UnAufgefordert Nr. 207

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S t u d i e r e n d e n z e i t u n g d e r H u m b o l d t - U n i v e r s i t ä t z u B e r l i n s e i t N o v e m b e r 1 9 8 9 , A p r i l 2 0 1 2 , N r. 2 0 7

unAuf GEFoRdERT Hu bERLIN

No C H R? E H C I S

r b e i te r a t i M e isch A ka de m iel und v n e t s i le e n i g. w n e m bekom

STudIENPLATZ-PoKER STudIuM IM STRAFVoLLZuG Das nervenaufreibende Spiel Ein Häftling berichtet über seinen Alltag.

zwischen Bewerbern und Unis

AuF dEN SPuREN EINES APoSTELS MÄNNER MÜSSEN dRAuSSEN bLEIbEN Ein Student unterwegs auf dem Jakobsweg. Förderung radikal: Studiengänge nur für Frauen


S GR ATI

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Studierendenzeitung der HU Berlin

IAL R o T I d E

Wer Wissenschaftler werden will, bei dem ist die Motivation selten finanzieller Natur. Vielmehr locken Stellen an Universitäten und in

Forschungseinrichtungen mit einem hohen Maß an Prestige und interessanten Aufgaben. Trotzdem sollte ein Mindestmaß an finanzieller

Absicherung garantiert sein, was nicht immer der Fall ist – vor allem

bei befristeten Stellen im Mittelbau und bei Jobs, die wissenschaftli-

chen Nachwuchs für spätere Aufgaben qualifizieren sollen.

Deshalb geht es in dieser Ausgabe ab Seite sieben um Doktoranden, die mit

anderen Gruppen des Mittelbaus gerne unter dem Schlagwort des akademischen

Foto: Lukas Luft

MITARbEITERIN dES MoNATS

Prekariats zusammengefasst werden. Dieser plakative Begriff trifft zwar nicht immer

zu, aber Tendenzen zu schlechten Arbeitsverhältnissen an deutschen Hochschulen auch an der HU – sind nicht zu übersehen.

Außerdem haben wir ein Spezial zur Politik an der HU für euch, das sich mit den Strukturen der Universität auseinandersetzt. Hierbei liegt der Fokus vor allem auf

den Möglichkeiten studentischer Beteiligung. So werden ab Seite zwölf die politischen Organe der HU erläutert, auf Seite 14 nach Antworten auf die Frage gesucht,

warum die Beteiligung bei den StuPa-Wahlen im Januar bei nur fünf Prozent lag. Ab Seite 15 zeigen wir, wie sich Studierende engagieren und mit welchen Hürden sie zu kämpfen haben.

Nicht zuletzt haben wir für diese Ausgabe recherchiert, wie es möglich ist, als Ge-

fängnisinsasse ein Studium zu absolvieren. Nachlesen könnt ihr das ab Seite 18. Auf

FrANZiSKA SEDlBAUEr, 24 GESCHiCHtE UND SOZiAlWiSSENSCHAFtEN,

Seite 23 folgen wir einem HU-Studenten auf den Pfaden des Jakobsweges - zusätzliche Bilder und vieles mehr gibt es wie immer auf www.UnAufgefordert.de.

CHEFrEDAKtEUriN A.D. Wer

unsere

Redaktionsräume

Eure UnAuf

nicht

kennt, dem sei erklärt: Hier ist es bunt, lustig, geschäftig, hier und da laut, ein

wenig klein und wunderschön! Ganz genau wie Franzi, die unsere Redaktions-

sitzungen stets auf den richtigen Kurs brachte. Hätten wir Franzi nicht ken-

nen gelernt, hätten wir wohl niemals Angst vor heißem Tee haben müssen,

nicht täglich Halloumi gegessen oder gar über Oberbayern nachgedacht. Doch mannigfaltige Berichte von Bier und Apfelbäumen haben in uns etwas bewegt.

Schließlich war es ihr zauberhaft unver-

ständlicher Dialekt beim Telefonat mit

den Süden Bayerns verführt hat. Inzwischen absolviert die Kleine ein Erasmus-

Es geht wieder los.

semester in Wien, das macht Sinn. Wir wünschen dem Franzl viel Glück.

Foto: Ina Soth

den Lieben, der uns zum Schwärmen für

impressum: Die Studierendenzeitung der Humboldt-Uni-

Caspar Schwietering, Johannes Winter Anzeigen: Christian

versität zu Berlin. Erstmals erschienen am 17. November

Meckelburg, Telefon: 0177-8763846, werbung@unauf.de und

Druck und Belichtung: Gemeindebriefdruckerei, Martin-

1989. Beste deutschsprachige Studierendenzeitung 2005

SD-Media, Telefon: 030-36286430 Satz: Ina Soth Online-

Luther-Weg 1, 29393 Groß Oesingen,

Uhr in der Redaktion, Invalidenstraße 110, Raum 118

und 2008. Herausgegeben vom: Kuratorium des Freun-

ressortleiterin: Miriam Nomanni titelbild: Philipp Rau-

Auflage: 5.000

deskreises der UnAufgefordert e.V.

land

Für alle Fakten besteht das Recht auf Gegendarstellung

Verantwortlich für diese Ausgabe: Nina Breher, Susanne

Die UnAufgefordert wird gefördert von der BMW Stiftung,

in angemessenem Umfang. Nachdruck nach vorheriger

Schwarz (Chefredaktion), Christian Meckelburg (Chef vom

dem Deutschen Fachjournalisten-Verband, der Hum-

Nachfrage möglich. Wir bitten um Quellenangabe und

Dienst), Sarah Lederer, Philipp Sickmann (Schlussredaktion)

boldt-Universitäts-Gesellschaft und Funkpalast Musik

Belegexemplar. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe

redaktion: Simon Grimm, Susanne Hartl, Christin Heldt,

Kontakt: Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den

gekürzt zu veröffentlichen. Alle Artikel geben die Mei-

Wiebke Marie Junk, Lena Kainz, Dena Kelishadi, Benjamin

Linden 6, 10099 Berlin, Telefon: 030-20932288, Fax: 030-

nung des jeweiligen Autors wieder.

Knödler, Annika Koch, Nadine Meya, Miriam Noman-

20932754, www.UnAufgefordert.de, redaktion@unauf.de

redaktionsschluss dieser Ausgabe: 26. März 2012

ni, Max Nominacher, Sarah Petrick, Angela Schuberth,

Öffentliche Redaktionssitzungen: montags um 18:30

redaktionsschluss der Nummer 208: 23. April 2012

3

Editorial


UnAufgefordert

INHALT

PoLITIK

TITEL 7

mittelBau ohne FunDament

Arbeitsverhältnisse an der Univer-

11

in FünF sätzen:

sität sind prekär: Befristete Verträge und ungewisse Zukunftsaussichten dominieren.

Kommentar:

Note gegen Note

Was ist ein Semesterapparat? 12

Die humBolDtschen zahnräDer

An der Universität werden ständig

Entscheidungen gefällt. So greifen die Gremien ineinander. 14

JemanD WirD's schon richten

Große Probleme im Kleinen: Die Beteiligung an der letzten StuPa-Wahl war gering. 15

Dann mach ich's halt selBst Mehrheit in der Minderheit: Was Studierende an der HU

tatsächlich bewirken können. 16

PartnerBilDung

Regierung will Kooperationsverbot lockern.

17

STudIEREN LEbEN glosse:

In Reih' und Glied

21

unD Was macht man Dann

Motorenprüfstand Vorhang auF:

Musik

uni-Knigge:

Für Studierende auf dem

Darf man seine Gefühlsausbrüche in der Bibliothek kundtun?

stuDieren im geFängnis

Präsentierteller 22

Ein Gefängnisaufenthalt macht ei-

Spuren Jakobus des Älteren

Weiterbildung.

meinungsBilDung

Den Jakobsweg beschreiten längst Johannes ist drei Etappen auf den

Dennoch gibt es Möglichkeiten zur

Rektoren und Präsidenten

Pilgern auF ProBe

nicht mehr nur Gläubige.

nen Strich durch den Lebenslauf.

20

Der vegane Koch

rüschtisch Jut:

Damit?

18

Portrait:

gewandert. 24

deutscher Hochschulen wurden

leBen WoanDers: russlanD Zwischen den Kontrasten: Daniel bereist das größte Land der Erde.

befragt.

Hier trifft er auf eine Gesellschaft zwischen Veränderung und Stillstand. 26

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4

Inhalt

WorauF Wartest Du?

Diesmal: Praktikumsplatz


Studierendenzeitung der HU Berlin

Googleroute überholen: Check

Illu: Nicole Meckel

Nach Texas wollte ich, um mich unter Menschenmengen zu

Kurz vor Ende der Reise hielten wir aus purer Neugierde an ei-

Meine New Yorker Freunde hatten mich überzeugt, mit nach

Das erste, was wir darin sahen, waren Plastikbänke und ein

ner Autobahnkirche. Sie war wirklich wir aus dem Bilderbuch.

mischen und vor Konzertbühnen auf- und ab zu springen.

großer Plasmabildschirm, der wie selbstverständlich das Bild

Austin in Texas zu reisen. „Seid ihr besoffen“, hatte ich erst

eines Kruzifixes über dem Altar ausstrahlte. Ich drehte mich

gedacht. „George W. Bush, Cowboys und eine Menge schieß-

suchend um. Außer uns schien niemand in der Kirche zu sein

wütiger Republikaner – auf keinen Fall verbringe ich meine Fe-

schien.

rien in Texas.“ Doch sie erzählten mir vom South by Southwest

Doch dann erblickte ich sie plötzlich in einer Ecke des Gottes-

Festival in Austin, das seit den 80er Jahren der letzte Schrei sei. Damit hatten sie mich im Boot! Mein Budget für das texanische Abenteuer reichte jedoch nur für den Hinflug. So entschied

ich, mit meinen Freunden und ihrem Auto zurückzufahren.

Die Fahrzeit googelte ich erst zwei Tage vor

»George W. Bush, Cowboys und eine

der Rückfahrt: 24 Stunden. Wir würden be-

Menge schießwütiger

hoffnungsfroh. So kostete ich jede Minute

Republikaner.

stimmt schneller am Ziel sein, sagte ich mir in Austin aus und wachte am Abreisemor-

gen zögerlich auf. Jetzt war klar: Das Zu-

«

hauses: George W. Bush und seine Frau Laura. „Dena Kelishadi, freut mich“, stellte ich mich George vor und schüttelte seine Hand,

was sollte ich auch machen? Für die ehemalige First Lady machte ich einen Knicks. Ich

glaube, George fand mein keckes Auftreten weltbewegend. So weltbewegend, dass er

plötzlich durch eine Tür verschwand und kurz darauf, noch immer einen Telefon-

hörer in der Hand haltend, wiederkam. Er deutete auf den großen Bildschirm, der

sammenpacken musste schnell gehen. Dumm nur, dass unser

über dem Altar hing.

tobatterie leer. Was nun?

nitor: Washington hebt mit sofortiger Wirkung alle Handels-

Statt des Kreuzes flimmerte nun eine Eilmeldung über den Mo-

Gefährt, ein japanischer Geländewagen, nicht ansprang. Au-

sanktionen gegenüber der Islamischen Republik Iran auf! Ich

Nach einer Stunde konnten wir mit unseren spärlichen Spa-

blickte George an – mit hochgezogener Augenbraue. Er nickte

nischkenntnissen ein Startkabel organisieren. Dann ging es

nur.

los. Unser Ziel war nach wie vor, am nächsten Abend in New

Wir erreichten New York am nächsten Tag um sechs Uhr mor-

York City anzukommen. Anfangs kamen wir sogar zügig vor-

gens nach 30 Stunden Fahrt statt den erhofften 24. Mein kultu-

an: Von Texarkana, wo ich einen Freischnaps zum Geburtstag

reller Erstwohnsitz hatte seine wirtschaftliche Freiheit zurück-

bekam, über Memphis, der Geburtsstätte des Rock'n'Rolls,

gewonnen. Mein Hintern war noch nie so platt und glücklich

fuhren wir weiter nach Lexington, Virginia. Hier, in der Wiege

zur selben Zeit! Und das ist nun wirklich kein Aprilscherz.

der Nation, aßen wir zu Abend.

Aufträge für Dena Kelishadi an redaktion@unauf.de

Dann geschah etwas, das die Fahrt entscheidend verlängerte:

5

Kolumne


Foto: Abc

Oft bleibt nur die Nacht zum Arbeiten.


