UnAufgefordert Nr. 161

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Jeder Tropfen hilft Ihre HaemaBlutspendezentren Berlin-Hellersdorf Peter-Weiss-Gasse 1 Tel. 030 992550 Berlin-Marzahn Havemannstraße 12b Tel. 030 936410 Berlin-Prenzlauer Berg Landsberger Allee 117 Tel. 030 457997 Berlin-Tegel Berliner Straße 25 Tel. 030 4374360

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Die Studierendenzeitung der HumboldtUniversität zu Berlin Erstmals erschienen am 17. November 1989 Beste deutschsprachige Studierendenzeitung 2004/2005 Herausgegeben vom: StudentInnenparlament der HU Verantwortlich für diese Ausgabe: Fabian Reinbold, Emanuel Viebahn, Anna Niederhut, Katrin Rösler Redaktion: Anne Grieger, Anne Jacobsen, Antje Binder, Benjamin Reuter, Bernhard Holl, Christine Drechsler, Christian Brath, Felix Neubüser, Johannes Edelhoff, Lena Reissig, Lisa O’Conner, Louisa Reichstetter, Maike Brüggen, Manuel Bewarder, Markus Reichert, Nadine Röpke, Nils Müller, Pablo Silalahi, Roland Borchers, Sandra Jarke, Sarah Hofmann, Sebastian Rothe, Silvio Schwartz, Sören Kittel, Stephan Lahl, Tina Rohowski Anzeigen: Michael Othmer (0171 737 11 09) Satz: Romy Alig Online-Redakteur: Stephan Lahl Fotos: Antje Binder, Christoph Schlüter, Robert Nagel Titelbild: Britta Kussin Illustrationen: Anna Sartorius, Britta Kussin, Emanuel Viebahn, Jana Hiebsch, Janek Jonas, Sophia Chin Lebenfoto: Robert Nagel Kontakt: Humboldt-Universität zu Berlin Unter den Linden 6, 10099 Berlin Hauptgebäude, Raum 2094 a Tel.: 2093-2288, Fax: 2093-2754, www.unaufgefordert.de redaktion@unaufgefordert.de werbung@unaufgefordert.de Öffentliche Redaktionssitzungen: montags um 18:00 Uhr im Raum 3048 Druck und Belichtung: FATA MORGANA Verlag, Brunnenstr. 181, 10119 Berlin Gedruckt auf Recyclingpapier im Trockenoffsetverfahren Auflage: 5.000

Editorial > Jahrelang haben wir an dieser Stelle im Aprilheft die Erstsemester begrüßt. Aber die gibt es ja kaum noch. Bachelor und Master starten im Winter. Also begrüßen wir stattdessen die Elite. Wie, niemand fühlt sich angesprochen? Hallo? Elite! Humboldt-Uni! Die Universität, die schon lange nach ganz oben will. Hat bloß nicht so richtig geklappt. Den letzten Rückschlag gab’s im Januar beim Exzellenzwettbewerb. Da wurde kräftig gejammert. Auch viele Studierende, denen die Diskussion um Elite-Unis herzlich egal ist, haben plötzlich aufgeheult: »Ey, was soll denn das? Warum sind wir’s nicht?« Die Antwort steht in diesem Heft. Allein mit Eigenlob wird man nicht Elite. Das sollte die HU jetzt gelernt haben. Die UnAuf weiß natürlich längst, dass Eigenlob stinkt, deswegen sagen wir so sachlich wie möglich: Wir haben eine neue Homepage: www.unaufgefordert.de. Und flüstern nur ganz leise hinterher, dass sie viel besser und aktueller ist als die alte. Dort könnt ihr uns eure Meinung sagen. Verreißt oder lobt Artikel, sagt, was ihr im Heft lesen wollt. Vielleicht habt ihr auch eine Idee, wie das mit der Elite doch noch klappen kann. Die HU nimmt schon wieder Anlauf, denn eine Chance hat sie noch: Die zweite Runde vom Exzellenzwettbewerb startet im Oktober. Dann werden wir auch wieder die Erstsemester begrüßen. Eure UnAuf <

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Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 1. April 2006 Redaktionsschluss der Nr. 162: 2. Mai 2006

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Für alle Fakten besteht das Recht auf Gegendarstellung in angemessenem Umfang. Nachdruck nach vorheriger Nachfrage möglich. Wir bitten um Quellenangabe und Belegexemplar. Die Redaktion behält sich vor, Leserinnen- und Leserbriefe gekürzt zu veröffentlichen. Alle Artikel geben die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder.

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Gr o ß e R e d a k t i o n s s i t z u n g 24. April 2006 18 Uhr Raum 3048 Hauptgebäude 3


Foto/Montage: Antje Binder Elite

Titel

10 Eine Uni will nach oben Die Humboldt-Uni und ihr Traum von der Elite. Angekommen auf dem Boden der Tatsachen, denkt sie schon an ihren nächsten Höhenflug.

12 Bloß nicht überarbeiten Elite-Check, Teil1: Sind HU-Studierende motiviert und fleißig? Oder einfältig und faul? Wir haben 70 Profs befragt.

13 Betreuung mangelhaft Geschlossene Türen statt offener Ohren: Für viele Profs sind ihre Studierenden nur lästige Pflicht.

14 Es bröckelt überall Nur wenige Fußminuten vom Reichstag im Zentrum der Stadt. Das Hauptgebäude strahlt nach außen. Innen jedoch gibt’s mehr Schatten als Licht.

16 Studium, Abschluss und Tschüss

Rubriken 3 6 6 8

Editorial Glosse: Flotte Sprüche News Kommentar: Die Elite, die wir wollen. 42 »Elite« lernen

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Das Siegel auf dem T-Shirt, die Uni im Herzen. Die Elite identifiziert sich mit der eigenen Hochschule. Noch ein weiter Weg für die Humboldt-Uni.

17 Mission Elite Tile von Damm soll die HU zur Exzellenz bringen.

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Elite

Politik 18 Von der Uni auf die Straße Die Zukunftsängste der Jugendlichen in Frankreich.

19 In der Warteschleife Auch in Deutschland ist der Berufseinstieg schwer. Protestiert wird aber kaum.

Studieren 20 Lauter komische Leute? Was die Fachschaften für Studierende wirklich tun.

21 Fehler sind erlaubt Das Uni-Radio steckt in der Krise. Das ist die Chance für Neulinge.

22 Lesen auf der Überholspur Studierende sollen besser lesen lernen. Wir haben einen Kurs besucht.

24 Dicke Luft Rauchverbot an der Uni?

26 Studieren in ... Birmingham

Dossier 28 Für die gute Sache Studierende engagieren sich ehrenamtlich.

29 Camping in Berlin Der Service Civil International organisiert Workcamps.

30 Das Maß entscheidet Freiwilligenarbeit bringt Pluspunkte — wenn man es nicht übertreibt.

Leben 32 E-Mail aus ... Kapstadt 32 Endstation Teil 1: Mit der S1 nach Oranienburg

33 Nach zwölf ist Schluss Frauen suchen Männer aus — nicht umgekehrt. Sagt ein HU-Psychologe.

34 Wo die Melancholie zu Hause ist Sieben Orte in Berlin

Kultur 38 Großes Kino für den Nachwuchs Filmfestivals und -events für junge Filmeschaffende.

40 Verrückt nach Hilda Ein Theaterstück von Marie NDiaye.

41 Plattenwäsche UNAUFgefordert

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news

Glosse

Illustration: Emanuel Viebahn

Zur Kasse, bitte

Flotte Sprüche »Seht ihr nicht, dass die Luft der Freiheit weht?«, sprach der Humanist Ulrich von Hutten einst, als er erfuhr, dass seinem Freund Martin Luther der Prozess gemacht wurde. Mehr als 400 Jahre später stieß David Starr Jordan, erster Präsident der Stanford University, auf diesen Satz. Er war so begeistert, dass die Worte »Die Luft der Freiheit weht« — wohlgemerkt auf deutsch — bis heute das Siegel der kalifornischen Elite-Universität zieren. Wo Stanford ist, will die Humboldt-Universität auch hin. Weniger nach Kalifornien, sondern eher zur Elite. HU-Präsident Christoph Markschies hat schon einen Plan, wie es klappen könnte. Ein Siegel hat die HU, was fehlt, ist ein Spruch. Auch wir brauchen ein paar deutsche Wörter, die wir unter die Humboldt-Köpfe schreiben können. Markschies hat folgende Idee: Die Studierenden sollen alle Vorzüge der Uni in einem Satz auf den Punkt bringen. Sie sollen sich einen »Slogan« ausdenken. Die besten Einsendungen gewinnen — die Preise wurden noch nicht verraten. Ein Motto oder einen Wahlspruch haben viele deutsche Universitäten. »Veritas — Iustitia — Libertas« (Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit) hat die Freie Universität. »Attempto!« (Ich wag’s!) ist das Motto die Uni Tübingen und »Scientia et Conscientia« (Wissen und Gewissen) verspricht die Uni Augsburg. Das klingt zwar alles sehr gebildet, ist aber ohne deutsche Übersetzung für die meisten unverständlich. Ein »Slogan« für eine Uni ist neu. Ein Slogan ist kurz, einprägsam für alle verständlich und wird eigentlich in der Werbung benutzt. Eher die leichte Variante fürs einfache Volk. Eine geschickte Strategie also, um neue Studierende anzulocken und Fördergelder an Land zu ziehen. Wir hätten da auch schon ein paar Vorschläge zu machen: »Humboldt sorgt im Magen für Behagen« oder »Humboldt belebt Körper und Geist.« Hört sich auch viel besser an als »Humboldus corpus mentemque alit.« Zugegeben, wir hatten bei diesen Vorschlägen ein wenig Hilfe: Auf einer Website kann man ein beliebiges Wort eingeben und ein »Sloganizer« generiert per Zufall einen passenden Slogan. Aber ob dabei so etwas Gutes rauskommt wie »Die Luft der Freiheit weht«, ist natürlich zweifelhaft. Da ist mehr Kreativität gefragt. Sonst bleibt Stanford das König der Universitäten. Anna Niederhut <

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Der Landtag in Nordrhein-Westfalen hat mit den Stimmen von CDU und FDP die Einführung von Studiengebühren beschlossen. Pro Semester sind bis zu 500 Euro zu zahlen: von Erstsemestern ab dem Wintersemester 2006/2007, von allen anderen Studierenden ab dem Sommersemester 2007. Allerdings entscheidet die einzelne Hochschule darüber, ob und in welcher Höhe Gebühren erhoben werden. Zuvor hatten bereits Niedersachsen und Baden-Württemberg die Einführung von Studiengebühren beschlossen. Auch die Landesregierungen in Bayern, Hamburg und im Saarland haben ihren Parlamenten entsprechende Pläne vorgelegt. kat

Millionenjagd Am 20. April reichen die drei Berliner Universitäten ihre Anträge für die Exzellenzinitiative bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ein. Der Berliner Senat hat im März die Mitfinanzierung der Konzepte durch das Land bewilligt. Die Humboldt-Universität (HU) wird vier der zuvor eingereichten Antragsskizzen ausarbeiten. Dabei handelt es sich um die Exzellenzcluster »Materials in New Light« und »Regenerative Therapies«, die mit über sechs Millionen Euro ausgezeichnet werden könnten. Für eine Förderung von etwa einer Million bewerben sich in der ersten Säule die »Graduate School of Mind & Brain« und »Berlin Mathematical School«, die von allen drei Berliner Universitäten gemeinsam eingereicht wird. Im Juli 2006 entscheidet die DFG. ani

First Lady Margret Wintermantel (58), Präsidentin der Universität Saarbrücken, ist die neue Vorsitzende der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Die Professorin für Psychologie führt als erste Frau die Lobbyorganisation, die die Interessen von 206 Universitäten und Fachhochschulen vertritt. Bei ihrer Wahl erhielt sie 80 Prozent der Stimmen. Nach dem überraschenden Rücktritt ihres Vorgängers Peter Gaehtgens war die HRK vier Monate führungslos. Als erste Herausforderung sieht Wintermantel die anstehende Föderalismusreform, für die eine »einheitliche Stimme der Hochschulen« in der Öffentlichkeit nötig sei. kat

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news Studis machen reich

Oben wenig Frauen

Kitas länger auf

Studierende könnten Berlin mehr als 52 Millionen Euro bringen. Das sieht ein neues Finanzierungsmodell vor, das Rheinland-Pfalz und Sachsen der Kultusministerkonferenz vorgeschlagen haben. Der so genannte »Vorteilsaugleich« spricht Bundesländern, die besonders viele Studierende aus anderen Bundesländern ausbilden, eine finanzielle Kompensation zu. Der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner (SPD) hofft, so den erwarteten Anstieg von Studierenden zu bewältigen. Der Berliner Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) würde mit dem zusätzlichen Geld neue Studienplätze schaffen wollen. Von den 140.000 in Berlin eingeschriebenen Studierenden kommen etwa 60.000 aus anderen Bundesländern. ani

Die Anzahl der Professorinnen steigt nur langsam. Das hat eine Studie der Bund-Länder-Komission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) festgestellt. Je höher die Qualifikationsstufe im Wissenschaftsbetrieb, umso geringer ist der Frauenanteil, so die Untersuchung, die Daten bis 2003 berücksichtigt. Zwar habe sich die Anzahl der von Frauen besetzten Lehrstühle seit 1992 auf 13 Prozent verdoppelt, ihr Anteil in der höchsten Lohngruppe habe sich allerdings nicht geändert. Einzige Ausnahme seien die Ingenieurwissenschaften. Hier bleibt der Frauenschwund auf der höchsten Qualifikationsstufe aus. Eine Erklärung dafür konnte die Untersuchung nicht geben. ani

Die Kindertagesstätten des Deutschen Studentenwerks (DSW) sollen ab September länger geöffnet haben. Das wurde auf einer Konferenz des DSW beschlossen. Damit reagieren die Studentenwerke auf die Einführung der Bachelor- und MasterStudiengänge. Nach der aktuellen Sozialerhebung des DSW sind sechs Prozent der deutschen Studierenden Eltern, wobei über die Hälfte der Kinder unter vier Jahre alt ist. Da gerade Bachelor-Studierende viel Zeit in der Universität verbringen und kaum flexible Stundenpläne haben, sollen die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder ausgebaut werden. Um auf die genauen Bedürfnisse der Studierenden eingehen zu können, werden zurzeit Umfragen an den Berliner Unis durchgeführt. In Berlin gibt es vier Kitas des DSW. ani

Finanzspritze fürs Studium > Studierende können seit Anfang April ihr Studium mit einem Darlehen finanzieren. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vergibt Studienkredite von 100 bis 650 Euro monatlich. Im Gegensatz zu anderen staatlichen Fördermaßnahmen ist der Studienkredit unabhängig vom Einkommen der Eltern und dem eigenen Vermögen. Das Darlehen wird in der Regel für einen Zeitraum von zehn Fachsemestern gewährt. Die Zahlungen können um vier Semester verlängert werden, wenn in dieser Zeit der Abschluss des Studiums zu erwarten ist. Einen Kreditantrag kann stellen, wer an einer deutschen Uni immatrikuliert ist, »grundsätzlich das 31. Lebensjahr noch nicht vollendet hat« und »zum Zeitpunkt der Antragstellung noch über keinen berufsqualifizierenden Abschluss« verfügt, heißt es bei der KfW. Bachelor-Absolventinnen und –Absolventen erhalten das Darlehen lediglich für konsekutive Masterstudiengänge, also Master, die auf dem Bachelor aufbauen. Das KfW-Angebot unterscheidet sich von Krediten privater Banken, indem es keine finanzielle Sicherheit der Antragstellenden verlangt. Der monatlich ausgezahlte Betrag kann auf Wunsch der Studierenden jedes Semester angepasst werden. Die Rückzahlung des Kredits beginnt mit dem Einstieg ins Berufsleben. Die KfW veranschlagt dafür 18 bis 23 Monate nach dem Abschluss. Die Förderbank schlägt eine Tilgungsdauer von zehn Jahren vor. Diese könne jedoch auf bis zu 25 Jahre ausgedehnt werden. Der Zinssatz beträgt jährlich 5,1 Prozent. Zuvor hatten private Banken Kreditmodelle für Studierende vorlegt — mit härteren Auflagen. Im vergangenen Oktober

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Monatlich gibt es bis zu 650 Euro für Studierende.

hatte die Deutsche Bank als erste ein Modell präsentiert. Sie legt gemeinsam mit den Antragstellenden einen »Studienplan« fest. Wer davon abweicht, muss damit rechnen, dass die Bank die Zahlungen reduziert oder einstellt. Die Bildungskredite der staatlichen KfW stellen keine derartigen Auflagen. Aber auch sie ernten Kritik. »Jungen Menschen wird hier suggeriert, sie könnten bedenkenlos studieren. Dabei wird außer Acht gelassen, dass sich schnell Schulden im fünfstelligen Bereich anhäufen«, sagt Regina Weber, Vorstandsmitglied im »Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften« (fzs). Der fzs befürchtet, dass der Studienkredit ein Schritt auf dem Weg zur Abschaffung des Bafög sei. Fabian Reinbold <

