensionsantritt im Jahr 2002 oder 2008 oder auch 2012 bei gleichem Erwerbsverlauf erreichen konnte. Mit der vollständigen Umstellung des ASVG auf die neue Rechtslage ab 2029 werden etwa 35 bis 40 Prozent aller Pensionen unterhalb des Ausgleichszulagen-Richtsatzes (heute 815 Euro brutto oder 773 Euro netto im Monat) zu liegen kommen. Die Kostensteigerungen der Zukunft sind also nicht Folge eines angeblich überreichlich verteilenden Pensions-


systems, sondern des Anstiegs der Zahl älterer Menschen. Eine weitere Reduktion im Pensionssystem kann also quasi nur auf eine „biologische Lösung“ hinauslaufen: Problemlösung durch systematische Unterversorgung.

… und Fragen über Fragen Der Verweis der drei Herren auf Schweden ist absurd, da das schwedische Modell ganz und gar nicht darauf abstellt, dass nur das herauskommt, was einbezahlt wurde. Es kennt zahlreiche Stützen, Subventionsflüsse und garantiert eine Systementwicklung. Dennoch gehen ExpertInnen davon aus, dass nach der Vollumstellung des Pensionssystems (die erst 2003 wirklich begann) ungefähr 45 Prozent aller PensionistInnen von der staatlichen Garantiepension – einer Art Sozialhilfe für PensionistInnen – abhängig sein werden. Und auch die kostet selbstverständlich Steuergelder. Auf Österreich umgelegt bedeutete dies, dass die Republik in Zukunft mindestens das sechsfache für Ausgleichszulagen aufzubringen hätte (derzeit zirka eine Milliarde pro Jahr für etwa 10 Prozent der PensionistInnen). Wer den Fehler macht, die Ergüsse von Holzmann, Schuh und Marin wirklich ernst zu nehmen, muss sich auch

schnell die Frage stellen, was eigentlich passiert, wenn das individuelle Pensionskonto „leer“ ist. Wir wollen es uns lieber nicht vorstellen … • oder die Frage, wie sie es rechtfertigen, dass Frauen in einem echten beitragsorientierten System mit demografischen Faktor zwangsläufig bei identem Erwerbsverlauf eine niedrigere Pension erhalten müssen? • oder wer Aufgaben wie etwa die Rehabilitation oder den Aufwand für den Ausfall der Beiträge in der Kran-

kenversicherung übernimmt. Und wer die Verwaltung des Systems bezahlt? Es läuft vieles schief im Pensionssystem: Es verteilt die Mittel ungerecht und sichert nicht ausreichend vor Altersarmut. Das sind Probleme, die zu lösen sind. Und dafür gibt es auch gute Vorschläge: Gegen Versicherungsmathematik oder einen demografischen Faktor etwa wäre gar nichts einzuwenden, wenn ausgleichende Elemente vorhanden sind: Wie etwa ein einheitlicher demographischer Faktor für alle (und nicht nach Geschlechtern getrennt) oder Elemente des Ausgleichs der Einkommens- und Erwerbsunterschiede in Beziehungen, vor allem aber eine existenzsichernde Grundpension, die wirklich vor Armut schützt. Alles Dinge, die älteren Herren, die ihr Leben ausgezeichnet im Schoß etwa der Weltbank oder industrienaher Institute und über Spitzenpensionen sichern, nicht einfällt.

Der Verweis der drei Herren auf Schweden ist absurd, da das schwedische Modell ganz und gar nicht darauf abstellt, dass nur das herauskommt, was einbezahlt wurde.

„ExpertInnen“-Vorschläge zu Pensionsreformen glatte Themenverfehlung Als „glatte Themenverfehlung“ bezeichnet Klaudia Paiha, Bundessprecherin der Alternativen und Grünen GewerkschafterInnen (AUGE/UG) die von 50 „Experten“ präsentierten Vorschläge für eine grundlegende Reform des österreichischen Pensionssystems. Es läge nämlich nicht an „unzureichenden Anreizen für einen späteren Pensionsantritt“, wie die Autoren glauben machen wollen, sondern an der Tatsache, dass Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeiten immer belastender werden und krank machen. „Wenn ein Drittel aller ArbeitnehmerInnen unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz leidet und die österreichischen ArbeitnehmerInnen EU-weit Spitze bei überlangen Arbeitszeiten und geleisteten Überstunden sind, darf es nicht weiter verwundern, dass es auch zu vorzeitigen Pensionsantritten kommt. Hier von ‚unzureichenden Anreizen’ zu sprechen ist zynisch und blendet die Arbeits- und Lebensrealitäten vieler ArbeitnehmerInnen in Österreich aus, zumindest jener, die keine ‚Pensionsexperten’ sind“, kritisiert Paiha. Wer das faktische Pensionsantrittsalter erhöhen und an das gesetzliche heranführen will, muss daher vor allem die entsprechenden Arbeitsbedingungen schaffen. Neben einer generellen Verkürzung der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit sowie einer sechsten Urlaubswoche, wären vor allem Rechtsansprüche auf berufliche Auszeiten – etwa zur Burn-Out-Prävention – sowie ein leichterer Zugang zur Teilzeit im Alter notwendig. „Was da als Gesamtreform verkauft wird ist altbacken, wenig originell und zwingt ArbeitnehmerInnen mit niedrigem Einkommen länger auf einem Arbeitsmarkt zu bleiben, der für sie keine Jobs vorsieht. … Was es tatsächlich braucht, ist eine Grundsicherung im Alter für alle, darauf aufbauend eine Sozialversicherungspension, die erworbene Leistungsansprüche absichert, nach oben hin mit der maximalen ASVG-Pension gedeckelt ist und ein gutes Leben auch im Alter ermöglicht,“ schließt Paiha.

SEITE 9 • ALTERNATIVE 10-11/2012


Thema

Was vereint Diakonie-Bildung, Wiener SpitalsärztInnen oder die Wiener KindergärtnerInnen? Sie alle haben „Null Bock auf Nulllohnrunden“. Von Renate Vodnek.

SEITE 10 • ALTERNATIVE 10-11/2012


Unter dem Motto „Null Bock auf Nulllohnrunden“ steht die aktuelle Kampagne der Unabhängigen GewerkschafterInnen im ÖGB gegen Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst. Ziel dabei ist die Aufklärung, dass Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst bei weitem mehr Beschäftigte treffen würden als nur einige „privilegierte Beamte“. Gleichzeitig soll damit der Druck auf die Gehaltsverhandlungen im öffentlichen Dienst erhöht werden.

Viel Bewegung bei Gemeindebediensteten An der Gewerkschaftsbasis ist derzeit viel in Bewegung. „Dass große Unzufriedenheit mit der de facto Absegnung einer Nulllohnrunde für Gemeindebedienstete herrscht, ist kein Geheimnis, davon zeugen neben Unterschriftenlisten auch Resolutionen einzelner Gewerkschaftsgremien, die sich klar gegen Nulllohnrunden und für ein offensives Vorgehen der Gewerkschaft aussprechen,“ so Kerschbaum, Personalvertreter und Bundessprecher der Konsequenten Interessensvertretung (KIV/UG), der Unabhängigen GewerkschafterInnen bei den Gemeindebediensteten. Möglichst viele Betriebsräte, Personalvertretungen und Gewerkschaftsausschüsse sollen Beschlüsse gegen Nulllohnrunden fassen, um so den Druck auf die Gehaltsverhandlungen zu erhöhen. „Gerade bei den Gemeindebediensteten gibt es einen nicht zu unterschätzenden Niedriglohnbereich. Bei vielen reicht schon heute das Einkommen nicht mehr zum Auskommen. Eine Nulllohnrunde stellt einen Reallohnverlust dar, der Arme noch ärmer macht. Das können wir so nicht hinnehmen.“

Online-Petition Mit der Online-Petition „Nein zu Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst“ möchten die Unabhängigen GewerkschafterInnen neben den Betroffenen auch jenen, die aus grundsätzlichen Erwägungen gegen Nulllohnrunden sind, die Möglichkeit geben, gegen diese zu protestieren: „Unsere Petition richtet sich sowohl an die GdG-KMSfB (Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, Kunst, Medien, Sport, freie Berufe) als auch an die

Spitze der „Gewerkschaft Öffentlicher Dienst“ (GÖD), Nulllohnrunden nicht hinzunehmen, sondern Verhandlungen mit den Dienstgebern einzufordern und diese notfalls auch mit allen gebotenen gewerkschaftlichen Mitteln zu erzwingen,“ so Beate Neunteufel-Zechner vom Vorsitzteam der Unabhängigen GewerkschafterInnen im öffentlichen Dienst (UGöD) und Betriebsrätin. Nulllohnrunden würden alle treffen, unabhängig von ihrer Einkommenssituation: „Mit Einkommensgerechtigkeit haben Nulllohnrunden nichts zu tun. Verteilungsgerechtigkeit wird über höhere und progressivere Einkommenssteuern für Spitzenverdiener und eine faire Besteuerung von Vermögen, Erbschaften und Schenkungen hergestellt, nicht über undifferenzierte Lohnkürzungen.“ Nulllohnrunden sind in Wirklichkeit Lohnkürzungen, stellen sie doch Reallohnverluste dar. Im Rahmen von Nulllohnrunden werden inflationsbedingte Kaufkraftverluste nicht abgegolten! Nulllohnrunden wirken auch auf die künftige Einkommensentwicklung. So kostet etwa eine einmalige Nulllohnrunde bei sonstiger „normaler“ Einkommensentwicklung (+2 Prozent jährlich) eine Kindergärtnerin mit einem Bruttoeinkommen von 1973 Euro monatlich innerhalb von zehn Jahren über 5900 Euro!