Studierendenzeitung der HU Berlin

Mittelbau ohne Fundament Arbeitsverhältnisse an der Universität sind prekär: Befristete Verträge und ungewisse Zukunftsaussichten dominieren. Viele nehmen diese Situation dennoch in Kauf.

Ein selbstbewusstes Lächeln zeichnet sich auf dem Gesicht der

befristet. Der Mittelbau (B) ist in der klaren Überzahl. Diese

nächste Semester spricht. Sie wird einen Kurs zu ihrem Promo-

ab. Laut dem Personalrat der studentischen Beschäftigten der

28-jährigen Lisa Anders ab, wenn sie von ihren Plänen für das

Tendenz zeichnet sich nicht nur in der Personalstruktur der HU

tionsthema, dem Mehrebenensystem der Europäischen Union,

HU sind über 83 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter an

leiten. Die junge Frau ist Doktorandin an der Berlin Graduate

deutschen Universitäten befristet eingestellt, über die Hälfte

School of Social Sciences (BGSS). Geld wird sie für ihre Lehr-

davon mit Vertragslaufzeiten von unter einem Jahr.

tätigkeit, in die sie zusätzlich zwei Tage Vorbereitung in der

Auch das Verhältnis zwischen Professoren und Mittelbau ist

Woche stecken wird, nicht erhalten.

weiterhin nicht ausgewogen. Die Gewerkschaft ver.di hat in

Den zusätzlichen Aufwand zu ihrer Promotion nimmt sie für

der Studie "Gute Wissenschaft gibt es nicht umsonst -

ihre Karriere in Kauf. Anders arbeitet gern wissenschaftlich:

wissenschaftlich Beschäftigte brauchen faire Perspektiven"

„Lehrerfahrung sollte der Lebenslauf eines Doktoranden schon bieten, wenn man im akademischen Bereich bleiben will. Wenn ich die Promotion beende und

weder gelehrt noch publiziert habe, kann

aus dem Juli 2011 unter den 200.000 Per-

»die Konkurrenz

ich es gleich vergessen.“

nimmt zu. Auf 10 bis

Gruppe des wissenschaftlichen Personals,

15 Stellen kommen 400

zeichnet wird. Der Begriff des Prekariats

Bewerbungen.

Doktoranden wie Anders fallen in die

das häufig als akademisches Prekariat bebeschreibt keine einheitliche Klasse oder Schicht, er meint unsichere und meist

«

sonen, die hauptberuflich an deutschen Hochschulen lehrten und forschten, nur

40.000 Professuren mit einer eigenverant-

wortlichen und sicheren Position ausfindig

machen können. Ansonsten dominierten undurchschaubare Beförderungspolitik, Befristung und Teilzeit. Zusätzlich waren laut

ver.di 100.000 Privatdozierende, Lehrbeauftragte oder wissenschaftliche Hilfskräfte als

nebenberufliche Kräfte beschäftigt. Deren

Arbeitsstunden gingen laut der Studie oft

befristete Arbeitssituationen, bei denen Geldeinkünfte, Sozi-

weit über die vergüteten Stunden hinaus.

Perspektiven im Unklaren liegen. Erst seit dem Jahr 2001 ist da-

zuversichtlich. Sie ist dankbar und fühlt sich privilegiert,

al- und Krankenversicherungsleistungen gering ausfallen und

Trotz dieser Statistiken und Kontroversen wirkt Lisa Anders

von die Rede, dass auch Teile der akademischen Mittelschicht

denn sie hat einen der stark umkämpften Doktorandenplätze

zum Prekariat gezählt werden können. Die Publizistinnen

an der BGSS bekommen. Mehr als 400 Bewerbungen kommen

Anne und Marine Rambach prangerten in ihrer Streitschrift

jährlich auf die 10 bis 15 Plätze. „Und die Konkurrenz hat zuge-

Les intellos précaires (Die prekären Intellektuellen) die para-

nommen“, weiß Anders. „Heute würde ich gegen die prall ge-

doxe Situation junger Intellektueller an, die sich trotz hohem

füllten, internationalen Lebensläufe der Bewerber wohl nicht

sozialen Status und guter Qualifikation in immer schlechteren

mehr bestehen”, gesteht sie.

Arbeitsbedingungen wiederfinden würden.

Die Doktorandin schätzt sich glücklich: Von der BGSS bekommt

Der Begriff des akademischen Prekariats ist eigentlich irrefüh-

sie für insgesamt drei Jahre ein monatliches Stipendium in

rend: Er impliziert, dass das akademische Prekariat aus einer

Höhe von 1200 Euro und ein Büro, das sie sich mit anderen

homogenen Gruppe von Menschen bestünde. Dabei schließt

Promovierenden teilt. Während ein Promotionsstipendium

der Begriff sowohl den habilitierten wissenschaftlichen Mitar-

zunächst nach einem großen Privileg für den begabten wis-

beiter ohne eigenen Lehrstuhl, als auch den auf dem Arbeits-

senschaftlichen Nachwuchs klingt, bedeutet es tatsächlich,

markt erfolglosen Bachelor-Absolventen oder den Doktoran-

dass Doktoranden die Sozialversicherung selbst übernehmen

den, der seine Dissertation nebenher finanzieren muss ein.

müssen. Die Hochschulen sparen letztlich die Lohnnebenkos-

Der akademische Mittelbau der HU, also das wissenschaftliche

ten. In die Rentenkassen zahlen die Stipendiaten während ih-

Personal ohne Professur, besteht aus 1.825 Personen auf ins-

rer Promotionszeit also nicht ein. Auch gegen Arbeitslosigkeit

gesamt 681 Vollzeitstellen. Er gliedert sich in zwei Gruppen.

sind Stipendiaten nicht abgesichert. Sollten sie nach der Dis-

Da wäre einerseits die Gruppe Mittelbau (D), das D steht für

sertation nicht sofort eine Stelle finden, bleibt nur die Beantra-

Dauer. Auf der anderen Seite steht die Gruppe Mittelbau (B):

gung von Arbeitslosengeld II - Hartz IV.

7

Titel


Unaufgefordert

Doktoranden ohne Stipendium nehmen befristete Stellen in

deutet folglich einen Lohn von 3187 Euro. Doktoranden, die nur

dern beziehen häufig ihren Lebensunterhalt aus ihnen. Da

Hälfte dieses Betrags.

ihrem Fachbereich nicht nur für ihren Lebenslauf an, son-

eine halbe Stelle wahrnehmen können, erhalten auch nur die

ihre Vollzeitbeschäftigung ihre Dissertation ist, reicht die Zeit

Auch Dr. Brigitte Lehmann, Geschäftsführerin der Humboldt

meist nur für eine halbe Stelle.

Graduate School, sieht es als problematisch an, dass die Grup-

So bei dem 32-jährigen Benjamin Kiesewetter. Der Pro-

movierende hat eine halbe Stelle im Sonderforschungsbereich Transformation der Antike an der HU. Mit der Stelle hat er nach eigener Aussage genug Zeit für seine

Promotion, da er selbst entscheidet, ob und wie viel er lehren will. Doch das ist spezifisch für seinen Arbeitsvertrag im Sonderforschungsbereich. Institute hätten oft andere Verträge mit ihren Doktoranden: „Wer mit

pe von rund 1000 Doktoranden

»Ehemalige Kommilitonen verdienen doppelt so viel.

einer halben oder dreiviertel Stelle am Institut angestellt ist, muss oft ein sogar zwei Seminare oder pro Se-

mester geben.“ Zeit Für die Promotion bleibe da kaum,

«

an der HU mit Lehrauftrag

„weitere Arbeitsaufgaben hat, die manchmal nur wenig Zeit für die Promotion lassen.“

Eine Erfahrung, die auch Eu-

gen Esau teilt. Der 29-Jährige arbeitet neben seiner Disser-

tation nicht an einer Universität, sondern hat eine Stelle bei

einer Stiftung: Vollzeit. Zur

so Kiesewetter. Er selbst hat bisher insgesamt zwei Se-

Arbeit an seiner Abschlussar-

minare allein und eines in Kooperation mit jemandem

beit kommt der Sozialwissen-

angeboten. Nun setzt er die Lehre aus, weil er sich auf das Sch-

schaftler kaum. Nur an einem Tag in der Woche schaffe er es,

Wer sich als Doktorand durch eine Lehrstelle finanziert, wird

ten. Zufrieden ist er dennoch, denn die Promotion erscheint

reiben konzentrieren will.

früh genug Feierabend zu machen um effektiv daran zu arbei-

nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder

ihm sinnvoller als seine vorherige Arbeit in einer PR-Agentur.

vergütet. Der Tarifvertrag unterscheidet, je nach Qualifikati-

Zu glauben, die prekäre Situation des akademischen Mit-

on, zwischen den Entgeltgruppen 1 bis 15. Doktoranden fallen

telbaus sei zufällig, fällt schwer. Wenn man das 2007 verab-

in die Entgeltgruppe 13. Eine Vollzeitstelle in dieser Gruppe be-

schiedete Wissenschaftszeitvertragsgesetz betrachtet, scheint

Die Formel zum Erfolg?.

Von der Hand in den Mensaautomaten

8

Titel


Studierendenzeitung der HU Berlin

Wenn im Anschluss keine Stelle winkt, bleibt nur der Gang zur Agentur.

sich vielmehr eine politische Linie abzuzeichnen. Dieses trifft

längern. Ein Mediziner also, der beispielsweise innerhalb von

künstlerische Mitarbeiter von Hochschulen in ihrer Qualifizie-

Gesetz noch zwölf Jahre befristet angestellt werden.

Regelungen für befristet angestellte wissenschaftliche und

drei Jahren promoviert, könnte im Anschluss nach dem neuen

rungsphase. Das ist jene Zeitspanne, die ein Absolvent nach

In der Politik hat es bereits Debatten um Lohnerhöhungen

seinem Universitätsabschluss benötigt, um sich die Fähigkeiten anzueignen, die das Ar-

beiten an einer Hochschule oder in anderen Forschungs-

einrichtungen erfordert. Dies

für wissenschaftliches Personal gegeben. Erst im Februar ur-

»In der Politik hat es

kann innerhalb formaler Qua-

bereits Debatten um

Promotion, Habilitation oder

Lohnerhöhungen für

hen, muss aber nicht.

wissenschaftliches

lifikationsmöglichkeiten wie Facharztausbildung

gesche-

Nicht promoviertes Personal der Universitäten darf nach

dem Gesetz bis zu sechs Jahre befristet angestellt wer-

Personal gegeben.

teilte das Bundesverfassungsgericht für das Land Hessen, dass die sogenannte W2-Besoldung mit

einem Nettogehalt von rund 4400 Euro verfas-

sungswidrig sei. Ein hessischer Chemieprofessor hatte geklagt, da diese Vergütung keine dem aka-

demischen Werdegang, der Qualifikation und der Aufgabe angemessene Alimentation garantiere.

Doch mit Blick auf die Beschäftigungs- und Gehaltszahlen an Universitäten wirkt das Urteil

«

des Bundesverfassungsgerichts vom Februar wie ein Tropfen auf den heißen Stein: Es betrifft ausschließlich Professoren, die Gehaltsansprüche einer Mehrzahl der wissenschaftlich Beschäftigten

den. Nach Beendigung einer

bleibt unberücksichtigt.

Promotion darf noch einmal

Der Personalrat der studentischen Beschäftigten

sechs Jahre befristet werden, neun bei Medizin. Schließt man

der HU sieht in der Überwindung dieser Ungleichheit eine

anschließende Befristung um die entstandene Differenz ver-

leitung sowie die Professor_innen müssten sich dabei auch zu

die Promotion in weniger als sechs Jahren ab, kann sich die

Möglichkeit zur Entschärfung der Situation: „Die Hochschul-

9

Titel


UnAufgefordert

»Trotz der prekären

Arbeitsverhältnisse strömen Nachwuchswissenschaftler an die Universitäten.

«

Dialogen auf Augen-

Die HU verzeichnet stetig steigende Promovierendenzahlen.

Statusgruppen bewe-

Charité - nahm laut Uta Hoffmann, der Zuständigen für den

höhe mit den anderen

Die Anzahl der abgeschlossenen Promotionen an der HU - ohne

gen und Personalräte

wissenschaftlichen Nachwuchs an der HU, von 367 im Jahr

und Gewerkschaften

2000 auf 486 im Jahr 2010 zu. Jedes Jahr gebe es rund 1000 Neu-

stärker einbinden.“

anfänger.