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news Kommentar

Oxford redet am besten

Die Elite, die wir wollen > Ich bin für Elite. Und ich bin gegen Elite. Das hat nichts mit Schizophrenie zu tun. Der Begriff ist schwammig. Kann man sich auf keine einheitliche Definition einigen, fällt ein Urteil schwer. Elite klingt nach Privilegien, Status und sozialer Selektion. Elite klingt auch nach Leistung, Fortschritt — und nach Universität. Denn was ist elitär, wenn nicht Wissenschaft und Studium an sich? Wir alle an der Universität sind privilegiert. Eliten existieren nun einmal. Da kann das Gerechtigkeitsempfinden so laut schreien, wie es will. Es ändert nichts. Aber wer Elite ist, wer Elite sein soll und was ihre Aufgabe ist — das ist nicht klar. Noch komplizierter wird es, wenn man an die Elite das Wörtchen Uni anhängt. Was soll denn eine Elite-Uni sein? Der Unternehmenschef wird das anders sehen als die Bildungsforscherin. Will man eine Uni für Eliten? Dann hat man Verhältnisse wie in Frankreich, wo sich die politisch und wirtschaftlich mächtige Kaste aus einer Hand voll StatusHochschulen rekrutiert. Soll es eine Uni sein, die Eliten hervorbringt? Oder ist die »Elite-Uni« einfach eine der besten Hochschulen? Das Massachusetts Institute of Technology will nicht, dass seine Studierenden zu »tech zombies« mutieren, und verordnet ihnen Kurse in politischer Philosophie, Kunstgeschichte und Leichtathletik. Eliten sollen nicht nur Spitze im eigenen Fachgebiet sein, sondern eine möglichst breite Bildung haben. Das ist etwas, auf dass man sich einigen könnte. Eine Elite-Universität soll hervorragend ausbilden in Breite und Spitze, zur Persönlichkeitsbildung anregen und so Absolventinnen und Absolventen hervorbringen, die ihr Wissen mit sozialem Verantwortungsgefühl paaren und so die Gesellschaft voranbringen. Das ist der Maßstab. Kann die Humboldt-Universität eine solche Hochschule werden? Diejenigen, die die HU zur Elite stilisieren, sollten sich diese Frage stellen und ehrlich beantworten. Falls ja, dann müssen sie Lehrende und Studierende auf diesen Kurs einschwören und von allen Höchstleistungen verlangen. Hält man es für unrealistisch, sollte man die Elite-Rhetorik einstellen und sich von den Träumereien erst einmal verabschieden. Das wäre kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Denn eines kann die Humboldt-Uni auf jeden Fall: besser werden. Da gibt es genug zu tun. Fabian Reinbold <

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Politik + Lachen ? Ein Widerspruch ! Nicht bei uns. Das Berliner Kabarett-Theater am Bahnhof Friedrichstraße

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Am letzten Märzwochenende fand die Europameisterschaft im studentischen Debattieren an der LandwirtschaftlichGärtnerischen Fakultät der HU statt. Diskutiert wurde auf Englisch. Gavin Ilsley, 20 Jahre, von der Universität Oxford wurde als bester Einzelredner ausgezeichnet. Zusammen mit seinem Partner Alex Batts gewann er auch den Teamwettbewerb. Bei den Nicht-Muttersprachlern gewannen Isabelle Loewe und Matthias Lux von der Universität Bonn. Sie hatten sich gegen mehr als 300 Debattierende aus 23 europäischen Ländern durchgesetzt und als erstes deutsches Team den Titel geholt. Veranstaltet wurde das Turnier von der Berlin Debating Union. kat

Nackt gegen Sparkurs Die Sportstudierenden der HumboldtUniversität (HU) haben sich ausgezogen und einen Kalender mit Aktfotografien veröffentlicht. Damit wollen sie auf die schlechten Studienbedingungen, wie etwa die fehlenden Kopiermöglichkeiten an ihrem Institut, aufmerksam machen. Unter dem Titel »Semesterakte 06/07« soll der Kalender aufzeigen, dass Studierende auch bereit sind, für gute Bildung Eigenleistung zu erbringen. Mit dem Erlös soll ein Tutor oder eine Tutorin bezahlt werden, nachdem dieses Jahr die letzte Stelle im Bereich Praxis gestrichen wurde. Die Idee ist nicht neu: Sportstudierende der Unis Bremen und Kiel waren bereits mit ähnlichen Kalendern erfolgreich. ani

Lernen auf hoher See Im Januar 2007 stechen etwa 600 Studierende aus aller Welt in See. Für vier Monate werden sie auf dem »Scholar Ship« studieren, das alle Elemente einer normalen Universität besitzt, wie Hörsäle oder eine Bibliothek. Der Schwerpunkt der Lehre liegt auf interkultureller Kommunikation. Das Schiff legt bei Athen ab – von da geht es nach Casablanca, Buenos Aires, Kapstadt, Perth, Singapur, Cochin und Larnaca, wo jeweils für eine Woche angelegt wird. Am Schluss gibt es je nach Studienerfahrung ein Zertifikat in interkulturellem Management oder in internationaler Kommunikation. Kostenpunkt: knapp 17.000 Euro inklusive Studiengebühren, Kost und Logis. Bewerbungsschluss: 1. August. ani

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Foto/Montage: Antje Binder


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Titel Die Humboldt-Uni und ihr Traum von der Elite. Angekommen auf dem Boden der Tatsachen, denkt sie schon an ihren nächsten Höhenflug.

Eine Uni will nach oben > Das Geschrei war groß. Deutschland kürt seine Elite-Unis und die Humboldt-Universität (HU) ist nicht dabei. Am 20. Januar fiel die Vorentscheidung im Exzellenzwettbewerb der deutschen Hochschulen. In der ersten Runde wurden zehn Kandidaten ausgewählt, die sich nun um den inoffiziellen Titel »Elite-Universität« bewerben können. Statt der HU waren Außenseiter wie Freiburg und Bremen erfolgreich. Und ausgerechnet auch die Konkurrenz von nebenan: die Freie Universität in Dahlem. Tradition verpflichtet — deshalb schien es ausgemacht, dass die HU auch im 21. Jahrhundert zu den Top-Unis in Deutschland gehören würde. Bis 1933 forschten 29 Nobelpreisträger an der HU, die damals noch Friedrich-WilhelmsUniversität hieß. Zu DDR-Zeiten war sie die größte Hochschule Ostdeutschlands und das wissenschaftliche Prestigeobjekt des Arbeiter- und Bauernstaates. Nach der Wende sollte sie nach dem Willen des Senats zur Gesamt-Berliner Spitzen— uni werden. Doch erst einmal war Dümpeln angesagt: Auf die vollständige Umstrukturierung der Universität folgten in den neunziger Jahren immer neue Sparrunden und schließlich der finanzielle Super-GAU: der Bankenskandal 2001 — Berlin war pleite. Die HU muss bis 2009 73 Professuren streichen.

Illustrationen: Sophia Chin

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Oxford, Stanford, Humboldt-Uni Zurück unter die Ersten in der Welt — von diesem Ziel wich Jürgen Mlynek, HU-Präsident von 2000 bis 2005, trotz der Finanznöte nicht ab. »Wir wollen die besten Köpfe« und »Wollen und werden mit Oxford und Stanford konkurrieren«, beschwor er immer wieder. Im Doppelpass mit Politik und Presse wurde die HU zu einer der Top-Unis in Deutschland stilisiert. Als dann im Januar 2004 der Exzellenz-Wettbewerb ausgerufen wurde, schwang dabei — immer implizit, oft auch explizit — mit: Die HU ist Favoritin. Kurz vor der Entscheidung der Jury präsentierte der Tagesspiegel die Studie eines Wissenschaftsberaters. Das Ergebnis: Die Humboldt-Universität wird Elite-Uni. Zwei Wochen später stand fest: Die HU ist bereits in der Vorrunde gescheitert. Trotz des guten Rufes. Trotz des großen Namens, der Geschichte, der Lage im Zentrum der Hauptstadt und des repräsentativen Hauptgebäudes. Das waren über die Jahre die besten Argumente der HU gewesen. Doch die Reputation spiegelt nicht die Realität wider. Das erkannte auch die Exzellenz-Jury. Ein guter Ruf kann doch nicht schaden, könnte man einwenden. Doch er verstellt den Blick für die eigene Situation. Beim Exzellenzantrag ging es gerade darum, ein Zukunftskonzept für die Uni zu entwerfen, das auf einer realistischen Selbsteinschätzung beruht. Auf einer glaubhaften Analyse von Stärken und Schwächen. Eben das schien die HU versäumt zu haben. Stattdessen schielte man nach Oxford und Stanford. Doch die Beispiele taugen nicht. Stanford hatte im Jahr 2004/2005 einen Haushalt von 2,9 Milliarden Dollar, darunter allein 600 Millionen Dollar Spendengelder. Die HU musste im selben Jahr mit 370 Millionen Euro wirtschaften. Auch staatliche EliteUnis wie Berkeley spielen in einer anderen Liga.

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Titel Universitäten wie Stanford und Berkeley haben ihre Reputation jedoch nicht wegen der Höhe ihrer Budgets. Sondern auf Grund der Lehr- und Lernbedingungen, der Professoren und Professorinnen und der Studierenden. Aber was macht sie zur akademischen Elite? Laut Michael Hartmann, Professor für Soziologie in Darmstadt und Elitenforscher, definieren Eliten sich selbst über Leistung. »Sie ist die Rechtfertigung für Eliten«, sagt er. Im Bereich der Wissenschaft sei Leistung vergleichsweise leicht nachweisbar. Über Drittmittel, Veröffentlichungen und Auszeichnungen. An angelsächsischen Spitzen-Hochschulen ist es ein Muss, dass die Studierenden über den Tellerrand des eigenen Faches hinausschauen. Das schließt das Basketballspiel für Kunstwissenschaftler ebenso ein, wie das Engagement des Biochemikers in der Theatergruppe.

Zum Wohle der Menschheit Den Elfenbeinturm zu verlassen, fordert auch die Studienstiftung des Deutschen Volkes von ihren Stipendiatinnen und Stipendiaten. Cordula Avenarius, Pressesprecherin der Stiftung, dazu: »Entscheidend ist für uns neben der Leistung auch das soziale Engagement.« Die Studienstiftung ist Deutschlands größte und am meisten anerkannte unabhängige Einrichtung, die Stipendien für hochbegabte Studierende vergibt — zurzeit werden 6.000 gefördert, weniger als 0,5 Prozent aller Studierenden. Elite-Kriterien sind also Leistung, ganzheitliche Bildung und soziales Verantwortungsgefühl. Pathetischer drückt es das Leitbild des Massachusetts Institute of Technology (MIT) aus: »Wir wollen in jedem Mitglied des MIT die Fähigkeit und Leidenschaft fördern, verantwortungsbewusst, kreativ und effektiv zum Wohle der Menschheit beizutragen.« Zum Wohl der Menschheit können die Mittel- oder Unterschichten kaum etwas beitragen. Soziale Selektion ist die Kehrseite der Elitemedaille. »Eliten rekrutieren sich zum größten Teil aus sich selbst« sagt Michael Hartmann. Daran würden auch großzügige Stipendienprogramme nichts ändern. In Stanford würden zum Beispiel vier Fünftel der Studierenden aus dem oberen Fünftel der Gesellschaft kommen. Aber auch in Berlin kommen, laut Sozialerhebung des Studentenwerkes, nur zehn Prozent der Studierenden aus bildungsfernen Schichten. In den USA wählen die Unis ihre Studierenden selbst aus. Die Hochschulen sind autonom, verfügen frei über ihre Budgets, entscheiden, wie viele Studierende sie aufnehmen, fördern die Besten und führen sie sofort an die Forschung heran — das alte humboldtsche Credo von der Einheit von Lehre und Forschung ist hier verwirklicht.

Die Elite sitzt woanders Noch ist all das in Deutschland anders. Die Elite der Forscherinnen und Forscher sitzt nicht an den Hochschulen, sondern an außeruniversitären Einrichtungen, wie den MaxPlanck-, Helmholtz- oder Fraunhofer-Instituten. Und die Elite der Studierenden wird von außeruniversitären Stiftungen ge-

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fördert. Dies könnte sich jetzt ändern, denn zuletzt haben die Hochschulen von Bund und Ländern neue Freiheiten erhalten. Die Gehälter von Professoren und Professorinnen sind nun verhandelbar. Beim Werben »um die besten Köpfe« kann künftig die Zahl auf dem Gehaltszettel das beste Argument sein. Und auch bei den Studierenden können die Universitäten ab dem nächsten Jahr wählerischer sein. An der HU werden ab 2007 bis zu 60 Prozent der Studienplätze durch ein Auswahlverfahren vergeben werden. Persönliche Gespräche mit den Bewerbenden, Motivationsschreiben oder Einstufungstest werden dann zur Standardbewerbung gehören. Die Universitäten werden autonomer und haben mehr Möglichkeiten, ihr Profil zu schärfen. Die Hochschullandschaft wird sich ausdifferenzieren. Welche Uni dann womöglich als Elite gelten wird, hängt für Michael Hartmann vom Ergebnis des Exzellenzwettbewerbes ab. Der Elitenforscher prognostiziert, dass es »am Ende 20 Eliteuniversitäten geben wird, die Gelder haben, die besten Wissenschaftler und Studenten. Die anderen bleiben noch stärker unterfinanzierte Massenuniversitäten.« Laut Hartmann wird die Spitze durch ihren Titel staatliche Forschungsgelder und Spenden von Stiftern anziehen. Hier würden sich die besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie die besten Studierenden versammeln. Ob die Humboldt-Universität nach der zweiten Runde im Exzellenzwettbewerb im nächsten Jahr dazugehören wird oder nicht, ob sie damit auf Jahre hinaus wieder zu den Top-Unis in Deutschland gehören wird oder nicht — eine Analyse der Stärken und Schwächen der Universität kann auch ohne EliteTitel positiv wirken. Das schärft den Sinn für die Realität. Die ist in vielen Bereichen alles andere als exzellent. Dazu muss man nicht nach Übersee schauen, sondern einfach mit offenen Augen durch die Universität laufen. Das haben wir getan. Und dabei von Elite wenig gesehen. Benjamin Reuter, Fabian Reinbold <

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Titel Elite-Check, Teil 1: Sind HU-Studierende motiviert und fleißig? Oder einfältig und faul? Wir haben 70 Profs befragt.

Bloß nicht überarbeiten > Miese Hausarbeiten, kaum Vorbereitung und schlechte Mitwahrnimmt. Hinzu kommen bei vielen Prüfungsangst und Konarbeit. Mit der Mehrzahl ihrer Studierenden geht eine Profeszentrationsprobleme. sorin der Humboldt-Universität (HU), die nicht namentlich geAnderen fehlt es schlicht an der Motivation. Die Sprechstunnannt werden möchte, hart ins Gericht. Auch auf Seiten der den würden von den Studierenden kaum genutzt und »miese MaStudis ist man kritisch: Cora, 24, hat sich schon häufiger in nieren« (so Germanistikprofessor Erhard Schütz) im Umgang mit den Seminaren geärgert. »Besonders die schlechten Referate den Lehrenden und Mitstudierenden würden das effektive Lersind auch für die Mitstudenten Zeitverschwendung«, sagt sie. nen erschweren – Essen im Seminar, Unterhaltungen und ZuDas sind keine Einzelmeinungen. Bei einer Umfrage der Unspätkommen seien an der Tagesordnung, monieren die Profs. Aufgefordert unter 70 Professoren und Professorinnen der HU Dabei scheinen sich die Strukturen einer Massenuni mit beschwerte sich immerhin ein Drittel über ihre Studierenden. überfüllten Kursen auf die Motivation und Mitarbeit in den SeNicht über alle, natürlich, aber wirklich zufrieden waren die minaren auszuwirken. Oliver Simons, bis vor kurzem noch MitProfs nur mit den wenigsten Studierenden. arbeiter in der Germanistik der HU und jetzt »Assistant ProfesJens Asendorpf, Professor für Psychologie, setzt zum sor« in Harvard, weist auf die Unterschiede zu seiner neuen Beispiel gar keine Seminarvorbereitung mehr voraus. Und Heimat hin: »Im Unterschied zu den Berliner Studenten sind auch die Teilnahme während des Semesters »lässt stets zu hier 100 Prozent vorbereitet. Und die Studenten suchen auch wünschen übrig«, sagt er. Und für Rüdiger Steinlein, Profesdie Betreuung.« Die sechs Studierenden, die Simons jetzt besor am Institut für deutsche Literatur, ist es schon zur Retreut, kämen öfter zu ihm als die fünfzig, die er an der HU im gel geworden, dass sich im Seminar nur zehn Prozent der Seminar hatte. Natürlich lernt es sich in kleinen Gruppen besTeilnehmenden regelmäßig beteiligen. Auch Hausarbeiten ser. Und wenn nur ein Dutzend Leute im Seminar sitzen, kann seien teilweise »sprachlich und formal in einem unglaubsich niemand verstecken – wer nichts sagt, fällt sofort auf. lichen Zustand«. Das bestätigt auch Verena Lobsien, ProfesEine Rolle spielt auch das gesellschaftliche Umfeld, in dem sorin für Anglistik: »Es ist bedrückend, dass sich immer weheute studiert wird. Für viele Studierende, so Jens Asendorpf, niger Studierende angemessen artikulieren können.« Claubesitze »das Studium oft eine geringere Priorität als der Job«. In dia Kemfert, Professorin für Umweltökonomie, bemängelt die Wissenschaft wollen nur die wenigsten Studierenden gehen. die »Konsumentenmentalität« in ihren Kursen. »Die StudieUnd dass man später in dem Bereich des eigenen Studienfaches renden wollen den Stoff – wie zu Hause vor dem Fernseher – arbeiten kann, darauf kann man sich auch nicht verlassen. Desvorverkostet bekommen«, sagt sie. Diese Beschwerden-Arie halb sammeln Studierende schon während des Studiums Praxiließe sich noch fortführen. serfahrungen in ganz unterschiedlichen Bereichen und knüpfen Die Lehrenden sehen dafür vielerlei Gründe. Zu viele StuKontakte. Das Studium ist nur noch ein Teil der Ausbildung – dierende könnten sich wegen Nebenjobs, Praktika oder Kindern und für viele schon nicht mehr der wichtigste. nicht ausreichend auf die Uni konzentBenjamin Reuter < rieren. Die Zahl der Studierenden mit Nebenjob ist tatsächlich groß – in Berlin verdienen, laut Studentenwerk, zwei Drittel neben dem Studium Geld. Zudem führen manche Profs private Probleme Illu str atio ihrer Studierenden n: S op als Grund für schlechte hia Ch Leistungen an. Auch hier in hat das Studentenwerk herausgefunden, dass ein Siebtel der Studierenden Beratungsangebote für psychische Probleme

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Titel Geschlossene Türen statt offener Ohren: Für viele Profs sind ihre Studierenden nur lästige Pflicht.

