Alternative März/April 2016

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FRAUEN & PENSION Schandfleck Innenministerium Türkei: Repressionswelle

är / ri

Herausgegeben von

Unabhängige GewerkschaerInnen im ÖGB

Ein e heft: ,5 Euro, bonnement: 7 Euro P.b.b., Ver ags ostamt 4

Z 3 4 , Kd.-Nr: 558


daten & taten autORInnen DIeSeR auSGaBe Beate neunteuFel-ZeCHneR

DE oNSTR TIoN:

Flüchtlinge willkommen! Nein zur Festung Europa! Seite 8

BRIGItte tHeISSl HannaH SteIneR

Seite 6

In ganz europa werden am 19. März 2016 zehntausende Menschen unter dem Motto „Flüchtlinge willkommen“ auf die Straße gehen. auch in Österreich findet eine Demonstration statt. Sie wird von der Plattform für eine menschliche asylpolitik veranstaltet, der auch die auGe/uG angehört. Samstag, 19. März 2016, 13 uhr, Wien Karlsplatz, auGe/uG-treffpunkt: 13 uhr Wien Museum Infos: menschliche-asylpolitik.at ▲▼

CORnelIa StaHl

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HeIMO eBeRHaRD

UGE/UG läDT EIN ZU WINTERG RTENGESPRäcH:

Thema: Mindestsicherung – zuviel, zu wenig oder ganz das Falsche? Referentin: ao. univ. Prof. Wu Wien, Dr. Karin Heitzmann Zeit: 30. März 2016, 17 bis 19 uhr Ort: Cafe Blendend, Wintergarten, Graz, Mariahilfer Str. 24/Ökonomiegasse ▲▼

Seite 26 WoRKSHoP: KlauDIa PaIHa

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luIS StaBaueR

Seite 27

PeteR MOSeR

Digitale Selbstverteidigung Die auGe/uG bietet aufgrund der großen nachfrage ihren dritten, kostenlosen Workshop „Digitale Selbstverteidigung“ an. anmeldungen bitte unter auge.stmk@eyecatch.at. Zeit: Freitag, 1. april 2016, 14 bis zirka 18 uhr Ort: Veranstaltungsraum im Grünen Haus, Franz-Josef-Kai 70, Graz Inhalt: Wie kann ich meine Privatsphäre im Internet schützen? allgemeine und individuelle Fragen zum thema: Gunter Bauer (Cryptoparty Graz) Wie wehre ich mich gegen kommerzielle und staatliche Überwachung? Wie kann ich eine möglichst kleine digitale Spur hinterlassen? Ratschläge, tipps und Software-empfehlungen für Handy und Computer und Web-Browser Kurzvideos zum thema Was geht leicht und wo wird es anstrengend? Veranstalterinnen: auGe/uG, Grüne akademie

Seite 4 ▲▼ ReInHaRt SellneR Renate BRunnBaueR

Seite 22

UGE/UG:

Tag der Arbeitslosen auch dieses Jahr wird es eine aktion der auGe/uG geben. termin: Freitag, 29. april 2016. näheres siehe bitte ab anfang april auf auge.or.at

SteFan taIBl

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UGE/UG: Seite 24

WalteR BRaunSteIneR

Seite 13

Grundschulung Freitag, 21. Oktober 2016, 16 bis 19 uhr Samstag, 22. Oktober 2016, 10 bis 17 uhr Ort: auGe/uG-Büro, Belvederegasse 10/1, 1040 Wien. anmeldung bitte unter auge@ug-oegb.at.


Kommentar Be egschaft, übernehmen Sie! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4

thema Frauen Pensionsantrittsa ter: ärchen und Wahrheit . . . . . . Seite 6 Po itik der Unabhängigen GewerkschafterInnen . . . . Seite 8 Re ension: Wir sind Frauen. Wir sind vie e. . . . . . . . . Seite 9

Gewerkschaft & Betrieb rbeiterkammer: Bi iger Po u ismus . . . . . . . . . . . . . . Seite 10 sy recht: Verschärfung schadet a en . . . . . . . . . . . . . Seite 12 Schandf eck des Jahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 13 leiharbeit versk avt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 14 Grundsicherung: Entwicke n statt kür en . . . . . . . . . . Seite 18 Demonstration: Demokratische Schu e . . . . . . . . . . . . Seite 22 So ia wirtschaft: Unerfreu icher Ko ektivvertrag . . . . Seite 24

International leidensweg in 14 Stationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 27 Türkei: Re ressionswe e. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 31

Much cartoon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 16

IMPRESSUM Medieninhaber, Verleger: alternative und Grüne GewerkschafterInnen (auGe/uG) Herausgeberin: unabhängige GewerkschafterInnen im ÖGB (uG/ÖGB) Redaktion: Renate Vodnek. Layout: Franz Wohlkönig. Alle: 1040 Wien, Belvederegasse 10/1, telefon: (01) 505 19 52-0, Fax: (01) 505 19 52-22, e-Mail für abonnement: auge@ug-oegb.at, Redaktion: alternative@ug-oegb.at, Internet: www.ug-oegb.at, Bankverbindung: (14 000) Kto.-nr. 00 110 228 775, BIC: BaWaatWW, IBan: at30 1400 0001 1022 8 775. Dass namentlich gezeichnete Beiträge nicht unbedingt der Meinung der Redaktion oder des Herausgebers entsprechen müssen, versteht sich von selbst. titel und Zwischentitel fallen in die Verantwortung der Redaktion, Cartoons in die Freiheit der Kunst. textnachdruck mit Quellenangabe gestattet, das Copyright der Much-Cartoons liegt beim Künstler. DVR 05 57 021. ISSn 1023-2702

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editorial von Renate Vodnek Für einen kämpFerischen Frauentag Zum 105-ten mal jährt sich bereits der internationale Frauentag und manchmal habe ich das gefühl, es hat sich nicht besonders viel verändert. in dieser ausgabe berichten wir über die Veranstaltung der armutskonferenz / arbeitsgruppe Frauen & armut zum österreichischen pensionssystem aus Frauensicht. Die gezeigt hat, dass gerade aus Frauensicht unsere langjährige Forderung nach arbeitszeitverkürzung bei Lohn- und personalausgleich unabdingbar ist. passend zum Frauentag hat cornelia stahl eine Buchempfehlung „Wir sind Frauen. Wir sind viele. Wir haben die schnauze voll.“ Die schnauze voll habe ich auch von den regelmäßigen asylgesetzverschärfungen. Welche uns aktuell ins haus stehen und warum es wichtig ist, gegen eine Verschärfung aufzutreten seht ihr im Blattinneren. klaudia paiha zeigt auf, warum die „grenzen dicht“ rhetorik eine glatte themenverfehlung ist und es stattdessen eine geänderte Wirtschaftspolitik und arbeitsmarktpolitik braucht. eine möglichkeit für eine menschliche asylpolitik aufzutreten ist bei der Demonstration „Flüchtlinge Willkommen! nein zur Festung europa“ am 19. märz – auge/ug-treffpunkt ist 13 uhr vor dem Wien museum.


Leserbrief

Kommentar von

peter moser zum

Beitrag von

Belegschaft, übernehmen sie!

Markus Koza in

Staaten schon lange Tradition hat, ch nach wie vor so gut wie kein ahmen von insolventen Betrieben chäftigten. Das sollte sind ändern. e in Arbeiterselbstverwaltung äftigung in Zeiten der Krise. Sie che, demokratische Alternative zur ären Betriebskultur dar. mit 2700 betroffenen Arbeitneheine, wenn auch besonders spektaite. 2015 gab es laut Insolvenzstaolvenzfälle mit 21.800 betroffenen 4 waren es 5423 Fälle, ebenfalls mit n. Ein Jahr zuvor stellte sich die venzen und 31.800 ArbeitnehmerInar. ält Europa nach wie vor fest im tätspolitik leistet ihren entspreass es auch so bleibt. Die Arbeitsr diesem Hintergrund neue annung ist nicht in Sicht. pleiten stehen weiter auf der die Frage, ob diese denn zwangslusten führen müssen. Eine selt. lstaatliche und europäische Grencht überall ArbeitnehmerInnen t sind Firmenpleiten und in Folge hinzunehmen. den sich zur Übernahme insolvenührung in ArbeitnehmerInnenEs gibt in einigen Staaten sogar die derartige Belegschafts-Initiati-

hen wegung lernen

Italien ist ein Beispiel dafür. t zuletzt in Form von Produktiaben in Italien lange Tradition. n der Genossenschafts-Bewegung

– unterstützt von den Gewerkschaften – unter Industrieminister Marcora ein Gesetz beschlossen, das Betriebsübernahmen durch die Belegschaften unterstützt beziehungsweise erleichtert. Schlossen sich die ArbeitnehmerInnen genossenschaftlich zusammen, wurde ihnen ein Vorverkaufsrecht am insolventen Betrieb eingeräumt. Das Originelle an diesem Gesetz: Der Staat zahlte in diesem Fall den gesamten Arbeitslosenanspruch auf einmal aus und investierte diesen als Risikokapital in die neu gegründete Produktionsgenossenschaft. Getätigt wurde diese Beteiligung von der neu gegründeten „Cooperazione Finanza Impresa“ (CFI), einem von dreihundert Genossenschaften gegründeten Finanzierungsinstitut. Diese hat neben der Finanzierungsfunktion vor allem auch die Aufgabe, neu gegründete Genossenschaften beratend zu unterstützen.

Wie läuft ein derartiger Übernahmeprozess ab? • Beschließt die Belegschaft eine Genossenschaft zu gründen, um den insolventen Betrieb – oder Teile davon – weiterzuführen, darf sie die entsprechenden Anlagen, Immobilien etc. vom Konkursverwalter pachten und hat bei der Versteigerung des Firmenvermögens ein Vorkaufsrecht. Das begünstigt die beteiligten MitarbeiterInnen und stärkt die regionale Ökonomie. • Die Genossenschafts-Mitglieder sind verpflichtet, ihre Genossenschafts-Anteile einzulegen. Die Einlagen der GenossenschafterInnen müssen dabei nicht zwingend aus deren Ersparnissen stammen: Sie können auch Forderungen an das alte Unternehmen einbringen (zum Beispiel Abfertigungen). Diese Anteile sind Berechnungsgrundlage für die Beteiligung der CFI. Dieses Risikokapital durfte ursprünglich bis zum Dreifachen der Genossenschaftsanteile betragen – war nach oben allerdings mit der Summe der maximal zu erhaltenden Arbeitslosenunterstützung aller GenossenschafterInnen begrenzt. Diese Beteiligung der CFI ist seit dem Jahr 2001 auf das Einfache der Anteile begrenzt. • Das seitens der CFI vergebene Risikokapital setzt sich aus den kapitalisierten Arbeitslosenansprüchen der GenossenschafterInnen , das ihnen im Fall von Arbeitslosigkeit zustünde, zusammen. Ein erneuter Arbeitslosenanspruch entsteht erst wieder nach drei Jahren. Das sollte insbeson- ▶▶

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@ Sich „genossenschaftlich“ organisierende Belegschaften: Die „Genossenscha“ stellt (im österreichischen Genossenschasrecht) lediglich eine Rechtsform dar, mit der das

@ Kapitalisierung des Arbeitslosengeld-Anspruchs: Wenn das Geld – wie im österreichischen Fall – von der arbeitslosenversicherung kommen sollte, dann scheint mir das von Markus Koza vorgestellte Modell nur bedingt tauglich: Das Ziel jeder Versicherung ist doch, den „Versicherungsfall“ (hier die arbeitslosengeldzahlung) so kurz wie möglich zu gestalten. Was sollte die alV also dazu motivieren, maximale arbeitslosengeldansprüche vorzeitig auszuzahlen für die Gründung eines selbstverwalteten Betriebes, dessen Gelingen unsicher und für dessen Scheitern sie auch noch das Risiko tragen soll, die Kosten für eine Mindestabsicherung zu übernehmen? Die CFI-Konditionen in Italien sind da doch realistischer: Drei Jahre Verlust der al-ansprüche der Genossenschasmitglieder sind dort der Preis für die (vorzeitige) auszahlung der al-Gelder. Zurück nach Österreich und zum vorgeschlagenen „Insolvenzrecht neu“: Wenn eine einschätzung der arbeitsmarktsituation ergeben sollte, dass die wegen der Insolvenz arbeitslos gewordenen Beschäigten rascher als die gesamte anspruchslaufzeit wieder arbeit bekommen und dadurch wieder zu einzahlenden in die alV würden, dann gibt es nicht den geringsten Grund für die Versicherung, maximale arbeitslosengeld-ansprüche für ein Belegschasunternehmen kapitalisieren zu lassen. und wie sollte denn gegenüber den anderen alV-einzahlenden (arbeitgeber und -nehmer!) glaubwürdig nachgewiesen werden, dass hier arbeitslosengelder quasi als

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Illustration aus: CFI-Bilancio 2014

Für ein Insolvenzrecht „neu“. Von Markus Koza.

eigentum am Betrieb geregelt wird. Sie ist keine Festlegung der innerbetrieblichen arbeitsverhältnisse und der Mitsprache bei der Produktionsweise. „Genossenschalich“ sollte nicht mit „gemeinwohlorientiert“ oder mit „solidarwirtschalich“ verwechselt werden. In genossenschalichen Betrieben finden sich hierzulande kapitalistische arbeitsverhältnisse wie in jeder anderen Betriebsrechtsform. ausschlaggebendes innerbetriebliches Kriterium für die Förderungswürdigkeit sollte daher ein umfassendes Selbstverwaltungsstatut sein.

Illustration aus: CFI-Bilancio 2014

es ist erfreulich, dass die „Betriebliche Selbstverwaltung“ (autogestion, selfautogestione) nach langer der alternative management, Zeit wieder einmal in der „alternative“ thematisiert und in der akin zur Diskussion gestellt wird. es ist jedoch betrüblich, dass dies meist erst anlässlich oder im Gefolge des Scheiterns eines „normalen“ unternehJänner/Feber 2016. mens stafindet. So ist es auch jetzt: Der Konkurs der „Zielpunkt“-Kee ELEGSCHAFT, ist aktuell der auslöser. Den betroffenen ehemaligen ZielRNEHMEN SIE! punkt-Beschäigten wird die Option einer Belegschasübernahme – so kann man ziemlich sicher annehmen – leider kaum helfen. Das liegt meines erachtens in erster linie daran, dass eine Insolvenz- oder Konkurssituation eines unternehmens doch die betriebswirtschalich ungünstigste Situation für dessen Übernahme durch die Belegscha(en) ist. nur einige dieser schlechten Voraussetzungen seien hier beispielha angeführt: • Wer übernimmt denn schon gerne einen zahlungsunfähigen, illiquiden, verschuldeten Betrieb? • und auf der Grundlage welcher alifizierung sollte denn ein Kapitalgeber einer Belegscha plötzlich Geld leihen? • und warum sollte etwa ein nicht gefragtes Produkt oder eine unnötige Dienstleistung – das nichterkennen derartiger Sachverhalte fällt auch unter Managementfehler, die den Großteil der Insolvenzgründe ausmachen – durch eine genossenschaliche Betriebsform plötzlich Sinn machen und arbeitsplätze langfristig sichern? Solche und einige andere aspekte kommen im Beitrag von Markus Koza ein wenig zu kurz, sie sollten jedoch nicht außer acht gelassen werden.


dere auch die „langfristige“ Orientierung genossenschaftlich geführter Projekte sicherstellen. • Seit dem Jahr 2001 müssen die unterstützten Genossenschaften das zur Verfügung gestellte Risikokapital innerhalb von zehn Jahren zurückzahlen, was allerdings kein größeres Problem darstellen dürfte: Laut CFI fließen die getätigten Investitionen bereits innerhalb der ersten zwei Jahre zurück.