Jan-Hendrik Olbertz, Präsident äußerte

der

Lisa Anders ist sich ihrer Lage bewusst. Manchmal vergleiche

HU,

sie sich mit Leuten, die früher ihre Kommilitonen waren: „Die

gegenüber

haben jetzt schon eine Festanstellung, verdienen doppelt so

dem Tagesspiegel, er plane

eine

viel wie ich und zahlen dabei schon fleißig in ihre Rente ein.

Überar-

Ich hab vielleicht bisher eine 10 Euro-Rente, weil ich mal als

beitung der Regeln

Hilfskraft gearbeitet habe.“

unabhängig vom Urteil des Verfassungsgerichts in Karlsruhe.

Dennoch lässt sich Anders vom Konkurrenzdruck und ihrer

Weiter stellte er in Aussicht, dass auch wissenschaftliche Mitarbeiter im Mittelbau Gehaltszuschläge

erhalten sollen. „Die junge Elite, die nicht besonders gut bezahlt wird“, nennt Olbertz sie. Auch wei-

tere Maßnahmen sollen zur Stärkung dieser Gruppe junger Akademiker beitragen: Als erste Universität

Deutschlands führte die HU 2002 die Juniorprofessur ein. Diese Personalkategorie, die Promovierte bereits

ungewissen

»Die Angst sitzt irgendwo im Hinterkopf. «

nicht

Zukunft

beeindrucken.

Sie resümiert: „Für einen Doktoranden habe

ich großes Glück gehabt.“ Die Angst sitze irgendwo im Hinter-

kopf, sagt sie. „Aber

vor der Habilitation unabhängig forschen und lehren lässt, soll

wir sind es ja auch gewohnt, kurzfristig zu denken: Erst drei

Derzeit sind 76 der 409 Professuren an der HU Juniorprofessu-

motion; zwischendurch immer Ungewissheit und schauen,

den Einstieg in eine sichere universitäre Laufbahn erleichtern.

Jahre Bachelor, dann zwei Jahre Master, dann drei Jahre Pro-

ren.

was kommt.“

Trotz der prekären Arbeitsverhältnisse während der Promoti-

Christin Heldt, Wiebke Marie Junk, Benjamin Knödler, Annika Koch, Susanne Schwarz

on strömen Nachwuchswissenschaftler an die Universitäten.

Der Weg ins Ungewisse

10

Titel


Studierendenzeitung der HU Berlin

PoL ITIK Was ist ein Semesterapparat?

Kommentar

von Miriam Nomanni

In

die Lehrkräfte weiterführen-

de Literatur zu ihren Veranstaltungen

bereit.

Handapparate

Während

einem

5

Foto: Privat

Im Semesterapparat stellen

Sätzen

Professor

zugeordnet sind, der über die Ausleih-

rate für die Dauer eines Semesters und

Note gegen Note

in den institutseigenen Zweigbiblio-

Klausuren schreiben macht keinen Spaß – dem würden die

Zeitschriften und Ordner sind zwar

ist man als Erstsemester im Fach Jura darüber, dass man im

modalitäten der dort gelagerten Werke

entscheidet, bestehen Semesterappabefinden sich im Grimm-Zentrum oder

meisten Studierenden wohl zustimmen. Umso erstaunter

theken. Alle dort enthaltenen Bücher,

Laufe des Studiums für einige davon auch noch bezahlen soll.

einsehbar, aber prinzipiell von der Aus-

Fünf Euro für die Korrektur der eigenen Probeklausur? Von

leihe ausgeschlossen, solange der Se-

Begeisterung auf Seiten der Studierenden kann da keine Rede

mesterapparat besteht. Der Vorteil von

sein. Zwar ist die Teilnahme an den Probeklausuren freiwil-

Semesterapparaten ist, dass alles kompakt zusammengestellt und leicht zu

lig, allerdings legen alle Lehrkräfte den Studierenden nach-

staltung vergriffen sind, lohnt ein Blick

Klausuren und das Lösen von Fällen doch Grundbestandteile

drücklich ans Herz, diese Übungen mitzuschreiben – sind

finden ist. Wenn alle Bücher zur Veran-

des Jurastudiums.

in den Semesterapparat.

Max Nominacher

In der Studienordnung sind diese Tests nicht vorgesehen, sondern ein Zusatzangebot von Seiten der Universität. Den-

noch hat man ohne Übung deutlich geringere Chancen, die

Prüfungen am Ende des Semesters zu bestehen.

Auf der einen Seite kann man hier von einem Entgegenkommen der Fakultät sprechen: Trotz mangelnder finanzieller

Mittel wollen es die Mitarbeiter der Fakultät den Studierenden ermöglichen, sich notwendiges Wissen anzueignen.

Auf der anderen Seite zeichnet sich jedoch ein altbekanntes

Problem ab, das es nach wie vor zu kritisieren gilt: Der Universität steht zu wenig Geld zur Finanzierung solcher Angebote zur Verfügung, weshalb Studierende zur Kasse gebeten

werden müssen.

Letztendlich ist es schade, dass für die Korrektur gezahlt wer-

den muss. Eigentlich sollten die Kompetenzen, die nötig sind,

„Ich würde mir viel weniger Bürokratie

um Prüfungen zu bestehen, während des Studiums vermittelt

werden und dieses Angebot folglich selbstverständlich sein.

für uns alle wünschen.“

Warum sich also nicht für eine Veränderung der Studienord-

nung einsetzen oder die Probeklausuren in den Haushaltsplan aufnehmen? Dies wäre eine Lösung, die Studierenden

wie Korrektoren zugutekäme.

Eine im bundesweiten Vergleich seltene und löbliche Ausnah-

Foto: privat

Prof. Dr. Marcelo Caruso, Leiter der Abteilung

me stellt die HU dennoch dar: Jura-Erstsemester haben am

Historische Bildungsforschung am Institut für

Ende des ersten Semesters die Gelegenheit, eine Nachholklau-

versität zu Berlin

wird. Ein erster Schritt ist also bereits getan.

Erziehungswissenschaften der Humboldt-Uni-

sur älterer Semester mitzuschreiben, die kostenlos korrigiert

11

Politik


UnAufgefordert

Die Humboldtschen Zahnräder An der Universität werden ständig Entscheidungen gefällt – auch Studierende

Illu: Ina Soth

haben dabei etwas zu sagen. So greifen die Gremien ineinander.

Alle an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) eingeschrie-

Das Studierendenparlament (StuPa)

Wiedervereinigung gilt für die HU das Westberliner Hoch-

Das StuPa wird jährlich von allen Studierenden der HU mittels

verschiedene Organe vorsieht.

das ordentliche Beschlussorgan der Studierendenschaft. Jeder

benen Studierenden gehören zur Studierendenschaft. Seit der schulgesetz, das eine Aufteilung der Studierendenschaft in

einer personalisierten Listenwahl bestimmt. Das Parlament ist

Die Studierenden zahlen bei der Rückmeldung einen obligato-

Studierende der HU kann ins StuPa gewählt werden. Insge-

rischen Mitgliedschaftsbeitrag.

samt sitzen hier sechzig Mitglieder, die mindestens zwei Mal

Diese Gebühr dient zur Organisation der studentischen Mit-

pro Semester in öffentlichen Sitzungen tagen. Das StuPa kann

bestimmung. So finanzieren sich das Studierendenparlament

Arbeitsgruppen einsetzen und Beschlüsse - auch finanzwirksa-

(StuPa) und der Referent_innen Rat (RefRat), welche die Ver-

me - verabschieden. Der Haushalt der Studierendenschaft wird

tretung der Studierenden darstellen. Außerdem entsenden die

vom StuPa beschlossen. Außerdem wählt das StuPa ein Präsi-

Studierenden der HU studentische Vertreter in viele Gremien

dium aus seiner Mitte sowie die Mitglieder des Referent_innen

der Universität.

Rats.

12

Politik


Studierendenzeitung der HU Berlin

Der Referent_innen Rat (RefRat)

Der Akademischer Senat (AS)

Laut Satzung der Studierendenschaft „nimmt der RefRat die

Dem Akademischen Senat gehören dreizehn Professoren, vier

Der RefRat ist das ausführende Organ der Studierendenschaft

vier Studierende an. Der AS billigt den Haushalt der Universi-

Interessen der StudentInnen in kontinuierlicher Arbeit wahr.“

wissenschaftliche Mitarbeiter, vier sonstige Mitarbeiter und

und teilt sich dafür in derzeit 15 Referate auf. Jedes dieser Re-

tät. Er setzt die Zulassungsgrenzen fest und entscheidet über

ferate ist in einem anderen Bereich tätig. Den Referaten steht

die Einrichtung und Aufhebung von Studiengängen. Außer-

jeweils ein Referent vor, welcher vom StuPa für die Dauer von

dem erlässt der AS die Satzungen der Universität. Hierzu ge-

einem Jahr gewählt wird.

hört zum Beispiel die Allgemeine Satzung für Studien- und

Während sich das Referat Soziales hauptsächlich um die stu-

Prüfungsangelegenheiten, die als Grundlage für alle Studien-

dentische Sozialberatung kümmert, sind Referate wie das für

und Prüfungsordnungen der HU dient.

Hochschulpolitik und das für Lehre und Studium politische Interessenvertretungen der Studierenden. Ein Vertreter des

Das Konzil

mien der Universität teilnehmen. Das Referat für Finanzen

Das Konzil wählt das Präsidium der HU, welches aus dem Prä-

wird darin vom Haushaltsausschuss des StuPa kontrolliert.

übernimmt die Leitung der HU und vertritt die Universität

RefRats kann ohne Stimmrecht an den Sitzungen anderer Gre-

verwaltet den Haushalt der verfassten Studierendenschaft. Es

sidenten und drei Vizepräsidenten besteht. Dieses wiederum

Der RefRat kann studentischen Projekten finanzielle Hilfe zu-

nach außen. Dem Konzil gehören der komplette Akademische

kommen lassen.

Senat und 35 weitere Mitglieder an. Insgesamt sitzen im Kon-

zil 31 Professoren, zehn wissenschaftliche Mitarbeiter, zehn

Die Fachschaftsräte und -initiativen

sonstige Mitarbeiter und zehn Studierende. Neben der Wahl

des Präsidiums ist das Konzil für den Beschluss der Verfassung und der Wahlordnung der HU zuständig. Die studentischen

Innerhalb der Fachschaft können die Studierenden zu ihrer Ver-

Mitglieder des AS sowie des Konzils werden alle zwei Jahre in

tretung einen Fachschaftsrat wählen oder sich in einer Fach-

einer personalisierten Listenwahl von allen Studierenden der

schaftsinitiative zusammentun. Ein Drittel der Gelder der Stu-

HU gewählt.

dierendenschaft stehen den Fachschaften zu. Ein Vertreter der

Fachschaft muss benötigte Gelder beim RefRat beantragen und Rechenschaft für diese ablegen. Die Fachschaftsräteversamm-

Das Kuratorium

und hat die Aufgabe, die Arbeit der einzelnen Fachschaften zu

Dem Kuratorium der HU gehören der Präsident der Universität

lung besteht aus je einem Vertreter der einzelnen Fachschaften koordinieren und deren Interessen im RefRat zu vertreten.

und der Senator für Bildung, Jugend und Wissenschaft an, die

übrigen Mitglieder wählt der Akademische Senat. Das Kura-

Die Institutsräte

torium fungiert als Schnittstelle zwischen der HU und der Öffentlichkeit. Es berät das Präsidium und alle weiteren Gremien

Im Institutsrat sitzen vier Professoren, ein wissenschaftlicher

der HU. Weiter ist es für die Errichtung und Aufhebung von

Mitarbeiter, ein sonstiger Mitarbeiter und ein Studierender.

Fakultäten und Zentralinstituten zuständig. Zudem macht das

Sie wählen den Direktor des Instituts sowie seine zwei Stellver-

Kuratorium Vorschläge für die Wahl des Präsidiums der Hoch-

treter und überwachen die Arbeit des Direktoriums. Auch der

schule.

Institutsrat kann Kommissionen einsetzen.

