Schloss Trautenfels, Gipfelstürmen

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Schloss Trautenfels

Öffnungszeiten

13. April bis 31. Oktober 2019 04. April bis 31. Oktober 2020 27. März bis 31. Oktober 2021 täglich 10.00 bis 17.00 Uhr

Schloss Trautenfels, Universalmuseum Joanneum Trautenfels 1, 8951 Stainach-Pürgg T +43-3682/22233-0, F + 43-3682/22233-44 trautenfels@museum-joanneum.at, www.schloss-trautenfels.at

Deutsch


Marmorsaal

Stiegenhaus

Kapa Gyalzen Sherpa, Khumjung, Solu Kumbu, Nepal Bleistift auf Papier, Temperamalerei

Der Khumbu Eisbruch

Die Malerei hat in den Tälern des Himalaya eine lange Tradition. Ihr Stil ist fernöstlich, naiv-realistisch und folgt einer von den Vorfahren überlieferten Darstellungsregel. Dies betrifft vor allem die sakrale Malerei, die in erster Linie in Klöstern und Hausaltären zu finden ist. Die scheinbar phantastischen Naturlandschaften und die Situationen des täglichen Lebens werden in ähnlicher Weise dargestellt. Die hier gezeigten Originale wurden im Auftrag von Reinhold Messner und Wolfgang Nairz im Verlauf der 1. Österreichischen Mount Everest Expedition 1978 von Kapa Gyalzen Sherpa geschaffen. Er war Teil des Teams und dokumentierte die Expedition mittels Bleistiftskizzen vor Ort, die später in seinem Atelier als Vorlage für die Gemälde dienten. Leihgaben: Messner Mountain Museum, Sigmundskron, Bozen; Wolfgang Nairz; Robert Schauer

Ein Gletscher ist ein riesiges, fast unmerklich fließendes System. In jenen Zonen, wo sich das Eis über Geländekanten und Kurven bewegt, bricht er großräumig auf, zerbricht in tausende Eisbrocken und wird zu einem schwer passierbaren Hindernis für alle Alpinisten. Dieses zu überwinden, ist oft schon die erste große Hürde am Weg zum Gipfel. Der Khumbu Eisbruch, der den Weg zum Western Cwm und zum Südsattel versperrt, ist eine der gefährlichsten Stellen im Verlauf der Besteigung des Mount Everest von der Südseite. Ohne diesen Abschnitt mit Fixseilen und Aluleitern auszustatten, wäre ein Passieren unmöglich. 1978 musste die Österreichische Everest Expedition das selbst erledigen und brachte daher das nötige Material aus Europa mit. Für die Leitern wurde im Vorfeld eine solide Konstruktion entwickelt und gebaut, um mehrere Leitern miteinander verbinden zu können. Im Verlauf der Expedition 1978 wurden auf diese Weise Eisstufen und Spalten bis zu 16 Metern (!) überwunden. Heute wird diese Arbeit von speziellen Sherpa-Gruppen, den „Icefall Doctors“ erledigt, die von allen kommerziellen Expeditions-Agenturen beauftragt und bezahlt werden.


Vorhaus 2. Obergeschoß

Raum 1

Gipfelstürmen!

Erzherzog Johann und die hohen Gipfel der Alpen

Der Wunsch, auf einem Berggipfel zu stehen, ist so alt wie die Menschheit selbst – könnte man meinen! Dem ist aber nicht so. Tatsächlich ist Bergsteigen erst rund 150 Jahre alt. Als Breitensport hat es sich in den letzten 60 bis 70 Jahren etabliert. Seither schritt die Entwicklung dieser faszinierenden motorischen wie psychischen Leidenschaft voran. Dort, wo vor 1950 noch nie ein Mensch gestanden war – auf den Gipfeln der höchsten Berge der Welt –, gibt es heute vielerorts einen fast konfektionierten Höhentourismus. Trotzdem bestehen auch heute noch Räume am „Dach der Welt“, die davon verschont geblieben sind. Dort kann man sich den Traum der Besteigung eines dieser begehrten Gipfel im ursächlichsten Sinn des Alpinismus erfüllen. Diese Ausstellung präsentiert und zeigt die wichtigsten Geschichten jener Steirer und Steirerinnen, die an der Erschließung und Besteigung der höchsten Berge einen sehr aktiven Anteil hatten.

Zur Zeit Erzherzog Johanns war die Bergwelt der Steiermark noch größtenteils Wildnis. Nur Jäger, Holzfäller und Mineraliensucher drangen in höhere Regionen vor. Das Bergsteigen und das Erreichen von Gipfeln aus rein sportlicher Motivation entstand als Freizeitbeschäftigung aufgeklärter und wohlhabender Adeliger oder Großbürgerlicher erst um 1800. Auch der Begriff des „Touristen“ kam zu dieser Zeit auf, da erstmals eine größere Zahl an Menschen damit begann, aus rein persönlichem Interesse und zu Bildungszwecken zu reisen. So wurden die meisten 4000er-Gipfel in den Alpen zwischen 1850 und 1870 bestiegen. Federführend waren dabei meist englische Reisende, die sich unter den Einheimischen der jeweiligen Talschaften kundige Begleiter suchten. In den Ostalpen war es Erzherzog Johann von Österreich, der viele Berge als erster Tourist bestieg. Er schrieb rückblickend: „Zu Anfang unseres 19. Jahrhunderts waren unsere Gebirge vollkommen unbekannt; es gab keinen Touristen; ich war der erste, welcher von dem österreichischen Schneeberge aus die steiermärkischen Alpen sehend, mich dahin wandte und zuerst jene Neubergs, dann die höheren Ketten der Aflenzer und Weixelbodner (das erste


Mal 1804) zu wiederholten Malen untersuchte und so nach und nach die Alpen von Admont, jene zwischen der Enns und Mur, die von Aussee, Hallstatt und endlich Tirol kennen lernte.“ (Jagd-Zeitung, 1858, S. 664) Auch Johann ließ aufwändigere Touren von vertrauten und erfahrenen Führern vorbereiten. Manchmal, wie im Fall des Ortlers, Großvenedigers oder der Hohen Wildstelle, war er beim Gipfelgang gar nicht persönlich dabei, hatte aber den Auftrag zur Besteigung und finanzielle Unterstützung gegeben. Dadurch wurde er zu einem maßgeblichen Förderer des Bergtourismus und zum Erschließer der Ostalpen. Zeitgleich ließ er die Erkundungs-„Expeditionen“ von seinen Kammermalern auf Leinwand mit Öl und Pinsel festhalten. Es entstanden erste Dokumente über die erkundeten Gebiete, die eine spätere Erschließung ermöglichten.

