Forschungsmagazin der Universität Innsbruck - 02/2018

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Ausgabe 2/2018, 10. Jg.

zukunft forschung

INNOVATIVE SCHWINGUNGEN

thema: schall I geschichte: privater buchbesitz in tirol I biologie: krebs erkennen­ architektur: raum als ort sozialer selbstfindung I chemie: treibhausgase recyceln­ informatik: große datenmengen erleben I kunstgeschichte: kunstkritiker gombrich DAS MAGAZIN FÜR WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG DER UNIVERSITÄT INNS­BRUCK


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EDITORIAL

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

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m Jahr 2019 haben wir Grund zum Feiern: Vor 350 Jahren wurde unsere Alma Mater gegründet. Am 15. Oktober 1669 genehmigte Kaiser Leopold I. die Einhebung des „Haller Salzaufschlags“, der Sondersteuer zur Finanzierung einer ­Tiroler Landesuniversität. Dies war die Geburtsstunde der Universität Innsbruck. Feiern werden wir dieses runde Jubiläum gemeinsam mit der Bevölkerung, unseren Freunden und Förderern und zahlreichen Partnern in Innsbruck und unserem Umfeld. Im Juni laden wir die Menschen zu einem Fest der Wissenschaft mitten in Innsbruck. Im Oktober begehen wir den historischen Gründungstag mit einer Festwoche, deren Höhepunkt ein außergewöhnlicher Festakt im Tiroler Landestheater sein wird. Ein großer Uniball, Festkonzerte, die Präsentation der neuen Universitätsgeschichte, viele Ausstellungen, Lesungen, ein umfangreiches Führungsprogramm und zahlreiche Projekte im öffentlichen Raum stellen die Universität Innsbruck und ihre Leistungen 2019 in den Mittelpunkt. Machen Sie sich selbst ein Bild vom vielfältigen Programm (www.uibk.ac.at/350-jahre), abonnieren Sie unseren Jubiläums-Newsletter und feiern Sie mit uns mit! Neben einem Blick in die Gründungszeit unserer Universität bietet dieses Magazin einen Einblick in Forschungsgebiete,

die sich mit dem Phänomen des Schalls beschäftigen oder diesen als Werkzeug nutzen. Schall kann uns nicht nur in Form von Musik erfreuen, sondern ermöglicht zahlreiche technologische Lösungen, wie etwa die berührungsfreie Untersuchung Minion von Werkstoffen. Dass er auch wahrgenommen werden kann, wenn das menschliche Ohr versagt, dafür haben Pioniere um das Ehepaar Ingeborg und Erwin Hochmair gesorgt. Sie konnten als erste ein menschliches Sinnesorgan vollständig ersetzen. Diese Technologie wird in Kooperation mit MED-EL an unserer PEFC zertifiziert Universität weiterentwickelt. In dieser Ausgabe unseres ForDieses Produkt aus schungsmagazins finden Sie viele weitere Beiträge zu stammt aktuellen nachhaltig bewirtschafteten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Projekten. Wäldern und

DE

kontrollierten Quellen www.pefc.at

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre und freuen uns über Ihre Fragen und Anregungen!

PEFC zertifiziert Dieses Produkt stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten Quellen www.pefc.at

TILMANN MÄRK, REKTOR ULRIKE TANZER, VIZEREKTORIN FÜR FORSCHUNG Myriad

IMPRESSUM Herausgeber & Medieninhaber: Leopold-Franzens-Universität Inns­bruck, Christoph-Probst-Platz, Innrain 52, 6020 Inns­bruck, www.uibk.ac.at Projektleitung: Büro für Öffentlichkeitsarbeit und Kulturservice – Mag. Uwe Steger (us), Dr. Christian Flatz (cf); public-relations@uibk.ac.at Verleger: KULTIG Werbeagentur KG – Corporate Publishing, Maria-Theresien-Straße 21, 6020 Inns­bruck, www.kultig.at Redaktion: Mag. Melanie Bartos (mb), Mag. Eva Fessler (ef), Mag. Andreas Hauser (ah), Mag. Stefan Hohenwarter (sh), Lisa Marchl, MSc (ml), Daniela Pümpel, MA (dp), Mag. Susanne Röck (sr) Layout & Bildbearbeitung: Florian Koch, Lara Hochreiter Fotos: Andreas Friedle, Universität Inns­bruck Druck: Gutenberg, 4021 Linz

Foto: Uni Inns­bruck

PEFC zertifiziert Dieses Produkt stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten Quellen www.pefc.at

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PEFC zertifiziert Dieses Produkt stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten Quellen www.pefc.at

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BILD DER WISSENSCHAFT


INHALT

TITELTHEMA

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TUNNELBAU. Spritzbeton ist beim Tunnelbau enormen Belastungen a­ usgesetzt, wie er darauf reagiert, untersuchen Innsbrucker Bauingenieure – unter anderem mit Schallmessungen.

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MATHEMATIK. Photoakustische Tomografie misst Schallwellen und wandelt die Daten in Bilder um, der Mathematiker Markus ­Haltmeier arbeitet an der Entwicklung der Methode. MECHATRONIK. Cochlea-Implantate lassen taube Menschen

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wieder hören, Grundlagen dafür wurden in Innsbruck erarbeitet.

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HOLZBAU. Wie im Holzbau dem Lärm beizukommen ist, daran forscht Anton Kraler.

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TITELTHEMA. Schall erfreut uns nicht nur als Musik, Schallwellen ermöglichen auch zahlreiche technologische Lösungen. ZUKUNFT FORSCHUNG begab sich auf die Suche, wo an der Uni Innsbruck Schall im Zentrum wissenschaftlichen Arbeitens steht.

MUSIKWISSENSCHAFT. Federico Celestini und Milijana Pavlović 18 folgen den Spuren Gustav Mahlers in die Dolomiten.

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FORSCHUNG GESCHICHTE. Der Historiker Michael Span ist Buchbesitz im Pustertal im 18. Jahrhundert auf der Spur. Damit schließt er eine Forschungslücke für den katholischen Raum.­ MEDIZIN. Mit Innsbrucker Know-how wurde ein neuer Test zur

Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs entwickelt.

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CHEMIE. Wissenschaftler konnten am Modellkatalysator­erstmals wichtige Zwischenschritte in der Methan-Trockenreformierung­ 32 nachweisen.

STANDORT. Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi

über den Raum als dritten Pädagogen, sein Anliegen, das Prädikat Universitätsstadt zu stärken, und sein eigenes unvollendetes Studium.

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PHYSIK. Innsbrucker Quantenphysiker konstruierten eine Diode 39 für Magnetfelder und testeten sie im Labor. KUNSTGESCHICHTE. Sybille Moser-Ernst stellt das Œuvre des britischen Kunsthistorikers Ernst Gombrich wieder in das 40 Zentrum der Diskussion. ARCHITEKTUR. Den Architekten Walter Klasz und den Theologen

Christian Bauer verbindet ein Interesse am Entstehen sozialer Innova42 tion in der Wechselwirkung zwischen Mensch und Raum.

INFORMATIK. Das hochmoderne Visualisierungslabor an der Universität Innsbruck eröffnet seinen Nutzerinnen und Nutzern völlig neue Dimensionen im Umgang mit großen Datenmengen.

RUBRIKEN EDITORIAL/IMPRESSUM 3 | BILD DER WISSENSCHAFT: NEURONALE STAMMZELLE AUS DEM LABOR 4 | NEUBERUFUNG: CLAUDIA PASQUERO 6 | FUNDGRUBE VERGANGEN­HEIT: GRÜNDUNG DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK 7 | BILDGLOSSAR: ECHOLOT-MESSUNG IM MONDSEE 20 | MELDUNGEN 24 | WISSENSTRANSFER 34 + 35 | TRANSFERSTELLE 44 | PREISE & AUSZEICHNUNGEN 45 – 47 | ZWISCHENSTOPP: DOMINIK MARKL 48 | SPRUNGBRETT INNS­BRUCK: ROLAND VOGL 49 | ESSAY: VOM WECKER ZUM ZAPFENSTERICH von Ingo Schneider 50

Jüngste Fortschritte in der Stammzellforschung haben hohe Erwartungen geweckt, dass Erkrankungen des zentralen Nervensystems durch die Entwicklung von Stammzelltherapien geheilt bzw. gemildert werden können. Der Innsbrucker Stammzellforscher Frank Edenhofer vom Institut für Molekularbiologie hat ein Verfahren entwickelt und

patentiert, mit dem aus Hautzellen Gehirnstammzellen gezüchtet werden können. Diese können mitunter fehlerhafte oder kranke Zellen ersetzen und so zur Heilung von Krankheiten beitragen. Durch die künstliche Herstellung von neuronalen Stammzellen (im Bild) kann auf den Einsatz von embryonalen Stammzellen verzichtet werden.

Fotos: Andreas Friedle (2), AdobeStock/goanovi(1); COVERFOTO: AdobeStock/monsitj; BILD DER WISSENSCHAFT: Frank Edenhofer

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NEUBERUFUNG

AUF DER EXPO 2017 in Kasachstan präsentierte Claudia Pasquero das Projekt „BIO.tech HUT“, eine Zukunftsvision für Algenzucht in Städten.

ZUKUNFTSVISION BIO-STADT Im „Synthetic Landscape Lab“ forscht die Architektin Claudia Pasquero an der Schnittstelle zwischen Biologie, Computation und Design.

A

lgen, Bakterien oder Pilze: Sind sie die Hoffnungsträger für die nachhaltige Planung von städtischen Lebensräumen der Zukunft? „Ja“, ist Claudia Pasquero überzeugt. Seit September 2017 ist sie Professorin für Landschaftsarchitektur am Institut für Städtebau und Raumplanung. Lebende Organismen spielen in ihrer Arbeit eine wesentliche Rolle. „Wir begreifen Städte als lebendige Systeme im wahrsten Sinne des Wortes. Unsere Grundannahme ist, dass es nicht mehr möglich sein sollte, einen Unterschied zwischen natürlicher und künstlicher Landschaft zu machen. Der Fortschritt in Biologie und Technologie macht diesen fließenden Übergang möglich“, sagt Pasquero. Im Mittelpunkt steht für Claudia Pasquero daher weniger die Gestaltung von einzelnen Gebäuden, sondern vielmehr eine generelle Orientierung an Mechanismen der Natur – und ihre digitale Umsetzung in der Planung von urbanen Lebensräumen. „Wir arbeiten mit einer organischen Vision von Landschaftsarchitektur, in der es möglich ist, Biologie und digitale Techniken zu kombinieren, um beispielsweise Energie aus Algen oder Bakterien zu gewinnen – und zwar nicht außerhalb der Städte, sondern direkt in den Wohn- und Arbeitsräumen

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CLAUDIA PASQUERO, geb. 1974, ist neben ihrer Arbeit an der Universität Innsbruck international erfolgreich: Sie ist Co-Direktorin des ecoLogicStudios in London, Dozentin und Leiterin des Urban Morphogenesis Lab der Bartlett UCL und leitende Mitarbeiterin des IAAC (Institute for Advanced Architecture in Katalonien) in Barcelona. Im vergangenen Jahr kuratierte sie die Tallinn Architecture Biennale 2017. Pasqueros Werke wurden international präsentiert, u.a. im FRAC in Orleans, auf der Architekturbiennale in Venedig, im ZKM Karlsruhe oder in Mailand auf der Expo 2015. Derzeit arbeitet sie an einem Projekt für das Centre Pompidou in Paris.

der Menschen“, verdeutlicht Pasquero, die international als Pionierin im Bereich der „Bio-Architektur“ – einer neuen Bewegung innerhalb der Architektur – gilt. Bereits in mehreren Projekten brachte Claudia Pasquero Mikroalgen zum Einsatz. Algen werden künftig eine zunehmend wichtige Rolle in der Erzeugung von Energie, aber auch als Nahrungsmittel spielen. Gegenwärtig werden (Mikro-) Algen aber hauptsächlich in industriellen Produktionsanlagen hergestellt. Diese Tatsache möchte die Architektin ändern. „Mit unseren Prototypen möchten wir zeigen, welchen Platz Algen und ihre Herstellung in Wohnungen oder Büros – also in der alltäglichen Umgebung der Menschen – haben könnten“, erklärt Pasquero. Dass die Versorgung mit Energie und Nahrungsmitteln sozusagen direkt in den urbanen Räumen stattfindet und nicht aus den Städten ausgelagert wird, ist für Pasquero ein besonders wichtiger Aspekt: „Die Integration der Kultivierung von Mikroalgen direkt in unser unmittelbares Umfeld lässt uns die Art und Weise, wie wir konsumieren und produzieren, überdenken. Wir werden sensibler für diese Prozesse, da sie direkt vor unseren Augen stattfinden“, ist Pasquero überzeugt. mb

Fotos: NAARO (1), Andreas Friedle (1)


FUNDGRUBE VERGANGENHEIT

AM ANFANG WAR DAS SALZ 1669, vor 350 Jahren wurde die Universität Innsbruck gegründet, schon drei Jahre später konnten in der Aula des Jesuitengymnasiums die ersten Tiroler Baccalaurei und Magistri gefeiert werden.

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as 17. Jahrhundert war für Tirol kein leichtes: Die Blütezeit des Schwazer Silberbergbaus neigte sich dem Ende zu, zudem ging mit dem Aussterben der Tiroler Habsburger durch den Verlust des Hofes in Innsbruck Wirtschaftskraft verloren. Auch die Bildungslandschaft darbte. Wer zu dieser Zeit als Tiroler studieren wollte, musste in die Ferne, nach Wien, Freiburg oder an die Universität Ingolstadt, die zwischen 1600

und 1610 121 Tiroler Studenten begrüßen konnte. Die Regierung in Innsbruck reagierte, forderte eine Universität, konnte Wiener Bedenken gegen eine „Überproduktion“ von Akademikern zerstreuen und hoffte auf Wirtschaftswachstum, sah sie doch in einer Universität „ein Gemeinnützliches, viel Geld im Land erhaltendes, auch mehr Barschaft hereinziehendes Werk.“ Selbst Klima und Kultur mussten im „Bewerbungsverfahren“ herhalten: Die gesunde Luft sei besser „als in Italia temperiret“, das Aufeinandertreffen von deutscher und italienischer Kultur sei ein Bonus – und auch der „wolfaile“ Wein.

Aufbau der Universität

DIE GESCHICHTE der Universität reicht bis ins Jahr 1562 zurück, als in Innsbruck ein Jesuitengymnasium errichtet wurde. Darauf aufbauend gründete Kaiser Leopold I. am 15. Oktober 1669 eine Universität. Acht Jahre später, 1677, erlangte die Universität Innsbruck durch die Ausfertigung des kaiserlichen Stiftbriefs durch Leopold I. und die päpstliche Bestätigungsbulle von Innozenz XI. die volle Rechtsgültigkeit.

Fotos: Uni Inns­bruck (2), Wikipedia/ Leitzsche (1)

1669 schließlich gab Leopold I. der Tiroler Forderung nach und genehmigte eine Universität, die durch eine neue Steuer finanziert werden sollte: Auf jedes in Tirol verkaufte Fuder – rund 16 Kilogramm – Hallersalz wurden zwölf „akademische“ Kreuzer eingehoben. Trotzdem, es war eine auch heute gut bekannte Unterfinanzierung: Einnahmen aus dem Salzaufschlag von 4.300 Gulden standen Ausgaben an Personal- und Sachaufwendungen von 7.000 Gulden gegenüber. Der Unterricht in der Anfangszeit lag in den Händen der Jesuiten, der erste Universitätskurs in Logik fand im Win-

FÜR DAS ERSTE Hauptgebäude der Universität Innsbruck wurde von 1673 bis 1675 ein Gebäude in der heutigen Herrengasse adaptiert, 1776 erfolgte die Übersiedlung in das frei gewordene Jesuitenkolleg in der Universitätsstraße, heute die Theologische Fakultät. Das Gebäude in der Herrengasse blickt auf eine wechselhafte – und auch dunkle – Vergangenheit zurück: Von 1939 bis 1945 war es die Gestapo-Zentrale für Tirol und Vorarlberg. Heute beherbergt es Teile der Tiroler Landesverwaltung.

tersemester 1669/70 statt – die Philosophische Fakultät war gegründet, die anfangs die sogenannten „niederen Studien“ Logik, Physik, Metaphysik etc. beinhaltete. Im ersten Jahrzehnt kamen mit Französisch und Italienisch auch die ers­ ten „lebenden Fremdsprachen“ hinzu, ein Tanz- und Fechtmeister kümmerte sich um die gesellschaftliche und sportliche Ausbildung. 1671 folgten mit der Theologie und der Jurisprudenz zwei weitere Fakultäten, 1674 kam die Medizinische Fakultät dazu. Schon drei Jahre nach Universitätsgründung erlangten die ersten an der Universitas Oenipontana ausgebildeten Philosophen akademische Weihen, die neuen Baccalaurei und Magistri machten Innsbruck endgültig zu einer Universitätsstadt. ah

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Foto: Andreas Foto: BBT-SE Friedle


RISSANALYSE MIT SCHALL Beim Bau des Brenner Basistunnels werden hunderttausende Kubikmeter Spritzbeton v­ erbaut, um den Tunnelhohlraum abzusichern. Der Spritzbeton ist dabei enormen Belastungen ­ausgesetzt, wie er darauf reagiert, untersuchen Innsbrucker Bauingenieure und wollen mit Schallmessungen mehr über Mikrorisse im Spritzbeton erfahren. zukunft forschung 02/18

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TITELTHEMA

E BEIM VORTRIEB des Brenner Basistunnels werden neue Hohlräume mit einer Spritzbetonschale gesichert, die dauerhafte Innenschale wird erst später betoniert (das Bild auf den Seiten 8 und 9 zeigt die Spritzbetonsicherung in Mauls). Für ihre Forschungen arbeiten die Innsbrucker Wissenschaftler mit Proben, die direkt vor Ort beim Aufspritzen des Spritzbetons in zylinderförmigen Schalungen (Bild unten, rechter unterer Bildrand) aufgenommen werden.

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r ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Mammutprojekt, an dessen Ende zwei Tunnelröhren tief unter dem Brenner von Innsbruck bis Franzensfeste die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt bilden sollen. Inklusive Umfahrung Innsbruck wird der Brenner Basistunnel (BBT) 64 Kilometer lang sein, das gesamte Tunnelsystem kommt auf eine Länge von rund 230 Kilometer. Allein auf österreichischer Seite werden dabei ungefähr 700.000 Kubikmeter Spritzbeton zur Hohlraumsicherung verbaut. Dabei wird mit einem Roboter auf die durch den Tunnelvortrieb neu geschaffene Hohlraumoberfläche spezieller Beton gespritzt, es bildet sich eine Schale aus Spritzbeton mit je nach benötigter Tragfähigkeit vorgegebener Dicke. Spritzbeton, der extremen Bedingungen ausgesetzt ist. „Die Überlagerungshöhen betragen bis zu 1.800 Meter“, erklärt Günter Hofstetter, Leiter des Arbeitsbereichs Festigkeitslehre und Baustatik an der Universität Innsbruck. In anderen Worten: Ein ganzes Gebirge ruht auf den Röhren. Der aufgebrachte Spritzbeton ist daher bereits während der Erhärtung hohen Beanspruchungen ausgesetzt. „Uns interessieren die Eigenschaften des Spritzbetons während der Erhärtung“, sagt Hofstetter. Für ihre Tests arbeiten die

MATTHIAS NEUNER, Günter Hofstetter und Martin Drexel (v.li.) im Labor. In den Kriechprüfständen wird die Verformung von Spritzbeton unter konstanter Belastung untersucht.

Techniker mit Spritzbeton direkt von der Baustelle, im Labor werden die Versuchskörper, 30 Zentimeter hohe Betonzylinder mit zehn Zentimeter Durchmesser, auf Herz und Nieren geprüft. Um die Bildung von Mikrorissen im Spritzbeton messen zu können, setzt Hofstetters Team auch auf Schall.