Die Fakultätsräte

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Der Fakultätsrat ist das entscheidende Gremium auf Fakultätsebene. Im Fakultätsrat jeder Fakultät sitzen sieben Professoren, zwei wissenschaftliche Mitarbeiter, zwei sonstige Mitarbeiter

und zwei Studierende. Der Rat beschließt das Lehrangebot und alle Satzungen der Fakultät. Dazu gehören auch Beschlüsse über die Studien- und Prüfungsordnungen der einzelnen

Fächer. Außerdem ist er für Berufungen und Habilitationen

zuständig. Weiterhin beschließt der Fakultätsrat den Haushalt der Fakultät und kann Kommissionen einsetzen. Er und

das von ihm bestimmte und kontrollierte Dekanat können die meisten ihrer Kompetenzen auf die Institutsebene delegieren, namentlich das Direktorium und den Institutrat. Die studentischen Mitglieder der Instituts- und Fakultätsräte werden alle

zwei Jahre in einer sogenannten Gremienwahl von den Studierenden des Instituts, beziehungsweise der Fakultät, gewählt.

13

Politik

Caspar Schwietering


UnAufgefordert

Jemand wird's schon richten Große Probleme im Kleinen: Die Beteiligung an der letzten StuPa-Wahl war gering. Ein Indiz für politisches Desinteresse?

An den letzten Wahlen des

semesterveranstaltungen

Studierendenparlaments (Stu-

Pa) der Humboldt-Universität

gibt der 28-Jährige zu be-

sen Jahres haben 95 Prozent

denken. Die Wahlbetei-

der Studierenden nicht teilEine

geringere

Wahlbeteiligung gab es in der

vergangenen Dekade nicht, wobei

der Anteil der Wählenden auch in

und

die Mailverteiler der Uni“,

zu Berlin (HU) im Januar die-

genommen.

ab

schicken Informationen über

ligung zu StuPa-Wahlen

Illu

: Ja d

falle offenbar vor allem

wig

aS le

in Berlin so gering aus,

zak

während man etwa in

den

Essen eine Wahlbeteili-

letzten zehn Jahren stets zwischen 6,1 und 9,8 Prozent

gung von 25 bis 30 Prozent

Die Medien attestieren jungen Menschen gern ein zu geringes

geht, gelten oft die westdeutschen Studierenden der 1960er.

rangierte.

gewohnt sei, so Aust.

Als vorbildlich, was politisches Interesse und Engagement an-

Interesse an Hochschul- und Tagespolitik. Allerdings kann

Hans Bertram, Professor am Lehrstuhl für Mikrosoziologie an

man Ursachen für eine geringe politische Beteiligung gerade

der HU und Student in den 60er Jahren, hält das allerdings für

im Hochschulbereich auch woanders finden. Dies denkt auch

einen Mythos: „Ich glaube, dass das politische Engagement

der Jurastudent Tom Feuser, der 2012 nicht an der Wahl zum

der Studenten damals in Bezug auf die Uni auch nur von einer

StuPa teilgenommen hat. Er moniert: „Das StuPa kommuni-

sehr kleinen Gruppe getragen wurde.“

ziert nichts. Man weiß nicht: Wer sind die? Und was machen

Was Studierende damals mobilisiert habe, seien eher die gro-

die?“

ßen Ereignisse wie der Tod von Benno Ohnesorg, der Vietnam-

Eigentlich müsste jeder über die Wahl Bescheid wissen, findet

krieg oder der Prager Frühling gewesen. „Die geringe Beteili-

Gerrit Aust, Referent für Hochschulpolitik des Referent_innen

gung an der studentischen Mitverwaltung ist kein neues Phä-

Rats der HU (RefRat). „Unter anderem klappern wir ja alle Erst-

nomen“, so Bertram. Die Universität sei damals als Ort des Protests besonders für die Tagespolitik schlichtweg gut geeignet

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gewesen, da sie im Gegensatz zu anderen öffentlichen Bereichen nicht unmittelbar der polizeilichen Gewalt unterlag.

Auch der 20-jährige Nico Schmolke sieht seine Hauptaufgaben nicht in der Hochschulpolitik selbst. Er studiert Sozialwissen-

schaften an der HU und ist stellvertretender Vorsitzender der

Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD Berlin. Die geringe Wahlbeteiligung sei scho-

ckierend, dennoch warnt er davor, von der StuPa-Wahl auf Charakteristika einer Generation zu schließen: „Untersuchun-

gen zeigen, dass konventionelles Engagement zwar abnimmt, das sogenannte unkonventionelle dagegen steigt.“

Konventionelles Engagement – dazu gehören zum Beispiel die

Partizipation in gängigen Institutionen wie Parteien oder eben

die Teilnahme an Wahlen. Politische Teilhabe könne aber auch

auf anderen Ebenen stattfinden: „Die ACTA-Proteste, Occupy, gute Diskussionen im Freundeskreis, alles Indizien für eine Generation mit politischem Interesse“, so Schmolke.

Was die Hochschulpolitik angehe, müsse es zentrale Themen geben, mit denen sich alle StuPa-Listen in der nächsten Amtsperiode beschäftigen wollen, sodass für die Wähler klarer werde, was ihre Stimme bewirkt. „Menschen gehen nur wählen,

wenn sie auch etwas entscheiden können”, findet Schmolke. „Ich glaube, dass wir hier im Kleinen die Probleme sehen, die auch den Bundestag und andere Parlamente quälen.”

Susanne Schwarz

14

Politik


Dann mach ich's halt selbst Die Mehrheit in der Minderheit: Was Studierende an der Humboldt-Universität zu Berlin tatsächlich bewirken können.

sind in der Mehrheit. Tobias

Die Studierenden bilden die mit Ab-

meint jedoch, dass alle Grup-

stand größte Gruppe an der Hum-

pen in den universitären

boldt-Universität zu Berlin (HU).

Gremien gleich viel Gewicht

Die Beteiligungsmöglichkeiten sind

haben sollten. Er spricht

vielfältig, doch schnell stößt man

sich deshalb für eine vier-

an Grenzen. Vier Studierende, die

telparitätische

sich an der HU engagieren, erzäh-

Verfassung der HU und das Ber-

Hanna Wolf studiert seit dem vergan-

Illu: Nicole Meckel

liner Hochschulgesetz geändert

werden müssten: „Es geht ja

an der HU. Sie erklärt, es sei wichtig, sich

auch um mein Studium. Dazu

zu solidarisieren. Als die 24-Jährige in einer Einführungsveran-

möchte ich gern genauso viel

staltung hörte, dass die Fachschaft Gender Studies vor dem Aus

zu sagen haben wie die anderen

stehe, entschied sie sich, selbst aktiv zu werden: „Ich konn-

Gruppen.“

te es nicht ertragen, dass es keinen gibt, der mich vertritt –

Jan-Hendrik

also mache ich es seitdem selbst.“ Mittlerweile ist sie von der

Olbertz,

Präsi-

dent der HU, erklärt, er sei kein

Relevanz ihrer Arbeit überzeugt und froh, etwas bewirken zu

Freund der Viertelparität: „Kei-

können: „Man muss seine Meinung vertreten, die Lage verbes-

ne Organisation der Welt käme

sern. Oder zumindest gucken, dass es nicht ganz so schlimm

auf die Idee, ihre am höchs-

wird.“ Die romantische Vorstellung, von Kommilitonen für

ten qualifizierte und mit der

ihre Arbeit bejubelt zu werden oder ganze Prüfungsordnungen

Hauptverantwortung

über den Haufen zu werfen habe sie zwar aufgeben müssen,

für

den

Arbeitserfolg ausgestattete Be-

aber kürzlich wurde ihre Fachschaft zum Beispiel dazu aufge-

schäftigungsgruppe

fordert, eine Stellungnahme zur Revision der Masterstudien-

in

einen

Minderheitenstatus zu verset-

ordnung abzugeben. Sie hoffen, dass diese in den Entschei-

zen.“

dungsprozess einbezogen wird.

Trotz der Professorenmehrheit

Der 22-jährige Christopher Wimmer studiert Sozialwissen-

kann Tobias auf einige Erfolge

schaften und kann bereits einen kleinen Erfolg in seiner po-

während seiner Zeit im AS zu-

litischen Arbeit vorweisen. Seit 2011 sitzt er im Studierenden-

rückblicken. Er nennt als größte

parlament (StuPa) und war im letzten Jahr als Mitglied seiner

Errungenschaft die Abschaffung

Hochschulgruppe bei der Novellierung des Berliner Hochschul-

der

gesetzes beteiligt. Seine Hochschulgruppe habe einen eigenen

Anwesenheitskontrollen,

noch wichtiger seien aber die

Entwurf eingereicht, Kleinigkeiten wurden am Ende in den

vielen kleinen Veränderungen:

Gesetzestext aufgenommen. „Es war verdammt viel Arbeit,

„Dort ein Studienpunkt weni-

aber es hat sich gelohnt“, resümiert er.

ger, dort eine Prüfungsleistung

Auch Alexander Paetzelt sitzt im StuPa. Für ihn sei es dort

weniger. Dafür lohnt es sich,

ohne Entscheidungsbefugnis auf Universitätsebene schwierig,

dass wir im Senat sitzen.“

etwas Handfestes zu erreichen. „Dennoch ist es für mich wich-

Politisches Engagement an der

tig, im StuPa zu sitzen, um den Überblick über die gesamte Uni zu haben“, berichtet der 22-Jährige. Wichtiger ist ihm jedoch

Universität ist mühsam und bedeutet häufig viel Arbeit. Der

seine Arbeit im Institutsrat Geschichte. In diesem sitzen vier

Lohn sind oft nur kleine Verän-

Professoren und ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, ein sonsti-

derungen. So geht es nicht im-

ger Mitarbeiter und ein Studierender; somit stellen die Profes-

mer um konkrete Ergebnisse,

soren die Mehrheit. Alexander berichtet: „Im kritischen Fall

sondern um den Arbeitsprozess;

wird die Mehrheit ausgespielt.“

darum, gehört und wahrgenom-

Der 30-jährige Tobias Roßmann studiert Geschichte, Politik

men zu werden.

und Soziologie und sitzt seit 2008 als studentisches Mitglied im

Nina Breher, Simon Grimm,

Akademischen Senat (AS). Die Verteilung der Sitze erfolgt dort

Caspar Schwietering

nach demselben Prinzip wie in den Institutsräten: Professoren

15

Politik

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genen Wintersemester Gender Studies

Besetzung

der Gremien aus, wofür die

len von Erfolgen und Hindernissen.


UnAufgefordert

Fahrtkosten

Partnerbildung

In Zukunft können Kosten,

Neues

Regierung will Kooperationsverbot lockern.

die aufgrund von Fahrten zur Hochschule oder zu einer an-

deren

Bildungseinrichtung

entstehen, in voller Höhe von

der Steuer abgesetzt werden. Dies

geht aus zwei Urteilen des Bundesfi-

nanzhofs (BFH) vom 9. Februar 2012 her-

vor. Damit werden nicht mehr, wie bisher der Fall, die anfallenden Kosten mit

der Entfernungspauschale – 30 Cent je Kilometer – vergütet. Grund für die Revi-

dierung früherer Urteile war die Erkenntnis, dass Bildungseinrichtungen nicht

als reguläre Arbeitsstätten zu werten sei-

en, sondern als vorübergehend besuchte Einrichtungen. Mit den beiden UrteiIllu: Lisa Crinon

len revidierte der BFH seine bisherige Rechtsprechung.

nin

fünf Prozent pro Jahr

Je mehr Zeit ein Mensch im Bildungssys-

Die schwarz-gelbe Koalition will dem Bund mehr Einfluss auf

tem verbringt, umso mehr verdient er

Bildungsangelegenheiten der Länder zugestehen und setzt

später. Dass jedes Jahr Bildung den späte-

sich für die Lockerung des sogenannten Kooperationsverbotes

ren Lohn um fünf Prozent erhöhe, wurde

ein. Dieses reglementiert bislang die Beteiligung des Bundes

in einer am 4. April 2012 veröffentlichten

an Bildungsinstitutionen auf Länderebene stark.

Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und

Aus einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bil-

Berufsforschung errechnet. Die rechneri-

dung und Forschung vom 5. März 2012 geht hervor, dass das

schen Durchschnittswerte dürften aller-

unter der Leitung von Annette Schavan (CDU) stehende Mi-

dings nicht falsch verstanden werden,

nisterium an einer Gesetzesänderung arbeite, die dem Bund

betonen die Macher der Studie. So verdie-

dauerhafte finanzielle Förderungen von Hochschulen erlauben

nen jene, die einen Abschluss erreichen

soll.

mehr als Studienabbrecher. Laut der Stu-

Laut Schavan würde dies eine deutliche Stärkung der Bildungs-

die beziehen auch Langzeitstudierende

institutionen garantieren. Die finanzielle Trennung von Bund

nicht mehr Gehalt als die, die sich an die

und Ländern im Bildungsbereich wurde 2006 im sogenannten

Regelstudienzeit halten.

Kooperationsverbot festgehalten. Dieses war im Zuge der Fö-

deralismusreform mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag und

nin

Bundesrat beschlossen worden. Von Beginn an hat es Diskussionen bezüglich des Kooperationsverbots gegeben; dessen Ziel

Judaistik gestärkt

es ist, den Wettbewerb unter den einzelnen Bundesländern im

Das

Hochschulbereich zu fördern und die Einfluss- sowie Kompe-

Bildung

Berlin-Brandenburg mit 6,9 Millionen

finanziell unterstützen, wenn die Förderung überregionale Be-

Euro fördern. Dies geht aus einer Presse-

deutung hat und alle Bundesländer zustimmen. Des Weiteren

mitteilung des BMBF vom 11. April 2012

können nur Projekte gefördert werden, die zeitlich und thema-

hervor. Das Projekt ist eine Kooperation

tisch begrenzt sind.

der HU, der FU, der TU, der Universität

Von der Gesetzesänderung würde beispielsweise das Berlin In-

Potsdam, des Abraham Geiger Kolleg so-

stitute of Health profitieren, eine Kooperation der Forschungs-

wie des Moses Mendelssohn Zentrum für

abteilungen der Charité und des Max-Delbrück-Centrum für

europäisch-jüdische Studien. Die Förder-

Molekulare Medizin (MDC). Mit dieser Zusammenlegung sol-

ung durch den Bund läuft zunächst fünf

len ein vom Land gefördertes und ein zu 90 Prozent vom Bund

Jahre. Das Zentrum soll wissenschaft-

getragenes Institut fusionieren.

liche Aktivitäten auf dem Gebiet des Ju-

Noch vor der Sommerpause will das Kabinett über den Gesetz-

dentums bündeln, Forschungsstellen für

entwurf zur Lockerung des Kooperationsverbotes beraten, im

Nachwuchswissenschaftler schaffen und

Herbst wird darüber abgestimmt. In Kraft treten könnte der

für

bau des Zentrums für Jüdische Studien

Der Bund darf gemäß Grundgesetz Hochschulen derzeit nur

Vorschlag frühestens im März 2013.

Bundesministerium

und Forschung (BMBF) wird den Auf-

tenzbereiche der Länder auszuweiten.

den internationalen Austausch fördern.

Angela Schuberth

16

Politik

nin


STudIEREN Musik

Glosse

von Susanne Schwarz

Illu: Sarah Lederer

Foto: Privat

...und was macht man dann damit? Arno Schmidt, 56, Systemadministrator

In Reih' und Glied

An der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin habe ich

Schon Platon wusste: Die physische Betätigung

Musik studiert, genauer gesagt Konzertgitarre und Musikpä-

ist so wichtig für das menschliche Dasein wie

von Musik im Vordergrund, nicht das Lehren. Nach dem Stu-

Deshalb saßen wir am 3. April wie jedes Se-

1985 eine Band gegründet - Arno Schmidt und Band. Ich gehör-

um uns für den Hochschulsport einzutragen.

dagogik. Aber schon damals stand für mich das Produzieren

auch die intellektuelle.

dium habe ich deshalb meine eigenen Lieder gesungen und

mester aufgeregt um neun Uhr morgens am PC,

te zu den bekannteren Liedermachern im Osten.

Schade nur, dass sich viele um die Formalitäten

Meine beiden letzten CDs nach der Wende wurden von einer

der Anmeldung gar nicht mehr kümmern müs-

auf Anfrage angestellt hat.

die meisten Kurse gefüllt, sodass man nur noch

Wochen Netzwerke gemacht und nach einem halben Jahr

Warteliste schreiben kann.

die Firma bin ich in ein kleines Berliner Unternehmen einge-

kurs erhalten, stellt etwa der Matratzensport

es, dass ich an selber Stelle zusammen mit dem Hausbesitzer

Leibesübungen der Hochschule dar. Wie Sport

Softwareentwicklungsfirma gesponsert, die mich schließlich

sen. Denn pünktlich um fünf nach neun sind

Zunächst habe ich praktisch nur Geräte aufgestellt, nach vier

eine Träne herunterschlucken und sich auf die

schon Anwender geschult. Nach meinem letzten Projekt für

Sollte man auch so keinen Platz im Wunsch-

stiegen, doch der Besitzer hat sich bald verflüchtigt. So kam

eine budgetfreundliche Alternative zu den

eine Firma gegründet habe. Dieses Unternehmen existiert im-

setzt auch Sex Glückshormone frei, die sich po-

mer noch, nur nicht mit mir als Geschäftsführer – jetzt bin ich

sitiv auf die intellektuelle Leistung auswirken

Angestellter. Ich habe die Verantwortung abgegeben, denn

können.

nicht jeder ist zum Führen eines Betriebes geeignet. Konzerte

Eigentlich dürfte diese sportliche Disziplin

veranstalte ich nur noch zwei, drei Mal im Jahr.

sogar ein paar Kreditpunkte wert sein. Im Ide-

aufgezeichnet von Nadine Meya

alfall werden dabei nämlich Sozialkompetenzen wie Team- und Kommunikationsfähigkeit

» Darf man seine Gefühlsausbrüche in der Bibliothek kundtun? «

geschult, nicht zu vergessen das Training der Grob- und Feinmotorik! Und damit der Vorteile

noch nicht genug: Denn der demographische

Je näher Abgabefristen rücken, umso häufiger ertönt in den Reihen der Bibliotheksarbeitsplätze passivaggressives Tastaturenklappern, das von energischem Seufzen untermalt wird. Darfst du, sei die Überforderung noch so groß, andere mit der Produktion einer solch anstrengenden Geräusch-

kulisse in Verlegenheit bringen? Die Antwort ist

einfach: Der stöhnende, ächzende und – pardon! –

Wandel in Deutschland könnte auf diese Weise

uniKnigge

ätzende Sprechchor trägt nicht zum guten Arbeitskli-

schnellstens gestoppt werden.

Die Folgen wären weitreichend, denn wenn der Hochschulsport für den Nachwuchs sorgt, sind

die Störche mit dem Kinderbringen nicht mehr

ausgelastet und können sich neuen Tätigkeitsbereichen zuwenden. Denkbar wären Jobs als

Besichtigungsobjekte für ornithologisch interessierte Senioren, die ansonsten durch den

ma bei, deine Probleme lösen sich durch diese subtil kom-

Anstieg der Lebenserwartung mit ihren vielen

jedoch deinen Nachbarn um ein Taschentuch oder um einen

sich der Verdummung durch das Musikanten-

munizierten Unmutsbekundungen ebenso wenig. Fragst du

Rentenjahren wenig anzufangen wüssten und

gemeinsamen Kaffee, wird er dir dies kaum ausschlagen.

stadl hingeben müssten.

So kannst du auf eine charmante Weise von deinen Sorgen berichten.

Ein Projekt für die ganze Familie also! Und Pla-

Nina Breher

ton hat es schon ewig gewusst.

17

Studieren


UnAufgefordert

Studieren im Gefängnis Ein Gefängnisaufenthalt macht einen Strich durch den Lebenslauf. Dennoch gibt es die Möglichkeit zur Weiterbildung – auch ein Studium kann absolviert werden.

Hinter der Bushaltestelle umrahmt ein unscheinbarer dunkel-

ausgestattet. Seit knapp drei Jahren ist der Dreißigjährige hier

erreichen wir das Gelände und es ertönt ein surrendes Geräusch.

„In der Vergangenheit habe ich mit illegalen Sachen mein Geld

grüner Metallzaun eine Häuseranlage. Nach ein paar Schritten

inhaftiert und erzählt uns ohne Umschweife, wie es dazu kam.

Die zwei Eingangstüren der Justizvollzugsanstalt (JVA) des Offe-

verdient“, sagt er. „2007 wurde ich wegen unerlaubtem Handel

nen Vollzuges Berlin öffnen sich. „Sie wurden mir schon ange-

mit Betäubungsmitteln zu vier Jahren verurteilt.“

kündigt“, begrüßt uns ein Beschäftigter der Anstalt hinter dem

Während der Freiheitsstrafe im offenen Vollzug holte er sein

Empfangsschalter. Als er nach unse-

Fachabitur nach und begann anschlie-

ren Personalausweisen fragt, erinnert

ßend sein Maschinenbaustudium an

sein Ton an den eines strengen Ober-

einer Berliner Fachhochschule. Dass er

lehrers. Seine Kollegin lächelt uns zu, Zentrale!“

Es ist ein warmer Frühlingstag und

Christian F., mit dem wir verabredet sind, erscheint in Shorts und kurz-

ärmligen Hemd. Er hat sich dazu be-

auch studiert hätte, wenn er nicht in-

haftiert worden wäre, glaubt er nicht:

Illu: Moritz L. Steiauf

bevor sie durchsagt: „Herr F., bitte zur

„Ich hätte mir das natürlich vorher schon gewünscht – bevor ich diesen

Klaps auf den Kopf bekommen habe“, sagt er und spielt damit auf seine Haftstrafe an.

reit erklärt, uns von seinem Studium

Eigentlich ähnelt der Studienalltag,

als Inhaftierter zu erzählen. Zunächst

von dem Christian berichtet, dem vieler

mustert uns Christian wortlos und

Studierender. Aber nach seinem Tag auf

blickt anschließend zu einer Tür, die

dem Campus, spätestens jedoch nach 16

in den Innenhof führt. „Darf ich da

Stunden, müsse er nach Hause. Nach

durch?“, fragt er in Richtung der Mitarbeiterin der Anstalt. Diese

einem kurzen Moment fügt er korrigierend hinzu: „also hier-

geht.“

strengen Wohnheim, in dem es Regeln gebe, an die man sich zu

antwortet knapp: „Ja, ausnahmsweise. Sie wissen ja, wo's lang

her“. Die Wohnsituation in der JVA vergleicht er mit einem sehr

Im Gegensatz zum geschlossenen Vollzug haben Häftlinge im of-

halten habe. Computer und MP3-Player sind verboten, zeitliche

fenen Vollzug tagsüber die Möglichkeit, außerhalb der Einrich-

Absprachen müssen eingehalten werden; zudem ist Alkoholkon-

tung einer geregelten

»Ich habe eine Ausrede entwickelt. «

Tätigkeit

sum streng untersagt. Das wird bei Rückkehr in die JVA kontrol-

nachzuge-

liert. Bei Verstoß drohe eine Rückverlegung in den geschlossenen

hen, wie einem Studi-

Vollzug. Um die monatlich an die JVA zu entrichtende Miete von

um oder einer Anstel-

175 Euro zu bezahlen und um seinen Lebensunterhalt zu bestrei-

lung. Volker Märksch,

ten, hat er BAföG beantragt: „Die haben sich schon gewundert

Leiter der JVA des Offe-

wegen meinem Wohnsitz“, sagt er lachend.

nen Vollzuges Berlin,

Auch die Hochschulen seien über den Freiheitsentzug von Stu-

empfindet diese Art der

dierenden wie Christian informiert. Eine Auflage im Rahmen

Haftstrafe als „wichti-

seiner Haft bestehe darin, sich nach jeder einzelnen Vorlesung

ges Werkzeug für Ge-

eine Unterschrift vom jeweiligen Dozenten einzuholen, die seine

fangene, um ihre Fähigkeiten zielgerichtet und legal einzuset-

Anwesenheit bestätigt. Dies falle ihm nicht leicht, denn nur sei-

zen.“ Allerdings müssen Häftlinge bestimmte Voraussetzungen

ne engsten Bekannten an der Fachhochschule wüssten, dass er

erfüllen, um ihre Freiheitsstrafe im offenen Vollzug verbüßen zu

einsitzt: „Wie soll ich das sagen – da kommen schon Fragen. Die

dürfen. Laut Paragraph 10 des Strafvollzugsgesetzes sind diese

Leute sehen, wie ich jedes Mal zum Dozenten gehe und mir ein

dann erfüllt, wenn nicht zu befürchten sei, dass „der Häftling

Autogramm hole“, erzählt er. „Ich habe eine Ausrede entwickelt.