Betreuung mangelhaft »Ich fand es unerträglich«, sagt Jan über die Studienbedingungen an der Humboldt-Universität (HU). Jan ist Unternehmensgründer und ehemaliger Student der HU. In seinen letzten beiden Studienjahren wandte er Berlin den Rücken zu und ging an die University of Toronto und zum Institut des Hautes Etudes Internationales in Genf. Grund für seine Abkehr von der HU, sagt er, seien nicht zuletzt die Professoren und Professorinnen gewesen. Sind diese so schlecht an der HU? Nobel- und MaxPlanck-Preise gab es in jüngster Zeit nicht. Leibnizpreise? Immerhin sechs. Aber nur selten beklagen sich Studierende darüber, keine preisgekrönten Lehrenden im Hörsaal vorzufinden, denn sie kommen fast nur mit der Lehre und selten mit der Forschung ihrer Profs in Kontakt. Die Kritikpunkte sind andere: »Manche Professoren kümmern sich nicht um die Interessen der Studenten und haben auch gar keinen Anreiz, sich etwas anderem als ihren persönlichen Forschungsvorlieben zu widmen«, sagt Jan. »Es wird selten gefragt, wofür sich Studenten thematisch interessieren, sondern angeboten, wozu Professoren Lust haben.« Mit seiner Meinung steht er nicht allein da. »Langweilige Seminare« ist einer der Hauptvorwürfe an die Lehrenden in den Evaluationen der HU. Ganz oben stehen auch »fehlender Kontakt mit den Lehrenden«, »zu wenig Feedback bei Referaten und Hausarbeiten« und »geringe Motivation der Lehrenden«. Viele Studierende sind unzufrieden damit, dass sie zu lange auf Sprechstundentermine und die Rückgabe von Arbeiten warten müssen. Eine beliebte Praxis von Professoren und Professorinnen sei es auch, auf die zweite E-Mail zu warten, bevor sie antworten, so die Beobachtung eines Studenten. Die Situation an einer Elite-Universität stellt man sich anders vor. Es gibt aber auch viele Professoren und Professorinnen, die sich stark engagieren. Gerade in manchen kleinen Instituten besteht zwischen Lehrenden und Lernenden ein fast freundschaftliches Verhältnis. In der Skandinavistik beispielsweise herrschen höfliche, aber lockere Um-

gangsformen. Die Lehrenden gehen oft auch außerhalb der Sprechstunden auf Probleme ein und ein guter Teil von ihnen lässt sich von den Studierenden sogar duzen. Diese Einzelfälle reichen jedoch nicht aus, um der HU den Stempel »Elite« aufzudrücken. Ortswechsel: Harvard in Cambridge, Massachusetts. Hierhin schauen die Deutschen gerne, wenn sie über Elite-Universitäten sprechen. Harvard ist Forschungsuniversität. Gleichzeitig wird auch auf das Verhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden sowie deren Betreuung großen Wert gelegt. Für »undergraduates« gibt es »counselors«, die sich um die Probleme der Studierenden kümmern und den Graduierten beim Berufsstart nach Kräften helfen. Auch von Seite der Lehrenden findet eine umfangreiche Betreuung statt. Oliver Simons ist Dozent am Germanistik-Institut in Harvard und lehrte auch schon an der HU. »Die Beziehung ist weitaus persönlicher«, sagt er über die Betreuungssituation in Harvard. Seine Studierenden sehe er regelmäßig auch außerhalb des Seminars. »Ich habe aber auch von jedem die Telefonnummer«, so Simons. Im Hinblick auf Harvards Milliardenetat verwundern diese Schilderungen nicht weiter. Auch die University of Toronto steht finanziell deutlich besser da als die HumboldtUniversität. Jan berichtet über seine Zeit dort Ähnliches: »Die Türen vieler Büros stehen stets sperrangelweit auf, so dass Studenten jederzeit eintreten können.« In Toronto bestehe zwischen Studierenden und Professoren häufig ein Verhältnis gegenseitigen Respekts, sagt er, »während in Deutschland, mit Verlaub, teilweise der Eindruck entstehen könnte, Unkündbarkeit führe zu Arroganz und einem Schwund an Arbeitseifer.« Harte Worte. Es scheint nicht nur das Geld zu sein, das über die Qualität von Lehre und Betreuung entscheidet. Das zeigt auch das Beispiel der Skandinavistik. Man braucht keine Millionen, damit sich Studierende ernst genommen und gut beraten fühlen. Guter Wille würde für den Anfang vielleicht reichen. Antje Binder <

Illustration: Sophia Chin

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Elite

Titel Nur wenige Fußminuten vom Reichstag im Zentrum der Stadt. Das Hauptgebäude strahlt nach außen. Innen jedoch gibt’s mehr Schatten als Licht.

Es bröckelt überall Illus

trati

> Im Foyer des Hauptgebäudes Unter den Linden knipsen drei japanische Touristinnen Fotos. Über den ausladenden Treppenaufgang vorbei an Marx’ Zitat geht es zur Ahnengalerie. Dort schlendern sie ehrfürchtig von einer Prominenz zur nächsten. Jede lässt sich einzeln vor dem Bild Albert Einsteins ablichten. Ein Student sitzt vor dem Senatssaal auf den ausgelagerten Tischen und liest mit rundem Rücken die »taz«. Die Japanerinnen gehen wieder hinunter in den Vorderhof, machen Fotos von der Frontseite und verschwinden schließlich Richtung Alexanderplatz. Sucht man im Internet nach Fotos der Humboldt-Universität (HU), so findet man eben jene Ansicht des Hauptgebäudes tausendfach wieder.

Die Präsidenten schämen sich »Ich schäme mich für die Lokalitäten.« Zwei Jahre ist das nun her, da Jürgen Mlynek, ehemaliger Präsident der HU, diese Worte sprach. Und auch sein Nachfolger Christoph Markschies spricht von dem »kaum erträglichen Zustand der Universitätsgebäude«. Nur das repräsentative Hauptgebäude können sie doch damit nicht meinen? In exponierter Lage im histo-

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on: S oph ia Ch in

rischen Zentrum der deutschen Hauptstadt, in Fußmarschnähe zur politischen Macht des Landes – welche Universität kann das schon vorweisen? Doch das Aushängeschild der aufstrebenden Spitzenuniversität hat Risse. Wer sich ein wenig weiter von der Ahnengalerie entfernt, bekommt ein anderes Bild des ehemaligen Palais des Prinzen Heinrich von Preußen. Man bekommt eine Ahnung, warum Markschies erst jüngst eine Aktion »Bürger, rettet eure Hörsäle« nach Mannheimer Vorbild vorschlug. Bastian, der Geschichte studiert, erzählt vor der Zweigbibliothek von den Hörsälen des Hauptgebäudes. Die Sitze würden mit zunehmender Veranstaltungslänge immer härter und knarrten bei den kleinsten Bewegungen laut. Die Lehrenden seien dadurch schlecht zu verstehen, sagt Bastian. Der große Schleiermachersaal im dritten Stock sei nur ein Beispiel von vielen. »Dort ist vor zwei Jahren einmal mitten in der Vorlesung ein Fenster heraus gefallen.« Und eines Morgens stand er mal vor den verschlossenen Türen des Saals 3092, weil dort teilweise die Decke heruntergekommen war. »Andere Säle sind im Gegensatz dazu sehr modern«, fügt er hinzu. Den Hörsaal 2091/92 kann er damit definitiv nicht meinen. Denn zwischen den Parkett- und den Sitzreihen des Rangs

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Elite

Titel steht ein großer altmodischer Aufbau für Diaprojektionen, der zwar aus Glas besteht, aber deswegen noch lange nicht durchsichtig ist. Kommt man zu spät zur Vorlesung, bleiben nur noch Plätze ohne Sicht.

»Bitte reparieren!« Die Sitze im, für offizielle Anlässe so wichtigen, Audimax haben zwar Polster, doch stehen die Sitzreihen zu eng beieinander. Personen über ein Meter siebzig wissen aus eigener schmerzhafter Erfahrung, wie lang zwei Stunden dort sein können. »Die Sitze der Hörsäle im Hauptgebäude sind die schlechtesten der ganzen Universität«, sagt auch Philosophiestudentin Ina. Wer vom Rang des Audimax den dritten Stock des Ostflügels Richtung Amerikanistikbibliothek entlangschlendert, dem werden Risse in den Wänden sowie bröckelnder Deckenputz auffallen. Ein großer Wasserfleck vor den Räumen der Fachschaftsinitiative Amerikanistik/Anglistik weist auf das undichte Dach hin. Der Linoleumfußboden, den es im Hauptgebäude in zirka sechs unterschiedlichen Farben gibt, ist hier geflickt und löchrig. Vor dem Büro der Frauenbeauftragten steht ein beschrifteter, kaputter Abfallwagen. Man mag die Aufschrift unterstreichen. Sie lautet: »Bitte reparieren!« Ein Stockwerk tiefer, am Fuße des Treppenaufgangs Neun findet man die Hörsäle 2014 a und b. Die einstigen Hörsaalnummern sind nicht mehr vorhanden. Handbemalte Holzplatten kleben stattdessen neben den Türen.

Doppelt hält besser. Das würde auch für das marode Dach gelten.

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Der Westflügel – ein Besuch in der Zweigbibliothek für Geschichte. Der Lesesaal ist wie meist voll besetzt. Ausweichend kann man sich auf die Sitzplätze in den Nachbarräumen verteilen. Will man genug Licht zum Lesen haben, ist das nur zu bestimmten Tageszeiten zu empfehlen. Bei der Stadt- und Militärgeschichte etwa gibt es keine Lampen über den Arbeitsplätzen, und so kneifen schon am späten Nachmittag die Lernenden angestrengt die Augen zusammen. Auf dem Weg zum Innenhof fragt ein Besucher, wo er hier in Ruhe lesen könne. In die Bibliotheken will er nicht. Glücklichweise stehen vor dem Senatssaal noch genügend freie Tische. Denn mit den sonstigen Arbeitsplätzen sieht es schlecht aus. Vorbereitungen in Gruppenarbeit für die Seminare werden so zum Problem. Da weichen die meisten Studierenden in die umliegenden Cafés aus oder treffen sich gleich in der heimischen Wohnung. Im Innenhof sitzen die Studierenden auf den Bänken und plaudern. In den Grünanlagen hinter ihnen hängen die Stromkabel von Laterne zu Laterne. Hier und da ist das gelbe Glas der Lampen gesprungen. Mitunter lassen nur noch Stümpfe einstiger Lichtmasten auf die ehemalige Beleuchtung schließen. Vor dem Haupteingang, unter Helmholtz’ strengem Blick, hämmern Bauarbeiter schon Pflastersteine in den weichen Kies. In nicht mehr allzu ferner Zukunft werden die Touristen und Touristinnen hier wieder flanieren können. Und Fotos von den altehrwürdigen Fassaden machen. Sebastian Rothe <

Fotos: Romy Alig

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Elite

Titel Das Siegel auf dem T-Shirt, die Uni im Herzen. Die Elite identifiziert sich mit der eigenen Hochschule. Noch ein weiter Weg für die Humboldt-Uni

Studium, Abschluss und Tschüss > Vier Jahre noch, dann feiert die Humboldt-Universität (HU) ihr zweihundertjähriges Jubiläum. Christoph Markschies, Präsident der HU, hat klare Vorstellungen davon, was bis dahin erreicht werden soll: eine »Stärkung der eigenen Identität« als »Humboldtianerinnen und Humboldtianer«. In Zeiten des Exzellenzwettbewerbs sei es besonders wichtig, sich an den Idealen der Universität zu orientieren. Gerade für Universitäten, die den Elitestatus anstreben, sei die individuelle Bindung ihrer Mitglieder ein Maßstab für den eigenen Entwicklungsstand. Identifizieren sich die Studierenden aber wirklich mit der HU? »Viele Leute kommen her, studieren, machen ihren Abschluss und das war’s dann«, sagt Sibylle Kapp, Alumni-Koordinatorin der HU. Wir haben uns bei den Studentinnen und Studenten umgehört: Immerhin knapp über die Hälfte der von uns Befragten gab an, sich sehr wohl mit ihrer Universität identifizieren zu können. Auch die Tradition der HU sei für sie von Bedeutung. Auf die Frage, wie die HU vor 1949 hieß, wusste allerdings nur ein Drittel eine Antwort. Klaffen da Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit? Eine Antwort kann der Humboldt-Laden im Hauptgebäude geben. Dort könnten sich traditionsbewusste Studierende mit allem Möglichen eindecken. Vom T-Shirt bis zum Manschettenknopf für die Abendgarderobe gibt es alles mit dem Universitätssiegel zu kaufen. Die Bilanz ist allerdings ernüchternd: Die Artikel mit den beiden Humboldtköpfe werden überwiegend von Touristen oder ausländischen Studierenden erworben. HU-Studierende dagegen würden sich, wenn überhaupt, erst zum Ende ihres Studiums ein T-Shirt kaufen, sagt eine Verkäuferin des Ladens. Aber auch nach dem Studium ist es mit der Identifikation nicht weit her. In vielen englischen und amerikanischen Hochschulen spielen Alumni-Vereine eine wichtige Rolle, um ehemalige Studierende an die Hochschule zu binden. Absolventen und Absolventinnen organisieren sich dort in Clubs. Sie unterstützen die Universität finanziell und bilden Netzwerke, von denen auch spätere Jahrgänge profitieren. Man mache in Deutschland zwar Fortschritte, sagt Sibylle Kapp. Besonders über die einzelnen Fachbereiche würde es gelingen, Studierende und Graduierte einzubinden. Für die Gesamtheit der Univer-

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Illustration: Sophia Chin

sität gelte das aber noch nicht. Identifikation sei noch immer eine sehr individuelle Angelegenheit, die viel mit der Betreuung und der Studienfachwahl zu tun habe. Laut Kapp wird zudem zu sehr zwischen »innerhalb der Uni« und »außerhalb der Uni« unterschieden. Ein universitäres »social life«, wie es in England beispielsweise üblich ist, würde sich nicht entwickeln. Dass sich Studierende der HU weniger mit ihrer Universität identifizieren, sei, so Kapp, vor allem ein Mentalitätsproblem: »Das sind wir nicht gewohnt.« Eine Identifikationskultur könne in diesem Sinne nur langsam entstehen. Die Frage ist, ob die vier Jahre bis zum großen Jubiläum dafür reichen. Sebastian Rothe <

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Mission Elite UnAufgefordert: Was genau ist Ihre Aufgabe? Tile von Damm: Ich koordiniere den Antrag für die dritte Säule des Exzellenzwettbewerbs. Die Verantwortung dafür liegt beim Präsidenten Christoph Markschies. Kurz gesagt, es geht um ein Zukunftskonzept für die Universität. Die erste Deadline hierfür ist der 15. September. Die Gewinner in der dritten Säule werden als »Elite-Unis« gelten. Haben Sie schon etwas Elitewürdiges an der HU entdeckt? Ja, eine ganze Menge — natürlich. Trotzdem schauen wir uns selbstverständlich die Universität genau an. Zunächst müssen wir fragen: Wo stehen wir? In der Forschung, der Lehre, der Verwaltung, beim Fundraising oder bei der Gebäudestruktur. Wir müssen uns alle Baustellen ansehen. Derzeit erstellen wir eine genaue Stärken-Schwächen-Analyse, wobei wir den Input der Mitarbeiter und Studierenden begrüßen. Wir verfolgen einen integrativen Ansatz. Wir haben Fragebögen an die Dekane der Fakultäten sowie die Professoren und Professorinnen geschickt und bitten um ihre Visionen und Einschätzungen. Bis Mai soll die Analyse stehen. Darauf aufbauend werden wir die wesentlichen Bausteine des neuen Antrags identifizieren. In der ersten Runde ist die HU bereits in der Vorauswahl gescheitert. War der Exzellenzantrag so schlecht? Nein. Auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat in ihrem Gutachten empfohlen, Teile des Nachwuchskonzepts umzusetzen. Nichtsdestotrotz sollten wir prüfen, ob die Ausrichtung des alten Antrags zu singulär war. Was soll beim neuen Antrag betont werden? Stehen die so genannten »Lebenswissenschaften« im Mittelpunkt? Ich denke, dass die Idee der Lebenswissenschaften als eine Integrationswissenschaft eine wichtige Rolle spielen wird. Derzeit diskutieren wir auf allen Ebenen die genaue Ausrichtung. Daneben werden weitere Elemente aufgenommen werden, bspw. die Nachwuchsförderung. Bei der Einführung der Junior-

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professur waren wir die erste Universität in Deutschland — das sollten wir nutzen und weiter ausbauen. Denn uns sollte ja allen an einer exzellenten Ausrichtung der HU gelegen sein. Und gerade hier liegen Chancen für ein Thema wie die Lebenswissenschaften.

Foto: Romy Alig

> An einer Bürotür neben dem Senatssaal hängt ein unauffälliges Schild. Darauf steht »Exzellenzinitiative«. Das hat uns neugierig gemacht und wir haben geklopft. Aufgemacht hat Tile von Damm. Der 36-jährige Politikwissenschaftler soll dafür sorgen, dass die Humboldt-Universität (HU) in der zweiten Runde des Exzellenzwettbewerbs von Bund und Ländern Erfolg hat.