Nulllohnrunden auch im privaten Bereich? Vor einem Übergreifen von Nulllohnrunden auf den privaten Sozial-, Gesundheits-, Bildungs- und Kulturbereich warnt Stefan Taibl, Betriebsrat und Vertreter der Alternativen und Grünen GewerkschafterInnen (AUGE/UG) im zuständigen WirtSEITE 11 • ALTERNATIVE 10-11/2012

schaftsbereich der GPA-djp. „Viele Betriebe und Organisationen sind unmittelbar an die Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst gekoppelt, der Bereich erbringt im Auftrag der öffentlichen Hand, mit öffentlichen Mitteln, Dienstleistungen. BetriebsrätInnen wurden schon Nulllohnrunden angekündigt, dass ein Teuerungsausgleich seitens der Fördergeber nicht vorgesehen sei,“ so Taibl. Auch die AUGE/UG möchte über Beschlüsse in betroffenen Betriebsratskörperschaften den verhandelnden Gewerkschaften „den Rücken stärken und vor allem auch die Breite der Ablehnung von Nulllohnrunden dokumentieren.“ Taibl erinnert daran, dass die mittleren Einkommen im Sozialbereich 17 Prozent unter jenem der mittleren ArbeitnehmerInnen liegen: „Der private Sozial- und Gesundheitsbereich ist ebenso wie der private Bildungsbereich von einem hohen Teilzeitanteil, einem hohen Frauenanteil und unterdurchschnittlichen Einkommen geprägt. Nulllohnrunden treffen damit insbesondere Frauen unverhältnismäßig stark und vergrößern noch die Einkommenskluft zwischen dem Sozialbereich und anderen Branchen.“ Im Summe drohen rund 900.000 Beschäftigten – fast ein Viertel aller ArbeitnehmerInnen in Österreich – Null- beziehungsweise „moderate“ Lohnrunden, von KindergärtnerInnen und LehrerInnen, Sozial-, Kultur- und JugendarbeiterInnen, KrankenpflegerInnen, AltenbetreuerInnen und Verwaltungspersonal bis hin zu StraßenbahnfahrerInnen, BuslenkerInnen und Beschäftigten der Müllabfuhren. Bitte umblättern


Zunehmende Unterstützung an der Basis Mittlerweile haben sich bereits zahlreiche Betriebsratskörperschaften, Dienststellenausschüsse und andere Organe der Interessensvertretung der Kampagne gegen Nulllohnrunden angeschlossen. Für die Wiener Spitalsärzte und -ärztinnen ist eine Nulllohnrunde in der „derzeitigen wirtschaftlichen Situation für viele Gemeindebedienstete in den Wiener Spitälern nicht verkraftbar“, argumentierte der Vizepräsident der Ärztekammer und Obmann der Kurie angestellter Ärzte, Hermann Leitner, einen der Gründe für die Ablehnung. Der Zentral-Betriebsrat der Diakonie-Bildung Gem. GmbH lehnt Nulllohnrunden grundsätzlich ab: „Wir sprechen uns daher auch gegen die drohenden Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst aus.“ Unter anderem auch, „… weil dieses Beispiel Schule zu machen droht und auf andere Bereiche mit schlechteren Lohnschemata und noch geringeren Einkommen, die allerdings im Naheverhältnis beziehungsweise in Abhängigkeit zur öffentlichen Hand stehen, ausgedehnt werden könnte!“ Der Gewerkschaftsausschuss der FSW (Fonds Soziales Wien)-Tochter der „Wiener Pflege- und Betreuungsdienste (WPB) GmbH“ spricht sich „gegen die Abwälzung der Krisenkosten“ auf die

Beschäftigten aus und fordert die Wiener GdG-KMSfB auf, eine Lohnerhöhung für 2013 zu beschließen und gegenüber der Gewerkschaftsführung zu vertreten. Für den Betriebsrat der Schuldnerberatung gilt: „Jede Nulllohnrunde bringt über die Jahre schmerzliche Verluste. Gegen die Abwälzung der Krisenkosten auf uns!“ Der Gewerkschaftsausschuss „wieder wohnen“-Betriebsrat möchte die Forderung „nach einer Lohnerhöhung auch für 2013 (nach der Benya-Formel: Inflationsabgeltung plus Produktivitätszuwachs) von unserer Gewerkschaftsführung vehement vertreten“ haben. Jene Gewerkschafts- und Belegschaftsgremien, die sich bis jetzt gegen Nulllohnrunden bei der Gemeinde Wien ausgesprochen haben, vertreten über zwanzig Prozent aller Gemeindebediensteten. Also ein starkes und deutliches Zeichen für Verhandlungen und gegen Nulllohnrunden! Informationen unter www.nullbockaufnulllohn.at. Ebenfalls auf dem Blog: ein Link zum Nulllohnrunden-Rechner des ÖGB. Mit diesem kann sich jede Beschäftigte ausrechnen was sie eine einmalige Nulllohnrunden kostet.

SEITE 12 • ALTERNATIVE 10-11/2012

Aktiv werden •Die einfachste Möglichkeit: Unsere Online-Petition „Nein zu Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst“ (nullbockaufnulllohn.at) unterschreiben und weiterverbreiten. Die Unterschriftenlisten gibt es auch in „klassischer“ Papierform in den Büros der UG-Säulen. •Wenn Ihr BetriebsrätInnen oder PersonalvertreterInnen seid, dann bringt doch bitte Resolutionen und Anträge gegen Nulllohnrunden in Betriebsrat, Personalvertretung oder Gewerkschaftsausschuss ein. Egal ob Gemeindebedienstete, öffentlicher Dienst oder privater Bereich: Fasst Beschlüsse und lasst eure Gewerkschaft(en) davon wissen! Formulierungsvorschläge gibt es auf unseren Homepages. •Nullbock auf Nulllohnrunden ist auch auf facebook. Zum liken, zum teilen, um regelmäßig informiert zu werden beziehungsweise zu sehen, was läuft. •Um die Breite, Solidarität und Geschlossenheit in dieser Sache zu dokumentieren, bitten wir Euch, uns beschlossenen Anträge/Resolutionen per E-Mail an nullbock@ug-oegb.at zur Veröffentlichung (natürlich nur mit Eurem Einverständnis) auf unserem Blog zuzuschicken. •Bitte lasst uns auch von sonstigen Aktivitäten gegen Nulllohnrunden wissen! Wir würden auch sie gerne auf unseren Blog stellen, sie bewerben und unterstützen! Auch hier genügt ein E-Mail an nullbock@ug-oegb.at. Ihr braucht Unterstützung? Wir helfen gerne, wo wir es können. Wenn ihr Unterstützung braucht oder Fragen habt: Einfach ein E-Mail an nullbock@ug-oegb.at schicken.


Gewerkschaft & Betrieb

AUF EIN NEUES eim FSW handelt es sich um das ausgegliederte Sozialwesen der Stadt Wien. Die KIV/UG hat dort seit Anbeginn im Betriebsrat die Mehrheit. Bei der letzten Wahl 2008 haben im FSW zwei Listen kandidiert, das Ergebnis waren 7 Mandate für die KIV/UG und 3 Mandate für die „Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschaftInnen“ (FSG). So setzt sich der zehnköpfige Betriebsrat seither zusammen. In der „wieder wohnen“ GmbH waren es auch zwei Listen, das Ergebnis waren 3 BetriebsrätInnen der KIV/UG und 2 der FSG. In der Pflegeund Betreuungs GmbH gibt es seit 2008 4 KIVlerInnen und 2 FSGlerInnen im Betriebsrat. Die BetriebsrätInnen der KIV/UG stehen also vor großen Herausforderungen. Zum einen, einen Wahlkampf aus der Position der Mehrheit zu führen und zum anderen, überhaupt die Zeit für einen Wahlkampf zu finden. Denn die Betriebsratsarbeit im FSW ist kein Nebenjob. Die Entscheidung war dann, als Hauptthema unsere Parteiunabhängigkeit hervorzuheben. Denn wenn ein und dieselbe Fraktion auf allen Ebenen (Regierung, Arbeitgeber, Gewerkschaft) die Mehrheit hat, bedeutet Sozialpartnerschaft in der Praxis, dass „unten“ vertreten werden muss, was „oben“ beschlossen und ausgehandelt wurde. Mehr zu fordern wäre dann nicht drin, denn gefordert würde dann nur, was auch umgesetzt werden könnte, weil es entweder schon verhandelt ist oder sich als Ergebnis abzeichnet. Kritik und Diskussion würden durch solche Verhältnisse im Ansatz erstickt, denn das könnte der „Handschlagqualität“ schaden. Damit wäre eine gewerkschaftliche Antwort auf die Krise mehr als zahnlos. Bildungsoffensive? Nicht drinnen. Arbeitszeitverkürzung? Ginge jetzt nur ohne Lohnausgleich, das können wir nicht fordern. Dafür gibt es aber ein ja zur „Nulllohnrunde 2013“. Die SPÖ ist in Wien an der Regierung. Da wird von der FSG nicht „quergeschossen“.

B

Im November 2012 finden Betriebsratswahlen im Fond Soziales Wien und in dessen Töchtergesellschaften statt.

Interessen irgendeiner Parteifraktion. Für unsere tägliche Betriebsratsarbeit sind uns Werte wichtig, mit denen wir uns alle tatsächlich identifizieren können, zum Beispiel • Solidarität mit Personen, die ungerecht behandelt werden, • Fairness bei Entscheidungsfindungen und Konfliktlösungen, • Respekt vor der Lebens- und Arbeitserfahrung von KollegInnen, • Pluralität: Beteiligung unterschiedlicher Menschen und ihrer Meinungen

Doris Buresch, stv. Zentralbetriebsratsvorsitzende FSW & Töchter, Betriebsratsvorsitzende der wieder wohnen GmbH

Andreas Richter-Huber, Zentralbetriebsratsobmann FSW & Töchter, Betriebsratsobmann FSW

Sonja Müllner, stv. Zentralbetriebsratsvorsitzende FSW & Töchter, Betriebsratsvorsitzende Wiener Pflege- und Betreuungsdienste GmbH

Den Parteizwang haben wir von der KIV/UG eben nicht. Wir dürfen laut sagen was uns nicht passt – ohne von einer Partei „zensuriert“ zu werden. Wir können unseren Unmut auch nach außen tragen und Aktionen setzen, ohne dafür das Einverständnis von Parteisoldaten einholen zu müssen. In der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport und freie Berufe (GdG-KMSfB) sind wir insgesamt eine Minderheit. In den Betriebsratsgremien Fonds Soziales Wien, Wiener Pflege- und Betreuungsdienste GmbH und „wieder wohnen“ GmbH hat die KIV/UG die Mehrheit. Hier mit dem (SPÖ-)Strom zu schwimmen wäre einfach gewesen. Aber einfach wollten wir es von der KIV/UG nie. Wir wollen die Interessen unserer KollegInnen vertreten und nicht die SEITE 13 • ALTERNATIVE 10-11/2012

und Erfahrungen – mit einer klaren Abgrenzung gegen Rechts • Für das Recht auf Kritik ohne Sanktionen • Für das Recht auf Mitgestaltung der Arbeit. • Bei Umstrukturierungen und Konflikten: Kenntnis der Perspektive der Betroffenen, Vertretung ihrer Interessen Wir sind guten Mutes und hoffen, die Mehrheiten halten zu können. Ob uns das gelingt, werden wir Euch in der nächsten Alternative erzählen.


Gewerkschaft & Betrieb

Im September gaben die Vorsitzenden der UGÖD, der Unabhängigen GewerkschafterInnen im Öffentlichen Dienst, eine medial viel beachtete Pressekonferenz. Von Beate Neunteufel-Zechner.

Alles bleibt besser? erzeit finden „geheime“ Verhandlungen für ein neues LehrerInnendienstrecht statt. Reinhart Sellner, UGÖD-Vorsitzender und AHS-LehrerInnen-Vertreter kritisiert dies als problematisches Abweichen von einer demokratischen Verhandlungskultur: „Die Geheimniskrämerei muss beendet und die KollegInnen laufend informiert werden!“. Die Forderungen des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, Bundeskanzleramts sowie des Bundesministeriums für Finanzen haben es in sich. Gefordert wird: • Eine massive Arbeitszeiterhöhung von bisher 20 oder 21 auf 24 Unterrichtsstunden und kein Arbeitszeitmodell, das die notwendigen und vielfältigen Tätigkeiten für Unterricht, Teamarbeit, Schulveranstaltungen, Schulentwicklung, individuelle Förderung, Beratung oder Fortbildung umfasst. • Mehr Klassen und SchülerInnen für jede LehrerIn – als dienstrechtlichen Beitrag zur Individualisierung? • Kein an den Schulen gewähltes Leitungsteam. • Kein einheitliches BundeslehrerInnendienstrecht, sondern Beibehaltung der Doppelgleisigkeit von „Landesvertragslehrpersonen“ und „Bundesvertragslehrpersonen“.