sich dem Vollzug entziehen oder die Möglichkeit des offenen Voll-

Ich sage, das sei für eine Förderung. Man weiß einfach nicht, wie

zugs zu Straftaten missbrauchen“ werde. Im geschlossenen Voll-

die Leute reagieren.“

zug werde dazu vor der Verlegung in eine offene Vollzugsanstalt

Von Zeit zu Zeit wird Christian zudem angerufen und muss sich

von Sozialarbeitern die Eignung der Inhaftierten festgestellt.

innerhalb kurzer Zeit mit einem Mitarbeiter der JVA auf dem Cam-

Nachdem wir die Zentrale gemeinsam verlassen haben, stellt sich

pus treffen. Auch wenn eine Vorlesung ausfällt, muss er sich bei

Christian lächelnd und mit Handschlag vor. Der Besucherraum,

diesem melden. Der Betreuer entscheidet dann, ob er in die JVA

in den er uns führt, befindet sich im Innenhof der JVA und ist mit

zurück muss oder seine Freizeit nutzen darf. Auch innerhalb der

einer Spielecke, einem Bücherregal und mehreren Sitzgruppen

JVA finden Zählungen statt. Dazu rufen mehrmals täglich Durch-

18

Studieren


Studierendenzeitung der HU Berlin

sagen auf. Während wir im Gespräch automatisch verstummen

dort der Sportraum befinde. Wir verlassen das Besucherzimmer

an gewöhnt zu sein und lässt sich durch eine solche Durchsa-

niert im Nebenraum mit Gewichten, während sich andere um

und versuchen, der Anlage zu lauschen, scheint Christian dar-

in Richtung Innenhof. Eine Gruppe tätowierter Männer trai-

ge nicht unterbrechen. Er lässt uns wissen, dass er den offenen

ein überdimensionales Schachbrett scharen. Christian führt uns

Vollzug als noch die beste Variante empfinde. Sobald er wusste,

abschließend durch die Anlage. „Dort ist mein Zimmer“, sagt er

dass er in Haft kommt, verlegte er seine Meldeadresse von Thü-

und deutet auf ein geöffnetes Fenster im zweiten Stock. Dorthin

ringen nach Berlin, da er die Strafe sonst im geschlossenen Voll-

werde er gleich zurückkehren, er müsse noch Hausaufgaben ma-

zug hätte verbüßen müssen. Dort wäre nur die Möglichkeit eines

chen. Bevor wir hinausgehen, läuft uns eine Katze über den Weg,

Fernstudiums geblieben.

das Haustier der JVA. Christian lacht und sagt: „Die hat lebens-

Volker Zersch, der als Ansprechpartner für Häftlinge des geschlos-

länglich – hat ein paar Mäuse auf dem Gewissen.“

senen Vollzugs an der staatlichen FernUniversität in Hagen tätig

Nach seiner Entlassung in knapp einem Jahr möchte er sein

ist, sagt dazu: „Jeder Häftling hat ein Recht auf Aus- und Weiter-

Studium fortführen und ein Auslandssemester machen: „Am

bildung.“ Diese Möglichkeit sei konsequent und sinnvoll, denn

liebsten in England, um mein Englisch zu verbessern.“ Nach Be-

„warum sollte nach dem Abitur, dessen Nachholen in den JVAs

endigung seines Studiums hofft Christian auf eine interessante

möglich ist, plötzlich ein Schnitt gemacht werden“, so Zersch.

Anstellung. Im Hinblick auf die Jobsuche befürchtet er aber, dass

Das im Rahmen eines Fernstudiums zu bearbeitende Material

ihm seine Haftstrafe später im Weg stehen werde.

wird postalisch zugestellt, Prüfungen werden von Justizbeam-

Märksch bewertet die Arbeitsmarktchancen von studierenden

ten beaufsichtigt. Zersch schätzt, dass 200 bis 400 Inhaftierte

Inhaftierten des offenen Vollzugs als gut, da diese – anders als

an der FernUniversität in Hagen studieren würde, Aufzeich-

Fernstudierende im geschlossenen Vollzug – ein reguläres Hoch-

nungen gebe es jedoch aus Datenschutzgründen keine. Das am

schulstudium absolvieren würden.

häufigsten vom Gefängnis aus studierte Fach sei Psychologie.

Nachdem wir uns von Christian verabschiedet haben, erhalten

„Und natürlich Rechtswissenschaft! In den achtziger Jahren hat

wir unsere Ausweise am Eingang zurück. Auf dem Rückweg zur

die FernUni einen Kurs in Strafvollzugsrecht angeboten, der war

Bushaltestelle fährt eine Gruppe Fahrradfahrer an uns vorbei.

heiß begehrt“, so Zersch.

„Wisst ihr eigentlich, was da drin ist?“, fragt ein älterer Herr sei-

Aus dem Nebenzimmer dringen dumpfe Geräusche. Auf die Fra-

ne Begleiter und nickt mit dem Kopf vielsagend in Richtung der

ge, was es mit diesen auf sich hat, antwortet Christian, dass sich

JVA.

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19

Studieren

Nina Breher, Lena Kainz


UnAufgefordert

im Vergleich gut

Meinungsbild

Deutschland schneidet im in-

Neues

Rektoren und Präsidenten deutscher

ternationalen

Vergleich

von

fast 40 Ländern hinsichtlich der Erschwinglichkeit eines

Hochschulstudiums

gut

ab.

Higher Education Strategy As-

Hochschulen wurden befragt.

sociates, die Macher der Studie

"2011 Year in Review: Global Changes in Tuition Fee Policies and Student Finan-

cial Assistance" heben die Erhöhung

der BAföG-Sätze von 2010 sowie das Deutschlandstipendium hervor. In den

USA, Spanien und auf den Philippinen sind Studiengebühren erheblich teurer

geworden, während Hilfeleistungen an Studenten sanken. In Frankreich, Saudi-

Arabien, Kolumbien und Schweden hinIllu: Moritz L. Steiauf

gegen wurden die Stipendienleistungen auch ohne Anhebung der Studiengebühren ausgebaut.

nin

Preis mit Stalin

Prof. Dr. Jörg Baberowski, HU-Professor für die Geschichte Osteuropas, wurde

mit dem Preis der Leipziger Buchmesse

Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat erstmals

in der Sparte "Sachbuch/Essayistik" aus-

das sogenannte Hochschul-Barometer veröffentlicht. Dies

gezeichnet. In einer Pressemitteilung

geht aus einer Pressemitteilung des Verbandes vom 8. März

der Buchmesse vom 15. März 2012 wur-

2012 hervor. Für dessen Erstellung wurden Rektoren und Prä-

de seine Monografie "Verbrannte Erde.

sidenten deutscher Hochschulen nach persönlichen Einschätz-

Stalins Herrschaft der Gewalt" aufgrund

ungen zu den Themengebieten Hochschulsteuerung, Rah-

der Verbindung von Quellennähe und

menbedingungen und Profilbildung der Hochschulen befragt.

kluger Kritik gelobt. Das Werk besteche

Die Bewertungsskalen reichen jeweils von minus 100 für den

zudem dadurch, der Versuchung zu wi-

schlechtesten bis plus 100 für den besten Wert.

derstehen, die Gewalt zu rationalisieren

Bis Juli 2011 beteiligten sich insgesamt 199 Hochschulen an

und ihr somit Gründe unterzuschieben,

der Befragung, das sind 56 Prozent aller vom Stifterverband

heißt es in der Begründung. Baberowski

angefragten Hochschulen. Die Zusammensetzung der teilneh-

gilt als der führende Stalinismus-For-

menden Hochschulen entspricht der Struktur der deutschen

scher im deutschsprachigen Raum.

Hochschullandschaft, so dass die Macher der Studie von einem

repräsentativen Ergebnis ausgehen.

nin

Laut der Studie bewerten die Befragten ihre aktuelle Situation

Schulungszentrum

ten fünf Jahren erwarten sie aber nur eine leichte Verbesserung

April 2012 ihr erstes Lernzentrum eröff-

positiv (im Durchschnitt mit plus 31 Punkten), in den nächs-

Mit einem Festakt hat die Charité am 11.

zu diesem Wert (im Durchschnitt mit plus 19 Punkten). Dabei

net. Dies wurde durch eine Pressemittei-

zeigen sich für die einzelnen Bundesländer unterschiedliche

lung des Instituts vom darauf folgenden

Tendenzen: Während in Berlin eine stärkere Verbesserung er-

Tag verlautbart. Auf 1200 Quadratme-

wartet wird (plus 41 Punkte), wird in den Thüringer Hochschu-

tern stehen Studierenden ab sofort di-

len mit einer immensen Verschlechterung gerechnet (minus 31

verse Räume, ein PC-Pool, anatomische

Punkte). Neben den Erwartungen für die Zukunft wurde auch

Modelle, Simulatoren und mehr zur Ver-

die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre bewertet.

fügung. In dem Gebäude auf dem Cam-

Die Studie führte auch zu Ergebnissen, die von den Machern

pus Charité Mitte können Mediziner

nicht erwartet wurden: So blicken diejenigen Hochschulen,

außerdem ihre diagnostischen Fähigkei-

die Förderungen im Rahmen der Exzellenzinitiative erhalten

ten an Simulationspatienten trainieren.

haben, pessimistischer in die Zukunft als der Durchschnitt;

Informationen über die aktuelle Raum-

insbesondere in den Bereichen der Ausstattung, des Personals

belegung sind im Intranet der Charité

und der Einnahmen. Der Stifterverband erklärt, dass bei einer

einsehbar, freie Räume können im Lern-

solchen auf subjektiven Einschätzungen beruhenden Studie

zentrum oder telefonisch gebucht wer-

nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Rektoren bei der

den. Die Öffnungszeiten der einzelnen

Befragung teilweise strategisch geantwortet haben.

Bereiche sind ebenfalls im Internet zu

Benjamin Knödler

finden.

20

Studieren

nin


Studierendenzeitung der HU Berlin

Studieren Leben Portrait

5

Foto: SarahPetrick

jut

h Foto: Nadine Meya

rüschtisc

In

Sätzen

Der vegane Koch

Motorenprüfstand

Alles fing mit der BRAVO an. Mit Berichten über Massentier-

Wer kennt das nicht? Die Augen brennen, das Ge-

Björn Moschinski, 32

haltung und Tiertransporte bewegte das Jugendblatt den da-

hirn scheint nicht mehr recht mitzumachen und

mals 15-jährigen Björn Moschinski dazu, zuerst auf eine vege-

die Zeilen, die zuvor noch wissenschaftlich an-

tarische, dann auf eine völlig vegane Ernährung umzusteigen.

muteten, verkommen zu sinnlosem Buchstaben-

ohne tierische Produkte: „Wenn man Veganer und Tierrechtler

Ein Café auf dem Campus Adlershof, das auf den

Seit 17 Jahren lebt der gelernte Mediengestalter konsequent

salat. Höchste Zeit für Koffein und eine Pause!

ist, gibt es keine Aussetzer.“ Seit Ende des letzten Jahres ist er

ersten Blick nicht wie eines aussieht, ermöglicht

stolzer Besitzer eines eigenen Restaurants in Berlin-Mitte. Hier

das Abschalten vom Universitätsalltag in einem

stehen unter anderem Cordon Bleu, Currywurst und Mousse au

besonderen Ambiente. In einem ehemaligen Mo-

Chocolat auf der Speisekarte – alle ohne tierische Inhaltsstoffe.

torenprüfstand am Aerodynamischen Park Ad-

„60 bis 70 Prozent unserer Gäste sind Fleischesser“, sagt Mo-

lershof hat sich ein studentisches Begegnungs-

lung niemandem aufdrücken.“ Es gehe ihm eher darum, Leute

Studierende. Von der Vorgeschichte des Moto-

schinski. Das ist ihm jedoch egal: „Ich werde meine Einstel-

zentrum eingerichtet – von Studierenden für

zum Nachdenken anzuregen und ihnen zu zeigen, dass vegane

renprüfstands lässt sich nicht mehr viel erahnen,

Ernährung nicht bedeutet, auf irgendetwas zu verzichten –

doch immerhin Fenster gewähren im Inneren

schon gar nicht auf Geschmack.

des Gebäudes Einblick in die alte Prüfhalle.