Vom Tiermodell zum Tunnelbau

An Tunnelbau dachte der US-Amerikaner Carl Ethan Akeley Anfang des 20. Jahrhunderts nicht, als er ein Drahtgerüst und eine spezielle Kanone konstruierte. Durch die Düse sprühte er mit Druckluft Mörtel Richtung Drahtgerüst und fügte gleichzeitig Wasser hinzu. Dies führte zu festen dünnen Schichten, die nicht vom Drahtgerüst fielen, bevor sie endgültig erstarren. Der Tierpräparator Akeley wollte damit eigentlich plastische Modelle von großen Tieren herstellen, erkannte aber rasch, dass die Methode auch anderweitig einsetzbar war. 1911 erhielt er das Patent für einen „Apparat zum Mischen und Auftragen von plastischen Materialien”, der

Fotos: Andreas Friedle (3), Matthias Neuner (1)


TITELTHEMA Apparat wurde vor allem in der Bauindustrie eingesetzt – Akeley hatte das Trockenspritzverfahren erfunden. „Heute wird vor allem mit Nassspritzbeton gearbeitet“, weiß Matthias Neuner vom Arbeitsbereich Festigkeitslehre und Baustatik, „und das ist ein High-Tech-Produkt.“ Nassspritzbeton beginnt innerhalb von Sekunden bis Minuten zu erhärten, erreicht wird dies­durch chemische Beschleuniger. „In den letzten 20, 30 Jahren hat sich auf diesem Gebiet sehr viel getan“, weiß Neuner. Mit ein Grund, dass Untersuchungen zu Spritzbeton aus den 1990er-Jahren nicht mehr State of the Art sind. „Wir konnten im Labor ermitteln, dass heutiger Spritzbeton gut das Doppelte an Belastung aufnehmen kann als jener, der vor 20 Jahren eingesetzt wurde“, nennt der Bauingenieur ein Beispiel. Neuners Dissertation widmete sich den Themen Erhärtung des Spritzbetons und die davon abhängige Entwicklung seiner Eigenschaften, sind diese doch von besonderer Bedeutung für die Tragfähigkeit einer Spritzbetonschale. „Ziel ist es, den Tunnelkonstruktionsprozess zu berechnen. Dazu müssen wir wissen, was in dem Tunnel abhängig von der Geometrie und den Umgebungsbedingungen passiert, mit welchen Verformungen zu rechnen ist, wie sich Gebirge und Materialen – vor allem der Spritzbeton – verhalten. Daher wollen wir das Material Spritzbeton in einem Rechenmodell beschreiben“, erläutert Neuner. Neben den klassischen Eigenschaften Steifigkeit, Festigkeit und Duktilität geht es dabei auch um Schwind- und Kriechverhalten. „Ist Spritzbeton einer permanenten Belastung durch ein hohes Gewicht ausgesetzt, verformt­sich der Beton mit der Zeit, er kriecht“, erläutert Neuner. Beton schwindet in Folge von chemischen Reaktionen und Austrocknen, das Volumen des Materials verringert sich mit der Zeit. Das erstellte Materialmodell kalibrierte Neuner anhand der exakten Rezeptur des im BBT verwendeten Materials. Beim Auftragen des Spritzbetons wurden Schalungen für Versuchskörper gefüllt, die erhärteten Betonzylinder kamen ins Labor. Während das Schwinden relativ einfach zu untersuchen ist (Neuner: „Man lässt den Versuchskörper stehen und kontrolliert über die Zeit die Verformungen.“), benötigt es für das Kriechen einen eigenen Prüfstand, den Neuners Arbeitskollege Martin Drexel konstruierte. „Der Versuchskörper ist über Wochen, Monate, eventuell sogar Jahre einer konstanten Belastung ausgesetzt, mit Wegaufnehmern misst man die Veränderungen“, sagt Neuner. Gerade im

„ Mit dem Schallemissionsgerät wollen wir die Bildung von Mikrorissen im ­Spritzbeton untersuchen.“ Matthias Neuner Tunnelbau kommt noch ein weiteres Phänomen dazu: das nichtlineare Kriechen. „Überschreitet die konstante Belastung ein gewisses Niveau, nämlich rund 40 Prozent der Druckfestigkeit, nehmen die zeitlichen Kriechverformungen überproportional zu“, so Neuner. Bis dato sei dieses nichtlineare Kriechen für Spritzbeton überhaupt nicht untersucht – was sich durch die Forschungsarbeit der Innsbrucker Techniker nun ändern soll.

Nichtlineares Kriechen

„Man führt das Phänomen des nichtlinearen Kriechens auf Mikrorisse im Beton zurück. Durch die enorme Belastung kommt es zu Schädigungen des Materials, dies führt zu Verformungen“, schildert Neuner und Günter Hofstetter ergänzt: „Indirekt kann man nichtlineares Kriechen über die Verformungen des Versuchskörpers messen. Ein genaueres Bild bekommt man aber mit Hilfe eines Schall­ emissionsgeräts.“ Auf den Versuchskörper verteilt werden sechs Sensoren geklebt, kommt es zu einem Mikroriss, zeichnen die Sensoren die dabei emittierten Schallwellen auf. „Die Schallwellen brauchen unterschiedlich lang zu den Sensoren, aus diesen Zeitunterschieden kann man die Lage der Mikrorisse genau berechnen“, führt Neuner die weitere Vorgangsweise an. Von den Untersuchungen erwarten sich die Betonexperten Rückschlüsse auf die Quantität der Mikrorisse, auf ihre lokale Verteilung und ab welchem Belastungs­ niveau die Mikrorissbildung einsetzt. „Unsere Erkenntnisse sollen besser abgesicherte Werte für die Berechnung der Standsicherheit der Spritzbetonschale liefern und helfen, das Material Spritzbeton besser und effizienter zu nutzen“, hält Hofstetter fest. Bei 700.000 Kubikmeter Spritzbeton, die für den BBT auf österreichischer Seite benötigt werden, „kann man da ein bisschen was erreichen.“ ah

GÜNTER HOFSTETTER, Jahrgang 1959, studierte Bauingenieurwesen an der TU Wien, wo er 1987 dissertierte. Von 1983 bis 1995 war er forschend und lehrend an der TU Wien tätig, unterbrochen von einem Jahr als Visiting Scholar an der University of California in Berkeley. 1995 wurde Hofstetter an die Universität Innsbruck als Universitätsprofessor für Festigkeitslehre berufen. Seither war er auch in verschiedenen universitären Funktionen tätig, so ist er seit 2013 Dekan der Fakultät für Technische Wissenschaften. Hofstetters wissenschaftliche Interessen liegen vor allem in der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung auf dem Gebiet der rechnergestützten Mechanik.

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TITELTHEMA

MARKUS HALTMEIER (*1977 in Zams) studierte in Innsbruck Mathematik und Physik. Nach seinem Abschluss in Mathematik war er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Infmath Imaging Gruppe von Otmar Scherzer, in seiner Dissertation (2007) beschäftigte er sich mit Photoakustischer Bildgebung. 2009 wurde Haltmeier Universitätsassistent am Computational Science Center der Universität Wien, dort habilitierte er sich im Jahr 2010. Danach wechselte er als Gruppenleiter für Statistische Inverse Probleme an das MaxPlanck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen. 2012 wurde er ans Institut für Mathematik der Uni Innsbruck berufen, wo er seither die Arbeitsgruppe Applied Mathematics leitet.

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Fotos: Andreas Friedle, Robert Nuster, Peter Burgholzer


TITELTHEMA

BILDHAFTER SCHALL Mit Laser bestrahlte Objekte erwärmen sich und erzeugen Schallwellen. Photoakustische Tomografie misst die Wellen und wandelt die Daten in Bilder der Objekte um. In der medizinischen Diagnostik sind damit Blutgefäße darstellbar, der Mathematiker Markus Haltmeier arbeitet an der Entwicklung der Methode.

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er Name Graham Bell ist untrennbar mit der Geschichte des Telefons verbunden. Auch wenn Bell nicht der Erfinder war, er brachte die Übermittlung von Sprache mittels elektrischer Signale zur Marktreife. Wirklich erfunden hat der gebürtige Schotte allerdings das Photophon. Dabei nutzte er Licht zur Übertragung von Schall, in seinem Fachartikel „On the Production and Reproduction of Sound by Light“ beschrieb er erstmals den sogenannten photoakustischen Effekt – die Umwandlung von Lichtenergie in akustische Energie. Weit über 100 Jahre später greifen Mathematiker und Physiker auf diesen photoakustischen Effekt zurück, um die medizinische Diagnostik um ein neues bildgebendes Verfahren zu erweitern – die photoakustische Tomografie. „Mit Computertomografen können Strukturen wie z.B. Knochen, die Röntgenstrahlen absorbieren, gut gemessen werden. Schwächen haben sie bei weichem Gewebe, vor allem bei Unterschieden im Gewebe, daher verwendet man Kontrastmittel. Mit der photoakustischen Tomografie hingegen können lichtabsorbierende Strukturen sehr gut bildlich dargestellt werden, wir können damit Blutgefäße, aber auch Melanome erkennen“, beschreibt Markus Haltmeier den Vorteile der Methode, bei der es sich, so der Innsbrucker Mathematiker, ähnlich verhalte wie bei Blitz und Donner. Während bei einem Gewitter Luft im Blitzkanal im wahrsten Sinn des Wortes blitzartig auf bis zu 30.000 Grad Celsius erhitzt wird, sich dabei ausdehnt und nach Zusammenbrechen des – den Blitzkanal umgebenden – Magnetfelds schlagartig als Donner entweicht, arbeitet die photoakustische Tomografie mit Laserpulsen. Ein Objekt – z.B. ein menschlicher Körper oder eine Gewebeprobe – wird mit vielen Laserpulsen im Nanosekundenbereich beleuchtet, die Absorption des Lichts

führt dazu, dass sich das Objekt erwärmt und ausdehnt. Diese thermische Expansion wiederum erzeugt akustische Wellen, die von Sensoren empfangen werden. Diese Messdaten werden mit Hilfe von mathematischen Methoden in Diagnosebilder umgewandelt.

Compressed Sensing

Letzteres bezeichnen Mathematiker wie Haltmeier als ein inverses Problem – von einem beobachteten Ergebnis soll auf die Ursache rückgeschlossen werden. Die Berechnung der möglichst detaillierten Bilder, das Finden der passenden Algorithmen steht im Zentrum der Forschung von Haltmeier, für die konkrete Umsetzung im Labor kooperiert er mit den Teams von Peter Burgholzer in Linz sowie Günther Paltauf und Robert Nuster in Graz. „Ein

DIE TESTGERÄTE für photoakustische Tomografie aus Graz und Linz arbeiten mit eigens entwickelten integrierenden Liniensensoren, Markus Haltmeier will diese nun „zufällig verbinden“, um durch die Messung der zufälligen Kombination den den Auslesevorgang zu beschleunigen.

erstes Ziel war die Erhöhung der Auflösung“, blickt der Tiroler Forscher auf die Anfänge im Jahr 2003 zurück. Gemessen wurde anfangs mit vielen nur millimetergroßen Sensoren, was einerseits die Auflösung limitierte, andererseits die Kosten steigen ließ. Die – patentierte – Lösung der Forscher war ein großer, ebener integrierender Sensor, der, so Haltmeier, den Schall nicht an vielen Punkten misst und dessen Größe für die Rekonstruktion des Bildes verwendet wurde. „Das war ein erster Schritt“, resümiert Haltmeier, „vom großflächigen Sensor sind wir aufgrund seiner Komplexität abgekommen.“ Als Kompromiss zwischen kleinem Punkt und großer Fläche wandten sich die Forscher der Linie zu, mit dem integrierenden Liniensensor konnte eine Auflösung von unter 100 Mikrometer erreicht werden. Doch die Anzahl der benötigten Messungen soll – unter gleichzeitiger Beibehaltung von hohem Kontrast und hoher Auflösung – noch verringert werden, Haltmeier setzt dabei auf „Compressed Sensing“-Methoden. „Die Grundidee ist dabei, anstelle von Punktmessungen spezielle zufällige Kombinationen der einzelnen Druckwerte zu messen“, erläutert Haltmeier den Ansatz. Für einen photoakustischen Tomograf mit rund 500 Liniensensoren hieße das, dass nicht alle Sensoren eigens verkabelt und ausgelesen werden („Technisch schwer machbar und kostspielig.“), sondern die Liniensensoren „auf eine zufällige Weise verbunden werden“. Eine Messung wäre dann der Auslesevorgang einer zufälligen Kombination vieler hypothetischer Messungen, aus der anschließend das Bild rekonstruiert wird. Noch steht Haltmeier dabei am Anfang, in einem bis 2021 laufenden FWF-Projekt will er neuartige Rekonstruktionsalgorithmen entwickeln, die in der Praxis realisierbar und effizient numerisch umsetzbar sind sowie auf einem soliden mathematischen Fundament basieren. ah

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TITELTHEMA

STIMULIERTER HÖRNERV Der Hörsinn ist der erste menschliche Sinn, der technologisch wieder hergestellt werden kann. Mit Cochlea-Implantaten können taube Menschen wieder hören, wesentliche Grundlagen dafür wurden an der Universität Innsbruck erarbeitet.

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igentlich ist es eine Kettenreaktion: Schallwellen gelangen in den Gehörkanal und bringen dort – in der Frequenz des Schalls – das Trommelfell zum Schwingen. Diese Schwingungen wiederum breiten sich über die Gehörknöchelchen in die Gehörschnecke (Cochlea) aus und versetzen dort Flüssigkeit in Bewegung. Dadurch geraten auch die Haarzellen – feinste Sinneszellen – in Bewegung. Dies löst neurale Signale aus, der Hörnerv fängt diese auf, leitet sie an das Gehirn weiter, wo sie als akustische Ereignisse interpretiert werden – der Mensch hört. Fällt allerdings ein Glied

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in der Kette ganz oder teilweise aus, hat dies Konsequenzen: Fehlende oder beschädigte Haarzellen etwa können den Hörnerv nicht (oder nur unzureichend) stimulieren, die Folgen sind eine schwere bis hochgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit. Es sei denn, der Hörnerv wird anderweitig, durch eine direkte Elektrostimulation, angeregt – das Funktionsprinzip sogenannter CochleaImplantate. „Das Ohr ist ein ideales Interface zwischen einem künstlichen und dem natürlichen Hörsystem. In der Gehörschnecke sind die Nerven tonotop sortiert, das

heißt, sie sind nach Frequenzen angeordnet. Das kann man mit einem künstlichen Elektrodenarray, wenn man es an die entsprechende Stelle legt, optimal ausnützen. Mit der Cochlea ist für die Elektrode zudem ein Kanal vorhanden, der sich von Kleinkind bis ins hohe Alter fast nicht verändert“, sagt Clemens Zierhofer, der sich seit den 1980er-Jahren mit CochleaImplantaten (CI) beschäftigt.

Pionierarbeit

Die österreichischen Wissenschaftler Ingeborg und Erwin Hochmair entwickelten in den 1970er-Jahren in Wien das

Fotos: AdobeStock/goanovi(1), Andreas Friedle (1)


TITELTHEMA

erste mikroelektronische Mehrkanal-CI, 1977 wurde es erstmals in die Cochlea implantiert. Ein CI war und ist bis heute der erste tatsächlich realisierte Ersatz eines Sinnesorgans – dem Hörsinn. Erwin Hochmair wurde 1985 als Professor für Angewandte Physik und Mikroelektronik an die Universität Innsbruck berufen, vier Jahre später gründete er mit seiner Frau in der Tiroler Landeshauptstadt das Unternehmen MED-EL, das heute weltweit mehr als 1.700 Mitarbeiter beschäftigt und implantierbare Lösungen zur Behandlung unterschiedlicher Arten von Hörverlust anbietet. Wesentliche Grundlagen des CI von MED-EL wurden an der Universität Innsbruck erarbeitet, vor allem was Zierhofers Arbeitsbereiche – Stimulationsstrategien, Signalverarbeitung und Hochfrequenztechnik – betrifft. „Cochlea-Implantate bestehen aus zwei Teilen. Der interne Teil ist das Implantat, das digitale Daten empfängt, decodiert und Stimulationssignale erzeugt. Der externe Teil ist der Sprachprozessor: ein Mikrophon, Elektronik,

die das Audio­s ignal digitalisiert und überträgt, sowie eine Batterie“, erläutert Zierhofer. Warum – im Gegensatz zum Herzschrittmacher – die Batterie extern ist, erklärt sich durch einen Leistungsvergleich. Zierhofer: „Ein Herzschrittmacher braucht circa einen Stimulationsimpuls pro Sekunde, um ein Audiosignal zu produzieren, benötigen wir 20.000 bis 50.000 Impulse in der Sekunde.“ Mit seinen ersten Arbeiten gelang es Zierhofer, die Hochfrequenzstrecke zwischen Sprachprozessor und Implantat – „Eine kritische Komponente, weil sie auf den gesamten Energieverbrauch Einfluss hat.“ – einfach und effizient zu gestalten. „Danach habe ich im Rahmen von etlichen FWFProjekten, die aufgrund ihrer Wirtschaftsnähe durch die Nationalbank aufgestockt wurden, Strategien für besseres Hören entwickelt“, berichtet der Nachrichtentechniker. Diese Grundarbeiten flossen in die Produkte von MED-EL ein, unter anderem in einen Hinter-dem-OhrSprachprozessor – zuvor musste der Prozessor am Körper getragen werden – und schließlich in den ersten digitalen Hinter-dem-Ohr-Sprachprozessor, der nur mehr einen Bruchteil der zuvor benötigten Energie verbraucht. In einem anderen Forschungsprojekt beschäftigte sich Zierhofer mit einer neuen, auf Feinstruktur­information basierenden Stimulationsstrategie, die zur besseren Codierung von Audiosignalen bei CI dient und von MED-EL umgesetzt wurde. Sozusagen ein Nebenprodukt mündete in eine Zusammenarbeit mit niederländischen Partnern. „Es gibt CI-Patienten, die auf einem Ohr taub sind und an Tinnitus leiden“, erzählt Zierhofer. Das Im-

plantat führte zu einer Verbesserung, der Tinnitus wurde durch die Elektrostimulation unterdrückt. „In einigen Projekten suchten wir nach den stochastischen Mus­ tern, die sich am besten dafür eignen“, berichtet Zierhofer, „für eine Umsetzung braucht es aber noch einige Studien.“

Forschungsthemen

Aktuell beschäftigt sich Zierhofer mit der Stimulation eines anderen Sinnes – dem Gleichgewicht. Sitz des Gleichgewichtsorgans, auch Vestibularorgan genannt, ist das Innenohr, genauer gesagt die drei Bogengänge. Ähnlich dem Hörsystem werden von den dort gelegenen Sinneszellen Informationen über einen Hirnnerv in die entsprechenden Nervenkerne im Hirnstamm gesandt, ein Ausfall führt zu Störungen des Gleichgewichts, zu Schwindel und Übelkeit. „Wir versuchen über Elektroden die optimalen Stimuli zu finden, um das Vestibularorgan rekonstruieren zu können“. Als Außensensor soll ein Kreisel­ instrument (Gyroskop) zum Einsatz kommen, angedacht ist auch eine Kombination mit einem CI, „da Störungen im Innenohr oft mit Störungen des Vestibularorgans verknüpft sind“. Idealerweise als Vollimplantat, denn „generell geht die Entwicklung Richtung totally implan­table“. Die Next Generation von CI sollen ohne externes System auskommen, der Sprachprozessor wird ebenso implantiert. Einerseits aus ästhetischen Gründen, andererseits ist das empfindliche System im Schädelknochen besser geschützt. Zierhofer: „Das System muss natürlich von Zeit zu Zeit über eine Hochfrequenzstrecke sozusagen aufgeladen werden – und da braucht es Nachrichtentechniker.“ ah

CLEMENS ZIERHOFER, geboren 1962 in Innsbruck, studierte an der TU Wien Nachrichtentechnik und dissertierte 1989 in Innsbruck bei Erwin Hochmair. Zierhofer bekleidet seit 1986 wissenschafltiche Funktionen an der Universität Innsbruck (Habilitation 1995, a.o. Professur 2004), seit 2012 ist er Universitätsprofessor am Institut für Mechatronik und leitet die Arbeitsgruppe „Signalverarbeitung und Hochfrequenztechnik“. Von 2005 bis 2011 leitete er ein Christian-Doppler-Labor für „Aktive Implantierbare Systeme“. Für seine Arbeiten zu Cochlea-Implantaten wurde er 2005 als erster Österreicher in München mit dem Karl-Heinz-Beckurts-Preis ausgezeichnet. Neben seiner universitären Tätigkeit war Zierhofer auch als Konsulent bzw. Leitender Entwicklungsingenieur für den Hörimplantathersteller MED-EL tätig.

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TITELTHEMA

NACHWACHSENDER SCHALLSCHUTZ Wie im Holzbau dem Lärm beizukommen ist, daran forscht Anton Kraler. Dabei ist es ein Vorurteil, dass es beim Schallschutz immer ausschließlich Masse sein muss.