Tausende Arbeitsplätze gerettet Innerhalb der ersten fünfzehn Jahre ihres Bestehens investierte die CFI ungefähr achtzig Millionen Euro an Risikokapital in 159 Produktionsgenossenschaften. Damit wurden zirka sechstausend Arbeitsplätze unmittelbar und längerfristig gesichert beziehungsweise geschaffen. Vor der Novellierung im Jahr 2001. Seitens der EU-Kommission wurde die Risikokapitalbeteiligung im Umfang des maximal Dreifachen der Einlagen der GenossenschafterInnen als unzulässige Beihilfe interpretiert – wurde die Anwendung des Gesetzes beinahe vollständig gestoppt. Mit der Novellierung 2001 wurden jedoch auch Handlungsmöglichkeiten der CFI erweitert: Das Institut kann sich nun nicht mehr nur als Beteiligungs-, sondern auch als Gründungsgesellschaft betätigen. CFI-unterstützte Genossenschaften dürfen allerdings nicht mehr als 250 Mitglieder haben. Mit Ausbruch der Krise stieg entsprechend auch wieder die Zahl der Belegschaftsübernahmen. Derzeit werden rund sechzig Betriebe von der CFI betreut, von 2007 bis 2012 wurden so rund 5600 Arbeitsplätze gesichert. Die Kapitalausstattung des CFI hat sich von 84 Millionen Euro im Jahr 2007 auf 102 Millionen im Jahr 2012 erhöht.

Selbstverwaltungs-Modelle Italien ist allerdings keinesfalls das einzige Land, das Belegschafts-Übernahmen zulässt beziehungsweise fördert. In Argentinien wurden etwa Betriebsübernahmen und -besetzungen durch die Belegschaften, die mit Ausbruch der massiven Wirtschaftskrise zu Beginn der 2000er-Jahre praktisch auf der Tagesordnung standen, durch ein reformiertes Konkursrecht „legalisiert“. Auch hier wurde den Belegschaften ein Vorkaufsrecht auf „ihren“ Betrieb eingeräumt. Ähnlich gelagerte Änderungen im Insolvenzrecht gab es in Uruguay. In Europa gelten Frankreich und Spanien als Länder mit einem relativ hohen Anteil an selbstverwalteten Betrieben. So wurden in Frankreich seit dem Jahr 2000 376 Betriebe in Produktionsgenossenschaften umgewandelt. 79 Prozent der Betriebe und 6617 Arbeitsplätze blieben auf diesem Wege längerfristig erhalten. Die höchste Dichte an Kooperativen hatte 2007 Spanien mit über 25.000 Genossenschaften, fast 2500 „ArbeiterAktiengesellschaften“ und rund 17.600 „Aktiengesellschaften mit beschränkter Haftung“ (typische MitarbeiterInnenEigentumsmodelle). Auch in Spanien gibt es seit 1985 die Möglichkeit, seinen / ihren Arbeitslosengeld-Anspruch

„kapitalisieren“ zu lassen und in eine Kooperative oder „Arbeiter-Aktiengesellschaft“ einzubringen. Mit Ausbruch der Wirtschaftskrise 2008 und dem massiven Anstieg von Unternehmenspleiten und Arbeitslosenzahlen nahm die Diskussion um beschäftigungs- und unternehmenspolitische Alternativen auch in Ländern mit deutlich unterentwickelteren (produktions-)genossenschaftlichen Traditionen wieder zu. Besonders bemerkenswert ist dabei eine Entschließung des Europäischen Parlaments anlässlich des Jahres der Genossenschaften (2012). In dieser wird nicht nur die Rolle des Genossenschafts-Sektors in Europa als besonders krisenresistenter Arbeitgeber von 5,4 Millionen Menschen hervorgehoben, sondern auch auf die besondere Bedeutung von genossenschaftlichen Formen von Belegschaftsübernahmen im Insolvenzfall beziehungsweise bei fehlenden Erben hingewiesen: Das Europäische Parlamente fordert in dieser Entschließung die Mitgliedsstaaten unter anderem auf, „günstigere Bedingungen für Genossenschaften zum Beispiel beim Zugang zu Darlehen und bei der Besteuerung zu schaffen“ und will „Maßnahmen zur Förderung von Unternehmen, insbesondere im Bereich der Unternehmensberatung und Mitarbeiterschulung, sowie darüber hinaus die Gewährung von Finanzmitteln für Genossenschaften, vor allem bei der Übernahme eines Unternehmens durch die Arbeitnehmer oder Kunden, die als Möglichkeit für die Rettung von Unternehmen in Zeiten der Krise und für die Übertragung von Familienbetrieben oft unterschätzt wird.“ In einer Studie des Klaus Novy-Instituts vom Juli 2010 ließ die gewerkschaftsnahe, deutsche Hans-Böckler-Stiftung untersuchen, inwieweit Betriebs-Übernahmen durch die Belegschaften nicht nur eine Alternative zu Beschäftigungslosigkeit, sondern auch zu traditionellen, hierarchischen Unternehmensformen darstellen würden. Die AutorInnen (Klemisch / Sack / Ehrsam) empfehlen dabei über den „nationalstaatlichen“ Tellerrand hinauszublicken und Erfahrungen aus Ländern wie Spanien, Argentinien, Brasilien – und insbesondere Italien – perspektivisch mit einzubeziehen. Bei allen positiven Erfahrungen, die es auch in Deutschland mit selbstverwalteten Betrieben und Genossenschaften gibt – einmal mehr wird betont, dass Genossenschaften die Unternehmensform mit der niedrigsten Insolvenzhäufigkeit sind – sehen die StudienautorInnen dringenden Handlungsbedarf bei der Förderung und Unterstützung von Betriebs-Übernahmen. Das Marcora-Gesetz ist für sie dabei ein „überzeugendes und … erprobtes Konzept für Belegschaftsübernahmen bei drohenden Betriebsschließungen, das auch in Deutschland zumindest für klein- und mittelständische Unternehmen ein Erfolgsmodell werden könnte.“ Für den Erfolg spräche auch – so die Autoren, dass 97 Prozent der Betriebe, auf welche das Gesetz Anwendung fand, weitergeführt werden konnten und so einen Beitrag zu einem längerfristigen Erhalt von Arbeitsplätzen leistete. Derartige Gedankengänge finden inzwischen auch schon ihre ganz realpolitischen Niederschläge: Der rot-grün dominierte Landtag von Nordrhein-Westfalen – dem bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland – beschloss im Juni 2013 einen Antrag auf „Stärkung der

zinsenlose Kredite am Kapitalmarkt vorbei zur tilgung von Schulden des insolvent gewordenen Vorläuferunternehmens und zur Befriedigung von Gläubigerinteressen „Gründerservice“. Wäre es nicht naheliegend, die arbeiterherangezogen würden? kammer an eine ihrer grundsätzlichen Zweckbestimmunangesichts solcher gar nicht schwer vorstellbarer Prakti- gen zu erinnern und politisch von ihr die finanzielle Beteiken, die an der ursprünglichen Sinnhaigkeit und Zweckligung bei Belegschasinitiativen einzufordern? bindung von arbeitslosenversicherungsbeiträgen vorbeiDas klingt zwar naiv, aber angesprochen wird hier eine gehen würden, scheinen die anderen von Markus Koza Interessenvertretung, die ausschließlich von ihren Mitglievorgeschlagenen Finanzierungsformen schon eher überledern finanziert wird, deren gewählte Repräsentanten nur genswert, wenngleich auch fragwürdig. diesen gegenüber verantwortlich sein sollten … Seite 8 • Alternative Jänner/Feber 2016

@ Öffentliche Hand als Finanzier?

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@ Beratung und Förderung von Selbstverwaltungsbetrieben:

es geht um billiges, für die Weiterführung des unternehmens notwendiges Kapital, das von Banken kaum zu bekommen ist. erschwerend ist der umstand, dass das unternehmen insolvent wurde, vermutlich Schulden hat und das neue Belegschasmanagement außer seiner arbeitskra und der Übernahmewilligkeit sehr wahrscheinlich keine Kreditwürdigkeit besitzt. Der Ruf nach der öffentlichen Hand, die als Finanzierungsinstitut zum nulltarif tätig werden solle, ist daher naheliegend. Derartige Rufe blieben aber in den letzten Jahrzehnten unerhört. Die meisten der allenthalben für eine Belegschasübernahme infrage kommenden konkursbedrohten KMu sind nämlich nicht „too big to fail“, werden also von unseren politischen Repräsentanten als nicht systemrelevant erachtet und können daher nicht mit Gaben aus dem von Steuern gespeisten Füllhorn rechnen. Das ist – noch immer – das Privileg von Banken, auch wenn diese sich weit von ihrer ursprünglichen ökonomischen Funktion entfernt haben. Die im „alternative“-artikel erwähnte entschließung des europäischen Parlaments, dass die Mitgliedsstaaten doch Belegschasübernahmen und deren begünstigte Finanzierung fördern sollten, ist gewiss löblich; maßgeblich waren jedoch bislang die Richtlinien und empfehlungen der eu-Kommission in Brüssel. Dort verbeugen sich unsere gewählten Politiker vor dem Webewerbskommissar, der im Falle zinsenloser, nicht rückzahlbarer Kredite (das ist bei Förderungen meistens so) sofort mit Sanktionen wegen Webewerbsverzerrung aufschreit und womöglich die Sanktionierung des Staates wegen Benachteiligung der (durch Steuergelder gereeten) Banken bei deren Kreditgeschä einfordert. Was ist also vor diesem Hintergrund heute von der „öffentlichen Hand“ hinsichtlich unterstützung, Förderung von Belegschasinitiativen zu erwarten? Sie, die „öffentlichen Hände“ häen einen unvergleichlich größeren argumentationsnotstand als sie bei der Übernahme der Pleitenkosten für die heimischen, systemrelevanten Großbanken haben! Was bleibt? Wer könnte noch als Finanzier angedacht werden? Zahlen nicht alle arbeitnehmerInnen in Österreich eine arbeiterkammerumlage? Die arbeiterkammer ist eine Selbstverwaltungskörperscha. Belegschaen selbstverwalteter Betriebe geben nicht zwangsläufig ihren arbeitnehmerinnenstatus auf. Die WKO hat ein eigenes

Die im „alternative“-artikel von Markus Koza erwähnte ÖSB*) hae neben vielen anderen Funktionen auch die Beratung von Belegschasinitiativen als tätigkeitsfeld. Diese unterstützung war in gewissem ausmaß für die interessierte Belegscha kostenlos; soweit ich mich erinnere, wurden die aus dieser Funktion der ÖSB entstehenden aufwendungen von der Gewerkscha der Privatangestellten gedeckt. Da war nicht die „öffentliche Hand“ im Spiel. Dieses tätigkeitsfeld hae in der ÖSB jedoch ein ablaufdatum gegen ende der 1990er Jahre. Immerhin gab es damals Kräe in der Gewerkscha, die sich mit dem vom ÖGB jahrzehntelang beharrlich verweigerten ema der selbstverwalteten Betriebe befassten und ihm eine gewisse, wenn auch stiefmüerlich als „experimentelle arbeitsmarktpolitik“ qualifizierte Bedeutung zugemessen haben. Die leider nur temporäre einrichtung der Beratungstätigkeit macht dennoch deutlich, dass es sich beim auau von Selbstverwaltungsunternehmen nicht um „Feuerwehraktionen“ zur Reung insolvent gewordener „normaler“ Betriebe handelt. Insolvenz, Betriebspleite, Konkurs, plötzliche arbeitslosigkeit mögen zwar als anlässe tauglich sein, Belegschasübernahmemodelle anzudenken, die thematische Verschränkung mit der Diskussion alternativer Betriebsformen leidet meines erachtens jedoch unter der jeweils aktuellen not- beziehungsweise Zwangssituation des drohenden oder schon eingetretenen arbeitsplatzverlusts. Die Schwierigkeiten bei der entwicklung alternativer, solidarischer arbeitsverhältnisse, Fragen der arbeitsteilung, der Verantwortlichkeit, der lohnfindung, der abbau verinnerlichter alter Herrschasverhältnisse usw. kommen dabei zu kurz. ◀ Peter oser erarbeitete a s Betriebsrat mit der Be egschaft des Instituts für Stadtforschung, das im mehrheit ichen Eigentum der Stadt Wien stand, in den Jahren 989/9 uerst ein Übernahmekon e t, dann ein Gründungskon e t für einen Se bstverwa tungsbetrieb aus. Dieser Forschungsbetrieb, die SRZ Stadt+Regiona forschung GmbH, bestand bis Ende 8. *) Sowoh beim Übernahmekon e t a s auch bei der Erarbeitung des Gründungskon e tes 99 wurde das SRZ von der ÖSB kosten os beraten; auch einige Jahre s äter erhie t das Unternehmen noch einma eine Beratungsunterstüt ung durch die ÖSB.

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gemeinwohlorientierten und solidarischen Wirtschaft“ in dem die Landesregierung unter anderem aufgefordert wird zu prüfen, „wie eine Initiative zur Unterstützung von Belegschaftsinitiativen und Genossenschaften bei der Unternehmensnachfolge und -übernahme ausgestaltet werden kann“, beziehungsweise Belegschaftsinitiativen zur Verhinderung von Übernahmen durch hochspekulative Fonds unterstützt werden können.

Für ein Insolvenzrecht „neu“ Angelehnt an das Marcora-Gesetz und an die Handlungs-Empfehlungen der AutorInnen der Studie des Klaus Novi-Instituts müsste das Insolvenzrecht dahingehend geändert und Rahmenbedingungen geschaffen werden, welche die Entwicklung eines selbstverwalteten, (produktions-)genossenschaftlichen Sektors befördern. Wie müsste ein derartiges Insolvenzrecht „neu“ in Österreich gestaltet sein? • Es muss ein Vorkaufsrecht von Belegschaften bei Insolvenz eingeräumt werden, vorzugsweise, wenn sich diese genossenschaftlich organisieren. • Weiters muss im Insolvenzrecht ein Passus verankert werden, der dem Erhalt von Arbeitsplätzen Vorrang einräumt, was Belegschaftsübernahmen mit dem Ziel der Beschäftigungssicherung zusätzlich begünstigen würde. Dass aus einer beschäftigungspolitischen Perspektive Belegschaftsübernahmen durchaus erfolgversprechend sein könnten, belegen neben den italienischen Erfahrungen nicht zuletzt die häufigsten Gründe für Insolvenzen in Österreich: Diese sind nämlich zu 71 Prozent auf Management-Fehler, zu lediglich 19 Prozent auf externen Faktoren (zum Beispiel ein ungünstiger werdendes wirtschaftliches Umfeld) und überhaupt nur zu zehn Prozent auf Kapitalmangel zurückzuführen (Kreditschutzverband, Insolvenzursachen 2013). Die überwältigende Mehrheit der Insolvenzen stammt also aus Management-Versagen inklusive Fahrlässigkeit (17 Prozent) und persönlichem Verschulden (7 Prozent). • Es gilt auch in Österreich das Modell der „Kapitalisierung von Arbeitslosen-Ansprüchen“ zur Finanzierung von Betriebs-Übernahmen durch die Belegschaften zu prüfen. Hierbei muss allerdings sichergestellt werden, dass im Falle des unternehmerischen Scheiterns keine sozialen Härten entstehen und eine soziale Mindestabsicherung gewährleistet ist. • Die zahlreichen Maßnahmen zur Förderung von Unternehmen und Unternehmensgründungen und diversen Finanzierungsinstrumente – zum Beispiel jene des auf Klein- und Mittelbetriebe spezialisierten „austria Wirtschaftsservice“ – sind insbesondere auch auf Betriebsübernahmen durch Belegschaftsinitiativen im Insolvenzfall beziehungsweise mangels Nachfolge anzupassen. • Jedenfalls notwendig wäre unabhängig von einer Zweckbeziehungsweise Umwidmung bestehender Fördermittel die Einrichtung und ausreichende finanzielle Dotierung einer speziellen Finanzierungs- und Beratungsinstitution für genossenschaftliche Betriebe analog zur CFI.

