zukunft
forschung
MAGAZIN FÜR WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK
Ausgabe 02|10 thema junge wissenschaft: die vielfalt der innsbrucker nachwuchsforschung – wurzelparasiten, neulateinische texte, quantenphysik, kundenintegration |archäologie: antikes alltagsleben | architektur: das werk des vladimir šuchov
NACHWUCHS SCHMIEDE
EDITORIAL
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,
D
er wissenschaftliche Nachwuchs trägt rund 80 Prozent zur Forschungsleistung der Universität Innsbruck bei und ist damit eine tragende Säule des Forschungsbetriebs. Um dem Rechnung zu tragen, haben wir diese Ausgabe unseres Magazins ZUKUNFT FORSCHUNG zu einem großen Teil den Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern gewidmet. Ihre Leistungen, ihre Vorstellungen und Träume, ihre Erlebnisse stehen im Mittelpunkt dieses Hefts. Und wir stellen ihre Forschungsvorhaben und -ergebnisse vor. Die Palette der Themen reicht dabei von der Latinistik über die pharmazeutische Forschung bis hin zu den Wirtschaftswissenschaften. Die diesjährige Auszeichnung von Barbara Kraus und Florian Schreck mit dem höchsten österreichischen Nachwuchspreis, dem STARTPreis, und von Francesca Ferlaino und Gregor Weihs mit dem ERC Starting Grant, dem wichtigsten europäischen Nachwuchspreis, bestätigt den erfolgreichen Weg unseres Forschungsnachwuchses und unterstreicht die führende Rolle der Universität Innsbruck als Forschungsuniversität. Diese Position wurde auch im internationalen Hochschulranking der Fachzeitschrift Times Higher Education bestätigt. Erstmals wurde die Universität Innsbruck dabei als beste österreichische Universität bewertet und als eine der weltweit 200 besten Universitäten gereiht. Die Grundlage dafür haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Lehre und Forschung gelegt, die
unter nicht immer einfachen Rahmenbedingungen eine international konkurrenzfähige Arbeit leisten. Beispiele finden Sie auch in dieser Ausgabe von ZUKUNFT FORSCHUNG. Um unseren erfolgreichen Weg fortsetzen zu können und auch im internationalen Vergleich weiter nach vorne zu kommen, brauchen wir jedoch bessere Rahmenbedingungen. Kurzsichtiges Sparen im Bereich von Wissenschaft und Bildung wird unsere Ziele hier nicht unterstützen, sondern schon sehr schnell dazu führen, dass wir zurückfallen werden. Das schadet nicht nur der Universität und ihren Studierenden, es schadet auch der Zukunft unserer Volkswirtschaft, denn Bildung und Forschung sind die Motoren für wirtschaftliches Wachstum und damit die Grundlage für eine positive Entwicklung und internationale Konkurrenzfähigkeit. Wie immer freuen wir uns über Ihre Fragen und Anregungen!
KARLHEINZ TÖCHTERLE, REKTOR TILMANN MÄRK, VIZEREKTOR FORSCHUNG
IMPRESSUM Herausgeber: Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Christoph-Probst-Platz, Innrain 52, 6020 Innsbruck, public-relations@uibk.ac.at, www.uibk.ac.at Projektleitung: Büro für Öffentlichkeitsarbeit und Kulturservice – Mag. Uwe Steger (us), Dr. Christian Flatz (cf) Medieninhaber & Verleger: ECHO Zeitschriften- und Verlags GmbH, Eduard-Bodem-Gasse 6, 6020 Innsbruck, www.echoonline.at Redaktion: David Bullock (db), Mag Daniel Sailer (ds); Layout & Bildbearbeitung: Thomas Binder; Fotos: Andreas Friedle, Universität Innsbruck; Druck: Alpina Druck GmbH, Haller Straße 121, 6014 Innsbruck
Foto: Andreas Friedle
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BILD DER WISSENSCHAFT
INHALT
TITELTHEMA ROUND TABLE.
Zwei junge Forscherinnen und zwei Nachwuchswissenschaftler der Universität Innsbruck diskutieren über ihre Karrierewege, unterschiedliche Arbeitsweisen und nächtliche Arbeitszeiten sowie die Probleme, ihre Fachgebiete am Stammtisch zu erklären. @ 8
SIGRID NEUHAUSER.
Ein Wurzelparasit begleitet die Mikrobiologin seit dem Beginn ihrer Karriere. 14
STEFANIE GAPP. Die Wirtschaftswissenschaftlerin widmet sich in ihrer Forschungsarbeit Entscheidungsprozessen. 15 KATRIN WINKEL.
Das scheinbar einfache Molekül Wasser, das immer noch viele Rätsel aufgibt, hat es der Chemikerin angetan.
8 TITEL. Die Nachwuchsforscherinnen und -forscher tragen einen wesentlichen Teil zu den Forschungsleistungen der Universität Innsbruck bei. ZUKUNFT FORSCHUNG stellt zehn von ihnen im Gespräch und in Porträts vor.
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BARBARA WEBER.
Die Informatikerin setzt sich mit Ideen und Konzepten der agilen Software-Entwicklung auseinander. 17
BEN MARZEION.
Mit speziellen Computermodellen untersucht der Geograf den Einfluss des Klimas auf tropische Gletscher. 18
ANDREAS MÜLLER. Auf Fragen des Völker- und Europarechts hat sich der Jurist spezialisiert. 19
26 ARCHITEKTUR. Der Bauhistoriker Rainer Graefe dokumen-
tiert in einem Forschungsprojekt die herausragenden Leistungen des russischen Ingenieurs Vladimir Grigor‘evič Šuchov.
FORSCHUNG STANDORT. FWF-Präsident Christoph Kratky über den Stellenwert der Grundlagenforschung in Österreich. 22 BOTANIK.
Pflanzen im Alpenraum haben durch Polyploidie – die Vermehrung der Chromosomensätze – klare Vorteile. 30
SPRACHUNTERRICHT. Innsbrucker Forscher untersuchen die Bedeutung des metalinguistischen Bewusstseins.
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ÖKOLOGIE. Wie sich Hitzewellen auf Mensch und Ökosystem auswirken, hängt auch von der Art der lokalen Bodenbedeckung ab. 37 RECHTSWISSENSCHAFTEN. Bewegen wir uns auf einen hypermodernen Rechtsstaat zu? Diese Frage diskutieren Juristen. @ 38
34 ARCHÄOLOGIE. Dem Leben indigener Bewohner sind Innsbrucker Archäologen auf dem Monte Iato im westsizilischen Binnenland auf der Spur.
RUBRIKEN EDITORIAL/IMPRESSUM 3 | BILD DER WISSENSCHAFT: NIGELLA SATIVA 4 | NEUBERUFUNG: JUSTUS PIATER 6 | FUNDGRUBE VERGANGENHEIT: DIE STERNWARTE 7 | BILDGLOSSAR: FORSCHUNGSOBJEKTE 20 | PATENTE & SPIN-OFFS 24 | MELDUNGEN 33 + 44 | CAST 40 | TRANSIDEE 43 | PREISE & AUSZEICHNUNGEN 45 | ZWISCHENSTOPP: NILS ANFINSET 48 | SPRUNGBRETT INNSBRUCK: CLAIRE GMACHL 49 | ZAHLEN & FAKTEN: NATURSTEINRESSOURCEN IN TIROL 50 @ Zu diesen Beiträgen finden Sie weitere Infos auf: www.uibk.ac.at/forschung/magazin/5/
Die Aufnahme zeigt die detaillierte Struktur (Ultrastruktur) der Samenschale des Echten Schwarzkümmels (Nigella sativa) bei 1000-facher Vergrößerung. Die Aufnahme wurde auf einem Philips XL20 Rasterelektronenmikroskop am Institut für Botanik der Universität Innsbruck
Fotos: Werner Kofler/Herbert Knapp (1), Andreas Friedle (2), Zürcher Ietas-Grabung (1) COVERFOTO: Andreas Friedle
von Werner Kofler und Dr. Herbert Knapp im Zuge von Forschungen zur Formenvielfalt und Ultrastruktur von Samen gemacht. Der echte Schwarzkümmel wird seit über 2000 Jahren als Gewürz und Heil@ mittel verwendet.
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NEUBERUFUNG
ROBOTER LERNEN LERNEN Der Informatiker Justus Piater arbeitet daran, dass sich Roboter „nützliches Weltwissen“ selbstständig aneignen können. ZUR PERSON
Justus Piater studierte in Braunschweig sowie Magdeburg und schloss 1994 mit dem Diplom ab. An der University of Massachusetts machte er einen M.Sc. und einen Ph.D. in Computer Science, danach war er beim Forschungsinstitut INRIA Rhône-Alpes, ehe er 2002 Professor für Informatik an der Université de Liège in Belgien wurde. Seit September 2010 ist er Professor am Institut für Informatik in Innsbruck.
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an denkt unweigerlich an den Film „I, Robot“, wenn man mit Justus Piater, seit Kurzem Professor für Informatik mit Schwerpunkt „Intelligente Systeme“ an der Universität Innsbruck, über sein Forschungsgebiet spricht. Doch während in dem Science-FictionKrimi der Roboter Sonny, der neben seiner logischen Zentraleinheit eine zweite Zentraleinheit für Emotionen besitzt, lernen muss, mit diesen Emotionen umzugehen, denkt Piater an eine andere „Zentraleinheit“. Ihm geht es darum, wie man Roboter oder Maschinen mit computerbasierten Fähigkeiten ausstatten kann, sodass diese selbstständig etwa durch Interaktion, Experimentieren oder Beobachten lernen können.
GROSSE ZIELE Ausgangspunkt für Piaters Forschungsgebiet war sein Interesse an Bildverarbeitung, das sich immer mehr in Richtung visuelle Wahrnehmung zu Zwecken der Interaktion orientierte – wobei ihn immer der Aspekt der künstlichen Intelligenz gereizt hat. Die menschliche Wahrnehmung funktioniert extrem robust und effizient, weil sie sich – zusätzlich
zu den Sinneseindrücken – unser Allgemeinwissen und Verständnis unseres Umfelds massiv zu Nutzen macht. Unsere Umgebung stellt alle Informationen zur Verfügung, aber wir müssen im Alltag nur wenig auf sie zugreifen, um uns zurechtzufinden. „Es geht mir darum, solche Informationen, die für Interaktion hilfreich sind, aus Bildern herauszuholen“, erzählt Piater, dessen bisherige Forscherlaufbahn unter anderem ein FulbrightStipendiat in den USA, ein Marie-Curie-Stipendiat in Frankreich und ein Jahr als Gastwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik in Tübingen beinhaltet. In Innsbruck will er sich nun, wie er sagt, auf die großen Ziele konzentrieren, die durch sein Interesse an der semantischen Interpretation visueller Wahrnehmungsinhalte bedingt sind: autonome Systeme zu konstruieren, die sich in unstrukturierten, für Menschen gemachten Umgebungen zurechtfinden und nützlich machen, beispielsweise für wissenschaftliche Exploration oder in der Form von Haushaltsrobotern. Sozusagen eine Ausgangssoftware zu entwickeln, die es Robotern möglich machen soll, sich „nützliches Weltwissen“ selbstständig anzueignen. ah
Fotos: Andreas Friedle
FUNDGRUBE VERGANGENHEIT
STERNENJÄGER Der Bau der ersten Sternwarte in Innsbruck war eine Privatinitiative des Astronomen Egon von Oppolzer – und bildete die Grundlage für die heutige Forschung am Institut für Astro- und Teilchenphysik.
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s war sozusagen ein Glücksgriff für die Universität Innsbruck. Nach dem Tod von Eduard von Haerdtl im Jahr 1897 war der erst fünf Jahre zuvor eingerichtete Lehrstuhl für Theoretische Astronomie wieder verwaist – und eine Nachbesetzung war ohne eigene Sternwarte schwierig. Für Egon von Oppolzer war es allerdings eine Chance. „Ich ziehe es vor in Innsbruck ernannt zu werden vornehmlich deshalb, weil mir dieser Ort besser geeignet erscheint zur Aufstellung meines im Bau befindlichen Zenitteleskopes“, erklärte er im Jahr 1901 und nahm die Stelle eines Außerordentlichen Professors in Innsbruck an. Ab 1904 begann er mit dem Bau einer Sternwarte im heutigen Innsbrucker Stadtteil Hötting, den er aus eigenen Mitteln finanzierte – unter anderem verkaufte er seine wertvolle Gemäldesammlung. Und die Sternwarte konnte sich sehen lassen, mit ihren – zum Großteil noch erhaltenen – Instrumenten war sie bei Inbetriebnahme die modernste in Österreich. Die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften finanzierte ein Zeiss-Spiegelteleskop mit 40 Zentimetern Öffnung, das als eines der ersten mit einer Entlastungsmontierung versehen war. Und dann war da noch das nach Plänen Oppolzers gebaute Zenitteleskop, das für die Beobachtung der Polhöhenschwankung gedacht war. Oppolzer selbst konnte allerdings nicht lange in der Sternwarte arbeiten. 1906 zum Ordentlichen Professor ernannt, starb er schon 1907 an einer Blutvergiftung.
GRUNDLAGE EINER ENTWICKLUNG
Die Sternwarte in Hötting wurde 1904 von Egon von Oppolzer errichtet (ob.). Nach seinen Plänen wurde auch das Zenitteleskop gebaut (Mitte). 1905 kam ein 40-ZentimeterSpiegelteleskop dazu (un.).
Fotos: Volker Witt (4)
Zwei Jahre später kaufte der Staat den Erben Oppolzers die Sternwarte ab und gliederte sie in die Universität Innsbruck ein – sie sollte lange die einzige in Innsbruck bleiben. Seit 1996 besitzt das heutige Institut für Astro- und Teilchenphysik eine moderne Sternwarte im Viktor-Franz-Hess-Haus am Technikareal. Zwei Grundlagen für Forschung und Lehre am – von Prof. Sabine Schindler geleiteten – Institut, das mit der Berufung von Olaf Reimer im Jahr 2009 eine zweite Professur erhalten hat. Der Beitritt Österreichs zur ESO (Europäische Südsternwarte) im Jahr 2008 ermöglicht den heimischen Forschern heute den Zugang zu den weltweit leistungsfähigsten Großteleskopen – eine Entwicklung, deren Ausgangspunkt auch die Privatinitiative von Egon von Oppolzer war. ah
EGON VON OPPOLZER Der 1869 in Wien geborene Egon von Oppolzer entstammte einer Gelehrtenfamilie. Sein Großvater Johann war Arzt und wichtiger Vertreter der Zweiten Wiener Medizinischen Schule, sein Vater Theodor Astronom. Egon von Oppolzer studierte in Wien mathematische Wissenschaften und forschte ab 1897 an der Sternwarte in Prag. Nach seiner Habilitation lehnte er eine Stelle als Astronom in Prag ab und entschied sich 1901 für eine (anfangs unbezahlte) Stelle als Extraordinarius in Innsbruck. In seiner wissenschaftlichen Arbeit beschäftigte sich Oppolzer unter anderem mit Fragen der Sonnenphysik und der Polhöhenschwankung. Am 15. Juni 1907 starb Oppolzer überraschend an den Folgen einer Blutvergiftung.
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INTRINSISCH MOTIVIERT Zwei junge Forscherinnen und zwei Nachwuchswissenschaftler der Universit채t Innsbruck 체ber ihre Karrierewege, unterschiedliche Arbeitsweisen und n채chtliche Arbeitszeiten sowie die Probleme, ihre Fachgebiete am Stammtisch zu erkl채ren. Foto: Andreas Friedle
TITELTHEMA
Round Table zum Thema Nachwuchsforschung: Johann G. Danzl, Julia Hautz, Daniela Schuster und Florian Schaffenrath. (v.li.)
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ZUKUNFT: Herr Danzl, Sie haben sowohl Medizin
als auch Physik studiert. Nun denkt man bei einem Medizinstudium doch an eine anschließende Karriere als Arzt, Sie sind jetzt aber am Institut für Experimentalphysik. Wie kam es dazu? JOHANN G. DANZL: Ich hatte immer ein starkes Interesse an fundamentalen Zusammenhängen. Begonnen habe ich mit Medizin, die auf der einen Seite den Arztberuf möglich macht, auf der anderen aber auch eine breite Ausbildung in biomedizinischen und humanwissenschaftlichen Bereichen bietet. Nach zwei Studienjahren entstand der Wunsch, tiefer in die Naturwissenschaft zu gehen und so begann ich, parallel Physik zu studieren. Nach Abschluss des Medizinstudiums wollte ich mir eine solide Grundlage in Experimentalphysik erarbeiten, die Wahl fiel auf die Quantenphysik. Daraus ergab sich ein sehr spannendes wissenschaftliches Projekt, und diese Herausforderung wollte ich dann auch annehmen. ZUKUNFT: Sie haben ein Projekt erwähnt, an dem Sie mitgearbeitet haben. Ist eine wissenschaftliche Karriere für junge Forscher ohne diese Projekte eigentlich möglich? FLORIAN SCHAFFENRATH: Ohne die Möglichkeit, über Projekte an der Uni zu bleiben, wäre es
bei mir nicht gegangen. Wir sind ein kleines Institut, insofern ist der Pool an zur Verfügung stehenden Stellen gering. In meinem Fall war dann ein FWF-Projekt der Startschuss. Ich konnte publizieren, war auf Kongressen und bin langsam in den Wissenschaftsbetrieb hineingewachsen. ZUKUNFT: Sie kommen aus einer Studienrichtung, die sehr viele Studierende hat. War es dort schwieriger, im Wissenschaftsbetrieb Fuß zu fassen? JULIA HAUTZ: Auch bei uns sind die Ressourcen relativ beschränkt. Die meisten meiner bisherigen Stellen waren Stipendien- und Drittmittelstellen. Auch in der Zukunft wird viel davon abhängen, ob ich weiter Drittmittel generieren kann. Vom Verlauf her war es aber auch auf der SoWi ähnlich – ein sehr interessantes Diplomarbeitsprojekt, bei dem es durch den Betreuer ermöglicht wurde, weiter daran zu arbeiten. Das konnte ich mit der Dissertation verbinden, während dieser Zeit haben sich neue Projektmöglichkeiten ergeben usw. ZUKUNFT: Wie ist das bei den Pharmazeuten? DANIELA SCHUSTER: Pharmazeuten haben oft die Apotheke im Hinterkopf, vor allem zu Studienbeginn, da viele nicht wissen, was im Forschungsbereich möglich ist. Spätestens im letzten Studiendrittel öffnen sich viele Türen. Für mich
Fotos: Andreas Friedle (2)
TITELTHEMA
Florian Schaffenrath, geboren 1978 in Innsbruck, absolvierte von 1996 bis 2000 das Lehramtsstudium der Klassischen Philologie in Heidelberg, Innsbruck und Siena. Nach dem Probejahr begann er sein Doktoratsstudium an der Universität Innsbruck. 2005 promovierte er sub auspiciis praesidentis rei publicae mit einer Arbeit über das epische Gedicht „Columbus“ des Jesuiten Ubertino Carrara. Als Forschungsassistent wirkte Schaffenrath ab 2002 am FWF-Projekt „Geschichte der Lateinischen Literatur in Tirol“ mit. Er ist seit mehreren Jahren wissenschaftlicher Mitarbeiter und seit September 2010 Assistenzprofessor am Institut für Sprachen und Literaturen. Zu seinen Forschungsinteressen zählen neben dem neulateinischen Epos und der neulateinischen Literatur u.a. die allegorische Homerinterpretation, die Schriften des Marco Polo sowie die Philippischen Reden Ciceros, mit denen er sich in seinem Habilitationsvorhaben beschäftigt. Er erhielt zweimal den „Würdigungspreis für hervorragende Studienleistungen“ des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft.