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ine möglichst dicke Wand, Beton oder Stein, ordentlich Masse, das braucht man, um sich vor Lärm zu schützen: Das ist oft die allgemeine Vorstellung – je dicker, desto besser. Dass es auch anders geht und vor allem auch mit Holz, zeigt Anton Kraler mit seiner Forschung am Arbeitsbereich für Holzbau: „Es stimmt schon, wir haben bei Holz nur rund ein Fünftel der Masse von Beton bei gleicher Größe. Mit Masse allein komme ich dem Schall bei Holz also nicht bei. Die

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Antwort ist Mehrschaligkeit, also mehrere Schichten: Stellen Sie sich Meereswellen vor. Vor eine große Welle kann ich einen Betonklotz stellen, oder ich nehme mehrere biegeweiche dünnere Schichten mit entsprechenden Abständen dazwischen. Die erste Schicht biegt sich zum Beispiel stark durch, die zweite weniger, die dritte nicht mehr. Das ist das Grundprinzip: Auf eine Masse folgt eine Feder – ein Hohlraum mit leichter Faserdämmung –, dann eine Masse, eine Feder, und so weiter.“

Bauakustik

Bei dem Masse-Feder-Masse-Prinzip sollten die Hohlräume immer mit leichtem Faserdämmstoff ausgefüllt werden, der Schall wird dadurch absorbiert; bei Luft alleine kann es zu Reflektionen in den Hohlräumen kommen und dadurch zu einer geringeren Schalldämmung. „Die Bezeichnung ‚leichte Dämmung‘ bezieht sich auf die Steifigkeit des Materials, das heißt, das Material kann leicht zusammengedrückt werden. Beim Bild

Fotos: Andreas Friedle (2), Anton Kraler (1)


TITELTHEMA werden. Bei Wohnungstrenndecken darf ein Trittschallpegel von maximal 48 Dezibel erzielt werden.“

Estrich: Trocken statt Nass

HIER WIRD das Bauschalldämmmaß einer Außenwand gemessen, Arbeiten, die Anton Kraler auch durchführt. der großen Meereswelle wird das verständlich, die nächste Schicht wird nicht mehr so stark angeregt. Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Resonanzfrequenz zwischen den Bauteilschichten, die müssen optimal abgestimmt sein“, sagt Anton Kraler. Massenverdopplung bringt bei leichten Baustoffen wie Holz nur wenig Verbesserung: Sie bringt ca. sechs Dezibel, aber eine resonanzmäßig richtig abgestimmte biegeweiche Schicht bis zu 18 Dezibel. Anton Kraler arbeitet vor allem an Methoden, wie man Schallschutz zwischen Wohneinheiten sicherstellen kann – bei Wänden und Decken, mit unterschiedlichen Anforderungen. „Beim Schall sind das Material, die Verbindungsmittel und deren Kombination entscheidende Faktoren, da stecken einige komplexe bauphysikalische Zusammenhänge dahinter“, erklärt er. Beim Bau wird zwischen Luftschall – also Lärm, der über die Luft übertragen wird – und Körperschall, der über die Bauteile übertragen wird, unterschieden. „Wir empfinden natürlich alles als Luftschall, spürbarer Körperschall wären Vibrationen. Beim Körperschall interessiert uns besonders der Trittschall, also die Schritte in der Wohnung über, unter oder neben mir, die ich idealerweise nicht hören sollte. In Österreich sind die Normwerte für die Schallschutzanforderungen sehr hoch. Bei Wohnungstrennwänden und -decken muss ein Luftschalldämmmaß von mindestens 55 Dezibel erfüllt

Aufgrund der geringen Masse von Holz ist der Aufbau einer Wohnungsdecke aus Holz anders abzustimmen als bei Betonbau: Die fehlende Masse wird mit einer schweren Schüttung, häufig Kies, ausgeglichen. Eine Schüttung wird ohnehin für den Ausgleich der Installationsleitungen benötigt. Bei der darauf folgenden Trittschalldämmplatte kommt es wieder auf die Steifigkeit des Materials an: „Wir sprechen hier von der ‚dynamischen Steifigkeit‘. Diese sollte bei Trittschalldämmplatten im Holzbau nicht höher als 15 Mega-Newton pro Kubikmeter sein. Der Aufbau schließt in der Regel mit einem Zement-Estrich ab“, erklärt Kraler. Ein Projektpartner von Anton Kraler hat seit Kurzem einen Baustoff entwickelt, der hier vieles erleichtert: „Vereinfacht gesprochen: Die arbeiten mit einem Karton, den sie mit entstaubtem Quarzsand füllen.“ Der neue Baustoff hat eine sehr hohe innere Dämpfung, sodass die Aufbauhöhe der Decke verringert werden kann. Auch die dynamische Steifigkeit darf hier höher sein, es können auch sonst zu steife Holzfaserdämmplatten eingesetzt werden. „Es ist hochinteressant, wir erreichen mit diesem Produkt auch die geforderten Normwerte. Die Vorteile sind klar: Statt sieben Zentimeter Estrich ist diese Schicht nur drei Zentimeter dick, zudem ein Trockenaufbau – statt nach 28 Tagen Zement-Trockenzeit kann ich nach drei Tagen meinen Boden verlegen“, sagt Anton Kraler. Ein zentraler Antrieb für den Schallspezialisten ist die Zufriedenheit der Leute in ihrem jeweiligen Wohnumfeld. Anton Kraler arbeitet neben dem Schallschutz im Innenbereich an einem weiteren Projekt, bei dem es um eine Verbesserung der Außenwände im tieffrequenten Bereich geht: Der klassische Verkehrslärm, hier vor allem das als unangenehm empfundene Brummen. „Der bauakustische Messbereich liegt bei 100 bis 3.150 Hertz. Die unangenehmen tiefen Frequenzen, zum Beispiel das Brummen, liegen oft darunter, bei 50 bis 100 Hertz. Das Ergebnis auf dem Messprotokoll ist dann zwar in Ordnung, die Bewohner sind aber dennoch oft unzufrieden. Daher messen wir schon

seit langem im erweiterten Messbereich von 50 bis 5.000 Hertz. Das Ziel muss sein, dass die Leute behaglich wohnen. Schalldämmung im tiefen Frequenzbereich hat meistens mit Masse oder großen Abständen zu tun, an der optimalen Abstimmung arbeiten wir gerade“, erklärt er. Überlegungen gibt es auch, mit Reibungswiderstand zu arbeiten, um die Schwingungen zu reduzieren. „Da stehen wir aber noch am Anfang der Forschung.“

Nachwachsender Rohstoff

Dass Holz als nachwachsender Rohstoff für den Bau vermehrt gefördert werden muss, steht für Anton Kraler außer Frage. „Holz ist einer der ältesten Baustoffe, ein Material, das bei richtigem Einsatz und Pflege quasi nicht verrottet, leicht zu bearbeiten ist und dessen Belastbarkeit in Verhältnis zum Gewicht sensationell ist. Und Holz strahlt eine unübertreffliche Behaglichkeit aus“, betont er. „Natürlich haben alle Baustoffe ihre Berechtigung, die Kombination sorgt für die Qualität. Materialgerechter Einsatz ist hier das Zauberwort. Holz soll vor allem da eingesetzt werden, wo wir es auch spüren, beim Wohnen, in der Konstruktion, etc. An diesen und weiteren Möglichkeiten arbeiten wir.“ sh

ANTON KRALER (*5. März 1968 in Lienz) ist akademischer Quereinsteiger – der ausgebildete Tischlermeister studierte in Innsbruck Architektur und habilitierte sich 2016 mit der Arbeit „Holzbau – unter Berücksichtigung konstruktiver, bauphysikalischer, umweltschonender und qualitätssteigernder Aspekte“. Sein zentrales Forschungsinteresse liegt im Bereich der Bauteilentwicklung, der Bauakustik und der Qualitätssicherung im Holzbau. Für seine praxisnahe und innovative Lehre erhielt er 2010 außerdem einen LehrePlus!-Anerkennungspreis der Universität Innsbruck.

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TITELTHEMA

GUSTAV MAHLER wurde am 7. Juli 1860 in Kalischt/Böhmen geboren, er zählt zu den bedeutendsten Komponisten der Spätromantik, war aber auch bekannter Dirigent und als Operndirektor bedeutender Reformer des Musiktheaters. Aufgewachsen im mährischen Iglau, kam er als 15-Jähriger nach Wien, wo er Klavier und Komposition studierte. Nach der Ausbildung folgten mehrere Stationen in Europa als Kapellmeis­ter und Operndirektor, ehe er 1897 Hofoperndirektor in Wien wurde. 1908 wechselte er an die Metropolitan Opera in New York, drei Jahre später starb er am 18. Mai 1911 in Wien. Das Bild zeigt Gustav Mahler am 10. August 1907 im Fischleintal, Sexten vor dem Einserkofel.

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Foto: Médiathéque Musicale Mahler Paris


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WIDERHALL DER BERGE Gustav Mahler nutzte die Sommermonate zum Komponieren seiner Werke, die Berge spielten dabei als Kraftorte eine wichtige Rolle. Federico Celestini und Milijana Pavlović vom Institut für Musikwissenschaft folgen den Spuren des Musikers, die auch in die Dolomiten und nach Toblach führen.

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r hielt es in der Partitur fest, Herdenglocken sollten seine Sechste Sinfonie bereichern, ihr Klang „in Entfernung aufgestellt“ ertönen. „Wenn Gustav Mahler an anderer Stelle schreibt ‚aus der Ferne‘, dann ist das etwas anderes als ‚in der Ferne‘. Mit ‚aus der ferne‘ meint er, dass der Klang der Glocken näher kommt, ‚in der Ferne‘ würde bedeuten, dass sie immer dort klingen“, betont die Musikwissenschaflerin Milijana Pavlović einen kleinen, aber feinen Unterschied, der typisch für das Werk des großen Musikers ist. Mahler ging es auch nicht um die musikalische Darstellung ländlicher Idylle, vielmehr war es ihm, wie er einem Kritiker gegenüber erklärte, ein „verhallendes Erdengeräusch“, ein letzter verklingender Ton, den man „auf höchstem Gipfel im Angesicht der Ewigkeit“ hört.

„ Mahler hat in seiner ­Musik Raum auch komponiert, etwa durch ein leises und undeutlich gespieltes Motiv, so dass es wie aus der Ferne klingt.“ Federico Celestini „Mahler spielte viel mit Klangeffekten“, weiß Pavlović, Forscherin am Institut für Musikwissenschaft der Universität Innsbruck. Und Institutsleiter Federico Celestini ergänzt: „Mahler hat Raum nicht nur realisiert, in dem er etwa eine Gruppe hinter der Bühne spielen ließ. Er hat Raum auch komponiert, etwa durch ein leises und undeutlich gespieltes Motiv, so dass es wie aus der Ferne klingt.“ Teilweise entstehe fast der Eindruck, sagt Celestini, Mahler habe – lange vor dem Tonfilm – Filmmusik komponiert: „Der Schluss des Ersten Satzes der Fünften Sinfonie klingt so, als würde sich das Orchester langsam entfernen. Heute wäre das eine filmmusikalische Darstellung.“ Pavlović und Celestini teilen ihr Interesse an Mahler, der von 1897 bis 1907

als erster Kapellmeister und Direktor der Wiener Hofoper – der heutigen Staats­ oper – vorstand. Für ihre Forschungen werfen die zwei Wissenschaftler auch immer wieder einen Blick über den Brenner, Toblach im Südtiroler Pustertal war quasi der letzte Kraftort von Mahler. „In dem kleinen Komponierhäuschen, das heute noch authentisch steht, entstanden seine letzten Werke: Das Lied von der Erde, die Neunte Sinfonie und die unvollendete Zehnte Sinfonie“, sagt Pavlović. Die Forscherin kam 2013 mit einem Lise-Meitner-Stipendium des FWF an die Uni Innsbruck, um an einer von ihr entdeckten Skizze von Mahler zu arbeiten. Die begeisterte Berggeherin begann sich auch der Bedeutung der Berglandschaft im Werk Mahlers zu widmen. „Mahlers Arbeit als Dirigent fand in der Stadt, im urbanen Leben statt. Komponiert hat er immer in den Sommerferien, am Attersee, am Wörthersee, später in Toblach – im alpinen Raum, in von der Natur sehr schön geprägten Orten“, erklärt Celestini. Pavlović kann inzwischen zeigen, „dass die Berglandschaft wichtig für sein kreatives Arbeiten war“.

Berge als Inspirationsort

Das erste Mal in Toblach war Mahler im Jahr 1897, eine Radtour brachte den begeisterten Sportler vom Urlaubsort Vahrn bei Brixen an den Fuß der Dolomiten, in die sommerlichen Berge zog es ihn dann immer wieder. „In kritischen Phasen seiner Komponierarbeit, aber auch bei Komponierblockaden war es ihm wichtig, Abstand zu bekommen. Den fand er bei kleinen Reisen in die Berge, drei, vier Tage. Dann war er wieder kreativ“, berichtet Pavlović, die in der Zwischenzeit eine Liste der Werke erstellt hat, die nach solchen Blitzausflügen entstanden sind. Wie wichtig ihm die Berge, das intensive Berggehen (Pavlović: „Heute würde man es

Speedhiking nennen.“) waren, lässt sich aus einem Brief an den Dirigenten Bruno Walter aus dem Jahr 1908 ablesen. 1907 war ein Schicksalsjahr für Mahler: der Tod der Tochter Maria Anna, der Abgang von der Hofoper nach zahlreichen Ärgernissen und Intrigen,

„ In kritischen Phasen seiner Komponierarbeit war es Mahler wichtig, Abstand zu bekommen. Den fand er bei kleinen Reisen in Milijana Pavlović die Berge.“ die Dia­g nose einer Herzkrankheit mit der ärztlichen Aufforderung, sich zu schonen. Den Sommer 1908 verbrachte Mahler wieder in Toblach und schrieb an Walter: „Diesmal habe ich nicht nur den Ort, sondern auch meine ganze Lebensweise zu verändern. Sie können sich vorstellen, wie schwer mir letzteres wird. Ich hatte mich seit vielen Jahren an stete und kräftige Bewegung gewöhnt. Auf Bergen und in Wäldern herumzustreifen und in einer Art keckem Raub meine Entwürfe davonzutragen. An den Schreibtisch trat ich nur wie ein Bauer in die Scheune, um meine Skizzen in Form zu bringen.“ Trotzdem – mit „Das Lied von der Erde“ entstand in diesem Sommer das, so Pavlović, persönlichste Werk Mahlers. „Das Werk hat eine Sonderstellung, nicht nur formal und durch die fernöstlichen Texte. Mit ‚Das Lied von der Erde‘ arbeitet er sich durch seine Krise“, sagt Federico Celestini. Zudem thematisiert Mahler den Umgang mit fremden Kulturen, das Eigene und das Andere oder Fremdheit. Berge spielen in „Das Lied von der Erde“ natürlich auch eine Rolle, in „Abschied“, dem letzten Sechsten Satz heißt es: „Wohin ich geh‘?/Ich geh‘, ich wand‘re in die Berge./Ich suche Ruhe für mein einsam Herz.“ ah

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DAS ECHO DER FISCHE Echolote werden in der Seefahrt traditionell eingesetzt, um mittels Schall sicher durch Gewässer zu navigieren. Am Forschungsinstitut für Limnologie der Uni Innsbruck in Mondsee versucht man, mithilfe von Echolot-Messungen Fischbestände in stehenden Gewässern zu dokumentieren.

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nformationen über die ursprüngliche Fischzusammensetzung in stehenden Gewässern erhalten die Limnologen durch die Literatur: Im Mittelalter war es üblich, dass Fischer ihren Fang in Klöstern abliefern mussten, wo er genau dokumentiert wurde. Da zu dieser Zeit alle Fischarten als Speisefisch dienten – auch Kleinfische –, erhielt die Wissenschaft durch diese Aufzeichnungen einen guten Überblick über die historische Zusammensetzung des Fischbestands in den Gewässern der Region, wie beispielsweise dem oberösterreichischen Mondsee.

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eute können die Limnologen auf moderne Methoden zurückgreifen: Mithilfe speziell kalibrierter Echolote senden sie Schallwellen aus und können anhand der Echostärke und der gemessenen Zeit, die zwischen der Aussendung eines Schallimpulses und der Ankunft der von den Fischen reflektierten Schallwellen verstreicht, auswerten, wie viele Kilogramm Fisch pro Hektar Seefläche vorhanden sind.

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Fotos: R. Rösch (1), Eva Fessler (1), ILIM (2), S. K. Wanzenböck (1)


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inen Überblick über die Zusammensetzung der Arten können diese herkömmlichen Echolot-Messungen allerdings nicht liefern. Nur durch parallele Netzfänge und die Kombination dieser Ergebnisse mit den Echolot-Daten können auch Aussagen zur Arten-Zusammensetzung getroffen werden. Im Bild ein Netzkäfig, mit dem eine Standardeichkurve für den Zusammenhang zwischen Fischgröße und Echostärke für Reinanken (Coregonen) entwickelt wurde.

I

n einem aktuellen Forschungsprojekt testen die Wissenschaftler um Josef Wanzenböck am Forschungsinstitut für Limnologie in Mondsee derzeit ein neues Breitband-Echolot, um auch die Arten-Zusammensetzung mithilfe von Schall zu messen: Dieses Gerät arbeitet mit unterschiedlichen Frequenzen. Bei marinen Fischen konnte bereits nachgewiesen werden, dass unterschiedliche Fischarten bei verschiedenen Frequenzen besonders starke Echos zeigen. Ob diese Methode auch bei Süßwasser-Fischen zum Einsatz kommen kann, sollen die Arbeiten am Forschungsinstitut in den nächsten Jahren zeigen.

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STANDORT

RÄUME FÜR BILDUNG Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi über den Raum als dritten Pädagogen, sein Anliegen, das Prädikat Universitätsstadt zu stärken, und sein eigenes unvollendetes Studium. ZUKUNFT: Ihr erster Termin als Bürger-

meister war der Besuch einer Schule, ein Zeichen, dass Ihnen Bildung wichtig ist. Welche Akzente kann die Stadt Innsbruck in diesem Bereich überhaupt setzen? GEORG WILLI: Beim Spatenstich der Pädagogischen Hochschule in Innsbruck fiel unlängst der Satz: Der Raum ist der dritte Pädagoge. Gute Räume sind also für Bildung wichtig und unterstützen den Unterricht. Als Stadt sind wir für die Kindergärten zuständig und für den Pflichtschulbereich – nicht für den Unterricht, sondern für die bauliche Hülle. Je besser wir also Räume – vom Raumklima über die Belichtung bis zum Freiraum rundum – bauen, desto besser lernen junge Leute. ZUKUNFT: Wie kann man besser bauen? WILLI: Nach internen Diskussionen und nach Gesprächen mit den Pädagoginnen und Pädagogen haben wir z.B. beim Schulcampus Wilten festgestellt, dass in der geplanten Version am Campus es zu viele Kinder, nämlich 550, bei zu wenig Freiflächen wären. Daher haben wir die Kinderanzahl auf 440 reduziert, um das Verhältnis Schulraum – Freiraum besser zu gestalten. Zumal dies eine Schule – und das freut mich sehr – mit verschränktem Unterricht ist, also mit Phasen, in denen unterrichtet wird, und Phasen, in denen die Kinder Freizeit haben. Und da sollen sie spielen und rennen können. ZUKUNFT: Kann man diese räumliche Unterstützung auch Universitäten geben? WILLI: Wir können über die Stadtplanung entscheidend mitreden, wie die Universitäten ausschauen, wie viel überbauten und freien Raum sie haben. Mich freut in diesem Zusammenhang das Bekenntnis von Wissenschaftsminister Heinz Faßmann zum Haus der Physik in Inns­ bruck. Die Universität Innsbruck hat super Physikerinnen und Physiker, wenn wir die halten wollen – und wir brau-

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chen sie, um die Jungen gut auszubilden –, braucht es das Haus der Physik. ZUKUNFT: Was kann man abseits der Stadtplanung machen? WILLI: Die baulichen Zuständigkeiten liegen woanders, wir als Stadt können die Universitätsstadt Innsbruck als Ganzes attraktiv machen. Wir haben den riesigen Vorteil, dass es viele Studierende cool finden, nach Innsbruck zu kommen – wir bieten einen alpin-urbanen Raum,

GEORG WILLI (geboren 1959 in Innsbruck) begann nach der Matura an der Universität Innsbruck Jus und Biologie zu studieren: „Beide Studien habe ich nicht beendet, weil ich in die Politik gegangen bin.“ Sein politisches Engagement führt ihn in den Innsbrucker Gemeiderat (1989 bis 1994), in den Tiroler Landtag (1994 bis 2013) und den Österreichischen Nationalrat (2013 bis 2017). Bei der Innsbrucker Gemeinderatswahl im April 2018 trat Georg Willi als Bürgermeisterkandidat der Grünen an. Die Grünen wurden stimmenstärkste Partei, Willi kam in die Bürgermeister-Stichwahlwahl gegen die amtierende Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer. Im Mai 2018 wurde Willi zum neuen Bürgermeister der Tiroler Landeshauptstadt gewählt.

in dem sich Menschen gerne aufhalten. Wenn das Wohnen hier auch noch leistbar wird, ist Innsbruck ein Anziehungspunkt für Studierende, vorausgesetzt die Qualität der Lehre passt. Wenn es die Universität schafft, weiter gute Lehrende zu bekommen – und da ist Geld oft nicht das Ausschlaggebende –, bleibt der Universitätsstandort weiter attraktiv. ZUKUNFT: Billigeres Wohnen und eine attraktive Universitätsstadt bedeuten, dass noch mehr Studierende kommen, Wohnen wieder teurer wird. Ein Teufelskreis. WILLI: Ja eh. Wenn wir aber mit dem, was wir machen, dazu beitragen, dass viele junge Menschen eine gute Ausbildung bekommen, diese dann entweder hier bleiben und wertvollen Input liefern oder in ihre Heimatländer gehen und dort Input liefern, ist das eine sehr schöne Aufgabe. Schauen wir also, dass sie Platz für leistbares Wohnen finden – weil es ist toll, eine Universitätsstadt zu sein. WILLI: Was bedeutet die Universität eigentlich für die Stadt? ZUKUNFT: Ich habe das Rektorat in den Gemeinderat eingeladen, damit die neuen Gemeinderätinnen und -räte hören, was die Universität kann und welcher Faktor sie für Innsbruck ist. Wenn wir inklusive Lehrende 50.000 Menschen rund um die Uni haben, ist jeder dritte Kopf in Innsbruck ein Student oder ein an der Uni Tätiger. Das ist zum Teil zu wenig bekannt. Eine gute Uni, die ein bedeutender Teil unserer Gesellschaft ist, wirkt sich wiederum auf die Wirtschaft aus – gute Absolventen befeuern den Wirtschaftsstandort. Das heißt, wenn wir am Bildungssektor gut sind, geht diese Entwicklung weiter. Und wir haben mit Günther Platter einen Landeshauptmann, der – Kompliment – immer wieder sagt, dass Bildung absolute Priorität hat. ZUKUNFT: Die Universität Innsbruck feiert 2019 ihren 350. Geburtstag. Ist sie in diesen 350 Jahren in der Stadt und der Bevölkerung angekommen?