Mangels entsprechender (Produktio verbände beziehungsweise bestehen organisierter Betriebe müsste ein de rungsinstitut wohl seitens der öffen det und finanziert werden. –D Hier wäre etwa die Wiederein strategischen, öffentlichen Beteili entsprechend der ,alten‘ „Gesellsc industriepolitische Maßnahmen“ übernahm – aus regional-, struktu gungspolitischen Gründen – inso nehmen mit dem Ziel, diese zu sa abzustoßen. Eine derartige Gesell zeitlich befristete Beteiligungen – der Beratung und Begleitung – an schaften übernehmen. –D Als mögliche Finanzierungsge senschaften stünde weiters die kr lichte „Kommunalkredit“ zur Verf Finanzierung von kommunalen E und soziale Infrastruktur spezialis tung des Geschäftsfeldes auf begü genossenschaftliche Unternehmen und Unterstützung sollte grundsä • Neben entsprechenden Finanzieru braucht es Beratung und Unterstütz Entwicklung des Geschäftsplans, be Fragestellungen etc. Hierbei lohnt e Vergangenheit: In den 1980er Jahren Einrichtungen wie die „Österreichis tungsgesellschaft“ im Rahmen „expe marktpolitischer Maßnahmen die Ü Unternehmen durch die Belegschaft firma Berein in Zwettl). Es wäre jedenfalls – nicht zuletzt einer sich verfestigenden Krise mit und daraus resultierender massiver und Verunsicherung breiter Bevölke nend, sich mit demokratischen und initiativen und Möglichkeiten ihrer derzusetzen. Nicht nur aus Gründen der Arbei Schaffung von Perspektiven und de scher Ökonomie: Forschungen des I gie an der Universität Innsbruck ha enger, positiver Zusammenhang zw sierungsgrad eines Unternehmens u humanistisch geprägten Wertorient tigten besteht. Je stärker die innerbetriebliche De ist, desto stärker die Bereitschaft im gesellschaftlichen Engagement. Dem immunisieren also auch gegen rech stellungen. Und diese Form der Imm gerade jetzt besonders dringend. ◀

Weiterführende Links finden sich im Be Arbeitsklimawandel“ (http://diealternat Eine Kurzfassung ist auf „mosaik-blog.a

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Thema

Das österreichische Pensionssystem aus Frauensicht. Von Brigitte theißl und hannah steiner. PENSIoNS NTRITTS lTER:

äRcHEN UND W HRHEIT

A

m 26. Jänner 2016 fand der von der aG „Frauen & armut“ der armutskonferenz veranstaltete Studientag zur Pensions-Politik sta, an dem das österreichische Pensionssystem aus Frauensicht analysiert wurde. Im Rahmen des eu-Projekts „Faires einkommen – Faire Pension“ beteiligte sich auch das netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen als Kooperationspartnerin.

Strukturwande am rbeitsmarkt – Paradigmenwechse in der So ia o itik Christine Mayrhuber, Pensionsexpertin des Instituts für Wirtschasforschung (WIFO) kritisierte in ihrem eingangsreferat, dass die aktuelle Diskussion um Pensionssystem und das antrisalter von Frauen an den eigentlichen Problemen vorbeigehe. aufgrund des Äquivalenzprinzips im österreichischen Pensionssystem müsse ein Reformdiskurs immer auch den arbeitsmarkt miteinbeziehen. Gerade der Strukturwandel am arbeitsmarkt habe einen großen einfluss auf die alterssicherung – nachteilig betroffen seien davon besonders Frauen. „In jeder öffentlichen Debae zum Pensionssystem kommt die Forderung nach einer vorzeitigen anhebung des Pensionsantrisalters für Frauen wie das amen im Gebet. angesichts der strukturellen Probleme ist das aber vernachlässigbar“, so Mayrhuber. Die WIFO-expertin stellte Besonderheiten des österreichischen arbeitsmarkts dar, von denen insbesondere Frauen betroffen sind. So ist der Frauenanteil unter den niedriglohnbeziehenden im eu-Vergleich besonders hoch, die Vollzeiterwerbstätigenquote ist bei Frauen hingegen besonders niedrig. Insgesamt steigen zwar die Beschäigungszahlen, das arbeitsvolumen sinkt jedoch. „Die erzählung, dass Österreich besonders gut durch die Krise gekommen sei, stimmt so nicht mehr, wenn man die Frauenbrille aufsetzt“, sagte Mayrhuber. Frauen bekommen in Österreich nicht nur weitaus geringere alterspensionen, sie haben auch insgesamt weniger häufig überhaupt einen Zugang zu einer Pension.

Mayrhuber identifizierte einen Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik: Frauen würden individuell adressiert und ihre lebensentscheidungen in den Blick genommen, die Machbarkeit aufgrund der Gegebenheiten am arbeitsmarkt würden jedoch nicht beachtet werden. Präventive Sozialpolitik müsse aber wesentlich früher ansetzen. auch sei in den Köpfen noch immer stark eine Produktionsgesellscha verankert, während wir längst in einer Dienstleistungsgesellscha angekommen seien. Mayrhuber forderte daher eine neudefinition des arbeitsbegriffs sowie eine neuverteilung der bezahlten erwerbsarbeit und der unbezahlten Sorgearbeit, die nach wie vor hauptsächlich von Frauen getragen werde.

Versch eierungstaktik Generationenkam f am nachmiag präsentierte angelika Gruber von der arbeiterkammer (aK) in ihrem Vortrag „Pensionssystem – alte gegen Junge?“ den abhängigkeitsquoten-Rechner der arbeiterkammer. Die Ökonomin argumentierte, dass die Debae um die sogenannte Generationengerechtigkeit in der alterssicherung den eigentlichen Verteilungskonflikt verschleiere und jungen Menschen eher schade als helfe. Soziale unterschiede seien nicht innerhalb einer Generation, sondern quer durch alle altersschichten zu finden: Herkun, Klasse und Geschlecht würden die Chancen auf einkommen, Vermögen und soziale absicherung bestimmen. So wird auch der Bildungsgrad in Österreich größtenteils vererbt. und während die untere Häle der Haushalte kaum nennenswerte erbschaen erhält, erben die reichsten zehn Prozent durchschnilich mehr als 300.000 euro. Im Gegensatz zu vielen anderen ländern der eu sind diese leistungslosen einkommen in Österreich steuerfrei. alterssicherung sei also keine Frage der Biologie, sondern der Ökonomie, argumentierte die aK-expertin. auch die demografische entwicklung identifizierte Gruber als bestimmenden Faktor in der Debae um einen angeblichen Generationenkonflikt. es entstehe in der öffentlichen Wahrnehmung ein Krisen- beziehungsweise

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Katastrophenszenario, das wiederum als legitimation für den umbau beziehungsweise abbau des Sozialstaates herangezogen werde. Gruber stellte zudem den abhängigkeitsquoten-Rechner vor, ein Grafik- und Rechenprogramm, das von der arbeiterkammer entwickelt wurde, um ökonomische und demografische abhängigkeiten im Pensionssystem darzustellen. Die arbeiterkammer sieht eine hohe Beschäigungsquote und qualitativ hochwertige arbeitsplätze als Schlüssel zu einer Sicherung des Pensionssystems.

Faire Einkommen – Faire Pensionen Judith Schwentner, Sozialsprecherin der Grünen, präsentierte im anschluss das Grüne Pensionsmodell, das Pensionen sozial gerecht und geschlechtergerecht sichern soll und von den teilnehmerInnen des Studientags diskutiert wurde. „eine zentrale Frage, die uns in der Debae fehlt, ist die Frage, was ein Pensionssystem eigentlich leisten soll”, sagte Schwentner. Genannt wurden dabei Kriterien wie • „existenz im alter sichern“, • „altersarmut verhindern“ • und eine „geschlechtergerechte Berechnung“. Das grüne Pensionsmodell geht von einer Grundpension für alle Menschen (abhängig von der Dauer des aufenthalts in Österreich) in der Höhe von maximal 870 euro aus. Das sei, so Schwentner, eine art „Grundeinkommen im alter“, das aus dem Steuertopf finanziert werden soll.

Darauf auauend käme dann noch der durch erwerbsarbeit entstandene Pensionsanspruch. „Billiger wird es mit dem grünen Modell nicht“, erklärte Schwentner. es gehe aber vor allem um die Fragen, wie man das Vorhandene gerechter verteilen könne und um ein generelles „Commitment für ein existenzsicherndes einkommen im alter“, so die Sozialsprecherin weiter. Hannah Steiner vom netzwerk österreichischer Frauenund Mädchenberatungsstellen präsentierte das Projekt „Faires einkommen – Faire Pension“, das bis ende april in mehreren eu-ländern durchgeführt wird. eben erschienen ist eine Broschüre, die den Gender Pay-Gap und den Gender Pensions-Gap sowie deren gesellschaliche und politische Rahmenbedingungen in Österreich analysiert, ab März wird es eine Sensibilisierungskampagne geben, die mit Werbung in Straßenbahnen und einer Facebook-Kampagne auf die emen einkommens- und Pensionsgerechtigkeit aufmerksam machen möchte. ◀ Brigitte Theiß , Net werk österreichischer Frauen- und ädchenberatungsste en, Projekt „Fair Income – Fair Pension“ Hannah Steiner, Koordinatorin im Net werk österreichischer Frauen- und ädchenberatungsste en, Projekt eitung „Faires Einkommen – Faire Pension“

Die Arbeitsgruppe Frauen & Armut ist eine themensektion der armutskonferenz. Ihre Gründung erfolgte unmittelbar nach der 1. Österreichischen armutskonferenz (1995). Die Gruppe trifft sich etwa alle zwei Monate und legt ein Schwergewicht auf Öffentlichkeitsarbeit (Veranstaltungen, Stellungnahmen und aktionen). Vertreterinnen von sozialen Organisationen, Beratungsstellen, Bildungseinrichtungen, Interessensvertretungen und andere sind in der arbeitsgruppe aktiv.

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Thema

Frauen o itik der Unabhängigen GewerkschafterInnen

rbeits eitverkür ung gegen Tei eitjobs und rbeits osigkeit Im Rahmen unserer UG-Konferen vergangenen Herbst haben wir besch ossen, dass wir uns ab sofort verstärkt der Frauen o itik uwenden wo en und müssen. Von Beate neunteufel-Zechner. Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung unter Genderaspekten bleibt unbestrien die dringlichste. Wir sind aktiv für 30 Stunden arbeit pro Woche bei gleichem, existenzsicherndem lohn. Die 30-Stundenwoche wird zu neuen Formen der arbeitsteilung in der arbeitswelt wie im Familienleben führen. Viele von uns können sich eine schriweise anpassung in Zwei-JahresSprüngen bis 2025 vorstellen, Biennien für das zügigere Schließen der einkommensschere – dabei denken wir 2024 mit, das Jahr, ab dem das Frauenpensionsantrisalter ebenso stufenweise angepasst werden soll. Der letzte „International Gender Gap-Report“ vom november 2015 stellt Österreich beim Vergleich der lohngerechtigkeit auf Platz 104 von 145, also ins letzte Driel, und das hängt nicht nur damit zusammen, dass Österreich in der Wirtscha wie in der Politik auf Frauen als Repräsentantinnen verzichtet. Was wir für ein Gebot der Stunde halten, ist der eu-weite ausstieg aus der Sparzwangpolitik. Denn die austeritätspolitik stellt die Budgetpolitik unter das Diktat des Finanzkapitals, sichert Profite und verstärkt Sozialabbau und Massenarbeitslosigkeit. Wenn die Privatwirtscha schwächelt, müssen die öffentlichen Dienste ausgebaut und Zukunsinvestitionen getätigt werden. angesichts der internationalen anforderungen für Klima- und umweltschutz fallen uns da viele Formen von Green-Jobs ein, von der Infrastruktur über Bildung und Wissenscha bis zur Kulturarbeit, auch die bedarfsgerechte Versorgung der Menschen durch ein leistungsstarkes Gesundheits- und Sozialsystem ist eine zentrale öffentliche aufgabe. es ist höchste Zeit, die Webewerbs- und Siegerkultur mit Gewinn und Profit für wenige Reiche und Massenarmut für immer mehr Menschen aufzugeben. Wir unabhängigen GewerkschaerInnen werden die Steuer-, Förderungs- und Vermögensdebae weiterführen und unter neuen, gesamteuropäischen Gemeinwohl-aspekten verstärken, die uns und unserer umwelt so gut tun und weil es um die Zukun unserer Kinder und enkelkinder geht. Frauenförderung ist weit mehr als ein betriebliches Sonderprojekt. Wir wollen die Frauenförderung in Dienstverträgen, Betriebsvereinbarungen und Kollektivverträgen verankern. Die kleinen politischen Verbesserungsschrie für Frauen in der arbeitswelt greifen langsam und brauchen o lang, bis positive Veränderungen greifen. Wir kritisieren den zögerlichen umgang mit einkommensberichten und Genderbilanzen, wir freuen uns über die immer öffentlichere nutzung von Gehaltsrechnern von Gewerkschaen und arbeiterkammer, wir erheben weiter den Ruf nach der ote, so lange sie notwendig bleibt. Wir entwickeln und unterstützen gewerkschaliche Initiativen gegen den unerhörten Missstand, dass junge Frauen und Männer nach hochwertigen ausbildungen seit Jahren durch Praktika, Projektarbeit und geringfügige Beschäigung in entwertungswebewerbe geschickt werden, die langfristig uns alle zu VerliererInnen machen werden. Die neue gesetzliche Regelung, nach der neue Vollzeitstellenausschreibungen zuerst an die teilzeitmitarbeiterInnen des Betriebes zu schicken sind, ist ein erster Schri, ändert aber wenig daran, dass wir 47 Prozent aller beschäigten Frauen in teilzeitbeschäigung finden. Das führt uns wieder zu unserer Forderung nach arbeitszeitverkürzung: 30 Stunden arbeit pro Woche bei gleichem, existenzsicherndem lohn! ◀

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Von cornelia stahl.

Thema

Frauen der Zweiten Österreichischen Frauenbewegung me den sich u Wort Das Cover: „Wie sind Frauen. Wir sind viele. Wir haben die Schnauze voll.“ erinnert unweigerlich an Bilder protestierender Frauen, die mit ihren transparenten durch die Straßen ziehen, schreien, rufen, und ihrem unmut ausdruck verleihen. Die Wut aus dem leibe schreien, da Frauen den Männern gegenüber rechtlich noch immer nicht gleichgestellt sind. texte der Wut sind hier gebündelt. 2015, anlässlich des Internationalen Frauentages wurden sie in Wien vorgetragen.