war es nicht so schwierig, in die Wissenschaft hineinzukommen. Es gab viele Projekte, die Konkurrenz war aber auch nicht so groß, da eben viele in die Apotheke gehen. Insofern bleiben uns weniger Wissenschaftler als wir gerne hätten. DANZL: Das ist ein wesentlicher Punkt – die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern. Schon auf der Ebene eines Nachwuchswissenschaftlers ist dies ein wichtiger Punkt für den Erfolg. Und da ist es nicht so, dass die guten Leute Schlange stehen. Gute Leute, die begeistert sind, Ideen haben, etwas weiterbringen wollen, sind immer willkommen. ZUKUNFT: Kann es auch daran liegen, dass man heute für eine wissenschaftliche Karriere von sich aus aktiv und flexibel sein muss – und dass dies junge Leute abschreckt? SCHUSTER: Das Problem ist sicher der Einstieg. Ein Projekt wird eingereicht, dann wird es genehmigt oder nicht, wenn es genehmigt wird, gibt es eine Frist, bis es losgeht. Da muss man sozusagen Stand-by stehen, muss auch spontan sein. Wenn ein Projekt läuft, sich neue Ressourcen auftun, dann geht es besser. ZUKUNFT: Kann man heute noch von einer klassischen Wissenschaftslaufbahn sprechen? DANZL: In den Naturwissenschaften ist es gang und gäbe und auch sinnvoll, sich unterschiedliche Dinge anzuschauen. Eine durchgängige Karriere von Diplomarbeit, Dissertation usw. an einem Institut ist nicht mehr die Regel, die Laufbahn spielt sich auf verschiedenen Instituten ab. Daher ist es wichtig, dass diese eine gute Ausgangslage für zukünftige Aufgaben bieten. Es ist eine wichtige Zeit, sich in eine gute Position zu bringen, um später eigene Dinge erforschen zu können. Daher ist es sinnvoll, sich gute Gruppen, gute Unis auszusuchen. Und für die österreichischen Unis ist es wichtig, dass man sich an den besten orientiert, um Das gesamte Interview finden Sie auf www.uibk.ac.at/forschung/magazin/5/
für sehr gut qualifizierte (Nachwuchs-)Forscher attraktiv zu sein. SCHAFFENRATH: Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem natur- und dem geisteswissenschaftlichem Betrieb ist der, dass bei den Naturwissenschaften die Eingliederung in eine Forschungsgruppe sehr wichtig ist. In den Geisteswissenschaften ist es doch immer noch die Einzelleistung – ich kann mir kein Team anstellen, das für mich ein Buch liest. Lesen muss ich es selbst. Für den Geisteswissenschaftler gibt es nach dem Doktorat eigentlich nur eine Aufgabe – die Habilitation. Und diese schreibt man nicht mit einem Team, das macht man in den Nachtstunden allein. DANZL: Trotzdem ist es wichtig, dass man gute Rahmenbedingungen, starke Diskussionspartner, eine intellektuell stimulierende Umgebung hat – und da ist die Parallelität gegeben. HAUTZ: Bei uns ist eine Habilitation kaum zu schaffen, wenn man alleine arbeitet. Der Trend geht weg von der Monografie hin zu kumulativem Arbeiten. Es geht darum, eine Anzahl von Journal Papers zu erreichen – wenn man das in einer gewissen Zeit schaffen will, geht es nicht ohne Team. Leute, die andere Methoden, einen anderen Zugang zu Daten oder einen anderen Theorieansatz haben. Wir arbeiten daher sehr stark in Teams. Dazu kommt noch die internationale Vernetzung, man schaut weltweit, wer am besten weiterhelfen kann. Daher ist es wichtig, ins Ausland zu gehen, internationale Konferenzen zu besuchen usw. SCHUSTER: Im Bereich der Life Sciences ist es innerhalb der Arbeitsgruppe wichtig, dass man zusammenarbeitet und sich Methoden beibringt. Fast noch wichtiger aber ist die interdisziplinäre Schiene. Die einen machen bestimmte Messungen im Labor, im nächsten Labor werden andere Messungen durchgeführt. Die Ergebnisse fließen zusammen, werden gemeinsam ausgewertet, man tritt in einen regen internationalen Dialog mit anderen
ZITIERT „Das Problem bei der wissenschaftlichen Laufbahn ist sicher der Einstieg. Ein Projekt wird eingereicht, dann wird es genehmigt oder nicht, wenn es genehmigt wird, gibt es eine Frist, bis es los geht. Da muss man sozusagen Stand-by stehen, muss auch spontan sein.“ Daniela Schuster
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Arbeitsgruppen. Das ist notwendig, um sinnvoll Forschung zu betreiben. DANZL: Bei uns ist Teamarbeit das Um und Auf – eine sehr gute Zusammenarbeit besteht mit Theoretischen Physikern in Europa und den USA und besonders auch in Innsbruck, wir publizieren auch mit ihnen. Wir holen uns dort zusätzliche Expertisen für unsere Experimente. ZUKUNFT: Sie waren fast alle während des Studiums im Ausland. Ist das heute notwendig für eine spätere wissenschaftliche Laufbahn? SCHAFFENRATH: Ich kann es nur unterstützen. Es bringt sehr viel, wenn man schaut, wie der BeDie 1984 geborene Tirolerin Julia Hautz studierte nach der Matura an der HTL für Bau & Kunst in Innsbruck Internationale Wirtschaftswissenschaften an der Universität Innsbruck. Nach zwei Auslandssemestern in den USA und Abschluss ihres Diplomstudiums 2007 beendete Hautz das Doktorat der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften 2010 und ist nun Kandidatin für eine subauspiciis-Promotion. Nach Tätigkeiten als Lehrbeauftragte, wissenschaftliche Mitarbeiterin und zuletzt als DOC-Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus ist Julia Hautz seit September 2010 dort als Postdoc beschäftigt. In ihrer Forschung beschäftigt sich die bereits mehrfach ausgezeichnete Nachwuchswissenschaftlerin mit Fragen der Kundenintegration durch Online Communities aus der Sozialen Netzwerk Perspektive. Ein weiteres ihrer Forschungsfelder betrifft die Rolle kontextspezifischer, wirtschaftlicher und institutioneller Einflussfaktoren auf Strategieentscheidungen von Großunternehmen.
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trieb woanders funktioniert. Es relativiert auch sehr viel. Es ist aber immer mit einem Zeitverlust im eigentlichen Studium verbunden. HAUTZ: Bei mir war der Auslandsaufenthalt mit keinem Zeitverlust verbunden, das war aber der Spezialfall von „Internationale Wirtschaftswissenschaften“ mit einem Pflichtjahr im Ausland. Ein Grund für mich, das IWW-Studium zu wählen, und ich kann es nur jedem empfehlen. Man hat dadurch eine super Chance, andere Blickwinkel und Kulturen kennenzulernen. Es ergeben sich dadurch auch oft Zusammenarbeiten, die sich dann später fortsetzen. ZUKUNFT: Fällt es Ihnen eigentlich schwer, am Stammtisch zu erklären, was Sie arbeiten? SCHAFFENRATH: Es ist nicht so, dass die Leute mit Latein und Griechisch nichts anfangen können. Das Problem ist aber oft, dass es mit Schule und dem früheren „Disziplinierungsfach“ Latein verbunden wird. Dass es ein Forschungsfach ist, in dem man neue Gebiete entdecken kann, mit neuen Theorien an die Texte herangeht, ist schwieriger zu erklären. Es hängt auch von der Uhrzeit ab, aber es geht. HAUTZ: Es ist auch zu einer frühen Uhrzeit schwierig zu erklären. Der Beruf an der Uni wird allgemein zuerst stark mit Lehre assoziiert. In meinem speziellen Fall geht es in der Forschung viel
um Innovationsmanagement und Kundenintegration in Innovationsprozesse. Da kann man ganz gut mit Beispielen arbeiten: Zum Beispiel gibt es im Internet Tools, mit denen man sich Turnschuhe selbst designen kann – und wir untersuchen dann, wie sich das für Kunden und Unternehmen auswirkt. SCHUSTER: Früher war es schwieriger, heute geht es besser – es gibt ja CSI. Wenn ich sage, dass ich Computermodelle zur Vorhersage von bestimmten Aktivitäten von Molekülen erstelle, kann man sich das wie bei CSI vorstellen: Computersimulation, bei denen in den Menschen hineingezoomt wird. Bei mir sind die Untersuchungsobjekte halt kleiner. Mehr ins Detail gehe ich dann aber nicht mehr. DANZL: In der Regel stoße ich auf sehr gute Resonanz. Die Menschen sind fasziniert, wenn man sagt: Man schaut, was möglich ist, versucht neue Systeme für die Untersuchung zu erschließen, um zu testen, ob unsere Modelle von der Wirklichkeit stichhaltig sind. Natürlich liefere ich Beispiele. Wozu braucht es die Kontrolle von Quantenzuständen schon heute – z. B. für moderne Atomuhren. SCHAFFENRATH: Ihr habt es etwas leichter. Die Naturwissenschaften, speziell die Physik und die Ökonomie sind heute die Leitwissenschaften – sie sind in keiner Verteidigungssituation. DANZL: Man muss aber schon erklären, dass es etwas bringt. Sonst heißt es: Warum soll unser wertvolles Geld in etwas investiert werden, das weit weg von einer Anwendung ist? Warum nicht nur industriegetriebene Forschung machen? Wesentlich ist hier auch der Ausbildungscharakter. Bestens ausgebildete, hoch innovative Arbeitskräfte sind eine Schlüsselressource für Unternehmen im Innovationswettstreit. ZUKUNFT: Viele Wissenschaftler arbeiten in der Nacht. Ist das bei Ihnen auch so? SCHUSTER: Da hat man Ruhe. Untertags hat man viele Besprechungen, man macht Lehre. HAUTZ: Wenn es Deadlines gibt, ist es egal, ob man schon 40 Stunden gearbeitet hat – auch wenn Wochenende ist, es muss fertig werden. Und es hört nicht auf. Wenn eine Deadline vorbei ist, kommt die nächste. Man sagt zwar immer, jetzt kommt eine ruhigere Zeit, ich schraube etwas zurück – nur kommt sie dann meistens doch nicht. SCHAFFENRATH: In einem forschenden Umfeld ist die 40-Stunden-Woche vollkommen nebensächlich. Im Büro verwaltet man, beantwortet E-Mails, man wird angerufen etc. Daher verlagert man diese Forschung in die Abend- und Nachtstunden: Da hat man am Stück mehrere Stunden, um einen Gedanken zu fassen, ihn zu formulieren, ihn abzuwägen. Auf diese Zeit ist man angewiesen, und
Fotos: Andreas Friedle (3)
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Der Experimentalphysiker Johann G. Danzl beschäftigt sich mit ultrakalten Molekülen. Im Labor lassen sich damit grundlegende Fragestellungen der Physik und der Chemie modellhaft untersuchen. So gelang es Danzl und seinem Team eine beinahe auf den absoluten Temperaturnullpunkt abgekühlte Molekülwolke in den inneren Grundzustand, also den energetisch tiefsten Quantenzustand, zu bringen. Dabei haben die Physiker alle Freiheitsgrade eines Moleküls auf quantenmechanischer Ebene vollständig unter Kontrolle: die äußere Bewegung, den elektronischen Zustand, die innere Schwingung und Rotation des Moleküls sowie die sogenannte Hyperfeinstruktur. Johann G. Danzl wurde 1978 in Kitzbühel geboren und studierte in Innsbruck Medizin und Physik. Er promovierte 2005 in Medizin und 2010 in Physik. Danzl forscht in der Arbeitsgruppe um Wittgenstein-Preisträger Prof. Rudolf Grimm und START-Preisträger Prof. Hanns-Christoph Nägerl am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und wurde für seine Arbeit unter anderem mit dem Liechtensteinpreis ausgezeichnet.
das ist auch gut so, wir arbeiten nicht mit einer Stechuhr. DANZL: Es ist ja auch die Frage, wie man bei einem Forscher die Arbeitszeit quantifiziert. Wenn ich irgendwo sitze und nachdenke – das ist ja de facto Arbeitszeit wie im Labor. ZUKUNFT: Die Begeisterung am jeweiligen Fach ist die Triebfeder. Passt auch das Umfeld? HAUTZ: Wir hatten an der Betriebswirtschaftlichen Fakultät vor Kurzem eine internationale Evaluierung, die Kollegen waren aus der Schweiz, aus England und Deutschland. Ein Kommentar der Kommission nach der Evaluierung war, dass die Mitarbeiter an der Fakultät unglaublich intrinsisch motiviert sein müssen, wenn man die Budgetsituation mit dem Output vergleicht. SCHAFFENRATH: Das sollte man aber durchaus auch etwas kritisch sehen. Natürlich sind wir motiviert. Es ist aber verlockend und es wird auch getan, statt eine Stelle zu vergeben, diese zu teilen – man unterstützt ja dann zwei Leute. Diese arbeiten dann aber nicht 20 Stunden an der Uni und 20 Stunden woanders. In den meisten Fällen sind die Leute so begeistert und so motiviert, dass man mit einer halben bezahlten Stelle mehr herausholt. Das kann sich unter Umständen Richtung Prekariat entwickeln.
DANZL: Die Motivation, sich voll einzubringen,
kommt aus der Begeisterung. Im Gegenschluss heißt das aber nicht, dass man sagen kann, Forscher arbeiten sowieso. Es macht für die Gesellschaft und die Unis sehr Sinn, dass man attraktive Karrierewege vorzeichnet und möglich macht. Nur darauf zu vertrauen, dass die Wissenschaftler aus Freude arbeiten, könnte unter Umständen zur falschen Selektion führen. Es könnte passieren, dass die „In einem forschenden Umfeld ist Leute mit sehr guten Angeboten aus anderen Bereichen die 40-Stunden-Woche vollkomfür den akademischen Bereich men nebensächlich.“ Florian Schaffenrath verloren gehen. Und das wäre sehr schade, wenn bestens qualifizierte Leute abwandern. SCHUSTER: Man darf nicht vergessen, dass wir noch jung sind. Irgendwann will oder kann man nicht mehr 60 Stunden arbeiten. HAUTZ: Die Menschen werden heute auch immer flexibler und mobiler. Österreich ist nicht mehr das einzige mögliche Umfeld für einen Arbeitsplatz. Man hat die Möglichkeit festzustellen, wo es in seinem Fachbereich die besten Bedingungen gibt um dann dorthin zu gehen – denn irgendwann ist intrinsische Motivation allein nicht mehr genug. ah
Die 1978 in Innsbruck geborene Daniela Schuster studierte an der Uni Innsbruck Pharmazie. Ihre Diplomarbeit verfasste sie bei Prof. Thierry Langer am Arbeitsbereich Pharmazeutische Chemie, wo sie 2006 auch ihre Doktorarbeit abschloss. Danach war sie als Postdoc beim Spin-off Unternehmen Inte:Ligand sowie an den Universitäten Innsbruck und Erlangen tätig. Für ihre Forschungen wurde Schuster 2006 mit dem Preis der Dr. Maria Schaumayer Stiftung und 2007 mit dem Georg und Christine Sosnovsky-Preis ausgezeichnet. Als erste Forscherin wird die Pharmazeutin im neuen Erika-Cremer-Habilitationsprogramm der Universität Innsbruck gefördert. Dieses Karriereförderprogramm steht hervorragend qualifizierten Wissenschaftlerinnen aller Fachdisziplinen offen. In ihrem Habilitationsprojekt beschäftigt sich Daniela Schuster mit den schädlichen Einflüssen von Umweltchemikalien. Sie sammelte bereits Literaturdaten zu rund 76.000 Umweltchemikalien und deren möglichen pharmakologischen Angriffspunkten. Diese Daten dienen ihr zur Erstellung von theoretischen Modellen, die computerunterstützt die Störung des Hormongleichgewichts durch Chemikalien vorhersagen sollen.
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WURZELARBEIT Sigrid Neuhauser forscht seit 2008 im Rahmen eines HerthaFirnberg-Projekts am Institut für Mikrobiologie. Ein Wurzelparasit begleitet sie bereits seit dem Beginn ihrer Karriere.
ZUR PERSON Sigrid Neuhauser wurde 1980 in Rum geboren und studierte bis 2005 Biologie an der Universität Innsbruck. 2007 schloss sie ihr Doktoratsstudium am Institut für Mikrobiologie ab. Seither forscht sie hier als Postdoc mit ihrer eigenen kleinen Arbeitsgruppe. 2009 erhielt sie den Eduard-Wallnöfer-Preis und erreichte Platz 2 bei der Endausscheidung von FameLab Österreich.
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orosphaera viticola ist ein pathogener Mikroorganismus, der die Wurzeln von Weinreben befällt. Ihre Entdeckung, genauer gesagt, ihre offizielle Beschreibung im Jahr 2005 markiert zugleich den Beginn der wissenschaftlichen Laufbahn von Sigrid Neuhauser. „Ich habe in der Endphase meines Biologiestudiums ein Praktikum am Institut für Mikrobiologie gemacht. Damals hat Martin Kirchmair mit Kollegen aus Deutschland Sorosphaera viticola entdeckt und suchte jemanden, der sie bearbeitet und charakterisiert“, schildert Neuhauser. „So bin ich zu diesem Gebiet gekommen und dabei geblieben.“ Obwohl ihre erste Begegnung mit Pflanzenpathogenen eher zufällig war, ist Neuhausers Faszination für diesen Forschungsgegenstand immer noch ungebrochen. Auch in ihrer Dissertation hat sie sich mit parasitären Krankheitserregern im Weinbau beschäftigt, im Vordergrund stand darin eine Schimmelart, die ebenfalls an den Wurzeln von Weinreben entsteht. „Die Sorosphaera ist eigentlich mehr nebenher gelaufen“, erzählt die Nachwuchswissenschaftlerin, die während ihres Doktoratsstudiums in mehreren Projekten mitgewirkt hat. „Ich war über verschiedene Projekte angestellt und habe mich
unter anderem mit Pilzen in Innenräumen, mit holzzerstörenden Pilzen, aber auch mit biologischer Schädlingsbekämpfung beschäftigt“, sagt Neuhauser. Sie beschreibt diese Arbeitsphase als extrem nervenaufreibend, aber auch als gewinnbringend: „Ich habe absolut profitiert, Einblick in verschiedene Bereiche bekommen und gelernt, wie man Projekte beantragt und umsetzt.“ So gelang es ihr auch unmittelbar nach Abschluss des Doktorats, ein Hertha-Firnberg-Projekt zu bekommen, in dem wiederum Sorosphaera viticola im Mittelpunkt steht. „Das Spannende an Sorosphaera ist, dass sie zur Gruppe der Plasmodiophoride zählt, in der es sehr viele Pflanzenpathogene gibt. Zum Beispiel den Erreger für die sogenannte Kohlhernie, die weltweit für zehn Prozent des Kohlernteausfalls verantwortlich ist“, verdeutlicht sie. Während alle anderen Plasmodiophoride einjährige Pflanzen besiedeln, ist Sorosphaera das ganze Jahr über zu finden. Ihr Verhalten in der Wirtspflanze ist anders und wird im Rahmen des Hertha-Firnberg-Projekts genau erforscht.
AUFSCHLUSSREICHE ARTEN Neuhauser tüftelt außerdem an einer neuen Taxonomie der Plasmodiophoride. Diese über 40 Arten zählende Gruppe ist nicht, wie lange vermutet, den Pilzen zuzurechnen, sondern mit Foraminiferen – Mikroorganismen aus dem Meer – verwandt. „Von den zahlreichen Arten sind nur jene besser erforscht, die Wirtschaftspflanzen befallen. Andere Plasmodiophoride besiedeln zum Beispiel die Wurzeln hochalpiner Gräser oder auch Braunalgen. Wir vermuten, dass es sich um eine uralte Gruppe handelt. Aus ihrer Erforschung lassen sich unter Umständen evolutionsbiologische Rückschlüsse ziehen“, erklärt Neuhauser, die auch künftig auf diesem Gebiet arbeiten will. Nach Ende des Hertha-Firnberg-Programms 2011 ist ein Auslandsaufenthalt in Großbritannien geplant. Anschließend möchte sie an die Uni Innsbruck zurückkehren. Und das nicht nur aus Heimatverbundenheit: „Wir haben im Bereich der Mykologie hier in Innsbruck sehr viel Expertise, eigentlich sogar eine Monopolstellung“, so Neuhauser. ef
Fotos: Andreas Friedle
TITELTHEMA
EIN BILD SCHAFFEN Die Wirtschaftswissenschaftlerin Stefanie Gapp untersucht Entscheidungsprozesse. Dabei versucht sie einen gesamtgesellschaftlichen Blick zu wahren.