Haben andere Unis nicht eine bessere Ausgangssituation im Exzellenz-Wettbewerb? Nein, die HU besitzt eine sehr gute Anlage. Wir schauen auch nicht primär zu den anderen Universitäten, um dann etwas zu kopieren, sondern überlegen: »Wir sind die Humboldt, wo wollen wir hin?« Zudem Auf der Suche nach Exzellenz: Tile von Damm. hängt der Erfolg in der dritten Säule auch vom Erfolg in den ersten beiden Säulen ab. Ich glaube, dass wir sehr gute Chancen in allen drei Säulen haben. Und dass bereits jetzt spannende und starke Forschung an der HU stattfindet, ist unbestritten. Warum sollte die HU Elite sein? Ist sie das nicht schon? (lacht) Im Ernst: Als internationaler Leuchtturm kann man gute Leute gewinnen, welches natürlich zusätzliche Drittmittel und zusätzliches Renommee bedeutet. Zudem ist es wünschenswert, nachhaltige Strukturen für Forschung und Lehre umzusetzen. Wo wird die HU im Jahr 2010 zu ihrem zweihundertjährigen Jubiläum stehen? Die HU wird Exzellenzuniversität sein. Sie wird zukunftsweisende Bausteine, spannende Forschungsprojekte und neue Strukturen haben. Und die Baustelle vor dem Haupteingang wird hoffentlich fertig sein. Das Interview führten Benjamin Reuter und Fabian Reinbold. <

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Politik Beim Arbeiten die Kündigung im Nacken — ein Gesetz bringt die Zukunftsängste der französischen Jugendlichen zum Ausbruch.

Von der Uni auf die Straße »Villepin défendu, la jeunesse est dans la rue!« skandieren Demonstrierende beinahe täglich in den Straßen von Paris. Doch der französische Premierminister ist ganz und gar nicht besiegt. Trotz der seit zwei Monaten anhaltenden Proteste gegen den CPE ist er nur zu geringen Modifikationen bereit. CPE steht für »Contrat Première Embauche« (Ersteinstellungsvertrag), der es ermöglicht, alle unter 26-Jährigen in den ersten zwei Jahren ihrer Einstellung ohne Frist und Nennung eines Grundes zu entlassen. Ende Februar begannen die meisten Pariser Universitäten, in den Streik zu treten. Die Sorbonne kam erst Mitte März als letzte der dreizehn Pariser Universitäten hinzu, sorgte aber für umso mehr Aufsehen, da sie bereits in der ersten Nacht der Blockade von der Polizei gestürmt wurde. Seitdem finden keine Seminare mehr statt. Die Mehrheit der Studierenden ist dafür, dass der Streik weitergeht »bis Villepin das Gesetz zurücknimmt«, sagt Charlotte Grosse, Filmstudentin im dritten Jahr. Während andere dies mittlerweile für idealistisch halten und für die Öffnung der Unis sind, Gegen den CPE — Studierende in Paris. blockieren Charlotte und ihre Freunde weiterhin täglich die Sorbonne Nouvelle. Vanessa Doux ist Mitglied der Studierendenvertretung von Paris III und betont, dass es sich entgegen dem Bild, das in den Medien vermittelt wird, um eine friedliche Bewegung handelt. Die gewalttätigen Ausschreitungen bei Demonstrationen kämen ausschließlich von nichtstudentischer Seite. Jean Franck, Philosophiestudent der Sorbonne denkt da anders. Ausschreitungen würden Medienpräsenz bringen und genau das bräuchten die Studierenden im Moment. Szenen, wie jene der Sorbonne, in der Studierende mit Stühlen und Steinen die Polizei bewerfen und Jugendliche auf dem Place de la Sorbonne randalierten, scheinen dies zu belegen. Überall in Frankreich und im Ausland waren diese Bilder zu sehen.

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Als gewalttätig sind dennoch drei Gruppen auszumachen, die sich nicht unbedingt im studentischen Milieu befinden. Zum einen jene, die der Innenminister Sarkozy noch vor nicht allzu langer Zeit als »racaille« (Gesindel) beschimpft hatte: die Jugendlichen aus den Banlieues. Zum anderen linksextreme Gruppen, die auch für die Zerstörung der renommierten EHESS (École des Hautes Études en Sciences Sociales) verantwortlich gemacht werden. Seit neuestem treten als dritte Gruppe Neonazis auf, um die Linken auf den Demos zu attackieren. »Das Problem sitzt gesellschaftlich viel tiefer«, sagt Emmanuelle Saunier, die vor ein paar Wochen ihren Abschluss an der Sciences Po (Politikwissenschaften) gemacht hat. »Es ist kein Zufall, dass elitäre Einrichtungen wie die EHESS und teure Autos im Quartier Latin zerstört werden.« Auch Jean sagt, dass ein Zusammenhang zwischen den Ereignissen in den Banlieues im November 2005 und der Anti-CPE-Bewegung bestehe. »Das Gesetz ist nur der Aufhänger für die Jungen, auf Missstände in der Gesellschaft aufmerksam zu machen.« Nun geht es nicht Foto: Sarah Hofmann mehr nur um die Diskriminierung der jungen Immigranten und Immigrantinnen, sondern aller jungen Menschen in Frankreich. Dennoch fühlen sich viele Studierende nicht persönlich vom CPE bedroht, sondern meinen, dieser würde eher die Unterschichten treffen. Genau mit denen wollten sie sich aber solidarisch zeigen, sagt der Theaterstudent im ersten Semester Dimitri Flamant. Absolventin Emmanuelle, die Glück hatte und ihren Nebenjob als halbe Stelle in einem politischen Institut behalten konnte, sieht das anders. »All die Erstsemester und Schüler, die Streiken sollen doch erst einmal ein paar unbezahlte Praktika machen und erkennen, wie es um den Arbeitsmarkt steht«, echauffiert sie sich. Sie zieht das geringere Übel eines CPE vor. Sarah Hofmann <

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Politik Unbezahlte Praktika, unsichere Zeitverträge: Auch in Deutschland ist der Berufseinstieg schwer. Protestiert wird bislang jedoch wenig.

In der Warteschleife > In Paris gehen Zehntausende auf die Straße, auf dem Pariser Die Situation junger hoch qualifizierter Menschen scheint Platz in Berlin sind es 50. Es ist der 1. April, vor dem Brandenin Deutschland kaum anders als in Frankreich. Aber hierzulanburger Tor wird gegen unfaire Praktika protestiert. »100 Prozent de ist es ruhig. Christian Berg vom »Freien Zusammenschluss Leistung, Null Prozent Lohn? Schluss damit!« steht auf einem der StudentInnenschaften« (fzs) sieht ein strukturelles Problem. Plakat. Die Demonstrierenden tragen weiße Masken. Sie solIn Frankreich seien die Studierenden automatisch in Gewerklen austauschbare Arbeitskräfte ohne Gesicht symbolisieren. Zu schaften organisiert und sie verstünden sich auch als solche. der Aktion haben Fairwork, eine »Interessenvertretung für Hoch»In Deutschland haben wir ein Mobilisierungsproblem.« schulabsolventen«, die Jugendorganisation des Deutschen GeHinzu kommt, dass sich die Studierendenvertretungen werkschaftsbundes und die französische Génération Précaire an den Unis nicht allgemeinpolitisch äußern dürfen, sondern aufgerufen. »Wir wollen ein Zeichen gegen die Ausbeutung von nur über hochschulrelevante Themen. Bei Verstößen drohen Praktikanten setzen«, sagt Frank Schneider von Fairwork. Geldstrafen. »Das Thema Berufseinstieg von Absolventen wäSeit Monaten geistert re in der Grauzone«, sagt das Schlagwort der »GeJan Johannsen vom Hamneration Praktikum« durch burger Asta. »Außerdem Deutschland. Zu ihr geschauen viele Studenten hören gut ausgebildete momentan kaum über Hochschulabsolventinnen den Tellerrand.« Die Stuund –absolventen, die dierendenvertretung in nach dem Abschluss keine Hamburg gilt als besonFestanstellung finden und ders protestfreudig. Doch sich stattdessen von einem auch hier sind keine AktiPraktikum zum nächsten onen geplant. »Momentan hangeln. Für keinen oder beschäftigen wir uns mit nur geringen Lohn leisten Studiengebühren. Das ist sie oft anspruchsvolle Ardas große Thema hier.« beit. Nach drei bis sechs Das Thema BeMonaten müssen sie noch rufseinstieg könnte akden neuen Praktikanten tueller werden, wenn die einarbeiten und sich dann Bundesregierung das veretwas Neues suchen. Gut ausgebildet, schlecht bezahlt: Protest in Berlin. Foto: DGB-Jugend wirklicht, was im KoalitiEine Studie der Freionsvertrag steht. Ein Pasen Universität hat ergeben, dass ein Viertel des Jahrgangs 2000 sus sieht vor, die Probezeit von sechs Monaten auf zwei Jahnach dem Hochschulabschluss noch ein Praktikum absolviert re heraufzusetzen. In diesem Zeitraum sollen Kündigungen hat – die Hälfte davon ohne jeglichen Lohn. Bei den Geistesjederzeit kurzfristig möglich sein. Ein solches Gesetz würde und Sozialwissenschaften hat gar ein Drittel noch als Praktikant nicht nur Berufsanfänger und –anfängerinnen betreffen, sonoder Praktikantin gearbeitet. »Dabei gehören Praktika allein ins dern für alle Beschäftigten gelten, die eine neue Stelle antreten. Studium und nicht in die Zeit danach«, sagt Karl-Heinz Minks, Zwischen Union und SPD ist die Regelung umstritten. Ob sie Forscher des Hochschul-Informations-Systems. durchgesetzt wird, ist momentan unklar. »Aber wir müssen nicht nur über Praktika sprechen, sondern Ein solches Gesetz, sagt Dieter Grühn, würde an der Reaallgemein über prekäre Berufseinstiege«, so Minks weiter. Er belität aber gar nichts verschlimmern. »Es kommt ohnehin für imzieht sich darauf, dass immer mehr Uniabsolventen und –absolmer mehr Absolventen zu einer Kette von kurzfristigen, unsiventinnen statt einer festen Stelle lediglich kurzfristige, schlecht cheren Beschäftigungen.« Die jungen Leute müssten sich darbezahlte Honorarverträge bekommen. Laut Dieter Grühn, der an gewöhnen. die Studie an der Freien Universität durchgeführt hat, hieß es Fabian Reinbold < vor zwei Jahrzehnten, nach spätestens drei Jahren sei der Berufseinstieg abschlossen. »Heute muss man sagen, es kann ein · Betreuung wissenschaftlicher Arbeiten Leben lang dauern«, so Grühn. Den Trend hin zu befristeten Ar· Studienorganisation / Arbeitstechniken beitsverträgen kann auch Rosemarie Schwartz-Jaroß bestäti· Prüfungsvorbereitung gen. Die Leiterin der Abteilung »Beruf und Wissenschaft« an der Humboldt-Universität sagt, das Problem betreffe aber nicht nur die Unternehmen, »sondern auch den öffentlichen Dienst, es ist ja selbst an der eigenen Universität der Fall.« 030 - 69 56 92 44 www.mentor-berlin.de

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Studieren Weg von den Klischees: Was die Fachschaften wirklich für die Studierenden tun.

Lauter komische Leute? > Sie haben lange, ungewaschene Haare und putzen sich nie die Zähne. Die Semesterzahl auf ihren Studierendenausweisen ist mindestens zweistellig. Fast ebenso lange ist es her, dass sie die letzte Lehrveranstaltung besucht haben. Außerhalb der Uni bekommen gewöhnliche Studierende sie höchst selten zu sehen: vielleicht mal bei der Erstsemester-Einführung, wo es in einer lustigen Schnitzeljagd quer durch alle Universitätseinrichtungen geht, oder weil ihnen plötzlich jemand einen Wahlzettel mit der Aufschrift »Fachschaftsrat« unter die Nase hält. Ansonsten sitzen die Jungs und Mädels von der Fachschaft auf ihren abgewetzten Cord-Sofas und schütten literweise Kaffee oder Rotwein in sich hinein. So zumindest ein Klischee, dass

Illustration: Jana Hiebsch

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es zum Schlagwort Fachschaften gibt, wenn man überhaupt von einem Klischee sprechen kann. Fragt man Studierende auf dem Campus, erntet man vielfach nicht mal Vorurteile, sondern schlichtweg Schulterzucken. Die meisten scheinen sich nur wenig bis gar nicht für dieses Thema zu interessieren. »Sind das die Leute, die die Streiks organisieren?«, fragt eine Studentin nach einigem Überlegen. »Und Erstifahrten, oder?«, ergänzt ihre Freundin. Ein anderer Student bekennt offen: »Fachschaften? Mit denen will ich nichts zu tun haben! Lauter komische Leute.« Fachschaften sind, zumindest für einen Teil der Studierendenschaft, ein Buch mit sieben Siegeln. Was auch erklärt, warum sie meist mit dem falschen Namen tituliert werden. Denn streng genommen umfasst der Begriff Fachschaft alle Studierenden einer Fachrichtung, wohingegen das, was oft mit »Fachschaft« gemeint wird, offiziell der Fachschaftsrat ist. Dieser wird von den Studierenden eines Faches einmal jährlich gewählt. Zudem gibt es so genannte Fachschaftsinitiativen, die basisdemokratisch ohne Wahl allen offen stehen. Die Grenzen sind hier freilich fließend, denn wer helfen will, ist auch bei den gewählten Fachschaftsräten immer willkommen. An der Humboldt-Universität gibt es zur Zeit rund 40 Fachschaftsräte und -initiativen. Von Anglistik bis Zahnmedizin sind praktisch alle Fakultäten vertreten. Entsprechend breit ist das Spektrum dessen, was die Studierendenvertreter jedes Semester auf die Beine stellen. Es reicht von den Klassikern wie dem »Erstsemesterfrühstück« und der meist halbjährlich stattfindenden Party des Fachbereichs bis hin zu liebevoll inszenierten Veranstaltungsreihen, etwa die vom Fachschaftsrat Germanistik. Unter dem Titel »Was macht eigentlich mein Prof?« sollen die Studierenden hier Gelegenheit bekommen, die Lehrenden einmal außerhalb von Sprechstunde und Hörsaal kennen zu lernen. Überhaupt: Klickt man sich durch die Homepages der verschiedenen Fachschaftsräte, wird recht schnell klar, dass hier keineswegs nur koffeinabhängige Langzeitstudierende am Werk sind. Zwar werben fast alle Fachschaften mit dem anscheinend obligatorischen Kaffee im Fachschaftsraum, doch meist bleibt es nicht dabei. Auf teils äußerst professionell gestalteten Seiten werden Skripte und Mitschriften zum kostenlosen Download angeboten, Kinoabende angekündigt und Prüfungsordnungen verständlich aufbereitet. Es gibt Rezensionen zu wissenschaftlichen Standardwerken (Fachschaftsrat Zahnmedizin) und die Fachschaft Rehabilitationswissenschaft bietet sogar ganze Vorträge als MP3-Datei zum Download an. Regelmäßige Sprechstunden runden das Programm ab. Also doch: Fachschaft, da wird dir geholfen? Ab der nächsten Ausgabe wird die UnAufgefordert jeden Monat eine Fachschaft vorstellen und herausfinden, was an den Klischees wirklich dran ist und ob die Fachschaften halten, was sie auf ihren Homepages versprechen. Felix Neubüser <

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Studieren Schlechte Frequenz, wenig Unterstützung: Das Uni-Radio steckt in der Krise. Genau das ist die Chance für Neulinge, die sich ausprobieren wollen.

Fehler sind erlaubt

Freie Plätze. Das Uniradio sucht Praktikantinnen und Praktikanten.

» Welche Drogen konsumierst du?« – »Cocktail, das heißt ich spritze mir Koks mit Heroin und trinke sehr viel Bier, wobei man dann nicht mehr so besoffen wird, sonst kann ich keine Zeitung verkaufen« klingt es aus dem Rohmaterial von Eva, einer engagierten Praktikantin des Uni-Radios. Eva überlegt, in welcher Form sie ihren Beitrag über die Berliner Notunterkunft für Obdachlose senden soll. Andreas Krejci, der hier die Magazinsendung »Campus live« leitet, schlägt ihr vor, ihre O-Töne in einer Reportage zu verpacken. Das Uni-Radio Berlin-Brandenburg gibt es seit über 10 Jahren – nun steckt es in der Krise. Im vergangenen Jahr hat die Medienanstalt dem Uni-Radio eine empfangsschwächere Frequenz zugewiesen. In manchen Berliner Bezirken ist es nicht zu empfangen, die Sendezeit wurde halbiert. Die Reaktionen der Hörerinnen und Hörer sind zurückgegangen. Dennoch ist Andreas stolz auf den Sender und zeigt sich zuversichtlich, dass ein Wechsel in eine empfangsstärkere Frequenz in der nächsten Zeit gelingt. Denn die ausgewogene Mischung aus Information und Musik und die Verlosung von Freikarten binden einen gewissen Stamm an Hörenden. Das Uni-Radio-Team ist geschrumpft. Zum einen ist einigen Ehemaligen der Sprung ins professionelle Radiogeschäft gelungen, zum anderen mangelt es dem einst erfolgreichen Sender an Nachwuchstalenten, die auch an längerfristigeren Konzepten interessiert sind. Ohne Praktikantinnen und Praktikanten sind die Redaktionen teilweise nur spärlich besetzt. All jene, die Radio machen wollen, können hier ein Praktikum absolvieren. Neben allen Abläufen lernt man das journalistische Arbeiten im Hörfunk kennen, von der Themenfindung bis zum Produzieren der Beiträge.