Zur Vermessung des Landes Trigonometrie (griech. „Dreiecksmessung“) ist ein Teilgebiet der Geometrie und somit der Mathematik. Die Grundaufgabe der Trigonometrie besteht darin, aus drei Größen eines gegebenen Dreiecks (Seitenlängen, Winkelgrößen, Längen von Dreieckstransversalen usw.) andere Größen des Dreiecks zu berechnen.

Die Triangulation (Aufteilen einer Fläche in Dreiecke und deren Ausmessung) ist das klassische Verfahren der Geodäsie zur Durchführung einer Landesvermessung. In Europa und Amerika wurden solche trigonometrischen Vermessungsnetze von fast allen Staaten im 18. und 19. Jahrhundert etabliert. Die Josephinische Landesaufnahme (1760er- bis 1780er-Jahre) ist die erste Landesaufnahme im Herrschaftsbereich der Habsburgermonarchie. Sie ist nach dem Erzherzog von Österreich und römisch-deutschen Kaiser Joseph II. benannt. Militärische Überlegungen gaben Anstoß zu diesem Landkartenprojekt. Die Franziszeische Landesaufnahme (1810er- bis 1850er-Jahre) ist das zweite große Kartierungsprojekt der Habsburgermonarchie. Sie ist nach dem österreichischen Kaiser Franz I. benannt. Die Franziszeische Landesaufnahme sollte ab 1806 die Josephinische Landesaufnahme ersetzen. Die Franziszeische Landesaufnahme konnte die Erfassung der Grundstücke im Franziszeischen Kataster verarbeiten und verwendete erstmals Triangulation. Eine erste Triangulierung erfolgte von 1807 bis 1829, eine weitere mit verbesserten Methoden ab 1848. Zu Beginn der Arbeiten gab es in den einzelnen österreichischen Kronländern noch unterschiedliche Triangulierungssysteme, wodurch eine


Gesamtdarstellung über die Grenzen dieser Länder nicht möglich war. Franziszeische Landesaufnahme: diente in erster Linie militärischen Zwecken (Militärgeografie) Franziszeische Katastralvermessung: Der Kataster hatte das Ziel, eine einheitliche Basis für die Bemessung der Grundsteuer zu schaffen.

Zur geologischen Karte der Steiermark Während seiner Englandreise 1815/16 hatte Erzherzog Johann die Bedeutung der geologischen Landesaufnahme für die Lagerstättenerkundung und die damit zusammenhängenden Folgewirkungen (Energieversorgung, Industriegründungen usw.) erkannt. Bereits 1819 beauftragte er Matthias Anker damit, eine „Gebirgskarte der Steyermark“ zu zeichnen. Diese gilt als älteste geologische Karte der Steiermark. Sehr bald zeigte sich, dass die „AnkerKarte“ für die vorgesehenen praktischen Ziele zu grob gehalten war. Intensive weitere Bestrebungen für geognostische Erforschungen durch Erzherzog Johann führten u. a. im Jahr 1850 zur Gründung des „geognostisch-montanistischen Vereins für Steiermark“, dessen Leitung der Erzherzog bis zu seinem Tod im Jahr 1859 selbst übernahm. Noch im Jahr 1854 konnte er den

Schweizer Geologen Theobald Zollikofer für eine dreijährige Anstellung gewinnen. Im Zuge seiner Kartiertätigkeit nahm Zollikofer auch umfangreiche Höhenmessungen vor, die er auf einer hypsometrischen Karte darstellen wollte. Zollikofer verstarb jedoch völlig unerwartet im Jahr 1862. Nach einer Unterbrechung der Arbeiten übernahm Dionys Stur, Chefgeologe an der Geologischen Reichsanstalt, die Fertigstellung und die Abfassung von Erläuterungen des Blattes. Die Karte erschien im Jahr 1865. Dem Wunsch des inzwischen verstorbenen Erzherzogs Johann entsprechend, wurde dem steirischen Landtag ein 24 Blätter umfassendes handkoloriertes Exemplar des Kartenwerkes im Maßstab 1 : 144.000 übergeben. Zu dieser „geologischen Uebersichtskarte des Herzogthumes Steiermark“ erschienen 1871 von Stur die Erläuterungen, ein Werk, das 654 Seiten umfasst. Lit.: Bernhard Hubmann, 175 Jahre geologische Karte der Steiermark. In: Mitteilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Steiermark, Graz 2005, Band 134, Seite 5–22.

Erzherzog Johanns private Mineraliensammlung Nach der Übertragung der Stammsammlung mit ca. 4.000 Mineralstufen an das Joanneum 1811/12 führte


Erzherzog Johann weiterhin auch eine private Sammlung. Diese umfasste etwa 600 Objekte und kam zum 100-Jahr-Jubiläum 1911 als Geschenk seiner Nachfahren an das Joanneum. Darin befinden sich viele ausgesuchte Kabinettstücke. Manche davon wurden sicherlich auch während seiner zahlreichen Alpenbegehungen aufgesammelt oder von örtlichen Sammlern erworben.