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ielleicht nicht neue, aber andere Wege durch das wissenmit Laborversuchen gearbeitet wird, beschreibt eine politikwissenschaftliche Dickicht der Forschung zu finden, ist das, was schaftliche Methode Umfrageauswertungen, und volkswirtschaftjunge Forscher auszeichnet. An der Universität Innsbruck liche Zugänge arbeiten unter Umständen mit psychologischen finden sich diese „jungen Wilden“ in jeder Fachrichtung, auf jedem Komponenten. Drei Zugänge, drei Beobachtungen und am EnInstitut, jeder Fakultät. Stefanie Gapp, Projektleiterin am Institut de vielleicht drei Ergebnisse. Stefanie Gapp sucht einen anderen für Finanzwissenschaft, ist eine solche junge Forscherin, die anBlickwinkel, ohne ihren wirtschaftswissenschaftlichen aus den dere Wege beschreitet. Ein Stichwort, das als ihre Wegmarkierung Augen zu verlieren, denn „es ist bereichernd, die Perspektive zu dient, ist Interdisziplinarität. Allein ihr derzeitiges Forschungsgewechseln“, so die junge Wissenschaftlerin, die meint, dass oft das biet, die Inhalte, mit denen sie sich beschäftigt, nämlich Entschei„große Bild“ fehle. Sie ist überzeugt, dass mehrere Zugänge ein dungsfindungs- und Kooperationsprozesse von Männern, Frauen besseres Ergebnis zeitigen würden. „Die Fragestellung wird bei und Gruppen, enthält bereits die Vorgaben: „Die Kooperationsbeeiner Spezialisierung immer enger“, meint Gapp und findet, dass reitschaft und Entscheidungsprozesse sind an sich so komplexe sich diese verschiedenen Methoden gut ergänzen würden und Themengebiete, die nicht nur Auswirkungen auf wirtschaftliche man bessere Studien designen könnte. Zusammenhänge haben“, erklärt die diplomierte Volkswirtin, Doch auch sie stößt dabei auf strukturelle Grenzen. Nicht nur, die zudem einen Abschluss in Internationalen Wirtschaftswissendass etwa bei Anträgen für Fördermittel klare Zugehörigkeiten schaften vorweisen kann und gleichzeitig noch das Studium der definiert werden müssen, sondern auch Veröffentlichungen in Politikwissenschaft absolviert. Wähspezifischen Fachjournalen ausschlagrend Entscheidungs- und Kooperagebend sind. Für ihren Abschluss ZUR PERSON tionsprozesse alle gesellschaftlichen, in Politikwissenschaft hofft Stefanie wirtschaftlichen und politischen VorGapp, einen Betreuer zu finden, der Stefanie Gapp ist Projektleiterin am Institut für gänge betrifft, ist die wissenschaftliche ihren methodischen Zugängen entFinanzwissenschaft an der Universität Innsbruck. Ihr Untersuchung dieser Prozesse an Vorspricht. Stefanie Gapp sucht ihren aktuelles Projekt beschäftigt sich mit dem Einfluss gaben, an wissenschaftliche Methoden, eigenen wissenschaftlichen Weg, der des Geschlechts bzw. der Information über das gebunden, die sich mehr oder weniger breiter angelegt ist, denn es sei, wie Geschlecht der Interaktionspartner auf das Arbeitunterscheiden. Während etwa in den sie sagt, „vielleicht Zeit, etwas Neues nehmer/Arbeitgeber-Verhältnis. Derzeit arbeitet die Wirtschaftswissenschaften vermehrt zu schaffen“. db 28-jährige Tirolerin an ihrer Dissertation.
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GRENZ- I GÄNGERIN Katrin Winkel vom Institut für Physikalische Chemie ist den Geheimnissen des Wassers auf der Spur. Das scheinbar einfache Molekül gibt noch immer zahlreiche Rätsel auf.
n ihrer Doktorarbeit an der Universität Innsbruck hat Katrin Winkel ein verändertes Verfahren zur Herstellung von amorphem Eis entwickelt. Die kristalline Struktur des Eises geht dabei verloren, die Wassermoleküle reihen sich ungeordnet aneinander. Das bei tiefen Temperaturen mit hohem Druck erzeugte Eis ist im Gegensatz zu früher verwendeten Verfahren thermisch besonders stabil. „Dadurch hat sich für uns ein neues Messfenster aufgetan“, erzählt die junge Forscherin begeistert. „Wir können nun viele Experimente wiederholen, die bisher gescheitert waren, weil die Struktur des Eises zu instabil war.“ Das große Ziel der Nachwuchswissenschaftlerin ist es, eine Erklärung für die vielen Anomalien des Wassers zu finden. „Wasser hat viele Eigenschaften, die wir sonst bei anderen Flüssigkeiten selten finden, wie das Ausdehnen beim Gefrieren oder das Dichtemaximum bei vier Grad Celsius“, sagt Winkel. Insgesamt gibt es über 60 solcher Anomalien des Wassers. „Seit Langem suchen Forscher in der ganzen Welt nach möglichen Erklärungen. Mit unseren Experimenten liefern wir Anhaltspunkte dafür.“ Konkret sucht die Forscherin in dem von ihr hergestellten Eis nach einem Übergang vom amorphen in den flüssigen Zustand. Nur wenn diese Flüssigkeit existiert, ist sichergestellt, dass amorphes Eis tatsächlich eine eingefrorene Flüssigkeit ist. „Das amorphe Eis könnte auch nanokristallin sein, das heißt, aus vielen kleinen Eiskristallen bestehen, die willkürlich zueinander angeordnet sind, was wir mit den uns zur Verfügung stehenden Methoden nicht nachweisen können“, so Katrin Winkel.
GRENZBEREICH Mit ihren Forschungen bewegt sich die Hertha-FirnbergStipendiatin des Wissenschaftsfonds FWF im Grenzbereich von Physik und Chemie. Als an der Technischen Universität Darmstadt ausgebildete Physikerin hat Katrin Winkel mit ihrem Wechsel nach Innsbruck nicht nur Ländergrenzen, sondern auch Fakultätsgrenzen überschritten und dabei die unterschiedlichen Zugänge benachbarter Disziplinen kennengelernt. Grenzüberschreitende Forschungsbereiche hatten sie schon während ihres Studiums fasziniert. In der Arbeitsgruppe von Thomas Lörting am Institut für Physikalische Chemie der Universität Innsbruck kann sie diese Leidenschaft nun ausleben. Als begeisterte Wissenschaftlerin sprüht sie vor neuen Ideen. „Ich habe noch Messungen für die nächsten zehn Jahre im Kopf“, schwärmt Winkel, die die Kontakte nach Darmstadt reaktiviert hat und nun auch mit ihrer ehemaligen Arbeitsgruppe kooperiert. cf
ZUR PERSON Katrin Winkel wurde in Dreieichenhain in Deutschland geboren, studierte an der TU Darmstadt Physik und kam 2005 an die Universität Innsbruck. Für ihre Doktorarbeit wurde sie mit dem Georg und Christine Sosnovsky-Preis und dem Karlheinz Seeger-Preis der Österreichischen Physikalischen Gesellschaft ausgezeichnet.
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Fotos: Andreas Friedle
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PRAKTISCHE GRUNDLAGEN Barbara Weber habilitierte sich 2009, nach einer erstaunlichen wissenschaftlichen Karriere, mit erst 32 Jahren als erste Frau an der Uni Innsbruck in Informatik.
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ZUR PERSON Barbara Weber wurde 1977 geboren. Sie studierte an der Universität Innsbruck Betriebswirtschaftslehre und promovierte 2003 im Fachbereich Wirtschaftsinformatik. Seit 2004 arbeitet Weber am Institut für Informatik der Universität Innsbruck und leitet hier im Arbeitsbereich Quality Engineering einen eigenen Forschungsbereich zur flexiblen IT-Unterstützung von Geschäftsprozessen und Arbeitsabläufen.
abilitiert mit 32, das ist eine Meldung wert. Eine Frau in einem von Männern dominierten Forschungsfeld und gar die erste habilitierte Frau in diesem Bereich an der Uni Innsbruck, das ist einen Artikel wert; und dann noch mit einer erstaunlichen wissenschaftlichen Karriere – das ist für jedes Medium eine Reportage wert. Nun, Barbara Weber, die 2009 habilitierte Informatikerin mit einem Uni-Abschluss in Betriebswirtschaftslehre, möchte aber lieber über ihre Forschungstätigkeit im Arbeitsbereich „Quality Engineering“ am Institut für Informatik, über die Wichtigkeit der Grundlagenforschung und des wissenschaftlichen Austauschs reden. Auch über das Verhältnis Wissenschaft und Wirtschaft. Sie selbst kennt sich gerade in diesem Bereich besonders gut aus. Die gelernte Betriebswirtin mit dem Spezialgebiet Wirtschaftsinformatik hat sich immer für Software-Entwicklung interessiert. Während ihres Wirtschaftsstudiums, dann, als sie nebenbei bei der Tiroler Gebietskrankenkasse als Software-Entwicklerin arbeitete, hatte sie sich nicht gedacht, dass sie sich einmal als erste Frau in Innsbruck in Informatik habilitieren und sich mit hochaktuellen Fragen wie der flexiblen IT-Unterstützung von Geschäftsprozessen beschäftigen würde: „Konkret versuche ich, Ideen und Konzepte der agilen Softwareentwicklung auf die Modellierung und Ausführung von Geschäftsprozessen zu übertragen und weiterzuentwickeln“, erklärt Barbara Weber ihr Kernforschungsgebiet. Sie entwickelt ein System, das verschiedenste Abläufe lernt, erkennt und analysiert. Doch „das System, das ich
entwickle, dient zur Unterstützung von Entscheidungen und wird keine abnehmen“, so Weber. Obwohl sie hauptsächlich Grundlagenforschung betreibt, werden ihre Ideen in naher Zukunft Einzug in die Privatwirtschaft halten; zumal Teile ihrer Arbeiten und einzelne Punkte ihrer Habilitation bereits von innovativen Unternehmen verwendet werden.
ATTRIBUTE Auch wenn manche ihrer Überlegungen und Forschungen noch Jahre brauchen, um wirtschaftlich kompatibel und technisch umsetzbar zu sein, zeigt sie Entwicklungen vor. „Bei mir steht die Grundlagenforschung im Vordergrund“, meint Barbara Weber, „doch die Schnittstellen zu praktikablen Umsetzungen behalte ich im Auge.“ Gerade ihr Wirtschaftsstudium förderte dabei praktisches und interdisziplinäres Denken. Obwohl sie in erster Linie, wie sie sagt, Grundlagenforscherin ist, erkennt sie Notwendigkeiten, kennt die Abläufe außerhalb des universitären Alltags und arbeitet darüber hinaus mit internationalen Spitzenforschern zusammen. Aspekte, die nicht nur in der Informatik zukunftsweisend sind. Doch ganz ist das Thema Frau und IT nicht vom Tisch. Gerade an der Uni Innsbruck sind lediglich ein Zehntel der Informatikstudenten Frauen. Das sei, wie Barbara Weber sagt, bedauerlich, zumal gerade im IT-Bereich den sogenannten weiblichen Attributen, wie Kommunikationsfähigkeit und Empathie, eine enorme Bedeutung zugesprochen wird. So sei es umso wichtiger, Berührungsängste und die Scheu vor Technik bereits sehr früh abzubauen. db
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GLETSCHER IN DEN TROPEN Der Klimaforscher Ben Marzeion vom Institut für Geographie untersucht den Einfluss des Klimas auf tropische Gletscher. Er verwendet dazu Computermodelle, die die Entwicklung des Klimas beschreiben.
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m Juli dieses Jahres war Ben Marzeion mit seinem Team in der Cordillera Blanca in den nördlichen Anden Perus, der höchsten Gebirgskette auf dem amerikanischen Kontinent. Dort stehen bereits seit einigen Jahren automatische Wetterbeobachtungsstationen der Innsbrucker Geografen. Deren Daten liefern eine wichtige Grundlage für die Erforschung der Gletscher in der Region. „Westlich der Anden ist Peru saisonal sehr trocken, die Wasserversorgung hängt deshalb vom Abfluss der Gletscher ab“, erklärt der gebürtige Deutsche, der seit zwei Jahren in Innsbruck forscht und sich hier sehr wohl fühlt. „Den Einfluss des Klimas und damit die zukünftige Entwicklung der Gletscher zu kennen, ist von großem Interesse für die Region.“ Mit seinem Team erhebt Ben Marzeion nicht nur Wetterdaten, er ergänzt die existierenden globalen Klimamodelle um die lokalen Gegebenheiten. „In den globalen Rechenmodellen ist die Cordillera Blanca mehr oder weniger nur ein hoher Hügel, ohne Täler und markante Einschnitte“, sagt Marzeion. „Es ist aber gerade die komplexe Topografie, die für die Entwicklung der lokalen Wetterverhältnisse von großer Bedeutung ist. Und nur wenn wir das Wetter kennen, können wir auch auf die Entwicklung der Gletscher schließen.“ Die Innsbrucker Geografen optimieren deshalb mit Unter-
ZUR PERSON Ben Marzeion hat in Kiel Ozeanografie studiert. Nach Forschungsaufenthalten in Bergen (Norwegen) und am MIT in Boston stieß er Ende 2008 zur Arbeitsgruppe von Prof. Georg Kaser am Institut für Geographie der Universität Innsbruck.
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stützung des Wissenschaftsfonds FWF die Klimamodelle für die Region. „Die Wetterdaten, dir wir in Peru erheben, dienen dazu, diese Modelle zu überprüfen“, sagt Marzeion. Im nächsten Jahr will er auf einem eisigen Grat auf rund 5500 Metern eine weitere Wetterstation errichten – der Grat liegt auf der Wasserscheide Südamerikas. Geräte und Know-how für die automatische Übermittlung der Daten via Satellit werden aus Mitteln der Nachwuchsförderung der Universität finanziert.
KLIMAVERÄNDERUNGEN Im Klimamodell der Arbeitsgruppe wird am Ende jedes größere Tal der Cordillera Blanca abgebildet sein. „So können wir feststellen, wie die Zirkulation der Luft durch die lokale Topografie beeinflusst wird“, erklärt der Jungforscher. In einem zweiten, vom FWF finanzierten Projekt wird er in Kürze auch die langfristigen Veränderungen des Klimas und deren Einfluss auf die tropischen Gletscher untersuchen. Gemeinsam mit internationalen Partnern vergleicht er dazu die Daten aus unterschiedlichen Klimamodellen miteinander und versucht, Mechanismen zu identifizieren, die das Klima beeinflussen. Sein Wissen gibt Ben Marzeion auch an die Studierenden weiter. Eine Vorlesung über natürliche Veränderungen und den menschlichen Einfluss auf das Klima richtet sich vor allem an zukünftige Lehrerinnen und Lehrer. Sie sollen mit wissenschaftlich fundierten Kenntnissen zu diesem vieldiskutierten Thema ausgestattet werden. Sein Know-how gibt Marzeion aber auch regelmäßig an Meteorologen und Geologen weiter, denn die langfristige Modellierung des Klimas ist auch für diese Fächer von Interesse. cf
Fotos: Andreas Friedle
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INTERNATIONAL In Innsbruck sind Völker- und Europarecht an einem Institut vereint. Für Andreas Müller eine wichtige Rahmenbedingung für seine Forschung.
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ür Andreas Müller war es ein einschneidendes Erlebnis, als er vor acht Jahren im Gerichtssaal des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag saß und den Prozess gegen den ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević verfolgte. Die Erfahrung in Den Haag machte Müller kurz vor seinem Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften und der Philosophie, und sie gab die Richtung vor, die den Vorarlberger prägen sollte. Heute ist er Universitätsassistent am Institut für Europarecht und Völkerrecht der Universität Innsbruck und beschäftigt sich mit Fragen des Völkerstrafrechts, des internationalen Menschenrechtsschutzes, aber auch europarechtlichen Fragestellungen. Müller findet an der Universität dabei ideale Rahmenbedingungen vor: „Das Besondere in Innsbruck ist, dass Europa- und Völkerrecht in einem Institut vereint sind“, meint der Jurist, denn in einer neuartigen, globalisierten Welt und in einem immer stärker vereinten Europa müsse man sich über die verschiedenen Rechtssysteme, die Vernetzung und die Wechselwirkung der verschiedenen Ebenen des Rechts Gedanken machen. Hier steht für Müller vor allem die Frage nach dem Platz des Individuums im internatio-
nalen Recht im Mittelpunkt, nach wie vor oft ein blinder Fleck im traditionell staatsfixierten Völker- aber auch Europarecht. In seiner Forschung ist es für ihn nicht damit getan, lediglich juristische Zusammenhänge zu analysieren – darüber hinaus gebe es auch Schnittpunkte mit anderen Wissenschaftszweigen. So ergibt sich bei Müllers Forschungsprojekten neben der Zusammenarbeit mit anderen juristischen Fächern auch insbesondere eine mit der Philosophie. Dieser, „seiner Philosophie“ konsequent folgend, arbeitet er derzeit an einem Projekt zum Thema „Völkerrecht und islamisches Recht“ mit dem Institut für Philosophie zusammen. Doch wichtig ist für Müller anzumerken, dass es bei aller Kooperation zwischen den verschiedenen Fächern ein klares Bewusstsein für ihre jeweiligen wissenschaftlichen Methoden geben müsse. „Wir Internationalrechtler haben es wohl leichter, interdisziplinär zu arbeiten, da wir es von vornherein mit Pluralität von Rechtssystemen und einer inhomogenen Normenlandschaft zu tun haben“, gibt Müller zu. „Gerade in einer Zeit immer stärkerer Ausdifferenzierung der Disziplinen stellt wohlfundierte interdisziplinäre Forschung aber eine allgemeine Herausforderung dar.“ db
ZUR PERSON Der gebürtige Vorarlberger absolvierte mehrere Auslandsaufenthalte. Neben einem Erasmusstudium in Straßburg und der Absolvierung des Auslandszivildienstes in Jerusalem ging er für ein postgraduales Studium an die Yale Law School in den USA, das er 2009 mit einem Master of Laws (LL.M.) abschloss, und war dann am Internationalen Gerichtshof in Den Haag tätig. Seit 2010 ist er Universitätsassistent am Institut für Europarecht und Völkerrecht der Universität Innsbruck. Neben der Promotion zum Dr. iur. ist Müller zudem Magister der Christlichen Philosophie.
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DIE VIELEN GESICHTER DER FORSCHUNG Der wissenschaftliche Nachwuchs trägt einen wesentlichen Teil zu den Forschungsleistungen der Universität Innsbruck bei. Die inhaltliche Vielfalt der Forschungsgegenstände deckt sich dabei mit dem breiten Anspruch einer Volluniversität und reicht in den Buchwissenschaften von neulateinischen Texten über die Verknüpfung unterschiedlicher Rechtssysteme in einer globalisierten Gesellschaft bis hin zu neuen Medien und deren Bedeutung in wirtschaftlichen Prozessen. In den Naturwissenschaften beschäftigen sich die erfolgreichen Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler der Universität Innsbruck zum Beispiel mit den klimatischen Entwicklungen in den Cordillera Blanca in den nördlichen Anden Perus, den rätselhaften Eigenschaften des Wassers, den physikalischen Grundlagen der Materie und möglichen Anwendungen für die Informationsverarbeitung, mit schädlichen Wurzelparasiten an Rebstöcken und flexibler Unterstützung von Geschäftsprozessen mithilfe von Informationstechnologien.
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IM ZOOM
Fotos: Andreas Friedle (4), Ben Marzeion (1), Ben Marzeion/NASA‘s Earth Observatory (1), Institut für Physikalische Chemie (2), Institut für Mikrobiologie (1), International Court of Justice (1), Institut für Pharmazie (1)
Dr. Sigrid Neuhauser erforscht Sorosphaera viticola, einen pathogenen Mikroorganismus, der die Wurzeln von Weinreben befällt. Er bildet dabei Aggregate von Dauersporen, durch die er lange Zeit ohne Wirt im Boden überdauern kann. Der Parasit verursacht unter anderem ein Absterben von Wurzelgewebe und öffnet somit die „Tür“ für andere.
Eisphasen unterschiedlicher Dichte und Struktur können hergestellt werden, indem Eis hohem Druck und tiefen Temperaturen ausgesetzt wird. Dr. Katrin Winkel fand einen neuen Präparationsweg, der zur Herstellung einer thermisch besonders stabilen Struktur führte, die zahlreiche neue Forschungsmöglichkeiten eröffnet.
In einigen Fällen konnte bereits ein direkter Zusammenhang zwischen der Verbreitung von Chemikalien und dem Auftreten von Erkrankungen bewiesen werden. Anhand von theoretischen Modellen will Dr. Daniela Schuster computerunterstützt Störungen des Hormongleichgewichts durch Chemikalien vorhersagen.