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Andreas berät auch individuell beim Sprechen. Nach einer gewissen praktischen Erfahrung und Können besteht die Möglichkeit zur Moderation bis hin zur eigenen Sendung. Einzige formale Voraussetzung für alle Interessierten ist dabei: Sie müssen studieren. Nach 30 Arbeitstagen können sie dauerhaft einsteigen. Die Ressourcen des Uni-Radios stehen dann für weitere Medien zur Verfügung. Auch ist eine Kooperation mit anderen Radiosendern geplant. Das Programm »DigiSpot« für das digitale Schnittsystem entspricht zwar nicht dem neuesten Standard, ist dafür aber leicht erlernbar — ein Foto: Christoph Schlüter wesentlicher Vorteil für Anfängerinnen und Anfänger, die so schneller zu einem hörbaren Ergebnis kommen. Das Magazin »Campus Live«, das Montag, Mittwoch und Freitag gesendet wird, deckt Themen aus Gesellschaft, Wirtschaft und Sport ab. Es sei das »Herzstück« des studentischen Senders und beliebte Plattform für Praktikantinnen und Praktikanten, sagt Andreas. Eigene Ideen werden begeistert angenommen und umgesetzt. Aber auch diejenigen, die noch nicht so viel Erfahrung oder Zutrauen haben, sind bei so genannten Auftragsarbeiten gefragt. »Dabei darf auch einmal etwas schief gehen. Ich mache auch mal einen Fehler«, räumt Andreas ein. Gelegentlich passieren Eva auch noch kleinere Fehler. Ihre Reportage über die Obdachlosenunterkunft hat sie fertig gestellt und ist zufrieden. Der Fünf-Minuten-Beitrag spiegelt genau das wider, was sie sich vorgestellt hat. Am Abend wird er bei »Uni-Radio Berlin-Brandenburg Campus live« zu hören sein. Katrin Rösler <

Uni-Radio Berlin-Brandenburg Täglich von 19—20 Uhr auf: UKW 97,2/Kabel 92,6 Gespräche zum Praktikum finden jeden Mittwoch um 14 Uhr in den Redaktionsräumen statt. Mitzubringen sind: kurzes Bewerbungsschreiben, Lebenslauf, eine Stunde Zeit. Malteserstr. 74—100 Haus M (zu erreichen über Haus L), 12249 Berlin www.uniradio.de

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Studieren »Improved Reading« rührt kräftig die Werbetrommel: Studierende sollen schneller lesen lernen. Für 150 Euro. Wir haben einen Kurs besucht.

Lesen auf der Überholspur > Die Geschichte vom Versuch, das Lesen ein zweites Mal zu lernen, beginnt mit großen Buchstaben. Das weiße G sieht man schon von weitem. Es misst zwei Meter. Auf gelben Fliesen hängt es neben dem Eingang eines Siebziger-Jahre-Baus. Viel Glas, drei Stockwerke. Am Nachbargebäude prangt ein rotes K, ebenso groß, dann ein L und M, allesamt an weißen Plattenbauten. Nach rechts fällt der Blick auf den einzigen Neubau. Auch viel Glas, zweistöckig, und ein weißes Q. Jeder der Buchstaben gibt einem Gebäude seinen Namen. Es ist ein kalter Freitagmorgen im März. Noch liegt ein wenig Schnee am Campus Lankwitz der Freien Universität. Normalerweise studiert man hier Publizistik oder Geographie, aber nun sind Semesterferien und das Wochenende naht. Niemand zu sehen. Von Haus G an, weist ein oranger Zettel den Weg: Eine Treppe hinauf, durch Gebäude K ins Haus L, dort links, den dunklen Flur entlang. In Raum L 117 sitzen sie: 15 Menschen,

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die schneller lesen wollen und dafür einen zweitätigen »Improved Reading«-Kurs belegen. Elf von ihnen sind Studierende.

»Auf die Plätze. Fertig. Los!« »Wir wollen die Lesegeschwindigkeit verdoppeln«, sagt Seminarleiter Friedrich Hasse gleich zu Beginn. Das Ziel ist also klar. Dieses Versprechen zieht und hat die meisten angelockt. Tobias etwa, der kurz vor seinem Examen in Latein und Geschichte steht. Er habe gemerkt, dass er mit seinem Lesepensum nicht hinterher komme. »Wenn ich doppelt so schnell lese, würde ich vier Stunden am Tag sparen«, sagt er. Auch Sandra steht vor ihren Magisterprüfungen. »Allein mein Soziologie-Professor meint, dass ich sechs Monate für die Prüfung lesen muss. Wenn ich das in drei Monaten schaffen würde, das wär schon was.« Die meisten der Studierenden haben bald ihre Abschlussprüfung vor sich und sind deswegen hier. Studierende machten 80 bis 90 Prozent der Teilnehmenden der »Improved Reading«-Kurse aus, erzählt Friedrich Hasse. An den Berliner Universitäten wird kräftig die Werbetrommel gerührt. Orange Werbeplakate, orange Zettel auf den Mensatischen, Ankündigungen zu »Lese-Foren« und den Kursen. Hasse selbst geht zu Semesterbeginn in Seminare und Vorlesungen und wirbt dort. Der 31Jährige ist selbst noch Student der Geschichte und Philosophie, arbeitet aber seit drei Jahren »sehr intensiv« als Leselehrer. Nun steht er vor seinem neuesten Kurs. Glatze, unauffällige Brille, Rollkragenpulli, enge Jeans. Die Effizienz, die er der Klasse beim Lesen beibringen will, scheint er vorleben zu wollen. Er wirkt konzentriert und strukturiert. Das wird die kommenden zwei Tage so bleiben. Gleich am Anfang geht er den ersten Seminartag durch und erklärt, wann welche Übung gemacht wird und wann wie lange Pause ist. Dann macht der Kurs den ersten »Lesetest«. Auf Friedrich Hasses Tisch steht eine digitale Stoppuhr mit großen roten Ziffern. Er gibt das Kommando: »Auf die Plätze. Fertig. Los!« Die Uhr läuft, der Kurs liest einen Zwei-SeitenText. Wer fertig gelesen hat, notiert seine Zeit. Daraus wird die

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Studieren Lesegeschwindigkeit berechnet: in Wörtern pro Minute. Anschließend beantwortet jeder für sich zehn Multiple-ChoiceFragen zum Inhalt. So wird das Textverständnis festgelegt. Lesegeschwindigkeit geteilt durch Verständnis ergibt die effektive Leserate. Sieben weitere Lesetests werden in den zwei Tagen folgen – stets nach dem gleichem Schema. Dazu gibt es immer wieder Augenübungen, in denen gleiche Wörter, Buchstaben- oder Zahlenkombinationen gesucht werden müssen: Für 25 Zeilen à fünf Wörter hat man 30 Sekunden Zeit. Jedes einzelne Ergebnis wird notiert, der Lernfortschritt soll so deutlich werden.

Die Wunderwaffe Die Bevölkerung liest durchschnittlich 250 Wörter pro Minute. Um 500, 600, 700 Wörter zu schaffen, dürfe man nicht einzelne Wörter erfassen, sondern müsse Sinngruppen mit einem Blick erfassen. Chunking heißt das in der »Improved Reading«-Sprache. Und die Teilnehmenden müssen das abstellen, was Friedrich Hasse als die beiden Hauptlesefehler ausmacht. Worte sollen nicht lautlos oder leise mitgesprochen werden, die Augen sollen nicht im Text zurückspringen. Gegen Mittag präsentiert Hasse dem Kurs, was beim Erlernen der neuen Lesetechniken entscheidend helfen soll: ein Ding, das unter drei Namen kursiert. Der Seminarleiter nennt es »Rate Controller«, auf dem Ding selbst steht »Reading Accelerator«, viele der Teilnehmenden nennen es einfach »Schieber«. Alle drei Bezeichnungen passen zu dem Ding, einer Art Plastikfenster, das über den zu lesenden Text gelegt wird. Am linken Rahmen befindet sich ein türkises Steuerrädchen mit einer Skala von 20 bis 360. Je höher der eingestellte Wert, desto schneller surrt ein Balken über das Fenster und den Text. Die Unterkante gibt vor, welche Zeile man lesen kann. Zurückspringen im Text, eine interessante Stelle etwas langsamer lesen: unmöglich.

»Das geht mir zuwider« Am ersten Tag geht es um das Tempo und nicht um das Verständnis. Klaus Stein, der einer der wenigen Nichtstudierenden ist und im Finanzministerium arbeitet, hat wie die meisten seine Probleme mit der Methode: »Das geht mir zuwider«, sagt er, »ich will was vom Text haben.« Nach acht Stunden Lesetests, Augenübungen, Lesen mit dem Schieber und theoretischen Blöcken sind die Teilnehmenden erschöpft. Die Lesegeschwindigkeit geht bei allen nach oben, aber Skepsis bleibt. »Ich kann zwar schneller lesen, aber gleichzeitig denke ich, dass ich vieles nicht mitbekomme«, erzählt Tobias am Ende des ersten Tages. »Das bringt mir beim Lernen fürs Examen nichts, da muss ich die Texte komplett verstehen.« Tag zwei beginnt mit Lesetest Nummer fünf. Die Werte müssen weiter gesteigert werden, schließlich soll am Ende die Verdopplung der Lesegeschwindigkeit stehen. Damit das klappt, macht der Kurs nun vor jedem Test Übungen zur Lockerung und Konzentration. Auf Friedrich Hasses Kommando wird sich gestreckt und gedehnt, werden die Stirn massiert, die Schläfen, die Augenpartie und schließlich die Ohrläppchen. Dann Hinsetzen, »Auf die Plätze. Fertig. Los!«, und die Digitalstoppuhr läuft wieder. Die meisten Texte drehen sich um das Lesen selbst. Mit dem Reading Accelerator wird in einem Buch

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Illustration: Jana Hiebsch

von Jack London gelesen. Alles mindestens einen Schwierigkeitsgrad unter der Lektüre fürs Studium. Am Nachmittag erfahren die Teilnehmenden, dass sie das schnelle Lesen gar nicht auf jeden Text anwenden sollen. Es gehe um »flexible Lesestrategien«. Vor jeder Lektüre müsse man sich fragen, wie viele Informationen man wirklich brauche. Die Schnelllese-Techniken könnten jedoch auch bei schwierigen Texten angewandt werden, sagt Hasse. Man müsse sich steigern, schließlich würde man »auch beim Fahrradfahren nicht zu Beginn gleich auf der Cross-Mountain-Strecke fahren, sondern auf dem Garagenvorplatz üben.« Die Fahrradmetapher benutzt Hasse mehrere Male. Der Vergleich hinkt. Schließlich müsse man das Lesen ja zweimal im Leben lernen. Beim Fahrradfahren reicht erfahrungsgemäß ein Durchgang. »Mit dem Kurs ist es nicht getan. Ihr müsst jetzt eigenverantwortlich weiter machen«, gibt er am Ende den Teilnehmenden mit auf den Weg. Allein gelassen werden sie dabei nicht: Hasse wird regelmäßig E-Mails mit Erinnerungen verschicken und zu Nachtreffen einladen. Beim Hinausgehen zieht Klaus Stein sein Fazit: »Interessant war es auf jeden Fall.« Und die 350 Euro Kursgebühr, die er bezahlt hat? »Ob es sich gelohnt hat, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.« Nach acht Stunden Lesetraining tritt er hinaus aus Gebäude G. Die Luft ist frisch. Zur Linken fällt der Blick auf das gläserne Haus Q. Weiter links ruhen die Plattenbauten K, L und M. Das Ganze wirkt – insofern hatte Hasses Metapher doch etwas Wahres – wie ein zu groß geratener Garagenvorplatz. So endet die Geschichte vom Versuch, das Lesen ein zweites Mal zu lernen, vorläufig dort, wo sie angefangen hat: bei den großen Buchstaben von Lankwitz. Durchschnittsleser und Normalleserinnen haben für die Lektüre vier Minuten und 24 Sekunden gebraucht. Die Teilnehmenden des Kurses zwei Minuten und vier Sekunden. Friedrich Hasse wird schon längst ein paar Seiten weiter sein. Fabian Reinbold <

Auf die Schnelle lesen Improved Reading: Nächster Kurstermin: 6./7. Mai. Regulärer Kurspreis 350 Euro, Studierende zahlen 150 Euro. Bis zu vier Kursplätze gibt es zum Sozialtarif: Wer Bafög empfängt, zahlt 50 Euro.

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Studieren Mit Primeln gegen Kippen: Am SoWi-Institut der Humboldt-Universität kämpft man gegen stinkende Kleidung und verqualmte Räume.

Dicke Luft > Im Foyer des Instituts für Sozialwissenschaften (SoWi) der Humboldt-Universität darf geraucht werden. Susann Worschech studiert am Institut und ist damit nicht einas Illustrationen: Janek Jon verstanden. Deshalb setzt sie sich für ein Rauchverbot innerhalb der Universitätsgebäude ein. Der Zustand sei für Studierende und Schwangere, Lehrende oder Gäste mit Kindern nicht hinnehmbar, sagt sie. Im Foyer befinden sich nämlich die Schließfächer der Bibliothek, weshalb »eingeschlossene Kleidung permanent dem Rauch ausgesetzt ist«. Auch gebe es keinen alternativen — rauchfreien — Zugang zum SoWi-Institut und nicht jede Kippe finde den Weg in den Aschenbecher. Im Januar startet Susann eine Unterschriftenaktion. Mit den Unterschriften von 24 Studierenden haben Norman Ludwig, ein Vertreter der Fachschaft, und sie den Präsidenten in seiner Sprechstunde besucht, um ihm den »Wir haben mit Einverständnis der Institutsleitung und HilBrief zu überreichen. Er habe die Initiative mit Wohlwollen auffe der Fachschaft am Freitag, dem 10. Februar, Plakate aufgegenommen und wollte dranbleiben. Im Schreiben wird um eine hängt, die höflich zur Rücksichtnahme gegenüber den NichtrauAntwort bis Ende Februar gebeten — »bis heute warte ich verchern sowie Nichtraucherinnen und zum Rauchen vor dem Eingeblich darauf«, sagt sie. gang oder im Lichthof aufforderten«, erzählt Susann. Zusätzlich zu Vorbild für Susanns Kampagne ist die Universität Köln. Hier den Plakaten stellte man kleine Primeltöpfe in die Aschenbecher. gilt schon seit Januar 2004 ein allgemeines Rauchverbot in fast »Die Studierenden reagierten durchweg positiv auf die Aktion und allen Gebäuden. Mit einer großen Plakataktion warb man für hielten sich an die freundliche Bitte«, erzählt Susann mit einem das Projekt »Rauchfreie Uni Köln«. Als rechtliche Grundlage Lächeln. »Auch bei der Absolventenfeier am Abend wurde bis auf dient die Arbeitsstättenverordnung, die vom Arbeitgeber fordert, zwei, drei Ausnahmen nicht dagegen verstoßen.« »Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden BeschäfUmso überraschender dann die Lage am folgenden Montigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren tag: Sämtliche Plakate und Primeln fehlten. »Am Wochenende durch Tabakrauch geschützt sind«. Auch an der HU ist das Raukommen nur Personen mit Schlüssel ins Institut, und meistens chen in einigen Gebäuden verboten, zum Beispiel in Adlershof, bleiben Plakate über Wochen hängen«, sagt Susann. Auch bei in der Invalidenstraße und in der Schützenstraße. einem erneuten Versuch am Dienstag verschwanden die Aushänge nach und nach. »Trotz dieser wenig erfreulichen Vorgänge hat sich gezeigt, dass die Studierenden im Grunde genommen dazu bereit sind, außerhalb des Gebäudes zu rauchen«, resümiert sie den Verlauf der Aktion. Aber nicht alle Studierenden sind so einsichtig. »Nichtrauchen wird als Normalzustand angesehen. Warum? Für mich ist Rauchen eine normale Freizeitbeschäftigung. Ich rauche, wo ich will«, sagt SoWi-Student René. Ganz anders seine Kommilitonin Julia: »Ich würde ein Rauchverbot akzeptieren und vor die Tür gehen. Aber auch die Dozenten sollten sich ihrer Vorbildrolle bewusster werden. Die rauchen sogar während ihrer Sprechstunden.« Indessen wartet Susann weiter auf eine Antwort des Präsidenten, in der Hoffnung, dass ihr Vorhaben vielleicht im Sommersemester Erfolg haben wird. Dabei sucht sie noch nach Leuten, die sie im Kampf für eine rauchfreie Uni unterstützen. Christian Brath <

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Studieren Gegen den Rauch In vielen Gebäuden unserer Uni wird geraucht. Es ist auch nachvollziehbar, dass Rauchende ihre Pausen gerade im Winter lieber drinnen verbringen wollen. Was das allerdings für uns Nichtraucher und Nichtraucherinnen bedeutet, kann man beispielsweise im Foyer des sozialwissenschaftlichen Instituts erfahren: Wer zu Seminarräumen oder in die Bibliothek will, muss lange die Luft anhalten oder einiges ertragen können. Rauchen im Gebäude verletzt die Rechte aller auf saubere Luft und eine erträgliche Studienumgebung. Wer sich dem Rauch nicht aussetzen möchte, kann nicht an informellen Gesprächen nach dem Seminar teilnehmen oder das Foyer für eine Pause nutzen. Das ist sozialräumliche Ausgrenzung. Dass geraucht werden darf, verringert die Studienmotivation allgemein, ganz zuschweige davon, dass der Rauch Schwangeren und Studierenden mit Kind nicht zuzumuten ist. Und alles nur, um einer Gruppe eine Annehmlichkeit zu gewähren: Das ist Diskriminierung. Der Schutz von Nichtrauchenden ist keine freundliche Geste, sondern eine gesetzliche Bestimmung, gegen die die HU derzeit permanent verstößt. Es geht nicht darum, Rauchende zu stigmatisieren. Jede Person kann und soll selbst entscheiden, ob sie rauchen möchte oder nicht – aber es muss auch die Entscheidung zum aktiven und passiven Nichtrauchen real gegeben sein. Nachdem unsere freundliche Bitte um Rücksichtnahme mehrfach scheiterte, kann dies wohl nur durch ein uniweites Rauchverbot sichergestellt werden. Susann Worschech und Mareike Wulf <