Beate NeunteufelZechner ist Vorsitzende des Betriebsrats der Österreichischen Nationalbibliothek.

• Keine gemeinsame Sekundarstufe I, sondern weiterhin 2 Klassen von LehrerInnen für 2 Klassen von Schule. • Keine nachhaltige Anhebung der Anfangsbezüge, denn auf Kosten ihrer Endbezüge bezahlen JunglehrerInnen selber diese Anhebung mit der 20-Prozent-Arbeitszeiterhöhung. • Keine Entlastung der LehrerInnen durch Anstellung von SozialarbeiterInnen, PsychologInnen, SonderpädagogInnen, FreizeitpädagogInnen, Krankenschwestern und Verwaltungspersonal für jede Schule, mit der eine höhere Unterrichtsverpflichtung begründet werden könnte. • Keine ausreichende finanzielle Bedeckung der notwendigen Reformen und für ein leistungsgerechtes und attraktives LehrerInnendienstrecht.

Alles bleibt besser? Allem Anschein nach hat niemand Interesse an einem zukunftstauglichen LehrerInnendienstrecht NEU – ein Scheitern der Verhandlungen als Wahlkampfthema gegen die SP-Ministerinnen Schmied und Heinisch-Hosek scheint vorprogrammiert. Die UGöd steht den Forderungen sehr kritisch bis ablehnend gegenüber und fordert stattdessen eine demokratische, sozial wirksame Schulreform samt Dienstrechtsreform. Es braucht ein Studium für alle LehrerInnen als Berufsvoraussetzung und ein Einführungsjahr mit halber Unterrichtsverpflichtung. „Die UGÖD fordert eine ausreichende Finanzierung, eine gemeinsame Schule als Ganztagesschule und eine Anhebung der Anfangsbezüge.“, so Beate NeunteufelZechner vom UGÖD Vorsitzteam. Wir fordern Bildungsmilliarden und vermöSEITE 14 • ALTERNATIVE 10-11/2012

gensbezogene Steuern, wie sie – anders als ÖGB und Arbeiterkammer – die „schwarze“ GÖD nicht fordert. Denn Bildungsinvestitionen sind Zukunftsinvestitionen.

Bildung kostet „Während Banken gerettet werden, private Ratingagenturen und Spekulationskapital die Schuldenkrise weiter anheizen, sollen ArbeitnehmerInnen, Junge und Alte, darunter die ständig wachsende Zahl von Frauen in Niedriglohngruppen und prekärer Beschäftigung die Krisenkosten mit sinkenden Einkommen und Arbeitslosigkeit zahlen.“, kritisiert Beate Neunteufel-Zechner. Besonders betroffen von der restriktiven Budgetpolitik sind die öffentlich Bediensteten und die Beschäftigten in ausgegliederten Dienststellen und in den Vereinen, die Dienstleistungen im öffentlichen Interesse erbringen.

Wer A sagt braucht nicht B sagen, wenn erkennbar wird, dass A falsch war Die von der Gewerkschaft öffentlicher Dienst im Frühjahr akzeptierte und für immer mehr KollegInnen inakzeptable Nulllohnrunde 2013 + Minimal-Lohnerhöhung 2014 bedeuten massive Reallohnverluste für über 300.000 öffentlich Bedienstete und Beschäftigte in ausgegliederten Bereichen. Zählt man die Landes- und Gemeindediensten, die auch dort bereits ausgegliederten Bereiche sowie die Beschäftigten privater Sozial-, Gesundheits-, Bildungs- und Kultureinrichtungen dazu, deren Einkommensentwicklung vielfach an jener des öffentlichen Dienstes gekoppelt ist,


dann sind fast ein Viertel der unselbständig Erwerbstätigen in Österreich betroffen – volkswirtschaftlich bedeutet das den Verlust der krisendämpfenden Kaufkraft von 900.000 ArbeitnehmerInnen. Daher fordert die UGöd Gehaltsverhandlungen jetzt. Leistungsgerechte Reallohnsteigerungen und Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst sind finanzierbar. Wir machen uns daher stark für die Kampagne der Unabhängigen GewerkschafterInnen „Null Bock auf Nulllohnrunden“.

Parteiunabhängige Vertretung ist nötiger denn je Ohne vermögensbezogene Steuern, ohne Regulierung der ungebrochen

destruktiv wirkenden Finanzmärkte sind die Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen und Einkommen im öffentlichen Dienst, seinen ausgegliederten Betrieben und in den Universitäten nicht zu sichern. Das wiederholte Ausscheren der „schwarzen“ GÖD-Führung, wenn es um ÖGB- und Arbeiterkammer-Beschlüsse für vermögensbezogene Steuern zur Sicherung des Bildungs- und Sozialstaates geht, zeigt mit aller Schärfe: Wie alle ArbeitnehmerInnen brauchen auch die öffentlich Bediensteten eine parteiunabhängige Interessensvertretung! Wir Unabhängigen GewerkschafterInnen in der GÖD haben den Lohnabschluss vom Frühjahr nicht akzeptiert. Wir fordern unsere KollegInnen,

BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen auf, für Bewegung in der GÖD zu sorgen, für einen heißen Herbst mit Diskussionen und Resolutionen an den Vorstand der GÖD und mit erfolgreichen alten und neuen unabhängigen Betriebsratskandidaturen, beim allgemeinen und beim wissenschaftlichen Universitäten-Personal. Es braucht eine gelebte Kooperation der betroffenen Uni- und PH-KollegInnen, einen Erfahrungsaustausch als Basis für ein gemeinsames Vorgehen für eine universitäre LehrerInnen- und PädagogInnenausbildung mit Zukunft. Die UGöd ruft auf zur gewerkschaftlichen Organisierung im Rahmen der GÖD – am besten als parteiunabhängige BetriebsrätInnen!

„Bildung fängt viel früher an“ Der Elementarbereich (Kindergarten in seiner Vielfalt) soll den Stellenwert erhalten, der ihm zusteht, meint Beate Neunteufel-Zechner. Jedes Kind soll die gleichen Chancen und Strukturen haben, egal in welchem Bundesland es aufwächst. KindergartenpädagogInnen, AssistentInnen, HelferInnen sollen die gleichen Strukturen vorfinden und ihnen sollen Weiterbildungsmöglichkeiten, Erholungsphasen und natürlich auch gleiches Gehalt zustehen. Kinderfreundliche Rahmenbedingungen müssen vom Bund sichergestellt werden und das kostet Geld: doppelt so viel, wie Österreich bisher für den Elementarbereich zur Verfügung stellt. Damit wären wir aber im EU-Vergleich noch immer weit hinter jenen Ländern, die der elementaren Bildung jenen Stellenwert einräumen, der den wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen entspricht (Österreich gibt 0,54 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, Schweden knapp zwei Prozent aus). Sich für Reformen im elementaren Bildungsbereich einsetzen – ohne parteipolitisches Hickhack, konfessionsübergreifend, trägerInnenunabhängig und auch für jene KollegInnen, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht gewerkschaftlich organisiert sind – dies ist das Anliegen der Berufsgruppen in den Bundesländern und des ÖDKH. Die Kindergarten- und HortpädagogInnen haben nämlich derzeit keine gemeinsame gewerkschaftliche Vertretung. Die drei Gewerkschaften GPAdjp, VIDA und GdG-KMSfB riefen nun endlich zu einer gemeinsamen Demonstration am Samstag, dem 6. Oktober 2012 in Wien auf – allerdings haben die drei Gewerkschaftsvorsitzenden drei Wochen vor der Kundgebung beschlossen, die AktivistInnen des gemeinsamen Dachverbandes aller KindergärtnerInnen von der Liste der AufruferInnen zu streichen. Die UGöd unterstützt den Protest des ÖDKH und hat die Vorsitzenden der drei Gewerkschaften aufgefordert, diese Ausladung zurückzunehmen: Nur gemeinsam sind wir stark!

SEITE 15 • ALTERNATIVE 10-11/2012


SEITE 16 • ALTERNATIVE 10-11/2012


SEITE 17 • ALTERNATIVE 10-11/2012


Gewerkschaft & Betrieb

zArbeitsplatng Für eine 1998

Regieru n; Jänner e; Dezember 1999 Sparwahn; erkschafte den ieb der Gew Arbeitsmarktservicße statt rein in auf Anh eit und len im Telekom Gewerkdie Stra der Arb t bei wah auf unf s G“ rats Rau 4you/U e durch

Die Zuk Zentralbetriebs usamkeiten: e Liste „we den ÖBB ÖGB-Spitz er 1997 isse der der Gra Dezemb Unabhängig Direktwahl der hstück mit streikenrkschaften;

Ergebn 2000 Budget Geburt; 2001

ember 1999 schweren il 2003; eren; Juli n; Juni folg daritätsfrü tungsgewe e einer Dienst; Nov hner einhalte ahmen mobilisi erkschaften; Apr r 2003 Soli Absage an Rich inanter Wahler

Chronologiim öffentlichen nba obe der Eise s für Kampfmaßn die Straße, Gew luss sein; Okt il 2004 Klare sind fulm ember 2004 e e n nsiv träg ahle Ver Offe Apr Nov gs-W u-Wien; ung mus h muss Sch t raus auf tehende er mehr; sonalvertretun um Bok uf auf muss bes 2000 Urabstimm er 2001 Jetz im Bildungsbereic Arbeiterkamm For Per

in er -Verka ; Novemb Mit Sparen ; Juni 2004 Flecken zu Novemb BAWAG oß BAWAG e Fraktion weißen 2003 orst drittstärkstglieder; Oktober er 2003 Keine schafterInnen bei zettel-V zen begrüerk schaftsmit erInnen; Novembbhängiger Gew schaftsspit e GewerkArbeitnehm Wahlerfolg Una Unabhängig kschafts

ft; wer Juni 2004 klar dritte Kra tive „Ge eu muss ist ÖGB-n – UGöD solidarisch mit

r sozialKein dent ode UGÖD 5

ÖGB-Präsi im ÖGB stär er 200 Novemb z 2006 Haber ber 2012, demokratie s; November Zuruf; Mär der Gewerk 28. Septem utzhaus schaft-Modell t für Ilisu ist ahl

Freitag, r, Sch Direktw nes Lich il 2006 ErbUh Grü 18 Apr nt

s: en Gu rt; lass der ber Initiarte er Einlas ßenswe en starten Verlänge he Ver- Auslaufen rparteilich gegenü ft, psis kun Ske schafterInn jetzt!“; April 2006 Mai 2006 Übe t Mitgliedertlic Zu 2007

bleibt die n; , (Öffen )

Jetz – wo demokratie m einschließe tes; Mai herstraße l: Linien 9, 48A ist da -Gewerk?; Juli 2006 heitsam GÖD-Refor cher Funktionär Scheitern des Ein er 2007 des Gesund ste Stellen für rn kehrsmitte

n; Jänn demokratis r 2006 Bedaue ig zufriede t; März 2007

Schulfe der Indusobe plänen wen te und Umwel Signal; März ken; Okt & SpendengelderMindestlohn ibilisierung Programm: Mit Reform Menschenrech (guitar politisches age eitszeitflex 2006