Dies hat Moschinski im Februar 2011 auch den Köchen des Ber-

Heute schützen die gemütlichen Räume vor dem

liner Studentenwerkes im Rahmen einer Schulung demons-

kühlen Wetter im Winter, und im Sommer kann

triert. Er zeigte ihnen, wie man mit veganen Zutaten und

man auch draußen sein Lager auf Bänken oder

Fleischalternativen auf Sojabasis schmackhaftes Essen kochen

einer großen Wiese aufschlagen.

kann. Ohne tierische Produkte zu leben sei heutzutage ohnehin

Im Café kann man sich einfach mal entspan-

produkte sind ökologisch vorteilhaft und zudem lange haltbar.

lassen oder mit Freunden einen gemütlichen

kein Problem mehr, findet der gebürtige Brandenburger. Soja-

nen, das eben verfolgte Seminar Revue passieren

Gutes, veganes Essen kann jeder Student auch leicht zuhause

Plausch abhalten. Zu der entspannten Atmo-

zubereiten. Der Chefkoch empfiehlt: veganes Gulasch.

sphäre trägt auch die Auswahl der Musik bei:

Sarah Petrick

Vorhang auf

Die Gäste haben die Möglichkeit, zu Hause eine

CD einzupacken und sie im Begegnungszentrum

für Studierende auf dem Präsentierteller

in die Anlage zu legen. So wird der individuelle Charme des Cafés unterstützt.

Zu fotografieren gäbe es in näherer Umgebung genug, doch

Über den Cafébetrieb hinaus können die Räum-

heißungsvolleres zu geben: lernende Studierende.

genutzt werden: egal ob Party, Ausstellung, Kon-

für Touristen scheint es unweit der Friedrichstraße etwas Ver-

lichkeiten für verschiedenste Veranstaltungen

Einblicke in das Innenleben deutscher Universitäten gewährt

zert oder Lesung.

ein Seminarraum des sozialwissenschaftlichen Instituts, der

Von 9 Uhr bis 17 Uhr bekommt man im alten Mo-

mancher Tourist fasst die gläserne Fassade als Einladung zum

Kaffee oder Tee, alles gegen eine Spende nach

Das Urlaubsalbum ist um eine Kuriosität reicher: Im Hinter-

geraten, schließlich soll das Begegnungszent-

wegen seiner Glaswände auch Aquarium genannt wird. So

torenprüfstand in der Vorlesungszeit Fair-Trade-

Hineinstarren und Posieren für Schnappschüsse auf.

eigenem Ermessen. Zu dieser wird aber auch

grund werden Betrachter später so manchen Mittelfinger entdecken.

rum Studierenden noch länger einen Fluchtort

Lena Kainz

bieten.

21

Leben

Nadine Meya


UnAufgefordert

Pilgern auf Probe Den Jakobsweg beschreiten längst nicht mehr nur Gläubige. Johannes ist drei

Foto: Ryan Winning

Foto: Raquel Herrero Gonzalez

Etappen auf den Spuren Jakobus des Älteren gewandert.

Wir stehen in der traditionell eingerichteten Küche einer Her-

küste entlang über die schöne Küstenstadt Bayonne ins Bas-

unsere Gastgeberin achtet mit großem Ernst darauf, dass jeder

ten Schritte führen uns ins Pilgerbüro des Orts, wo wir unsere

kenland gefahren und schließlich hier gelandet. Unsere ers-

berge und trinken Sangria. Die Stimmung ist ausgelassen und

Pilgerausweise entgegengenommen haben. Jeder, der auf der

annähernd leere Becher sofort neu befüllt wird. Dafür öffnet

Strecke von den günstigen Herbergen und Pilgermahlzeiten

sie jedes Mal den riesigen Plastikkanister, stemmt sich mit ih-

profitieren will, braucht einen solchen Ausweis. Diesen zu be-

rem massigen Körper dagegen, um ihn anzukippen und lässt

kommen ist wirklich ein Kinderspiel: Einfach Personalausweis

die Becher mit dem tiefroten Gemisch randvoll laufen.

vorzeigen, zwei Euro bezahlen und ein kurzes Formular aus-

Unsere Gastgeberin Edurne ist sicher schon über 80 und Besuch

füllen. Im Formular wird unter anderem der

gewohnt. Sie hat fast ihr ganzes Le-

ben in dieser Herberge verbracht und wohl schon einige zehntau-

sende Pilger bei sich begrüßt und bewirtet.

»Als wir unser Tagesziel

Wir sind nicht in irgendeinem be-

erreichen, sind wir völlig

dorf, sondern in der baskischen

durchnässt.

liebigen französischen PyrenäenKleinstadt Saint-Jean-Pied-de-Port. Hier beginnt der Camino Francés,

«

Grund für die Pilgerreise erfragt.

Die Zeiten, in denen der Weg zur großen Mehrheit von Katholiken zur religiösen Läuterung und Selbstfindung beschritten wurde

sind aber längst vorbei. Heute geben weit weniger als die Hälfte der Pilger ausschließ-

lich geistliche Motive an und niemand muss eine

Religionszugehörigkeit

nachweisen.

Wir jedenfalls haben kulturelles und land-

der Hauptweg des Jakobswegs. Bis zum weltbekannten Wall-

schaftliches Interesse angegeben und sind von den älteren,

800 Kilometer.

für die erste Etappe verabschiedet worden, die es in sich haben

ehrenamtlich arbeitenden Basken mit vielen Glückwünschen

fahrtsort Santiago de Compostela sind es von hier aus knapp

soll.

Bereits seit dem 10. Jahrhundert pilgern Christen nach Santi-

Nach einem leichten Frühstück aus Weißbrot und Marmelade

ago de Compostela, wo sich das Grab des Heiligen Jakobus des

machen wir uns am nächsten Morgen frohen Mutes auf den

Älteren befinden soll, einer der zwölf Apostel Jesu. Diese Tra-

knapp 1000 Jahre alten Weg. Dieser führt anfangs durch die

dition hat sich in den folgenden Jahrhunderten verfestigt. Wir

schöne mittelalterliche Stadt und das Jakobus-Tor, das 1998 als

haben allerdings nicht vor, den kompletten Weg zurückzule-

Teil des Jakobsweg in Frankreich von der UNESCO zum Weltkul-

gen.

turerbe erklärt wurde. Dann geht es über größtenteils asphal-

Wir, das sind sieben Erasmusstudierende und eine Gitarre.

tierte Straßen und Feldwege durch noch kleinere Ortschaften.

Kennengelernt haben wir uns an der Universität in Bordeaux

Nach und nach lassen wir die Zivilisation völlig hinter uns. Da-

und fanden mehr und mehr Gefallen an der Idee, unsere Fe-

bei steigt der Weg an und die ersten von uns kommen langsam

rienwoche im Oktober in der Natur zu verbringen. Wir wollen

ins Schwitzen. Saint-Jean-Pied-de-Port liegt auf 163 Metern

für einige Tage wunderschöne Landschaften, ausgedehnte Ge-

Höhe und wir werden heute noch bis auf eine Höhe von 1430

spräche, neue Bekanntschaften, körperliche Anstrengung und

Metern hinaufwandern.

musikalische Betätigung vereinen und mindestens drei der 31

Je höher wir steigen, desto eindrucksvoller wird der Blick über

Etappen des Weges zurücklegen.

die Landschaft. Die Pyrenäen sind sehr abwechslungsreich:

Dafür sind wir heute früh zunächst im Zug an der Atlantik-

22

Leben


Studierendenzeitung der HU Berlin

Waren wir anfangs noch von weiten, saftigen Wiesen mit Kühen und Ziegen umgeben, sind es

jetzt karge Höhenzüge mit spärlicher Vegetation, durch die sich nicht enden wollende Serpentinen schlängeln.

»Wer hatte eigentlich die bescheuerte Idee, eine

Gitarre mitzunehmen?

Weiter oben ist es ziemlich windig. Derjenige,

diesmal weniger Glück: Sie ist überfüllt und die Duschen sind draußen! Also geht es mit Hand-

tüchern noch einmal durch den Regen. Abends haben wir trotzdem unseren Spaß, kochen uns

der gerade die Gitarre schleppt, hat es

nicht leicht und wird ganz schön herumgewirbelt. Wer

eine wärmende Suppe in der Herbergsküche und lassen end-

zunehmen?

tagsüber als schwarzen Peter gegenseitig zugeschoben haben.

lich auch mal die Klampfe erklingen, die wir drei Jungs uns

hatte eigentlich die bescheuerte Idee, eine Gitarre mit-

Einige spanische Pilger zeigen uns dann noch den interessan-

Doch jetzt ist erst einmal Zeit für ein Picknick an ei-

ten Brauch, sich aus einiger Entfernung mit einem ledernen

ner Quelle mit frischem Gebirgswasser. Anschließend

Trinkbeutel Rotwein in den Mund zu spritzen. So findet auch

überqueren wir die spanische Grenze, deren Übergang Foto: Ryan Winning

«

Mit der Herberge haben wir

dieser Tag ein schönes Ende.

durch ein unscheinbares Schild am Wegesrand mar-

Tags darauf ist es gar nicht so leicht, aus dem Bett zu kom-

kiert ist. Nun wird die zuvor recht anstrengende Wan-

men: die Nacht war kurz und wenig erholsam. Dazu sind die

derung für eine Weile zum Spaziergang, führt durch ei-

Beine schon etwas schwerer als noch am ersten Tag. Wir raffen

nen dichten Wald, dessen Wege voller Laub sind. Dann

uns auf und laufen zunächst an einer Magnesiumfabrik vor-

erreichen wir eine Hütte, die wohl für Notübernach-

bei, dann durch einige ausgestorbene Dörfer. Der Weg führt

tungen aufgestellt wurde und uns jetzt eine willkom-

weiter über schöne Sand- und Schotterwege, immer der Sonne

mene Gelegenheit für eine weitere Pause und Schutz

entgegen.

vor dem Wind bietet.

In Pamplona erklären wir am späten Nachmittag unsere Wan-

Die Sprache der obligatorischen Graffiti in der Hütte kommt

derung auf dem Jakobsweg nach drei Etappen für beendet und

uns jedoch zunächst spanisch vor: Es ist Baskisch, eine in Eu-

genießen für drei weitere Tage das spanische Stadtleben, um

ropa einzigartige Sprache, weil sie keine nachweisbare Ver-

unsere wunderbar kurzweilige Wanderung ausklingen zu

wandtschaft zu anderen Sprachen aufweist. Sie wird von vielen

lassen.

Basken noch als Muttersprache erlernt, jedoch je nach Region immer zusammen mit dem Französischen oder Spanischen.

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Ob die Graffiti in der Hütte wohl bereits überholte Kampfesrufe der baskischen Untergrundorganisation ETA sind? Erst vor wenigen Monaten haben sie das Ende ihrer bewaffneten Akti-

onen verkündet – und das nach über 50 Jahren terroristischer Aktivitäten, die 1959 als Widerstand gegen die Franco-Diktatur in Spanien ihren Anfang nahmen und vor allem auf einen unabhängigen und sozialistischen baskischen Staat abzielten.

Mit Sportsgeist stellen wir uns nun dem letzten Anstieg dieser

Etappe, der es noch einmal in sich hat. Dafür gibt uns diesmal eine Wegmarke mit Höhenangabe Gewissheit: 1430 Meter.

„Geschafft!“, freuen wir uns. Bergab schlängelt sich der Weg steil durch einen wunderschönen Wald und endet schließlich in Roncesvalles, dem Ziel dieser 27 Kilometer langen ersten Etappe.

Angekommen im 24-Seelen-Dorf, das größtenteils von Touristen und Pilgern belebt wird, erwartet uns eine Belohnung: ein

riesiges Kloster aus dem 12. Jahrhundert, innen ausgebaut zu

einer modern ausgestatteten Herberge. Nach einer heißen Dusche im geradezu luxuriös eingerichteten Waschsaal wird uns bewusst, dass sich solch eine Unterkunft wohl nirgends sonst

auf der Welt finden ließe, schon gar nicht für gerade mal sechs

Euro. Jetzt merken wir auch, wie hungrig wir sind. Zum Glück gibt es im Restaurant nebenan Essen.