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STANDORT TIROL
KEIN SCHREI DER EMPÖRUNG Christoph Kratky, Präsident des FWF, über den Stellenwert der Grundlagenforschung in Österreich, das Verhältnis zur angewandten Forschung und die Situation für den wissenschaftlichen Nachwuchs. ZUKUNFT: Sie haben im Frühjahr anlässlich
der Jahresbilanz 2009 des FWF erklärt, dass man es „gotterbärmlich verseift“ habe, der Gesellschaft und der Politik die Bedeutung der Grundlagenforschung klarzumachen. Was war Anlass für diese Selbstkritik? CHRISTOPH KRATKY: Anlass waren die damaligen Aussagen des Präsidenten der Österreichischen Wirtschaftskammer, Christoph Leitl, dass die Grundlagenforschung in Österreich künftig „über Brüssel“ abgewickelt werden solle und sich die nationalen Anstrengungen auf angewandte Forschung konzentrieren sollen. Mich hat es erstaunt, dass ein hochrangiger Funktionär solch eine Aussage machen kann, ohne dass es einen Aufschrei der Empörung in der Bevölkerung gibt. In diesem Zusammenhang habe ich gesagt, dass wir es offensichtlich nicht geschafft haben, in Österreich eine Stimmung entstehen zu lassen, in der Grundlagenforschung einen hohen Stellenwert hat. Das war die Situation damals, ich würde aber sagen, sie hat sich seither nicht wesentlich verändert. ZUKUNFT: Wie sehen Sie das Verhältnis der Förderung von angewandter Forschung zur Grundlagenforschung in Österreich? KRATKY: Es gibt den FWF, es gibt die FFG. Beide sind notwendig für das Land und es hat keinen Sinn zu sagen, dass eines wichtiger ist als das andere. Das ist unvernünftig. Beide Institutionen sind das Spiegelbild der jeweiligen Wissenschaftsszene. In den letzten Jahren ist von der Politik ein größeres Gewicht auf die angewandte, insbesondere auf die industrielle Forschung gelegt worden. Das sind objektive Zahlen. Ich möchte auch nicht sagen, ob das gut oder schlecht ist. Es ist aber ein Faktum, das im heurigen Budget besonders deutlich wird. Im Bereich des Wissenschaftsministeriums gibt es Kür-
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Fotos: Marc Seumenicht/FWF (2)
STANDORT TIROL
ZUR PERSON Christoph Kratky, geboren 1946, studierte an der ETH Zürich Chemie und promovierte dort 1976. Nach einem Postdoc-Jahr an der Harvard University wurde er 1976 Assistent am Institut für Physikalische Chemie der Universität Graz, habilitierte sich 1985 und wurde 1995 Ordentlicher Universitätsprofessor für Physikalische Chemie an der Universität Graz. Seit 2005 ist er Präsident des FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung).
zungen, die zum Teil durch Sondermittel kompensiert werden – unter dem Strich bleibt bestenfalls eine Stagnation. Für die industrielle Forschung hingegen gibt es eine Erhöhung der Forschungsprämie von acht auf zehn Prozent, das macht immerhin einen Betrag in der Höhe von 100 Millionen Euro aus. Da sieht man eine klare Priorität für die angewandte Forschung, für den Bereich F&E in der Wirtschaft. Es steht mir nicht zu, zu bewerten, ob das gut oder schlecht ist. Ich hätte mir gewünscht, dass es vergleichbare Investitionen und Engagements in der Grundlagenforschung gegeben hätte. ZUKUNFT: Wie schaut das in Europa aus? KRATKY: Europaweit sieht man das nicht. Wobei man fairerweise sagen muss, dass die EU in ihren Rahmenprogrammen in erster Linie angewandte Forschung gefördert hat. Im Rahmen des laufenden siebten Rahmenprogramms hat sie aber immerhin den Europäischen Forschungsrat eingerichtet, der mit sieben Milliarden Euro erstmals reine Grundlagenforschung fördert. Insofern hat die EU damit ein deutliches Zeichen gesetzt, dass Grundlagenforschung immens wichtig ist, und hat in den Mitgliedsländern sehr viel ausgelöst. Man kann also nicht von einem Trend sprechen. Was in Österreich passiert, würde ich vielmehr darauf zurückführen, dass die Spitzen der Bundesregierung kein besonderes Gewicht auf Grundlagenforschung, Bildung und Wissenschaft legen. Das würde ich einmal unterstellen, ohne jemandem nahe treten zu wollen. Dem Sparpaket sieht man nun auch keine Priorität für Bildung und Wissenschaft an – ganz im Gegensatz zur Schweiz, zu Deutschland, zu den Niederlanden, zu fast allen Ländern, die auf gleicher oder höherer Entwicklungsstufe stehen.
„Sparen kann man nur beim Nachwuchs, das ist die große Bedrohung des Wissenschaftssystems.” Christoph Kratky, Präsident des FWF
ZUKUNFT: Ein Widerspruch zum alljähr-
lichen Wunsch der Politik, dass Österreich wieder einmal einen Nobelpreisträger stellen soll. KRATKY: Nobelpreise werden immer für Erfolge in der Grundlagenforschung vergeben, oft sogar für Arbeiten, die vielleicht erst in 20 oder 50 Jahren zu einer Umsetzung kommen – vielleicht auch nie. Das ist ja das Wesen der Grundlagenforschung: Es gibt immer ein Potenzial für Anwendung, man kann aber nicht sagen, wann und in welcher Form. Wenn man in diesem Zusammenhang das Regierungsprogramm liest, steht da, dass Österreich zu einem „Innovation Leader“ werden will, zu den Top drei aufschließen will. Das wird aber nicht in ausreichender Breite verfolgt. Österreich wird sicher nicht auf einen Dritte-Welt-Status abrutschen. Der Anspruch aber, ein führendes Land Europas zu werden, ist mit diesem Engagement nicht einlösbar. Wir haben fantastische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen im Land. Es braucht aber nicht nur ein paar Spitzen, diese entstehen aus einer Breite. ZUKUNFT: Wie beurteilen Sie die Grundlagenforschung an der Universität Innsbruck? KRATKY: Die ist gut. Ich brauche da keine Namen zu nennen. Auf der Universität Innsbruck und der Medizinischen Universität gibt es ganz hervorragende Forschergrup-
pen. Insgesamt liegt nach unserer Statistik die Universität Innsbruck, wenn man die Einwerbung von FWF-Projekten in Beziehung zu den Universitätsbudgets setzt, hinter der Uni Wien mit der Universität für Bodenkultur an zweiter Stelle in Österreich. Angesichts der sehr strengen und selektiven Auswahlkriterien beim FWF sehr bemerkenswert. ZUKUNFT: Wie sehen Sie die Situation für die kommende Wissenschaftlergeneration in Österreich? KRATKY: In Innsbruck gibt es auf beiden Unis eine Reihe von START-Preisträgern und -Preisträgerinnen. Darauf können sie stolz sein. Insgesamt aber sind die Chancen des Nachwuchses im österreichischen Universitätssystem proportional zu der finanziellen Ausstattung des Systems. Die ist im Moment nicht überragend und das trifft die junge Generation. Ein Rektor mit einem stagnierenden Budget kann nicht pragmatisierte Professoren und Leute, die unbefristete Stellen haben, hinausschmeißen. Sparen kann er nur bei den Jungen, die auf befristeten Stellen oder noch gar nicht da sind. Das ist die große Bedrohung des Systems. Wenn Ministerin Beatrix Karl davon spricht, unter den gegebenen finanziellen Bedingungen Unis zusperren zu müssen – das geht ja gar nicht, das Personal muss man weiter bezahlen. Das ist nicht die Gefahr. Die Gefahr ist, dass man junge Leute nicht nachrekrutiert oder verlängert. Der Effekt ist eine Sklerotisierung des Systems, weil mehrere Kohorten von Nachwuchsforschern ausfallen. Kurzfristig ist das nicht bedrohlich, im Wissenschaftssystem spürt man es erst, wenn der Schaden schon sehr groß ist. Und diesen kann man dann nicht kurzfristig beseitigen. ah
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PATENTE & SPIN-OFFS
ERSTES US-PATENT FÜR INNSBRUCK Einer Erfindung von Forschern rund um Prof. Günther Bonn vom Institut für Analytische Chemie und Radiochemie wurde vor Kurzem ein US-Patent erteilt. Dies ist die erste in den USA geschützte Erfindung der Uni Innsbruck.
Forschungsvizerektor Tilmann Märk mit den Erfindern Prof. Günther Bonn, Dr. Rania Bakry und Dr. Günther Stecher sowie Dr. Cornelia Rhomberg vom projekt.service.büro.
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m Mai 2006 konnte Prof. Günther Bonn der Universitätsleitung eine neue Erfindung melden, die er gemeinsam mit Dr. Günther Stecher, Muhammad Ahsan Hashir und Dr. Rania Bakry gemacht hatte. Es geht dabei um die Entwicklung speziell behandelter Siliziumdioxidpartikel, die ein matrixfreies Arbeiten in der MALDI Massenspektroskopie ermöglichen. Die Oberfläche der Partikel wird dabei mit Azodianilin modifiziert. Bei der MALDI Massenspektroskopie wird die zu analysierende Substanz normalerweise mit einer weiteren, Matrix genannten Substanz gemischt und kristallisiert. Mit Hilfe eines Lasers kann die Substanz dann analysiert werden. Durch die Matrix kommt es aber zu Störsignalen, und es können nur größere Moleküle detektiert werden. Die Erfindung der Innsbrucker Chemiker ermöglicht es nun, Moleküle sowohl mit geringen als auch mit hohen Molekülmassen massenspektroskopisch zu identifizieren, da die Verwendung einer Matrix vermieden wird.
US-PATENT ERTEILT Weil alle bedeutenden Hersteller für massenspektroskopische Analysegeräte in den USA beheimatet sind, hat die Universität Innsbruck beim US-Pa-
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tentamt um den Schutz dieser Erfindung angesucht. Patentanmeldungen in den USA werden besonders streng geprüft und sind sehr schwer zu erhalten. Trotzdem wurde vor Kurzem der Universität Innsbruck für diese Erfindung das US-Patent mit der Nummer 7675032 erteilt. Der weltweite Markt für Massenspektrometrie ist ein Milliardengeschäft, weshalb die Erfindung erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben könnte. Im Universitätsgesetz 2002 wurde als neue Aufgabe der Universitäten die Nutzung und Umsetzung ihrer Forschungsergebnisse in der Praxis verankert. Seither wurden an den Universitäten Österreichs professionelle Erfinderberater- und Technologietransferstellen etabliert, um die Forschungsergebnisse bestmöglich schützen zu können und sie am Markt zu positionieren. An der Universität Innsbruck unterstützt das Team des projekt.service.büros die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Sicherung und Verwertung von geistigem Eigentum. Gelingt der Abschluss eines Verwertungsvertrages, so werden die Erlöse zwischen Erfindern und Universität entsprechend den Anteilen aufgeteilt. Die Universität nutzt die gewonnenen Mittel zur Finanzierung neuer Patentanmeldungen. cf
Fotos: Uni Innsbruck (1), istockphoto.com (1)
PATENTE & SPIN-OFFS
BETON-INSIDER Am neu eröffneten Christian-Doppler-Labor für Zement- und Betontechnologie wird die Mikrostruktur von Beton erforscht: Der Baustoff soll langlebiger und besser werden.
D
ie Betonforschung hat an der Universität Innsbruck bereits Tradition und erlebte in den 1990er Jahren eine erste Hochphase. Mit der Berufung von Prof. Roman Lackner auf den Lehrstuhl für Materialtechnologie im Jahr 2008 wurde dieses äußerst zukunftsweisende Forschungsfeld wiederbelebt: Die Verbesserung und Weiterentwicklung des Baustoffs Beton steht seither wieder im Mittelpunkt zahlreicher hochdotierter Drittelmittelprojekte. Es kommt also nicht von ungefähr, dass Anfang Oktober das Christian-Doppler-Labor für die Anwendungsorientierte Optimierung der Bindemittelzusammensetzung und Betonherstellung (kurz: CD-Labor für Zement- und Betontechnologie) seine Tore öffnen konnte. „Wir verfolgen zwei verschiedene Wege. Zum einen arbeiten wir problemorientiert. Das heißt, wir versuchen bestehende Schwächen des Materials, wie z.B. die mangelnde Hitzebeständigkeit von Beton unter Brandeinwirkung zu ergründen und die eingesetzten Materialien zu verbessern. Andererseits arbeiten wir zukunftsorientiert und entwickeln neuartige, zementgebundene Baustoffe wie zum Beispiel dauerhafte und energieeffiziente Spezialbetone“, erläutert der Leiter des CD-Labors, Roman Lackner die Arbeitsgebiete seines Teams. „Durch das Engagement der Firmen Doka und Schretter & Cie als Gründungsmitglieder konnte das CD-Labor realisiert werden. Die beiden Firmen betreiben jeweils eine eigenes Forschungsmodul“, erklärt Lackner.
MIKROSTRUKTUR VERSTEHEN Ein Kernelement der Forschung am neuen CD-Labor ist die sogenannte Mehrskalenmodellierung: eine computergestützte Herangehensweise, mithilfe derer die Mikrostruktur von Beton und die daraus erreichbaren technischen Eigenschaften per Computersimu-
lation erforscht werden können. „Nicht nur die Anforderungen an den Baustoff Beton, sondern auch Umwelteinflüsse und Belastungen, die auf den Beton einwirken, werden immer komplexer. Unter diesen Vorzeichen kommt man mit Experimenten alleine einfach nicht mehr zurecht“, schildert Roman Lackner, selbst Experte auf dem Gebiet der Modellierung und Simulation. Bei der Mehrskalenmodellierung werden die Eigenschaften von Beton mit seiner Mikrostruktur und den Eigenschaften der einzelnen Bestandteile in Verbindung gebracht. „Jede makroskopisch beobachtbare Veränderung des Materials kann auf Vorgänge im Mikrokosmos des Betons zurückgeführt werden“, sagt der Forscher. „Da wir das Material zielorientiert verbessern wollen, müssen wir diese Vorgänge zunächst verstehen. Dann erst können wir die Schrauben identifizieren, die wir drehen müssen, um das Materialverhalten zu optimieren“, verdeutlicht er weiter. Eine Sache, die laut Lackner zwar einfach klingt, aber im Bereich der experimentellen Charakterisierung und Modellierung eine große und zukunftsweisende Herausforderung darstellt. cf
DOPPLERS ERBEN Christian-Doppler-Labors sind Forschungseinrichtungen an österreichischen Hochschulen, die von der öffentlichen Hand sowie von Mitgliedsunternehmen der Christian-Doppler-Forschungsgesellschaft finanziert werden. Benannt nach dem renommierten österreichischen Wissenschaftler Christian Doppler widmen sie sich der anwendungsorientierten Grundlagenforschung und forcieren die Zusammenarbeit und den Wissenstransfer zwischen Forschenden und heimischen Unternehmen. An der Universität Innsbruck sind insgesamt drei CD-Labors beheimatet.
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ARCHITEKTUR
EIN MEISTER AUS RUSSLAND In einem länderübergreifenden Forschungsprojekt werden die herausragenden Leistungen des russischen Ingenieurs Vladimir Grigor‘evič Šuchov umfassend dokumentiert – und die noch existierenden Konstruktionen hoffentlich gerettet.
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och im erbärmlichsten Zustand, stellte die Konstruktion das überragende Können seines Erbauers unter Beweis. Jahrzehntelang waren die vier kleineren Zuführungs- und die zwei 128 Meter hohen, ebenfalls hyperbolischen StarkstromMasten dem Verfall preisgegeben gewesen. Fünf von ihnen wurden schließlich abgetragen. Nur noch einer der großen Türme ragte in den Himmel. Stolz und kühn wie eh und je. Und das obwohl man 16 der insgesamt 40 Stäbe aus dem untersten Segment entfernt und die Statik damit radikal herausgefordert hatte. Zwei gnadenlose russische Winter lang hielt der 128-Meter-Bau Wind und Wetter stand. Buchstäblich im letzten Moment, knapp vor der endgültigen Zerstörung, konnte dieses einmalige Zeugnis höchster Ingenieurskunst gerettet werden – durch die Intervention eines internationalen Teams aus Fachleuten. Seit mehreren Jahren widmen sich Bauhistoriker, Bauforscher und Bauingenieure der Universität Innsbruck (Rainer Graefe), der Technischen Universität München (Rainer Barthel und Manfred Schuller), der ETH Zürich (Uta Hassler) in Kooperation mit der Staatlichen Bauuniversität Moskau und der Staatlichen Universität für Architektur und Bauwesen in Nižnij Novgorod dem faszinierenden Werk des russischen Ingenieurs Vladimir Grigor‘evič Šuchov (1853–1939). Ihre aufwändigen Vorarbeiten münden nun in ein auf drei Jahre angelegtes Forschungsprojekt, in dem die Šuchovschen Baukonstruktionen, seine Gitterschalen, Hängedächer und Hyperboloidtürme, seine umfangreichen wissenschaftlichen Arbeiten und seine technischen Erfindungen erstmals umfassend in bautechnikgeschichtlicher und ingenieurswissenschaftlicher Hinsicht untersucht, dokumentiert und gewürdigt werden. Das län-
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Fotos: Rainer Graefe (2), Archiv (1)
ARCHITEKTUR
Der derzeitige Zustand der von Šuchov geplanten Werkshalle in Vyksa ist katastrophal. Die einmalige Dachkonstruktion wurde vom internationalen Forschungsteam um Rainer Graefe bereits untersucht und dokumentiert. Ziel ist auch, die noch existierenden technischen Bauten Šuchovs zu erhalten.
derübergreifende D-A-CH-Projekt (Deutschland, Österreich, Schweiz) wird aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), des österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) und des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanziert. Endlich dürfte es gelingen, Šuchov, seinen Leichtbauten und Erfindungen endlich den gebührenden Platz in der Geschichte der Ingenieurskunst
„Šuchov war einer der größten Bauingenieure der Welt. Er steht in einer Reihe mit Gustave Eiffel, Pier Luigi Nervi oder Frei Otto.“ Rainer Graefe
zu sichern und die wenigen noch existierenden Zeugnisse seines überragenden Könnens vor dem Verfall bzw. der Zerstörung zu retten.
FILIGRANE HERRLICHKEIT Für Rainer Graefe ist der eingangs erwähnte Gitterturm der NIGRES-Stromleitung die „vielleicht schönste Turmkonstruktion“ von Šuchov, obwohl sich alle – vom Wasserturm bis zum Leuchtturm – durch Einfachheit, Eleganz und originelle Formgebung auszeichnen. Der russische Ingenieur hat für seine Türme eine völlig neuartige Konstruktion entwickelt. Mit geraden, schräg gestellten Eisenstäben erzeugte er eine räumlich gekrümmte Gitterfläche, einen Hyperboloiden. Für die Stäbe verwendete er Winkeleisen, die an den Kreuzungspunkten vernietet wurden. Die Aussteifung der Ringe übernahm ein auf der Innenseite befestigter, horizontaler Ring. „Diese hyperbolischen Gittertürme sind in der Baugeschichte ohne Vorläufer“, erklärt Graefe. Der Clou des Šuchovschen Patents lag nicht nur darin, dass dafür extrem wenig Stahl gebraucht wurde und die Ausführung
damit sehr kostengünstig war. Durch Änderung der Schrägstellung der Stäbe konnte er darüber hinaus auch unzählige Formvarianten erzeugen. Was der russische Ingenieur auch ausgiebig tat, wie anhand der überlieferten Pläne ersichtlich ist. Ihre Vollendung fand diese Bauweise in den Strommasten, die aus mehreren solchen hyperboloiden Teilen zusammengefügt wurde, wobei das jeweils nächste „Stockwerk“ im sogenannten „Teleskopverfahren“ im Schaft zusammengebaut und mittels Kränen an das obere Ende des letzten Abschnitts gehoben wurde. Dass es Rainer Graefe und seinen Kollegen gelungen ist, diesen so herausragenden Hochbau zu erhalten, erfüllt den Innsbrucker Wissenschaftler mit großer Freude. Immerhin beschäftigt er sich schon seit vielen Jahren mit dem Schaffen des in seiner Heimat nach wie vor verehrten Ingenieurs. Bereits mit dem 1990 vorgelegten Band „Vladimir G. Šuchov 1853–1939. Die Kunst der sparsamen Konstruktion” haben Graefe und seine Mitstreiter den Pionier der Leichtkonstruktion auch in westlichen Fachkreisen bekannt gemacht. Graefes Engagement für die Erhaltung der mittlerweile raren Šuchov-Bauten brachte ihm zudem 2003 in Moskau die „Šuchov-Goldmedaille“ sowie 2008 das Ehrendoktorat der Universität für Bauwesen in Nižnij Novogorod ein. Die Forschungen nun sollen Šuchov endgültig den ihm angemessenen Platz in der Baugeschichte sichern. „Er ist ohne Zweifel in einem Atemzug mit Gustave Eiffel, Pier Luigi Nervi oder Frei Otto zu nennen“, so Graefe. Und in einigen Bereichen übertrifft Šuchov seine berühmten Kollegen sogar. Nicht nur, wenn es um die Vielseitigkeit im Schaffen geht. Immerhin erfand der begnadete Konstrukteur u.a. das „thermische Cracken“ des Erdöls, ein Verfahren der Erdölverarbeitung und entwickelte einen komplett neuartigen, eisernen Erdöltank. Die von ihm dafür ausgearbeitete Bauweise wird im Prinzip bis heute verwendet. Zum
ZUR PERSON Vladimir Grigor‘evicˇ Šuchov, (*1853 Graiworon/Russland), studierte am Polytechnikum in Moskau und arbeitete zunächst als Planer von Lokomotivhallen in Petersburg. 1878 zog er nach Aserbaidschan, wo er u.a. Pipelines, Raffinerieanlagen, Tankschiffe und Eisenbahnbrücken baute. Er entwickelte – weltweit – völlig neuartige Dachkonstruktionen und Gittertürme in Form von Hyperboloiden. Der 1939 verstorbene Šuchov gilt bis heute als einer der bedeutendsten Ingenieure Russlands.
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ARCHITEKTUR
Šuchov hat hyperbolische Wassertürme in verschiedensten Ausführungen geplant, wobei er bei allen Standardisierungsbemühungen stets Form und Proportionen variierte.
ZUR PERSON Rainer Graefe studierte Theaterwissenschaft, Philosophie und Germanistik in Würzburg und Berlin (1976 Dr. phil.). Seit 1969 wissenschaftlicher Mitarbeiter von Frei Otto am Institut für Leichte Flächentragwerke der Universität Stuttgart. Seit 1991 Ordinarius für Baugeschichte an der Universität Innsbruck (Institut für Baukunst, Baugeschichte und Denkmalpflege), 2005 Gründung und Leitung des Archivs für Baukunst der Uni Innsbruck. Graefe emeritierte 2009.