Sellner r 1000 Euro 2007 MitTag für art aue verteilungs 2007 Die Arb ng plant Demont s nh zer enb che Rei war Juli il 2007 > fals Eig zu sch ieru Schritt; er völlig ke!“; Mai länen; Apr Stadtreg & Ernst Mittel schaftssteu Negativsteuerp 2007 Wiener arbeiten? Nein dan ÖAAB soll vocals) geeignetes Seien wir Buchingersverkürzung?; Mai tive „Noch länger vileg“; Juni 2007 n; Juni 2007 (lyrics) rdechor August 2007 7 Nein Beschwe r 200 er noch „Pri offenlege Arbeitszeit startet Initiamit guests alle; Oktobeeits nur erst ig > Wiener „Zuckerl“ plätzen UG Fuchs & dings weder 2007

AlVGnur wen g; > DJane Ulli n neuen Arb ligung LehrerInneeinigung D im Rahmen der ZerUN sverteilun

N 7 men ver NE 200 kom triellen 200 für -LERIN – allerN D Dezember t Entlastung der rag Euro den ALLE UG N N E N S I Jetz wichtiger Mindestbet 2008

ntausen I 2008

nenbetei Prozent, „Nein“ zu zeh se F R E U N D OMMEN! abschaffen; Feber Wiener arbeiterIn Eint plus 10 arbeitslo LLK heiß wir WI erbs rer das H dern für für Erw ung; HERZLIC rderung gerechte – forstromfö Verschärfungen Personal

UGöD ksabstimm ch Juni 2008 er zu Öko realistis table fordert VolPÖ/BZÖ; Jänner teuer erwegs“; eiterkamm 2007 Inakzep umsatzs inrag: UG der Arb ssteuer er weiter unt – jetzt Börsen ormvert von ÖVP/F Novemb iträuber

EU-Ref tischer Fehler - und Schenkung Mehr was zu gew t mehr Zukunft; er 2007 tlinie: „Ze gewinnt, er 2009 len nich werer poli ehen, statt Erb ?“; April 2008

Dezemb eitszeitrich „Ausreden zäh s Wien: „KIV/UG verteilung“; Jänn 9

Novelle; der ÖBB war sch ang er:

EU-Arb iale z 200 zu Um kommen nanzierung Gegenfi Rathaus; Mai 2008 nztransaktionssteu len im Fonds Soz cht mehr Mut schlagung mittleren Ein Nein!; Mär als vierte bt al blei son o und wah Per UG ner

Fina ier: „W t: „Es brau unteren für das vor Wie

“AUGE/ chröpfung – Juni 2008 -Steuerpap tumsberich r Belastung Aktion tInnen; ; März 2009 ; Innens meh ÖGB, AK – Öffentliche en der Ärz Gesundheitluss mit Pendler et zu wiederholen ; sratsJa! Noch iales und Jugendamt Kampfmaßnahm 2008 Betrieb Sch r dung, Soz n; April 2009 Unternehmenspaksind ÖGB-Fraktion Reichunterstützt ühren“; Oktobe Armuts- und en bei üge rt; Juli ive

einf sich nun chafterInn t integrie „Rosinen“-Z er 2008 ungsoffensBilwieder Nein zu ungspaket drohenbhängige Gewerks ören isoliert, nich SPÖ-Stadt“; Novemb Wien: Bild en

Klares rett geh 2009 Una er nen war indergarten“ in kete in Bereich e ken Juli 2009 emb erg: lich t; il Ban rpa Vorarlb

Freiheit Staudammprojek umzusetzen; Nov 9

nkert; Apr Fehler bei

„Gratisk ert Konjunktu 2009

; Juni 2009 er 200 er fest vera ; April 2009 rpaket III; Juni Ilisu ehend ÖBB UGöD ford Arbeiterkamm B-Fraktion r Ausstieg aus chen“ umg fordern; Novemb Arbeit ist Konjunktu rkste ÖG Krise der übe der ehrgesprä ern Kraft in

Soziale nicht die al-ökologischen k in die drittstä rInnen erfreut nds-Rückk Vermögenssteu tration len auch blic sozi ember 2009 der Demons m schafte in zu Krankensta Wir zah mit dem Seiten geben Ein teil; Nov Gewerk vor alle ze „VerHer ss „Ne man ung

kur ss mu sag Stim Nur Fünfzig Juni 2009 0

2010

AK-Beschluhtigkeit spricht, 7,52 Prozent

Buch: ge je; März zen; April 201 im bei Juni 2009 ngi tungsgerec öD steht nun Unabhä „fair“ kür stärkste Fraktion ; Unter: UG dert, 2009

ene Wahlen rt; Jänner 2010 denn g aufgefor ist stimmen ebote für Betroff n eller rwe regierun r von Leisang hen Meh Frauentag aktu eitszeit entInne We

chotherapie darität mit Stud tform ellschaftlic – Arb 2009

ngstbare Psy Plat Soli vertretu hohen ges tabel; Jänner 2010 eit „fair“ teilen K/UG en und leis ber 2010 Volle en unterstützen Protest Personal t“ – und bringt

BRA zep Arb rieb

2010 inak Bet

in 2010 Mai tem rInn steten; auf; Sep nahmen „mehr wer R-Ball vollkommen ahnen?; März ember 2010 svererkschafte enb eindebedienut: Es braucht Maß ötenwanderung!“ bhängige Gew PISA; Dez Beschäftigung ung Gem seit gegen WK se“ für die Neb ale erst bei Wiener 2010 Burn-O Teilnahme an „Kr ober 2010 Una – nicht nen in Bild fen – illeg schnaufpau zweite Kraft Okt n zu besserung hier arbeiten dür 2011 Investitio Rechtsaußen, ek; Mai klar lbiblioth chafterInnen rufe Familienbereich; ndlegende Ver März – muss KIV/UG n bleibt gru der Nationa erks hreiben; ich lebt, htsauße echt auf Bildung s- und g braucht in Österre ATOM“ untersc Juli 2011 Rec Betriebsrat Unabhängige Gewgen im Bildung schenr öffentli nnenbildun er 2011 Wer

us aus EUR en KollegInnen; ung und das MenschafterInnen des „StaatsJuli 2010 gegen Einsparun 2010 LehrerI Feb „Ra n bal; hre Glo er pf wegisch Gleichberechtig ngige Gewerk Fokus auf Keine im Kam udget“; Novemb ngen bei Sozial März – Volksbege den nor

bhä nbremse: 7. ahme mit August 2011 Fürber 2011 Una Schulde ; November 2011 tigkeit „ZukunftsbÄnderungskündigu Noch bis 2011

Anteiln z 2011 ältigung r soziale Gerech /UG en; Septem Euro; Oktober Mai 2011 Bew gegen 385 ehr ren; Mär e tat; beg lisie ltig KIV rdik lega auf meh rag 120 nachha UG und statt Spa il hältnisse FP; Mindestbet hen und deren er 2012 Chance

AUGE/ nden; Apr iale Dienste ritär, FP bleibt rsac und Soz ng; Jänn ; März 2012 und Nulllohnru lks Krisenu vertretu gbauernfragen r bleibt auto Bildungsvo – alpakt gschafts autoritä t für Ber en EU-Fisk der Bele unterstützt fünf Prozen desanstalt gsrechte ern anzen, geg re ÖLI/UG auf wah nstes ford bestimmun weg von der Bun und Umweltbil Bohrungen chen Die ise“ trübt Blick okratischer Mit ialOil Hände tende Soz g der UG und Tight hlen gab es für tun schuldenkr auf Kosten dem an; Feber 2012 Für verpflich rgas Zei swa Schiefe vert ner Betriebsrat ORF-Reformschen Umbau aded“; März 2012 efordert, gegen den Wie : Bei den Solidarität mit logi aufg 2012. und öko „Sozialgipfel Relo reich ist Bank Austria

deröster Mai 2012 ungen; Juli laden zum eiterkammer Nie iehen; Mai 2012 tollen Erfolg; mensbeding bez Arb en einen eits- und Einkom lung zu 2012

ertel Stel Arb schafterInn im Weinvi ngigen Gewerk Kampf für faire m bhä ihre in die Una erInnen Abfallberat

E 15 JAHRst Fe

SEITE 18 • ALTERNATIVE 10-11/2012


Am 28. September 2012 feierte die UG ihr 15jähriges Bestehen als Fraktion im Gewerkschaftsbund mit einem rauschenden Fest. Über 250 Gäste folgten der Einladung der Unabhängigen GewerkschaftInnen im ÖGB. Auch ÖGB-Präsident Erich Foglar, Vizepräsidentin Sabine Oberhauser sowie der leitende Sekretär Bernhard Achitz befanden sich unter den GratulantInnen. Durch den Abend führte Ulli Fuchs. Beate Neunteufel-Zechner und Fritz Schiller eröffneten gemeinsam das Fest: „Wir freuen uns, Euch zum Fest 15 Jahre Unabhängige GewerkschafterInnen zu begrüssen. Die UG hat es mittlerweile geschafft, ein wichtiger und allgemein akzeptierter Teil des ÖGB zu sein. Wir freuen uns darüber sehr!“ Die KollegInnen der Abfallberatung berichteten über den aktuellen Stand ihres Arbeitskampfes, den ÖGB-Präsident Foglar

mit seiner Unterschrift auf der Petitionsliste unterstützte. Vorgestellt wurde weiters die neue Kampagne der UG „Null Bock auf Nulllohnrunden“ gegen Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst. Anschließend startete mit dem Duo Reinhart Sellner & Ernst Eigenbauer der künstlerische Teil des Abends. Mit dem als langfristiges Kunstprojekt gegründete Wiener Beschwerdechor ging der Abend seinem Höhepunkt entgegen. Der Chor, der Beschwerden in Musikstücke übersetzt und der nach Eigendefinition „als Sprachrohr der Stadtbevölkerung, als Ventil der typisch wienerischen Unzufriedenheit und des subtilen Grants“ gesehen werden kann. Das leibliche Wohl der BesucherInnen kam ebenfalls nicht zu kurz. Ab 22 Uhr sorgte die Djane-Line von Ulli Fuchs & Günther Moser für ausgelassene Stimmung bis in die Morgenstunden.

Schnappschüsse

vom Fest

sind auf der

nächsten Seite

SEITE 19 • ALTERNATIVE 10-11/2012


SEITE 20 • ALTERNATIVE 10-11/2012


GÖD-Demokratisierung:

Anerkennung Jetzt! Die Unabhängigen GewerkschafterInnen im Öffentlichen Dienst (UGöd) führen derzeit ein Zivilrechtsverfahren um die Anerkennung als Fraktion in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD). Von Beate Neunteufel-Zechner. Der Fraktionsstatus, die Vertretung im 18-köpfigen GÖD-Vorstand und die damit verbundene Betrauung mit einem Referat samt Infrastruktur werden der UGöd verweigert. Seit mehr als 10 Jahren werden die Unabhängigen GewerkschafterInnen im öffentlichen Dienst und in ausgegliederten Betrieben von „ihrer“ Gewerkschaft hingehalten. Wiederholte Zusagen des Vorsitzenden Kollegen Neugebauer – wegen GÖD-interner Widerstände beim Gewerkschaftstag würde die Fraktionsanerkennung über Kooption in den Vorstand in nächster Zeit erfolgen – blieben ohne Ergebnis. Zwei Einsprüche beim GÖDSchiedsgericht 2006 und 2011 wurden abgelehnt. 2012 haben der von der UGöd für den GÖD-Vorstand nominierte Reinhart Sellner und die Unabhängigen GewerkschafterInnen der UGöd Klage beim Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien eingebracht, Verhandlungstermin ist der 22. Oktober 2012.