150 J HRE SPäTER-FR UENREcHTE NIcHT KoNSEqUENT U GESETZT Dass das Frauenwahlrecht 1866 in Manchester (siehe Film Suffragette) erkämpft wurde (in Österreich galt es ab 1918), verdanken Frauen heute den damaligen Revolutionärinnen. andere Rechte, wie das Recht auf gleichen lohn bei gleicher arbeit, bleiben heute, 150 Jahre später, als Forderung aufrecht. ungleichbehandlung, Bedingungsloses Grundeinkommen, Kreativität und Wettbewerb sind themen, mit denen sich zehn österreichische autorinnen mit ihren jeweils eigenen Sichtweisen auseinandergesetzt haben. „Soll man das Y verbrennen“ betitelt Ilse Kilic ihren text und forscht nach den ursachen der ungleichbehandlung. Bleibt es beim genetischen unterschied, der an allem Schuld ist? Juliane adler hebt in ihren alltagsbeobachtungen das gegenseitige Getragenwerden hervor, und das Hinterlassen von Spuren. eva Schörkhuber stellt im Romanauszug „Quecksilbertage“ den Begriff anschlussverweigerer in den Kontext prekärer arbeitsbedingungen.

VoN UNSIcHTB REN äNGSTEN UND HoFFNUNGEN BEGlEITET Vom ausbleiben der liebe erzählt Beatrix Kramlovsky, von unsichtbaren Ängsten und Hoffnungen, und der Invasion der Wünsche, im gleichnamigen Romanauszug. Die notwendigkeit der Bewegung impliziert annett Krendlesberger in ihrem text „Ziellos.“ etwas in Bewegung setzten, sich selbst und andere, betont Helga Pregesbauer im nachwort. Sich vernetzen, Frauenstimmen hörbar machen, ist ihr Postulat: Von nepal bis Vietnam, eritrea bis zur ukraine. Den Frauentag als Frauenkampftag sichtbar und hörbar machen! Die Hoffnung bleibt! ungebremst!

Wien: edition fabrik.transit, 2015. ISBn: 978-3-9504068-0-1 ◀

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Gewerkschaft & Betrieb

„Grenzen-Dicht“-Rhetorik ist glatte themenverfehlung. Replik auf arbeiterkammer-Direktor Muhm. Von klaudia paiha.

K

rise und Sparpolitik sind für steigende arbeitslosigkeit verantwortlich, nicht die arbeitnehmerInnen. egal, woher sie kommen! arbeitnehmerInnen aus Osteuropa für die steigende arbeitslosigkeit in Österreich verantwortlich zu machen ist billiger Populismus und nicht mehr. Mit einer „Grenzen dicht“-Rhetorik à la aK-Direktor Muhm lassen sich die arbeitsmarktprobleme in Österreich jedenfalls nicht lösen. Wir erinnern gerne an die zentralen Gründe für die hohe arbeitslosigkeit, nachzulesen übrigens in zahlreichen, hervorragenden arbeiterkammer-Publikationen: Wirtschaskrise, eine ruinöse Sparpolitik quer über europa, ungleichverteilung und damit einhergehende nachfrageschwäche und der Strukturwandel in der Wirtscha. Die aussagen des scheidenden arbeiterkammer-Direktors Muhm in einem „Krone“-Interview, wo er den anstieg der arbeitslosigkeit in Österreich auf den Zuzug überwiegend osteuropäischer arbeitnehmerInnen zurückgeführt und eine Diskussion über die einschränkung der Personenfreizügigkeit gefordert hat, müssen scharf zurückgewiesen werden.

rbeits osigkeit ist die Fo ge verfeh ter S ar o itik es häe uns gefreut, wenn Kollege Muhm in seiner Zweit-lieblingsrolle als Kanzlerberater mit ähnlichem engagement, mit dem er jetzt ein ende der Personenfreizügigkeit fordert, bei seinem Bundeskanzler gegen

B I l l I G E R Fiskalpakt, Schuldenbremse und Kampf gegen Steueroasen und für eine Finanztransaktionssteuer geworben häe. Mit einem nein der SPÖ zu Fiskalpakt und Schuldenbremse wäre den arbeitssuchenden in Österreich jedenfalls mehr geholfen gewesen, als mit einer agitation gegen osteuropäische arbeitnehmerInnen. Die arbeitslosenzahlen sprechen jedenfalls eine klare Sprache. Während der anstieg der arbeitslosigkeit in den ersten Krisenjahren noch gebremst werden konnte, ist sie seit 2012 von 260.600 auf aktuell über 490.000 arbeitslose massiv angestiegen – in diesem Jahr wurde auf eu-ebene von den Mitgliedsstaaten der Fiskalpakt mit Schuldenbremsen und massiven einsparungen und ausgabenkürzungen beschlossen. arbeitnehmerInnen und arbeitslose sind europaweit Opfer einer völlig verfehlten eu-Krisenpolitik, die auf Kürzungen, Sozialabbau und abbau von arbeitnehmerInnen- und Gewerkschasrechten setzt. und nicht zuletzt die arbeitnehmerInnen in den östlichen eu-Mitgliedsstaaten sind besonders hart betroffen. Die ursachen für arbeitsmarktprobleme sind überwiegenden in einer verfehlten Wirtschaspolitik zu suchen und auch dort anzugehen. arbeitsmarktprobleme lassen sich nur bedingt mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, wie Begrenzung von Zuzug, lösen.

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PoPULIS US Ende der Personenfrei ügigkeit fördert Schwar arbeit und erhöht lohndruck es sei eine Illusion zu glauben, über ein aussetzen der Personenfreizügigkeit Zuwanderung und arbeitsmarktdruck verhindern zu können. Vielmehr wird das Gegenteil passieren: Wer Menschen Möglichkeiten einer legalen Beschäigung nimmt, drängt sie in illegale, prekäre Beschäigung. Damit wird der Druck auf löhne und Sozialsysteme insgesamt erhöht. ein ende der Personenfreizügigkeit ist ein Schuss ins Knie. Problemen, die sich aus Zuwanderung am arbeitsmarkt ergeben – insbesondere der steigende Konkurrenzdruck im Bereich niedrigqualifizierter Beschäigung – muss mit konkreten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, wie: • alifikation, • Weiterbildung, • erleichtertem nachholen von Bildungsabschlüssen, etc., begegnet werden. eine erfolgreiche arbeitsmarktpolitik steht und fällt allerdings mit einer Wirtschaspolitik, die sich insbesondere die Bekämpfung der arbeitslosigkeit zum Ziel setzt.

Die Verantwortung für steigende arbeitslosigkeit ist in einer völlig verfehlten europäischen Krisenbewältigung zu suchen, die in Österreich ihre konkrete nationalstaatliche umsetzung findet und die auf Kosten der arbeitnehmerInnen und der Beschäigung geht. Wenn mien in der Krise massiv bei öffentlichen ausgaben und Investitionen gespart wird, darf es nicht verwundern, dass die arbeitslosigkeit steigt. es braucht einen grundlegenden politischen Kurswechsel in europa und auch in Österreich. Wer die Schuld für die hohen arbeitslosenzahlen bei arbeitnehmerInnen aus dem eu-ausland sucht, betreibt nicht nur billigen Populismus sondern begeht auch eine glae emenverfehlung. ◀ Hinweis: m . Feber erschien in der Kronen-Zeitung ein rtike , in dem sich der scheidende rbeiterkammer-Direktor Werner uhm kritisch ur Personenfrei ügigkeit in der EU u Wort me det und eine Diskussion über se be einfordert. Die steigende rbeits osigkeit in Österreich – sie hat in den ersten onaten des Jahres neue Rekordwerte erreicht – sei eine Fo ge der rbeitsmigration aus den osteuro äischen EU- itg iedsstaaten, die rbeits osigkeit in Österreich eine „im ortierte“.

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sy recht:

VERScHäRFUNG ScH DET llEN Derzeit wird eine Verschärfung des asylrechts parlamentarisch diskutiert. So sollen doppelte Obergrenzen, welche die aufnahme Geflüchteter sowohl pro tag als auch Jahr begrenzen, eingeführt und der Familiennachzug in einer art, die diesen de facto abscha, durchgesetzt werden. Diese Diskussion und die aktuelle Gesetzgebung fügen sich ein in eine Reihe von Reformen, die das Menschenrecht auf asyl aushöhlen. Die Grenzpolitik der europäischen union zielt seit Jahren darauf ab, keine legalen einreisemöglichkeiten zu bieten und Menschen einfach von der Grenze fernzuhalten – so wurden etwa auch lager in libyen finanziert –, damit der asylantrag erst gar nicht gestellt werden kann. nun sollen weitere novellen, welche fälschlicherweise davon ausgehen, dass Menschen auören zu fliehen, wenn das Zielland möglichst unaraktiv wird, durchgesetzt werden. Doch diese sind nicht nur menschenrechts-

Es ist die ufgabe inker organisationen, so idarisch gegen die Verschärfung Ste ung u be iehen. Von initiative asylrechtsverschärfung stoppen. widrig, sie widersprechen auch der Genfer Flüchtlingskonvention und europäischem Recht. außerdem sind sie ineffektiv, rassistisch und bürokratisch nicht durchführbar. eine Obergrenze widerspricht dem Recht, einen asylantrag zu stellen, und die derzeit diskutierten auflagen und Verzögerungen in Bezug auf den Familiennachzug machen es vor allem Frauen und Kindern unmöglich, nach Österreich zu kommen. auch das „asyl auf Zeit” scha nur weitere unsicherheiten und ist eine anti-Integrations-Maßnahme: Wer

Wir, ein Zusammenschluss von aktivistInnen aus unterschiedlichen Zusammenhängen, möchten darauf aufmerksam machen, dass die zurzeit diskutierte Verschärfung des asylrechts nicht bloß nicht durchsetzbar, sondern auch menschenrechtswidrig ist. Informationen unter asylrechtsverschaerfung-stoppen.at und Facebook-Seite „Gegen eine Verschärfung des asylrechts”

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davon ausgehen muss, nicht dauerha in einem land bleiben zu können und konstant mit der Sorge um abschiebung konfrontiert ist, kann sich nicht in die Gesellscha einleben. abgesehen davon scha solch eine Regelung bloß einen teuren und überlasteten bürokratischen apparat, der kein rechtmäßiges asylverfahren mehr durchführen kann. Mit dieser Politik der abschoung und der Kürzung von unterstützung treten weitere Problemfelder auf: Österreich verstärkt so soziale notlagen und drängt Geflüchtete in die Position von lohndrückerInnen. Das Beispiel Deutschlands zeigt, dass eine Politik der unaraktivität auch zu Diskussionen bezüglich der Kürzung des Mindestlohns für Geflüchtete führt. Diese trends zeigen sich auch in Österreich. So soll die Mindestsicherung für Geflüchtete in Oberösterreich stark gekürzt werden. In niederösterreich und dem Burgenland ist diese Kürzung für subsidiär Schutzberechtigte bereits beschlossen worden. Diese entwicklungen zeigen, dass mit dem Vorwand der nationalen Solidarität auch die Rechte aller in Österreich lebenden beschränkt werden können. So werden Geflüchtete in eine Position gedrängt, die es arbeitgeberInnen ermöglicht, löhne zu drücken. es gilt, das Recht auf asyl zu verteidigen und für ein menschenwürdiges leben einzutreten: • Für bessere Verfahren, • vernünige Versorgung • und das Recht auf Bildung. So wird humanitären Katastrophen und sozialen notlagen entgegengetreten werden. ◀


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S E R H A DES J

Dieser vom Verein „Net werk So ia e Verantwortung“ vergebene Preis für besonders verantwortungs os agierende Unternehmen oder Institutionen wurde heuer um vierten a vergeben. Von Walter Braunsteiner.

Das Sichtbarmachen von umweltDen Jurypreis erhielt die w&p vergehen oder gesellschasschädigen- Zement GmbH wegen der erhöhten dem Verhalten durch unternehmen emissionen des endokrin-aktiven HCB und Institutionen bringt Betroffenen im Görtschitztal. Durch die falsche sowie Kampagnen von nGOs mehr einbringung von Blaukalk in den aufmerksamkeit. Verbrennungsprozess sind große Damit macht der Schandfleck den Mengen der Gie verdamp und über politischen Handlungsbedarf deutlich den Schornstein entwichen, ansta zu und die Forderung nach sozialer und verbrennen. So wurde die Gesundheit ökologischer Politik und Praxis wird der BewohnerInnen belastet und die dadurch bekräigt. ökonomische Grundlage der dort als Hauptredner der Gala spannte ansässigen Bauern und Bäuerinnen Ökonom Dr. Stephan Schulmeister mit gefährdet. Isa Priebernig von der einer kritischen Betrachtung des Bürgerinitiative „Reet das Görtliberalen Systems einen Bogen von schitztal“ war als betroffene Bergpolitischen entscheidungsträgern bis bäuerin extra aus Kärnten zur hin zu unternehmen und führte hier- „Schandfleck des Jahres“-Gala angereist bei die nominierten als Bezugspunkte und war sichtlich gerührt, als die Jury an. Heuer standen vier nominierte zur den Preisträger bekannt gab. Wahl: Romy Grasgruber-Kerl, Geschäs• Das Bundesministerium führerin des „netzwerks Soziale Verantwortung“, resümierte, dass in für Inneres, der Geschichte des Schandflecks die • die eurogruppe, Folgen der Handlungen der beiden • VW Preisträger für die betroffenen Men• und die w&p Zement GmbH. schen auf österreichischem Boden Über einen Monat lang wurde per Internet abstimmt, wer dieses Jahr den noch nie so einschneidend waren. Das Bundesministerium für Inneres muss „Schandfleck des Jahres“-Publikumsseinen Zugang zu Schutzsuchenden preis erhalten soll. grundsätzlich überdenken. es sollte Das ergebnis war eindeutig. Das Bundesministerium für Inneres wurde die Flüchtlingsbetreuung nicht mehr an profitorientierte unternehmen wegen der mangelhaen Versorgung auslagern, sondern mit nGOs zusamvon asylsuchenden im Jahr 2015, der menarbeiten. Im Fall w&p fordert das Verschärfung der asylpolitik und „netzwerk Soziale Verantwortung“, wegen der auslagerung der Flüchtlingsbetreuung an das profitorientierte dass die Wiedergutmachungsansprüche geschädigter Personen unternehmen ORS zur verantworgerichtlich verhandelt werden. tungslosesten Institution des Jahres Beide Preisträger erschienen im 2015 gewählt und mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Über viertausend Übrigen nicht zur Preisverleihung und ließen damit die Möglichkeit zu einer Menschen nahmen am Online-Voting öffentlichen Stellungnahme teil, fünfzig Prozent gaben ihre ungenützt. ◀ Stimme dem Ministerium für Inneres.

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„Ganz egal wie Spitze die erbrachte Leistung ist, man wird bei geringsten Auftragseinbrüchen zum Personalleaser zurückgeschickt.