Fotos: Andreas Friedle


STANDORT WILLI: Es gibt Städte, in denen man mehr spürt, dass sie Universitätsstadt sind. ZUKUNFT: An was liegt das? WILLI: Das frage ich mich auch. Im Verhältnis Einwohnerzahl zu Unis liegt Inns­ bruck vor Graz, trotzdem spürt man dort das Studentisch-Universitäre mehr. Ich glaube aber, dass der Neubau am Inn­ rain, der sehr markant wird, dazu beitragen wird, Universität städtebaulich sichtbar zu machen. In Innsbruck ist die Universität über die Stadt verstreut, einen Campus, der einen ganzen Stadtteil darstellt, haben wir nicht. Für das Leben in der Stadt ist das vielleicht sogar besser. Es könnte der Eindruck entstehen, da sind all jene, die mit Uni zu tun haben, dort ist der Rest. Die Vermischung hingegen finde ich gut. Trotzdem: Man könnte mehr spüren, dass wir Universitätsstadt sind. ZUKUNFT: Innsbruck pendelt in der Selbstdarstellung zwischen Sport-, Tourismus-, Kongress-, Kultur- und Universitätsstadt. In welche Richtung wird das Pendel unter Ihnen ausschlagen? WILLI: Mir ist es ein Anliegen, dass das Prädikat Universitätsstadt stärker wird. Im Tourismus sind wir langsam an einem Punkt angelangt, dass es den Menschen zu viel ist. Daher tendiere ich im Tourismusbereich gerne Richtung Qualität: Weniger Ankünfte, dafür längere Verweildauer, damit die größere Summe der Nächtigungen in einer höheren Kategorie stattfindet. Da hilft wiederum die Uni mit vielen Kongressen, die allein dadurch generiert werden, dass wir Universitätsstadt sind. Damit kommt eine Gruppe der ausgabefreudigsten Touristen zu uns. Sportstadt und Kulturstadt sind wir auch, das wirkt wieder auf Studierende, die wegen des Sports nach Innsbruck gekommen sind. ZUKUNFT: Sind die Studierenden in der Stadt präsenter als früher. WILLI: Ja. Die finanziellen Verhältnisse vieler Studierender sind dank ihrer Eltern zum Teil gut. Viele müssen sich ihr Studium aber finanzieren und sind daher wichtiger Bestandteil der Arbeitswelt. Daher sind sie als Arbeitnehmer sichtbar. Und viele, gerade touristische Betriebe, sind dankbar – auch weil die Studierenden vielsprachig sind ZUKUNFT: Ihre eigene Studentenkarriere ist eine unvollendete. WILLI: Ich habe mein Doppelstudium – Jus und Biologie – nicht beendet, weil ich

„ Wenn wir mit dem, was wir machen, dazu beitragen, dass viele junge Menschen eine gute Ausbildung bekommen, ist das eine sehr schöne Aufgabe.“ Georg Willi in die Politik gegangen bin. Bei der Welcome-Party für die Erstsemestrigen habe ich gesagt, dass sie sich kein Beispiel an mir nehmen sollen. Wenn man ein Studium abbricht, ist es im Leben eine Niederlage. Es hat auch lange an meinem Selbstbewusstsein geknabbert. Mir hat auch nicht viel gefehlt, in Biologie lagen die Messergebnisse vor, ich hätte die Diplomarbeit nur schreiben müssen. Und bei Jus fehlte die dritte Staatsprüfung.

Ich hätte mich nur hinsetzen müssen und es durchziehen. Daher mein Appell an die Studierenden: Es ist oft zach, aber beißt durch, damit ihr fertig werdet. ZUKUNFT: Können Sie sich nach Ihrer politischen Laufbahn ein Studium als Seniorstudent vorstellen? WILLI: Erstens ja, aber zweitens: Ein Studium zur Gänze, ich weiß nicht, ob ich das schaffen würde. Je älter man wird, desto mehr sinkt die Merkleistung. Ob ich nach meiner Zeit hier noch die Kapazität für den ganzen Stoff eines Studiums habe? Ich weiß nicht. Das Schöne aber ist: Man kann auf die Uni gehen und sich das anhören, was einen interessiert. Und da gibt es eine Vielfalt interessanter Sachen. Meinen Geist würde es sicher wachhalten. ah

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KURZMELDUNGEN

MALEN IM PERMAFROST Der Innsbrucker Geologe Yuri Dublyansky untersuchte mit ­modernen Methoden altsteinzeitliche Höhlenmalereien in der Schulgan-Tasch-Höhle in Russland.

ULTRAKALTER „QUANTENCOCKTAIL“

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ie Forschung an magnetischen Elementen gewinnt weltweit an Dynamik, da sich solche Atome als ideale Plattform zur Erzeugung von dipolarer Quantenmaterie erwiesen haben, in der Teilchen wie kleine Quantenmagnete miteinander interagieren. In einer neuen Arbeit, die im November in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht wurde, berichtet ein österreichisches Team um die Innsbrucker Physikerin Francesca Ferlaino über einen neuen Fortschritt auf dem Gebiet der dipolaren Materie. Sie haben Erbium und Dysprosium miteinander vermischt und erstmals eine dipolare Quantenmischung erzeugt. „Wir haben die Atomspektren dieser beiden Elemente sehr genau untersucht und uns überlegt, wie wir sie kombinieren und gleichzeitig Quantenentartung erreichen können“, sagt Philipp Ilzhöfer aus der Gruppe um Ferlaino. „Es zeigte sich, dass unser Schema noch besser als erwartet funktioniert, so dass wir ein System schaffen konnten, in dem Bose-Einstein-Kondensate aus Erbium und Dysprosium koexistieren und miteinander wechselwirken“, ergänzt sein Kollege Arno Trautmann. Aufgrund der langreichweitigen Wechselwirkung zwischen den beiden Atomsorten eröffnet dieses Ergebnis neue Perspektiven im Bereich der dipolaren Quantenmaterie.

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m Herbst 2017 machte sich Yuri Dublyansky vom Institut für Geologie der Universität Innsbruck gemeinsam mit einem Experten-Team und dem professionellen Höhlenfotografen Robbie Shone auf den Weg nach Russland, um die Höhlenmalereien in der Schulgan-Tasch-Höhle näher zu untersuchen. Die Malereien zeigen Mammuts, Pferde, Wollnashörner, Bisons und zahlreiche geometrische Formen wie parallele Linien oder Dreiecke. Die Malereien sind dunkelrot und wurden mit Ocker

erstellt. Mithilfe von physikalischen Methoden, wie der Thorium-Uran-Methode, können die Forscherinnen und Forscher die Malereien bzw. die Ablagerungen unter und über den Zeichnungen zeitlich genau datieren – eine Methode, die das Innsbrucker Team bereits in vielen Projekten zur Anwendung brachte und damit Ablagerungen in Höhlen hunderttausende Jahre zurückdatieren kann. In der Höhle fanden die Forscher auch eine seltene Form von Kalzit, so genannte kryogene Höhlenkalzite. „Dieses Mineral bildet sich in sehr langsam frierenden Wasserbecken auf Höhleneis. Das ist nur unter Permafrost-Bedingungen möglich. Daher gehen wir davon aus, dass zu der Zeit, als die Menschen in die Höhle kamen und die Zeichnungen erstellten, im südlichen Ural Permafrost geherrscht hat“, verdeutlicht Yuri Dublyansky. Das ist eine überraschende Erkenntnis, da es sehr ungemütlich in der Höhle gewesen sein muss: „Trotz ständiger Temperaturen unter dem Gefrierpunkt sind die Menschen in die Höhle gegangen und haben mit Ocker die Zeichnungen erstellt. Wir gehen daher davon aus, dass die Höhle für die Steinzeitmenschen ein besonderer, vielleicht mystischer Ort gewesen sein muss, der ihnen viel bedeutet hat.“

ALPINES ESSEN ALS KULTURERBE

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Im Jahr 2013 wurde die Mediterrane Diät auf die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit der UNESCO aufgenommen. Diesem Beispiel soll nun die Alpine Essenskultur folgen. Das Interreg-Projekt „AlpFoodway“ arbeitet diese wissenschaftlich auf. Auch in den Alpen zeigen sich eine Vielzahl länderübergreifender Gemeinsamkeiten und Besonderheiten der Berglandwirtschaft, welche allerdings noch nicht so weit ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen sind. „Durch das Projekt wird deutlich, dass nationalpolitische Grenzen am Beispiel Essen fließend sind und an Bedeutung verlieren. Alpines Essen beinhaltet eine Vielzahl an Traditionen und Praktiken und hebt in diesem Sinn die Alpen als einen Raum der Gemeinsamkeiten hervor“, erklärt Projektmitarbeiter Michael Klingler vom Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck.

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Fotos: Uni Innsbruck (1), Robbie Shone (1) , Michael Klingler (1)



GESCHICHTE

BESTSELLER VOR 250 JAHREN Der Historiker Michael Span ist Buchbesitz im Pustertal im 18. Jahrhundert auf der Spur. Damit schließt er eine Forschungslücke, der katholische Raum ist, anders als protestantische Gebiete, bisher in Bezug darauf nämlich noch gar nicht erfasst.

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an Brown, Wolf Haas, Elena Ferrante, Michael Köhlmeier, Mona Kasten, Bernhard Aichner: Wer in letzter Zeit ein Buch dieser Autorinnen bzw. Autoren gekauft hat, befindet sich in guter Gesellschaft. Sie alle waren in den vergangenen Wochen auf diversen österreichischen Belletristik-Bestseller-Listen zu finden. Ob diesen Schriftstellerinnen und Schriftstellern das gleiche Schicksal droht wie ihren Vorgängern von vor rund 250 Jahren – nämlich, in der breiteren Bevölkerung nahezu völlig vergessen zu werden –, steht in den Sternen. Fest steht, dass Martin von Cochem, Abraham a Sancta Clara und Martin Prugger als Autoren heute wohl in kaum einer Woh-

halten, was der oder die Verstorbene besessen hat, da ist häufig auch Buchbesitz erfasst“, erklärt Span.

Lückenschluss

Span und Team schließen damit eine Lücke in der Forschung: Für den katholischen Alpenraum ist Buchbesitz bislang nicht systematisch untersucht, für den protestantisch-pietistischen Bereich, besonders im heutigen Baden-Württemberg, gibt es da schon ausführlichere Erhebungen. „Den Kollegen in Baden-Württemberg hilft die rechtliche Lage, es war nämlich verpflichtend, in mehreren Lebensphasen Inventare anzulegen, zum Beispiel bei einer Heirat. Hier in Tirol sind wir weitestgehend „ Wir können nicht nur nicht verlässlich auf die Verlassenschaften sagen, ob die Menschen die Bücher, die sie angewiesen, was uns aber ­besaßen, gelesen haben, wir wissen nicht zum Beispiel nicht sagt, ob Michael Span einmal, ob sie sie lesen konnten.“ nicht vielleicht jemand im Alter von 30 eine Biblionung zu finden sind. „Vor allem Martin thek besessen hat. Wir haben nur den von Cochem wurde sehr breit gelesen. Besitz zum Zeitpunkt des Todes“, sagt Ein Werk von ihm ist ‚Das Leben Christi‘, Michael­Span. Dabei gilt es nun auch, eidas ist in vielen Haushalten zu finden, nige Vermutungen zu bestätigen oder zu wir haben insgesamt 81 Bände gezählt“, widerlegen: Etwa, dass im katholischen Raum generell weniger gelesen wurde. erklärt Michael Span. Span widmet sich mit seinen Kollegen „Diese Vermutungen beruhen auf UnMichael Prokosch und Peter Andorfer tersuchungen des Buchmarkts. Zudem unter der Projektleitung von Brigitte gehörte zu einem guten protestantischen Mazohl in einem vom österreichischen Haushalt zumindest ein Liederbuch, ein Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Psalmenbuch und die Heilige Schrift, Projekt dem Buchbestand im Alpenraum während Katholiken der Besitz einer zwischen 1750 und 1800. Konkret unter- Bibel in der Volkssprache de facto sogar sucht wird ein Gebiet um Bruneck im verboten war.“ Die Bibel sollte nur von Pustertal in Südtirol, dort ist die Quel- Geistlichen gelesen und interpretiert lenlage entsprechend gut. „Wir ziehen werden. Und die Gegenreformation hatunsere Informationen vor allem aus Ver- te es auch auf Bücher abgesehen, was den lassenschaftsabhandlungen. Nach dem privaten Buchbestand verringert haben Tod wurde in Inventaren genau festge- dürfte.

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Insgesamt kommt der Historiker nach Untersuchung von bisher rund 1.500 Inventaren im Pustertal aus der Zeit von 1750 bis 1800 auf – konservativ geschätzt – 2.102 Bücher, die in rund 20 Prozent der Quellen enthalten sind. 80 Prozent erwähnen überhaupt keine Bücher. „Das alles ist von einer ganzen Reihe an Unwägbarkeiten geprägt, besonders hinsichtlich der Vollständigkeit der Quellen. Wir zählen zum Beispiel die Angabe ‚einige Bücher‘ immer mit dem Wert Zwei, die tatsächliche Zahl liegt also bestimmt höher. Und ein weiteres Beispiel zur Vollständigkeit: Etwa die Hälfte der Inventare, die klar Einzelpersonen zuzuordnen sind, nennt keine Schuhe. Das ist mir bei der Suche nach Buchbesitz zwar egal, aber die Frage ist: Was fehlt noch?“, erläutert Michael Span. 806 Bücher werden ohne nähere Beschreibung genannt, bei den restlichen liegt der Schwerpunkt aber ganz klar bei Büchern mit religiösem Bezug – etwa Gebetbücher oder eben das erwähnte „Leben Christi“ von Martin von Cochem. „Nicht-religiöse Literatur beschränkt sich auf einige wenige Einzelpersonen. So haben etwa Menschen in Medizinberufen, etwa eine Hebamme, Bader und Chirurgen, medizinische Bücher. Ein ‚Kräuterbuch‘ ist erfasst, eine Person besitzt ein Wörterbuch, ein paar historische Werke, einige besitzen die Tiroler Landesordnung, also das Gesetzbuch, aber das alles hält sich in engen Grenzen. Der weitaus größte Teil hat religiösen Bezug.“

Quellen und Rezeption

Die Bücher selbst sind für die Historiker zwar nachvollziehbar, die meisten sind auch in Bibliotheken noch vorhanden, die konkreten Exemplare finden sich

Foto: Andreas Friedle


GESCHICHTE

DER HISTORIKER Michael Span untersucht Buchbesitz im 18. Jahrhundert und schließt so eine Forschungslücke.

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GESCHICHTE

DAS BUCH VON Martin von Cochem zum Leben Christi wurde breit gelesen, Michael Span zählte bei seinen Untersuchungen 81 Bände. allerdings nicht mehr. „Natürlich wäre gerade die Rezeption dieser Bücher spannend. Wir wissen zum Beispiel nicht, ob die genannten Personen diese Bücher auch gelesen haben. Weil wir die Bücher nicht haben, sehen wir auch keine Spuren darin – Unterstreichungen, Eselsohren, Hinweise, die uns verraten könnten, wie diese Bücher rezipiert wurden. Die meisten Menschen von damals haben auch so gut wie nichts Schriftliches hinterlassen, keine Aufzeichnungen, die uns etwas über den Buchkonsum verraten würden.“

Einzelfälle

Um dem dennoch so gut wie möglich auf die Schliche zu kommen, suchen die Historiker auch nach schriftlichen Spuren der ehemaligen Besitzer, etwa Unterschriften, die zeigen, ob die Personen schreiben konnten – das lässt mitunter Rückschlüsse auf die Lesefähigkeit zu, obwohl man weiß, dass Lese- und Schreibfähigkeit nicht zwingend zusammenhängen müssen. „Aufgrund der vielen Unwägbarkeiten hinsichtlich der Quellen gehen wir nun auch mehr auf die Einzelfälle ein. Wir haben zum Beispiel eine Frau, die sieben Bücher von ihrem Vater erbt, und haben aus derselben Zeit, in der sie erbt, einen Vertrag von ihr. Dort unterschreibt sie mit einem Kreuz. Das heißt: Wir können nicht nur nicht verlässlich sagen, ob die Menschen die Bücher, die sie besaßen, gelesen haben,

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wir wissen nicht einmal, ob sie sie lesen konnten. Solche Dinge erfahren wir über die Einzelfälle.“ Was sich aber jetzt schon ablesen lässt: Der Anteil der Buchbesitzerinnen beziehungsweise Buchbesitzer ist niedriger als in den erwähnten Vergleichsstudien. Das, was wir heute als Belletristik kennen, kommt im Pustertal damals nicht vor – obwohl es natürlich bereits solche Lesestoffe gab –, es sei denn, die nicht näher bezeichneten Bücher fallen in diese Kategorie. Bei Männern ist der Anteil an Buchbesitzern höher als unter Frauen, Frauen in der Stadt besitzen signifikant mehr und häufiger Bücher als auf dem Land. Nach Berufen gibt es keinen besonderen Unterschied. „Interessant ist die

sozioökonomische Verteilung: Zwar ist es so, dass Buchbesitzer im Schnitt finanziell besser gestellt waren, andererseits gibt es mehrere Personen, die auffällig wenig besaßen, aber eine Vielzahl an Büchern. Bücher als solche waren übrigens auch damals kein Luxusgut, zumindest nicht grundsätzlich – mit Ledereinbänden konnten Bücher sehr teuer sein, ohne Einband waren sie oft billig“, erklärt Michael Span. Bis zum Projektabschluss im Januar 2020 kommen noch rund 500 Quellen vom Oberamtsgericht Bruneck dazu, die Historiker planen auch hier eine detaillierte Erfassung und Aufarbeitung nach Einzelfällen. Alle Daten werden danach offen und kostenlos im Internet verfügbar sein. sh

MICHAEL SPAN (*1982 in Rum) studierte in Innsbruck Geschichte und Politikwissenschaft, beide Diplomstudien schloss er 2008 ab. Er promovierte 2014 in Geschichte („Ein Bürger unter Bauern? Michael Pfurtscheller und das Stubaital zwischen 1750 und 1850“), für sein Doktoratsprojekt erhielt er 2014 den EUREGIO-JungforscherInnenpreis. Derzeit ist er Mitarbeiter des FWF-Projekts „Reading in the Alps. Private book ownership in the Catholically dominated Central Alps 1750–1800. A systematic study based on inventories from the Tyrolean Pustertal“. In seiner Forschung konzentriert er sich hauptsächlich auf die Geschichte der Sattelzeit bzw. des 18. und 19. Jahrhunderts mit einem Schwerpunkt auf die Gesellschaftsgeschichte Tirols, auf die historische Buch- und LeserInnenforschung, politische Kommunikation „von unten“ und Erinnerungs- und Gedächtnispolitik.