Die Klage umfasst im Wesentlichen zwei aus dem Statut der GÖD abgeleitete Feststellungen: 1. „Zwischen den Streitteilen wird festgestellt, dass der Vorstand der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst nicht statutengemäß zusammengesetzt ist und dass der Erstkläger gemäß § 3 Abs 2 Z 4 und Abs 3 der Geschäftsordnung der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst dem Vorstand der GÖD angehört; 2. Zwischen den Streitteilen wird festgestellt, dass der Zweitklägerin auf allen Ebenen der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst der Status als Fraktion im Sinne der Fraktionsordnung der GÖD zukommt.“ In der Geschäfts- und Wahlordnung der GÖD ist festgelegt, dass alle Organe entsprechend dem Stärkeverhältnis der WählerInnengruppen bei Personalvertretungs-, Betriebsrats- beziehungsweise Gewerkschaftswahlen zusammenzusetzen sind. (§ 5 Abs. 3). Das Gewerkschaftsorgan „Vorstand“ (§ 3 Abs. 2) setzt sich aus den Mit-

gliedern des Organs „Präsidium“ (Vorsitzender + 5 StellvertreterInnen) und 12 „weiteren Mitgliedern“ zusammen, d.h. in Summe besteht der GÖD-Vorstand aus 18 Mitgliedern. Die „weiteren Mitglieder“ werden mit „Referaten“ betraut (§ 8 Abs. 4). Die UGöd hat in den von der GÖD angestellten Berechnungen bei den letzten Wahlen in der GÖD die Wahlzahl 14 nach d’Hondt erreicht. Die Argumentation der GÖD, ihres Schiedsgerichtes und ihres Anwaltes ignoriert einmal mehr die Festlegungen des Statuts hinsichtlich der Zusammensetzung des Vorstandes und nimmt die Tatsache, dass seit geraumer Zeit die Wahl des Vorsitzenden und der StellvertreterInnen auf einem gesonderten Stimmzettel und vor der Wahl der „weiteren Mitglieder“ erfolgt, zum Vorwand, dass der UGöd weder ein Vorsitz noch eine StellvertreterIn, noch ein „weiteres Mitglied“ zusteht.

Spendenaufruf Zur Abdeckung der Verfahrenskosten ersucht die UGöd ihre Mitglieder, SympathisantInnen und alle demokratisch gesinnten KollegInnen um eine Spende mit dem Vermerk: „Spende für GÖD-Demokratisierung“ auf die Kontonummer 502 014 723 00, BLZ 12000, lautend auf „Unabhängige GewerkschafterInnen in der GÖD (UGöd)“. Die Bundesleitung der UGöd wird die Spendeneinnahmen und Ausgaben gegenüber den SpenderInnen und im Rahmen des Finanzberichtes offenlegen. Sollte der Spendenbetrag höher als die Rechtshilfekosten sein, wird der Differenzbetrag an „Asyl in Not“ (zur Betreuung von AsylwerberInnen und Flüchtlingen) und an das „Integrationshaus Wien“ weitergegeben.

SEITE 21 • ALTERNATIVE 10-11/2012


Gewerkschaft & Betrieb

Hat die Wirtschaftskrise die „Atypisierung“ der Beschäftigungsverhältnisse in Österreich befördert? Waren „Atypische“ stärker betroffen als „Normalarbeitsverhältnisse“? Diesen Fragen geht ein Beitrag in den Statistischen Nachrichten 7/2012 nach. Von Markus Koza.

„ATYPISIERUNG“ IN ZEITEN DER KRISE uer durch Europa – besonders aber in den schwer krisengeschüttelten Staaten der Peripherie – ist ein massiver Abbau von ArbeitnehmerInnenrechten gepaart mit einer zunehmenden „Atypisierung“ der Beschäftigung zu beobachten: Arbeitszeiten werden flexibilisiert, Überstundenregelungen liberalisiert, der Kündigungsschutz abgebaut, Lohnverhandlungen auf die betriebliche Ebene verlagert, Löhne gekürzt. Gleichzeitig werden „neue“, atypische Beschäftigungsformen – insbesondere für jugendliche ArbeitnehmerInnen – geschaffen, die noch weniger sozial- und arbeitsrechtlichen Schutz bieten und die Arbeitgeber noch weniger kosten. Wie sieht es nun in Österreich aus? Ist auch hier eine Zunahme von „Atypisierung“ im Zuge der Krise zu beobachten? Käthe Knittler und Bettina Stadler haben Auswirkungen der Krise auf die Beschäftigung untersucht.

Was ist „atypisch“? Bevor wir uns den Ergebnissen zuwenden, sollte mensch vorerst einmal wissen, wovon überhaupt die Rede ist, wenn von „atypischer Beschäftigung“ gesprochen wird. Grundsätzlich erfolgt die Definition von „atypischen Beschäftigungsverhältnissen“ über die Abgrenzung zum „Normalarbeitsverhältnis“1) – also der unbefristeten Vollzeitanstellung. Atypische Beschäftigungsformen sind somit üblicherweise Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigung, Zeit- und Leiharbeit, befristete

Arbeitsverhältnisse sowie freie Dienstverträge. Formen „selbständiger“ atypischer Beschäftigung („neue Selbständige“) werden in dieser Analyse nicht berücksichtigt. Teilzeitarbeit wird in der Untersuchung dahingehend eingegrenzt, dass diese weniger als 36, aber mehr als 12 Wochenstunden umfassen muss. Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse – also Teilzeit unter 12 Wochenstunden – fallen somit nicht unter „Teilzeit“, sondern „sonstige atypische Beschäftigung“. Weiters sind aus den befristeten Arbeitsverhältnissen Beschäftigungsverhältnisse, die aufgrund ihrer Lehrausbildung befristet sind (zum Beispiel Lehrverträge), ausgenommen. Auf Basis der Mikrozensus-Erhebung und erwähnter Abgrenzungen/Prinzipien werden drei überschneidungsfreie Beschäftigtenkategorien gebildet. Jede unselbständig erwerbstätige Person wird nach ihrer „Haupttätigkeit“ exakt einer dieser Gruppen zugeordnet. Unterschieden werden • Beschäftigte im Normalarbeitsverhältnis, also Vollzeitbeschäftigte ohne Befristung • „ausschließlich“ Teilzeitbeschäftigte, das sind alle Personen, die ausschließlich aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung als „atypisch“ gelten und mehr als 12 Stunden – also über der statistischen Geringfügigkeitsgrenze – arbeiten. Nicht in dieses Kapitel fallen Beschäftigungsverhältnisse die zusätzlich Merkmale von „Atypisierung“ aufweisen – etwa zeitlich „befristete“ Teilzeitverhältnisse, oder Leiharbeit auf Teilzeitbasis. SEITE 22 • ALTERNATIVE 10-11/2012

• alle sonstigen „unselbständig“, atypisch Beschäftigten, also freie DienstnehmerInnen, geringfügig Beschäftigte (Teilzeit unter 12 Wochenstunden), LeiharbeiterInnen, Befristungen – unabhängig ob Voll- oder Teilzeit. Wie haben sich diese Beschäftigtengruppen nun in der Krise entwickelt? Die AutorInnen stellen eingangs fest, dass im Vergleich zu den anderen EUStaaten die „Krisenfolgen am österreichischen Arbeitsmarkt bisher relativ glimpflich“ verlaufen sind. Allerdings hat auch am österreichischen Arbeitsmarkt die Wirtschaftskrise deutliche Spuren hinterlassen.

51.000 Vollzeitjobs weniger Geprägt war das Krisenjahr 2009 durch eine für Österreich ungewohnt hohe Arbeitslosenrate von 4,8 Prozent (Labor force-Konzept), die allerdings 2010 bereits wieder auf 4,4 Prozent zurückging. Die Zahl der unselbständig Beschäftigten stagnierte 2009 ebenso wie im Folgejahr 2010. Von 2005 bis 2008 war die unselbständige Beschäftigung noch deutlich gestiegen. Markant war 2009 der Einbruch bei den Normalarbeitsverhältnissen: 41.000 Vollzeitjobs gingen 2009 verloren, 2010 noch einmal 29.000. Betroffen waren 2009 dabei überwiegend Männer – nämlich zu 90 Prozent. 2010 war der Rückgang an Norm-Arbeitsplätzen zwar geringer, allerdings waren es diesmal zu 70 Prozent Frauen, deren Jobs „abgebaut“ wurden. Insgesamt gingen 2008—2011 51.000 Normalarbeitsverhältnisse verloren. Waren


2008 noch 87,6 Prozent der unselbständig beschäftigten Männer in einem 40-Stunden-Job, ging dieser Anteil bis 2011 leicht auf 86 Prozent zurück. Bei den Frauen sank der Anteil von ohnehin nicht besonders hohen 53,6 Prozent schon viel deutlicher auf niedrige 50,9 Prozent. Eine Entwicklung, die zwar schon länger anhält (2005—2011 wuchsen Teilzeit und atypische Beschäftigung um 22 Prozent, Normalarbeitsplätze dagegen nur um 2 Prozent), sich mit der Krise allerdings beschleunigte. Insgesamt ist der Anteil der in Normalarbeitsverhältnissen stehenden ArbeitnehmerInnen seit 2005 von 73 auf 69,3 Prozent (2011) gesunken, dabei alleine von 2008 bis 2011 um 2,4 Prozent-Punkte.

Starkes Wachstum bei Teilzeit Beschäftigungszuwächse gab es dagegen in der Kategorie „ausschließlich Teilzeit“. Die Stagnation der Gesamtzahl der unselbständig Beschäftigten 2009/2010 lässt sich auf die

leichte Verschiebung von Normalarbeitsverhältnissen hin zu „atypischen“ Beschäftigungsformen, vor allem aber auf die weiter wachsende Teilzeitbeschäftigung zurückführen. Im Vergleich zu 2008 stieg die Gruppe „ausschließlich“ Teilzeit Arbeitender bis 2011 um 61.000 Personen, von 592.000 auf über 653.000. Die leichte Entspannung die 2011 auf dem Arbeitsmarkt zu beobachten war, ist somit überwiegend auf den Anstieg von „ausschließlich“ Teilzeit und anderen atypischen Beschäftigungsformen zurückzuführen. Der Anteil der unselbständig beschäftigten Frauen, die insgesamt Teilzeit (nicht „ausschließlich“ Teilzeit, sondern auch mit Merkmalen anderer „atypischer“ Beschäftigungsformen) arbeiten, ist seit Ausbruch der Krise 2008—2011 von bereits hohen 42,1 noch einmal auf 44,5 Prozent gestiegen. Jener der Männer von niedrigen 6,5 Prozent auf nicht wesentlich höhere 7,6 Prozent. Von den 898.600 Teilzeitbeschäftigten 2011 waren 756.400 weiblich und nur 142.200 SEITE 23 • ALTERNATIVE 10-11/2012

männlich. 2008 waren noch 697.000 Frauen und 122.500 Männer Teilzeit in all ihren Formen beschäftigt.