Wie leiharbeit

SIcHERHEIT UND

D

ie unsicherheit in der Wirtscha nimmt stetig zu. Vor allem die abnehmende Vorhersagbarkeit kommender entwicklungen erschwert eine Kapazitätsplanung in den unternehmen erheblich. Viele arbeitskräeüberlasser (Personaldienstleister = leihfirmen) erwarten künig insbesondere aus der Industrie eine große Zahl an „Rücksendungen“. Mit Rücksendungen meint man sehr wohl zum teil hochqualifizierte arbeitnehmerInnen, welche sich als schnell kündbare „Sklaven“ ohne Karrieremöglichkeit mit Minigehältern zufrieden geben müssen. Gerhard Flenreiss ist Fachgruppenobmann der Wirtschaskammer Wien und ist überzeugt, dass Zeitarbeit als arbeitsform mit Zukun keine alternativen brauche, da sie „Sicherheit und Perspektiven“ schaffe. Hier stellt sich

CIett:

(International

Confederation

of

Private

employment agencies) ist eine internationale Vereinigung von Zeitarbeitsverbänden. Gegründet wurde der CIett 1967 in Paris. 30 nationen und acht der weltweit größten Personaldienstleister sind im CIett vereinigt. CIett ist der einzige mit der Wahrung der Interessen der Zeitarbeitsbranche beauftragte internationale Verband und als

solcher

bei

nationalen

und

internationalen

Organisationen und Regierungen anerkannt. offi ie e Home age: www.ciett.org

nun die wichtige Frage: Für wen? In einer Presseaussendung präsentiert er eine antwort, in der er schildert – wie wirtschaliche entwicklungen der letzten Jahre gezeigt häen – dass erfolgreiche unternehmen äußerst flexibel reagieren müssten, um im Webewerb zu bestehen. Das Modell Zeitarbeit häe sich bisher nicht nur in Krisenzeiten bewährt. eine Studie der CIett untermauert, dass unternehmen ihre auräge ohne den einsatz von leasingpersonal nicht erfüllen könnten und dass Zeitarbeit in Österreich Jobs scha und sichert. Der Grund ist angeblich der, dass diese erfolgreichen unternehmen ansonsten 15 Prozent der arbeitsplätze ins ausland verlagern müssten. es liegt auf der Hand, dass dieses arbeitsmodell die Jobs der arbeitnehmerInnen absolut nicht sichert. Stammarbeitsplätze werden in Krisenzeiten abgebaut und anschließend nur mehr noch durch Zeitarbeitskräe nachbesetzt. Bei geringsten auragsschwankungen wird „geborgtes Personal“ den arbeitskräeüberlassern „retourniert“. Viele Beschäigte werden zu gering entlohnt, da sie in die falsche lohngruppe eingestu werden. Stehzeiten zwischen zwei arbeitseinsätzen werden nicht bezahlt, die Verträge werden aufgelöst. Illegale Klauseln werden in die arbeitsverträge eingebaut … und die liste ist noch lang. Der Vorteil für die unternehmen ist ein nachteil für die Beschäigten. Das unternehmensrisiko wird zunehmend mehr auf die arbeitnehmerInnen abgewälzt. allen Sparten voran ist die Industrie am meisten betroffen. Mit der Krise im Jahr 2008 verloren tausende ihren Job und während der Wirtschaskrise wurde über ein Driel der ZeitarbeiterInnen nicht wieder beschäigt. Zu diesem ergebnis kam die l&R-Sozialforschung durch eine Studie. ◀ Erstveröffent ichung in der Zeitschrift tatwir

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Ganz einfach aus dem Grund, weil man für all die Unternehmen bloß als Werkzeug fungiert und nicht als Mensch geachtet wird.“

Menschen versklavt.

PERSPEKTIVEN In einem Gespräch mit Herrn Ibrahim H., welcher seit 2006 als Leiharbeiter tätig ist, schildert er einige seiner Erlebnisse:

Herr H. wie kam es, dass sie sich an eine Personalleasingfirma wandten? kurz nachdem ich meine Lehre als schlosser abgeschlossen hatte, meldete mein Dienstgeber konkurs an. Danach war es mir unmöglich auch nur irgendwo eine Fixanstellung zu bekommen. überall sagte man mir, ich solle mich an diverse personalleaser wenden.

Wie haben Sie, rückblickend die Entwicklungen der letzten 9 Jahre erfahren?

Rat, Hi fe und Unterstüt ung kann man sich a s Betroffener bei der Produktgewerkschaft „PRo-GE“ www. roge.at oder unter www. eiharbeiter.at ho en.

seit 2006 habe ich in so manchen unternehmen gearbeitet und kann sagen, dass die Bedingungen und umstände absolut menschenunwürdig sind. auch wenn man seine rechte kennt, muss man sich auf so manche schmähs und Forderungen beziehungsweise Bedingungen der Leihfirmen einlassen, da gewisse arbeitgeber nur mit bestimmten Leihfirmen zusammenarbeiten und man, wenn man allzu sehr auf seine rechte pocht, von heute auf morgen beim ams als arbeitssuchender landet. Was mir persönlich schon widerfahren ist. im endeffekt ist das geschäft mit Leihpersonal nichts anderes als eine der vielen Formen von moderner sklaverei. ganz egal wie spitze die erbrachte Leistung ist, man wird bei geringsten auftragseinbrüchen einfach zum personalleaser zurückgeschickt. ganz einfach aus dem grund, weil man für all die unternehmen bloß als Werkzeug fungiert und nicht als mensch geachtet wird. als Leiharbeiterin sieht man sich immer in seiner existenz bedroht. ich hoffe die situation wird sich bessern. ich empfehle jeder/m Zeitarbeiterin sich über ihre/seine rechte gründlich zu informieren. ◀

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Gewerkschaft & Betrieb

Für eine bedarfs- und lebenslagenorientierte Grundsicherung. Von auge/ug.

ENTWIcKElN ST TT KÜRZEN

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S

eit Monaten läu sie nun, die ÖVP-Kampagne, fleißig befeuert von der „Kleine-Mann-Partei“-FPÖ: Die Mindestsicherung müsse dringend reformiert werden. Weniger Geld-, mehr Sachleistungen. Die Mindestsicherung sei zu hoch, sie würde keine anreize setzen, einer arbeit nachzugehen. und ganz besonders muss die Mindestsicherung für asylberechtigte gekürzt werden, weil diese ja noch nie etwas „ins System“ eingezahlt häen. Die ÖVP führt wieder einmal einen Verteilungskampf, einen „Klassenkampf von Oben“ – gegen die armen und Ärmsten in unserer Gesellscha. Die SPÖ droht nach anfänglichen Widerständen einmal mehr einzuknicken. Die Bereitscha, mit der ÖVP über eine Reform der Mindestsicherung verhandeln zu wollen, lässt Schlimmes befürchten. Die auGe/uG war die erste Gewerkschasfraktion, die sich für eine bedarfs- und lebenslagenorientierte Grundsicherung – als ergänzung zu bestehenden Sozialleistungen – stark gemacht hat. Damals noch gegen die Widerstände der sozialdemokratischen Mehrheitsfraktion in ÖGB und arbeiterkammer. Daher war die einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ein wichtiger – wenn auch nur erster und unzureichender Schri – in die richtige Richtung. Wir stellen uns ganz entschieden gegen alle Versuche, die Mindestsicherung zu kürzen. Wir sehen in der aktuellen Diskussion – insbesondere um die Kürzung der Mindestsicherung für asylwerberInnen und der Deckelung der Mindestsicherung mit maximal 1500 euro pro Haushalt – den Probegalopp für einen Generalangriff auf den Sozialstaat insgesamt. es wird unter Garantie nicht bei diesen Kürzungen bleiben, Sparmaßnahmen werden nicht auf einzelne Gruppen beschränkt bleiben, sondern ausgeweitet werden.

Es geht ängst nicht nur um die indestsicherung Weil der Sozialstaat mit seinen leistungen – arbeitslosengeld, Mindestsicherung, Gesundheitsversorgung, Pensionen, Daseinsvorsorge – nicht nur die Funktion hat, in bestimmten not- und lebenslagen abzusichern, sondern auch den „Machtlosen“ zumindest etwas Macht gibt. und das widerspricht nun mal klar den Interessen rechtsgerichteter PolitikerInnen und konservativer beziehungsweise neoliberaler Wirtschasverbände und stellt deren uneingeschränkten Machtanspruch in Frage: Wer arbeitslosengeld bezieht, muss eben nicht seine arbeitskra zu jedem Preis verkaufen und jeden Job annehmen, sei er noch so mies. Wer weiß, dass er/sie sich auf ein soziales netz verlassen kann, wird nicht jede Schikane im Beruf akzeptieren. Wer weiß, dass er/sie im Krankheitsfall gut versorgt wird, weil

die solidarisch finanzierte, öffentlichen Krankenversicherung diese Versorgung sicherstellt, wird eben nicht krank in die arbeit gehen und sich kapu machen. Der Sozialstaat stärkt jene, die ihre arbeitskra verkaufen müssen – also die arbeitnehmerInnen – gegenüber jenen, die diese kaufen – also den unternehmerInnen. Der Sozialstaat ist nicht zuletzt deshalb Konservativen, Wirtschasverbänden und neoliberalen PolitikerInnen und „expertInnen“ aller Schaierungen so verhasst. und deshalb stehen gerade auch sozialstaatliche leistungen wie Mindestsicherung oder auch das arbeitslosengeld unter Dauerbeschuss von ÖVP, FPÖ, Wirtschasbund und Industriellenvereinigung.

indestsicherung un ureichend Mit knapp 837 euro monatlich liegt die Mindestsicherung allerdings tatsächlich nach wie vor deutlich unter der armutsgefährdungsgrenze (armutsgefährdungsschwelle 2014, einpersonenhaushalt: 1161 euro im Kalendermonat, elle: Statistik austria). außerdem haben BMS-BezieherInnen keinen Rechtsanspruch auf Beratung, ausbildung und alifikation. Maßnahmen, die wesentlich dabei helfen und unterstützen, aus einer notlage herauszukommen. auch entspricht das Konzept der BMS nur bedingt den Herausforderungen an eine moderne arbeitsgesellscha: angesichts • zunehmenden arbeitsdrucks und Stress am arbeitsplatz, • steigender Burnout-Raten, • immer prekärer werdender arbeits- und lebensbedingungen • aber auch sich ändernder individueller Bedürfnisund lebenslagen braucht es neue Formen sozialer absicherung abseits von erwerbsphasen. Wir wollen daher eine Weiterentwicklung der bedarfsorientierten Mindestsicherung in Richtung einer bedarfs- und lebenslagenorientierten Grundsicherung, die in spezifischen lebensphasen (zum Beispiel berufliche neuorientierung, Burnout-Prävention, familiäre Betreuungspflichten) zeitlich befristete, finanziell abgesicherte berufliche auszeiten erlaubt. Gerade in wirtschalichen Krisenzeiten mit steigender arbeitslosigkeit, instabiler werdenden arbeitsverhältnissen und wachsender armutsgefährdung • braucht es moderne soziale Sicherungssysteme, die stabilisierend wirken und spezifische Bedarfs- und lebenslagen Betroffener berücksichtigen, • braucht es einen starken Sozialstaat der BürgerInnen nicht zu BistellerInnen macht sondern sie mit Rechten ausstaet, sie „berechtigt“ und „ermächtigt“ sta entmündigt. ◀

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W S DIE UGE/UG WIll: • Die Weiterentwicklung der bedarfsorientierten Mindestsicherung zu einer bedarfs- und lebenslagenorientierten Grundsicherung und muss sich hinsichtlich der Höhe an der armutsgefährdungsschwelle orientierten, um tatsächlich armutsvermeidend wirken zu können (etwa durch jährliche Valorisierung und 14-malige auszahlung analog zur ausgleichszulage im Pensionssystem). lebenslagenorientiert bedeutet, dass im Falle spezifischer lebens- oder Problemlagen – beispielsweise im Falle der Inanspruchnahme einer beruflichen auszeit etwa zur Burnout-Prävention, aus Pflege- und Betreuungsgründen, wegen einer beruflichen (neu-)Orientierung, aufgrund einer schweren erkrankung, um ein „Sabbatical“ oder eine Bildungskarenz zu nehmen oder beim Berufseinstieg – ein zeitlich befristeter anspruch auf eine einkommensersatzleistung zumindest in Höhe der Grundsicherung besteht. Die Grundsicherung in bestimmen Bedarfs- und lebenslagen ist – wie das Recht auf berufliche auszeiten – als Rechtsanspruch und bundeseinheitlich zu regeln. Die Mindestsicherung für Kinder ist bundesweit auf 220 euro im Monat anzuheben, um Kinderarmut zu verhindern.

• Keine Kürzung der Mindestsicherung. Die einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) hae vor allem einen Grund: Sie sollte die „Sozialhilfe“ – insbesondere hinsichtlich ihrer Höhe und ihres leistungsumfangs – weitgehend vereinheitlichen und gegen armut absichern. Mit einer Höhe von derzeit 837 euro monatlich liegt sie bereits unter der armutsgefährdungsschwelle, wirkt armut beziehungsweise armutsgefährdung also nur bedingt entgegen. Mit einer Kürzung würde die BMS noch weniger gegen armut absichern! eine teilweise umstellung der Mindestsicherung auf Sachleistungen ist genauso wenig sinnvoll – sie würde angesichts der ohnehin niedrigen Höhe, die gerade einmal die notwendigsten ausgaben deckt, BMS-BezieherInnen geradezu entmündigen und ein eigenständiges leben erschweren. Dringende anschaffungen, Reparaturen etc. könnten nicht mehr selbst getätigt werden, BMS-BezieherInnen würden zu BistellerInnen degradiert und stigmatisiert. Sachleistungen – von Kinderbetreuungsund -bildungseinrichtungen, Beratung und Betreuung, Hilfe bei der Finanzierung von energiesparenden Geräten, Zugang zu Bildungsangeboten und leistbarem Wohnraum, günstige Mobilität, etc. sind allerdings wichtige und unabdingbare ergänzungen zu finanziellen transfers. Insbesondere auch, um armutsverfestigung zu vermeiden.

• eine Kürzung der Mindestsicherung wäre auch ein wirtschaspolitischer unsinn. arbeitslosengeld oder Mindestsicherung sind einkommensersatzleistungen die im Falle von arbeitslosigkeit oder sozialen notlagen nicht nur ein abrutschen in armut verhindern. Sie sollen – insbesondere in Krisenzeiten – helfen, die drohende gesamtwirtschaliche Konsumschwäche, die sich aus dem lohnverlust aufgrund von arbeitslosigkeit ergibt, einzudämmen. Gäbe es derartige Sozialleistungen – sie werden auch als

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„automatische Stabilisatoren“ bezeichnet – nicht, würde die nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen massiv einbrechen, die Produktion von Gütern und Dienstleistungen drastisch zurückgehen und die arbeitslosigkeit noch weiter steigen. eine Kürzung der Mindestsicherung häe einen ähnlichen effekt – eine sinkende nachfrage weil die Betroffenen weniger Geld zum ausgeben häen und in Folge eine Verstärkung der Krise mit steigender arbeitslosigkeit. Deshalb wäre auch die Kürzung der Mindestsicherung für asylberechtigte nicht nur eine besondere soziale Härte – weil gerade dieser Gruppe vielfach noch ausreichende Sprachkenntnisse und alifikationen fehlen, um überhaupt einer erwerbsarbeit nachgehen zu können – sondern auch wirtschaspolitisch widersinnig: Weil „arme“ – und BezieherInnen einer BMS sind arm – jeden euro, den sie erhalten ausgeben (müssen), jeder euro also sofort wieder in den Wirtschaskreislauf zurück fließt. eine Mindestsicherung, die gegen armut wirkt, wirkt also auch gegen Krise und arbeitslosigkeit!