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Leichtbaupionier avancierte er durch die völlig neuen Gitterkonstruktionen und seine fulminanten Dachbauten, von denen noch einige wenige erhalten sind. So etwa die tonnenförmigen Passagendächer im Kaufhaus „GUM“ in Moskau. In einem extrem desolaten Zustand findet sich wiederum ein anderes Meisterwerk des russischen Multitalents – der Dachaufbau einer Werkshalle in Vyksa. Das Dorf liegt in der Nähe von Nižnij Novgorod, der viertgrößten Stadt Russlands, wo an der Einmündung der Oka in die Wolga auch der eingangs erwähnte Gitterturm steht. Intensiv bemüht sich das Forscherteam rund um Rainer Graefe, in Zusammenarbeit mit russischen Wissenschaftlern, um die Erhaltung dieser einmaligen Dachkonstruktion, bestehend aus fünf Quertonnen. Es handelt sich dabei um die „ersten doppelt gekrümmten Gitterschalen aus durchweg gleichen Elementen der Baugeschichte“ wie Graefe betont. Der technisch hochinteressante Dachaufbau wurde in den letzten Jahrzehnten der Eindeckung beraubt und befindet sich derzeit am „Rande des Kollapses“, wie der Bauhistoriker unterstreicht. Das Forscherteam hat hier bereits eingehende Voruntersuchungen angestellt. Nach Abschluss der Bestands- und Schadenserhebung, der Dokumentation von Konstruktion, Geometrie und Tragverhalten, erarbeiten sie nun gemeinsam mit dem Eigentümer Vyksa Steel Works ein Rettungs- und Nut-
zungskonzept. Das auf drei Jahre angelegte Forschungsprojekt baut zwar auf die mehrjährigen Vorkampagnen der Wissenschaftler auf. Erstmals wird nun aber die Möglichkeit geschaffen, das gesamte Werk des russischen Ingenieurs systematisch zu erfassen und zu analysieren. Die Erkenntnisse sollen natürlich in Publikationen einem interessierten Publikum zur Verfügung gestellt werden. Zudem bedeutet eine derart vertiefende Untersuchung des Œuvres auch eine noch größere Chance, die Entscheidungsträger in Russland davon zu überzeugen, die noch erhaltenen Bauwerke Šuchovs zu restaurieren und der Nachwelt zu erhalten. Zu den gefährdeten Objekten gehört nämlich auch der spektakuläre Šabolovka-Radiosender in Moskau. Kurz nach der russischen Revolution von Lenin in Auftrag gegeben, sollte dieser Radioturm 350 Meter hoch in den Moskauer Himmel ragen. 1919 legte Šuchov Entwurf und Berechnungen vor: Obwohl höher als der Eiffelturm, hätte dieser Bau nur rund ein Viertel von dessen Stahlmenge erfordert. Aber selbst die 2200 Tonnen waren damals nicht aufzubringen. Verwirklicht wurde letztlich „nur“ eine Variante mit einer Höhe von 150 Metern. Der Sendeturm ist zwar immer noch im Dienst, müsste aber dringend saniert werden. Graefe und seine Mitstreiter wollen nun alles daran setzen, dieses „wirklich herausragende Denkmal moderner Baukonstruktion“ zu erhalten. sg
Fotos: Rainer Graefe (2), Andreas Friedle (1)
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BOTANIK
VIELFALT ALS ÜBERLEBENSSTRATEGIE Polyploidie – die Vermehrung der Chromosomensätze – hat für Pflanzen im Alpenraum klare Vorteile. Peter Schönswetter, Professor für Systemische Botanik und Geobotanik, untersuchte dieses Phänomen am Beispiel des Krainer Greiskrautes.
MORPHOLOGISCHER VERGLEICH 30
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Fotos: Peter Schönswetter (4), Eva Fessler (1)
BOTANIK
U
nter Polyploidie versteht man das Vorhandensein von mehr als zwei Chromosomensätzen innerhalb einer Zelle. „Während bei Tieren dieses Phänomen relativ selten ist, gehen wir mittlerweile davon aus, dass mehr als 99 Prozent aller Blütenpflanzen polyploid sind“, erklärt Prof. Peter Schönswetter. Auch rund 10 Prozent aller Artbildungsprozesse in der Pflanzenwelt gehen auf die Vermehrung der Chromosomensätze zurück. Der evolutionäre Vorteil der Polyploidie liegt dabei auf der Hand: „Die Kombination der Eigenschaften zweier unterschiedlicher Elternarten im Genom macht einen Organismus sehr anpassungsfähig“, erläutert Schönswetter. „Polyploidie führt außerdem praktisch immer dazu, dass die Zellen und somit der ganze Organismus größer ist – bei Kulturpflanzen wie zum Beispiel Mais oder Weizen ist dies natürlich wünschenswert“, so Schönswetter. Das Phänomen der Polyploidie lässt sich allerdings nicht nur bei Kulturpflanzen beobachten. „Wildwachsende polyploide Pflanzen kommen vor allem an Standorten mit fluktuierenden Umweltbedingungen, wie zum Beispiel in Berggebieten vor. Bei Alpenpflanzen ist Polyploidie auch ein sehr wichtiger Modus der Artbildung“, weiß der Botaniker.
VERWANDTSCHAFT Eine bisher kaum erforschte Verwandtschaftsgruppe, mit der sich Peter Schönswetter in den vergangenen Jahren sehr intensiv beschäftigt hat, ist das Krainer Greiskraut. Auch wenn sich Individuen morphologisch zum Teil stark unterscheiden – es gibt größere und kleinere, stärker und weniger stark behaarte – ging man bisher davon aus, dass diese Art einheitlich hexaploid ist – also über sechs Chromosomensätze verfügt. „Die Untersuchungen, die ich mit meinem Team an der Universität Wien durchgeführt habe, zeigten aber, dass diese Art neben hexaploiden auch diploide Individuen mit zwei Chromosomensätzen und tetraploide Individuen mit vier Chromosomensätzen umfasst“, erklärt Schönswetter. Die Methode, die den Biologen diese Erkenntnis ermöglichte, nennt sich Durchflusszytometrie. Anhand dieser Messmethode kann die Menge der Erbsubstanz (DNA) im Zellkern bestimmt werden, ohne die Chromosomen einzeln zählen zu müssen. Ein weiterer Vorteil der Durchflusszytometrie ist die Tatsache, dass auch getrocknete Pflanzen analysiert werden können. „Dabei wird die Pflanze getrocknet und fein
zerhackt, damit die Zellwände zerstört werden. Dann wird der vorher angefärbte Zellkern mittels eines Laserstrahls angeregt und anhand der Stärke des Lichtstrahls, der vom Zellkern emittiert wird, können wir die DNA-Menge im Zellkern berechnen“, beschreibt der Botaniker. Ein weiteres interessantes Ergebnis von Schönswetters Untersuchungen betrifft die Standorte der verschiedenen Ploidiestufen: „Durch die mosaikartig strukturierte Landschaft in Bergregionen wachsen di- und hexaploide Individuen zwar relativ nah nebeneinander, ökologisch sind ihre Standorte dennoch unterschiedlich“, verdeutlicht Schönswetter. Die kleinwüchsigen, diploiden Vertreter des Krainer Greiskrauts sind die konkurrenzschwächsten – sie sind eher an wenig besiedelten, windexponierten Kuppen positioniert. Die höherwüchsigen, hexaploiden Individuen sind hingegen oft nur einen halben Meter entfernt in einer windgeschützten Mulde zu finden. Da diese Distanz für Bestäuber leicht zu überwinden ist, müssten an diesen Standorten durch die Kreuzung zwischen den zwei Ploidiestufen auch tetraploide Individuen vorhanden sein. Die genauen Untersuchungen zeigten aber, dass es diese intermediären Individuen nicht gibt. „Wir fanden heraus, dass es starke Kreuzungsbarrieren zwischen den diploiden und hexaploiden Individuen des Krainer Greiskrautes gibt, weshalb sie auch als verschiedene Arten anzusehen sind.“ Zwischen den tetraploiden und hexaploiden Individuen gibt es diese Barriere zwar nicht, ihre Standorte sind allerdings so deutlich getrennt, dass es praktisch keine Kreuzungen mit fünf Chromosomensätzen gibt.
ZUR PERSON
Peter Schönswetter (*1973 in Wien) studierte Biologie (Studienzweig Botanik) an der Universität Wien, wo er 2002 promovierte. Es folgte ein Postdoc-Aufenthalt am National Centre for Biodiversity an der Universität Oslo. Von 2001 bis 2009 war er als Vertragsassistent am Department für Biogeographie, Fakultätszentrum für Biodiversität der Universität Wien beschäftigt. Seit 2010 ist Peter Schönswetter als Universitätsprofessor für Systematik und Geobotanik an der Universität Innsbruck tätig.
NACHEISZEITLICHE VERBREITUNG Nachdem der Botaniker auch die Verbreitung der einzelnen Ploidiestufen im Alpengebiet analysierte, kann er eine Verbindung zu nacheiszeitlichen Entwicklungen herstellen. „Während in Gebieten, die früher extrem stark vergletschert waren, heute fast nur hexaploide Individuen des Krainer Greiskrautes zu finden sind, kommen die tetraploiden Individuen in diesen Gebieten überhaupt nicht vor“, so Schönswetter. Nachdem er die Untersuchung des Krainer Greiskrautes abgeschlossen hat, wird sich der Botaniker in einem gerade begonnenen EU-Projekt gemeinsam mit den Universitäten in Belgrad und Zagreb den bisher nur wenig erforschten Gebirgspflanzen auf der Balkan-Halbinsel widmen. sr
Die Bilder zeigen die morphologischen Unterschiede zwischen den östlichen und den westlichen diploiden Zytotypen sowie den tetraploiden und den hexaploiden Zytotypen des Krainer Greiskrautes (v.li.o. nach re.u.).
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SPRACHUNTERRICHT
HELLO, BONJOUR, MERHABA! Mehrsprachigkeit steht im Zentrum des Interesses der Anglistin Ulrike Jessner-Schmid. Mit einem Forschungsteam untersucht sie die Bedeutung des metalinguistischen Bewusstseins sowie neue Lehrmethoden für den Sprachunterricht.
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ereits vor acht Jahren veröffentlichte Ao.Univ.-Prof. Dr. Ulrike JessnerSchmid vom Institut für Anglistik der Universität Innsbruck gemeinsam mit ihrem Kollegen Ass.-Prof. Dr. Philip Herdina ein dynamisches Modell der Mehrsprachigkeit. „Frühere Denkansätze in der Sprachwissenschaft waren monolingual geprägt. Um sich der Komplexität des Themas Mehrsprachigkeit besser nähern zu können, haben wir durch Anwendung der dynamischen Systemtheorie eine Art Denkmetapher entwickelt, die hilft, anders zu denken“, beschreibt Ulrike Jessner-Schmid. Das Modell, das in der Forschung mittlerweile sehr häufig Anwendung findet, besagt beispielsweise, dass Spracherwerbsprozesse nicht linear gesehen werden dürfen. „Beim Erlernen einer Sprache entwickelt sich ein sogenanntes metalinguistisches Bewusstsein: Durch die neue Sprache sehe ich die Sprachen, die ich beherrsche anders und auch der Blick auf die Sprache, die gerade erlernt wird, verändert sich durch die Sprachen, die ich bereits beherrsche“, erläutert die Anglistin. In Bezug auf den Unterricht plädiert JessnerSchmid deshalb für einen mehrsprachigen Ansatz. „Früher wurde oft behauptet, es sei schlecht, Sprachen zu mischen. Ich bin dagegen der Meinung, dass der Brückenschlag zu anderen Sprachen im Unterricht gefördert werden muss“, verdeutlicht Ulrike Jessner-Schmid. Nur so könne das metalin-
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guistische Bewusstsein im Spracherwerbsprozess gefördert werden.
MEHRSPRACHIGKEIT FÖRDERN Gemeinsam mit einer Gruppe von engagierten DiplomandInnen und DissertantInnen gründete Ulrike Jessner-Schmied die Forschungsgruppe Dynamics of Multilinguism with English (DYME), die sich unter anderem auch im Rahmen von Integrationsprojekten mit Mehrsprachigkeit auseinandersetzt. „Wenn wir davon sprechen, die Elite der Mehrsprachigen zu fördern, müssen wir immer auch für mitgebrachte Mehrsprachigkeit offen sein“, so die Anglistin, die betont, dass wissenschaftliche Studien kognitive Vorteile durch Mehrsprachigkeit belegen. Ein weiterer Aspekt der Mehrsprachigkeitsforschung, mit dem sich JessnerSchmid in nächster Zeit intensiver auseinandersetzen will, ist die Frage, was passiert, wenn eine Sprache eine längere Zeit nicht verwendet wird. „Meine These dazu ist, dass sich die metalinguistischen Fähigkeiten, die sich beim Erwerb der Sprache gebildet haben, halten und einem Verlust der Sprache entgegenwirken. Ein Grund mehr, den Erwerb dieser Fähigkeiten im Sprachunterricht zu fördern“, erklärt Ulrike Jessner-Schmid, die diese These nun wissenschaftlich belegen möchte. sr Mehr Infos: www.uibk.ac.at/anglistik/staff/jessner/
Foto: Florian Lechner
KURZMELDUNGEN
MINERALOGIE Junge Forschende liefern neue Daten zu zwei kristallinen Verbindungen.
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n der Arbeitsgruppe für Angewandte Mineralogie und Kristallographie haben Studierende in ihren Bachelorarbeiten Ergebnisse erzielt, die in wissenschaftliche Publikationen eingeflossen sind. Daniela Girtler hat sich mit der Züchtung von Devitritkristallen beschäftigt und diese hinsichtlich ihres Temperaturverhaltens, ihres inneren Aufbaus und ihres Schwingungsspektrums charakterisiert. Devitrit, ein Natrium-Calcium-Silikat, ist eine unerwünschte kristalline Verunreinigung, die bei der Glasherstellung auftreten kann. Industrielle Massengläser, wie sie unter anderem als Hohlgläser im Haushalt oder als Fensterglas in der Baubranche eingesetzt werden, beruhen chemisch gesehen im Wesentlichen auf drei Grundkomponenten: Natriumoxid, Calciumoxid und Siliziumoxid. Für die Glasherstellung werden diese Komponenten bei Temperaturen von etwa 1600 °C geschmolzen.
LAUNISCH WIE DER WIND?
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Nach der Formgebung im schmelzflüssigen Zustand erstarrt das Produkt zum gewünschten glasigen Festkörper. Mit Hilfe der in dieser Arbeit bestimmten Daten können die dabei eventuell auftretenden kristallinen Verunreinigungen nun schneller identifiziert werden. Thomas Langreiter gelang es erstmals, Kristalle der Verbindung Na6Si2O7 in einer Qualität zu synthetisieren, die eine weitergehende Beschreibung ihrer Eigenschaften ermöglichte. Die Einsatzgebiete kristalliner Natriumsilikate umfassen zum
Beispiel die Herstellung von feuerfesten Zementen oder Bindemitteln sowie die Verwendung als Ionentauscher in Waschmitteln. Obwohl den Natriumsilikaten also durchaus eine enorme technische Bedeutung zukommt, ist die genaue Zahl der existierenden Verbindungen auch nach mehr als 80-jähriger Forschung noch immer nicht abschließend geklärt. Langreiter lieferte nun eine abschließende Antwort auf die seit dem Jahr 1930 offene Frage nach der Existenz dieser spezifischen Verbindung.
atürliche Energiequellen sind wankelmütig. Ist bei Wasserkraft das Problem noch überschaubar, so können bei Solar- und Windenergie Änderungen der Wetterbedingungen die Stromproduktion stark beeinflussen. Wirklich problematisch wird dieser Umstand mit dem stetig wachsenden Anteil des „Öko-Stroms“ am Gesamtstromverbrauch. Denn Energielieferanten müssen ihre uneingeschränkte Lieferung trotz dieser Unsicherheit garantieren können und brauchen daher präzise Vorhersagemethoden. Ein Team der Uni Innsbruck hat nun begonnen, solche Methoden für die Stromproduktion von Windparks in Österreich zu finden. Im Mittelpunkt des vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Projekts stehen Vorhersagen für Zeiträume von sechs Stunden bis zehn Tagen. Neben der Zuverlässigkeit der Vorhersagemethoden werden auch deren räumliche und zeitliche Auflösungen analysiert. Zusätzlich wird verglichen, inwieweit diese Methoden die Wahrscheinlichkeiten des Eintreffens der Vorhersage mit einberechnen können. „Vereinfacht gesagt testen wir alle Methoden darauf, wie gut sie zwei Datenkomplexe miteinander in Verbindung setzen. Zum einen Daten, die zu Wettervorhersagen dienen. Zum anderen Daten mehrerer Windparks in Österreich, die Auskunft über den realen Umfang der Stromproduktion bei verschiedenen Windverhältnissen liefern“, erläutert Prof. Georg Mayr vom Institut für Meteorologie und Geophysik.
UNI-RANKING: INNSBRUCK VORAN Die Universität Innsbruck liegt im internationalen Hochschulranking der Fachzeitschrift Times Higher Education unter den weltweit 200 besten Universitäten. Erstmals wird Innsbruck dabei als beste österreichische Universität bewertet. Trotz dieses Erfolgs zeigt das Ranking auch die Probleme der österreichischen Hochschulen auf. „Die Universität Innsbruck ist in Österreich top und wird auch international wahrgenommen. Verantwortlich dafür ist natürlich die gute Arbeit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Lehre und Forschung, die unter nicht immer ganz einfachen Rahmenbedingungen eine international konkurrenzfähige Arbeit leisten“, sagt Rektor Karlheinz Töchterle. „Ob wir diese gute Platzierung halten oder auch noch ausbauen können, wird deshalb davon abhängen, ob die gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für die österreichischen Universitäten in den nächsten Jahren nachhaltig verbessert werden.“
Fotos: Georg Mayr/www.freephotobank.org (1), Uni Innsbruck (1), Compagnie de Saint-Gobain (1)
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ARCHÄOLOGIE
WESTSIZILISCHES NETZWERK Soziale Kontakte und Networking spielten schon in der frühen Eisenzeit eine große Rolle. Das weiß Prof. Erich Kistler vom Institut für Klassische und Provinzialrömische Archäologie. Dem Leben indigener Bewohner ist Kistler gemeinsam mit seinem Team auf dem Monte Iato im westsizilischen Binnenland auf der Spur.
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Fotos: Zürcher Ietas-Grabung (2), Eva Fessler (1)
ARCHÄOLOGIE
A
m Monte Iato im Westen Siziliens fanden in den 1970erJahren Forscherinnen und Forscher der Universität Zürich eine verlassene Stadt hellenistischer Zeit, die bis dahin nur durch literarische Überlieferungen und entsprechende Münzfunde mit der Inschrift „Iaitas“ bekannt war. Bereits im 7. Jh. v. Chr. gab es ein Dorf mit Weilern, deren führende Familien mit Phöniziern und Griechen gastfreundschaftliche Kontakte pflegten, Prestigegüter austauschten und gegen Wein und Olivenöl saisonale Arbeitskräfte in die griechischen Kolonien lieferten. Um die Mitte des 6. Jh. v. Chr. führte diese Vernetzung und Tauschökonomie der einheimischen Oberhäupter mit Gastfreunden in den griechischen Kolonien Selinunt und Himera zur Herausbildung einer Führungsschicht auf dem Monte Iato. Diese, ausgestattet mit der Expertenmacht und Technologie ihrer griechischen Gastfreunde, eignete sich die damals mondäne Lebenskultur der Griechen an, um sich so von den übrigen Dorfbewohnern sozial und kulturell abzuheben. Doch erst um 300 v. Chr. wurde schließlich die einst in der indigenen Tradition errichtete Höhensiedlung auf dem Monte Iato nach dem Muster einer griechischen Stadt in eine Gesamtanlage mit Plätzen, Straßen, einem Theater und Prachtbauten als Wohnsitze reicher Familien umgebaut. Ab diesem Zeitpunkt beginnt auch die lokale Münzprägung, welche den Namen dieser Stadt überliefert. Eine besondere Rolle spielte „Iaitas“ wieder im 13. Jh. n. Chr., als die Stadt in einer zweiten Blütephase zum eigentlichen Zentrum des muslimischen Widerstandes gegen Kaiser Friedrich II. avancierte. Ihr Kampf war jedoch erfolglos, die Stadt wurde 1246 in Schutt und Asche gelegt, ihre Bewohner verschleppt. Seither blieb der Monte Iato unbesiedelt und diente bald nur noch als Weidefläche für Vieh. Während sich die Forschungsaktivitäten der Uni Zürich jahrzehntelang vornehmlich auf die Überreste der griechisch-hellenistischen Stadt (300 v. Chr. bis 50 n. Chr.) konzentrierten, wollen nun Prof. Erich Kistler und sein Team der Uni Innsbruck das Alltagsleben der indigenen Bevölkerung auf dem Monte Iato während der kolonialen Kontaktzeit des 7. bis 5. Jhs. v. Chr. genauer erforschen. Ihr Ziel ist es, mittels eines religionshistorischen Forschungsansatzes mehr über Religion, Machtbildung und Elitekultur im Spannungsfeld zwischen einheimischen Traditionen und griechischer Kulturbeeinflussung herauszufinden. So untersucht das Team die Ruinen eines ehemaligen Festhauses, das zugleich Residenz einer führenden Familie war, sowie die Grundrisse von Hütten und eine alte Kultstätte, die vermutlich in der Hellenistischen Zeit wiederbelebt wurde und – wie eine Scherbe mit Votivinschrift vermuten lässt – „Der Aphrodite“ geweiht war.