Verschiebung, aber Stagnation bei „Atypischen“ Relativ konstant ist die Anzahl der sonstigen atypisch Beschäftigten geblieben. Knittler/Stadler: „Leiharbeitskräfte waren von der Krise negativ betroffen, andere atypische Beschäftigungsformen, wie die geringfügige Beschäftigung und in leichtem Ausmaß auch die Befristungen, nahmen hingegen zu. Somit kam es zu leichten Verschiebungen hinsichtlich der Zusammensetzung der atypisch Beschäftigten. Die Gesamtgruppe (atypisch, sonstige Formen) blieb allerdings, aufgrund der gegenläufigen Entwicklungen der einzelnen atypischen Beschäftigungsformen, im Jahr 2009 gleich groß und verzeichnete 2010 wieder einen Zuwachs.“ Bitte umblättern


Auf die einzelnen Atypischen-Gruppen bezogen heißt das: • Steigende geringfügige Beschäftigung seit 2005, auch seit Ausbruch der Krise. Die Zahl jener Personen, deren „Hauptbeschäftigungsmerkmal“ eine geringfügige Beschäftigung ist, stieg seit 2008 von 151.500 auf 170.900 Personen2). • Rückgang bei den freien DienstnehmerInnen, wobei dieser allerdings nicht nur in der Krise begründet ist, sondern auch in der deutlichen Ausweitung der sozialen Absicherung seit 1. Jänner 2008. Das hat es für Arbeitgeber schlichtweg unattraktiver gemacht, über die Umgehung „freier Dienstvertrag“ aus dem „teureren“ Sozial- und Arbeitsrecht zu flüchten. • Rückgang bei der Leiharbeit von 2008 auf 2009 (etwa 10 Prozent weniger Leiharbeitsverhältnisse), was dem strukturellen Charakter von Leiharbeit geschuldet ist: „In Zeiten des (erwarteten) Aufschwungs werden zuerst LeiharbeiterInnen angestellt, die im Fall eines erneuten Einbruchs sehr leicht wieder freigesetzt werden können.“

Oder anders ausgedrückt: In Krisenzeiten werden LeiharbeiterInnen eher gekündigt, als Stammpersonal. Wobei der Einbruch allerdings – vorerst einmal – nur von kurzer Dauer war und 2010 schon wieder beinahe das Niveau von 2008 erreicht, 2011 dasselbe schon wieder deutlich überschritten wurde (81.100 statt 71.100 LeiharbeiterInnen) • Leichter Anstieg bei befristeten Beschäftigungsverhältnissen, der – laut AutorInnen – auch Folge der Krise ist („Gleichzeitig werden während einer Krise vermehrt tatsächlich befristete Beschäftigung vergeben“). Insgesamt ist über den Zeitablauf von 2005 bis 2011 aber insgesamt nur eine geringe Steigerung (von 5,3 auf 5,6 Prozent aller unselbständig Beschäftigten) zu beobachten. Zusätzlich ist ein befristetes Arbeitsverhältnis – bevor dieses in ein unbefristetes übergeht – inzwischen für viele neue Erwerbsverhältnisse Realität geworden – unabhängig von der Krise.

SEITE 24 • ALTERNATIVE 10-11/2012

Keine „strukturelle Verschiebung“, aber Basierend auf beschriebenen Entwicklungen und Beobachtung kommen Knittler/Stadler in ihrem Artikel zu folgenden Schlüssen: • In Österreich „kann derzeit … von keiner eindeutigen Verschiebung der Beschäftigtenstruktur in Richtung Atypisierung gesprochen werden.“ Der Anstieg bei atypischen Beschäftigungsverhältnissen „rührt in erster Linie von einem Anstieg der ausschließlich Teilzeit und dies ist wiederum größtenteils ein Effekt der steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen.“ • Auf die Eingangfrage nach den Auswirkungen der Krise auf die Beschäftigungsstruktur, ist eindeutig ein Rückgang von „Normalarbeitsverhältnissen“ zu beobachten, dem ein Anstieg von Teilzeitbeschäftigung – getragen überwiegend von Frauen – gegenüberstand beziehungsweise -steht. • Im Jahr 2010 ist auch wieder ein Anstieg von „atypischen“ Beschäftigungsverhältnissen außerhalb der Teil-


zeit beobachtbar, der vor allem auf wieder mehr werdende Leiharbeit zurückzuführen ist: Diese ging 2009 zurück, stieg 2010 wieder leicht, 2011 schließlich wieder deutlich an (mit den aktuellen krisenhaften Entwicklungen ist wieder ein Rückgang zu verzeichnen, Anm.) • Bezogen auf die Beschäftigungsform zeigen sich die größten Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der Kategorie „ausschließlich Teilzeit“: Frauen arbeiten zu 33 Prozent „ausschließlich Teilzeit“, Männer zu 4 Prozent. Geringer aber immer noch deutlich allerdings auch die Unterschiede bei allen anderen atypischen Beschäftigungsformen: Frauen arbeiten zu 15 Prozent „atypisch“, Männer zu 10 Prozent (geringfügige Beschäftigung: 7,5 Prozent der Frauen, 2,4 Prozent der Männer, Befristung: 6,4 Prozent der Frauen, 5 Prozent der Männer, freie Dienstverträge: 1,5 Prozent der Frauen, 1,3 Prozent der Männer, Ausnahme Leiharbeit: 2 Prozent der Frauen, 3 Prozent der Männer). • Nach wie vor zeigen sich hinischtlich der Verbreitung atypischer Beschäftigungsformen deutliche Unterschiede zwischen dem Produktions- und dem Dienstleistungssektor. In der männerdominierte Güterproduktion ist der Anteil „Atypischer“ jedenfalls geringer (wenn auch in diesem Sektor Frauen deutlich häufiger atypisch beschäftigt sind als Männer) als in der Dienstleistungsbranche mit hohem Frauenanteil: Hier ist der Anteil atypisch Beschäftigter bei Frauen wie Männern „tendenziell hoch“. Hat in Österreich also „Atypisierung“ als Krisenfolge bei weitem nicht so durchgeschlagen wie in anderen europäischen Staaten, handelt es sich vorerst einmal um einen „vorläufigen Befund“. Denn die Krise ist noch nicht zu Ende. Und: Die Zahl atypisch Beschäftigter war auch schon in Vorkrisenzeiten hoch. Selbst wenn „Atypisierung“ nicht prinzipiell „Prekarisierung“ – also Unsicherheit, Armutsgefährdung, Ungewissheit – bedeutet: Der Anteil atypisch Beschäftigter in Niedriglohnbranchen beziehungsweise -berufen ist jedenfalls deutlich höher: 27 Prozent der „Atypischen“ aber „nur“ 8,7 Prozent der „normal“ Beschäftigten arbeiten in Niedriglohnbranchen. Die Gefahr des „working

poor“ und, im Falle von Arbeitslosigkeit, in tiefe Armut zu rutschen ist damit bei „Atypischen“ ungleich höher als bei „Normal“-Beschäftigten. Und: Der Prozess der „Atypisierung“ und der damit verbundenen Prekarisierungsrisken ist keineswegs gestoppt. Ganz im Gegenteil: Er setzt sich unvermindert fort. Die Herausforderung „Atypisierung“ bleibt also. Gerade auch in Krisenzeiten. angemerkt sei hier insbesondere, dass das „Normalarbeitsverhältnis“ hinsichtlich seiner „Normwirkung“ hinterfragenswert ist. Die AutorInnen: „Was für Frauen typisch ist, ist für Männer untypisch und umgekehrt gilt, was für Männer typisch ist, ist für Frauen untypisch. Insofern stellt sich zu Recht die Frage, was als Norm und damit als normal beziehungsweise abweichend von Norm und Normalität definiert wird.“ Die AutorInnen haben nicht zuletzt aufgrund des hinterfragenswerten „Normbegriffs“ neben der Kategorie „Normalarbeitsverhältnis“ die für Frauen viel typischere

1)

SEITE 25 • ALTERNATIVE 10-11/2012

Teilzeitarbeit als eigenständige Kategorie und „ausschließlich Teilzeit“ als weibliches „Normalarbeitsverhältnis“ in Abgrenzung zu anderen „atypischen“ Beschäftigungsverhältnissen gesondert ausgewiesen. 2) Die doch erhebliche Abweichung von den Hauptverbandszahlen – der Hauptverband weist für 2011 erwas über 307.000 geringfügig Beschäftigte aus, während im Artikel von Knittler/Stadler nur von knapp 171.000 Geringfügigen die Rede ist. Die Differenz ergibt sich daraus, dass der Hauptverband alle Beschäftigungsverhältnisse (unabhängig davon, wer diese erbringt) zählt.. Während Knittler/Stadler nur jene Personen zählen, die als Hauptbeschäftigungsform (zumindest) ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis aufweisen. Tatsächlich kann eine Person mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse haben, kann ein Teilzeitverhältnis mit einem geringfügigen Verhältnis kombiniert sein etc.


Gewerkschaft & Betrieb

Ende Oktober 2011 war ich mit 25 KollegInnen aus Vorarlberg, ElementarpädagogInnen und LehrerInnen aller Schultypen auf Finnland-Expedition in Jyväskylä. Von Reinhart Sellner.

ENTSPANNTE GELASSENHEIT rganisiert hatte diese Reise die Vorarlberger LehrerInneninitiative mit der Unabhängigen Bildungsgewerkschaft. In Kleingruppen haben wir Kindergärten, Grundschulen, Gemeinschaftsschulen (Gesamtschule), gymnasiale und Berufsbildende Oberstufen besucht, mit Kolleginnen und SchülerInnen gesprochen und sie in ihrem Alltag begleitet und beobachtet.

Unaufgeregte Kultur der Wertschätzung Was uns österreichischen Gästen vor allem aufgefallen ist, hat nichts mit PISA-Ergebnissen oder besonderen Unterrichts- und Betreuungsformen zu tun, sondern mit dem skandinavischen Klima: Vier Tage lang haben wir keine Schreien von Lehrpersonen gehört und kein aggressives Herumschreien von Kindern und Jugendlichen. In Kindergärten und Schulen haben wir entspannte Gelassenheit erlebt, eine beiläufige Kultur der Wertschätzung, Augenhöhe zwischen Kleinen und Großen, SchülerInnen, Lehrpersonen,

Reinhart Sellner Unabhängiger Gewerkschafter der UGöd.

Küchenpersonal, Krankenschwestern und Schulleitung. Wie die Schulaufsicht agiert, haben wir nicht gesehen oder gehört, die hat sich nämlich 1996 selber abgeschafft, weil die Schulen nicht Aufsicht, Lob und Tadel von oben brauchen, sondern SozialarbeiterInnen, PsychologInnen und Krankenschwestern.