• Diese Grundsicherung hat neben einer finanziellen leistung einen Rechtsanspruch auf Zugang zu sozialen Dienstleistungen, Bildungseinrichtungen, und Gesundheitsversorgung zu beinhalten. Insbesondere braucht es auch einen Rechtsanspruch auf ausbildung, Beratung, Betreuung und alifikation um den Wiedereinstieg in erwerbsarbeit mit einem entsprechend guten einkommen zu erleichtern.

• Die auszahlung der Grundsicherung soll innerhalb einer Frist von 14 tagen nach antragstellung erfolgen.

• Grundsicherung soll auch „working poor“ zustehen: Über einschleifregelungen soll die existenzsicherung – also Grundsicherung – auch erwerbstätigen zustehen, deren einkommen nicht zum leben reicht.

• arbeitslosengeld, notstandshilfe wie auch Mindestpensionen sind „armutsfest“ zu machen und ggf. durch eine Grundsicherung auf die armutsgefährdungsschwelle zu ergänzen. um gegen armut im alter abzusichern wollen wir ab dem 65. lebensjahr im Rahmen einer sozial gerechten Reform der Pensionen die einführung einer Grundpension für alle als Basis – und darauf auauend wie bisher eine über das bewährte umlagesystem finanzierte, öffentliche Sozialversicherungspension. eine Grundpension würde insbesondere Frauen – die aufgrund langer teilzeitphasen, Kinderbetreuung und anderen erwerbsunterbrechungen o nur einen geringen oder gar keinen eigenständigen Pensionsanspruch haben – eine altern in Würde und in sozialer Sicherheit erlauben.

• auf eine Vermögensverwertung bei Bezug der Grundsicherung wird weitestgehend verzichtet, da dies den ausweg aus armut nur erschwert. In einem ersten Schri soll die Vermögensobergrenze, ab der Verwertungspflicht bei Grundsicherungsbezug besteht, angehoben werden. unser Ziel ist allerdings eine umfassende, allgemeine „solidarische“ Vermögensbesteuerung zur Finanzierung öffentlicher leistungen, sta einer individuellen „einzelbesteuerung“ – ausgerechnet in einer notlage – was eine Vermögensverwertung bei Bezug einer Grundsicherung tatsächlich darstellt!

• eine einzuführende, unabhängige Sozialanwaltscha soll Betroffene gegebenenfalls bei der Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf Grundsicherung unterstützen und dabei beraten und helfen, jene leistungen zu erhalten, die sie benötigen.

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Gewerkschaft & Betrieb

Bericht von der Demonstration der Bildungsinitiative Oberösterreich für eine gemeinsame Schule aller PflichtschülerInnen, für eine demokratische Schule und für mehr Geld für Bildung. Von renate Brunnbauer und reinhart sellner.

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elten prägen tiefgreifende und umfassende analysen der aktuellen Situation, zukunsorientierte Idealvorstellungen und vollständig begründete Forderungen das inhaltliche Bild von Demonstrationen, wie bei der Demonstration der Bildungsinitiative OÖ „für eine gemeinsame Schule aller PflichtschülerInnen, für eine demokratische Schule und für mehr Geld für Bildung“. RednerInnen mit großer erfahrung im Bildungssystem, in der Bildungspolitik und Gewerkschasarbeit beeindruckten und konnten die anliegen der Bildungsinitiative überzeugend argumentieren. Stellvertretend für alle RednerInnen seien hier Renate Brunnbauer und Reinhart Sellner erwähnt. Reinhart Sellner, Vertreter der uG im Öffentlichen Dienst (uGÖD), in der aRGe lehrerInnen und im Vorstand der Gewerkscha Öffentlichen Dienst, ist ein profunder Kenner des österreichischen Bildungssystems und der Bildungspolitik und kennt die ursachen der aktuellen Bildungssystemmisere sehr genau. Renate Brunnbauer, Pflichtschullehrerin und Vorsitzende der „Kritischen unabhängigen lehrerInneninitiative“ (kuli/uG), zeigt in ihrer Rede eindrucksvoll die Folgen der reaktionären Bildungspolitik aus der Sicht einer engagierten Pflichtschullehrerin auf. Für Renate Brunnbauer ist die einführung der Gemeinsamen Schule der 6- bis 14-Jährigen die dringlichste Forderung an die österreichische Bildungspolitik. als Pflichtschullehrerin weiß Brunnbauer, was es heißt, wenn die SchülerInnen der 4. Klasse Volksschule im Feber die Schulnachricht bekommen, die ihre weitere Bildungskarriere, aHS oder nMS, meist endgültig bestimmt. „Für die neuneinhalb-jährigen Kinder, für ihre eltern, aber auch ihre lehrerInnen ist der Druck enorm.“ Denn die neuen Mielschulen seien gegenüber der aHS im nachteil, vor allem, „wenn sie leistungsstarke Kinder aus bildungsnahem Familien gewinnen wollen. Sie haben gegen die aHS-unterstufe keine Chance und werden – besonders in Städten – schnell zu Schulen zweiter Wahl.“ und sie ärgert sich, dass zwar „alle Jahre über diesen Sortiermodus gejammert“ wird, aber nichts an diesem zutiefst ungerechten System geändert wird. aber abgrundtief zynisch ist das Gejammer jener, die das System aufrecht erhalten wollen, weil es ihre Klientel bevorzugt. unerträglich sei es, wenn zum Beispiel der Präsident des Bundesverbands der elternvereine an mileren und höheren Schulen (BeV), Gernot Schreyer, den lehrerInnen der Volksschule empfiehlt, „in den 4. Klassen gerechtere noten zu geben“, so Brunnbauer. und auch das argument der Reformblockierer, es sei kein Geld für teure Bildungsreformen da, weist die lehrerin und Personalvertreterin entschieden zurück: „Was wir uns definitiv nicht leisten können ist ein Bildungssystem, das talente verschwendet. Wir brauchen eine echte gemeinsame Schule. Die nMS wird die ungerechte frühe Selektion nicht verhindern können.“

und dafür genüge es nicht, „wenn Herr Mierlehner erklärt, dass er intellektuell verstanden hat, dass Bildung wichtig ist. Wir brauchen eine reale Finanzierung, wir brauchen echtes Geld, keine leeren Worte.“ laut Brunnbauer muss Österreich endlich die Chancen ergreifen, die eine Gemeinsame Schule bietet: „und genau aus diesen Gründen können wir uns die derzeit geplante Bildungsreform nicht leisten. Das sogenannte Reformpapier ist geprägt von Minimalkonsens, Rückschrien und Verhinderungsklauseln.“ Reinhart Sellner, uGÖD-Vertreter in der aRGe lehrerInnen und im GÖD-Vorstand, nennt gleich zu Beginn seiner Rede die erforderlichen Voraussetzungen für eine Grundlage, auf der sich ein erfolgreiches Bildungssystem entfalten kann: „Bildung kostet. Der Sozialstaat kostet. Wir brauchen keine weiteren Bildungssparpakete, keine Fortsetzung von Bildungs- und Sozialabbau, sondern eine soziale, demokratisch verfasste Budgetpolitik, in Österreich, in der eu und weltweit.“ Sellner ortet ein Schlüsselfehler der österreichischen Bildungspolitik in der „austeritätspolitik der österreichischen Bundesregierung“. Sie exekutiere unreflektiert eu-Budgetrichtlinien, die sich nicht an den Bedürfnissen der Menschen, sondern an den Wünschen „des deutschen und europäischen Finanzkapitals, [der] expansion und Profitmaximierung“ orientiert. Sichtbare Folgen davon sind, so Sellner: „Deregulierung und aushebeln von arbeitnehmerInnenrechten, arbeitslosigkeit und Pensionskürzungen, steigende armut für Viele und wachsender Reichtum für Wenige.“ Dass die global vorherrschende Ideologie des neoliberalismus ursächlich für die unsoziale und unfaire entwicklung maßgeblich und verantwortlich ist, ist für Sellner klar und daher ru er in diesem Sinne zur unterstützung des europäischen Gewerkschasbundes und seiner Forderung für „den Vorrang sozialer Rechte gegenüber Wirtschasfreiheit und Rating-agenturen“ auf. Im zweiten teil seiner Rede grei Sellner drei aktuelle bildungspolitische Hotspots, die gemeinsame Schule, gemeinsame lehrerInnen und die gemeinsame Bundesschulverwaltung, auf: „Die ÖVP-Standespolitiker und machtbewusste landeshauptleute wollen keine gemeinsame Schule, keine Schulautonomie in Bundeszuständigkeit, sondern den Ist-Zustand für weitere Jahrzehnte einzementieren.“ Diese Blockadehaltung der ÖVP und die angst der SPÖ vor Schwarz-Blau, verhindern seit Jahren eine „längst fällige Bildungsreform und damit eine qualitätsvolle gemeinsame Schule aller Schulpflichtigen sta weiterbestehender Früh“selektion“, eine Demokratisierung der Schulstrukturen sta einer Verschärfung der Hierarchie und dringender Weise ausreichende Ressourcen sta Weitersparen!“ ◀ Foto: Initiative „Für eine echte Gesamtschu e“

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Juergen Jot o / ixe io.de

Gewerkschaft & Betrieb

• teilzeit, • geteilte Dienste, • anrechnung der Vordienstzeiten und ähnliches, wurden und werden auch diesmal nicht angegangen. Finanzielle armut – die sich auch auf Kinder und Pensionen auswirkt – ist nach wie vor unter den Beschäigten gegeben. Der finanzielle abschluss fiel ganz nach Vorgabe der arbeitgeber aus, die von anfang an klargestellt haen, dass die erhöhung unter den 1,4 Prozent der Caritas ausfallen müsse (warum eigentlich?). Der abschluss wird die einkommenssituation im Sozialbereich jedenfalls nicht deutlich verbessern, die ökonomische lage der Beschäigten nicht dahingehend verbessern, dass armut trotz arbeit der Vergangenheit angehört. Der Hinweis auf einen Mindestlohn von 1700 euro – wie er von der GPa/DJP-Forderung für alle Kollektivverträge gefordert wird – wurde als derzeit nicht umsetzbar vom tisch gewischt. Zu viele Kollektivverträge seien noch darunter, es sei auch nur ein GPa/djp- und kein VidaKo ektivvertrag Beschluss (beide Fachgewerkschaen So ia wirtschaft (B GS) verhandeln den SozialwirtschasKollektivvertrag). tatsächlich hat sich im Rahmenrecht erstmals einiges getan – was aber kurioserweise vor allem auf den „good will“ der arbeitgeberInnenseite zurückzuführen ist. Die beschlossenen Verbesserungen bei den tagesmüern, von den auGe/uG-VertreterInnen im WirtWie schon in den et ten Jahre bei den Verhand ungen, auch schasbereich schon in den letzten Jahre immer wieder eingebracht und heuer das g eiche S ie . Von stefan taibl. gefordert, waren etwa nicht im Forderungspapier der arbeitnehmerInnen zu finden. Kurioserweise sind die VerBetriebsrätInnen berichten sogar in Sozialbereich nicht mobilisierbar und besserungen für tagesmüer auf eine den Verhandlungen von armut und wollen es auch nicht versuchen. Initiative der arbeitgeberInnenseite materieller not der Beschäigten, aber eigentlich hat das Gremium – der für zurückzuführen. und wird jetzt als wenn es um konkrete aktionen geht, die Kollektivvertrags-Verhandlungen gewerkschalicher erfolg verkau. um die arbeits- und lebensbedingun- zuständige Wirtschasbereich für Fazit: Die arbeitnehmerInnen im gen zu verbessern, scheitern diese soziale Berufe – eine hohe Verantwor- Sozial- und Gesundheitsbereich sind vielfach an mangelnder Vorbereitung. tung. er soll kontinuierlich Verbessebedauerlicherweise nach wie vor zu Die hauptamtlichen VertreterInnen rungen für die Beschäigten erreichen duldsam, omals zu selbstausbeuteder Gewerkschaen haben keine und die Kollektivvertrags-Verhandlun- risch und zu leidensfähig. Da bleiben konkreten und gangbaren Wege gen vorbereiten. die erfolge leider vielfach bescheiden. aufgezeigt, um die Durchsetzung allerdings wurde diese VerantworWieder eine Chance vertan. ◀ gewerkschalicher Ziele auch tung vielfach nicht ausreichend Stefan Taib , Betriebsrat PSZ GesmbH tatsächlich zu erreichen. wahrgenommen. Große und typische Die meisten der anwesenden Problemlagen im privaten Sozial- und BetriebsrätInnen wiederum finden den Gesundheitsbereich, wie