Raum 2 Nationaler Wettlauf an den höchsten Bergen der Welt In der Zeit des ausgeprägten Nationalismus in Europa, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, war auch das Bergsteigen zu einem Vehikel für ein nationales Image geworden. So wurden auch die höchsten Berge der Welt zu Projektionsflächen eines nationalen Wettlaufs. Die Engländer wollten unbedingt den von ihnen erkundeten Mount Everest erstbesteigen, die Italiener konzentrierten sich auf den K2, während die Deutschen am Nanga Parbat einen Gipfelsieg erringen wollten. Für die nationalsozialistische Propaganda wäre eine erfolgreiche Besteigung äußerst willkommen gewesen: „Die Eroberung des Gipfels wird zum Ruhme Deutschlands erwartet.“ (Eric Roberts, Willo Welzenbach, 1981, S.245) Allerdings konnte bis 1939 keiner der 14 Achttausendergipfel bestiegen werden.

Der Zweite Weltkrieg unterbrach die Bergsteigerambitionen der Europäer dann weitgehend. Als sich die politische Situation langsam normalisierte und sich die europäischen Staaten von den Kriegswirren erholt hatten, begann man wieder, sich den Achttausendern zu widmen. Und so wurde 1950 mit dem Annapurna I (8.091 Meter) der erste Achttausender von einer französischen Seilschaft bestiegen. 1953 schließlich standen Edmund Hillary und Tenzing Norgay am höchsten Punkt der Erde, dem Mount Everest mit 8.848 Metern Höhe. Hermann Buhl aus Tirol war als Erstbesteiger des 8.125 Meter hohen Nanga Parbat im Jahr 1953 als Teil einer deutschen Expedition in die Geschichte des Alpinismus eingegangen. So wurde auch 1953 die Österreichische HimalayaGesellschaft (ÖHG) gegründet, und unter der Leitung von Fritz Moravec war 1956 eine Expedition zum 8.034 Meter hohen Gasherbrum II im Karakorum erfolgreich. Mit dem Sensationserfolg von Herbert Tichy und Sepp Jöchler am Cho Oyu mit 8.201 Metern im Himalaya 1954 verbuchte das kleine Land Österreich bereits die dritte Achttausender-Erstbesteigung! Schon 1954 war eine ÖHG Expedition zum Gasherbrum I mit 8.080 Metern, (auch Hidden Peak genannt) geplant. Doch das Permit zur Besteigung ging an eine amerikanische Expedition. So setzte sich die Gruppe schließlich 1958 den 7.397 Meter hohen und sehr schwierigen Haramosh zum Ziel. Bei dieser Expedition, die über den Seeweg


nach Pakistan führte, waren erstmals zwei Steirer dabei: Franz Mandl aus Graz und Rudolf Ebner aus Leoben. HARAMOSH (7.397 Meter) Österreichische Expedition 1958 27. April 1958 – Anreise Nach der langen Anreise von Österreich per Schiff und dem anschließenden Inlandsflug von Karachi nach Rawalpindi ging es mit Jeeps zur letzten Ortschaft Iskere weiter, wo Träger angeheuert werden sollten. Da im Jahr zuvor eine englische Expedition in einem Desaster mit Toten endete, kündigte ein Wahrsager der lokalen Bevölkerung all jenen Unheil an, die den Österreichern als Träger helfen würden. Von den ursprünglich geplanten 125 Trägern blieben kaum genug übrig, um das Basislager einzurichten. 12. Mai 1958 – Basislager So mussten auch die Bergsteiger zwei Wochen lang das Material von einem Waldlager ins eigentliche Basislager auf dem Gletscher schleppen. Der Plan war, mit Hilfe von Hochträgern eine Lagerkette zu errichten, um die nötige Ausrüstung für einen Gipfelgang so hoch wie möglich auf dem Berg zu deponieren. 15. Juni 1958 – Lager 1 Immer wieder zerstörten Lawinen die aufgebauten Lager oder donnerten über die Spuren der Aufstiegsroute herunter. Das führte zu Verletzungen

und zu Materialverlusten. Die Träger waren kaum eine Hilfe und so war die fünfköpfige Mannschaft auf sich selbst angewiesen. Als nach einem Monat am Haramosh-La (ein Pass mit 4.800 Metern Höhe) endlich das Lager I eingerichtet war, wurden die Expeditionsteilnehmer vereinzelt höhenkrank. 25. Juli 1958 – Mausefalle Wegen der Schwierigkeit des Terrains befanden sich Lager I, II und III sehr knapp beieinander. Als Heini Roiss und Franz Mandl erstmals die gesamte Route hinter den Zwischengipfeln einsehen konnten, nannten sie den weiteren Abschnitt „Mausefalle“. Denn ein langer, schwieriger Grat zog hinüber zum Gipfel des Haramosh. Falls Schlechtwetter einbrechen sollte, war der Rückzug ein gefährliches und schwieriges Unterfangen. 3. August 1958 – Lager 3 Als nach zweieinhalb Monaten die Lagerkette errichtet war, blieb nur mehr ein letztes Wetterfenster für einen Gipfelversuch. Ebner und Hammerschlag mussten im Lager III aufgrund von Höhenkrankheit umkehren, Roiss, Pauer, sowie Mandl kämpften sich den Grat entlang weiter. Körperlich ausgezehrt bezogen sie ein letztes Lager auf dem Grat, 1.400 Höhenmeter unterhalb des Gipfels. Da ihre Kehlen komplett ausgetrocknet waren, konnten sie nichts essen, nur trinken.