Prävention und Support „in echt“ Kuokkala Yläaste, Gemeinschaftsschule mit Klassen 7—9, Tiina Impola, ist die „Nurse“, Schulkrankenschwester: „Zu mir kommen Schülerinnen bei Regelbeschwerden, ich bespreche Verhütungsmöglichkeiten (da kommen oft beide), helfe bei persönlichen Krisen, auch bei Gewalt in der Familie. Es sind von den älteren SchülerInnen, eher die Mädchen, die zu mir kommen, oft aus migrantischen Familien.“ Sie ist während der Unterrichtszeit in der Schule, die Tür zu ihrem Zimmer steht SchülerInnen ohne Anmeldeformalitäten offen, MitschülerInnen und LehrerInnen wissen nicht, wer die Hilfe in Anspruch nimmt. „Niederschwellige“ Unterstützung begleitet die Kinder und Jugendlichen nicht erst in der Schule. Das finnische „Neuvola“, ein sehr engmaschiges, kostenloses, soziales System der Begleitung des Kindes und der Unterstützung der Eltern in ihrer Elternschaft, das noch vor der Geburt einsetzt, spielt eine sehr bedeutende Rolle. Der Schwerpunkt liegt auf der Prävention, und das setzt sich in der Schule fort,

wo LehrerIn, SonderpädagogIn, Nurse, DirektorIn der Schule, PsychologIn, Logopädin, SozialarbeiterIn der Gemeinde/des Bezirkes in regelmäßigen Beratungen an der Schule Vorschläge für individuell angepasste Fördermaßnahmen entwickeln. Eltern und Kind werden in der Regel gemeinsam beraten, das Kind steht im Mittelpunkt.

Ruhig warten, freundlich plaudern, nicht ermahnen … Ristonmaan päiväkoti, ein Kindergarten mit Vorschule, ein ebenerdiger Bau mitten in einem Garten mit Spielplatz, Kletterbäumen und Herbstlaub. Eine Gruppe von Drei-, Vierjährigen zieht im Vorraum Anoraks, Hauben und warme Stiefel an. Die Kindergärtnerin hat eine Fingerpuppe übergestreift, das Eichkätzchen erzählt, dass es Mutter und Geschwister verloren hat, die Kleinen sollen suchen helfen. Einer wird mit dem Anziehen nicht fertig, sitzt am Boden vor seinen Stiefeln und muss viel erzählen und viel lachen. Die Kindergärtnerin und alle anderen Kinder plaudern mit ihm oder untereinander, bis er doch noch in seine Stiefel gefunden hat, dann sind sie im Nu draußen. Ohne „Was soll das? Mach schon! Siehst du nicht, dass wir alle auf dich warten müssen?“, auch ohne eine Leiterin, die strenge Blicke wirft. Es gibt in Finnland ein subjektives Recht des Kindes auf einen Kindergartenplatz – die öffentliche Hand hat die Pflicht zum Einlösen dieses Rechtes, zum Bereitstellung des Kindergartenplatzes. Ein nationaler Bildungsrahmen

SEITE 26 • ALTERNATIVE 10-11/2012


legt Gruppengrößen, Personalschlüssel und Qualitätskriterien fest. Ein frühkindlicher Erziehungsplan (VASO) wird mindestens zweimal jährlich erstellt; dabei erfolgt eine individuelle Betrachtung durch Kind, Eltern und KG-PädagogIn. Der Personalschlüssel: • 0–3 Jahre: 1:4,1 PädagogInnen, 2 PflegerInnen für bis zu 12 Kinder • 3–7 Jahre: 1:7,2 PädagogInnen, 1 PflegerIn für bis zu 21 Kinder. Die KindergartenpädagogInnen sind an der Universität ausgebildet und haben ein 5-jähriges Studium absolviert. KindergartenpflegerInnen machen ab 16 Jahren eine dreijährige Bachelorausbildung. Die Kindergärten sind ganztägig geöffnet, von 6.30 bis 17 Uhr. Es gibt

eine Sprengelregelung, entscheidend ist aber, welche Unterstützung die Eltern brauchen. So bezieht man zum Beispiel Berufsort und Arbeitszeiten der Eltern (beispielsweise Schichtarbeit) ein. 85 Prozent der Frauen sind berufstätig, die meisten arbeiten Vollzeit. Die Geburtenrate liegt bei 1,86 (Ö: 1,4).Der Kindergarten ist nicht kostenlos. Die Tarife sind sozial gestaffelt und betragen von 250 bis 0 Euro (für zum Beispiel StudentInnen oder Arbeitslose) monatlich für einen ganztägigen Kindergartenplatz.

… oder doch ermahnen? Puistokoulu, Gemeinschaftsschule mit Klassen 1—6, Mathematik-Unter-

Jedes Kind ist wichtig. Kein Kind darf beschämt werden. Kein Kind darf zurückgelassen werden.

richt, 6. Schulstufe. Nach dem Ende der Pause kommen die SchülerInnen vom Hof, verstauen Anoraks und warmes Schuhzeug in ihren Gangfächern und gehen in ihre Klassen, nach und nach. In dieser Klasse sind es wie in allen anderen nicht die PC und Beamer und Smartboards, auch nicht die Gitarre oder das E-Piano und der Lehnsessel (!) in einer Ecke, auf dem eine Studentin die Beine hochlagert, während sie noch ein SMS tippt. Der Lehrer ist schon in der Klasse, bespricht kurz mit ihr die Arbeitsteilung für die Stunde, die SchülerInnen haben ihre Unterlagen auf die Tische gelegt und die Stunde beginnt. Nach fünf Minuten kommt eine Nachzüglerin, setzt sich möglichst unauffällig auf ihren Platz. Der Lehrer macht weiter, steht aber dann doch auf, geht zur Schülerin, spricht ernsthaft mit ihr, sie steht auf, er verlässt mit ihr die Klasse. „Also doch“, denk ich mir. Als die beiden zurückkommen, bekommen wir mit, was da tatsächlich los war: Nach der Hofpause hat das Mädchen gemerkt, Bitte umblättern

SEITE 27 • ALTERNATIVE 10-11/2012


dass nicht nur die Schuhe, sondern auch die Socken durchnässt waren und ist barfuß in den Unterricht. Der Lehrer hat das bemerkt und sich um warme Ersatzsocken gekümmert. Während seiner Abwesenheit haben die Schülerinnen weitergearbeitet, die Zweitlehrerin hat zwei Kinder individuell betreut.

Fünf sind grade in der Förderstunde Anschließend wollte ich in eine andere Klasse, in den Finnisch-Unterricht. 15 SchülerInnen werkten an Arbeitsblättern. Ich war überrascht über die „kleine Klasse“, die LehrerIn erklärte mir, dass fünf Kinder grade Förderstunde haben. Später meint ein Kollege im LehrerInnenzimmer:“Das ist doch selbstverständlich, dass ein Kind Schwächen haben kann und ein Recht auf Hilfe hat.“ Ein freundliches Mädchen führte mich in den Übungsraum, wo zwei Sprachlehrerinnen mit den fünf Kindern gearbeitet haben, eine ging wenig später mit drei Kindern in einen anderen Raum, um bei der individuel-

len Förderarbeit die unterschiedlichen Bedürfnissen der SchülerInnen besser zu berücksichtigen. Zwischen 20 und 25 Prozent der Schulkinder beanspruchen besondere Fördermaßnahmen, nicht in Form von Nachsitzen, sondern während der regulären Unterrichtszeit. Vor allem sind es Kinder im Grundschulalter und in den ersten Jahren der Gemeinschaftsschule. Diese schulischen Förderstunden werden aufgrund von systematischer Beobachtung der LehrerInnen angeboten und als Hilfe wahrgenommen und angenommen. Je älter die SchülerInnen, desto geringer werden die Fördermaßnahmen, private Nachhilfe wie in Österreich ist in Finnland kein Thema. Das Unterstützungssystem funktioniert dreistufig: Die Grundunterstützung erfolgt in der Klasse, beispielsweise durch KlassenlehrerIn und Assistenzen, wenn zum Beispiel ein Kind etwas langsamer ist oder etwas nicht verstanden hat. In der zweiten Stufe erfolgt eine intensivierte, zeitweise Förderung in kleinen Gruppen oder auch einzeln. (zirka 22 Prozent der Kinder).

In der dritten Stufe wird diagnostiziert und es erfolgt eine spezielle Förderung in einem oder mehreren Fächern im Sonderunterricht in Kleingruppen. (ungefähr 9 Prozent SchülerInnen).

Gemeinsam Mittagessen und „lonely homes“ In der Gemeinschaftsschule und im Laukaan lukio, einem Gymnasium (3jährig, aufbauend auf die Gemeinschaftsschule) wurden wir immer wieder von SchülerInnen gefragt, wie das in Österreich mit dem Mittagessen in der Schule ist. Für sie ist das gemeinsame Essen mit den MitschülerInnen eine wichtige Sache, dass die LehrerInnen hier mitessen, spielt keine Rolle, auch wenn es einige Gespräche und auch vereinzelt „gemischte“ Tische gibt. Auf den Orientierungsplänen der Schulen nehmen Küche und der Essbereich entsprechend viel Raum ein. Unsere umständlichen Erklärungen der österreichischen Zustände haben sie eher befremdet. Zurück an meiner Schule ist mir bewusst geworden, welchen Unterschied es macht, wenn Kin-

SEITE 28 • ALTERNATIVE 10-11/2012


der und Jugendliche zwischen 11 und 12 Mittagessen und Pause machen und nicht nach 5, 6 Stunden Unterricht und ohne warme Mahlzeit nach Hause geschickt werden. Finnland hat keine Ganztagsschulen, die Kinder gehen um 13 oder 14 Uhr aus der Schule, je älter; je Nachmittagsunterricht. Die sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen – Gemeinde-Bibliotheken und kirchliche Nachmittags-Einrichtungen verlieren an Akzeptanz, Handy und neue Medien verstärken das und die „lonely homes“ werden zum sozialen Problem. Finnland steht mit der Einführung von ganztägigen Schulen erst am Anfang.

Eine Gewerkschaft „for all teachers“, keine gesetzliche Personalvertretung An den Schulen haben wir den KollegInnen jedes Mal die Frage gestellt, wie ihre Personalvertretung an der Schule organisiert ist, als Interessensvertretung gegenüber der Schulleiterin oder dem Schulleiter, der grad betont, dass er an der Schule alles entscheidet und für alles verantwortlich ist. „Ja, natürlich, er ist schon der Verantwortliche, aber er entscheidet mit uns, und in sein Team wählen wir jedes Jahr eine Kollegin oder einen Kollegen.“ „Und ihr habt keine selbstherrlichen Chefs, die willkürlich entscheiden, die KollegInnen rücksichtlos behandeln und fertig machen?“ „Dafür braucht ihr eine Personalvertretung? In so einem Fall rufen wir bei der Gewerkschaft an, einer von den gewählten Funktionären kommt zu uns und wir regeln das Problem. Habt ihr oft solche Konflikte mit Vorgesetzen?“ Obrigkeitsstaat, Parteienproporz und parteipolitisch dominierte Gewerkschaften haben in Finnland und in den skandinavischen Ländern keine Tradition: „Die Gewerkschaft hat unter uns LehrerInnen und in der Öffentlichkeit ein gutes Ansehen, auch in Fragen der Bildungspolitik.“ Mit der Einführung der Finnischen Gemeinschaftsschule kam es zur Gründung der OAJ (Opaetusan Ammattijärjestö, der Trade Union of Education), einer Gewerkschaft aller Lehrenden, zu denen selbstverständlich auch die „teachers“ der Krabbelstuben und Kindergärten gehören. 1973 kam es zur

Vereinigung von „elementary school teachers“ (gegründet 1877) und „high school teachers“, 1985 kamen die „college and university teachers“ und die „adult education centre teachers, 1988 die „vocational education teachers (vocational, business, music and technical institutionell)“ und 1991 die „Assosiation of Kindergarten Teachers in Finland“ zur OAJ.