Fotos: Michael Span (1), Andreas Friedle (1)


DIE UNI INNSBRUCK FEIERT 350 JAHRE. Feiern Sie mit! Mit einem vielfältigen Programm begeht die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck 2019 ihr 350-jähriges Bestehen. Zum Jubiläum öffnen wir die Türen und machen die Faszination von Forschung und Wissenschaft mit ihren vielen Facetten für alle erlebbar.

Das Programm und alle Informationen

www.uibk.ac.at/350-jahre

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MEDIZIN

VOM LABORKONZEPT ZUR MARKTREIFE „Im Endeffekt“, sagt Pidder Jansen-Dürr, „ist es eine Success Story.“ Dreizehn Jahre Grundlagenforschung, sieben Jahre Arbeit Richtung Anwendung: Seit 2018 ist das Ergebnis der Success Story, ein neuer diagnostischer Test zur ­Früherkennung des Zervixkarzinoms, am Markt.

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er Gebärmutterhalstumor (Zervixkarzinom) ist die zweithäufigste gynäkologische Krebserkrankung weltweit, allein in Österreich erkrankten im Jahr 2015 knapp 400 Frauen daran, 139 starben in diesem Jahr an einem Zervixkarzinom. Häufigste Ursache der Erkrankung ist eine Infektion mit bestimmten Typen humaner Papillomviren (HPV), die mittlerweile in mehr als 100 verschiedene Typen von Warzenviren eingeteilt werden, wobei nicht jede HPV-Infektion im Krebssta-

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dium endet. So infizieren bestimmte Typen die Epithelzellen der Haut, was zu – gutartiger – Warzenbildung führen kann. Einige HPV-Typen, die High-riskViren, können jedoch auch bösartige Veränderungen hervorrufen, insbesondere Gebärmutterhalskrebs. In den letzten Jahren wurden Impfstoffe entwickelt, doch ist ein flächendeckender Einsatz nicht absehbar und sie schützen nicht gegen alle HPV-Typen. Die Gefahr einer Infektion – vor allem durch ungeschützten Sexualverkehr –

besteht also immer noch, insofern ist für die bestmögliche Behandlung eine frühzeitige Erkennung wichtig. Bislang gab es dafür zwei Methoden: den aufwendigen, aber auch unsicheren PapTest, bei dem ein Zellabstrich auf auffällige Zellen untersucht wird; und den DNA-Test, mit dem die DNA von HPV in einem Zell­abstrich nachgewiesen werden kann. „Die Sensitivität des DNATests ist ungeschlagen, das Problem ist die niedrige Spezifität“, verweist Pidder Jansen-Dürr, Alterns- und Krebsforscher

Fotos: Andreas Friedle


MEDIZIN am Forschungsinstitut für Biomedizinische Alternsforschung der Universität Innsbruck, auf den Umstand, dass mit dem Test nicht nur zum Tumor führende Infektionen erkannt werden, sondern auch solche, die vom körpereigenen Immunsystem selbst erfolgreich bekämpft werden bzw. schon wurden. „Bei 95 bis 99 Prozent der HPV-DNA-positiven Frauen wäre eine Therapie nicht angebracht, da es sich um keine zu einem Tumor führende Infektion handelt“, weiß Jansen-Dürr. Unangenehme Untersuchungen und Therapiemaßnahmen also – Kolposkopie (Gebärmutterhalsspiegelung) bzw. Konisation (operative Entfernung eines Gewebestücks aus dem Muttermundbereich) –, die, so Jansen-Dürr, „nur zum Einsatz kommen sollten, wenn es Sinn macht.“

Antikörper für E7-Protein

Doch wie können Ärztinnen und Ärzte eine ungefährliche von einer folgenschweren Infektion unterscheiden? Da kommt das Protein E7 ins Spiel, ein Gen-Produkt der HPV. In seiner Zeit am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg konnte Jansen-Dürr die Frage klären, wie E7 an der Zelltransformation – und somit der Tumorentstehung – beteiligt ist. Die Forschergemeinschaft stand damals allerdings vor dem Problem, keinen entsprechenden Antikörper für E7 in der Hand zu haben. Mit seinem Wechsel nach Innsbruck begann JansenDürr an der Lösung dieses Problems zu arbeiten. In jahrelanger Forschungsarbeit gelang es seinem Team, mit einem patentierten Verfahren Antikörper für E7 zu entwickeln und in einem weiteren Schritt damit die E7-Proteine aller zwölf Viren mit hohem Tumorrisiko nachzuweisen. Mit dem Ergebnis zog Jansen-Dürr mit Partnern aus Forschung und Wirtschaft ein 3,5-Millionen schweres EU-Projekt an Land. „In den drei Jahren von PIPAVIR ist viel weitergegangen“, resümiert der Wissenschaftler. Aus dem Laborkonzept entstand ein Prototyp für ein Enzyme -Linked Immunosorbent Assay (ELISA), für dieses antikörperbasierte Nachweisverfahren verstärkte man das E7-Signal. „Wir markieren die Antikörper mit Bio­ tin, daran kann man ein StreptavidinMolekül binden“, erläutert Jansen-Dürr. An dem Streptavidin-Molekül wiederum „hängen“ 40 Signalenzyme, eine Signal-

PIDDER JANSEN-DÜRR, geboren 1956 in Kraiburg/Bayern, studierte Biologie und Biochemie an der Ludwig-MaximiliansUniversität München. Nach seiner Promotion im Jahr 1986 war er als Gastwissenschaftler am Laboratoire de Genetique Moleculaire des Eucaryotes in Strasbourg/ Frankreich tätig. Im Anschluss arbeitete er als Group Leader am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, wo er sich 1993 habilitierte. 1998 wurde er als Abteilungsleiter an das ÖAW-Institut für Biomedizinische Alternsforschung (IBA) in Innsbruck berufen. Nach der Eingliederung des IBA in die Universität Innsbruck wurde er 2015 zum Professor für Molekular- und Zellbiologie des menschlichen Alterns berufen.

verstärkung also mit Faktor 40. Weitere Techniken im ELISA ermöglichen die Steigerung der Sensitivität auf Faktor 100. „Diesen Faktor benötigen wir, um aus einem einfachen antikörperbasierten Assay einen Test mit nötiger Detektionskraft zu bekommen“, sagt Jansen-Dürr. Angedacht hatte der Biologe in Kooperation mit einem französischen Wirtschaftspartner auch einen – einem Schwangerschaftstest ähnlichen – Schnelltest, der bei und von Frauen, die keine Möglichkeit einer medizinischen Untersuchung haben, angewandt werden kann: „Leider hat sich herausgestellt, dass die dafür eingesetzte Technologie nicht sensitiv genug ist.“ Der ELISA-Test hingegen wurde in einer Studie mit 1.500 Patientinnen erprobt, CE-zertifiziert, in Deutschland zugelassen und von Industriepartner Mikrogen zu einem verkaufbaren Produkt weiterentwickelt. Seit Anfang 2018 ist der diagnostische Test recomWell HPV 16/18/45 zur Früherkennung eines Zervixkarzinoms am Markt. Jansen-Dürr: „Für

den Test benötigen wir die sogenannte Liquid-based cytology.“ Dünnschichtzytologie arbeitet im Gegensatz zum PapTest, bei dem der Zellabstrich direkt auf ein Glasplättchen ausgestrichen wird, mit einer Zelllösung. Der Zellabstrich kommt in eine Lösung (ist damit auch über lange Zeit konservierbar), diese wird aufbereitet, dabei werden Verunreinigungen entfernt. „Von den rund 20 Milliliter Lösung braucht unser Test drei Milliliter“, erläutert Jansen-Dürr, der Abstrich sei dann ein „schöner Zellrasen“, der manuell, aber auch computerassistiert ausgewertet werden kann. Ein weiterer Vorteil des Tests liegt darin, dass die Abstrichprobe des DNA-Tests als Grundlage dienen kann. Zeigt der DNA-Test, dass die Patientin HPV-positiv ist, kommt der neue Test zum Einsatz: „Wir decken mit HPV 16, 18 und 45 die drei wichtigsten Viren ab, die weltweit für rund 80 Prozent der Zervixkarzinomerkrankungen verantwortlich sind“, betont Jansen-Dürr.

Weitere Pläne

Für Mikrogen geht es nun um die Vermarktung, Forscher Pidder Jansen-Dürr hat schon neue Überlegungen im Hinterkopf: Eine Ausweitung des Tests auf neun weitere Zervixkarzinom-verursachende HPV bzw. eine Übertragung des Tests auf Tumorerkrankungen im HalsKopf-Bereich. „HPV-getriebene Tumoren im HalsKopf-Bereich werden durch ein verändertes Sexualverhalten immer häufiger“, berichtet Jansen-Dürr, „Studien weisen darauf hin, dass diese Tumoren leichter zu therapieren sind als jene, die durch Rauchen oder genetische Veränderungen entstanden sind.“ Weniger Chemotherapie und Bestrahlung wäre für die Patienten ein Riesenunterschied, doch wie unterscheiden? Da kommt wieder E7 ins Spiel kommt. „HPV-getriebene Tumoren im Hals-Kopf-Bereich werden zu 90 Prozent durch HPV 16 verursacht“, sagt Jansen-Dürr. Mit einem Projekt-Umfang ähnlich PIPAVAR, so der Forscher, würde sich auf Basis des Innsbrucker Knowhows die Entwicklung eines adaptierten Tests ausgehen. Auch wenn in Europa „nur“ circa 15.000 Menschen im Jahr an diesen Tumoren erkranken, eine spezifische Diagnose würde jedenfalls helfen, viel Leid während der Therapie zu ersparen. ah

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CHEMIE

TREIBHAUSGASE RECYCELN Wissenschaftler der Universität Innsbruck konnten am Modellkatalysator­erstmals wichtige Zwischenschritte in der Methan-Trockenreformierung­nachweisen, die das Recyceln von Treibhausgasen einen Schritt v­ orantreiben könnten.

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ethan ist eines der schädlichsten Treibhausgase und trägt aufgrund seiner hohen Wirkung – es ist 25mal so wirksam wie Kohlendioxid (CO 2) – mit rund 20 Prozent zum anthropogenen Treibhauseffekt bei. Frei wird es hauptsächlich bei der Magenfermentierung von Nutztieren und bei der Erdgas- und Ölgewinnung. Bernhard Klötzer von der Universität Innsbruck hat gemeinsam mit seinen Kollegen einen Prozess genauer untersucht, mit dem Methan gemeinsam mit dem bekannteren Treibhausgas Kohlendioxid recycelt werden könnte. „Mithilfe der Trockenreformierung ist es möglich, Methan und Kohlendioxid in nützliches Synthesegas umzuwandeln. Dieses wird in sehr großem Maßstab industriell genutzt – unter anderem zur Erzeugung von synthetischem Diesel, wie er beispielsweise in ‚Gas-to-Liquid‘ angereicherten Kraftstoffen an Tankstellen angeboten wird“, erläutert Bernhard Klötzer.

nachweisen. „Dieses Ergebnis hilft einerseits, Licht in das Verständnis des Prozesses der Trockenreformierung zu bringen, es hat aber auch ganz praktische Vorteile – zeigt es doch auf, wie der Katalyse-Prozess von Methan und Kohlendioxid optimiert und somit für die industrielle Nutzung realistischer gemacht werden könnte“, freut sich Bernhard Klötzer.

Problem Verkokung

Vor allem bei kostengünstigeren Nickelkatalysatoren stellen unerwünschte Verkokungs-Effekte für die industrielle Nutzung ein großes Problem dar. „Wenn Kohlenstoff während der Katalyse nicht mehr effizient gelöst werden kann, reagiert er nicht weiter, sondern lagert sich in unreaktiver Form ab und führt zu einer sogenannten Verkokung – der Katalysator wird irreversibel blockiert. Damit wird der Prozess für einen industriellen Einsatz ineffizient“, erklärt Klötzer. „Ein wesentlicher Punkt – vor allem beim industriellen Einsatz

Internationale Kooperation

BERNHARD KLÖTZER, geboren 1965 in Innsbruck, studierte von 1983 bis 1993 Chemie an der Univeristät Innsbruck. Seit 1998 ist er am Institut für Physikalische Chemie der Universität Innsbruck tätig; seit 2011 als assoziierter Professor. Forschungsaufenthalte führten ihn an die Universität Cambridge und an die ETH Zürich. Seine Forschungsbereiche sind die heterogene Katalyse, speziell an bimetallischen Katalysatoren, und die katalytische Nanotechnologie.

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Am Synchotron BESSY des Helmholtz-Zentrums für Materialien und Energie in Berlin gelang es den Wissenschaftlern um den Chemiker, die Reaktionszwischenstufen der Trockenreformierung unter realen Reaktionsbedingungen mit hoher Auflösung zu beobachten. „In einem industriell genutzten Katalysator sehen wir nur Start- und Endprodukte, die genaue Analyse der Reaktionszwischenstufen, die wir am Synchrotron BESSY vornehmen konnten, ermöglichen uns allerdings den Prozess besser zu verstehen und somit Optimierungspotenzial aufzuzeigen“, erläutert Bernhard Klötzer. Im Zuge ihrer Untersuchungen konnten die Chemiker erstmals gelösten Kohlenstoff in Palladium als Reaktionszwischenstufe der Trockenreformierung unter praxisnahen Modellbedingungen

TROCKENREFORMIERUNG Bei der Reformierung wird üblicherweise aus dem kleinsten Kohlenwasserstoff-Molekül Methan oder anderen KohlenwasserstoffEnergieträgern ein sauerstoffhältiges Molekül sowie Wasserstoff erzeugt – zum Beispiel Syngas, bestehend aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Bei der Dampfreformierung, dem zurzeit bedeutendsten großindustriellen Verfahren, dient Wasser als Sauerstofflieferant. Bei der Trockenreformierung wird, wie der Name schon sagt, auf Wasser verzichtet, der Sauerstofflieferant ist hier das CO2. In den letzten Jahren haben die zunehmenden Bedenken bezüglich des Beitrags der Treibhausgase zur globalen Erwärmung das Interesse am Ersatz von Dampf durch Kohlendioxid als Reaktionspartner verstärkt.

Fotos: Andreas Friedle (2), Wikipedia/Love Krittaya (1))


CHEMIE

BERNHARD KLÖTZER, Norbert Köpfle und Simon Penner (v.l.n.r) konnten am Modellkatalysator erstmals wichtige Zwischenschritte in der Methan-Trockenreformierung nachweisen. der Trockenreformierung – ist es also, möglichst viel gelösten und somit reaktiven Kohlenstoff zu haben, um die Verkokungs-Effekte gering zu halten.“ In Zusammenarbeit mit der Max-PlanckGesellschaft Berlin, dem Helmholtz-Zentrum Berlin, dem Lawrence Berkeley National Laboratory und der TU Berlin konnte Klötzer mit seiner Arbeitsgruppe am Institut für Physikalische Chemie nun erstmals diesen gelösten Kohlenstoff in Palladium als Reaktionszwischenstufe der Trockenreformierung unter industriell relevanten Modellbedingungen nachweisen. Die Tests der Wissenschaftler am Synchrotron BESSY in Berlin und am Synchrotron ALS in Berkeley belegen, dass ungelöster, graphitischer Kohlenstoff viel langsamer reagiert und so zu einer zunehmenden Verkokung des Katalysators führt. „Ziel ist es also, den Vorgang so zu beeinflussen, dass diese unreaktive Kohlenstoffart so effizient wie möglich in reaktiven, gelösten atomaren Kohlenstoff umgewandelt wird“, erklärt Klötzer. Beschleunigt wird diese Umwandlung durch eine entsprechende Katalysatorzusam-

mensetzung und -grenzfläche. „Die Tests am Modell haben gezeigt, dass sich Palladium sehr gut eignet, um diese gewünschte Reaktivierung zu verbessern“, erklärt Klötzer, der allerdings betont, dass zuerst einmal das komplexe Reaktionsnetzwerk der Trockenreformierung um diesen neuen Aspekt erweitert werden muss, um eine verbesserte Modellierung bzw. Optimierung am Computer zu erlauben. Optimiert man das System dahingehend, dass der graphitische Kohlenstoff rascher gelöst wird und somit effizienter abreagieren kann, das heißt effektiv gar nicht erst an der Oberfläche angereichert wird, behindert er den Gesamtprozess kaum noch und als Endprodukt entsteht mit hoher Effizienz Synthesegas, das bereits industriell zum Einsatz kommt. „Auch wenn unsere Arbeit im Bereich der anwendungsorientierten Grundlagenforschung angesiedelt ist, sind wir überzeugt, dass diese Ergebnisse einen substanziellen Schritt darstellen, der die industrielle Entwicklung von Trockenreformier-Katalysatoren für den Recyclingprozess von Methan und Kohlendioxid wesentlich vorantreiben könnte“, so Klötzer. sr

BEI DER Erdölgewinnung werden die freiwerdenden Treibhausgase wie Methan oft abgefackelt und damit zu zusätzlichem CO2 – mithilfe der Trockenreformierung könnten sie recycelt werden.

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WISSENSTRANSFER

SPRÜHENDE IDEEN Mit Unterstützung des Förderkreises der Uni Innsbruck werden aktuelle Forschungsergebnisse in marktfähige Anwendungen weiterentwickelt.

BLICK IN DIE ZUKUNFT: Schwimmende Pumpspeicher können gleichzeitig als „Bauplätze“ für neue Stadtviertel genutzt werden. „Sie funktionieren sehr ähnlich wie Pumpspeicherkraftwerke bei uns in den Alpen. Sie liefern dann Energie, wenn sie tatsächlich gebraucht wird“, erklärt Projektmitarbeiter Robert Klar die schwimmenden Energiespeicher.

Die Mitglieder unterstützen die Universität als Netzwerk von Verbündeten, als Brücke in die Gesellschaft – sowohl ideel als auch materiell. Infos: www.uibk.ac.at/foerderkreis1669

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er Förderkreis unterstützt in diesem Jahr die Entwicklung von vier Prototypen, aus den Bereichen Elektronik, Wasserbau und Zoologie. „Als Schnittstelle zwischen der Universität und der Gesellschaft liegt dem Förderkreis der Transfer von Forschungsergebnissen in marktfähige Anwendungen besonders am Herzen“, sagt Koordinatorin Sabina Kasslatter Mur. So wird die Entwicklung einer völlig neuen Mückenabwehr gefördert, die Thorsten Schwerte vom Institut für Zoologie entwickelt. Blutsaugende Insekten zählen zu den gefährlichsten Krankheitsüberträgern auf der Erde. Der Zoologe arbeitet an einem System, das mit Hilfe von dynamischen Lichtmustern Mücken vertreiben soll. Im Labor werden Mücken in einer ausgeklügelten Versuchsanordnung in einem Windkanal ausgesetzt, als Duftfahne dient Kohlendioxid. In den Tunnel projiziert der Forscher dynamische Lichtmuster und verfolgt die Flugbahn der Mücken. Zum Einsatz kommt Infrarotlicht, das vom Menschen nicht wahrgenommen wird. Ziel des Projekts ist der Bau eines verkleinerten Geräts zum Einsatz z.B. in Schlafzimmern. Schwimmende Plattformen wollen Markus Aufleger, Robert Klar und Bernd Steidl vom Institut für Wasserbau als zukünftige Energiespeicher etablieren. Die von der Uni Innsbruck patentierte Idee ist recht simpel: Durch das Fluten einer großen, schweren und im Wasser schwimmenden Plattform wird eine stromerzeugende Turbine betrieben. Steht hingegen Energie zur Verfügung, kann das Wasser aus dem Hohlraum abgepumpt werden, wodurch

sich die Plattform wieder hebt. Die Forscher bauen nun ein erstes funktionelles Modell im Maßstab 1:50 und werden die Idee im Rahmen eines im Sommer genehmigten K-Regio-Projekts vorantreiben. Georg Saxl vom Institut für Mechatronik möchte Gebäude mit ihren digitalen Zwillingen elektronisch verknüpfen. Als Grundlage dienen ihm dazu in Innsbruck entwickelte Mikrochips, die über eine Funkschnittstelle kommunizieren und ohne Batterie betrieben werden können. „Der große Vorteil dieses Ansatzes ist, dass die Schaltungen vollständig wartungsfrei sind“, sagt Saxl. „Die Chips machen die einzelnen Elemente im Gebäude nicht nur identifizierbar, sondern können über Sensoren auch Daten über Helligkeit oder Feuchtigkeit liefern.“ Konkret erproben will Saxl die Technologie nun in der Gebäudedämmung. Bei Messungen im Labor können schwache analoge Signale mit Hilfe von Diskriminatoren digitalisiert werden. So lassen sie sich leichter weiterverarbeiten. Die am Markt erhältlichen Geräte sind Alleskönner und deshalb entsprechend komplex und teuer. „Interessanterweise verschlechtert dieser Ansatz sogar oft das zeitliche Verhalten“, erklärt Benedikt Pressl vom Institut für Experimentalphysik. „Der von uns entwickelte Diskriminator zeigt eine exzellente Zeitauflösung, ist deutlich einfacher aufgebaut und erfüllt genau die Anforderungen, für die er in vielen Labors benötigt wird.“ Mit Unterstützung des Förderkreises entwickelt Pressl nun einen Prototyp für ein mehrkanaliges System.