Gegen Verbote Ich möchte an dieser Stelle zwei Dinge loswerden: Erstens, ich bin allergisch. Gegen Verbote aller Art. »Spielen verboten«, »Betreten der Grünfläche verboten«, »Essen und Trinken verboten«. Ich frage mich, wo das hinführen soll. Zweitens: Ich bin Raucher. Und ich bin es gerne, meistens zumindest. Ich weiß, dass es ungesund ist und ich weiß, es stört manche. Deshalb rauche ich auch nicht, wenn ich merke, dass es jemanden belästigt. Immerhin habe ich im Laufe meines Lebens eins gelernt: Verantwortung zu übernehmen. Als Student rauche ich natürlich auch da, wo ich mich oft aufhalte: in der Uni. Es gibt nichts Entspannenderes, als nach einem stressigen Seminar zur Zigarette zu greifen. Ob das gut ist, weiß ich nicht, auf alle Fälle hilft es. Mir zumindest. Wenn es nach der Meinung anderer ginge, wäre mit dieser Entspannung bald Schluss. Dann würde im Foyer des HUHauptgebäudes das legendäre Marx-Zitat durch ein »Rauchen Verboten«– Schild ersetzt und den Touris der Weg zum Brandenburger Tor durch die Rauchenden draußen vor der Uni versperrt. Ginge es hierbei um die Gesundheit, wäre das auch ganz gut. Aber leider geht es nur ums Prinzip. Denn diejenigen, die mittags am lautesten schreien, wenn sich der Kommilitone oder die Kommilitonin eine Kippe ansteckt, setzen sich abends entspannt in ihre Stammkneipe, um im Dunst der Rauchschwaden den Tag ausklingen zu lassen. Zweifellos sollte jeder Raucher und jede Raucherin anstreben, von der Sucht loszukommen. Aber Generalverbote sind der falsche Weg. Sie entstehen aus Trotz und sie rufen trotzige Gegenreaktionen hervor. Aber wir sind doch nicht mehr im Kindergarten. Pablo Silalahi <

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Studieren

Studieren in … Birmingham > Wer auf den Spuren J.R.R. Tolkiens wandern und das Vorbild für die zwei großen Türme Minas Morgul und Minas Tirith in »Herr der Ringe« besichtigen will, der braucht nicht bis nach Neuseeland zu reisen. Die Wassertürme, die Tolkien zu seiner Vision von Mittelerde inspiriert haben sollen, stehen in Birmingham, wo er den Hauptteil seiner Kindheit verbrachte. Hier kann man auf so genannten Tolkien-Pfaden spazieren und erkunden, welche Orte und Wahrzeichen der Midlands den berühmten Schriftsteller für seinen Erfolgsroman inspirierten. Doch das ist nicht der einzige Grund, in Birmingham zu studieren.

Mikrokosmos Campus Gut, Birmingham ist nicht Mittelerde und auch Elfen und Hobbits sucht man hier vergeblich. Doch der Campus der Universität von Birmingham stellt schon sein eigenes Universum dar. Der Mikrokosmos bietet mehr als so manche mittelgroße Stadt: Einen Pub natürlich, aber auch Friseur, Reisebüro und Cafés sowie einen eigenen botanischen Garten, ein geologisches Museum und eine Kunstgalerie, die Gemälde von Monet, Picasso und Rubens beherbergt. Außerdem ist die Universität von Birmingham die einzige in Großbritannien, die eine eigene Bahnstation hat. So kann man direkt in die Stadt fahren — will man den Campus doch einmal verlassen. Dass man hier den Großteil seiner Zeit in der Uni verbringt und nicht nur kurz in einer Vorlesung auftaucht, um danach gleich wieder im Gewimmel der Stadt unterzutauchen, war etwas neu für mich. Anders als an unseren Unis spielt sich hier das Studierendenleben hauptsächlich auf dem Campus ab. Man muss nicht durch die halbe Stadt reisen, um von einer Vorlesung zum nächsten Seminar zu kommen. Und auch die Bibliothek scheint auf einmal attraktiver, da sie nur fünf Minuten vom eigenen Heim entfernt liegt. Alles ist einfach kompakter und das Studium scheint nicht etwas zu sein, dass nebenher läuft, sondern es wird von den englischen Studierenden mit äußerstem Ehrgeiz betrieben.

Zu zehnt im Seminar

Harte Arbeit, kleine Kurse: die University of Birmingham.

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Fotos: Nadine Röpke

Dies liegt wahrscheinlich zum Teil an den Studiengebühren, die für inländische Studierende bei 3.300 Pfund (ca. 4.700 Euro) pro Jahr liegen, aber zum Großteil auch an den ausgezeichneten Möglichkeiten, die die Uni bietet. Die Universität von Birmingham, die zu einer der ältesten Hochschulen in England gehört und als erste »Redbrick University« dem Bürgertum im späten Zeitalter der Industrialisierung den Zugang zu höherer Bildung ermöglichte, zählt heute zu den fünf führenden forschungsorientierten Universitäten in Großbritannien. Bibliotheken und PC-Pools haben hier wochentags von 8 bis 22 Uhr geöffnet und auch am Wochenende sind die Einrichtungen bis 18 Uhr nutzbar. Die Betreuung durch die Lehrenden übertraf ebenfalls meine Erwartungen. Der Professor meines Literatursemi-

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Studieren

Auf Tolkiens Pfaden durch Birminghams Innenstadt.

nars zeigte sich äußerst empört darüber, dass seinem Seminar zwölf statt der üblichen zehn Studierenden zugeteilt wurden. Er entschuldigte sich für diesen unerfreulichen Umstand eindringlich bei uns. Die Seminare sind mit gleichlautenden Veranstaltungen an der Humboldt-Uni kaum vergleichbar. Bei so wenigen Teilnehmenden muss man sich auf jede Sitzung vorbereiten, denn verstecken kann man sich hier nicht. Auch von langatmigen und ermüdenden Referaten bleibt man verschont, da die Seminare hauptsächlich den Wissensaustausch zwischen Studierenden und Lehrenden anregen sollen. Studentische Leistungen werden in Form von mehreren kürzeren seminarbegleitenden Essays abgeliefert, was ich als sehr angenehm empfand. Man setzt sich kontinuierlich mit dem besprochenen Stoff auseinander, anstatt das ganze Semester zu verschlafen, um sich in den Semesterferien zu einer zwanzigseitigen Hausarbeit aufzuraffen.

galerien, Museen, Theater, zahlreiche Pubs und Restaurants sowie Messe- und Konzerthallen, in denen man lautem Britpop frönen kann.

Mehr Kanäle als Venedig Englands Nachtleben ist gewöhnungsbedürftig. Auf Birminghams Ausgehmeile Nummer eins, der Broad Street, kann man auch bei winterlichen Minusgraden noch Scharen von Mädchen in dünnen Tops und kurzen Röckchen beobachten. Auch nach einem Jahr habe ich mich noch gefragt, wie sie es fertig bringen, sich nicht den Tod zu holen. Wer es etwas ruhiger und entspannter mag, wird es womöglich zum Brindley Place ziehen, der am Fuß einer der zahlreichen Kanäle der Stadt liegt. In vielen Cafés, Bars und Restaurants kann man sehr nette Stunden verbringen und nichts erinnert mehr an die Kohlefrachter, die einst ihre Ladung durch diese Kanäle transportierten. Tatsächlich besitzt die Stadt mehr Kanäle als Venedig, wovon die meisten sogar noch beschiffbar sind und bei Sonnenschein zu einem Spaziergang am Ufer einladen. Sonntagnachmittags herrscht immer absolute Pubpflicht. Alle treffen sich zu einem Bier in der nächsten Kneipe. Meine englische Mitbewohnerin Jen und ich hatten es uns schnell zur Tradition gemacht, bei einem leckeren Roastdinner über Gott und die Welt zu philosophieren. Dies bot stets eine willkommene Abwechslung zu den stressigen Tagen, an denen ich Jen, die im ersten Jahr Jura studierte, größtenteils nur über ihren Büchern brüten sah. Sie hatte das Motto der Uni verinnerlicht: »Through hard work, great things are achieved – Per Ardua Ad Alta.« Nadine Röpke <

University of Birmingham Wenn man nach einer anstrengenden Uniwoche den Campus verlassen möchte, dann hat Birmingham einiges zu bieten. Als ehemalige Industriehochburg hatte die Stadt jahrelang mit ihrem schlechten Ruf zu kämpfen, doch nach einigen Restaurierungen kann die Innenstadt sich jetzt sehen lassen. Neben neu entstandenen Shoppingcentern findet man Kunst-

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Gegründet: 1900 Gebühren: 3.300 Pfund pro Jahr Studierendenzahl: 27.000 Berühmte Absolventen: Maurice Wilkins (gewann Nobelpreis für Entdeckung der DNA), Simon le Bon (Sänger von Duran Duran), Tim Curry (Schauspieler; Kevin allein in NY), Spencer Davis (Musiker) Weitere Infos: www.bham.ac.uk

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Dossier Rollstühle schieben und Kinder betreuen für lau? Für viele Studierende keine Frage. Sie engagieren sich ehrenamtlich.

Für die gute Sache »In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?«, lautet der Titel einer großangelegten Kampagne, die Anfang März angelaufen ist. Eine Frage, die zunächst stutzig macht. Auf Plakaten und in Anzeigen werden »Gesellschafter/innen« gesucht. Alles nur ein PR-Gag? Dabei scheint die Frage durchaus vernünftig. Sonst werden überall die unsicheren Perspektiven fast aller gesellschaftlichen Gruppen beklagt. Die Kampagne fordert auf, selbst aktiv zu werden. Es ist nicht die einzige Aktion zur Stärkung ehrenamtlicher Tätigkeit. Von einem Plakat im U-Bahnhof lächelt TV-Moderatorin Marietta Slomka. Neben ihr steht: »In Deutschland engagieren sich über 23 Millionen Menschen freiwillig.« Ehrenamtliche Tätigkeit — der Begriff klingt ein bisschen verstaubt. Viele denken erst einmal an Vereinsmeierei, Rentnerinnen, die zu viel Zeit haben oder die Freiwillige Feuerwehr — aber nicht an Studierende.

Illustration: Janek Jonas

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Und wahrscheinlich haben sich viele junge Leute nie ernsthaft die Frage gestellt, was sie für die Gesellschaft tun. »Gutes tun und darüber reden«, die abstrakte Diskussion über die Bürgergesellschaft, taugt allenfalls für Sonntagsreden, nicht aber für den Pragmatismus der »Generation Praktikum«. Aber auch deren Mitglieder sind in der Freizeit in vielen Bereichen engagiert. Studierende hängen zum Ausspannen nicht nur in Kneipen, Clubs und Theatern herum, sie treffen nicht nur Bekannte zum Grillen oder Sport. Sie sind genauso in Vereinen oder Initiativen anzutreffen, in denen sie etwas anstoßen und mitgestalten wollen und können. Dahinter steht oft gar nicht die bewusste Entscheidung »ich engagiere mich jetzt«. Oftmals schlittern Aktive unverhofft in ein freiwilliges Engagement hinein, weil es sich in einer bestimmten persönlichen Situation einfach so ergibt. Aus der Teilnahme am Konfirmationsunterricht kann sich zufällig ein Engagement bei der Kirche ergeben, auch wenn man aus einem unreligiösen Elternhaus kommt: Zuerst organisiert eine ehemalige Konfirmandin eine Teestube für Ex-Konfirmanden mit, dann hilft sie in der Kindergruppe aus, weil jemand krank geworden ist und ehe sie sich versieht, wird sie schon für die Kinderfreizeit als Betreuerin eingeplant. Oder der Zivildienstleistende, der sich für einen Ersatzdienst im Ausland entschieden hat: Zunächst steht der völlig eigennützige Beweggrund im Vordergrund, nach dem Abitur etwas Interessantes zu erleben. Während des Auslandaufenthalts begegnet er interessanten Leuten aus verschiedenen Ländern und will sich nach seiner Rückkehr weiter in diesem internationalen Umfeld bewegen. Er sucht Gleichgesinnte — entweder im Rahmen eines Vereins, der Projekte zur Völkerverständigung organisiert, oder er gründet selbst eine Gruppe von ehemaligen Auslands-Zivis, die Abiturienten für einen Auslandsaufenthalt begeistern. Freiwilliges Engagement entsteht oft nicht aus purem Altruismus, sondern weil es Spaß macht. Man trifft nette Menschen und hat das Gefühl, etwas Gutes zu tun. Möglichkeiten, sich zu engagieren, gibt es genug. Auch für Studierende. In vielen Fällen bieten die Hochschulgruppen gute Möglichkeiten, spannende Einsatzfelder zu finden. Neben den politischen Gruppen gibt es an der Humboldt-Universität zahlreiche andere Initiativen — vom Filmclub über »amnesty international« bis hin zu internationalen Studierendenvereinigungen oder engagierten Kunsthistoriker— innen, die Ausstellungen organisieren. Anne Grieger <

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Dossier Workcamps einmal anders herum: Die Lokalgruppe des Service Civil International bringt Freiwillige aus aller Welt nach Berlin.

Camping in Berlin

Hier wird zugepackt. Caro beim graben.

Foto: SCI Lokalgruppe

> Es riecht nach Zigarette. In kleinen, blauen Wolken steigt der Rauch aus den Aschenbechern zu den hölzernen Tischen auf, wabert unschlüssig durch den Raum und verliert sich schließlich auf dem Weg zur Zimmerdecke. Gesprächsfetzen dringen ans Ohr, zusammen mit dem Geräusch aneinander stoßender Biergläser. Wir sind zu neunt, und dass wir hier sind, war eigentlich nicht geplant. Der Umzug ins »Clash«, eine etwas versteckte Kneipe in Kreuzberg, hat sich eher so ergeben. Genau so, wie sich die Vereinsmitgliedschaft für fast alle Anwesenden der Berliner Lokalgruppe des Service Civil International (SCI) so ergeben hat, im positiven Sinne: »Wir sind da mehr so reingerutscht«, bekennen die SCI-Mitglieder unisono. Der Grund für den Ortswechsel ins »Clash« war eine andere Gruppe, mit der sich der SCI in Berlin die Miete für das Büro teilt und die heute Abend eben schneller war. Der Grund für das Engagement der 18 bis 27 Jahre alten SCI-Mitglieder, die nun in der Kneipe statt im Büro zusammensitzen, war meist, dass sie selber an einem vom SCI organisierten »Workcamp« teilgenommen haben. »Bei so einem Camp arbeiten 10 bis 15 Leute gemeinsam für zwei bis vier Wochen an einem gemeinnüt-

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zigen Projekt. Bezahlt werden sie dafür nicht, Kost und Logis sind normalerweise frei«, fasst Michael zusammen. Er ist mit acht Jahren das dienstälteste Mitglied der Berliner Ortsgruppe. »Bei der Teilnehmerauswahl wird versucht, möglichst nie mehr als eine Person pro Land an einem Projekt teilnehmen zu lassen«, ergänzt Finn, der seit zwei Jahren dabei ist. Schließlich gehe es um interkulturellen Austausch. Die Arbeitszeit in den Camps schwankt normalerweise zwischen zwei und sechs Stunden pro Tag. Teilweise kommen die Teilnehmenden dabei auch ganz schön ins Schwitzen, etwa wenn ein Jugendzentrum saniert oder ein Naturlehrpfad durch den Wald angelegt wird. »Trotzdem macht es allen eigentlich immer großen Spaß und nach der Arbeit unternimmt man meist noch gemeinsam was«, erklärt Caro, die selbst schon an zwei Workcamps teilgenommen hat. Seit April 2005 ist sie Vorsitzende des SCI Berlin. »Vorsitzende aber nur formell«, grinst die Studentin. Gemeinsam mit den anderen Berliner SCI-Mitgliedern organisiert sie Workcamps in und um Berlin. »Bei der Auswahl der Projekte sind wir relativ frei. Wir versuchen eben, Themen zu finden, die wir selbst für sinnvoll halten.« Entsprechend liest sich die Liste der Workcamps, die der SCI in diesem Sommer in und um Berlin anbietet. Das Spektrum reicht von der Arbeit in einem Haus der Deutschen Waldjugend in Frohnau bis zur Renovierung eines tibetischen Zentrums für religiösen Austausch in Friedrichshain. Was die Berliner SCI-Mitglieder dazu bewegt, sich ehrenamtlich für den Verein zu engagieren, lässt sich anscheinend nur schwer in Worte fassen. Auf die Frage danach erntet man jedenfalls zunächst Schulterzucken. »Es macht ganz einfach Spaß«, bekennt Finn schließlich. Ob das freiwillige Engagement ihnen später einmal für die Karriere etwas nützt, darüber scheint hier keiner bislang groß nachgedacht zu haben: »Das wird sich dann schon ergeben.« Felix Neubüser <

Der Service Civil International ist eine der ältesten Friedens- und Freiwilligenorganisationen der Welt und mittlerweile in mehr als 35 Staaten weltweit tätig. Gegründet wurde der Verein nach dem ersten Weltkrieg in der Schweiz. Eines der ersten Projekte war der Wiederaufbau eines zerstörten französischen Dorfes bei Verdun. Freiwillige aus Frankreich und Deutschland arbeiteten kurz nach dem Krieg Hand in Hand an dem Projekt und legten damit den Grundstein für das, was der Verein bis heute tut: unterschiedliche Nationen durch die Arbeit an einem gemeinsamen Projekt zusammenbringen und dadurch das interkulturelle Verständnis fördern. Informationen zu Workcamps und zur Berliner Lokalgruppe gibt es auf der Homepage des Vereins: www.sci-d.de

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Dossier Freiwiligenarbeit im Lebenslauf bringt dicke Pluspunkte — wer es aber übertreibt, hat schlechte Chancen.