Der nächste Tag beginnt mit strömenden Regen. Immerhin

geht es weiterhin durch wunderschöne Landschaften und der

Weg führt größtenteils über flaches Land: kein Vergleich zu den Strapazen der Etappe vom Vortag. Als wir unser Tagesziel Zubiri erreichen, sind wir völlig durchnässt. Zum Glück hat

ein Brite aus unserer Gruppe an ein Fläschchen Whiskey gedacht – so ist uns zumindest von innen warm.

23

Leben

Johannes Winter


UnAufgefordert

Leben woanders: Russland Zwischen den Kontrasten: Ein HU-Student bereist das größte Land der Erde. Hier trifft Daniel auf eine Gesellschaft zwischen Veränderung und Stillstand.

Russland ist bekannt für seine immense Größe, den eisigen

Der Wandel von einer Planwirtschaft in der Sowjetunion hin

transsibirische Eisenbahn, die durch das ganze Land bis an den

nach wie vor Herausforderungen. Besonders durch die Vertei-

Winter in Sibirien, die glitzernde Metropole Moskau und die

zu einer Marktwirtschaft im heutigen Russland stelle das Land

Pazifik führt.

lung des Reichtums werde das deutlich.

Daniel Kirchhof studiert Sozialwissenschaften an der HU und

Daniel konnte dies während eines Besuchs in der knapp 650 Ki-

hat zu dem Land eine ganz besondere Verbindung aufbauen

lometer von Sankt Petersburg entfernten Hauptstadt Moskau

können. Seine Freundin Julia, die er während ihres Erasmusaus-

beobachten. „Einen derartig zentrierten Reichtum mit vier der

tausches in Berlin kennengelernt hat, lebt in Sankt Petersburg.

teuersten Autos vor einer Villa habe ich noch nie erlebt“, so Da-

Insgesamt 38 Tage hat er bisher während zwei Aufenthalten

niel. Als er im Hochsommer auf Flip-Flops durch die Metropole

in Russland verbracht. Ob im Sommer auf den Straßen

streifte, waren die Kontraste des Landes nicht zu übersehen.

Moskaus oder im tiefsten Winter am Meer – Daniel

Neben größtem Reichtum stößt man auf Formen

hat das Land intensiv und weit abseits von touris-

bitterster Armut: „Ich konnte mir nie vorstel-

tischen Pfaden entdeckt und mit der Zeit

len, dass es tatsächlich Menschen

seinen ganz eigenen Zugang zu dem Land gefunden, das er in drei Worten als „märchenhaft, kontrastreich und eigenwillig“ beschreibt.

Gespickt mit einer Vielzahl von Flüssen und Birkenwäldern hat ihn besonders die Landschaft beeindruckt. Doch nicht nur

eine re

diese

übe

besonde-

Faszination

auf ihn aus: Die zahlreichen turschätze

Kul-

haben

es ihm angetan. Die

meiste Zeit verbrachte

Daniel bei Julias Fami-

lie in Sankt Petersburg, das lange Zeit Sitz der russischen Zaren

gibt, die sich auf

vom Wohlstand des Zarenreichs.

fortbewegen, weil sie kei-

war. Noch heute zeugen prunkvolle Kathedralen und Paläste

einem

Schon ein kurzer Streifzug durch diese nördlichste Millionen-

Rollbrett

ne Beine haben. In Russland

stadt der Welt offenbart die von Gegensätzen geprägte Vergan-

habe ich das zum ersten Mal gesehen.“ Während seiner Zeit in

genheit des Landes. Von 1547 bis 1721 wurde Russland von Za-

Moskau konnte Daniel auch die berühmten Kirchen und Kathe-

ren regiert, bis 1917 war es ein Kaiserreich. Nach der Niederlage

dralen besuchen. Die Stadt weist eine hohe Dichte alter Monu-

Russlands im Ersten Weltkrieg und der anschließenden Revo-

mente auf. Als religiöses Zentrum entstanden, hat die Stadt im

lution wurde die sozialistische Sowjetunion gegründet, die bis

Laufe der Zeit mehr und mehr Menschen angezogen und ist wie

1991 existierte. Heute zeugen Straßennamen, wuchtige Bauten

ein Baumstamm um den Moskauer Kreml gewachsen.

und Denkmäler von der Zeit des Sozialismus. Aber auch dama-

Neben den touristischen Sehenswürdigkeiten hat Daniel wäh-

lige gesellschaftliche Strukturen seien noch präsent, berichtet

rend der langen Zeit, die er mit Julias Familie verbrachte vor

Daniel. So sei der hohe Anteil an arbeitenden Frauen dieser Zeit-

allem wertvolle Einblicke in den russischen Alltag gewinnen

spanne zu verdanken. Ansonsten seien die Verhaltensformen

können. So hat er viele Ähnlichkeiten, aber auch Unterschie-

eher traditionell. Zum Beispiel gebe es zwischen Männern und

de zu Deutschland ausmachen können. Insbesondere schätzt

Frauen bis zu einem für westeuropäische Verhältnisse späten

er den hohen Stellenwert von Verwandtschaft und Familie: „In

Zeitpunkt kaum körperlichen Kontakt.

Deutschland ist die Gemeinschaft eine Zusammenkunft aus

24

Leben


Studierendenzeitung der HU Berlin

Individuen, in Russland hingegen herrscht zwischen den Ge-

Das Auswärtige Amt beschreibt die Situation hingegen anders:

jüngere Menschen zusammen in einem Haushalt. Zum einen

verbinden sich mit einem teilweise immer noch fehlendem Re-

„Repressive Traditionen und ein Mangel an Rechtsstaatskultur

nerationen Zusammenhalt“, so Daniel. Oft wohnen ältere und

spekt für individuelle Rechte und Freiheiten.“ Hinzu kommen

geschehe dies aus Notwendigkeit, da die Rente sehr niedrig sei,

schwierige materielle Rahmenbedingungen, das Fehlen einer

aber gleichzeitig würden alte Menschen auch mehr respektiert

unabhängigen Judikative sowie die weit verbreitete Korrupti-

werden als in Deutschland.

on, so das Amt.

Obwohl zu Zeiten der Sowjetunion jegliche Glaubensausübung

Politisches Aufsehen erregte Russland erst im März diesen Jah-

zeitweise verboten war, spielt Religion in vielen russischen Fa-

res, als Wladimir Wladimirowitsch Putin erneut zum Präsi-

milien eine große Rolle. So auch bei Julias Verwandten. Daniel

denten gewählt wurde. Mit seiner Partei Einiges Russland hat

berichtet, dass diese anfangs Bedenken

wegen

er zum dritten Mal seit dem Jahr 2000 die Präsidentschafts-

ihrer

wahlen gewonnen. Kritiker hatten die Wahlen als schmut-

ehelosen Beziehung

? WI E KO MM E ICH HIN zig betitelt und zweifeln die Korrektheit dieser stark an. h Mo ska u nac lin Ber von ug Mi t dem Flu gze Es wurde an vielen Orten in Russland gegen die Wahl schen Mann ab 100 Euro. demonstriert. Schätzungen zufolge sind 15.000 bis hatten. Doch TE R? WI E KO MM E ICH UN o Eur 20 20.000 Demonstranten verschiedener politischer Strödiese konnls ab etwa 40 Euro, in Ho ste und Ent wed er in Ho tels ab cht Na pro o Eur 30 mungen im Moskauer Stadtzentrum auf die Straße ten schnell tet en Zim me rn ab ode r in privat ver mie Per son . gegangen. Der Wahlsieg Putins gilt als umstritten. aus

zu

einem

deut-

AC HT EN ? So ist von fragwürdigen Wählerlisten, nicht funktiWA S MU SS ICH BE hen ver tret ung der Rus sisc ats sul Kon der in onierenden Kontrollwebcams sowie von Bussen mit Rec htz eiti g ein Vis um ung durch rus werden nur auf Ein lad a Vis n. age ntr bea sogenannten Karusselwählern die Rede. Dies sind o. Förderati on lieg en bei etwa 35 Eur aus ges tell t, die Kos ten rnt wa t sisc he Sta ats bürger Am e Wähler, die zu unterschiedlichen Wahllokalen gewä rtig n Zei tzo nen . Da s Aus In Rus sla nd gib t es neu s. asu auk fahren werden, damit sie mehrere Stimmen abgeben rdk vor Rei sen in den No ? EN können. Putin erreichte bei der Wahl 63,65 Prozent R AN SCH AU WA S MU SS ICH MI Mo ska u in er lost enk rau ngf der abgegebenen Stimmen. Ne uju Den Rot en Pla tz, das see . Na tur um den Bai kal Bei all diesen Missständen warnt Daniel davor, mit eiund die wu nde rsch öne

nem allzu europäischen Blick auf Russland zu schauen. Er

sagt, man würde schnell dazu neigen, andere politische Systeme und Zustände zu verurteilen. Darüber würden wir vergessen, Defizite im eigenen Land zu beachten.

Zusammen mit Julia und ihrer Familie ist Daniel weit herum-

dem Weg geräumt

werden,

Ill

sodass

gekommen und hat Russland von vielen, teils widersprüchli-

er

chen Seiten kennenlernen können. Die Menschen seien genau-

letztendlich voller Gast-

u:

In

a

so eigenwillig und besonders wie das Land als Ganzes, schließt

freundschaft und Wärme So

th

er: „Entweder du liebst das Land oder du hasst es. Dazwischen

aufgenommen wurde. Juli-

gibt es nichts.“

as Familie gehört der russisch-orthodoxen Kirche

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an, welche die größte

Religionsgemeinschaft in

Russland darstellt. Sie hat sich 988 n. Chr. von der römisch-ka-

tholischen Kirche abgespalten.

Daniel erzählt, dass die Unter-

schiede zur römisch-katholischen

Kirche vor allem darin liegen würden, dass es komplexere und detaillierte Rituale gebe und dass Weihnachten mit knapp zwei Wochen Verspätung erst am 7. Januar stattfinde.

Auch wenn die Russische Föderation der Verfassung nach ein säkularer Staat ist, spiele Religion eine entscheidende Rolle im kulturellen und gesellschaftlich-politischen Leben der Menschen, erklärt Daniel weiter. Aber auch die Spuren des Zaren-

reichs seien ihm zufolge noch stark sichtbar. Eine ausgeprägte Hörigkeit Autoriäten gegenüber sei tief in den Menschen verwurzelt und daher sei es ein Wunsch vieler, von einer straffen Hand geleitet zu werden, so Daniels Wahrnehmung. Dies sei

auch der immensen Größe des Landes geschuldet – immerhin erstreckt es sich über 17 Millionen Quadratkilometer Fläche.

25

Leben

Susanne Hartl


UnAufgefordert

Worauf wartest du? diesmal: P ra k t ik u m s platz

Studierende warten immer und überall. Was bewegt uns dabei wirklich?

Nele Lederer, 19, studiert Hotel- und Tourismusmanagement am Baltic College in Schwerin und wartet auf ein Vorstellungsgespräch.

Foto: Philipp Rauland

Hoffentlich habe ich ihn bald sicher: meinen Praktikumsplatz.

Außerdem finde ich die makellos lächelnden, niemals müden

Praktikum in einem Hotel absolvieren.

lich. Ob es mir gelingen würde, diese künstliche Dauerfreund-

Denn im Sommer muss ich studienbedingt ein dreimonatiges

Mitarbeiter dieser Luxushotels doch ein klein wenig unheim-

Für den Lebenslauf wäre es wichtig, in einem Hotel mit vier

lichkeit auch aufzubringen?

oder mehr Sternen gearbeitet zu haben. Diese sind jedoch meis-

Besonders gern würde ich mein Praktikum in Berlin machen;

tens sehr groß. Mir wäre eigentlich ein kleines, familiäres Hotel

hier könnte ich währenddessen bei meinen Eltern oder auch

lieber. Das sind auch gute Hotels und man kann viel eher mal

meiner Schwester wohnen. So muss ich das Honorar, falls es

in alle Arbeitsbereiche reinschnuppern. Bei den großen Luxus-

eines gibt, nicht gleich wieder für eine Unterkunft ausgeben.

hotels befürchte ich, dass ich dort nur Betten beziehe und

Mal sehen, wo ich letztendlich eine Stelle finde. Rückmeldun-

Küchenhilfe bin – obwohl mein Studium ja schwerpunktmäßig

gen zu meinen Bewerbungen sind nämlich noch keine einge-

auf das Management abzielt.

troffen.

26

Leben

aufgezeichnet von Susanne Schwarz


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