4. August 1958 Haramosh 7.397 Meter Bereits um Mitternacht trieb die Kälte die Bergsteiger aus dem Zelt und sie starteten den Weg in Richtung Gipfel. Der Wind wurde stärker und man musste sich nach jeweils wenigen Metern abwechseln, um eine Spur im Schnee anzulegen. Um 14 Uhr erreichten Roiss, Pauer und Mandl völlig erschöpft den Gipfel des Haramosh (7.397 Meter). Große Freude kam nicht auf, da am höchsten Punkt wenig Platz war und die Wolken immer dichter wurden. Nach nur 15 Minuten Rast traten sie erlöst aber erschöpft den Abstieg an. 6. August 1958 – Abstieg Der lange Abstieg war ein einziger Überlebenskampf! Auf allen Vieren erreichten die Bergsteiger das höchste Lagerzelt. Sie lagen nur da, versuchten zu trinken und warteten völlig erschöpft die Nacht ab. Durchnässt kämpften sich Roiss, Pauer und Mandl zurück zum Hochlager III, das sie erst von Schnee befreien mussten, und überstanden eine weitere Nacht im tobenden Sturm. Mit letzter Kraft quälten sie sich am nächsten Tag auf den Haramosh-La Pass zurück, wo sie abends auf die dort warteten Ebner und Hammerschlag trafen. Ohne deren Hilfe hätten die erschöpften Alpinisten den restlichen Abstieg ins Tal wohl nicht mehr geschafft.

Höhenträger ohne Ehrgeiz Nach englischem Vorbild wurden vor Ort Höhenträger engagiert und ausgerüstet. Diese hatten allerdings kaum einen Ehrgeiz, behilflich zu sein. Bald mussten die Österreicher einsehen, dass sie wohl selbst die Lasten in die Hochlager schleppen mussten. Aus dem Bericht des Expeditionsleiters Heini Roiss: „Ich sollte klarstellen, dass wir mit den Hunzas als Hochträgern überhaupt nicht zufrieden waren. Sie waren arbeitsscheu, offensichtliche Simulanten, die jede Art von Krankheit vortäuschten, nur um einen Rasttag herauszuschinden. Sie stellten überzogene Forderungen und stahlen alles, was unbeaufsichtigt war. Die ersten Hunzaträger verkauften die Ausrüstung, die wir ihnen mitgebracht hatten, umgehend am Bazar von Gilgit, obwohl wir ihnen unmissverständlich mitgeteilt hatten, dass sie erst ihnen gehören würde, wenn die Arbeit erledigt war.“ „Bald mussten wir einsehen, dass wir wohl selbst die Lasten in die Hochlager schleppen müssen.“ (Heini Roiss – Haramosh 1958) „Wir hatten es eher zu heiß als zu kalt auf der Expedition.“ (Rudolf Ebner – Haramosh 1958)

Heisskalt Obwohl die Temperaturen an hohen Bergen nachts weit unter 0 °C betragen, kann sich das schnell ändern,


sobald die Sonne am Himmel steht. Dann stellt die brennende Höhensonne eine große Belastung dar. Nur abends, kurz vor Sonnenuntergang, ändern sich Temperatur und Licht und man wird mit einem großartigen Panorama über die umstehenden Gipfel belohnt, die von den 8.000ern am Horizont überragt werden. Sobald die Sonne untergeht, sollte man im Hochlager den Daunenschlafsack aufsuchen, da die Temperaturen weit unter 0 °C sinken.

Hindukusch und Karakorum noch unbestiegen. Informationen über die Berge waren spärlich vorhanden, Gipfelhöhen teilweise falsch in wenigen Karten angegeben. So konnten über die Jahre viele Erstbesteigungen von steirischen Expeditionen verbucht werden und es bildete sich ein Netzwerk von Alpinisten und auch Wissenschaftlern, die Informationen über diese Berge austauschten und sich damit die Grundlagen für neue Ziele und Ideen schufen.

Raum 3

MOMHIL SAR (7.342 Meter) Karakorum/Pakistan 1964

Der Traum von hohen Bergen Inspiriert durch Berichte, Bücher und Diavorträge der Erstbesteiger von Achttausendern – allen voran Hermann Buhl – wollten sich in den 1960er-Jahren auch junge steirische Bergsteiger – fast schüchtern – einmal an einem „hohen Berg“ versuchen. Vor allem Studenten aus Leoben und Graz begannen längere Reisen zu organisieren. Mit kleinen Budgets, aber mit ausreichend Zeit und großer Begeisterung ausgestattet, fuhren sie mit eigenen Autos über den Landweg überwiegend nach Afghanistan und Pakistan. Dabei waren Anfahrt und Rückreise vielleicht sogar das größere Abenteuer als die Besteigungsversuche und die Erfolge an Sechs- und Siebentausendern. Zu dieser Zeit waren viele Gipfel des

Der Anmarsch 75 Träger schleppen die Lasten über den langen Trivor Gletscher in Richtung Basislager. Am vierten Tag streikt ein Großteil der Träger. Die Lasten müssen nun von den verbliebenen Trägern im Pendelverkehr ins Basislager gebracht werden. Schiexpedition Mit Hilfe von Schiern wird der Weg auf dem Gletscher überwunden. Das offene Spaltenlabyrinth macht die Orientierung zur großen Herausforderung. Fast jeden Tag gibt es Neuschnee und die Spur muss frisch angelegt werden. Aufstieg zum Grat Von Lager 2 in 5.900 Metern Höhe geht es mühsam und steil über


Schneeflanken hinauf zum Grat. Auch hier gibt es keine direkte Linie, da immer wieder Gletscherspalten und hohe Eiswände überwunden werden müssen. Sackgasse/Erster Gipfelversuch Von Lager 3 in 6.500 Metern Höhe sollte der Aufstieg dem steilen Ostgrat folgen. Im Tiefschnee kostet jeder Tritt Kraft und auch auf dem Fels liegt zu viel Schnee um darüber zu klettern. Der Proviant geht aus; die Mannschaft muss enttäuscht ins Basislager absteigen. Der zweite Versuch Die einzige Möglichkeit auf den Gipfel zu kommen besteht darin, eine große Schneeflanke zu queren und in einem weiten Bogen aufzusteigen. Stunden mühsamer Spurarbeit vergehen. Der Gipfel in Sichtweite Nach langen Stunden des Aufstiegs erreichen alle Expeditionsmitglieder den Gipfelgrat. Wochen des Schlechtwetters und eine Planänderung konnten der Zielstrebigkeit und dem Willen der Mannschaft, den Gipfel zu erreichen, wenig anhaben. Momhil Sar - 7.342 Meter Alle fünf Expeditionsteilnehmer stehen am 29. Juni 1964 am Gipfel: Hanns Schell, Horst Schindlbacher, Rolf Widerhofer, Leo Schlömmer und Rudolf Pischinger sind auf einem der ersten von Steirern bestiegenen Siebentausender angekommen.