ZUR PERSON Erich Kistler studierte von 1989-1996 Klassische Archäologie, Alte Geschichte und Philosophie in Zürich. 2004 habilitierte er sich. 2004-2008 war er Hochschuldozent an den Universitäten Zürich und Bern. Ab 2008 lehrte er an der Ruhr-Universität Bochum. 2010 wechselte Erich Kistler an die Universität Innsbruck.
ARCHITEKTUR DES LEBENS Die Siedlungsreste aus dem 8. bis frühen 6. Jh. v. Chr., welche das Innsbrucker Forscherteam vorfand, belegen für die indigene Bevölkerung ein Zusammenleben in mehrgliedrigen Familienverbänden, welche jeweils in mehreren Hütten verstreut das Bergplateau des Monte Iato besiedelten. Man weiß, dass die Rundhütten wegen ihrer zentralen Lage als innerfamiliäre Begegnungszentren galten, in welchen auch, unter Anleitung des Familienoberhauptes, Riten zur Ahnenehrung vollzogen wurden. Ritzverziertes Festgeschirr, wie es zur Symbolisierung der Anwesenheit der Ahnen typisch war, wurde beispielsweise von Kistlers Team gefunden. Spätestens am Ende des 6. Jhs. v. Chr. aber änderte sich dieser Brauch. Vermutlich wurden diese Riten vom Haus nach draußen verlagert, um mit allen Siedlungsmitgliedern gemeinsam der Ahnen zu gedenken. Dies belegt ein Altar aus Kalksteinblöcken, auf dem die Tiere nun siedlungsgemeinschaftlich geopfert, zerlegt und verspeist wurden. Die Umverteilung von Fleisch, das damals eine kulinarische Exklusivität darstellte, war damit von einer privaten zu einer öffentlichen Angelegenheit geworden. Dies muss wiederum mit der Bildung einer lokalen Elite zusammenhängen. Ab dem mittleren 6. Jh. v. Chr. haben sich vermutlich auch Wohnform und soziale Organisation völlig verändert, wie Reste von Mauerzügen, Fußböden und Gehniveaus beweisen. Aus den
MONTE IATO Der im Nordwesten Siziliens gelegene Monte Iato ist etwa 30 Kilometer von Palermo entfernt und nahe den Orten San Cipirello und San Giuseppe Iato. Der kahle Berg ist 852 Meter hoch, drei Seiten sind stark abfallende Felshänge. Er ist lediglich an der Ostseite über einen Hang zugänglich. Aufgrund der strategisch günstigen Lage war das Hochplateau des Monte Iato in der Antike und im Mittelalter Standort einer gut befestigten Stadt, die, wie Münzfunde belegen, griechisch „Iaitas“ hieß. Im 13. Jh. n. Chr. wurde die Stadt von Kaiser Friedrich II. zerstört. So diente jahrhundertelang das Hochplateau als Weidefläche für Vieh.
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ARCHÄOLOGIE
„Supermärkte, wie wir sie kennen, gab es natürlich nicht; die Agrarwirtschaft am kargen Monte Iato war nur beschränkt möglich.“ Erich Kistler, Archäologe großfamiliaren runden Hüttenkomplexen wurden dicht aneinander gebaute rechteckige Häuser, in denen Kleinfamilien lebten – Arm und Reich wohnten bunt durchmischt. Im kultischen Zentrum des damaligen Lebens befand sich ein Sakralbau nach griechischem Vorbild, der um 550 v. Chr. errichtet wurde und als „Heiliges Haus“ dem Festbetrieb zu Ehren der lokalen Schutzgottheit diente. „Ob jenes bereits zu dieser Zeit der griechischen Göttin Aphrodite geweiht war, ist ungewiss, jedoch muss dort eine übernatürliche Macht, die über den Ahnen der einzelnen Familien stand, verehrt worden sein, unter deren Schutz
sich deshalb die gesamte Siedlungsgemeinschaft stellen konnte“, erklärt Erich Kistler. Im Inneren des Tempels wurden Depots von selektiven Auslesen von Opfermahlzeiten vorgefunden, welche darauf schließen lassen, dass der Sakralbau als elitäres Fest- und Versammlungshaus fungierte. Auch in eigenen Gebäuden, sogenannten Banketthäusern und auf davor liegenden Wiesen wurden Feierlichkeiten ausgetragen. Über das Bankett pflegte man soziale Kontakte, Gastfreundschaften und damit das soziale Netzwerk nach außen und innen. In den repräsentativ hergerichteten Bankettsälen des Festhauses wurden exquisite Speisen und gute Weine aus den griechischen Küstenstädten genossen. Das einfache Volk musste hingegen mit einem freien Platz zwischen dem elitären Banketthaus und dem „Heiligen Haus“ vorlieb nehmen. Draußen auf dem Festplatz war das Mahl weniger exklusiv, man trank einheimisches Gebräu und musste sich mit weniger qualitätvollem Geschirr zufrieden geben. Im Bereich der vorgelagerten Festwiese fand man schlechtgebrannte und wenig verzierte Scherben vor. Wie das Team um Erich Kistler vermutet, wurden die Feierlichkeiten von den führenden Familien als politisches Instrument benutzt, um Heiratsallianzen mit wichtigen Fernpartnern zu schmieden sowie soziale Abhängigkeiten im Ort zu schaffen.
BANKETTE ZUM MACHTERHALT
FUNDSTÜCKE Monte Iato-Aphroditetempel mit Altar, um 540 v. Chr./3. Jh. v. Chr. (ob.); Antefix mit Darstellung einer Theatermaske vom Dach des Bühnenhauses des Theaters, 3. Jh. v. Chr. (Mitte); Einheimisches Hütten- oder Kultbaumodell aus Keramik mit Stierskulptur, aus einem spätarchaischen Wohnhaus, um 500 v. Chr. (li.).
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Diesen Festen ging ein unglaubliches logistisches Unterfangen voraus. „Supermärkte, wie wir sie kennen, gab es natürlich nicht; die Agrarwirtschaft am kargen Monte Iato war nur beschränkt möglich“, beschreibt Kistler die Verhältnisse. „Monte Iatos Elite musste also soziale Abhängigkeiten schaffen, um für die ausgiebigen Festmahle die entsprechenden Gerichte bieten zu können. Es galt Vieh zu züchten und Frauen zu finden, die all die Lebensmittel verarbeiteten und herstellten. Dazu brauchte es führende Kräfte vor Ort. Doch das am Monte Iato produzierte Getreide und Fleisch reichte nicht aus, um in spätarchaischer Zeit Feste zu feiern. Der äußerst beliebte Wein und die Oliven mussten aus dem benachbarten Gebiet der griechischen Kolonien importiert werden. Dies war nur durch gastfreundschaftliche Beziehungen führender Personen zu kolonialen Kontaktpartnern möglich.“ Um das gesellschaftliche Leben der indigenen Bevölkerung Westsiziliens noch genauer beleuchten zu können, arbeitet das Forschungsteam interdisziplinär. Kistler weiß das Wissen aus anderen Fachrichtungen, wie der Soziologie, Anthropologie und Ethnologie zu bündeln und setzt dieses gezielt ein. Mithilfe des „religiösen Fingerprints“ versucht er die Kultur der indigenen Bevölkerung des Monte Iato in Abgrenzung zur Kultur der Phönizier und Griechen des Monte Iato zu erforschen. Sein Forschungsprojekt wird vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert. Die Ergebnisse sollen 2012 auf einem internationalen Kongress im Vergleich mit anderen Fallbeispielen debattiert und 2013 als Buch veröffentlicht werden. Derzeit arbeiten neun lokale Arbeitskräfte aus dem Dorf San Cipirello sowie Innsbrucker Studierende gemeinsam mit Kistler an diesem Projekt. ds
Fotos: Zürcher Ietas-Grabung (3)
ÖKOLOGIE
KÜHLENDE WÄLDER Hitzewellen haben erhebliche Auswirkungen auf Mensch und Ökosystem. Wie stark diese sind, hängt unter anderem von der Art der lokalen Bodenbedeckung ab.
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u Beginn einer Hitzewelle werden über Grasland niedrigere Temperaturen gemessen als über Waldgebieten. „Dauert eine trockene, heiße Periode länger, so kehrt sich die Situation um. Oberhalb von Wäldern ist es dann kühler als über dem Grasland – zum Höhepunkt der Hitzewelle im Jahr 2003 betrug dieser Unterschied in manchen Regionen im Mittel bis zu 3,5 °C“, erläutert Georg Wohlfahrt vom Institut für Ökologie das Ergebnis einer europaweiten Untersuchung, die im September in der Zeitschrift Nature Geoscience veröffentlicht wurde. Grund für dieses bemerkenswerte Phänomen ist die unterschiedliche Verdunstung, d.h. der Fluss von Wasserdampf durch die Spaltöffnungen der Pflanzen zur Atmosphäre hin: „Vor allem krautige Pflanzen weisen häufig höhere Verdunstungsraten als Bäume auf – weil für die Verdunstung von Wasser Energie aufgewendet werden muss, hat dies einen kühlenden Effekt und dämpft dadurch die Erwärmung“, verdeutlicht der Leiter der Arbeitsgruppe Biometeorologie.
LABORVERSUCHE UND FREILANDMESSUNGEN Wenn die Temperaturen über längere Zeit sehr hoch sind, verdunsten über dem Grasland große Mengen an Wasser. Werden die Vorräte an Bodenwasser schließlich knapp, schützen sich die Pflanzen, indem sie die Weite der Spaltöffnungen verringern und so die Verdunstung reduzieren. Da nun ein wichtiger Kühlmechanismus fehlt, kommt es zu einem Anstieg der Temperaturen des Ökosystems und der darüber liegenden Luftschichten. Wälder hingegen haben laut Wohlfahrt einen konservativen Wasserhaushalt, sie verdunsten langsamer, sind tiefer im Boden verwurzelt und haben daher auch nach längeren Hitzeperioden noch Zugang zu Wasserressourcen. Im Verlauf einer Hitzewelle tragen Wälder so stetig zur Kühlung bei und sind in dieser Hinsicht in längeren Hitzeperioden dem Grasland überlegen. Zu diesen Ergebnissen kamen
Fotos: Oliver Mohr/pixelio.de (1), Georg Wohlfahrt (1)
die Forscher anhand von Messungen an mehreren Standorten in Europa, an denen Grasland und Wald nebeneinander liegen. „Die Geräte an den Messtürmen liefern an 365 Tagen im Jahr 10- bis 20mal pro Sekunde Daten zur Verdunstung, die in eine europäische Datenbank eingespielt werden. In dieser Studie wurden diese in Kombination mit Satellitenbildern der Landoberflächentemperatur ausgewertet“, erzählt Georg Wohlfahrt. Die Messdaten, mit denen er arbeitet, stammen von einer Messstation, die sich auf einer Wiese im Stubaital befindet. „Was uns besonders interessiert hat, war die Frage: Was passiert auf dieser Wiese in einer längeren Phase der Trockenheit“, so der Wissenschaftler. „Wir haben festgestellt, dass, seit wir unsere Messungen im Jahr 2001 begonnen haben, für die Vegetation durch Trockenheit keine Nachteile entstanden sind. In Laborversuchen konnten wir jedoch zeigen, dass noch längere und noch heißere Temperaturen nachhaltige Schäden anrichten können.“ Eine Erkenntnis, die laut Wohlfahrt in Hinblick auf die klimatischen Zukunftsaussichten von Bedeutung ist. Denn diese prognostizieren sowohl einen Anstieg der durchschnittlichen Sommertemperaturen für Zentral- und Westeuropa als auch eine zunehmende Häufigkeit an sommerlichen Trockenperioden. ef
ZUR PERSON Georg Wohlfahrt, geboren 1970 in Innsbruck, studierte Biologie an der Universität Innsbruck und habilitierte sich 2004 im Fachbereich Ökologie. Er leitet die Forschungsgruppe Biometeorologie am Institut für Ökologie. Die Messung und Modellierung des Austausches von Spurengasen und Energie zwischen terrestrischen Ökosystemen und der Atmosphäre stehen im Mittelpunkt seiner Forschungsinteressen.
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RECHTSWISSENSCHAFT
GEDANKEN ZUR RECHTSZUKUNFT Technische und gesellschaftliche Entwicklungen beeinflussen immer mehr die Rechtsordnung. Wo liegen Möglichkeiten und Grenzen der rechtsstaatlichen Ordnung unter derart gewandelten Verhältnissen?
INFO Zum ersten Mal in Österreich fand im Universitätszentrum Obergurgl die „Tagung der Österreichischen Assistentinnen und Assistenten Öffentliches Recht“, organisiert von den Mitarbeitern des Innsbrucker Instituts für Öffentliches Recht, Sebastian Schmid, Veronika Tiefenthaler, Klaus Wallnöfer und Andreas Wimmer, zum Thema „Auf dem Weg zum hypermodernen Rechtsstaat?“ statt.
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ZUKUNFT: In Obergurgl fand die erste Tagung
der Österreichischen Assistentinnen und Assistenten Öffentliches Recht, unter anderen von Ihnen organisiert, statt. Wie kam es zu dem Tagungsthema „Auf dem Weg zum hypermodernen Rechtsstaat“? SEBASTIAN SCHMID: Zum einen ist es darum gegangen, einen etwas provokanten Titel zu finden. Die Hypermoderne ist nach der Moderne und der Postmoderne ein recht neuer Begriff und definiert die letzte gesellschaftliche Entwicklung, der gegenüber das klassische Modell des Rechtsstaats steht. Das ergibt ein interessantes Spannungsverhältnis und wirft die Frage auf, wie die „alte“ Rechtsordnung auf die aktuellen, schnellen und vor allem technischen Entwicklungen reagiert. Zum anderen ist dies sicher ein Themenbe-
reich, bei dem sich gerade junge Wissenschaftler etablieren können. ZUKUNFT: Wenn man in geradezu philosophischer Weise von einem hypermodernen Rechtsstaat spricht, kommt man wohl nicht umhin, interdisziplinär zu denken? VERONIKA TIEFENTHALER: Natürlich bietet sich das Thema für eine interdisziplinäre Betrachtung an. Wir haben uns aber bei der Tagung auf die rechtliche Perspektive beschränkt – was auch klar bei den Referaten zum Ausdruck kam. Allerdings war der Tagungstitel sehr offen formuliert – und ließ viele Themen zu, damit aus verschiedensten Bereichen des öffentlichen Rechts unterschiedlichste Inhalte diskutiert werden konnten. Das gesamte Interview finden Sie auf www.uibk.ac.at/forschung/magazin/5/
Fotos: David Bullock (3)
RECHTSWISSENSCHAFT
„Die Rechtsordnung bleibt von Technisierung und Digitalisierung nicht verschont. Sie muss sich im Einzelfall anpassen und ist dadurch auch vor Herausforderungen gestellt.“ Veronika Tiefenthaler, Universitätsassistentin
ZUKUNFT: Wenn man eine so breit angelegte
Thematik behandelt, kommt man dabei zu irgendeinem Ergebnis – oder war das gar nicht das Ziel? TIEFENTHALER: Sinn und Zweck dieser Tagung war vor allem ein wissenschaftlicher Gedankenaustausch, der zu Diskussionen anregen sollte. Aus diesem Grund war es auch nicht das vorrangige Ziel, auf ein bestimmtes abschließendes Ergebnis zu kommen. Auch war die Tagung nicht auf ein enges Thema beschränkt, wie die Inhalte der drei Panels zeigen: „Informelles Verwaltungshandeln im Lichte zunehmender Medialisierung“, „Veränderung versus Stetigkeit – aktuelle Entwicklungen aus verfassungsrechtlicher Sicht“ und „Die (relative) Geschlossenheit des Rechtsquellensystems unter dem Druck europarechtlicher Vorgaben“. SCHMID: Es war nicht unser Ziel, dass wir eine These als zusammenfassendes Ergebnis formulieren – und das hat in diesem Sinne auch nicht stattgefunden. Die Tagung sollte jungen Wissenschaftlern die Möglichkeit bieten, ihre Forschungsergebnisse zu präsentieren und dadurch einen Beitrag zur wissenschaftlichen Aufarbeitung aktueller Rechtsfragen zu leisten. ZUKUNFT: Eine technische Entwicklung hat es schon immer gegeben und der Rechtsstaat hat sich dementsprechend immer angepasst. Die Entwicklung ging in den letzten Jahren aber immer schneller voran. Ist das nun eine besondere Herausforderung für den Rechtsstaat oder kann man das so sehen, dass sich ein Rechtssystem bedingt durch seine Erfahrung sowieso anpasst? TIEFENTHALER: Das kann man nicht so einfach beantworten. Dinge wie E-Voting, Datenspeicherung, Datenschutz, diverse Technikklauseln, E-Government, die Frage des Grundrechtsverzichts sind alles Punkte, die unter anderem eine Konsequenz der technischen Entwicklung sind. Die Rechtsordnung bleibt von einer solchen Technisierung und Digitalisierung nicht verschont. Sie muss sich im Einzelfall anpassen und ist dadurch auch vor Herausforderungen gestellt. SCHMID: Die Stammfassung des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes geht auf das Jahr 1920 zurück. Diese Verfassung war ein Meilen-
stein und hat sich bis heute in weiten Bereichen unverändert gehalten, was durchaus für ihre Qualität und ihre Fähigkeit spricht, auf gesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren. Es ist also aufgrund der zunehmenden Technisierung und Digitalisierung keine Umkrempelung der gesamten Rechtsordnung notwendig. Dass aber in manchen Bereichen Anpassungsbedarf besteht und Anpassungen schon erfolgt sind, haben die Referate und die Workshops der Assistententagung sehr eindrücklich aufgezeigt. Als Beispiel sei auf die jüngste E-Voting-Diskussion verwiesen: Hier steht die mit der Internetnutzung einhergehende Transparenz in einem Spannungsverhältnis zum verfassungsrechtlich garantierten geheimen Wahlrecht. Solche Gegensätze sind eine Herausforderung für Techniker und Rechtswissenschaftler. ZUKUNFT: Kann man sagen, dass es bezugnehmend auf Globalisierung und die europäische Entwicklung eine neue Dimension des Rechtsdenkens geben soll? TIEFENTHALER: Die Idee des Rechtsstaats an sich steht nicht in Frage. Im Grunde funktioniert ja auch die europäische Rechtsordnung ganz gleich wie eine nationale, zum Beispiel kann man das europäische Primärrecht inhaltlich betrachtet durchaus als Verfassungsrecht der EU bezeichnen. Es kann aber festgestellt werden, dass die österreichische, sehr stark an formellen Gesichtspunkten orientierte Rechtslehre zunehmend von der auf europäischer Ebene vorherrschenden materiellen Sichtweise auf das Recht abgelöst wird. ZUKUNFT: Technisierung, neue politische Entwicklungen am Beispiel der EU – der hypermoderne Rechtsstaat lässt sich also auf den herkömmlichen Rechtsnormen aufbauen? SCHMID: Aktuelle technische Entwicklungen lassen sich weitgehend mit der geltenden Rechtsordnung bewältigen. In einzelnen Bereichen gibt es wohl Handlungsbedarf für den Gesetzgeber ... TIEFENTHALER: Was die zwei Workshops der Tagung verdeutlicht haben. Diese hatten „Datenschutz im Internet“ und „Rechtssetzung im elektronischen Umfeld“ zum Thema. Beides sind Beispiele dafür, wie der Gesetzgeber mit Technisierung und Digitalisierung in der Praxis umgeht. db
ZUR PERSON Nach Studienaufenthalten in England (LSE, Cambridge) absolvierte die gebürtige Feldkircherin Veronika Tiefenthaler neben dem Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften ebenfalls das Studium der Politikwissenschaften in Innsbruck. Seit 2008 ist die 25-Jährige Assistentin am Institut für Öffentliches Recht.
ZUR PERSON Der 1978 in Innsbruck geborene Jurist Sebastian Schmid promovierte 2005, nach einem Studienaufenthalt an der Erasmus-Universität Rotterdam, an der Universität Innsbruck zum Dr. iur. Im gleichen Jahr wurde er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Öffentliches Recht.