Das Maß entscheidet > Die Anzeige ist grün und ziert die Rückseite eines großen, deutschlandweit erscheinenden Magazins für Studierende. Gesucht werden Praktikantinnen und Praktikanten, die man hier »Visiting Associate« nennt. Zudem sei ein Praktikum hier keines, bei dem man nur Kaffee kochen dürfe. Stattdessen übernehme man von Anfang an Verantwortung und arbeite im Projektteam mit der Kundschaft zusammen. Am Ende des Einsatzes winkt bei guter Bewährung auch gleich ein festes Jobangebot für die Zeit nach dem Studium. Keine Frage, ein Praktikum bei der Boston Consulting Group (BCG) scheint sich zu lohnen. Entsprechend hoch hängt aber auch die Messlatte für die, die sich bewerben. Neben außergewöhnlich guten Noten, Praktika und Leistungsbereitschaft wird vor allem eines gefordert: ehrenamtliches Engagement neben dem Studium. Die Unternehmensberatung BCG ist damit kein Einzelfall. Wer sich außerhalb des eigenen Studiums engagiert, kann damit in den meisten Auswahlverfahren punkten. Ob es sich dabei um die Mitarbeit in einem Universitätsgremium wie Fachschaft oder Studierendenparlament, ehrenamtliches Engagement im Verein, für den Umweltschutz oder für soziale Projekte handelt, ist zunächst zweitrangig. Schließlich baut man sich dabei nicht nur Netzwerke auf, sondern stellt schon vor dem Berufseinstieg vieles unter Beweis, nämlich: Teamfähigkeit, Organisationstalent und Einsatzfreude. »Wer sich sozial, politisch oder wie auch immer privat engagiert, erhält Pluspunkte«, erklärt Regina Jacob, Assistentin der Geschäftsführung bei der WEKA Media GmbH, einem Informationsdienstleister. Allerdings warnt sie auch vor zu viel Engagement: »Wer privat zu sehr eingespannt ist, hat den Kopf nicht frei für die hohen beruflichen Anforderungen. Das Engagement sollte sich in Grenzen halten und nicht mit dem Job kollidieren.« Doch nicht nur beim Bewerbungsgespräch kann ehrenamtliches Engagement ein Türöffner sein. Auch für viele Stipendien zählt es neben guten Noten zu den unabdingbaren Voraussetzungen, um in ein Förderprogramm zu gelangen. Neben den monatlich bis zu 525 Euro (bei den staatlich geförderten Stiftungen) bieten diese zudem oft ein umfangreiches, studienbegleitendes Programm mit Seminaren und Diskussionsveranstaltungen. Trotzdem sollte das freilich nicht der einzige Grund für ehrenamtliches Engagement sein, und es bringt auch wenig, sich nun wahllos bei Vereinen und Parteien anzumelden. Wenn man das Engagement durchhält, wird es in der Regel in keinem Verhältnis zum vermeintlichen Ertrag stehen. Nicht umsonst steckt in dem Wort »ehrenamtlich« das Wörtchen »Ehre« oder, mit den Worten des englischen Künstlers und Sozialphilosophen John Ruskin: »Der höchste Lohn für unsere Bemühungen ist nicht das, was wir dafür bekommen, sondern das, was wir dadurch werden.« Felix Neubüser <

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Illustration: Janek Jonas

Auswahl von Stiftungen und Vereinen, die Stipendien an ehrenamtlich engagierte Studierende vergeben: Friedrich-Ebert-Stiftung, www.fes.de Konrad-Adenauer-Stiftung, www.kas.de Heinrich-Böll-Stiftung, www.boell.de Friedrich-Naumann-Stiftung, www.fnst.de Rosa-Luxemburg-Stiftung, www.rosalux.de Ev. Studienwerk, www.evstudienwerk.de Eine Liste mit weiteren, auch regionalen Stipendienprogrammen findet sich unter: www.unilife.de/bund/tool/stipendien/uebersicht.php

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Leben

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Leben

E-mail aus ... Kapstadt From: Maro Ballach To: redaktion@unaufgefordert.de Subject: Some fine wine Sent: 01.04.2006 – 17:39 Uhr Liebe Redaktion, Um euch gleich zu Beginn ein wenig neidisch zu machen: Gestern bin ich nach meinem Praktikum in der Druckerei bei strahlendem Sonnenschein die Strandpromenade entlang gejoggt. Und heute werde ich mir nach der Arbeit ein Surfbrett kaufen, die sind hier nämlich spottbillig. Letztens habe ich hier eine Weintour gemacht. Das heißt, wir haben die Weingüter in der Umgebung vor Kapstadt abgeklappert und uns die Weine schmecken lassen. Dazu gab’s Weißbrot und lecker Käse. Da waren dann auch wirklich sehr gute Tropfen dabei. Das alles sah irgendwie aus wie in Frankreich, nur eben in Afrika. Wir kamen uns teilweise vor wie die alten Kolonialherren. Ich bin in das »Friedrichshain« Kapstadts gezogen. Hier ist alles sehr hip und studentisch. Aber auch ein bisschen ranzig, wie in Friedrichshain eben, nur kleiner und in Afrika. In der Straße, in der ich wohne, war gestern ein Braai, das ist eine Art Grillfest. Hier packt man einfach Holz in den Grill, brennt es herunter, bis es Kohle ist, um dann das Grillgut draufzupacken. Eine zeitraubende Prozedur. Gegessen wurde dann im Dunkeln. Nachts wurde dann fast mein Auto, ein goldener 83er Opel, den ich hier nach anstrengenden Verhandlungen erworben hatte, geklaut. Die gute alte Lenkradkralle hat wohl Schlimmeres verhindert. Immerhin konnte man sie noch öffnen und in der Werkstatt wurde sie einfach auf improvisierende südafrikanische Art in fünf Minuten von einem voluminösen Werkstattbesitzer geradegebogen. Seine »Erfahrungen« und »Tricks« haben mich dann lediglich 30 Rand gekostet, das sind etwa 3,50 Euro. Ihr seht: mir geht’s gut. Viele Grüße, Euer Maro <

Endstation Teil 1: Mit der S1 nach Oranienburg > Die S-Bahn hält einen ehrfurchtsvollen Abstand vom Prellbock, der das nördliche Ende der S-Bahnstrecke zwischen Oranienburg und Potsdam markiert. Gegen ihn ist schon länger kein Zug mehr gefahren. Das ist auch gut so, denn das morsche Holz würde kaum eine Draisine auf ihrem Weg in das Bahnhofsgebäude aufhalten. Der hell verputzte Bau mit der Aufschrift »Oranienburg« ist zwar in Ansätzen herrschaftlich, weit und breit findet man aber keine Burg. Woher also der Name? Die Antwort ist einfach: Der Ort entstand um eine Festung herum. Nachdem diese abgetragen wurde, bebaute man das Gelände zunächst mit einem Jagdschloss. Mitte des 17. Jahrhunderts gab Louise Henriette von Nassau-Oranien ein neues in Auftrag und die Stadt bekam ihren heutigen Namen: Aus Bötzow wurde Oranienburg. Kaum angekommen, will man aber schon wieder aufbrechen, denn nur zehn Busminuten vom Bahnhof entfernt, liegt der Garten Eden — ein Ort völliger Ruhe und Abgeschiedenheit und gleichzeitig die gemeinnützige Obstbau-Siedlung Eden eG. Betritt man ihr Gelände, sind schon nach wenigen Schritten alle Sorgen vergessen, selbst die angrenzende Landstraße. Seit 1893 leben die Bewohner und Bewohnerinnen der Siedlung im Einklang mit der Natur. Schon damals waren sie mit der Industrialisierung nicht einverstanden. In Eden wird in den Gärten der zahlreichen Einfamilienhäuser Obst und Gemüse aller Arten zum Eigenverzehr und für die Gemeinschaft angebaut und im »Edenkonsum« angeboten. Mit einem anderen Bus kommt man ins nahe Sachsenhausen. Dort wird man mit einem ganz anderen Kapitel deut-

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scher Geschichte konfrontiert. Die Gedenkstätte Sachsenhausen erinnert an die Verbrechen, die zwischen 1936 und 1945 an den Gefangenen im gleichnamigen Konzentrationslager unter deutscher Herrschaft verübt worden sind. Durch die Ausstellung authentischer NS-Relikte und Orte soll Geschichte hier erfahrbar gemacht werden. Der Bahnhof Oranienburg wiederum hat auf positive Art Geschichte geschrieben: Er gehört zu den ersten Stationen, an denen elektrisch betriebene S-Bahnen hielten. Das war 1925, in den Jugendjahren des Prellbocks. Christian Brath, Emanuel Viebahn <

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Leben Frauen suchen Männer aus - nicht umgekehrt. Sagt ein HU-Psychologe. Und ewig muss man nicht auf die große Liebe warten.

Nach zwölf ist Schluss

Foto: privat

UnAufgefordert: Wie findet man den richtigen Partner oder die richtige Partnerin? Lars Penke: Unsere Computersimulationen haben ergeben, dass man nicht beliebig lange suchen muss, um seine persönlichen Ansprüche an den Partner zu formulieren, sondern eine relativ geringe Zahl an Erfahrungen reicht. Diese müssen keine festen Beziehungen sein – ein intensiverer Flirt mit dem Arbeitskollegen gehört genauso dazu. Wir sind dabei auf die Zahl Zwölf gekommen. In den Medien wurde das kürzlich vertituliert mit »Der 13. Mann ist der Richtige«. Exakt der 13. ist es natürlich nicht unbedingt, aber man braucht nicht mehr als zwölf Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht, um zu wissen, was man will. Es hat also keinen Sinn, ewig zu suchen, man gewinnt keine neuen Erfahrungen dazu, die einem bei der Partnerwahl helfen. Wer ist Mr. oder Ms. Right? Untersuchungen haben gezeigt, dass fast jeder gerne einen Partner mit Eigenschaften wie körperlicher Attraktivität oder Intelligenz hätte. Dann haben natürlich diejenigen, die ein hohes Niveau in solchen Eigenschaften haben, mehr Auswahl, weil sie für mehr potenzielle Partner attraktiv sind. So suchen sich die Attraktivsten den bestmöglichen Partner, und alle anderen sortieren sich dann der Reihe nach zusammen. Was können Computersimulationen über so etwas Irrationales wie die Liebe verraten? Computersimulationen sind immer nur eine Annäherung. Wir würden nie sagen, dass die Ergebnisse unserer Simulationen die ganze Wahrheit sind, aber viele Annahmen, die wir machen, lassen sich gut begründen und stammen aus Untersuchungen mit echten Singles. Ein neues Projekt von Ihnen ist eine Studie, in der Sie so genannte Speeddating-Veranstaltungen beobachten. Bei diesen Veranstaltungen treffen sich zum Beispiel zwölf Männer und zwölf Frauen an einem Abend. Jeder unterhält sich mit jedem für einige Minuten, danach entscheidet man,

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Gibt es aus den ersten Versuchen schon Ergebnisse? Auffällig war, dass Männer sehr viel mehr Frauen kennen lernen wollten als andersherum. Man kann also sagen, die Frauen waren selektiver, oder anders ausgedrückt: Männer haben es bei mehr Frauen versucht. Interessant ist, dass die Paarungen, bei denen schließlich Kontaktdaten ausgetauscht wurden, das Ergebnis der weiblichen Wahl waren, das heißt, die Frauen hatten in der Hand, welche Konstellationen zustande gekommen sind. Das heißt natürlich nicht, dass Frauen bestimmen können, ob eine Beziehung tatsächlich funktioniert. Was für einen wissenschaftlichen Wert haben diese Studien? Partnerwahl ist ein wichtiger Punkt im Leben aller Menschen. Deshalb ist die Fragestellung, wie eine Partnerwahl zustande kommt, für die Psychologie sehr interessant. Aktuell ist das Thema auch, weil es nicht ganz unbegründete Rufe gibt, dass wir immer mehr in die Single-Gesellschaft hineinlaufen. Gerade Studenten gehören zu der Bevölkerungsschicht, die am längsten auf Partnersuche ist. Da passiert es leicht, dass man sich den Partner fürs Leben erst mit 30 sucht. Das ist heutzutage kein Einzelfall mehr. Das Interview führte Anna Niederhut. < Eine Gelegenheit, dem Single-Dasein ein Ende zu setzen, gibt es im Sommer bei der Speeddating-Studie von Penke und seinen Kollegen. Informationen und Anmeldung unter www.psytests.de/quickdating

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Leben

Melancholie ist die Freude am Trauern. Dieser Ort muss dafür erfunden worden sein. Mit verrottenden Bäumen und einem Schloss aus Holz. Dazwischen stolzieren Pfauen. Die Ufer der Insel säumt Schilf in rot und beige. Den ältesten Rosengarten Preußens schützt ein elektrischer Zaun vor Wildschweinen und Besuchern. An der Spitze der Insel überblickt ein griechischer Tempel die Havel: »darin das Wasser regungslos, wie eine versteinerte Träne...« Pfaueninsel, Wannsee

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Leben

»Doch wie dies alles zugegangen, erzähl ich euch zur andren Zeit, dazu bin ich zu eilig heut — Lebt wohl denn! Ihr, meine Lieben Freunde, und erinnert Euch in Freud und Leid der zwei wunderlichen Menschen, die bald ihre große Entdeckungsreise antreten werden.« (Henriette Vogel) Kleistgrab, Wannsee

Vor fünf Jahren kam die letzte Familie in den Luna-Park. Seitdem ruhen die Fahrgeschäfte. Im Herbst ertrinken die Pferde des Karussells im Laub. Das Riesenrad verrostet und schaut traurig die Spree hinunter. Die Geisterbahn ist ausgebrannt. Ein Rudel Katzen sind die einzigen Besucher in dieser Ruine des Vergnügens. Spreepark, Treptow

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Leben

Einst hingen Hammel und Rinder von der Decke. Der »Central-Viehhof« versorgte ganz Berlin mit Fleisch und Wurst. Das ist lange vorbei. Heute ist der Backstein längst abgetragen, nur ein Stahlskelett ist geblieben. Umgeben von Baumarktarchitektur und Investionsruinen, ein einsames Relikt aus dem Berlin der Industrialisierung. Alter Schlachthof, Friedrichshain/Prenzlauer Berg

Ein alter Landsitz, könnte man meinen. Doch nebenan rattern die S-Bahnen vorbei und täglich steigen Zehntausende hier um. Der Dachstuhl ist verfallen, die Türen sind verrammelt. Im nächsten Jahr rücken die Bagger an, um das Ostkreuz umzubauen. Werden sie Haus und Tanne verschonen? Ostkreuz, Friedrichshain

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Leben

Inmitten der Platten steht eine alte Mühle aus Holz. Trotzig-romantisch arbeitet sie zwischen den klobigen Bauten. Dabei ist sie nur eine Replik – 1994 errichtet. Als pittoreske Rettung vor dem Hintergrund eines gescheiterten Traums vom besseren Wohnen.

Texte: Benjamin Reuter, Fabian Reinbold Fotos: Christoph Schlüter

Mühle, Alt-Marzahn

Die Zuschauerränge fassten angeblich 3000 Zuschauer. Jetzt wachsen dort kleine Bäume. Den Rasen haben die Wildschweine in einen Acker verwandelt. Die Latten der Trainerbank sind in der Hälfte gebrochen. Ein verlassener Platz – auch zur WM. Ernst-Thälmann-Stadion, Köpenick

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Kultur Ein Wonnemonat für junge Filmschaffende und Kinofans: Gleich drei Filmfestivals und -events überraschen im April mit kreativen Beiträgen.

Großes Kino für den Nachwuchs ne Markwardt. Wie in den vergangenen Jahren sei der britische Sozialrealismus auch dieses Jahr stark vertreten, fügt sie hinzu. Unter den 30 Filmbeiträgen, die im Programm laufen, werden Preise für den besten Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilm vergeben. Außerdem gibt es eine Postproduktion im Wert von 20.000 Euro zu gewinnen. Organisiert wird »britspotting« von 50 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zum Teil hauptberuflich in der Filmbranche tätig sind, aber auch Studierende sind dabei.