Grazer Alpinisten Netzwerk Hindukush- und Karakorum-Besteigungen 1961 bis 1971 1962 realisierte der Grazer Student Roger Senarclens de Grancy als Erster die Idee, mit einem Auto in das Hindukush-Gebirge zu fahren, um dort einen Siebentausender zu besteigen. Als Ziel wählte er den Koh-I Keshnikhan, der mit 7.200 Metern Höhe in der einzigen verfügbaren Karte eingezeichnet war. Drei Montanistik-Studenten aus Kapfenberg komplettierten das Team. Ein Puch Haflinger diente als Expeditionsfahrzeug. Die Anreise mit diesem kleinen Vehikel war aber so schwierig, dass sie viel zu spät in der Saison zum Berg kamen und ihn nicht mehr besteigen konnten. Sepp Kutschera, Mitglied dieser Expedition, wollte es ein Jahr darauf nochmals versuchen. Er organisierte einen größeren Bus, der die Männer schneller ans Ziel bringen sollte – Roger Grancy hatte 1963 aber keine Zeit mehr, dabei zu sein. Kutschera und drei Kapfenberger Gefährten machten diesmal alles richtig und so gelang die Erstbesteigung des Koh-I Keshnikhan und zweier weiterer Gipfel in der Umgebung. Noshaq 1963 Ebenfalls 1963 machte sich ein fünfköpfiges Team rund um Gerald Gruber und Rudolf Pischinger in zwei alten VW-Bussen auf den Weg von Graz nach Kabul. Dort mussten sie sich die Besteigungsgenehmigung besorgen


und weiter bis zum Wakhan Korridor fahren, wo der Noshaq (7.492 Meter) als zweithöchster Berg im Hindukusch liegt. Die Anreise war mühsam und von Autopannen geprägt. In Istanbul ließen sie sogar einen Teil ihrer Ausrüstung zurück, da das Gewicht den Autos zu sehr zusetzte. Vor Ort ging alles glatt. Eine oberösterreichische Expedition war zufällig auch vor Ort und verlor beim Anmarsch die Schlafsäcke bei einer Flussüberquerung. Zum Glück hatten die Grazer noch Ersatz. So schlossen sich die beiden Teams zusammen und bestiegen den Noshaq – zum dritten Mal überhaupt und erstmals auf ihrer neuen Aufstiegsroute. Momhil Sar 1964 Mitte der 1960er-Jahre fand sich in Graz eine Gruppe sehr guter Alpinisten zusammen. Sie unternahmen Expeditionen und realisierten Erstbesteigungen in Afghanistan und Pakistan. Rudolph Pischinger plante, 1964 mit Horst „Wik“ Schindlbacher zwei Expeditionen zu verbinden: Zuerst wollten sie den Momhil Sar in Pakistan erstbesteigen und dann weiter in den Hindukush, um mit Gerald Gruber und Rainer Göschl weitere Siebentausender zu versuchen. Die Reise zum Momhil Sar (7.414 Meter) war die erste Expedition, die von Hanns Schell geplant wurde. Er sollte sich zu einem der profiliertesten Expeditionsleiter entwickeln. Das Team bestand aus Schell, Schindlbacher

und Pischinger sowie Leo Schlömmer aus Bad Mitterndorf und dem in Graz studierenden Tiroler Rolf Widerhofer. Die Besteigung des Momhil Sar erwies sich als äußerst schwierig, die geplante Route musste vor Ort geändert werden. Es war außergewöhnlich, dass am 29.6.1964 alle fünf Expeditionsmitglieder überglücklich den Gipfel erreichen konnten. Drei Siebentausender im Hindukush 1964 Pischinger und Schindlbacher verabschiedeten die Freunde in Rawalpindi und stiegen in einen Puch Haflinger um, mit dem sie im Hindukush bis zum Basislager fuhren. Das Viererteam bestieg dort Kohe Shakhawr (7.100 Meter), Udren Zom (7.131 Meter) und Nadir Shah (7.116 Meter). Dabei bemerkten sie, dass der nahe gelegene Koh-I Keshnikhan deutlich niedriger ist und somit kein Siebentausender sein konnte. Diese Beobachtung brachte den Geodäten und Wissenschaftler Roger de Grancy dazu, erneut eine Expedition zu organisieren, die diesen Berg besteigen und vor allem vermessen sollte. Dieses Vorhaben würde unter dem Namen „Explora 1970“ die gesamte Umgebung kartografisch erfassen und vermessen. Diran 1968 1968 reiste erneut ein Grazer Dreierteam nach Pakistan: Hanns Schell, Rudolf Pischinger und Rainer Göschl.