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GRÜNDUNGEN
EIN FASERVERBUND FORMT DIE ZUKUNFT Die Architektin Valentine Troi hat einen neuartigen Leichtbau-Werkstoff erfunden, der mittlerweile patentrechtlich geschützt ist. Mit einem hochmotivierten Team an ihrer Seite steht sie nun kurz vor der Unternehmensgründung.
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ie rasanten Softwareentwicklungen der letzten Jahre haben Architektur und Design Türen in ungeahnte neue Räume geöffnet. Bislang sind es aber häufig virtuelle Räume geblieben. Wer sich mit freigeometrischen Formen beschäftigte, konnte sich bei ihrer (Ver-)Formung am Computer zwar austoben, bei der Umsetzung von Freiformstrukturen in die Landschaft stieß man jedoch bald an Grenzen. Die Herstellung von komplexen geometrischen Strukturen ist äußerst kostspielig. Die Geometrie der architektonischen Konstruktionen von Zaha Hadid in Innsbruck ist vielleicht das geläufigste heimische Beispiel dafür. Genau bei dieser Problematik setzt die materialtechnologische Erfindung der Architektin Valentine Troi an. Sie und das Gründerteam von superTEX – alle Mitglieder lehren und forschen am Institut für Experimentelle Architektur./Hochbau an der Uni Innsbruck – haben einen revolutionären Werkstoff entwickelt. Mit dem Faserverbundmaterial splineTEX® können in Zukunft komplex geometrisch geformte Strukturelemente in unterschiedlichsten Maßstäben mit erheblich reduziertem Kostenfaktor realisiert werden. Der Mehrphasenwerkstoff kann nämlich in einem weichen Zustand einfach in die gewünschte Form gebracht werden, bevor er dann gehärtet wird. Der Anwendungsbereich von splineTEX®
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geht vom Sportgerät über Gebäudebauteile bis hin zur Autokarosserie. Nach zwei Jahren Entwicklungsarbeit zählen nicht mehr nur Architekten und Designer zu ihren Kunden. Auch die Automobilindustrie, der Flugzeug- und Bootsbau sowie die Raumfahrt zeigen sich interessiert. Derzeit sind Prototypen für Details an Autos der Zukunft in Planung. Von der Idee bis hin zur finanziellen Förderung und Unterstützung bei der Unternehmensgründung fanden Valentine Troi und ihr Team in den universitären Einrichtungen p.s.b. (projekt.service.büro), transidee und CAST die perfekten Partner. Infos unter www.supertex.at. cast
FORSCHUNGSUND FINANZIERUNGSPHASEN 2009 Großmaßstäblicher Prototyp in splineTEX®; Tiroler Wissenschaftsfond/Nachwuchsförderung 2010 Entwicklung industrielles Herstellungsverfahren für splineTEX®; Prototypenförderung PRIZE (BMWFJ) 2011 Unternehmensgründung superTEX; AWS Pre Seed und CAST Gründungszentrum GmbH
Foto: Valentine Troi
GRÜNDUNGEN
DIE FLEISSIGEN EICHHÖRNCHEN Das Web hat sich zu einem sozialen Medium entwickelt, das auch die Welt der Kinder grundlegend verändert hat. Nasubia bietet dem Nachwuchs eine sichere Webumgebung.
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inder wachsen heute mit neuen Medien auf und machen sehr früh erste Kontakte mit dem www.. Spielen und mit Freunden chatten zählen zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. Kinder bloggen, chatten und pflegen ihre Kontakte mit Hilfe von sozialen Netzwerken. Dennoch haben sie andere Anforderungen als Erwachsene. Besonders die vermeintliche Anonymität des Netzes birgt Gefahren für Kinder, die den verantwortungsvollen Umgang mit sensiblen Daten noch nicht erlernt haben. Das Team der Rational Worlds GmbH, Thomas Haselwanter, Martin Tanler und Andreas Wechselberger, hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, dem Nachwuchs eine altersgerechte und sichere Umgebung im Internet zu bieten. Diese Umgebung ist eine virtuelle Welt namens Nasubia, die über das Internet kostenlos betreten werden kann. Jedes Kind darf sich zuerst ein Eichhörnchen auswählen. Dieses stellt die Identität des Kindes dar, mit dem es
Fotos: Nasubia
Nasubia erkunden, altersgemäße Spiele spielen, sich mit anderen Kindern unterhalten, Freunde finden und kreativ sein kann. Nasubia verzichtet vollständig auf Werbung, da Kinder normale Inhalte von Werbung nur schwer unterscheiden können. Anstelle bietet Nasubia verschiedene Arten von Mitgliedschaften an, die zusätzliche Funktionen in der Welt freischalten. Die Benutzer von Nasubia wollen kommunizieren und Informationen teilen. Da Letzteres naturgemäß Gefahren birgt, konzentriert sich das Nasubia-Team auf die verschiedenen Aspekte der Kommunikation zwischen den Benutzern. Es werden innovative Strategien, Techniken und Algorithmen entwickelt, um die Interaktion zwischen Kindern sicher zu gestalten. Nasubia befindet sich derzeit in der Beta-Phase und wird seit Juli 2010 von CAST mit Beratung und finanziellen Mitteln umfassend betreut. Gleich einloggen und Spaßfaktor testen unter: www.nasubia.com. cast
DIE TECHNIK Bei der Realisierung wird auf hochwertige Open-Source Lösungen aufgebaut, was einerseits erlaubt, die notwendigen Sicherheitsstandards effizient einzuhalten und andererseits flexibel genug zu bleiben, um ein Produkt zu schaffen, das dem anspruchsvollen, kindlichen Spielcharakter genügt. Auf Seiten der Infrastruktur wird auf modernste cloud-basierte Lösungen gesetzt, was dem Unternehmen ermöglicht, sich auf die problemspezifischen Kerntechnologien zu konzentrieren.
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GRÜNDUNGEN
KOMMENTAR
STILLSTAND ALS ERFOLG VERKAUFEN
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tillstand und Rückschritt scheinen die wichtigsten Maxime in unserer derzeitigen Politik zu sein. Das wichtigste Ziel ist die Erhaltung aktueller Systeme ohne den eigentlichen Nutzen oder Mehrwert zu hinterfragen. Die Befürchtungen über die österreichische Bildungs-, Forschungs- und Technologiepolitik, die ich im Jänner 2010 an dieser Stelle geäußert habe, sind leider voll eingetroffen. Die Politik verkauft uns dieser Tage, dass die 80 Millionen Euro zusätzliche Budgetmittel für unsere Universitäten ein Meilenstein in den Budgetverhandlungen waren. Das ist schlicht ein Skandal. Einerseits geht es natürlich ums Geld und dabei ist die Verdoppelung der Belastungen unserer Universitäten in den letzten Jahren in keiner Relation zu den zugesagten Mitteln. Das viel schlimmere Problem liegt aber in dem selbstherrlichen Glauben der Politik, die Strukturfragen in diesen Bereichen selbst beantworten zu können oder sie dem Spielball parteipolitischer Interessen zu opfern. So müssen die Rektoren nahezu um einen Termin bei den Entscheidungsträgern betteln, um bei Strukturfragen angehört zu werden, geschweige denn, dass sie ein Mitbestimmungsrecht in der Gestaltung bekommen. In der Bildungspolitik werden die zwei zuständigen Ministerinnen regelmäßig von ihren Parteikollegen öffentlich bloßgestellt und können der Bedeutung ihrer Themen kein politisch adäquates Gehör verschaffen. In der Technologiepolitik gibt es nach wie vor keine gemeinsame Strategie der drei Fachministerien, obwohl diese für August versprochen war und somit als Folge auch keine Chance für neue Impulse in diesem Bereich (nun schon das dritte Jahr!). In Abwandlung einer bekannten Volksweisheit kann man sagen: Erstklassige Politiker machen erstklassige Politik, zweitklassige Politiker machen drittklassige Politik. Schade, dass wir so wenig erstklassige Politiker haben. mac
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EIN GRUNDSTEIN ZUR SELBSTSTÄNDIGKEIT Businessplanwettbewerb Adventure X – von der Forschung zum tragfähigen Businesskonzept.
Adventure X-Sieger 2010 mit Harald Gohm, Patrizia Zoller-Frischauf und Jürgen Bodenseer.
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ie Tiroler Zukunftsstiftung und CAST veranstalten auch 2011 wieder den Tiroler Businessplanwettbewerb Adventure X. Gründungsinteressierte aus dem Kreise der Tiroler ForscherInnen sind aufgerufen und eingeladen, ihre Geschäftsidee im Rahmen des Wettbewerbs in einem Businessplan auszuarbeiten, die Option Selbstständigkeit für sich zu prüfen und den Grundstein für ein eigenes Unternehmen zu legen. Fachkundige Unterstützung steht in Form von Coachingabenden und Seminarwochenenden zur Verfügung. Experten aus den unterschiedlichsten Fachbereichen (Marketing & Vertrieb, Finanzierung, Steuern & Recht, etc.) unterstützen kostenlos bei der Ausarbeitung des Businessplans und vermitteln spezifisches Gründungswissen.
Geschäfte mit neuen Technologien sind in der Regel komplex. Deshalb profitieren gerade WissenschaftlerInnen besonders vom Adventure X-Angebot, innovative Geschäftsideen unter laufender Beratung zu einem tragfähigen Geschäftskonzept zu entwickeln. Weiters besteht während der Laufzeit des Bewerbs (Jänner bis Juni 2011) die Möglichkeit, Kontakte zu Fördergebern und Investoren zu knüpfen, Kapital zu aquirieren sowie Netzwerke auf- bzw. auszubauen. Alle Leistungen stehen den TeilnehmerInnen kostenlos zur Verfügung, die Einreichungen werden vertraulich behandelt. Die besten Businesspläne werden mit Sachpreisen und Preisgeldern ausgezeichnet. Die Kick-Off-Veranstaltung findet am 20. Jänner 2011 statt. Infos unter www.adventurex.info. cast
NEUE FÖRDERINITIATIVE UNTERSTÜTZT ERFINDERGEIST Mit dem Tiroler Patententwicklungspool greifen Land Tirol und Wirtschaftskammer den Tiroler Erfindern finanziell unter die Arme, wenn es darum geht, ihre Erfindung über ein Patent bzw. Gebrauchsmuster zu schützen und wirtschaftlich zu verwerten. Gefördert werden alle kommerziellen Phasen, die bei einer Erfindung relevant sind. Infos unter: www.wko.at/tirol
Fotos: Andreas Friedle (2), dreamstime.com (1)
TRANSIDEE
STARK VERNETZT Europäischer Dachverband ASTP beruft Geschäftsführerin Sara Matt-Leubner ins Präsidium.
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eit nunmehr einem Jahr firmiert das Transferzentrum der Universität Innsbruck unter dem neuen Namen transidee und kann auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken. Ein besonderer Höhepunkt im Jahr 2010 war die Berufung der Geschäftsführerin Sara Matt-Leubner in das Präsidium der Dachorganisation Europäischer Technologietransferexperten ASTP. In dieser neuen Funktion als Vizepräsidentin der ASTP hat sich Sara Matt-Leubner zum Ziel gesetzt, einen der nächsten Kongresse des Dachverbands in Innsbruck auszurichten und so einen Beitrag zum internationalen Standing Tirols als Wissenschafts- und Innovationsstandort zu leisten. Weiters wird durch diese Berufung der Zugang zu einem internationalen Pool von möglichen Partnern für Innovationsprojekte gestärkt.
PROJEKTMANAGEMENT Wie schon im vergangenen Jahr bei der Namensänderung angestrebt, erfolgte neben der Fokussierung auf die Projektentwicklung und Verwertung auch die Festigung der Dienstleistungen im Bereich Projektmanagement. Derzeit werden neun Projekte von transidee hinsichtlich der Verwaltung, des Controllings und/oder der Berichterstattung betreut. Zudem bietet transidee auch vermehrt Hilfestellung bei der Planung und Abwicklung von Veranstaltungen, wie z.B. bei der im Herbst 2010 abgehaltenen Polartagung in Obergurgl. Weiters freut sich transidee über die äußerst gute Zusammenarbeit in Projekten mit dem Land Tirol oder dem Agrarmarketing Tirol. Natürlich kamen auch
Kooperationsprojekte zwischen Wirtschaftsunternehmen und Wissenschaft nicht zu kurz. Exemplarisch hervorgehoben seien hier Kooperationen der Metallwerke Deutsch und des Bauunternehmen Lang mit der Universität Innsbruck. Zusammenfassend ist transidee in folgenden Bereichen aktiv: • Projektentwicklung: Entwicklung und Begleitung von Kooperationsprojekten von der Idee bis zur Umsetzung • Förderberatung für Wirtschaftspartner und Kooperationsprojekte: Fördermöglichkeiten werden dargestellt, Coaching bei der Antragsstellung, Partnerakquise • Projektmanagement: Verwaltung von Projekten bzw. Unterstützung beim Controlling, Berichtund Verwaltungswesen • Patentverwertung: Akquise von Verwertungspartnern und Lizenznehmern, Unterstützung beim Erstellen eines „Proof of Concept“ und/ oder beim Prototypenbau
INFO ASTP (Association of European Science & Technology Transfer Professionals) ist die Dachorganisation der Europäischen Technologietransferexperten. Sie wurde 2000 gegründet und zählt inzwischen über 660 Mitglieder aus 41 Ländern. Die Mission der ASTP ist die Professionalisierung, Bewerbung und Stärkung von Wissens- und Technologietransfers zwischen den wissenschaftlichen Einrichtungen und der Industrie in Europa. Die ASTP arbeitet als praxisbezogenes Netzwerk und bietet ihren Mitgliedern neben jährlichen Konferenzen, Fachtagungen und Schulungen auch Wege zur Zertifizierung als Tech-Transferprofi durch den Weltverband ATTP. Info unter www.astp.net
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KURZMELDUNGEN
WASSERRESERVOIR GLETSCHER
NEUE GESICHTER
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nsgesamt 21 Professorinnen und Professoren wurden im vergangenen Studienjahr an die Universität Innsbruck berufen. Dazu kommen neun Berufungen von Universitätsdozentinnen und -dozenten, die in die Professorenschaft aufgenommen werden konnten. „Wir haben die Zahl der Berufungen deutlich steigern können und dabei in der Qualität nicht nachgegeben“, betont Rektor Karlheinz Töchterle. Dies sei in Zeiten von Sparprogrammen und begrenzten Mitteln nicht immer einfach. Die Uni Innsbruck geht aber bei den Neuberufungen einen sehr offensiven Weg und ist österreichweit auch bei den sogenannten Qualifizierungsvereinbarungen führend, die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern den Aufstieg in die Professorenschaft ermöglichen. Über 100 solche Stellen wurden bereits eingerichtet.
Gletscher tragen zur Wasserversorgung von Siedlungsgebieten bei. Allerdings gibt es dabei bedeutende regionale Unterschiede.
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n einer Studie zeigen die Gletscher- und Klimaforscher um Prof. Georg Kaser und Dr. Ben Marzeion, dass Gletscher regional sehr unterschiedlich zur Wasserversorgung von Siedlungsgebieten beitragen. Sie haben dazu erhoben, wie viel Niederschlag auf einzelnen Gletschern niedergeht und zu welchem Zeitpunkt dieses Wasser wieder abgegeben und damit in Siedlungsgebieten verfügbar wird. „Es macht einen großen Unterschied, ob die Gletscher das Wasser in der Trockenzeit wieder abgeben oder, wie in den Monsungegenden Asiens, in einer Periode, in der ohnehin viel Niederschlag fällt“, erklärt Marzeion. „Es gibt aber auch Gebiete, wie um den Aralsee, in denen die Niederschläge im Winter in den Gebirgen fallen. Dort ist die sommerliche Gletscherschmelze lebenswichtig für die Bewohner der angrenzenden Regionen.“ Die Forscher haben einen Index berechnet, aus dem sie ablesen können, wie hoch die Abhängigkeit der Menschen
einer bestimmten Region vom Gletscherwasser ist. Dabei zeigt sich, dass vor allem hochgelegene Gebiete stark vom Gletscherwasser abhängig sind, die Bevölkerungsdichte dort aber meist relativ gering ist. „Kritisch ist die Situation vor allem in mittleren Höhen, wo bereits viele Menschen leben und das Gletscherwasser immer noch einen hohen Anteil zum verfügbaren Wasser beiträgt“, so die Klimaforscher. Anstoß für die Studie war die Diskussion um den Einfluss des Klimawandels auf die Wasserversorgung von Siedlungsge-
bieten. „Hier wurden in den letzten Jahren immer wieder Zahlen genannt, die einer genaueren Prüfung nicht standhalten“, sagt Kaser. „Wenn etwa behauptet wird, dass das Abschmelzen der Gletscher die Wasserversorgung von zwei Milliarden Menschen gefährdet, ist das stark übertrieben.“ Die Forscher wollen auf die erheblichen regionalen Unterschiede aufmerksam machen. „Denn für kleinere Gemeinschaften in Gebirgen kann die erwartete Klimaentwicklung durchaus eine existenzielle Bedrohung darstellen.“
ASTROPHYSIK INTERNATIONAL Der erste Jahrgang von Studierenden des neuen, internationalen Master-Studienganges für Astrophysik ist in Innsbruck angekommen. Nach strengen Qualitätskriterien wurden aus einer großen Anzahl von Bewerbern 20 Kandidatinnen und Kandidaten ausgewählt – herausragende Studierende aus Europa, Asien, Nord- und Südamerika sowie Afrika. Das Erasmus Mundus Programm wird von der Europäischen Kommission finanziert. Der Masterstudiengang Astrophysik ist der erste von Österreich koordinierte Erasmus Mundus Studiengang. Weitere Partner sind die Universitäten Padua, Rom, Göttingen und Belgrad. So haben die Studenten nach ihrem ersten Semester in Innsbruck die Auswahl, die folgenden Semester an einer oder mehreren der Partneruniversitäten zu verbringen. Zusätzlich stehen ein Praktikum am Observatorium in Asiago und eine Sommerschule in Belgrad auf dem Programm. „Die Teilnehmer sind hochmotiviert und so begeistert, dass es eine Freude sein wird, sie zu unterrichten“, freut sich Prof. Sabine Schindler, die Koordinatorin des Programms.
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Fotos: NASA/JPL-Caltech/Laboratorio de Astrofísica Espacial y Física Fundamental (1), Uni Innsbruck (1), Miriam Schmidt/pixelio.de (1)
PREISE & AUSZEICHNUNGEN
RAINER GRAEFE AUSGEZEICHNET Wissenschaftspreis der Stiftung Südtiroler Sparkasse für das Lebenswerk eines Vordenkers der Baugeschichte.
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er Name Rainer Graefe ist untrennbar mit der Rettung und denkmalgerechten Sanierung des ehemaligen Sudhauses des Innsbrucker Adambräus und der Gründung des Archivs für Baukunst im Jahr 2005 verbunden. Weit über die Grenzen hinaus ist er für seine Forschungsarbeiten zu Antoni Gaudís unvollendeter Kirche in der ehemaligen Industriesiedlung Colònia Güell bei Barcelona bekannt. Mit dieser setzte sich Graefe bereits während seiner wissenschaftlichen Tätigkeit bei Frei Otto auseinander. Zudem hat er sich mit seinen Forschungen zum Werk des russischen Ingenieurs Vladimir G. Suchov und mit seiner Initiative zur Erhaltung von Suchov-Bauten in Russland verdient gemacht. Dafür wurden ihm 2003 in Moskau die „Suchov-Goldmedaille“ sowie 2008 das Ehrendoktorat der Universität für Bauwesen in Nizhnij Novogorod verliehen. 2009 wurde Rainer Graefe zum korrespondierenden Mitglied der Real Académia Catalana de Belles Arts de Sant Jordi, Barcelona, ernannt. „Seine unermüdliche
Foto: Andreas Friedle
Forschungstätigkeit über Jahrzehnte hinweg weist eine außerordentliche thematische Vielfalt auf. Rainer Graefe hat mit seiner Arbeit dem Fach Baugeschichte von den Rändern her zu einer bedeutenden Vertiefung verholfen“, so Prof. Jan Piper über das wegweisende Werk seines Fachkollegen.
FORSCHUNGSPREISE Die Verleihung der mit 10.000 Euro dotierten Auszeichnung fand im Oktober zum zweiten Mal statt. Prof. Rainer Graefe zeigte sich tief bewegt von der Auszeichnung und bedankte sich bei der Universität Innsbruck sowie seinen Mitarbeitern und Partnern für die vielfältige Unterstützung. Weitere Forschungspreise der Stiftung Südtiroler Sparkasse im Wert von jeweils 2500 Euro gingen an Prof. Ruben Sommaruga vom Institut für Ökologie, Prof. Christian Huck vom Institut für Analytische Chemie und Radiochemie, Prof. Christoph Spötl vom Institut für Geologie und Paläontologie und Doz. Georg Moser vom Institut für Informatik.
ZUR PERSON Rainer Graefe, geboren 1941 in Berlin, studierte Theaterwissenschaft, Philosophie und Germanistik. Er wurde Mitarbeiter des renommierten deutschen Architekten Frei Otto und beschäftigte sich intensiv mit allen Facetten des Konstruierens. 1991 wurde Graefe als Professor für Baugeschichte und Denkmalpflege an die Universität Innsbruck berufen.