Illustration: Uni Innsbruck


WISSENSTRANSFER

START-UP-ERFOLG

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LEUCHTENDER ERFOLG Innsbrucker Chemiker arbeiten an einer völlig neuen Klasse von Leuchtstoffen.

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in Forschungsschwerpunkt der Arbeitsgruppe um den Chemiker Hubert Huppertz liegt im Bereich der Alkalilithosilikate. Diese Substanzklasse wurde in den 1980er-Jahren ausgiebig erforscht und charakterisiert. Viele der damals entdeckten Materialien fanden jedoch keinerlei praktische Anwendung. Nun wurden an der Universität Innsbruck die ersten lumineszierenden Vertreter dieser Substanzklasse durch gezieltes Dotieren mit dem Seltenerdelement Europium synthetisiert. „Dass diese Materialien überhaupt lumineszieren, war für uns sehr überraschend, da es sehr ungewöhnlich ist, zwei derart unterschiedliche Kationen der Stammverbindungen gegeneinander austauschen zu

können und zusätzlich noch die Möglichkeit zur Dotierung zu haben“, erläutert Daniel Dutzler aus dem Team von Huppertz. In Rahmen einer Kooperation mit OSRAM Semiconductors wird derzeit geprüft, inwieweit diese neu entdeckten Leuchtstoffe für zukünftige industrielle Anwendungen relevant sein können. Um in dem stetig wachsenden und stark umkämpften Markt der LEDs mithalten zu können, war das Unternehmen vor einigen Jahren eine Kooperation mit der Universität Innsbruck eingegangen, die zur Gründung eines Forschungsschwerpunkts zum Thema lumineszierende Materialien am Institut für Allgemeine, Anorganische und Theoretische Chemie geführt hat.

SPIN-OFF MEETING ZUM THEMA VERTRIEB

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ereits zum dritten Mal kamen Vertreterinnen und Vertreter von Ausgründungen der Uni Innsbruck im Rahmen des Spin-off Meetings der Transferstelle Wissenschaft - Wirtschaft - Gesellschaft zusammen. Diesmal stand das Thema Vertrieb im Mittelpunkt. Der Unternehmensberater Harald Denifle leitete den kurzweiligen Workshop und plauderte dabei auch „aus dem Nähkästchen“. Im Zentrum standen kritische Erfolgsfaktoren im Vertrieb. Dabei wurde über die Vertriebsstruktur von Uni-Spin-offs, mögliche Vertriebswerkzeuge und kritische Phasen im Vertriebsprozess diskutiert. Zur Sprache kamen auch das Auftreten und die Darstellung des eigenen Unternehmens bei Messen, Kongressen und Events. „Mit dem Spin-off Meeting bietet die Transferstelle der Universität ein regelmäßiges Format, das Weiterbildung, Austausch und Vernetzung ermöglicht“, sagt deren Leiterin Sara Matt-Leubner. „Dabei werden sowohl bestehende, als auch neue und potenzielle Ausgründer in unternehmens­ relevante Themen eingeführt und Kooperation und Mentoring gefördert.“

Fotos: Uni Inns­bruck (2), Andreas Friedle (1)

as Uni-Spin-off Txture konnte sich mit seiner Software zur Transformation großer IT-Landschaften beim europaweit größten Start-up Accelerator weXelerate gegen 1.220 Start-ups aus 62 Ländern behaupten. Dies stellt einen weiteren bedeutenden Meilenstein für das Tiroler Jungunternehmen dar, an dem die Universität Innsbruck über die Uni-Holding beteiligt ist. Das Spin-off kann trotz des jungen Alters schon Unternehmen wie Infineon, die IT der österreichischen Sozialversicherungen oder den Flughafen Wien zu seinen Kunden zählen. Europas größter Start-up Accelerator weXelerate hat das Ziel, Großunternehmen mit innovativen Start-ups

MATTHIAS FARWICK: „Wir verlagern einen Teil unseres Teams von Innsbruck nach Wien.“ zu vernetzen. Unter den beteiligten Firmen befinden sich namhafte Größen wie UNIQA, Raiffeisen, Volksbank, TMobile und die Österreichische Kontrollbank. „Wir verlagern einen Teil unseres Teams von Innsbruck nach Wien“, sagte Matthias Farwick, Geschäftsführer der Txture GmbH. Das Unternehmen vertreibt eine innovative Softwareplattform, die die Analyse und Transformation globaler IT-Landschaften großer Unternehmen revolutioniert. Im Zuge der digitalen Transformation müssen IT-lastige Branchen, beispielsweise im Banken-, Versicherungs- und Energieumfeld, immer stärker ihre Systeme agil an die Anforderungen des Marktes anpassen. Die genannten Branchen sind auch besonders stark von gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf ihre IT betroffen, was sie zur schnellen Anpassung ihrer IT-Systeme zwingt.

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INFORMATIK

GROSSE DATEN ERLEBEN Das hochmoderne Visualisierungslabor an der Uni Innsbruck eröffnet seinen Nutzerinnen und Nutzern völlig neue Dimensionen im Umgang mit großen Datenmengen.

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nwillkürlich streckt man die Hand aus, will das Marmorrelief berühren, so plastisch hat man die Szene aus dem Leben Maximilians I. vor Augen. Tatsächlich anfassen kann man zwar keine der 24 Marmortafeln, die das leere Grabmal des Kaisers in der Innsbrucker Hofkirche schmücken, aber das Erlebnis ist dennoch faszinierend: Im Visualisierungslabor der Universität Innsbruck zeigt Klaus Hanke, Leiter des Arbeitsbereichs Vermessung und Geoinformation, den Zusehern eine vollständige 3D-Visualisierung des Kenotaphen Maximilians. Zwar hat er das bedeutende Kulturdenkmal bereits vor rund 15

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Jahren im Zuge der damaligen Renovierungsarbeiten vermessen, aber ein gewisser Stolz ist ihm gerade jetzt anzusehen. Im kürzlich eröffneten Visualisierungslabor ist es nämlich erstmals technisch möglich, die Projektergebnisse als Ganzes zu betrachten. Bei der dreidimensionalen Vermessung des Kenotaphen in den Jahren 2002 und 2003 wurde der Detailliertheit der eingebetteten Marmortafeln mit einem aufwendigen Messkonzept Rechnung getragen. „Wir haben die klassische Nahbereichsphotogrammetrie mit Laserscanning in einer Auflösung von 0,2 Millimeter kombiniert“, berichtet Hanke.

Fotos: Andreas Friedle


INFORMATIK

Die 80 mal 45 Zentimeter großen Relieftafeln mussten bei der 3D-Modellierung jeweils in sechs Teile unterteilt werden, um die Ergebnisse bearbeiten und ansehen zu können. „Wir führten das Projekt für die Tiroler Jubiläumsstiftung im Wissen durch, dass wir zum damaligen Zeitpunkt nicht in der Lage sein würden, uns das Ergebnis als Ganzes anzusehen. Jetzt ist es möglich“, so Hanke. 2019 werden die von ihm erfassten Daten Basis mehrerer Ausstellungen zum 500. Todestag Kaiser Maximilians I. sein. Auch im Visualisierungslabor möchte er im Maximilian-Jahr die eine oder andere Präsentation machen. „Die Möglichkeit, das Publikum interaktiv einbeziehen zu können, ist bei solchen Veranstaltungen natürlich sehr interessant“, betont der Vermessungsexperte.

Breiter Nutzerkreis

So wie Klaus Hanke haben viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit großen Datenmengen zu tun. „Egal ob experimentell erhoben oder durch komplizierte Rechenprozesse generiert – wissenschaftliche Daten sind häufig unvorstellbar viele Zahlen. Diese

„ Wissenschaftliche Daten sind häufig unvorstellbar viele Zahlen: Man muss sie visualisieren, um sie analysieren und diskutieren zu können.“ Alexander Ostermann

Zahlenkolonnen kann man nicht einfach so anschauen. Man muss sie aufbereiten und das Ergebnis visualisieren, um sie analysieren und diskutieren zu können“, sagt Alexander Ostermann, Leiter des Forschungsschwerpunktes Scientific Computing und Hauptinitiator des Visualisierungslabors. „Eine weitere Notwendigkeit in vielen Forschungsprozessen ist es, Daten interaktiv verändern zu können, wozu es sehr hohe Rechenleistungen braucht“, ergänzt er. Entsprechend groß ist das Interesse unterschiedlichster Fachrichtungen am Visualisierungslabor. So haben sich zahlreiche Mitglieder des Schwerpunktes Scientific Computing sowie das Rektorat finanziell an der Realisierung beteiligt. Unterstützung kam außerdem vom Förderkreis der Universität Innsbruck. „Damit konnten wir das modernste Visualisierungslabor Westösterreichs einrichten“, freut sich Ostermann. Profitieren sollen davon im Übrigen nicht nur Forschende, sondern auch Studierende und die interessierte Bevölkerung. In der Lehre sieht Ostermann ein weiteres Haupteinsatzgebiet. „Zukünftige Arbeitgeber erwarten sich von Absolventinnen und Absolventen mathematischer, technischer und naturwissenschaftlicher Fächer eine State-of-the-ArtAusbildung. Dazu wird das Visualisierungslabor in Zukunft einen Beitrag leisten.“ Darüber hinaus will man auch ein breiteres Publikum ansprechen. „Menschen sind heute visuell sehr anspruchsvoll, gehen ins 3D-Kino oder besitzen vielleicht sogar eine VirtualReality-Brille. Insofern bietet uns das Visualisierungslabor die Möglichkeit, auch unsere Forschung eindrucksvoll zu präsentieren, zum Beispiel bei Veranstaltungen wie der Langen Nacht der Forschung“, so Ostermann, der immer wieder betont, dass das Visualisierungslabor – obwohl am Campus Technik beheimatet – allen Disziplinen offensteht und auch die fächerübergreifende Zusammenarbeit fördern soll. ef

DAS VISUALISIERUNGSLABOR ermöglicht bis zu 30 Personen gleichzeitig das Ansehen von 2D- und 3DInhalten auf einer 3,1 mal 1,7 Meter großen Videowand. Es verfügt über eine voll integrierte Virtual Reality (VR) Installation, die in Kombination mit einer hochaufgelösten VR-Brille einem zusätzlichen Nutzer eine virtuelle Erfahrung ersten Ranges bietet. Das Kernstück des Visualisierungslabors ist neben dem Hochleistungsrechner die aus neun FullHD-Displays bestehende Video-Wall. Das gesamte System wurde vom Zentralen Informatikdienst (ZID) der Universität Innsbruck zusammen mit der SoftwareSchmiede three10 aus München geplant und umgesetzt. „Bei allen Komponenten haben wir besonderen Wert auf offene Schnittstellen und die zukünftige Erweiterbarkeit des Systems gelegt“, betont Sabine Kreidl, Leiterin der Abteilung Zentrale Systeme am ZID. Das Visualisierungslabor ist am Campus Technik angesiedelt. Initiiert wurde seine Realisierung vom Forschungsschwerpunkt Scientific Computing. Der Förderkreis 1669 - Wissenschafft Gesellschaft hat das Visualisierungslabor maßgeblich unterstützt.

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PHYSIK

ERSTE DIODE FÜR MAGNETFELDER Quantenphysiker um den Theoretiker Oriol Romero-Isart und den Experimentalphysiker Gerhard Kirchmair haben eine Diode für Magnetfelder konstruiert und im Labor getestet. SKIZZE DER in eine Richtung wirkenden magnetischen Kopplung zwischen zwei Spulen, die in der Nähe eines beweglichen Leiters angeordnet sind. Wenn ein Strom durch die linke Spule fließt, erreicht das erzeugte Magnetfeld die rechte Spule (oben). Wenn durch die rechte Spule ein Strom fließt, erreicht das Magnetfeld die linke Spule nicht (unten).

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lektrische Dioden sind wichtige elektronische Bauteile, die elektrischen Strom in eine Richtung leiten, die Stromleitung in der anderen Richtung aber unterbinden. Dioden finden sich in praktisch jedem elektronischen Gerät. Für Magnetfelder gab es solche Bauelemente bisher nicht. Das ändern nun Physiker der Universität Innsbruck und des ÖAW-Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI). Sie entwarfen die erste Diode für Magnetfelder und demonstrierten ihre Funktionsweise im Labor. „Das von uns entwickelte Konzept erlaubt es, das Magnetfeld von einem magnetischen Element – zum Beispiel einem Magneten oder einer Spule – auf

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ein zweites zu übertragen. Wird ein Magnetfeld vom zweiten zum ersten Element geschickt, kann kein Magnetfeld übertragen werden“, schildert Erstautor Jordi Prat Camps, der inzwischen an der University of Sussex in England forscht. Technisch ausgedrückt bedeutet dies, dass die Induktivitäten zwischen den beiden Quellen, die üblicherweise symmetrisch sind, extrem asymmetrisch gestaltet werden können. Das Schlüsselelement für das neue Bauelement ist ein elektrischer Leiter, der sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegt. „Wird der Leiter in der Nähe der magnetischen Elemente platziert und mit der richtigen Geschwindigkeit bewegt, wird die Kopplung zwischen ihnen

unidirektional“, sagt Prat Camps, „und eine Diode für Magnetfelder entsteht.“ Gekoppelte magnetische Elemente finden sich in vielen Schlüsseltechnologien wie Elektromotoren, Transformatoren, magnetischen Speichern oder MRTGeräten. In allen sind die magnetischen Elemente symmetrisch gekoppelt. „Die Verfügbarkeit eines neuen magnetischen Werkzeugs wie einer Diode könnte daher eine Reihe neuer Möglichkeiten eröffnen“, blickt Gerhard Kirchmair in die Zukunft. So könnte zum Beispiel die Effizienz von drahtlosen Ladegeräten verbessert werden, da die Energie nur noch von der Ladestation zum Gerät und nicht mehr in die andere Richtung fließen kann. Das Team um Oriol Romero-Isart hatte bereits 2014 eine neue Technologie entwickelt, mit der magnetische Felder über beliebig große Distanzen transportiert werden können. Mit statischen magnetischen Feldern war dies bisher nicht möglich, ihre Stärke nimmt mit dem Abstand von der Quelle rasant ab. Die Innsbrucker fanden eine verblüffend einfache Lösung für dieses Problem. Sie isolierten ein ferromagnetisches Material mit einem Supraleiter und stellten so ein Material mit extrem anisotropen Eigenschaften her. Eine Struktur aus abwechselnden Schichten von Ferromagneten und Supraleitern erwies sich als sehr guter magnetischer Leiter. cf

Foto: Luis Veloso



KUNSTGESCHICHTE

REVOLUTIONÄRER VORDENKER Ernst Gombrich, ein britischer Kunsthistoriker mit österreichischen Wurzeln, war Vorbild, väterlicher Freund und Lehrer für Sybille Moser-Ernst, Professorin am Institut für Kunstgeschichte. Die Kunsthistorikerin stellt nun sein Oeuvre wieder in das Zentrum der Diskussion und lässt die Erinnerung an ihn lebendig werden.

URSULA MARINELLI und Sybille Moser-Ernst (v.li.) vom Institut für Kunstgeschichte beschäftigen sich intensiv mit Ernst H. Gombrich.

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rnst H. Gombrich (1909 – 2001) zählt zu den weltweit bekanntesten Vertretern seines Faches der Kunstgeschichte. In London fand er am Warburg Institut nach seiner rechtzeitigen Flucht aus Österreich im Jahr 1936 eine neue intellektuelle Heim- und Wirkungsstätte. Mit Büchern wie „Geschichte der Kunst“ oder „Kunst und Illusion“ setzte Gombrich Meilensteine in der Kunstgeschichte.

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Seine Art der Kunstbetrachtung bewegte sich aber nie ausschließlich innerhalb von Fachgrenzen. So dienten ihm Erkenntnisse der Psychologie und Biologie, sowie neue Lesarten der Geschichte und Philosophie als wichtige Grundlagen für seine Überlegungen zu Kunst und Kultur. Diese fächerübergreifende Denkweise wurde von einer seiner Studierenden, Sybille MoserErnst, Professorin am Institut für Kunstge-

schichte an der Uni Innsbruck, zum Ausgangspunkt für langjährige Forschungen und Projekte, die heuer ihren vorläufigen Abschluss in der umfangreichen Buchpublikation „ART and the MIND – Ernst H. Gombrich mit dem Steckenpferd unterwegs“ fanden. „Mir war es immer wichtig, zuverlässige Instrumente für mein Tun zu finden“, so die Wissenschaftlerin. Von seiner speziellen Denkart fasziniert,

Foto: Andreas Friedle; Zeichnung: Sybille Moser-Ernst


KUNSTGESCHICHTE reiste sie ab 1985 regelmäßig nach London, wo sie in Ernst H. Gombrich einen wertvollen Lehrmeister fand. Ein Merkmal der Kunstwissenschaftlerin Moser-Ernst ist ihre Neugier und ihr Drang, die Wissenschaft in den Dingen zu suchen. „Dass ich mich für die Kunstgeschichte als Studienfach entschieden habe, ist einer Reihe von Zufällen zu verdanken. Ich habe, seit ich denken kann, karikiert, und dann porträtiert. Meine großen Interessen galten der Mathematik und der angewandten Physik. Das vorandrängende Tun in der Wissenschaft ist eine Umwegleistung“, so die Wissenschaftlerin. Ernst Gombrich, den sie in diesem Sinn zitiert, gab dafür einen erklärenden Vergleich: Seine Liebe galt eigentlich der Musik, daher formulierte er aus ihrem Feld die Metapher „Mir gefällt Mozart. Trotzdem würde ich über Strawinsky arbeiten, damit ich etwas lerne und erkenne.“ Auch die Annäherung an ein interessiertes aber nicht-wissenschaftliches Publikum war für Gombrich wichtig und keine Abwertung des eigentlichen wissenschaftlichen Diskurses. Moser-Ernst betont, dass das scheinbar populärwissenschaftliche Buch von Gombrich zu Unrecht von den Expertinnen und Experten abgelehnt wurde: „Erst wenn man sein Buch ‚Geschichte der Kunst‘ mehrmals liest, erkennt man immer wieder neue Ebenen, die sich nach und nach erschließen, die man vielleicht erst wahrnimmt, wenn man sehr gut in der Wissenschaftsgeschichte und vor allem in der Kunstgeschichte ist“, so die Wissenschaftlerin, die verdeutlicht, dass Gombrich scheinbar „einfache“ Texte

geschrieben hat, deren Dichte und Gültigkeit möglicherweise erst heute von Expertinnen und Experten adäquat evaluiert werden können.