Bei der Anfahrt war das Ziel noch nicht klar definiert. Vor Ort entschieden sie sich für den Diran (7.266 Meter), den sie zum ersten Mal besteigen konnten. 1968 war eine weitere Gruppe in Pakistan: Die „Expedition der Hochtouristengruppe Graz“ bestieg einige Gipfel um die Sechtausend-MeterGrenze. Erstmals mit dabei war der Grazer Hilmar Sturm, der in kurzer Zeit zum Topalpinisten wurde. Malubiting 1971 1971 fanden sich Schell, Sturm, Schindlbacher und Kurt Pirker zu einem kleinen Team zusammen und bestiegen den Malubiting (7.453 Meter) erstmals. 1974 ging Hilmar Sturm mit Oberösterreichern und Salzburgern auf Expedition nach Pakistan. Mit dabei war auch der junge Steirer Robert Schauer, der sich ebenfalls schnell zum Höhenbergsteiger entwickelte. Eigentlich wollten sie den Pumari Chhish (7.492 Meter) erstmals besteigen, letztlich wurde es jedoch der von ihnen benannte Skirish Sar („Herr der Schneehühner“, 6.500 Meter). Acht Siebentausender bestiegen 1971 Seit 1961 unternahmen also kleine Teams von der Steiermark aus Expeditionen in den Nordosten Afghanistans und Norden Pakistans. Sie sammelten viel Wissen über die Topografie der dortigen Gebirgszüge sowie über die Organisation und Durchführung einer

Expedition. Manche dieser Bergsteiger haben aus persönlichen Gründen keine weiteren Expeditionen durchgeführt. Einige wenige folgten jedoch dem Ruf der Achttausender.

Die „Gesäuse-Truppe“ Von der Nationalexpedition zur eigenständigen Erstbesteigung Nachdem die Österreichische Himalaya-Gesellschaft 1956 die Erstbesteigung des Achttausenders Gasherbrum 2 (8.034 Meter) organisiert hatte und schon 1958 der Gipfel des Haramosh (7.397 Meter) erreicht wurde, plante sie 1959 erneut die Erstbesteigung eines Achttausenders. Von den 14 höchsten Bergen der Welt waren nur noch zwei nicht bestiegen: Der Hidden Peak auch Gasherbrum 1 genannt (8.080 Meter), von der Österreichischen Himalaya-Gesellschaft (ÖHG) lange als Ziel vorbereitet, wurde 1958 von Amerikanern erstbestiegen. Der Shishapangma (8.027 Meter) – zur Gänze auf chinesischem Staatsgebiet gelegen – war ausgeschlossen, da man keine Genehmigung erhalten würde. Eine letzte Option war, den noch unbestiegenen Dhaulagiri 1 (8.167 Meter) in Nepal zu versuchen. Die vom Wiener Fritz Moravec organisierte Expedition stand unter keinem guten Stern: Heini Roiss stürzte in der Nähe von Lager 2 in eine Gletscherspalte und erfror. Nach weiteren vier Wochen wurde die Expedition wegen Schlechtwetters abgebrochen.


Dhaulagiri 2 ohne Erfolg 1963 Durch die Vorarbeiten der Expedition und die dabei erlangten Kenntnisse konnte 1960 der Dhaulagiri von einer Schweizer Expedition bestiegen werden. Dennoch wollte man das gesammelte Wissen zu dieser Gegend nutzen, und so gab die ÖHG den 7.751 Meter hohen Dhaulagiri 2 für 1963 als Ziel aus. Die Mannschaft reiste – wie damals üblich – zeitaufwendig mit dem Schiff an. An Bord waren neben Wiener Bergsteigern und Wissenschaftlern auch Franz Huber und Adi Weissensteiner aus dem Gesäuse. Nach dem langen Anmarsch fanden sie sich vor Ort im Winter wieder. Es hatte mehr geschneit, als zu dieser Jahreszeit sonst üblich. Die Etappen zwischen den Lagern, die am Berg angelegt wurden, waren kurz und der Fortschritt in dieser „Terra Incognita“ nicht ausreichend, um in die Nähe des Gipfels zu kommen. Die Expedition musste ohne Erfolg den Heimweg antreten. Dhaulagiri 2 1971 Was Franz Huber und Adi Weissensteiner aber mit nach Hause brachten, war eine große Begeisterung für die höchsten Berge der Welt. Von dieser Euphorie angesteckt, organisierte Adi Huber mit Franz 1965 eine Hindukush-Fahrt auf eigene Initiative, diesmal mit dem Auto. Weitere Kundfahrten sollten folgen. Die ÖHG organisierte zwischen 1964 und 1968 keine Expeditionen, da das Königreich Nepal keine Einreisegenehmigungen erteilte.

1971 - der Dhaulagiri 2 avancierte mittlerweile zum höchsten noch unbestiegenen Berg der Welt. Die ÖHG plante nun eine Expedition, deren Leitung Franz Huber und Adi Weissensteiner übernahmen. Auch diesmal erschwerte Schlechtwetter das Vorankommen, aber aufgrund des Vorwissens von 1963 erreichten sie schlussendlich überglücklich den 7.751 Meter hohen Gipfel. Mount Everest ohne Erfolg 1972 Durch diesen Erfolg beflügelt und motiviert, reihten sich Adi Huber und Adi Weissensteiner 1972 in eine internationale Mount Everest-Expedition ein. Unter Führung eines deutschen Expeditionsleiters versuchten Österreicher, Deutsche und Engländer einen direkten Anstieg durch die mächtige Südwestwand. Aufgrund von Spannungen in der inhomogenen Truppe und wegen Schlechtwetters erreichten sie den Gipfel nicht. Bleibende Beziehungen 1973 fuhr erstmalig Alois Huber, jüngster Bruder von Franz und Adi mit einer deutschen Expedition zum Rakaposhi (7.788 Meter) in Pakistan, während seine beiden Brüder mit Adi Weissensteiner und weiteren Teilnehmern zum noch unbestiegenen Dhaulagiri 4 (7.268 Meter) in Nepal reisten. Beide Expeditionen blieben trotz enormer Anstrengungen erfolglos. Was sich aber in den Jahren nach den Expeditionen immer stärker ausprägte, war die Liebe zu Nepal und seiner Bevölkerung. Die


Huber Brüder besuchten das Land und die gewonnenen Freunde noch oft, pflegten persönliche Kontakte und riefen auch nach dem verheerenden Erdbeben eine sehr erfolgreiche Hilfsorganisation ins Leben.