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PREISE & AUSZEICHNUNGEN
NACHWUCHSPREIS Daniela Rützler wurde im Oktober mit dem Heinz Sauermann-Preis zur experimentellen Wirtschaftsforschung ausgezeichnet. Die 1983 geborene Finanzwissenschaftlerin untersuchte in ihrer Doktorarbeit unter Zuhilfenahme ökonomischer Experimente, wie sich ökonomisches Entscheidungsverhalten mit dem Lebensalter entwickelt. Der Nachwuchspreis wird von der Gesellschaft für experimentelle Wirtschaftsforschung vergeben.
INTERVENTIONEN In London wurden Innsbrucker Architekturstudenten beim International Architecture Student Festival (IASF) ausgezeichnet. Studierende verschiedener internationaler Universitäten entwickelten und realisierten eine Serie von temporären Interventionen für den urbanen Raum Londons. Betreut von Birgit Brauner und Christian Schmutz entwickelten 14 Studierende drei Projekte, die dann mit Unterstützung von Thomas Hillebrand innerhalb von einer Woche in London umgesetzt wurden. Das Thema des Wettbewerbs war: „Reduce, Reuse, Recycle“.
LOS ANGELES Ivan Niedermair, Architekturstudent an der Uni Innsbruck, wurde von einer international besetzten Jury für eines der begehrten Schindler-Stipendien ausgewählt. Im Rahmen des Artists and Architects in Residence-Programms arbeitet er sechs Monate lang in Los Angeles an seinem experimentellen Architekturprojekt. Während seines Aufenthalts in den USA widmet sich Niedermair der Frage, wie sich die Städte angesichts der gegenwärtigen Klima- und Ressourcensituation verändern werden und müssen. Die Schindler-Stipendien werden vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur gemeinsam mit dem MAK – Museum für angewandte und zeitgenössische Kunst vergeben.
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DURCHSTARTER Barbara Kraus und Florian Schreck zählen zu den diesjährigen START-Preisträgern.
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arbara Kraus vom Institut für Theoretische Physik der Uni Innsbruck beschäftigt sich mit dem noch jungen Forschungsgebiet der Quanteninformationstheorie, das die klassische Informationstheorie mit der Quantenphysik vereinen will. Zum Beispiel ermöglicht die Quantenphysik eine sichere Übertragung von Information. Weiters scheint ein Quantencomputer bestimmte Probleme viel schneller lösen zu können als ein klassischer Computer. Quantensimulatoren können verwendet werden, um komplexe Systeme zu simulieren. Barbara Kraus will neue theoretische Methoden für die Beschreibung und Untersuchung von Vielteilchenquantensystemen entwickeln, um mögliche Anwendungen der Quanteninformationstheorie zu finden, die Brauchbarkeit der Quantenzustände für bestimmte Anwendungen zu analysieren und neue, experimentell realisierbare Methoden zur Erzeugung und Manipulation von Quantensystemen vorzuschlagen. Florian Schreck beschäftigt sich in der Forschungsgruppe von WittgensteinPreisträger Rudolf Grimm mit ultrakalten Quantengasen. Mit seinem Team gelang es ihm im Vorjahr, das weltweit erste Bose-Einstein-Kondensat aus Strontium zu erzeugen. Strontium verfügt über eine reichhaltige innere Struktur. Dies ermöglicht es Experimentalphysikern, mehr Einfluss auf die Atome zu nehmen als bei einfachen Elementen und damit interessantere Quantenobjekte zu erzeugen und zu untersuchen. „Wir möchten das Beste aus den sich neu eröffnenden Möglichkeiten machen“, sagt Florian Schreck. Dazu zählen die Realisierung von Quantencomputern und Quantensimulatoren. Der START-Preis ist die höchste Auszeichnung für Nachwuchswissenschaftler in Österreich.
Fotos: IQOQI (3), Uni Innsbruck (5)
PREISE & AUSZEICHNUNGEN
ZWEI ERC-GRANTS FÜR DIE PHYSIK Der Europäische Forschungsrat (ERC) unterstützt Francesca Ferlaino und Gregor Weihs vom Institut für Experimentalphysik mit über 2,3 Millionen Euro.
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it dem ERC Starting Grant werden erfolgreiche junge Forscherinnen und Forscher mit hoch dotierten Projektbudgets gefördert. Das Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck kann in diesem Jahr gleich zwei Preisträger vorweisen: Francesca Ferlaino und Gregor Weihs. Die gebürtige Italienerin Francesca Ferlaino wird mit den Forschungsgeldern ein neues, exotisches Element für Experimente mit quantenentarteten Gasen und stark korrelierten Systemen nutzen: Erbium, ein sehr seltenes und bisher wenig beachtetes Metall. Es ist ein vielversprechender Kandidat für die in enger Kooperation mit der Forschungsgruppe um Rudolf Grimm durchgeführten Experimente, weil es vergleichsweise schwer ist und einen stark magnetischen Charakter besitzt. Quantengase haben außergewöhnliche Eigenschaften und bieten ideale Möglichkeiten, um grundlegende Fragen der Physik im Detail zu studieren.
QUANTENPHYSIK AUF CHIPS Gregor Weihs beschäftigt sich mit der Konstruktion von Quellen für einzelne Photonen und verschränkte Photonenpaare. Diese bilden eine wesentliche technologische Grundlage für zukünftige Quantenkommunikation und Quantencomputer. Mit den Mitteln des Europäischen Forschungsrats will Weihs die Erzeugung von verschränkten Photonen in Halbleiternanostrukturen auf eine neue Stufe heben: „Wir wollen Quellen bauen, die effizient arbeiten und gut zu kontrollieren sind.“ Es gilt dabei Wege zu finden, wie verhindert werden kann, dass Verunrei-
nigungen in den Nanostrukturen die Quanteneffekte zerstören. Das von den internationalen Gutachtern überaus gut bewertete Forschungsvorhaben könnte in einigen Jahren eine neue Technologie hervorbringen, die konkrete Anwendungen der Quanteninformationsverarbeitung im Alltag noch näher rücken lassen.
NOBELPREISTRÄGER Ende Oktober war der Physik-Nobelpreisträger von 2001, Wolfgang Ketterle, zu Gast in Tirol. In einem öffentlichen Vortrag an der Universität Innsbruck berichtete er über neue Formen von ultrakalter Materie. „Tiefe Temperaturen öffnen ein Fenster in die Quantenwelt, in der Teilchen sich wie Wellen verhalten und ‚im Gleichschritt marschieren’ können“, sagte der am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (USA) tätige Physiker. Im Jahr 1925 sagte Albert Einstein eine solche neue Form der Materie voraus. Wolfgang Ketterle gehörte 1995 zu den Ersten, denen die Erzeugung eines Bose-Einstein-Kondensats gelang.
PHYSIK-PREIS Die Nachwuchswissenschaftlerin Francesca Ferlaino erhielt im September in Salzburg im Rahmen der 60. Jahrestagung der Österreichischen Physikalischen Gesellschaft den Fritz-Kohlrausch-Preis. Für Ferlaino war es nach dem START-Preis im Vorjahr und einem ERC-Starting Grant in diesem Jahr die dritte bedeutende Auszeichnung in kurzer Zeit. Sie erhielt den Preis für ihre erfolgreichen Forschungen zur Efimov-Physik und zur Vierkörperphysik mit dem von Rudolf Grimm geleiteten Efimov-Team an der Universität Innsbruck.
PALÄOKLIMA Ronny Boch vom Institut für Geologie und Paläontologie erhielt als erster Österreicher den Paul Woldstedt-Preis. Die Auszeichnung wird für hervorragende wissenschaftliche Nachwuchsarbeiten auf dem Sektor der Quartärforschung vergeben. Der 1978 geborene Geologe wurde für seine Arbeiten zu Klimaschwankungen seit dem Ende der letzten Eiszeit ausgezeichnet, die er anhand von detaillierten Analysen von Tropfsteinen aus einer Höhle in der Steiermark rekonstruierte.
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ZWISCHENSTOPP IN INNSBRUCK
VERGESSENE TECHNOLOGIEN Nils Anfinset ist Ethnoarchäologe an der Universität Bergen in Norwegen und forscht gemeinsam mit Innsbrucker Wissenschaftlern über frühe Kupfergewinnungsverfahren.
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uf Einladung des Instituts für Archäologien besuchte Dr. Nils Anfinset im Jänner dieses Jahres erstmals die Universität Innsbruck. Hier war der am FWF-Spezialforschungsbereich HiMAT beteiligte Montanarchäologe Dr. Gert Goldenberg auf den Ethnoarchäologen und seine Arbeit zu den technologischen und sozialen Aspekten traditioneller Kupfergewinnung in Nepal aufmerksam geworden. „Nach einem beeindruckenden Gastvortrag des norwegischen Wissenschaftlers über althergebrachte Verfahren zur Kupfergewinnung in abgelegenen Bergregionen Nepals haben wir eine Kooperation vereinbart, in deren Mittelpunkt die Rekonstruktion prähistorischer Techniken bei der Verhüttung von Kupfererzen steht“, erzählt Dr. Goldenberg. „Wir erhoffen uns von der gemeinsamen Auswertung archäologischer und archäometallurgischer Befunde aus den Ostalpen und ethnologischer Erkenntnisse und Erfahrungen aus Nepal neue, aufschlussreiche Ergebnisse.“ Bei einem zweiten Besuch in Innsbruck im Spätsommer nahm Nils Anfinset an Ausgrabungen in einer prähistorischen Kupfergrube bei Radfeld im Unterinntal teil. Hier konnte er mit dem Innsbrucker Archäologenteam praktische Erfahrungen bei der bergmännischen Arbeit unter Tage sowie einen Einblick in prähistorische Abbaumethoden gewinnen. Im Anschluss an die Grabung in Tirol führten die Forscher zusammen mit dem Denkmalamt in Trient ein einwöchiges Feldexperiment in Fiavè durch. Dabei wurde unter Anleitung des norwegischen Ethnoarchäologen die Kupfergewinnung nach dem „Nepal-Verfahren“ nachgestellt.
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„Durch Bündelung unterschiedlicher Kompetenzen und Erfahrungen der an dem Feldversuch beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten wir erste herausragende Ergebnisse erzielen“, zeigt sich Dr. Goldenberg zufrieden. „Wir wollen diese spannende, interdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit auf jeden Fall fortsetzen.“
NEPAL-VERFAHREN
ZUR PERSON Dr. Nils Anfinset ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Department of Archaeology, History, Religious and Cultural Studies an der Universität Bergen, Norwegen. Er lehrt und lehrte an den Universitäten Bergen, Oslo und Birzeit, Palästina. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen politische Archäologie, kulturelles Erbe, Neolithikum und Bronzezeit, mit Projekten in Norwegen, Nepal, Tansania und im Mittleren Osten (Syrien und West Bank).
Der stets freundliche und gut gelaunte Wissenschaftler aus Norwegen, Vater von vier Kindern, kommentierte seinen Besuch in Innsbruck mit den Worten: „Ich hatte das Privileg, an Ausgrabungen in einer prähistorischen Kupfermine sowie an einem Feldexperiment teilzunehmen. Das war in mehrerlei Hinsicht von Bedeutung: Zum einen konnte ich mich mit den Studierenden und den Mitarbeitern des HiMAT-Spezialforschungsbereichs vernetzen. Dies ist eine wertvolle Grundlage für weitere gemeinsame Projekte und auch Freundschaften. Zum anderen waren die Kupfermine und ihr Umfeld hoch interessant, weil diese Mine denjenigen sehr ähnlich ist, die ich in Nepal untersucht habe. Das verhilft uns zu einem besseren Verständnis der prähistorischen Bergbautechnologie. Weiters war das Experiment sehr wichtig, um zu zeigen, dass das ‚Nepal-Verfahren’ wirklich reproduzierbar ist. Hierdurch werden sich in Zukunft auch einige archäologische Befunde im Zusammenhang mit dem frühen Kupfererzbergbau und der Kupferverhüttung in den Alpen besser erklären lassen. Außerdem zeigt es, wie schwierig Technologietransfer sein kann, denn Wissen allein genügt nicht, um Kupfer aus seinen Erzen zu schmelzen“, so der norwegische Archäologe. cf
Foto: Universität Innsbruck
SPRUNGBRETT INNSBRUCK
HALBLEITERPHYSIK Die Physikerin Claire Gmachl forscht an der Princeton University an neuen Lasern, die in hochsensiblen Messgeräten eingesetzt werden können.
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ie wurde vom amerikanischen Magazin „Popular Science“ unter die zehn brillantesten Wissenschaftler des Jahres 2004 gewählt, erhielt 2005 von der MacArthur Foundation den hoch dotierten „Genius Grant“ und leitet seit 2006 ein amerikanisches Forschungszentrum mit weit über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Ihren Ausgang nahm diese beeindruckende Karriere in Innsbruck. Hier begann Claire Gmachl 1985 mit dem Studium der Mathematik und der Physik, Fächern, die sie schon immer fasziniert hatten. In Erinnerung sind ihr von damals einige hervorragende Professoren, wie ihr Diplomarbeitsbetreuer Prof. Erich Gornik, von denen sie viel gelernt hat, sagt Gmachl: „Die Einführungsvorlesungen in Physik waren in ihrer Klarheit bemerkenswert und hatten ein sehr hohes Niveau. Diese Vorlesungen haben mich bestärkt, eine Karriere in der Physik und den Naturwissenschaften zu suchen. Später im Studium waren die Fortgeschrittenenpraktika sehr wertvoll. Die haben mir geholfen, mich für die Halbleiterphysik zu entscheiden.“
SENSIBLE SENSOREN Heute entwickelt Claire Gmachl sogenannte Quantenkaskaden-Laser, das sind Halbleiterlaser für Wellenlängen im mittleren und fernen Infrarot. „In diesen Lasern werden zwei Materialien so geschichtet, dass jede Schicht nur einige atomare Lagen dick ist. Etwa 500 bis 1000 Schichten werden für einen Laser benötigt“, erklärt Gmachl. Eingesetzt werden solche Laser zum Beispiel in Geräten für extrem sensible Messungen von Spurengasen. An dem von ihr geleiteten Forschungs-
Foto: Princeton University
zentrum MIRTHE entwickelt sie hochpräzise Spurengassensoren, die so einfach zu handhaben und so günstig wie Smartphones sind. Rückblickend meint die Physikerin zu ihrer Zeit in Innsbruck: „Mit meiner Ausbildung in Innsbruck habe ich den Grundstein für meine weitere Karriere gelegt. Innsbruck hatte und hat weltweit anerkannte Forscher und Professoren, die den Studenten auch als Vorbilder und Berater zur Verfügung stehen. Die Grundausbildung war mehr als solide und das Arbeits- und Studienklima kollegial – ideal um zu arbeiten.“ Auch privat hatte sie hier viele gute Freunde. „Von ihnen habe ich gelernt, um vier Uhr früh aufzustehen, um irgendeinen Berg zu erklimmen, nur eben so, weil der Berg da war.“ Daneben hatte sie auch einen Freundeskreis um die Unipfarre. Was Claire Gmachl an der Princeton University vermisst, sind die Berge: „Nahe und hohe Berge, mit Schnee darauf, um gerade mal schnell ein paar Stunden Ski fahren zu gehen.“ cf
ZUR PERSON Claire Gmachl wurde in Salzburg geboren und studierte an der Uni Innsbruck Mathematik und Physik. Ihr Doktoratsstudium absolvierte sie an der TU Wien, wo sie 1995 sub auspiciis Praesidentis promovierte. Sie ging dann in die USA und forschte an den Bell Laboratories. 2003 wurde sie an die Princeton University berufen, wo sie 2007 zur Professorin ernannt wurde. Seit 2006 ist sie auch Direktorin des MIRTHE Forschungszentrums.
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ZAHLEN & FAKTEN
TIROLER SCHÄTZE
OUTPUTS, IMPACTS Standards für eine grenzüberschreitende, digitale Karte und Datenbank, die auf die abbauwürdigen, strategischen Rohstoffvorkommen Tirols angewendet werden, sollen in einem Interreg IV Projekt erarbeitet werden. Neu ist dabei die Angabe der erhobenen Materialeigenschaften, Einsatzmöglichkeiten und Vorkommen, die besonders berücksichtigt und hervorgehoben wird. Eine räumliche Zuordnung der strategischen Rohstoffqualitäten und ein daraus resultierendes Entwicklungskonzept zur Raumordnung sind längerfristige Ziele des Projektes. Gemeinden, Fachverbände, Landesverwaltungen und Wirtschaftsinitiativen profitieren von den erhobenen Daten. „Gerade die durch den Bau des Brennerbasistunnels entstehenden Natursteinressourcen sollen nicht in irgendwelchen Halden liegen. Es ist sinnvoll und notwendig, diese unsere Produkte zu verwenden – im Sinne der heimischen Industrie und unserer Umwelt“, mahnt Ludwig Nössing, Direktor des Ladesamts für
Ein Interreg IV Projekt erfasst Tiroler Natursteinrohstoffe.
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ür die Produktion von Beton, Asphalt, Schutzund Wohnbau oder Brücken sind Natursteine das Ausgangsprodukt. Der Bedarf daran wird immer größer, allein zwölf Tonnen Stein werden in Tirol pro Einwohner und Jahr benötigt. Ein nachhaltiger Umgang ist daher nötig, um die knapper werdenden Ressourcen zu schonen. Ein im Sommer gestartetes Interreg IV Projekt will nun die Natursteinressourcen Tirols materialwissenschaftlich klassifizieren und kartografisch erfassen. Wissen und Know-how aus allen Landesteilen werden dazu gebündelt – das Amt für Geologie und Baustoffprüfung der Autonomen Provinz Bozen agiert als Lead Partner, der Arbeitsbereich Materialtechnologie an der Uni Innsbruck liefert das fachwissenschaftliche Know-how. Weiters beteiligt sind das Amt für Industrie und Grube der Autonomen Provinz Bozen, die Abteilungen für Raumordnung und Statistik sowie Allgemeine Bauangelegenheiten-Landesgeologie im Amt der Tiroler Landesregierung, das Institut für Wirtschaftsförderung der Handelskammer Bozen, die WK Tirol und die Brenner Basistunnel BBT SE.
RESSOURCEN SCHONEND NÜTZEN
Geologie und Baustoffprüfung der Autonomen Provinz Bozen. Allein in Nord- und Osttirol gehen zurzeit täglich ca. 20 ha an potenziell baustoffführenden Flächen durch Verkehrsbauten, Baulanderschließung und Industrieansiedlung verloren.
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Südtirols Landesrat Florian Mussner weiß um die Bedeutung des Projekts: „Es ist wichtig, dass wir das gemeinsame Wissen über regionale Gesteinsrohstoffe sammeln, um dann wirtschaftlich, unter Beachtung des Umweltschutzes und der sozialen Verträglichkeit, handeln zu können. Genaue Daten, Zahlen und Fakten helfen uns dabei, die Rohstoffe schätzen zu lernen und ihren Gebrauch und Bezug zu regeln.“ Mussner weiß auch, dass die Rohstoffquellen nicht unerschöpflich sind: „Wir müssen mehr über die Bedeutung mineralischer Rohstoffe wissen und sparsam mit ihnen umgehen. Wichtig ist auch, dass wir uns Formen von Recycling überlegen.“ Das Interreg IV Projekt ist mit rund 700.000 Euro dotiert und läuft bis 2013. ds
AM PULS DER ZEIT Bereits bekannte, strategische und überregional wichtige Rohstoffvorkommen und auch sogenannte Sonderrohstoffe wie Hartgesteine oder bei Baumaßnahmen anfallende mineralische Rohstoffe werden in Tirol erfasst. Um Untersuchungen von einzelnen Rohstoffen vornehmen zu können, müssen diese gewonnen, die nach eingehenden Laboranalysen entstandenen Daten ausgewertet und interpretiert werden. Aus diesen Daten soll schließlich eine Datenbank mit einer zugeordneten Karte und einem material- und nutzungsrelevanten Kriterienkatalog entstehen. Die am Interreg IV Projekt beteiligten Partner arbeiten dabei eng zusammen. So ist gewährleistet, dass die bis jetzt getrennten
mineralischen Rohstofferhebungen einen überregionalen und methodisch allgemein gültigen Charakter haben. Dabei werden bereits bestehende Erfahrungen im Bereich der Raumordnung und Rohstoffsicherung ausgetauscht. Mit dieser Basis wird es in Zukunft möglich sein, Rohstoffresourcen gezielter zu sichern und in Hinblick auf Ökologie und Transport effizienter zu nutzen. Das grenzüberschreitende Vorhaben kommt somit den Bestrebungen der Europäischen Union nach, die Rohstofferhebung und deren nachhaltige Sicherung in Europa zu vertiefen.
Fotos: Andreas Friedle (1), BBT SE (1), fotowerk nusser aichner (1)