Das Steckenpferd

Im Kern seines Schaffens beschäftigte sich Gombrich mit dem künstlerischen Schöpfungsvorgang. „Er stellte sich die Frage, wie Linien, Farben und Formen dazu gebracht werden können, für Dinge einzustehen, die wir dann als Betrachtende beispielsweise als eine Landschaft erkennen“, erläutert Moser-Ernst. Das Zusammenspiel von Bild und Einbildungskraft verdeutlicht der Kunstwissenschaftler in seinen „Meditations on a Hobby Horse“. So wird das Steckenpferd zum Sinnbild für das komplexe Zusammenspiel von künstlerischen Fertigkeiten und dem menschlichen Bewusstsein. „Wie kunstvoll der Kopf des Steckenpferdes geformt ist, interessiert ein Kind nur wenig. Es braucht einen Stecken zum Draufsitzen, Griffe zum Festhalten, einen Wollschwanz und eine Mähne. Der Kopf, das Aussehen des Pferdes und noch so vieles mehr entstehen in seiner Vorstellung“, so Moser-Ernst über die Bedeutung des Steckenpferdes für ein Kind. Das Steckenpferd aus der Kinderstube wurde für das kunstwissenschaftliche Denken entdeckt, um zu helfen, die Bedingungen und die Grenzen der Bildkunst zu ergründen. Gombrich will zeigen, was das vom Menschen geschaffene Gebilde leistet, um die Betrachtenden in eine andere Welt zu führen. „Gombrich hat nie einen Kunstbegriff gestützt, der sich an metaphysische Kräfte wendet.

EINE ZEICHNUNG von Sybille Moser-Ernst zeigt Ernst Gombrich mit seiner Frau.

War Dante Alighieri noch davon überzeugt, dass der Geist Gottes oder ein anderer Geist in den Künstler hineingefahren ist, war Gombrich hier anderer Meinung. Vor solchen Geistern hat er sich immer in Acht genommen“, verdeutlicht Moser-Ernst, die vertieft, dass es für Gombrich nicht mehr um die Idee des Abbildes, sondern vielmehr um das Staunen über das Erschaffen von Welt geht.

Zum Buch

„Gombrich wünschte sich, dass das, was er schrieb, gelesen würde – und im besten Fall sogar verstanden und diskutiert. Dies, oder das Finden einer noch besseren Problemlösung, einer über den Lehrer hinausführenden Einsicht, wären

„ Gombrich war ein Vordenker, der verschiedene ­Naturwissenschaftler weit mehr interessiert hat als Sybille Moser-Ernst ­Kunsthistoriker.“ sein größter Wunsch gewesen“, erinnert sich die Wissenschaftlerin. Moser-Ernst organisierte 2009, anlässlich des 100. Geburtstags von Ernst Gombrich, mit Unterstützung von Ursula Marinelli eine Tagung, die einige unhintergehbare theoretische Grundlagen Gombrichs für die Kunstwissenschaft zutage förderte, auf die in Zukunft gebaut werden kann. Im Buch „ART and the MIND – Ernst H. Gombrich. Mit dem Steckenpferd unterwegs“ gelang es Moser-Ernst für spezifische Fragen einige der besten gegenwärtigen Forscherinnen und Forscher als Mitautoren zu gewinnen. „Gombrich war ein Vordenker, der verschiedene Naturwissenschaftler weit mehr interessiert hat als Kunsthistoriker. Wir wollten ein Buch herausbringen, das aufweckt. Hätten wir nur ein Buch geschrieben, um sein Andenken zu bewahren, so hätten wir ihn geärgert“, so Moser-Ernst, die diese wissenschaftlichen Ansätze auch in ihrer Lehre und Forschung weiterträgt. Buchpräsentationen gab es heuer an der Universität Innsbruck und dem Austrian Cultural Forum in London. Ein „Werkstattgespräch“ über das Buchprojekt wird noch bei einem der Fördergeber des Buches, nämlich dem Österreichischen Zukunftsfonds in Wien, stattfinden. dp

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ARCHITEKTUR

IM DAZWISCHEN Den Architekten Walter Klasz und den Theologen Christian Bauer verbindet ein Interesse am Entstehen sozialer Innovation in der Wechselwirkung zwischen Mensch und Raum. Mit Studierenden haben sie ein Experiment gewagt und sich die Frage gestellt, wo und wie ein Dazwischen entsteht.

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alter Klasz ist Architekt. Nach Stationen in Wien und an der Technischen Universität in München war er zunächst selbstständig und hat die vergangenen vier Jahre als Forscher an der Universität Innsbruck gearbeitet und seine Dissertation geschrieben. „Mich bewegt die Frage: Wie entsteht Form?“, beschreibt Klasz sein Forschungsinteresse. Dementsprechend breit präsentiert sich auch sein Portfolio, das von Booten über Kirchen bis hin zu Büros reicht. „Die Beziehung zwischen der physischen Form und dem Sozialen, der Art des menschlichen Zusammenlebens, ist der wesentliche rote Faden, der meine Arbeiten verbindet“, so Klasz weiter. Seine Dissertation beschäftigt sich mit selbstbildenden Formfindungsprozessen im Bereich des biegeelastischen Bauens. Eine Schnittstelle zur Metaebene fand Klasz im Austausch mit Christian Bauer. Der Theologe ist seit 2012 Professor

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an der Universität Innsbruck und seit einem Jahr Leiter des Instituts für Praktische Theologie. Er beschäftigt sich mit der Frage, wo Theologie praktisch wird. „Ich gehe an konkrete Orte und schaue, was dort passiert, wie sie entstehen. Interessant wird es, wenn soziale Situationen sich öffnen. Das hat für mich dann mit dem Geheimnis Gottes zu tun, man kann es aber auch anders benennen“, so der Theologe.

Raum mit Seele

Um zu zeigen, was sie damit meinen, verweisen die beiden Forscher immer wieder auf die Bäckerei – Kulturbackstube in Innsbruck, eine lebendige und dynamische Plattform für kulturellen und sozialen Austausch. „Für mich ist die Bäckerei einer der spannendsten kulturellen Orte in Innsbruck. Eine alte k.u.k.-Militärbäckerei, die junge Leute mit wenig Geld und vielen Ideen zu einem höchst

innovativen sozialen Ort umgebaut haben“, so Christian Bauer. Es sind auch die weichen Faktoren – was man fühlt, was man sozial wahrnimmt und wie die Leute in bestimmten Räumlichkeiten miteinander umgehen, die einen Raum ausmachen. Dass sich in der Bäckerei beispielsweise jede und jeder seinen Kaffee selbst nimmt, erstaunt viele Besucherinnen und Besucher im ersten Moment, schafft aber einen Umgang auf Augenhöhe. „Die Bäckerei ist ein Ort, an dem man deutlich sieht, dass der Raum den Menschen dort gehört. Er hat eine Seele, die ein Architekt alleine nicht erschaffen kann, sie entsteht aus einem dialogischen Prozess. Das wollten wir auch Studierenden weitergeben“, so Klasz.

Interdisziplinär

Gemeinsam haben sie das interdisziplinäre Seminar „Formfindungsprozesse an Orten sozialer Innovation“ geleitet. Darin

Fotos: Andreas Friedle (1), Walter Klasz (2)


ARCHITEKTUR

treffen zwei Disziplinen aufeinander, die sich ihrer Meinung nach gesellschaftlich in einer produktiven Sinnkrise befinden. „Heute können wir in der Architektur beinahe alles bauen und dadurch wird auch die Frage nach ihrem Sinn größer“, so Klasz. Teilgenommen haben an dem Seminar Studierende aus acht unterschiedlichen Disziplinen. Was als Seminar begonnen hat, wurde am Ende selbst eine soziale Innovation. „Das ganze Seminar war prozessorientiert. Wir wussten am Anfang selbst noch nicht, was am Ende dabei herauskommen wird“, berichtet Christian Bauer über die Lehrveranstaltung. Im Zentrum stand eine explorative Feldforschung in kleinen Teams. Diese sollten sich anhand verschiedener Orte in Innsbruck, wie der oben genannten Bäckerei, dem Spielraum für Alle, dem Waltherpark oder zweier Projekte von Walter Klasz, einer Kirche in Rif bei Salzburg oder der Neuschneewolke im Sellraintal ansehen, wie Raum das soziale Miteinander beeinflusst und wie durch das Miteinander sozialer Raum entsteht, der über das rein Physische hinausgeht. Ihre Eindrücke haben sie dann, angereichert durch entsprechende Theorieelemente, ins Seminar eingebracht. Bauer und Klasz sind sich einig, dass auch für sie dieses Seminar einen AhaEffekt bereithielt. „Als wir am Schluss fragten, was unsere Lehrveranstaltung gebracht hat, sagten die Studierenden:

Jetzt müssten wir eigentlich weitermachen. Wir haben dann beschlossen, dass es keine klassische Seminararbeit geben soll, sondern noch einmal zwei vertiefende Austauschrunden an konkreten Orten, an denen fast alle Studierenden teilgenommen haben – ein selbstbildender Formfindungsprozess, der das Seminar zu einem performativen Ereignis machte. Diese Bereitschaft zum Engagement über die Lehrveranstaltung hinaus hat uns sehr gefreut“, sagt Christian Bauer. Ein Studierender bemerkte abschließend: „Das Seminar war selbst eine soziale Innovation.“ Auch in Zukunft plant der Theologe weitere solcher Seminare, an denen dann auch andere Disziplinen beteiligt sein sollen.

Dazwischen

Auch in der Praxis verfolgen sowohl der Architekt Walter Klasz als auch der Praktische Theologe Christian Bauer für ihre Disziplinen ungewöhnliche Ansätze. Christian Bauer arbeitet explorativ und versucht herauszufinden, wofür Menschen heute leben und woran sie glauben. Dafür tritt er bewusst aus klassischen religiösen Umgebungen heraus und versucht, Antworten im Dialog zu finden. „Ein solches Arbeiten erweitert die Diskursarchive des christlichen Glaubens und steht eher am Rand der Theologie. Aber Innovation kommt ja oftmals genau von diesem Rand“, so Bauer. „Die Universi-

DIE GRUPPE DES Seminars „Formfindungsprozesse an Orten sozialer Innovation“ beim Dialog im Waltherpark (li.) und in einer Kirche in Gries im Sellrain (re.), einem Projekt von Walter Klasz. Die Bäckerei ist für Walter Klasz (mi.li.) und Christian Bauer (mi.re.) ein gelebter Ort sozialer Innovation, an dem sie sich regelmäßig austauschen.

tät ist ein idealer Ort für interdisziplinäre Lehrveranstaltungen, ein echter Inspirationsraum. Eine Expertise der Schnittstellen kann sehr gewinnbringend sein und ist eine eigene Form von wissenschaftlicher Exzellenz“, so der Theologe weiter. Auch Walter Klasz tritt für seine Projekte in den intensiven Dialog mit Menschen. Aktuell arbeitet er gemeinsam mit Tiroler Jungbauern und -bäuerinnen an einem Kapellenentwurf. „Unser erster Workshop ist jedoch gescheitert. Die freie Herangehensweise und der präsentierte Vorentwurf waren ihnen wohl zu offen. Früher hätte ich an diesem Punkt aufgegeben. Jetzt ist es für mich als Gestalter wichtig geworden, Widerstand von Gegensatz zu unterscheiden. Ich vertraue in den Dialog, der über klassische Partizipation hinausgeht. Im Dazwischen formt sich etwas für alle Beteiligten Überraschendes. Es entwickelt sich eine Art dynamische Mehrautorenschaft, welche die Disziplin von Christian Bauer berührt“, beschreibt Klasz seine Arbeitsweise. lm

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TRANSFERSTELLE

UNTERNEHMERISCHES DENKEN Über vielfältige Formate fördert die Transferstelle der Universität Innsbruck unternehmerische Studierende und WissenschafterInnen.

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it finanzieller Unterstützung des Förderkreises 1669 wird nach Vorbild der erfolgreichen Entrepreneurial Postdocs of Cambridge (EPOC) nun auch in Innsbruck eine Entrepreneurial Researchers Society aufgebaut. „Dieses Projekt soll den unternehmerischen Geist von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erhöhen und sie dadurch insbesondere auch für eine Karriere außerhalb der Universität fit machen“, erklärt Sara Matt-Leubner, die Leiterin der Transferstelle der Universität Innsbruck. Diese Gesellschaft entwickelt Initiativen, die Forscherinnen und Forschern unternehmerisches Know-how vermitteln, sie mit den richtigen PartnerInnen zusammenbringen und auch die Möglichkeit der Selbstständigkeit in den Fokus rücken. Darüber hinaus können sich die Mitglieder auch international über das p2i-network vernetzen, einer gemeinsamen Initiative von fünf Universitäten (Cambridge, PSL Paris, Glasgow, FU Berlin, Uni Innsbruck) und vier global agierenden Unternehmen (BP, Schlumberger, Shell, AstraZeneca). „Auf diese Weise haben bereits zahlreiche Mitglieder unserer

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Universität an mehreren internationalen Entrepreneurship-Veranstaltungen teilgenommen“, erzählt Matt-Leubner.

Gründungen werden unterstützt

Seit zwei Jahren gibt es in Innsbruck mit dem InnCubator auch ein Gründerzentrum, das von Universität Innsbruck und Wirtschaftskammer Tirol in den Räumlichkeiten des WIFI gemeinsam betrieben wird. Neben Co-working-Arbeitsplätzen bietet der InnCubator auch eine breite Palette an Unterstützungsmaßnahmen, und das Team des InnCubator steht den Gründerinnen und Gründern in allen für die Frühphase einer Firmengründung wichtigen Belangen zur Seite – von technischer Unterstützung beim Prototypenbau über Infos zu Businessplan, Marktbeobachtung, Patent- und Markenrecht, rechtlichen Aspekten im Gründungsprozess und Finanzierungsfragen bis hin zu Partner- und Business-Angel-Themen. Seit dem erfolgreichen Start vor zwei Jahren wurde der InnCubator stetig weiterentwickelt und ausgebaut. „Wir haben bisher bereits 24 Start-ups betreut und für die Selbständigkeit gerüstet, und 15 neue Projekte haben soeben bei uns das soge-

nannte INNC-Programm begonnen“, erklärt Robert Schimpf vom InnCubator. „Nach dem ersten Jahr, in dem noch laufende Bewerbung möglich war, haben wir dieses sechsmonatige CoachingProgramm mit Workshops rund um das Thema Innovation und Gründung entwickelt. Alle Bewerberinnen und Bewerber beginnen gleichzeitig zu festen Stichtagen, um die Teamdynamik und die Unterstützung noch besser zu nützen.“ Mit dem Programm „FoundHer“ werden besonders Frauen als potentielle Gründerinnen angesprochen. Sie werden unterstützt, im Team eine Geschäftsidee für ein Projekt zu entwickeln und dieses innerhalb von vier Monaten tatsächlich zu realisieren.

Unternehmerisches Denken

„Das sind alles Initiativen, die Studierende und junge WissenschaftlerInnen zum unternehmerischen Denken motivieren sollen“, sagt Sara Matt-Leubner. „Die Universität unterstützt darüber hinaus mit eigenen Lehrveranstaltungen zum Thema Entrepreneurship und einer Professur für Innovation und Entrepreneurship diese Entwicklungen.“

Foto: rawpixel/Unsplash


FÖRDERUNGEN

EU-FLAGSHIP STARTET Die Forschungen der Innsbrucker Physik zu zukünftigen Quantentechnologien werden in den nächsten drei Jahren mit 5 Millionen Euro gefördert.

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m Rahmen des EU-Flaggschiff-Programms für Quantentechnologien sollen in Europa in den kommenden zehn Jahren eine Milliarde Euro in die Entwicklung von Quantentechnologien investiert werden. Nun hat die Europäische Kommission eine erste Welle von Projekten ausgewählt. Forschungsgruppen an der Universität Innsbruck und am Innsbrucker Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sind an fünf von zwanzig Projekten beteiligt. Eines der Projekte wird von der Forschungsgruppe um Rainer Blatt und Thomas Monz koordiniert. Sie forschen bereits sehr erfolgreich am Bau eines universellen Quantencomputers auf der Basis von gefangenen Ionen. Mit den Mitteln der EU soll ein industrieller Quantencomputer entwickelt werden, der bestimmte Aufgaben besser lösen kann als klassische Supercomputer. Die Ionenfallentechnologie bietet eine exzellente Kontrolle über die Quantenbits und die Forscher wollen diese Kontrolle nun auf bis zu 50 Quantenbits ausweiten, die

Foto: Andreas Friedle

dann auch in Modulen miteinander verbunden werden können. Auf diese Weise soll die für einen universellen Quantencomputer notwendige große Zahl von Quantenbits erreicht werden. Ein weiteres europäisches Forschungskonsortium arbeitet an der Entwicklung eines programmierbaren Quantensimulators auf der Basis von Atomen, die in einem optischen Gitter gefangen sind, sowie ebenfalls mit der Ionenfallentechnologie. Ein Quantensimulator erlaubt es, Phänomene in einem Quantensystem zu simulieren, an denen herkömmliche Computer aufgrund der Komplexität der Fragestellung scheitern. An diesem Projekt sind Teams um die Innsbrucker Forscher Peter Zoller, Wolfgang Lechner und Christian Roos beteiligt. Ein Forschungskonsortium, an dem die Gruppen um Tracy Northup und Ben Lanyon beteiligt sind, wird gemeinsam mit universitären Forschungsteams in acht europäischen Ländern ein erstes Quantenprozessor-Netzwerk errichten und damit die Grundlage für ein zukünftiges Quanteninternet schaffen. Die Arbeitsgruppe um

Experimentalphysiker Gregor Weihs beteiligt sich ebenfalls an der Entwicklung von Komponenten für Quantenkommunikationssysteme. An einem Konsortium zum Aufbau eines europäischen Netzwerks für aktive optische Laseruhren ist das Team um den Quantenoptiker Helmut Ritsch beteiligt. Das „Quantum Flagship“ wurde 2018 als eine der größten und ambitioniertesten Forschungsinitiativen der Europäischen Union gestartet. Mit einem Budget von einer Milliarde Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren bringt das Programm Forschungseinrichtungen, Hochschulen, Industrie, Unternehmen und politische Entscheidungsträger in einer gemeinsamen Initiative von bisher nicht gekanntem Ausmaß zusammen. Das Hauptziel des Programms ist es, die wissenschaftliche Exzellenz Europas in diesem Forschungsgebiet zu festigen und auszubauen sowie die quantenphysikalische Forschung vom Labor auf den Markt zu bringen, und zwar durch kommerzielle Anwendungen und zukunftsweisende Technologien.

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PREISE & AUSZEICHNUNGEN GEMEINSAM GEEHRT Zusammen mit Vitali Efimov erhielt der Quantenphysiker Rudolf Grimm im Sommer die FaddeevMedaille. Gemeinsam schrieben die beiden ein Stück Physikgeschichte. Vitali Efimov hatte 1970 den später nach ihm benannten Efimov-Effekt entdeckt. Das Team um Grimm konnte 35 Jahre später dieses Phänomen, dessen Existenz in der Fachwelt lange angezweifelt wurde, erstmals experimentell nachweisen. Die Auszeichnung wurde in diesem Jahr zum ersten Mal verliehen und ist nach dem herausragenden russischen Physiker und Mathematiker Ludvig Faddeev benannt. WILHELM-EXNER-MEDAILLE Der Physiker Gregor Weihs erhielt im Oktober die WilhelmExner-Medaille für besondere wissenschaftliche Leistungen. Diese Auszeichnung wird seit fast 100 Jahren vom Österreichischen Gewerbeverein verliehen und ging in diesem Jahr auch an Thomas Jenewein, Zhenan Bao und Armand Paul Alivisatos. Weihs beschäftigt sich mit der Konstruktion von neuen Quellen für einzelne Photonen und verschränkte Photonenpaare. Diese bilden eine wesentliche technologische Grundlage für zukünftige Quantenkommunikation und -computer. GROSSES EHRENZEICHEN Für seine Leistungen um die Fakultät für Technische Wissenschaften und ihr Studienangebot erhielt der Bauingenieur Rudolf Stark das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Der Ausbau der Studien, darunter die Einrichtung des Mechatronik-Studiums gemeinsam mit der UMIT zuerst in Innsbruck und in Hall und schließlich in Lienz, geht maßgeblich auf seine Initiative zurück. Über die ursprünglich rein bauingenieurwissenschaftliche Prägung der Fakultät kam es unter seiner Federführung zur Erweiterung hin zu einer technischen Fakultät.

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LANDESPREIS FÜR LINGUISTEN Martin Korenjak, Professor am Institut für Sprachen und Literaturen der Universität Innsbruck, wurde mit dem Tiroler Landespreis für Wissenschaft ausgezeichnet.