Raum 4 Exploration 1970 Wissenschaft auf hohen Gipfeln Die Expeditionen der 1950er-Jahre hatten sehr oft auch wissenschaftlichen Anspruch. Neben Spitzenalpinisten reisten Geologen, Ethnologen, Biologen und Spezialisten der Geodäsie mit in die fernen Länder. 1970 startete eine Expedition von Graz aus, die dieser Tradition verpflichtet war. Das Ziel: die Vermessung und die kartografische Erfassung des Gebietes um den Koh-e Keshnikhan im äußerst abgelegenen Wakhan Korridor im Nordosten Afghanistans. Damals hatten viele Universitäten weltweit ein starkes Interesse an der Erkundung entlegenster Gebirge. „Die Faszination der Unmittelbarkeit, die von diesen Bildern aus dem All ausging, war unbeschreiblich und verunsicherte anfänglich unsere Bemühungen. Waren die vor uns liegenden Strapazen, die finanziellen Aufwendungen für unsere Ziele, die Überwindung der vielen politischen Grenzen zwischen unserer Heimat und unserem Arbeitsgebiet

angesichts der von LANDSAT 1 in kürzester Zeit produzierten Datenfülle noch gerechtfertigt?“ (Roger Senarclens de Grancy in: „Großer Pamir“, Akademische Druck und Verlagsanstalt Graz/Austria 1975, S. 36 ff.) Wala-Karte In den 1960ern sind europäischen Bergsteigern nur Kammverlaufskarten zur Verfügung gestanden, die Grate und Gipfel ausgewiesen haben. Details über das Gelände und Höhenlinien waren darin nicht verzeichnet. So war der Koh-e Keshnikhan auf dieser Karte des polnischen Vermessers Jerzy Wala noch als Siebentausender geführt. Exploration 70-Karte Nur durch aufwendige Vermessungsarbeiten wie jene der „Exploration 70“-Expedition konnten detailreiche Karten von einzelnen Gebirgszügen erstellt werden. So konnte nicht nur die tatsächliche Gipfelhöhe des Koh-e Keshnikhan bestimmt, sondern auch ein engmaschiges Höhenprofil der gesamten Gegend erstellt werden. Als 1972 der erste Landvermessungssatellit ins All geschickt wurde, veränderte das schlagartig die Möglichkeiten, Informationen auch über die entlegensten Gebiete der Welt zu erhalten. Google Earth Animation Heute ist es mit einer Internetverbindung möglich, auf Google Earth jede beliebige Ecke unseres Planeten in hochauflösenden Satellitenfotos zu


betrachten. Darauf sind zwar manche Einzelheiten nicht immer klar zu erkennen, der Überblick, den man sich so aber in kürzester Zeit verschaffen kann, ist unglaublich. Wenn man vor Ort dann mittels GPS-Geräten navigiert, ist es kaum vorstellbar, wie viel Arbeit noch vor 50 Jahren in die Vermessung eines örtlich überschaubaren Gebiets gesteckt werden musste.

Höhenbergsteigen Die Gefahren im lebensfeindlichen Raum Höhe/Sauerstoff Ab 7.000 Meter Höhe beginnt die sogenannte „Todeszone“: Hier kann sich selbst ein optimal akklimatisierter Mensch auch ohne körperliche Anstrengung nicht mehr regenerieren. Der Organismus baut selbst im Schlaf ab. Ein dauerhafter Aufenthalt ist unmöglich, man würde an der „Höhenkrankheit“ sterben. Auf Gipfel von über 7.000 Meter Höhe zu gehen, muss stets in einem begrenzten Zeitrahmen erfolgen. Kälte/Hitze In großen Höhen sind extreme Temperaturunterschiede eine permanente körperliche Herausforderung. Gute Kleidung oder ein Daunenschlafsack bilden einen guten Schutz. Bei mangelnder Bewegung oder Sturm besteht dennoch die Gefahr von Erfrierungen. Auch Hitze ist nicht zu unterschätzen, die Sonnenstrahlung in der Höhe ist

sehr stark. Wichtig ist, stets den Kopf zu bedecken sowie Lippen und Hals vor Austrocknung zu schützen. Temperaturunterschiede zwischen +70 °C Strahlungshitze und –30 °C Lufttemperatur im Zeitraum von vier Stunden sind im Sommer keine Seltenheit. Lawine/Steinschlag/Eisschlag Obwohl die Berge starr erscheinen, verändern sie sich durch Temperaturschwankungen, Niederschlag und Wind ständig. Diese Veränderungen nennt man Erosion. Durch Frost und Tauwetter kommt es zu Steinschlag oder Schuttlawinen. Niederschläge bleiben in großer Höhe als Schneemassen liegen und stürzen vielleicht später als Lawine zu Tal. Vielen Bergsteigern sind diese unvorhersehbaren Ereignisse schon zum Verhängnis geworden, vor allem, wenn sie sich aus Unkenntnis in gefährliche Bereiche vorwagten. Gletscherspalten Gletscher fließen langsam, aber beständig. Dabei brechen sie in Spannungszonen auf und es entstehen Spalten. Wenn darauf frischer Schnee fällt, sind diese oft schwer zu erkennen. Deshalb bewegt man sich auf Gletschern stets untereinander angeseilt, um bei einem Spaltensturz sofort eine Bergung einleiten zu können. Wettersturz/Orientierung/Wind Plötzliche Wetterveränderungen sind eine große Gefahr. Bei Nebel verliert man rasch die Orientierung, bei großer


Kälte oder Niederschlag kommt man schwer voran. Wind kann in exponierten Lagen mit Böen weit über 130 km/h so heftig sein, dass man sich kaum mehr frei bewegen kann. Auch wenn Wetterprognosen heute sehr zuverlässig sind, treffen Alpinisten mitunter immer noch falsche Entscheidungen. Ego/Gruppendynamik Bergsteigen bedeutet auch, Entscheidungen zu treffen. Sie fordern, fördern und formen einen Menschen. Auf objektive Gefahren stellt man sich selbstverständlich ein, doch subjektive, vom Menschen ausgehende Gefahren werden oft zu wenig beachtet. Ist ein Gipfelwunsch zu groß, werden oft alle Anzeichen von Gefahr ignoriert oder Zeitpläne verworfen. Die Gruppe gibt ein trügerisches Gefühl von Sicherheit. Vor allem gemeinsam muss man Zielsetzung, Strategie und Abläufe klar definieren.