Die Größten in Europa »Sehsüchte« dagegen ist fest in Studierendenhand. Vom 25. bis 30. April hält das Festival in den Thalia Kinos in Potsdam Einzug. Vor 40 Jahren wurde »Sehsüchte« unter dem Namen »Nationale Studentenfilmtage der DDR« von den Schülerinnen und Schülern der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in Potsdam ins Leben gerufen. Noch immer wird es von einem jährlich wechselnden Team aus Studierenden in Eigenregie organisiert. »Eine beiDas Organisationsteam von »Short Shots« bringt Kino und Party zusammen. Foto: Maren Böttcher spielhafte Leistung«, sagt Dieter Wiedemann, Professor an der Hochschule. Die Zahlen sprechen für sich: > Kaum ist das Echo der Berlinale verhallt, rücken die nächsten Jedes Jahr werden etwa 1.000 Filme eingesendet, Preisgelder Filmfestivals und -events nach und es schlägt die Stunde derer, von über 25.000 Euro vergeben und rund 10.000 Besuchefür die die Berlinale noch Zukunftsmusik ist. Gleich drei Veranrinnen und Besucher gezählt. »Sehsüchte« gilt als das größstaltungen lassen im April das Cineastenherz höher schlagen: te Studierenden-Filmfestival Europas. Die Jury ist auch dieses Die Festivals »britspotting« und »Sehsüchte« und der KurzfilmJahr wieder hochkarätig besetzt, unter anderem mit den Proabend »Short Shots«. duzenten Oliver Berben (»Elementarteilchen«), Martin Lehwald (»Muxmäuschenstill«) und dem Radio-Eins-Filmjournalisten Knut Elstermann. »Sehsüchte« hat sich Nachwuchsförderung auf die Fahnen geschrieben. Es soll jungen Amateurfilmenden und FilmSehr anglophon geht es vom 20. bis 26. April in den Kinos studierenden die Chance bieten, sich sowohl untereinander Acud, fsk am Oranienplatz, Filmkunst 66 und den Thalia Kials auch mit Profis aus der Branche auszutauschen, zu diskunos in Potsdam zu. Zum siebten Mal buhlen junge Filmschaftieren und Kontakte für die Zukunft zu knüpfen. Beim Workfende bei »britspotting« um die Gunst des Publikums und der shop zum »Pitch!«-Ideenwettbewerb sollen noch nicht ausJury. Das »British and Irish Film Festival« versteht sich als allgereifte Konzepte für Filme oder Serien von Nachwuchsautojährliche Werkschau über die Filmszene in Großbritannien sorinnen und -autoren weiterentwickelt und die Resultate einem wie Irland und präsentiert junge und hierzulande oft noch unFachpublikum vorgetragen werden. Darüber hinaus werden bekannte Talente. Aber nicht nur der Nachwuchs meldet sich Auszeichnungen in den Kategorien Spielfilm, Dokumentarfilm, zu Wort, auch Programmbeiträge von renommierten RegisseuAnimationsfilm, Drehbuch und Schnitt vergeben. rinnen und Regisseuren wie Danny Boyle (»Trainspotting«) waUnd was wird zu sehen sein? »Sehsüchte« ist für alles offen, ren schon dabei. Einzige Einschränkung: Die Filme müssen briund den Filmschaffenden werden weder thematisch noch fortische oder irische Produktionen sein, darüber hinaus werden mell Grenzen gesetzt. Nach der ersten Sichtung meint Katharina den Teilnehmenden keine Grenzen gesetzt. »Wir haben kein Bergfeld aus der Programmgruppe, unter den Filmen jedoch eiMotto oder Thema. Wir zeigen zwar auch massentauglichere ne Tendenz festzustellen: »Der größte Teil behandelt ernste, gePreviews, konzentrieren uns aber vor allem auf junge Filme, die sellschaftlich relevante Themen. Trotzdem achten wir bei unserer inhaltlich und ästhetisch interessant und hochwertig sind und Auswahl darauf, dass auch viel Unterhaltsames und Lustiges auf noch keinen Verleih haben«, so »britspotting«-Sprecherin Andem Festival zu sehen sein wird.« Unterhaltsam soll auch das um-

Filme von der Insel

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Kultur Bild: Sehsüchte 2006 »Sehsüchte« zeigt auch Animationsfilme. Eine Szene aus »Delivery«.

fangreiche Rahmenprogramm der »Sehsüchte« sein, denn was wäre ein Studierenden-Filmfestival ohne Podiumsdiskussionen, Konzerte und Partys?

Gucken, abstimmen, tanzen Kino und Party passen gut zusammen, findet das Organisationsteam von »Short Shots«. Seit Oktober kehrt der Kurzfilmabend unter dem Motto »Das Leben ist zu kurz für lange Filme« einmal im Monat im Sage Club ein.

Gezeigt werden fünf bis sieben Kurzfilme, die sich jeden Monat einem anderen Thema widmen. Im März lautete das Motto beispielsweise »Kindstage«. »Etwa vier Filme bekommen wir pro Woche zugeschickt«, so Peter Lutz aus der Programmgruppe, »die werden von unserem Team gesichtet und nach Thema, Originalität und Umsetzung ausgesucht.« Bei genauerem Hinsehen entdeckt man selbst Leinwandgrößen wie Detlev Buck und Anna Thalbach in den Filmchen – sogar eine Oscar-Nominierung war schon dabei. Auch bei »Short Shots« wird Nachwuchsförderung großgeschrieben. Viele Beiträge stammen von Filmstudierenden, auch wenn die Teilnahme offen für alle ist. »Short Shots« möchte junge Filmemacher fördern, indem es ihnen die Möglichkeit gibt, ihre Filme einem größeren Publikum zu zeigen und andere Filmschaffende sowie Produzierende kennen zu lernen. Ergänzt wird das Programm durch Moderationen, Interviews mit Regisseurinnen und Regisseuren sowie durch ein Publikumsvoting. Nicht nur bei den Gästen erfreut sich der Kurzfilmabend großer Beliebtheit. Auch das fünfköpfige Initiatorengrüppchen hat sich inzwischen zu einem Team aus 25 Leuten gemausert, und es soll vergrößert werden: »Ein ›Short Shots‹ in Madrid ist bereits in Planung«, sagt Peter Lutz stolz. Auch wer nach der Festivalwelle im April von Filmen noch nicht genug hat, kann beruhigt sein. »Short Shots« gibt es jeden ersten Donnerstag im Monat. Der Einlass für die anschließende Rock at Sage Party ist im Eintrittspreis von fünf Euro inklusive. Antje Binder <

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Kultur An der Studiobühne in Mitte feierte das erste Theaterstück Marie NDiayes seine Berliner Uraufführung. Regie führte ein Student der HU.

Verrückt nach Hilda > Wer ist eigentlich Hilda? Existiert sie wirklich, oder ist sie ein Hirngespinst der beiden Protagonisten Madame Lemarchand (Heike Kretzler) und Franck (Bernhard Vogt)? Diese Frage beantwortet Marie NDiayes Theaterstück »Hilda« am Ende nicht. Dabei dreht sich alles um sie, die von ihrem Mann Franck an die reiche Madame Lemarchand regelrecht verkauft wird. Dem überforderten Familienvater wird dieser Handel sehr bald unheimlich, denn immer deutlicher zeigt sich die pathologische Obsession, mit der die neue Herrin von ihrer Dienerin Besitz ergreift. Hilda kommt nicht mehr nach Hause, wird von ihrer Herrin wie eine Puppe gewaschen und eingekleidet. Doch der arbeitslose, kranke und einsame Franck kann weder das von seiner Frau verdiente Geld entbehren, noch den Abgrund seiner eigenen Schuld überwinden, der ihn von Hilda trennt. Als Hilda schließlich jede Individualität verloren hat und für Madame Lemarchand wertlos geworden ist, lässt auch Franck sie fallen. Ihr Schicksal bleibt ungewiss. Christoph Gerzymisch, der an der Humboldt-Universität Theaterwissenschaften studiert, hat »Hilda« zum ersten Mal in Berlin auf die Bühne gebracht. In seiner Inszenierung agieren die zwei Figuren auf zwei getrennten Bühnen links und rechts vom Publikum, leben sichtbar in zwei verschiedenen Welten: Der Ehemann und die Dienstherrin, der Proletarier und die Großbürgerin, der Verzweifelte und die Wahnsinnige. Gewinnen kann dieses ungleiche Kräftemessen weder sie noch er, und erst recht nicht die geradezu transzendente Hilda, die kein einziges Mal selbst auftritt. »Neben der psychologischen Ebene hat das Stück auch eine soziale Dimension«, sagt Christoph Gerzymisch, »Madame Lemarchand setzt das Geld als materielles Druckmittel gegen Franck ein.« Hildas totale Unterwerfung »erschreckt vor allem durch ihre Unterschwelligkeit und erreicht ihren Höhepunkt in der körperlichen Aneignung durch ihre Herrin«, ergänzt der Regisseur. Dazu komme die Hilflosigkeit und Unsicherheit von Franck. Er könne nie sicher sein, ob Madame Lemarchand ihm die Wahrheit sage. Am Projekt »Hilda« gefiel Christoph am meisten, dass er und sein Team von der Wahl des Textes bis zur Aufführung völlig frei waren. Zu den besonderen Herausforderungen gehörte dabei, dass Ma-

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Eine Furie. Madame Lemarchand droht Franck.

Foto: Susanne Petzold

rie NDiayes Stück ohne Vorbilder auskommen musste. Kaum ein Theater in Deutschland hat bisher das erste Bühnenstück der französischen Romanautorin aufgeführt. Die Vorzüge einer großen Bühne vermisste Gerzymisch dabei nicht, im Gegenteil: »In den großen Häusern ist man als Regisseur unter Umständen künstlerisch sehr eingeengt und muss viele Kompromisse eingehen.« Das Institut für Theaterwissenschaft, in dessen Räumen »Hilda« aufgeführt wurde, sieht Gerzymisch von zwei Seiten: »Das Studium selbst ist reine Geisteswissenschaft. Die Initiative zu einem Projekt geht immer von den Studenten aus.« Sehr nützlich seien die Kontakte, die man hier knüpfen könne. So konnte Gerzymisch für die Produktion von »Hilda« auf viele Helfer und Helferinnen verschiedener Fachrichtungen zurückgreifen, die er während des Studiums kennengelernt hatte. Musik (Thomas Dörschel) und Bühnenbild (Konstanze Grotkopp) wurden eigens für die Inszenierung geschaffen, und auch für Organisation (Katrin Brauner) und Lichtdesign (Stefan Hort) fanden sich angehende Fachkräfte. Die Reaktion der Lehrenden auf das praktische Engagement sei durchgehend positiv. Auch deshalb bedauert er, dass das Institut im Zuge der Sparmaßnahmen nach dem Sommersemester endgültig den Lehrbetrieb einstellen muss. Gerzymischs nächstes Projekt? Das steht bereits fest: Die Abschlussprüfung im Fach Theaterwissenschaft. Bernhard Holl <

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Kultur | Musik

Plattenwäsche

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> Die »Lucky Boys«, das sind der italienische Pianist Giovanni Mirabassi, der britische Tenor-Saxophonist Tim Whitehead und seine beiden Landsleute Oli Hayhurst (Kontrabass) und Milo Fell (Drums). Da Mirabassi zudem in Paris lebt, handelt es sich um eine wahrhaft internationale Truppe. Die Musiker werden in ihrer jeweiligen Heimat gerühmt, also ist es auch nicht verwunderlich, dass hier Jazz von höchstem Niveau geboten wird. Bis nach Deutschland ist die Botschaft von der Qualität des Quartetts jedoch noch nicht vorgedrungen. Dabei bietet die kürzlich erschienene CD neun gute Gründe dafür. Ob es Whiteheads groovendes »New Day« oder der Titeltrack »Lucky Boys«, das energische »Tôt ou tard« oder die wunderbar fließende Melodie von Mirabassis »Barcarole« ist: Dieses Album überzeugt durchweg. Gelungen sind auch die neuen Interpretationen von Klassikern wie John Lennons »Imagine« oder Steve Swallows »Ladies in Mercedes«. Nur der Applaus (oder der Blick ins Booklet) macht deutlich, dass manche Stücke live aufgenommen wurden. Denn Whitehead und Mirabassi, der manchmal an Keith Jarrett erinnert, improvisieren fast vollkommen. Hayhurst und Fell begleiten stets präzise. Sie gehen mit, wenn es gefragt ist, oder halten sich zurück, um dem Saxophon oder Klavier die Bühne zu überlassen. Nach den gut 70 Minuten Musik muss man die anfangs gegebene Definition der »Lucky Boys« in Frage stellen: Sind nicht eigentlich diejenigen, die diese CD besitzen, die Lucky Boys? Emanuel Viebahn <

Tim Whitehead, »Lucky Boys« Homemade

> Sie ist allein. Schön, klug, zweifelnd. Anna Ternheims eindringliche, leicht rauhe Stimme erzählt Geschichten, untermalt von vielschichtigen und dennoch schlichten Arrangements für Gitarre, Kontrabass und Schlagzeug. Man schließt die Augen. Bilder der eigenen, holprigen Versuche, mit der Liebe und dem Leben klarzukommen, tauchen auf. »Somebody outside«, der Titelsong ihres 2004 in Schweden und erst im Februar dieses Jahres in Deutschland erschienen Albums, ist schon zehn Jahre alt. Damals war Anna Austauschschülerin in den USA und gründete ihre erste Band. Doch bevor sie wirklich von ihrer eigenen Musik zu leben begann, studierte sie Französisch und einige Semester Architektur. Der eindringliche Pop der 28-jährigen Schwedin spricht aus dem Herzen talentierter junger Menschen, die sich manchmal selbst im Weg stehen. Sie nehmen intensiv wahr, statt einen Karriereplan zu verfolgen, und handeln nach ihren Gefühlen: »I’m off solid grounds for you. They don’t understand but people never do. It makes sense to me. To be senseless, to change my plans for you.« Das Album wurde in einer kleinen Mühle auf der Insel Gotland aufgenommen und in zwei verschiedenen Versionen herausgebracht: Die grandiose Doppel-CD ihres Albums enthält zusätzlich »Naked Versions« — nur Gesang und ein Instrument, meist Gitarre und Klavier — sowie zwei neue Songs. Noch besser allerdings: ein Konzert der Stockholmerin. Da rocken Anna und ihre Band nämlich richtig frech zwischen den ernsten Tönen. Louisa Reichstetter <

Anna Ternheim, »Somebody outside« Universal

da big mama, »Open the abyss« Kampai Records

> Da Big Mama« liebt sie alle: Den rotzigen Stonerrock, die delirierende Psychedelic-Odyssee, den Jazz und den Bluestrip — all den Musiksüchtigen mit intaktem CD-Player und belastbaren Boxen hält sie von nun an auch auf Platte die mächtigen Brüste bereit. Denn endlich ist das Debüt der vier Jungs aus dem Berliner Osten auf dem Markt. Ein Muttermilchersatz für all jene, die sie nach ihren zahlreichen Gigs auf den lokalen Bühnen taub und durstig zurückließen. Da Big Mama treiben es bunt auf diesem knapp fünfzigminütigen Silberling. Zur Eröffnung spült »Open the abyss« erst einmal kräftig den Alltagsschmalz aus den Gehörgängen. Damit beginnt der große Trip in die etwas andere Stonerrockgalaxie. Denn anders als in diesem Genre üblich, erschöpft sich die Musik von Da Big Mama nicht nach wenigen Songs. In entspannter Leichtigkeit wird hier ein vielseitiger Wust von Einflüssen musikalisch anspruchsvoll in Szene gesetzt. Reduzierten Passagen folgen die großen Ausschweifungen. Überbordendes Gitarrenspiel paart sich mit abwechselnd hängenden oder treibenden Rhythmen, Trompetensoli und russischsprachiger Gesang surfen auf meterhoch aufgetürmten WahWah-Wellen. Funky Tunes und psychedelische Jazzeinschübe mischen sich mit durchaus energischem Rock. Das ist Retro fernab vom Mainstream der letzten Jahre. »We live… so we leave traces«, so heißt der vorletzte Song. Mit dieser Platte hinterlassen Da Big Mama sicherlich Spuren. Eine Empfehlung für alle, die sich gern an guter Rockmusik ergötzen. Sebastian Rothe <

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Da ist es schon fast angenehmer, mit einem bekennenden DVU-Wähler zu plaudern. Manch gebeutelte Forsa-Fachkraft schafft dann auch den Absprung an den Zapfhahn. (Manch künftiges Emnid-Personal kommt gerade von dort.) Ja, die Elite von morgen findet man heute auch hinter den Tresen in aller Welt. Leider ist das noch nicht zu allen Teilen der Kundschaft durchgedrungen. Um in solchen Situationen hin und wieder den eigenen Elite-Status kenntlich zu machen, empfiehlt es sich, dem Gast, der noch einmal dasselbe bestellen möchte, zu entgegnen: »Dasselbe wird schwierig, aber ich kann Ihnen gern noch einmal das Gleiche bringen.« Lächeln und Abgang. Für angehende Romanistinnen und Romanisten mit elitären Ambitionen wäre es beispielsweise denkbar, korrigierend bei der Weinbestellung einzuschreiten. Ähnliches könnte ich mir auch für alle Supermarktaushilfen vorstellen: Das Vino-Tinto-Regal nach autonomen Regionen ordnen. Über Land und Leute informieren. Geschichtliche Hintergründe und so. Denn: Die Elite von morgen findet man heute in den Supermärkten in aller Welt! Und es gibt so viele Möglichkeiten, schon heute die Zukunft in unser Leben zu holen. Und wer weiß, vielleicht ist der Telefonpartner, der Kneipengast, der Supermarktkunde ja ein ganz hohes Tier bei der FNSt, wie Eingeweihte sagen, und er nimmt dich zur Seite und spricht: »Lieber Freund, die liberale Elite von morgen…« Tina Rohowski <

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»Elite« lernen »Die liberale Elite von morgen findet man heute an den Hochschulen in aller Welt.« Den ersten Satz habe ich hiermit der Friedrich-Naumann-Stiftung überlassen. Auf der Suche nach dem Westerwelle von morgen hat sie also die Hörsäle entdeckt. Nun können leider nicht alle von uns ihre Bewerbung an die Stipendiengeber dieser Welt mit Verweisen schmücken auf frühes Freidenkertum im Krabbelalter, auf liberaldemokratische Grundschulaufsätze, auf eine fürs Gymnasialfoyer konzipierte Graf-Lambsdorff-Schaubiographie oder die unter das Motto »18!« gestellte Feier zum 20. Geburtstag… Deshalb möchte ich dem Anfang einen Satz entgegenstellen: Die liberale Elite von morgen findet man heute in den Callcentern in aller Welt. Und sogar — das wird die Friedrich-Naumann-Stiftung freuen — nicht nur die liberale. Mir scheint derzeit kein studentischer Nebenjob so beliebt wie die Arbeit am heißen Draht. Obwohl »beliebt« nicht ganz das richtige Wort ist. Im Gegenteil: Eine gesunde Portion Hass auf die eigene Tätigkeit macht auch hier jede Erniedrigung erträglicher. Ebenso wird in diesem Fall immer wieder geklagt, man habe am Tag zuvor mal wieder eine besonders blöde Umfrage durchführen müssen, bei der natürlich niemand am anderen Ende der Leitung den ganzen Fragenbogen mitmachen wollte. Sind Sie momentan oder waren Sie schon einmal von Fußpilz betroffen? Welcher der folgenden Hautausschläge ist Ihnen aus eigener Erfahrung bekannt?

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