BEI DER ÜBERREICHUNG des Wissenschaftspreises im Landhaus: Florian Schaffenrath, Bildungslandesrätin Beate Palfrader und Martin Korenjak (v.l.)

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nfang November überreichte Bildungslandesrätin Beate Palfrader den Tiroler Landespreis für Wissenschaft an Martin Korenjak. Der Linguist ist im Bereich Gräzistik und Latinistik am Institut für Sprachen und Literaturen tätig und leitet eine Forschungsgruppe am Innsbrucker Ludwig-Boltzmann-Institut für Neulateinische Studien. „Es freut mich außerordentlich, dass dieser renommierte Preis heuer an einen Philologen geht“, gratulierte Beate Palfrader und merkt an: „Die überaus große Bedeutung der Sprache ist vielen oftmals nicht bewusst. Dabei hat die Sprache Einfluss auf alle Lebens- und Gesellschaftsbereiche. Erst durch sie schaffen wir Realität – umso wichtiger ist es, uns ihrer Rolle für das Handeln bewusst zu werden.“ Der Forschungsschwerpunkt von Martin Korenjak liegt in der Rolle von Latein als lingua franca der Gelehrtenwelt der Renaissance und als wichtigstes sprachliches Medium bei der Herausbildung der modernen (Natur-)Wissenschaften. „Mit der nahezu vollständigen

Erfassung der vom 16. bis zum 18. Jahrhundert in Tirol erschienenen neulateinischen Literatur leistete er einen wesentlichen Beitrag zur sprachwissenschaftlichen Forschung und erhielt internationale Anerkennung“, drückte Beate Palfrader ihre Wertschätzung aus. Im Jahr 2017 erhielt Korenjak einen „Advanced Grant“ vom Europäischen Forschungsrat ERC. Martin Korenjak, geboren 1971 in Wels, Oberösterreich, ist seit 2009 Professor an der Universität Innsbruck. Er ist Mitglied zahlreicher Fachgesellschaften und hat eine Reihe wissenschaftlicher Konferenzen organisiert und geleitet. Gemeinsam mit Karlheinz Töchterle hat er außerdem 1999 die Konferenzreihe PONTES zur Rezeption der klassischen Antike initiiert. Der Landespreis für Wissenschaft ist mit 14.000 Euro dotiert und wird seit 1984 vergeben. Auch der Tiroler Förderpreis für Wissenschaft wurde im November verliehen – 4.000 Euro gingen an den Direktor des Ludwig-BoltzmannInstituts für Neulateinische Studien, Florian Schaffenrath.

Fotos: Land Tirol/Gerzabek (1), Uni Innsbruck (1), IQOQI/Knabl (1), Andreas Friedle (1)


PREISE & AUSZEICHNUNGEN

PERSÖNLICHKEITEN GEEHRT Beim Dies Academicus wurden heuer neun Persönlichkeiten ausgezeichnet, die sich wertvolle Verdienste um die Uni Innsbruck erworben und durch ihre wissenschaftlichen Spitzenleistungen überzeugt haben.

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ch kann mit großer Freude berichten, dass sich auch im vergangenen Studienjahr die positive Entwicklung der Universität Innsbruck fortgesetzt hat“, betonte Rektor Tilmann Märk beim diesjährigen Dies Academicus. Ein Grundstein für diese Erfolge sind auch die vielfältigen Kooperationen – sowohl international als auch am Standort. „Für die Erfolge der Universität sind vor allem unsere fast 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich, die in Forschung, Lehre und Administration tätig sind.“ Seit dem Jahr 1848 ist der Große Ehrungstag ein fester Bestandteil des akademischen Jahres an der Universität Innsbruck, heuer wurde er zum siebten Mal als Dies Academicus mit einem öffentlichen Fachvortrag des neuen Ehrendoktors am Nachmittag begangen. Der neue Ehrendoktor der Naturwissenschaften, Francesco A. Gianturco, ist ein international höchst angesehener Theoretiker, der sich auf den Gebieten der Molekülphysik und der molekularen Dynamik in vielfacher Weise aus-

Foto: privat (1), Matthew Brookes (1), Uni Inns­bruck (2)

gezeichnet hat. Mit seinen mehr als 600 Veröffentlichungen hat er ein beeindruckendes wissenschaftliches Werk aus über fünf Jahrzehnten vorgelegt. Seit 2013 sind mehr als 30 dieser Publikationen mit Beteiligung der Universität Innsbruck verfasst worden, darunter eine Arbeit im renommierten Fachjournal Nature Physics. Francesco A. Gianturco hat mit international führenden Laboratorien zusammengearbeitet, die auf seine Hilfe bei der Analyse neuer experimenteller Resultate zählen konnten. Gerade für diese Kooperationen ist er mit einer Reihe hoher Auszeichnungen wie dem Humboldt- und dem Max-Planck-Preis gewürdigt worden. Georg Ott, Karlheinz Töchterle und Patrizia Zoller-Frischauf wurde im Rahmen des Dies Academicus die Würde einer Ehrensenatorin und eines Ehrensenators verliehen. Zur Ehrenbürgerin und zum Ehrenbürger wurden Elisabeth Blanik und Johann Popelak ernannt. Ehrenzeichen erhielten Maria Dawid, Andreas Maislinger und Herlinde Menardi.

PHYSIKERIN AUSGEZEICHNET Das New Journal of Physics Editorial Board, die Deutsche Physikalische Gesellschaft und das Institute of Physics haben Lauriane Chomaz, eine junge Wissenschaftlerin aus der Gruppe von Francesca Ferlaino, zur Gewinnerin des New Journal of Physics Early Career Award 2018 gekürt. Die Jury wählte Lauriane Chomaz unter 18 Kandidaten zur besten Jungforscherin, da sie einen bedeutenden Beitrag zur Erforschung ultrakalter Gase geleistet hat, darunter als Erstautorin einer Reihe von einflussreichen Arbeiten, die die grundlegenden Eigenschaften dieser Systeme beleuchten. KLIMAFORSCHER GEWÜRDIGT Georg Kaser, Dekan der Fakultät für Geound Atmosphärenwissenschaften, wurde mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse ausgezeichnet. Kaser hat dazu beigetragen, den Aspekt der Kryosphäre, und damit der höchst klimarelevanten großen Eisschilde Grönlands und der Antarktis, im Zusammenhang mit dem globalen Klimawandel und regionaler Wasserverfügbarkeit zu thematisieren und systematisieren. TOMAS HIRSCHFELD AWARD Christan Huck vom Institut für Analytische Chemie und Radio­ chemie erhielt im Sommer den Tomas Hirschfeld Award, der jährlich vom International Council for Near Infrared Spectroscopy (ICNIRS) für besondere Leistungen auf dem Gebiet der Nah-Infrarot-Spektroskopie vergeben wird. Damit wurden insbesondere seine Beiträge zur Untersuchung von Nano-Materialien und zur schnellen Kontrolle der Blutqualität mithilfe von NIR-Spektroskopie gewürdigt. Darüber hinaus hob das ICNIRS die Entwicklung neuer Methoden hervor, die es erlauben, mithilfe von Miniatur-NIR-Instrumenten den optimalen Erntezeitpunkt von Heilpflanzen zu bestimmen und Lebensmittelbetrug schnell zu erkennen.

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ZWISCHENSTOPP INNS­BRUCK

WIRKMACHT HEILIGER TEXTE Mit der politischen Bedeutung religiöser Schriften beschäftigt sich der Bibelwissenschaftler Dominik Markl. Er war im Sommersemester als Gastprofessor an der Universität Innsbruck tätig und hat hier seine Studien zur politischen Wirkmacht heiliger Texte vertieft. „ Wir haben einiges an ­Kompetenz verloren in der Wahrnehmung der politischen Dimension heiliger Texte.“ Dominik Markl

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ach rund zehn Jahren im Ausland kehrte Dominik Markl SJ als Gastprofessor an die Theologische Fakultät der Universität Innsbruck zurück. Hier hatte er Theologie studiert und 2006 promoviert. Seither war er in verschiedenen Funktionen in München, London, Kenia und den USA tätig. Heute lehrt er am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom. Die Forschungsschwerpunkte von Dominik Markl liegen auf den ersten fünf Büchern des Alten Testaments, im Besonderen auf Exodus und Deuteronomium im Zusammenhang antiker Rechtsgeschichte und Verfassungstheorie. Im Rahmen seiner Gastprofessur beschäftigte sich Dominik Markl vor allem mit der politischen Dimension der Bibel und der politischen Wirkung von religiösen Texten. „Wir haben einiges an Kompetenz verloren in der Wahrnehmung der politischen Dimension heiliger Texte“, resümiert Dominik Markl. Die Ursache dafür sieht er im Dogma der Trennung von Religion und Staat. „Dieses ist lebenspraktisch für uns sehr sinnvoll, es hat aber auch zu Wahrnehmungsverdunkelungen geführt und man tut heute so, als hätten heilige Texte keine politische Dimension.“ Historisch betrachtet sei genau das Gegenteil

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der Fall. Markl untersucht seit einiger Zeit die politische Rezeptions- und Wirkungsgeschichte der Bibel. „Der Charakter der biblischen Texte ist so facettenreich, dass es viele Jahre der intensiven Auseinandersetzung braucht“, sagt der Theologe. Dieses Wissen kann heute oft nicht mehr vorausgesetzt werden. „Die historische Beschäftigung scheint mir wichtig, weil man hier vieles deutlicher sieht, als wenn man sich nur mit den gegenwärtigen Problemen beschäftigt“, sagt Markl.

Fundamentalismus

In der Auseinandersetzung mit der Rezeptionsgeschichte der Bibel sieht Markl auch die Chance, die politische Brisanz heiliger Texte zu reflektieren. Dies könne im Dialog mit muslimischen Kollegen auch fruchtbar in Hinblick auf den islamischen Fundamentalismus sein. „Langfristig stellt sich schon die Frage, ob es dem Islam gelingt, eine kritische Hermeneutik des Koran zu entwickeln“, sagt Markl. „Das ist ja auch im Christentum eine relativ junge Entwicklung, wo diese kritische Hermeneutik vor allem ab dem 18. Jahrhundert entstanden ist. Sie scheint uns heute selbstverständlich, wird in fundamentalistischen Gegenbewegungen aber ständig in

Frage gestellt.“ Hier sieht Markl auch eine wichtige Aufgabe der Bibelwissenschaften in der Lehre. Die Menschen wachsen mit diesen Texten auf. Das kann einerseits zu einer großen Wertschätzung, anderseits aber auch zu einer naiven Wahrnehmung führen. „Das akademische Studium ist daher immer auch eine psychologische Herausforderung, das Altliebgewonnene mit neuen Augen zu sehen, was letztlich das Abenteuer jeder kritischen, humanistischen Bildung ist“, betont Markl, der sich dieser spannenden Aufgabe aktuell am päpstlichen Bibelinstitut stellt. Die Bibel ist eine Sammlung von Texten, die über den Zeitraum von einem Jahrtausend entstanden und über weitere zwei Jahrtausende laufend kopiert und tradiert worden ist. „Der Textkorpus vermittelt einen Sukkus altorientalischer Religionen, freilich auch mit einigen revolutionären Neuerungen. Bei der Auswahl wurde diesen Texten sehr hohe Qualität zugesprochen. Zum Teil ist dies auch eine poetische Qualität, denn die Psalmen oder Hiob zählen zur höchsten Weltliteratur. Das Buch Deuteronomium, mit dem ich mich am meisten beschäftigt habe, ist überaus interessant“, sagt Markl. „Es gibt in der Bibel kein anderes Buch, das so hoch reflektiert ist. Auch wie es sich selbst einladend und auch bedrohend weitervermitteln will durch die Zeiten, das ist dem Buch gelungen. Ich glaube, dass die höchst komplexe Selbstreflexion dieser Texte eine Art Wirkmacht entfaltet hat, die wesentlich zur Entstehung des Judentums und indirekt zur Entstehung der drei Buchreligionen beigetragen hat“, resümiert der Alttestamentler cf

Foto: Uni Innsbruck


SPRUNGBRETT INNS­BRUCK

„ Ich denke, dass die Menschen in den USA und speziell im Silicon Valley eine optimistische ‚can do‘-Herangehensweise hinsichtlich der Herausforderungen des Lebens haben. Dies inspiriert und leitet auch meine Roland Vogl Forschung.“

TECHNOLOGIE IM RECHT Als Experte für Rechtsinformatik wechselte Roland Vogl an die Stanford Law School, wo er sich mit Innovationen im Recht beschäftigt.

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ie die Technologie helfen kann, das Rechtssystem effizienter und nutzerfreundlicher zu machen, ist einer der wissenschaftlichen Schwerpunkte, mit denen sich Roland Vogl heute an der Stanford University beschäftigt. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck und seiner Arbeit bei den Europäischen Institutionen in Brüssel bewarb sich Vogl erfolgreich für das „Stanford Program in International Legal Studies“. „Die Stanford University, mit ihrer zentralen Lage im Silicon Valley, erschien mir als der beste Platz mich tiefer mit dem Thema Datenschutz im Internet zu befassen. Ursprünglich wollte ich nur ein Jahr bleiben, fand Kalifornien, das Silicon Valley und Standford aber so spannend, dass ich nach Möglichkeiten suchte, bleiben zu können“, betont Vogl. Als Anwalt in einer Kanzlei und später als Leiter des Programms „Law, Science and Technology“ an der Stanford Law School

Foto: privat

wurde ihm dieser Wunsch erfüllt. Schon während seines Studiums in Innsbruck erkannte Roland Vogl sein Interesse für die internationale Zusammenarbeit. „Die Uni Innsbruck ermöglichte es mir, meinen internationalen Interessen nachzugehen. Diese Erfahrungen eröffneten mir neue Einsichten und weckten in mir den Wunsch, auch weiterhin international tätig zu sein“, so der Wissenschaftler, der betont, „Innsbruck ist nach wie vor Heimat und die Uni Innsbruck meine Alma Mater, wo ich in meinem Grundstudium rechtliches Denken und in meinem Doktoratsstudium wissenschaftliches Arbeiten lernen durfte“, betont der Wissenschaftler.

Inspiration

Vogl befasst sich insbesondere mit dem Thema Innovation im Recht und Rechtsinformatik. „Ich bin regelmäßig inspiriert von der intellektuellen Energie in Stanford und den unternehmerischen Aktivi-

täten im Silicon Valley“, sagt der Experte. Vogl ist Mitgründer und Executive Director von CodeX – The Stanford Center for Legal Informatics, ein Zentrum, welches sich insbesondere mit der Automatisierung und Mechanisierung von rechtlichen Abläufen befasst. Das Zentrum steht im Brennpunkt der Innovationen im Bereich der Rechtstechnologie und ist mittlerweile nicht mehr nur ein Forschungszentrum, sondern auch eine Community von innovativen Unternehmern und Forschern. „Ich denke, dass die Menschen in den USA und speziell im Silicon Valley eine optimistische ‚can do‘-Herangehensweise hinsichtlich der Herausforderungen des Lebens haben. Dies inspiriert und leitet auch meine Forschung. Ich arbeite an der Schnittstelle zwischen Forschung und Unternehmertum und finde das Netzwerk und Umfeld hier sehr hilfreich, um neue Ideen zu verfolgen und umzusetzen“, verdeutlicht Vogl. dp

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ESSAY

VOM WECKER ZUM ZAPFENSTREICH Ingo Schneider über die lange Geschichte der Vernachlässigung des Hörens als Forschungsfeld der Geistes- und Sozialwissenschaften.

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„Schließlich können wir ja nur hörend ­verarbeiten, was wir wissen.“

INGO SCHNEIDER studierte Volkskunde (Europäische Ethnologie), Kunstgeschichte und Publizistik an den Universitäten Innsbruck und Salzburg. Er ist seit 2001 habilitiert und seit 2011 Professor für Europäische Ethnologie an der Universität Innsbruck. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der internationalen Erzählforschung, der Kulturtheorie und der Theorie des Kulturellen Erbes sowie der regionalen Ethnografie (Südtirol).

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chön sei es ja nicht gerade. Was ihn an seinem neuen Hybridauto aber regelrecht irritiert habe und woran er sich erst gewöhnen musste, erzählte ein Freund, Kollege und ehemaliger Alfa Romeo-Fahrer vor nun schon etlichen Jahren, das sei die Stille gewesen: Du fährst los und hörst praktisch nichts, kein Motorengeräusch, fast lautlos gleitest du durch den Straßenverkehr. Die Augen hatten sich also eher und schneller mit der neuen Situation abgefunden oder in diese gefügt als die Ohren. Selbstverständlich – das soll diese kleine Geschichte verdeutlichen – nehmen wir kulturelle Phänomene und soziale Situationen immer mit mehreren Sinnen wahr. Schallwellen, Klänge und Geräusche jeglicher Art sind ebenso elementare Bestandteile unseres Alltags wie Bilder, Objekte und Texte. Während diese aber seit langem legitime, ja die zentralen Quellen der Geistes- und Sozialwissenschaften sind, blieben jene bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts weitgehend unberücksichtigt. Noch allgemeiner formuliert: Die Geistes- aber auch die Sozialwissenschaften waren von Anfang an und sind es noch immer sehr stark schrift- und bildbasiert. Es herrschte ein Primat des Sehsinns. Die Geschichte der Vernachlässigung anderer Sinne – nur von jener des Hörsinn soll hier die Rede sein – reicht weit zurück. Eine prominente Stimme in ihr war zweifellos Jakob Grimm mit seinem Diktum: „Das auge ist ein herr, das ohr ein knecht, jenes schaut um, wohin es will, dieses nimmt auf, was ihm zugeführt wird.“ (Über das Alter 1860, in: Kleinere Schriften, S. 200). Aber noch ein so umsichtiger Denker wie Jacques Derrida schrieb die Skepsis gegenüber dem Hören fort, indem er dem Gehör als Organ unterstellte, es würde sich zum Ge-horchen verführen und damit an selbstgewählten Freiheiten hindern lassen. Bis heute gilt der Schall weithin als Domäne der physikalischen Akustik. Wenn es sich um Klänge, Töne, Harmonien, Melodien handelt, denken wir zunächst an die Musikwissenschaft. Und Phänomene der Sprache werden in erster Linie der Linguistik und Philosophie zugeordnet. Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass es lange dauerte, bis

sich die Einsicht einstellte, dass hier ein grundlegendes Versäumnis vorlag. Erste Schritte zu Beseitigung dieser Forschungslücke unternahm der kanadische Komponist und Klangforscher Raymond Murray Schafer mit dem von ihm 1971 begründeten „World Soundscape Project“, das sich das Ziel setzte, weltweit „soundscapes“ (ein von Schafer geprägter Begriff) aufzunehmen und zu erforschen. So erfreulich die Idee im ersten Angang erscheint, muss man doch festhalten, dass ihr eine kulturpessimistische, sprich die stete Zunahme an akustischen Quellen bedauernde Haltung zugrunde liegt, dass das Word Soundscape Projekt aber auch über die reine Dokumentation unterschiedlicher Klänge wenig hinausreichte. Die Beantwortung der Frage, mit welchen Forschungsfragen, Methoden und Theorien man der längst überfälligen Berücksichtigung des Hörens, des Hörsinns und der Welt der Klänge und Geräusche in der geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung gerecht werden kann, ist anspruchsvoll und bis heute nicht befriedigend gelöst. Sie kann nicht pauschal beantwortet werden. Denkt man über die Geografie der Disziplinen hinaus – und das ist auf alle Fälle geboten –, eröffnen sich eine Reihe spannender Forschungsaufgaben. Diese beginnen bereits mit der fundamentalen Einsicht, wie sehr unser Gehör als Organ des Verstehens nicht nur in unmittelbar sprachlichem Sinn von unserer Sozialisation und kulturellen Prägung abhängig sind. Schließlich können wir ja nur hörend verarbeiten, was wir wissen. Solange Klänge unseren Hörerwartungen entsprechen, solange ist für uns alles in Ordnung. Was aber, wenn dies nicht der Fall ist? Dann verstehen wir nicht oder falsch. Eine Anthropologie des Hörens könnte so gesehen bereits beim Missverständnis ansetzen. Um auf die Eingangsgeschichte vom irritierenden Klang eines Hybridautos zurückzukommen: Wenn man bedenkt, wie sehr unsere gesamte akustische Alltagswahrnehmung vom Wecker über den Staubsauger bis zum Klang von Autos von unserem erlernten Hörwissen geprägt ist, spannt sich ein weites und erst in Ansätzen erschlossenes Forschungsfeld auf.

Foto: Andreas Friedle



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