ERGEBNISSE UNERFREUlIcH

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Nachruf

Liebe Loisi, Wir haben uns leider nicht sehr gut gekannt. ein paar mal hab ich dich in kärnten im pflegeheim besucht, da warst Du ganz stolz auf deinen pc, hast mir auch gezeigt, wie gut du ihn bedienen konntest. Wir haben von früher gesprochen, von der Zeit, als wir mit schani margulies und egon kodicek die „alternative“ verschickt haben, zu dieser Zeit hast Du im ÖgB als sekretärin der ge gearbeitet. Du warst für das rundherum zuständig, die gute seele sozusagen. auch hast Du mir ein bisserl über dein Leben erzählt. mein Dank geht an herta sekardi, die viel mehr über Dich weiß und mir ihren nachruf an Dich überlassen hat. herta sekardi schreibt: loisi, du hast sehr lange mit und gegen deine Krankheit gekämpft. aber soweit ich weiß, hattest du im Kämpfen ums leben viel erfahrung. Du warst ja ein Frühchen, das als nicht überlebensfähig galt und dein Überlebenswille hatte damals deiner Mutter geholfen, dich durchzubringen. Du bist am Stadtrand von Klagenfurt mit deinen eltern und deinen beiden Brüdern aufgewachsen, in sehr einfachen, armen Verhältnissen. Du warst 8 Klassen in der Grundschule und eine weitere ausbildung war leider leider nicht möglich, du wolltest weiter lernen, um lehrerin zu werden. Dein Vater war anarchist, dann ein überzeugter antifaschist und Mitglied der Kommunistischen Partei. Sehr ungewöhnlich und mutig war es für die damalige Zeit, dass deine Mutter, obwohl Mesnerstochter, aus der Kirche ausgetreten ist. Du warst erst 14 Jahre alt, als Hitler einmarschierte und der Krieg begann. Freunde deines Vaters verschwanden und oft kamen nur todesmeldungen zurück. Später waren auch Freunde und Freundinnen von dir darunter. als Bomben das elternhaus zerstörten, ist deine Familie zu Geschwistern deiner Mutter aufs land gezogen. Deine jungen erwachsenenjahre waren von diesen schrecklichen ereignissen geprägt. nach dem Krieg bist du der FÖJ beigetreten und hast die politische tradition deiner eltern fortgesetzt. Du wurdest leidenschaftliche Kommunistin, hast in der Zeitung der KPÖ als Journalistin gearbeitet, den Führerschein gemacht, ein Moped gekauft und Hermann langbein kennengelernt. In deinen aufzeichnungen steht: Hermann wohnte in St. Peter, als ich ihn sah, blieb ich stehen und fragte ihn, ob er am Sozius Platz nehmen will … er wollte … nach Wien bist du 1950 übersiedelt, um mit Hermann in Wien zusammenzuleben. 1952 kam dann deine tochter lisa auf die Welt und dein Sohn Kurt wurde 1953 in Budapest geboren, weil Hermann nach ungarn strafversetzt wurde. Die Zustände in der KP in ungarn wurden immer schlimmer. Für dich und Hermann war es unmöglich, dort zu bleiben, ihr seid zurück nach Wien gekommen. nach dem niedergeschlagenen ungarnaufstand 1956 hat es dir wirklich gereicht, du bist aus der KP ausgetreten und Hermann hatte durchgehalten, bis er ausgeschlossen wurde. Die arbeit und viele Freunde und Freundinnen waren damit auch weg. Zwei kleine Kinder, kalter Krieg, dein Mann war mit der historischen aufarbeitung von auschwitz sehr beschäftigt, hast ihn unterstützt, wie du nur konntest und wurdest Hausfrau, das, was du nie so wirklich werden wolltest. Du hast viel gelesen und schließlich waren ja auch noch 2 Kinder da, die du sehr geliebt hast und auf die du stolz warst. Geld war Mangelware, aber du hast nicht bei den Kindern gespart. Du warst auch nie gerne alleine, also stand dein Haus offen für nachbarskinder, FreundInnen und vor allem auch für Menschen, die auschwitz überlebt hatten. Gerne bist du gereist, wie ich deinen Reiseberichten entnehmen konnte, mit Hermann bist du in den Bergen gewandert. aber als deine Kinder auszogen, war das für dich sehr schwer. als trost hast du dir ein auto gekauft. und als dann dein enkel Daniel auf die Welt kam, warst Du stolze Großmutter. Der tod von Hermann 1995 hat dich sehr erschüttert, also bist du wieder nach Kärnten, in deine Heimat zurückgekehrt, in der Hoffnung, dass es dir dort besser geht. einige Jahre ging das auch gut, du hattest Gesellschaft, hast am Computer geschrieben und emails versandt. als du aufgrund deiner erkrankung nicht mehr selbst zurecht gekommen bist, warst du vorerst einige Jahre in einem Pflegeheim in Kärnten. Deine kognitiven Fähigkeiten ließen aber immer mehr nach, da hast du dich entschlossen, nach Wien in ein Pflegeheim zu übersiedeln, weil deine Kinder auch hier leben. lisa konnte dann auch oft für dich da sein, sich um dich kümmern und hat auch so manches Mal helfend im Pflegeheim eingegriffen. Wenn lisa mir über ihre Besuche bei dir erzählte, wie wach du manchmal warst, sie konnte es an deinen augen und deiner Mimik sehen, da war für winzige augenblicke die alte loisi wieder da, reden konntest du ja schon lange nicht mehr. Deine lebensphilosophie finde ich beeindruckend: das leben ist ein urlaub im licht. loisi, ich habe dich als eine sehr empfindsame und starke Frau erlebt, so wirst du mir auch in erinnerung bleiben. Loisi Langbein, geb. turko am 21. Juni 1925, ist nach langer, schwerer krankheit am 5. Feber 2016 verstorben. Die Verabschiedung war am 18. Feber 2016 am Friedhof in Wien matzleinsdorf. Renate Saßmann, Herta Sekardi

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Magazin

Die einen verehren ihn als linken Starphilosophen und füllen weltweit Säle, wenn er referiert; für viele andere ist er nicht mehr als ein selbstverliebter intellektueller Clown, der selbst auf der Welle des globalisierten Kapitalismus sur, den er so gerne kritisiert. In seinem aktuellen essay „Der neue Klassenkampf“ – das Cover der gedruckten ausgabe in neo-pink und ansprechender und verkaufsförderlicher Popart Grafik gehalten – beschäigt sich Slavoj Zizek mit Grund und ursache von Flucht und Migration und deren auswirkungen auf eine globalisierte Welt. In seinem für ihn typisch rasanten erzähltempo springt der autor geistig zwischen den Kontinenten und Jahrhunderten hin und her, sodass dem/der ungeübten Zizek-leserIn, ob der Geschwindigkeit beim Studium der lektüre, schwindelt und mensch dazu geneigt ist, das lesetempo anzupassen. auf rund 90, in neun Kapitel unterteilten Seiten, versucht der autor antworten auf die Fragen einer, scheinbar aus den Fugen geratenen Welt zu finden. Das Grundübel sieht Zizek in einem unkontrollierten Kapitalismus, dem eine entideologisierte linke, die sich rein über ein naives Gutmenschentum definiert und durch eine ständige angst, des eurozentrismus bezichtigt zu werden, die notwendige kulturelle Kritikfähigkeit verloren hat, gegenübersteht. Das Zizek nicht nur Philosoph und Kulturkritiker sondern auch eoretiker der Psychoanalyse ist, schlägt sich auch in seiner methodischen Denkweise und seinen Schrien nieder. Seine esen sind zwar nicht unbedingt immer schlüssig, regen jedoch durchaus zu alternativen Betrachtungsweisen an. Der globale Kapitalismus und die damit verbundene ausbeutung der Menschen, so der Grundtenor der Schri, sei der Verursacher der Flüchtlingsströme. Sowohl die Flüchtenden, als auch die anhänger fundamentalistischer Strömungen aller Couleurs seien im Grunde Opfer desselben Systems. um die Menschheit vor noch schlimmeren zu bewahren, ru Zizek einen neuen Klassenkampf aus und fordert einen zeitgemäßen und überarbeiteten Kommunismus. „Der neue Klassenkampf“ ist als lektüre sicher keine leichte Kost und eignet sich auch wenig zum Schmökern in der Straßenbahn. Wer sich mit Flucht und Migration jedoch tiefergehend beschäftigt, dem wird das essay zwar keine lösungen bieten, aber mit Sicherheit den eigenen Blickwinkel erheblich erweitern. ◀

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Lese-Empfehlung Von Heimo eberhard.


International

Von Luis stabauer.

lEIDENSWEG IN 14 ST TIoNEN Sie weinten bitter ich Da war einer seiner Zeit voraus. auch im Irrtum. er glaubte zu wissen, wohin er segelte, suchte einen Weg nach Indien, um neue Schätze zu suchen. Fragen haen ihn angetrieben, die antworten wollte er selbst finden. Mit Freiwilligen und mit unfreiwilligen brach er auf, wollte über das große Wasser fahren. Seine auraggeber erwarteten neue Reichtümer, noch mehr Macht. Männer in langen, schwarzen Kuen und mit großen Kreuzen waren an Bord. Drei unserer Göer sahen sie kommen, über das Wasser aus dem die Sonne steigt. Sie befürchteten unheil für ihre Völker. Daher beriefen sie eine große Versammlung ein. am Ölberg wollten sie mit allen die kommenden Gefahren für die Maismänner und Maisfrauen diskutieren, wollten lösungen suchen. niemand kam. alle, die ihnen sonst zugejubelt haen, die davor immer in ihrer nähe geblieben waren, sie kamen nicht. Die Drei warteten einen halben tag, dann knieten sie nieder und weinten eineinhalb tage und zwei nächte lang. Die tränen erreichten die Ozeane. Die Göer wussten keinen Rat.

Wandmalerei, Bogotá, kolumbien

1. Station: Wir werden um Tod verurtei t Sie landen mit riesigen Schiffen , sitzen auf ungeheuern, die unentwegt mit ihren langhaarigen Schwänzen schlagen. Sie tragen Stöcke, die Feuer speien. Sie zeigen uns kleine Spiegel und Figuren von ihren Göern. Wir bringen ihnen Früchte und Schmuckstücke. Sie haben nur mehr augen für unser Gold. Wir tauschen. Ist es unser todesurteil?

2. Station: Wir sch e en ihre Kreu e an land Die mit den langen, schwarzen Kuen wollen uns noch viele Spiegel und Perlenkränze geben, mit denen wir für unsere Gesundheit und für unsere ahnen beten können. aber davor müssten wir ihre Kreuze auf unseren Hügeln aufstellen. Wir laden die Kreuze auf unsere Schultern, graben tiefe löcher und befestigen die Kreuze mit unseren lianen. Für einige unserer Brüder und Schwestern ist die anstrengung zu groß. Die toten werden dafür in einem anderen leben belohnt, sagen die in den schwarzen Kuen. 3. Station: Wir fa en um ersten a unter dem Kreu Sie sagen, wir haben keine Seele. und weil wir keine Seele haben, dürfen sie uns schlagen, dürfen sie uns unser land wegnehmen, dürfen uns als Diener und Sklaven verwenden, und sie dürfen uns wie Hunde erschlagen. Sie beten großen Kreuze an, worauf ein Mann genagelt ist, der angeblich für sie gestorben ist. Sie sagen, dass wir diese Kreuze auch

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Wihnachtskrippe, kolumbien

anbeten sollen, und sie versprechen uns eine Seele, wenn wir schwören, nur ihrem Go zu huldigen. Wir knien nieder und spüren das Kreuz über uns.

4. Station: Wir er auben ihnen, unsere utter Erde u verwenden Sie kommen als Forscher, sagen sie, und unser land sei ein Paradies. tomaten, Mais und Kartoffel kennen sie nicht, wir müssen sie für sie anbauen, und sie begleiten uns in unsere Wälder, um die süßesten Früchte zu ernten. Wir füllen damit die großen Bäuche ihrer Schiffe und geben auch Gold dazu. Sie geben uns keine Spiegel mehr. Dafür bauen sie Häuser mit türmen und Kreuzen. Für uns, sagen sie. Immer mehr Schiffe mit leeren Bäuchen landen, und sie sagen, dass unser land jetzt ihr land sei. 5. Station: Bartho omäus de as casas schickt uns schwar e änner, die uns he fen, die Kreu e an land u sch e en unsere Brüder und Schwestern sterben zu Millionen. auf ihren Plantagen, in ihren Bergwerken und in ihren Betrieben. einer mit schwarzem Kiel sagt, er sei unser Freund und verspricht uns Hilfe durch die spanische Krone. er schreibt Briefe und wird erhört. Schwarze Menschen kommen und sterben. Sie seien Sklaven, sagen sie, und sie wurden ebenfalls ohne Seele geboren. Wir danken Bartholomäus de las Casas noch immer. Die Schwarzen schleppen mit uns die Kreuze an land.

monument für La gaitana neíva, kolumbien

6. Station: la Gaitana wi das land ihres Vo kes nicht tei en. Pedro nasco ermordet ihren Sohn vor ihren ugen Gaitana, du in den Dörfern Gewählte, du auserwählte, dein Volk vertraut dir. Du hast sie auf Widerstand eingeschworen. Dann haben sie euch am Dorfplatz zusammengetrieben. Der Kopf deines Sohns rollt vor deine Füße. Sie sagen, es sei eine Warnung. Du schreist deinen Schmerz hinaus und schwörst Rache. Der Spanier versteht dich nicht. Jemand aus deinem Volk geht auf den Mörder zu, übersetzt ihm deine Worte. Monatelang jagen sie dich, töten beinahe alle aus deinem Dorf. la Gaitana, du kannst deinen Schwur einlösen. Ihr könnt ihren anführer ergreifen. Pedro anasco geht elend zu Grunde.

Dein Denkmal in neiva ist erinnerung und Mahnung: noch immer tauschen wir unser Gold gegen leere Versprechungen. 7. Station: Wir fa en um weiten a unter dem Kreu Wir haben nicht verstanden, warum unsere „Madre Patria“ („Muer Vaterland“) die spanische Krone sein soll. aber die nachfahren der eindringlinge aus europa haben uns erklärt, dass wir uns mit ihnen gegen den Kolonialismus und gegen die spanische Monarchie wehren sollen: Wir ziehen in den Krieg. Sie sagen, dass wir nationalstaaten gründen müssen,

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um frei zu sein. Wir kämpfen für ein Vaterland, für Freiheit, Religion und für Privateigentum. Wir tauschen unsere Muer erde, unsere Pachamama, gegen die Jungfrau Maria, die Muer ihres Goes. Wieder tragen wir ihr Kreuz. Wir beten in ihrer Sprache. Viele tage lang und viele Kilometer weit lang rutschen wir auf unseren Knien zur Heiligen Jungfrau Maria. Das Kreuz steht neben ihr. es drückt uns zu Boden.

Friedhof in Bogotá, kolumbien

8. Station: Wir treffen die trauernden Frauen Kurz nach unserer angeblichen entdeckung schnitzt tilman Riemenschneider Seelen in seine trauernden Frauen aus Holz. Sie beweinen den nahen tod ihres Märtyrers am Kreuz. tun können sie nichts. lange danach kommen auch zu uns Frauen und Männer, die uns bemitleiden. Sie nennen sich die wirklichen Freunde, nehmen uns die Panflöte, die farbigen Stoffe und bilden unsere Gesichter auf neuen Spiegeln ab. Sie sagen, wir seien so schön und sie betrauern unser elend. unsere Musik, unsere Webkunst und unsere Gesichter werden unsere Befreiung sein, sagen sie. Sie beweinen uns in Gesprächen, in Zeitungen, in Büchern und in Filmen. Die trauernden werden immer mehr. tun können sie nichts.

9. Station: Wir fa en um dritten a unter dem Kreu langsam beginnen wir, uns zu organisieren. Die wirklichen Freunde erkennen wir an ihrer Solidarität. neue nachkommen der weißen europäer kämpfen mit uns Seite an Seite gegen die Großgrundbesitzer und gegen die neuen Kolonialherren, die inzwischen aus dem norden des eigenen Kontinents kommen. Wir feiern erste erfolge, gewinnen sogar Wahlen und stellen Präsidenten. Wir werden ihnen gefährlich. Sie erinnern uns an unser Versprechen, die nationalstaaten mit militärischen Mieln zu verteidigen, und sie nehmen uns in ihre Kampfverbände auf. Sie schicken uns heimliche und unheimliche Hilfen aus den neuen Zentren der Macht. unter unserem nationalistischen Kreuz kämpfen wir jetzt auch gegen neue ungläubige, gegen angebliche Kommunisten und für die erhaltung eines freien Marktes, der uns allen diene, wie sie sagen. Wir brechen darunter zusammen.

riobamba, ecuador

10. Station: Sie nehmen uns unsere K eider Viele unserer Brüder und Schwestern arbeiten freiwillig für sie. Manchen erlauben sie sogar, ihre universitäten zu besuchen. Sie sagen, wir müssen lernen, wie sie zu denken und zu arbeiten, wir dürfen nicht länger unsere Sprachen reden, und wir müssen ihre Gerichte anerkennen. Viele von uns lassen sich das Haar schneiden, ziehen neue Kleider an und versuchen unsere Müer und unsere Väter zu vergessen. unsere Kleider und unsere Kultur dürfen wir an touristen aus aller Welt verkaufen. Sie geben uns almosen. Mit alledem geben wir auch unseren Stolz ab. Wir sterben weiter.