Und wo bleibt das Negative? Soviel fürs Erste. Wem der erste Eindruck eines österreichischen Lehrers zu optimistisch erscheint, der hat Recht. Aber für uns haben bei unseren Schulbesuchen und in den Gesprächen mit KollegInnen, GewerkschafterInnen, LehrerInnenbildnerInnen die positiven Eindrücke und der Kontrast zu unserem Berufs-, GÖD-Gewerkschafts- und Politikalltag stark überwogen. Es sind nicht die Unterrichts- und Betreuungsformen, es sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in denen pädagogisch-lehrerliches Arbeiten Tag für Tag passiert. Armut, Not und Fremdherrschaft, solidarisches Aufbegehren, Autonomie und Frauenwahlrecht 1906 (!), die Unabhängigkeit erst 1917, trau-

matische Bürgerkriegserfahrungen der 1920er Jahre, aber keine obrigkeitsstaatlichen Großmachttraditionen sind heute noch präsent. Die Gemeinschaftsschule als volkswirtschaftliches Notprogramm und Erfolgsgeschichte aller Finnen. Vor ihr haben Neoliberalismus und Finanzkrise nicht Halt gemacht. Die Gemeinden sparen beim täglichen Mittagessen, der Staat bei den GrundschülerInnen, indem er Dorfschulen zusperrt und Kindern unzumutbar lange Schulwege zumutet. Auch für die Renovierung der in den 1970er Jahren gebauten Gemeinschaftsschulen fehlen Budgetmitteln. Allerdings hat das Bildungswesen einen unvermindert hohen Stellenwert in der Gesellschaft und für die Regierung, unabhängig von ihrer jeweiligen politischen Zusammensetzung. Von 29. Oktober bis 3. November geht die nächste PädagogInnen-Fortbildung, diesmal bundesweit organisiert von der ÖLI, finanziell unterstützt von der UGöD/GÖD nach Jyväskylä. Bericht folgt in der Alternative.

SEITE 29 • ALTERNATIVE 10-11/2012


International

NOVARTIS-KLAGE GEFÄHRDET „APOTHEKE DER ARMEN“ er Konzern will eine Bestimmung des Patentrechts ändern, die den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten sichert anstatt des unternehmerischen Profits“, sagt Leena Menghaney von der Medikamenten-Kampagne von „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF) in Indien. „Das gegenwärtige Patentsystem in Indien verhindert, dass Pharmaunternehmen Patentmonopole mit immer neuen Patenten auf das gleiche Medikament künstlich verlängern.“ Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ kritisiert das juristische Vorgehen des Pharmakonzerns Novartis gegen das indische Patentrecht. Ein Erfolg der Klage, die vor dem Obersten Gerichtshof des Landes gerade verhandelt wird, hätte nach Einschätzung der Organisation verheerende Auswirkungen auf den Zugang von Patienten weltweit zu lebenswichtigen Medikamenten. Indien gilt als „Apotheke der Armen“, weil Nachahmemedikamente aus indischer Produktion die Versorgung mit bezahlbaren Arzneimitteln sicherstellen. Die Klage ist in einer langen Reihe von erfolglosen Prozessen der letzte Versuch des Konzerns, Abschnitt 3d des indischen Patentrechts anzufechten. Die Klausel besagt im Einklang mit internationalen Welthandelsregeln, dass eine neue Formulierung eines bekannten Medikaments lediglich dann ein Patent verdient, wenn sie eine deutlich erhöhte therapeutische Wirksamkeit gegenüber existierenden

D

Seit nunmehr sechs Jahren versucht Novartis, Indien unter Druck zu setzen. Von Eva Hosp. Wirkstoffkombinationen zeigt. Die Bestimmung wurde speziell entwickelt, um der gängigen Praxis der Ausweitung von Patentmonopolen für lediglich geringfügige Veränderungen bekannter Wirkstoffkombinationen – „Evergreening“ genannt – zu begegnen. Dadurch wird verhindert, dass Pharmafirmen die Preise künstlich hoch halten und somit Patienten in ärmeren Ländern den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten versperren. Auf der Grundlage des Abschnitts 3d wurde im Jahr 2006 einer Patentanmeldung von Novartis für das Krebsmedikament Glivec® nicht stattgege-

ben. Die Anmeldung bezog sich lediglich auf eine neue Formulierung des zu Grunde liegenden Moleküls, das bereits patentiert war. „Die Bedeutung des Falles für den Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten in ärmeren Ländern geht weit über Indien und über ein einzelnes Präparat hinaus“, erklärt Mario Thaler, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen Österreich. „Wenn Indien in Zukunft gezwungen sein sollte, deutlich mehr Patente zu gewähren als bisher, könnte eine wesentliche Quelle für leistbare Medikamente versiegen. Die Ausweitung der Behandlung von HIV/Aids auf mittlerweile acht Millionen Menschen weltweit ist nur durch generische Medikamente aus Indien möglich geworden, denn dadurch wurde der Preis um 99 Prozent gesenkt. Die Klage von Novartis stellt somit eine ernsthafte Bedrohung für das Leben von Millionen Menschen in ärmeren Ländern dar, die auf die bezahlbaren Medikamente aus Indien angewiesen sind.“

Hintergrund Im Jahr 2006 stellte Novartis die Verfassungsmäßigkeit des Abschnitt 3d in Frage. Als Reaktion initiierte Ärzte ohne Grenzen die Kampagne „Novartis – Drop the Case“ mit dem Ziel, den Pharmakonzern dazu zu bewegen, seine Klage zurückzuziehen. Novartis ließ die Klage nicht fallen, verlor den Prozess aber 2007. Im gegenwärtigen Gerichtsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof versucht der Pharmakonzern eine spezifische Auslegung des Abschnitts 3d herbeizuführen, um der Schutzklausel die Substanz zu entziehen. Es wird erwartet, dass das Urteil frühestens in einigen Wochen gefällt wird.

SEITE 30 • ALTERNATIVE 10-11/2012


Leserlich

„Dorthin kann ich nicht zurück“

– Flüchtlinge erzählen

25 persönliche Geschichten aus Sicht der Asylwerbenden wurden jetzt in Renate Sova, Ursula Sova, Folgert Duit (Hg.), Promedia Verlag, Wien 2012, 224 Seiten,

Buchform veröffentlicht. Dorthin kann 15,90 Euro. Fotos von Nadja Meister. ich nicht zurück erzählt Kindheitsgeschichten, Fluchtgeschichten, Liebesgeschichten und Lebensgeschichten. Wie leben Flüchtlinge in Österreich? Und warum haben sie ihre Heimat verlassen? Hinter dem Schlagwort „Asylwerbende“ stehen Menschen mit ihren konkreten Schicksalen, Ängsten, Träumen, Talenten und Visionen. Mit einem Überblick über die rechtliche Situation für Asylwerbende in Österreich, Deutschland und der Schweiz von Anny Knapp und Fotografien von Nadja Meister.

Der Augenblick – Reisen

durch den Alltag. Reportagen

Antje Gabriele Goettle Kunstmann-Verlag, München 2012, ISBN 978-3-888-97781-7, gebunden, 395 Seiten, 22,95 Euro

Geschichte ist normalerweise die Geschichte der Mächtigen. Die Einzigartigkeit des Alltages hat darin wenig Platz. Die Journalistin Gabriele Goettle lässt jetzt in einer Sammlung von 26 „taz“-Artikeln Frauen zu Wort kommen: Es geht um die Frage, warum und wie sie wurden, was sie sind. Und um Autonomie. Schließlich sprechen die Frauen selbst – über das, was sie tun, und darüber, woher sie kommen. Denn darum geht es: Um den Alltag von in Deutschland lebenden Frauen, die auf den ersten Blick Allerweltsfrauen sind, Frauen wie du und ich. Es geht um die Frage, warum und wie sie wurden, was sie sind. Oft ist die Arbeit der vorgestellten Frauen sehr wichtig, schlecht bezahlt und wenig angesehen – und was erstaunt, ist die ungeheure Konsequenz, mit der sie alle, ganz gleich, ob sie am Ende Erfolg hatten oder nicht, ihre Wege gegangen sind.

SEITE 31 • ALTERNATIVE 10-11/2012

unbekannten


Tipp

Gleichzeitig findet Rahmenprogramm ein attraktives statt:

Soziale Bewegunge gestern und heute n Unter diesem Titel soll ein Erfahrungs austausch von Vertr eterInnen früherer sozialer Bewegung en mit AktivistInne n von heute ermöglic ht werden. 25. Oktober 2012, 19.30 Uhr, ETAP, Neulerchenfelderst raße 13, 1160 Wien .

Die Eröf fnung der Kritischen Literatu rtage erfolgt am 26. Okto ber 2012 durch den in Ottakring lebende n palästinensischen Musiker, Sänger und Komponisten Marwan Abado. 26. Oktober 2012, 12 Uhr, Brunnenpassage Yppenplat z, 1160 Wien.

Entsprechend gefe wird auch Jura Soyfiert er,

Bereits zum dritten Mal finden in Wien am 26. und 27. Oktober 2012 die „Kritischen Literaturtage“ statt. Auch dieses Mal sind wir mit einem Infostand der Unabhängigen GewerkschafterInnen vor Ort vertreten.

Literaturmesse abseits des kommerziellen Mainstreams in der Brunnenpassage am Yppenplatz statt BundesheerKriegsspielzeug am Heldenplatz. Oder – wie auch das zentrales Motto der Kritischen Literaturtage lautet – „Bücher statt Panzer“. Ziel ist es, Verlagen mit alternativen, gesellschafts- und sozialkritischen Büchern, insbesondere aber unabhängigen und kleinen Verlagen aus Österreich und im deutschsprachigen Raum die Möglichkeit zu geben, ihr Sortiment zu bewerben und zu verkaufen.

Veranstaltungsort: KunstSozialRaum Brunnenpassage Brunnengasse 71/Yppenplatz, 1160 Wien. Nähere Informationen: www.krilit.at

der dieses Jahr seinen hunder tsten Geburtstag gefeier t hätte, mit einer szenischen Lesung de s Editionskollektivs Mezzanin und Liede rn von Jura Soyfer, vertont und mit Ak kordeon vorgetrage n von Maren Rahman n. 26. Oktober, 20 Uh r, Weinhaus Sittl, Lerchenfelder Gürte l 51, 1160 Wien.

Öffnungszeiten: Freitag, 26. Oktober: 12 bis 19 Uhr Samstag, 27. Oktober: 10 bis 19 Uhr.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.