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11. Station: Sie nage n uns fest Sie erziehen unsere Kinder in ihren Schulen. Sie sagen, dass wir als Sünder geboren wurden und dass wir nach dem tod nur in das Paradies eintreten können, wenn wir alle unsere Sünden bereuen und wenn wir den einen Go um Verzeihung bien. Wir lernen schnell und bien täglich um Vergebung. angesichts des leidens am Kreuz, sagen sie uns in jeder Messe, dass unsere unvollkommenheit unsere Schuld sei. Wir glauben und verharren. Wir warten, bis sie uns sagen, was wir tun sollen. Ihre nägel schmerzen. Wir können uns nicht mehr bewegen. Wir hängen fest. 12. Station: Es gibt uns nicht mehr Wir lieben unsere Muer erde, unsere Pachamama noch immer. Damit wir nicht zu ihr beten, haben sie uns die Heilige Jungfrau Maria gegeben. Wir lieben sie mehr als uns selbst. Wir beten sie an, wir tragen sie durch unsere Dörfer. Sie wird uns beschützen. Sie wird uns eines tages von unserer Schuld befreien. Wenn wir zu unserer Muer Goes aufschauen, spüren wir: Wir sind andere geworden. Wir leiden mit Jesus unter dem Kreuz. Wieviel stärker muss das leiden der Heiligen Jungfrau sein, die den tod ihres Sohnes betrauert. Ihr Schmerz ist unser Schmerz. Wir sind andere geworden. es gibt uns nicht mehr. 13. Station: Sie iehen uns die Näge heraus Sie betrachten uns von allen Seiten und stellen unseren tod fest. langsam ziehen sie einen nagel nach dem anderen aus unseren Körpern. Wir wissen nicht mehr, warum wir angenagelt wurden. Wir vergeben ihnen und sagen, dass es unsere Schuld sei, und dass wir nicht auören werden zu Jesus am Kreuz und zu seiner Muer, der Heiligen Jungfrau Maria, zu beten. Wir wissen nicht, ob sie uns noch hören, aber wir warten auf die erlösung von unserer Schuld.

tanz, ecuador

14. Station: Wir stehen auf Hoch in den anden, in den Wäldern amazoniens, in den Hügeln lacadonas, in den Prärien nordamerikas, auf den Inseln der Karibik, von Patagonien bis zum Fluss Pio Pio: einige von uns leben noch. Mehr als 500 Jahre dauert unsere Immunität. Wir sind frei von eurem schlechten Gewissen. Die Zeit ist gekommen. Wir stehen auf. Wir erheben uns. es kann gut sein, wir benötigen noch einmal 500 Jahre, aber wir beginnen jetzt. Brüder und Schwestern, kehren wir zurück zu Pachamama, zu ihren Früchten und zu den tieren, die sich diese Früchte mit uns teilen. erheben wir uns mit der Kra von la Gaitana, Pachamama wird es uns danken.

Vers rechen leserInnen, die diese andacht bei vollem Bewusstsein verrichten, wird ein vollkommener ablass gewährt. Schuldhae und unbewusste Beteiligungen am Raub unseres Goldes seien getilgt, wenn auch du Pachamama ehrst, wo immer du auch bist. unsere Häuser sind für deine Besuche offen, nimm aber keine Kreuze mehr mit. Die Göin Pachamama oder Mama Pacha (echua: „Muer Welt, Muer Kosmos“) gilt vielen indigenen Völkern Südamerikas, insbesondere in den anden als personifizierte erdmuer,[die leben in vielfacher Hinsicht schenkt, nährt, schützt und zu ritueller Kommunikation fähig ist. Pachamama ist Vermilerin zwischen Ober- und unterwelt. Die echua und aymara verehren die Pachamama als allmächtige Göin, die allen Kreaturen das leben schenkt und sie nährt. ◀ luis Stabauer berät, coacht und schreibt – se bständig, aber trot dem noch Gewerkschaftsmitg ied und UGE-Fan.

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International

Die bislang jüngste Repressionswelle des aKP-Regimes richtet sich gegen die unterzeichnerInnen eines aufrufes von „akademikern für den Frieden“. Von Joachim Becker.

REPRESSIoNSWEllE

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iese hae die Kriegsführung der türkischen Sicherheitskräe in den überwiegend von KurdInnen bewohnten Gebieten in der Südost-türkei scharf kritisiert und Schrie zum Frieden gefordert. auf diesen aufruf reagierte der Staatschef tayyip Recep erdoğan unter anderem mit Verratsvorwürfen. unmielbar darauf folgten die eröffnung von ermilungsverfahren unter Staatssicherheitsparagraphen, erste Festnahmen und auch entlassungsverfahren. Das Ganze wird begleitet von öffentlichen Denunziationskampagnen, die die lehrerInnengewerkscha eğitim-Sen als „lynchkampagne“ charakterisiert.

Zunehmende autoritäre Verhärtung eine sichtbare Verstärkung der autoritären tendenzen der aKP-Regierung, die ideologisch politisch durch national-religiöse und neo-liberale elemente gekennzeichnet ist, kann seit etwa 2011 beobachtet werden. Bis zu diesem Zeitpunkt hae die national-religiöse und neoliberale aKP ihre Machtposition im Staatsapparat soweit gefestigt, dass sie nun die Machtinstrumente aggressiver nutzen konnte. Gleichzeitig nahm ihr Spielraum für konsensorientierte Politikelemente durch die allmählich nachlassende Wirtschasdynamik ab. Zusätzlich wurden die autoritären tendenzen im Inneren durch die immer tiefere Verwicklung in den Krieg im benachbarten Syrien gestärkt. Hier setzte die aKP auf die Karte bewaffneter Gruppen der islamistischen Rechten. Ihre besondere Sympathie gilt, wie in anderen Staaten der Region, den Muslimbrüdern. Der Krieg verlief allerdings anders als die aKP-Regierung sich das gedacht hae. Das assad-Regime erwies sich als widerstandsfähiger als von den aKP-Strategen erwartet, und es entstanden autonome Gebiete unter Verwaltung der kurdischen linken. Dies gab der kurdischen linken in der türkei aurieb. Das war das letzte, was sich die aKP wünschte. Das Wahljahr 2015 brachte einen deutlichen Schub in der Repression. Die Parlamentswahlen im Juni haen nicht das von der aKP erwünschte ergebnis: Die Partei gewann zwar 40,7 Prozent der Stimmen, hae aber einen Stimmenrückgang um Millionen zu verzeichnen und verfehlte ihr Minimalziel einer absoluten Mehrheit der Sitze. Dies war nicht zuletzt Folge des guten abschneidens der HDP. als erster Partei mit einer stark kurdisch geprägten WählerInnenbasis gelang ihr mit einem stark auf sozia-

len emen ausgerichteten Wahlkampf breitere WählerInnenschichten anzusprechen und die 10-Prozent-Hürde zu überspringen. Die aKP setzte rasch auf neuwahlen, um das für sie unerfreuliche ergebnis zu korrigieren. Dies war von eskalierender Gewalt begleitet. Zahlreiche Büros der HDP wurden verwüstet. Die aKP beendete den sogenannten „süreç“ – auf Deutsch einfach „Prozess“, womit erste Schrie in Richtung auf eine Friedenslösung gemeint sind. Der Konflikt mit der PKK lebte wieder auf. Während des Wahlkampfs waren manche kurdischen Städte wie unter einer Besatzung der türkischen Sicherheitskräe. Gleichzeitig ging die Regierung scharf gegen oppositionelle Medien, speziell aus dem kurdischen umfeld, vor. Zahlreiche kritische Internet-Portale wurden blockiert, JournalistInnen massiv eingeschüchtert. Sie setzte bei einer der größten Mediengruppen, die Koza İpek-Holding, die der GülenGemeinscha (ein bisschen vergleichbar dem katholischen Opus Dei)– einem früheren Verbündeten, heute Gegner erdoğans – einen treuhänder ein und brachte sie damit unter Kuratel des Regierungslagers. Die eu hofierte zu dieser Zeit erdoğan in der Hoffnung, dieser möge den Strom syrischer Flüchtlinge aus der türkei in die eu-länder für sie drosseln. eu-SpitzenpolitikerInnen, wie die deutsche Bundeskanzlerin angela Merkel, gaben sich in Istanbul und ankara die Klinke in die Hand und machten der türkischen Regierung avancen. Wenn weniger Flüchtlinge über das Meer kämen, gebe es eu-Gelder für in der türkei lebende Flüchtlinge, Bewegung im eu-Beitrisprozess und vielleicht auch Visumsfreiheit. Dies waren faktisch Interventionen in die Spätphase des türkischen Wahlkampfes.

Weitere Eska ation nach den Wah en Mit ihrem aggressiven, stark durch nationalistische Parolen geprägten Wahlkampf vermochte die aKP am 1. november ihren Stimmenanteil – etwas zu lasten der HDP, massiv zu lasten der ultranationalistischen MHP – auf gut 49 Prozent auszubauen. Die HDP nahm trotz allem erneut die 10Prozent-Hürde. Die aKP erreichte zwar die absolute Mehrheit der Sitze, nicht aber für Verfassungsänderungen ausreichende Mehrheiten. Dies war und ist aber das erklärte Ziel der aKP. erdoğan will sich zu einem exekutiven Präsidenten mit sehr weitreichenden Vollmachten küren lassen. außenpolitisch geriet die aKP zum teil unter Druck. Russische unterstützung stärkte das assad-

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Regime. erste tastende Schrie in Richtung auf eine Friedenslösung wurden international angebahnt – nicht zuletzt, um den sogenannten Islamischen Staat in Syrien (und dem Irak) einzudämmen. Gegen den IS begannen sich die westlichen länder eindeutiger zu positionieren. Dem konnte sich auch die türkische Regierung nicht ganz entziehen. unter dem Banner des Kampfes gegen den „terrorismus“ konzentrierte sie sich allerdings auf die PKK und auch auf aufständische kurdische Jugendliche. Selbst die konservative, lange Zeit mit der aKP sympathisierende Frankfurter allgemeine spricht von einem „aufstand der Chancenlosen“ in den südost-türkischen Städten. In mehreren Städten in der Südost-türkei wurden lang andauernde ausgangssperren verhängt. Wohnviertel wurden beschossen. Die Zivilbevölkerung leidet massiv unter den einsätzen der Spezialkräe. Vielen blieb nur die Flucht.

„ kademiker für den Frieden“ Gegen diese Kriegsführung richtet sich eine erklärung der „akademiker für den Frieden“, die zunächst von 1128 türkischen WissenschalerInnen aus 89 universitäten unterzeichnet wurde. Sie hoben hervor, dass „das Recht auf leben und körperliche unversehrtheit, Freiheit und Sicherheit sowie insbesondere das Verbot von Folter und Misshandlung“, wie sie das internationale Recht, aber auch die türkische Verfassung garantiere, verletzt werde. Sie forderten ein ende der Kriegshandlungen und die einleitung eines Friedensprozesses unter einschluss der „Forderungen der politischen Vertretung der kurdischen Bewegung“. In einer Rede nach dem anschlag in Istanbul am 12. Dezember griff der türkische Staatspräsident die unterzeichnerInnen des aufrufs scharf an. er denunzierte sie als Verräter. „Du bist entweder auf Seite der Regierung oder du bist auf Seite der terroristen“. und weiter äußerte er: „Jene, die vom Staat profitieren, aber ihn verraten, sollten bestra werden.“

… und die Re ressionskam agne der Regierung Danach wurden prompt die Justizorgane, aber auch ein teil der universitätsleitungen aktiv. Die Staatsanwaltscha in Istanbul hat ein ermilungsverfahren gemäß dem berüchtigten Strafgesetzbuchparagraphen 301 und der anti-terror-Gesetzgebung gegen alle unterzeichnerInnen eingeleitet. Diese beziehen sich auf „terroristische Propaganda“, anstachelung zur Gewalt oder Beleidigung der „türkischen Republik“. Bei Verurteilungen drohen mehrjährige Gefängnisstrafen. In mehreren Städten wurden WissenschalerInnen festgenommen beziehungsweise zu Verhören vorgeladen. laut dem stark auf Menschenrechtsfragen spezialisierten türkischen Internetportal Bianet kam es in der ersten Woche nach erdoğans Rede zu 33 Festnahmen. Der Rat für Hochschulbildung (YÖK), ein autoritäres erbe der Militärdiktatur der 1980er-Jahre und nun fest in Händen der Regierungskader, drohte den unterzeichnerInnen Maßnahmen an. einige universitäten, vor allem in den Provinzstädten, leiteten sofort Disziplinarverfahren mit dem Ziel der entlassung ein. laut Bianet wurden

innerhalb einer Woche bereits 15 WissenschalerInnen aus dem universitätsdienst entfernt. In den folgenden Wochen sind weitere entlassungen erfolgt, zunächst vor allem bei Privatuniversitäten. In der ersten Feberhäle haben aber auch einige große staatliche universitäten mit einer großen anzahl an unterzeichnerInnen, wie die ankara Üniversitesi und die İstanbul Üniversitesi, Disziplinarverfahren eingeleitet. Die Repressionsmaßnahmen sind von einer Hetzkampagne begleitet. Die übermächtigen regierungsnahen Medien verbreiten allein die „offizielle“ Sichtweise. an einzelnen universitäten wurden die Bürotüren von unterzeichnerInnen markiert. Manche erhielten Morddrohungen. Selbst Figuren aus dem Mafia-Milieu drohten Gewalt an. Bereits der schmutzige Krieg der 1990er-Jahre war durch eine Verfilzung von Sicherheitsapparat und Kriminellen gekennzeichnet. In der türkei fürchten viele eine Rückkehr zu den 1990er-Jahren mit den Zehntausenden von toten in der Südost-türkei.

Türkische und Internationa e So idarisierungen In der türkei haben die unterzeichnerInnen eine breite Solidarität erfahren. Sie reicht von den beiden demokratischen im Parlament vertretenen Oppositionsparteien – CHP (Republikanische Volkspartei) und HDP (Demokratische Partei der Völker) – Gewerkschaen, beispielsweise des öffentlichen Dienstes, der lehrerInnen und auch zahlreiche gesellschaliche Initiativen. Zu diesen zählen Studierendengruppen und -vertreterInnen, JournalistInnen, eatermacherInnen, CineastInnen, KünstlerInnen und VerlegerInnen – auch von ihnen kamen unterstützungserklärungen. auch international hat der aufruf ein großes echo gefunden. er wurde von zahlreichen ausländischen WissenschalerInnen, darunter noam Chomsky, Judith Butler, Étienne Balibar, David Harvey und Immanuel Wallerstein unterzeichnet. WissenschalerInnen gaben in verschiedenen ländern, darunter den uSa/Großbritannien und Deutschland/Österreich, eigene Solidaritätserklärungen mit ihren türkischen KollegInnen ab. Die eu-Kommissionssprecherin, Maja Kocijančić, gab sich hingegen sehr vorsichtig und sagte nur, die eu werde aufmerksam verfolgen, was mit Personen geschehe, welche die Regierungspolitik im Hinblick auf den Friedensprozess mit den Kurden kritisierten. Später wurde die Diktion etwas deutlicher. Die sehr zurückhaltenden Stellungnahmen der eu reflektieren die Priorität der eu und deren wichtigster Mitgliedsländer (vor allem Deutschlands), mit der türkischen Regierung ein Übereinkommen in der Frage der Flüchtlinge zu erzielen. Deutlicher als Brüssel, Berlin oder Wien wurde der uS-Botschaer in ankara, John Bass. er zeigte sich „besorgt über diesen Druck, der eine eisige Wirkung auf den legitimen politischen Diskurs in der türkischen Gesellscha hat“. Die Äußerung von Bedenken über die Gewalt sei nicht gleichbedeutend mit der unterstützung von terrorismus. Die internationalen unterstützungserklärungen sind für die türkischen WissenschalerInnen von großer Bedeutung. ◀ Joachim Becker, Hochschu ehrer und Betriebsrat


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