Skyang Kangri 1975 Den Gipfel um jeden Preis Im Nachhinein hat sich als das größte Problem herausgestellt, dass der Berg wirklich weit entfernt jedweder Zivilisation ist! Ganz „hinten“, im sogenannten Baltoro-Gletscherlabyrinth im Norden des Karakorum in Pakistan – noch heute eines der entlegensten Gebirge der Welt. Durch den sehr langen Anmarsch hat sich der Lageraufbau verzögert und wir wurden beim Versuch eines Gipfelgangs von Lager 2 aus vom Schlechtwetter überrascht. Dann waren wir dort sechs Tage im Zelt eingeschlossen. Die Zelte waren bis zum Spitz eingeschneit und es war eigentlich schon eine Schneehöhle. Als es eine kurze Wetterbesserung gab, ist ein Teil des Teams abgestiegen und hat das Basislager zu räumen begonnen. Der Termin, an dem wir die Träger für den Rückweg bestellt hatten, rückte immer näher. Ferdinand Deutschmann, Valentin Caspaar und ich – alle aus Graz – haben noch die letzte Chance, den Gipfel zu erreichen, wahrgenommen. Ich habe aber relativ bald umgedreht, weil ich wegen der extremen Kälte Angst um meine Zehen hatte und zum anderen auch kein gutes Gefühl. Als Bergsteiger entwickelt man ein sehr ausgeprägtes „Bauchgefühl“, das später oft mit der Realität übereinstimmt! Valentin und Ferdl sind zu Lager 3 aufgestiegen, das wir auf über


7.000 Metern errichtet hatten. Ich sollte in Lager 2 auf die beiden Kameraden warten, bis sie nach zwei Tagen vom Gipfel wieder zurückkehren. Nachdem ich drei Tage am sogenannten „Windy Gap“ gewartet hatte – einen mehr als geplant – musste ich absteigen, sonst hätte ich meinen Freunden den letzten Proviant weggegessen. Das Verhängnisvolle war, dass Ferdl und Valentin Lager 3 nie gefunden haben, da es unter dem Schnee begraben lag. Sie haben dann in einer Schneehöhle biwakiert. Valentin war am nächsten Tag körperlich mit seinen Kräften am Ende und Ferdl ist – wie von einer magischen Kraft angezogen –alleine weitergegangen und wurde nie wieder gesehen! Nach einem Tag des Wartens musste auch Valentin mit letzter Kraft den Abstieg antreten und hatte das zweifelhafte „Glück“, unversehrt mit einer Lawine „abgefahren“ zu sein. Er war auch nicht verschüttet worden und konnte sich mit schweren Erfrierungen irgendwie ins Lager 2 zurück kämpfen. Unser Freund Mischa ging nach ein paar Tagen ins Lager 2 hinauf und entdeckte Valentin, der einen körperlich wie seelisch sehr kritischen Eindruck machte. Wir schmiedeten einen Rettungsplan. Mischa würde den gesamten Gletscher hinauseilen, zur bereits absteigenden Gruppe aufschließen und einen Helikopter organisieren. Ich sollte Valentin zum 40 (!) km entfernten Gletscherrand –teilweise tragend – bringen, wo ihn der Hubschrauber aufnehmen würde.

Mit Glukose- und Kochsalzlösung-Infusionen konnte ich Valentin etwas stärken. Er begann zu halluzinieren, hatte offensichtlich schon eine Blutvergiftung, Füße und Finger waren durch die schweren Erfrierungen bereits tiefschwarz verfärbt. Halb stützend, halb tragend konnte ich ihn über mehrere Tage zum Gletscherrand schaffen. Dort wurde er glücklicherweise von einem Helikopter aufgenommen und nach Europa geflogen, wo er versorgt wurde. Er verlor wegen der schweren Erfrierungen fast alle Finger und Zehen. Ferdinand Deutschmann gilt seit damals als verschollen. Keiner der Teilnehmer unternahm in der Folge eine weitere Expedition. Nach einem Interview mit Siegfried Gimpel

Makalu 1981 Sturz in die Orientierungslosigkeit Der höchste Punkt des Makalu (8.481 Meter) – des fünfthöchsten Berges der Welt – hat die Form eines kleinen verschneiten Zuckerhuts. Ich habe ihn mit einem Bambusstab markiert, dessen Spitze ich zum Beweis meiner Solobesteigung abknickte. Es war spät geworden, ich hatte mein Ziel überglücklich erreicht und noch war mein Weg nicht zu Ende. Der bevorstehende Abstieg, die Müdigkeit, die dünne Luft, der große Durst gaben mir zu denken. Rasch, aber


sicher kletterte ich die felsige Gipfelrinne abwärts und begann meiner Aufstiegsspur folgend langsam mit der Querung eines steilen Gletscherbeckens. Es wurde schon finster und die Sicht verschlechterte sich zusätzlich durch aufkommenden Nebel, der den ganzen Berg einhüllte. Plötzlich glitt ich – trotz Steigeisen – aus und stürzte. Bevor ich noch reagieren konnte, hatte es mir meinen Pickel und später mein Eisbeil aus den Händen gerissen. „Jetzt ist es aus!“, schoss es mir durch den Kopf. Der Sturz schien nicht mehr kontrollierbar zu sein. Mit hoher Geschwindigkeit schoss ich über einige Gletscherstufen. Instinktiv breitete ich langsam meine Arme aus, was eine Stabilisierung des Sturzes bewirkte. Der Kopf kam nach oben, die Ellenbogen und die Knie presste ich in den weicher werdenden Schnee und der Sturz verlangsamte sich. Dann setzte ich vorsichtig meine Füße mit den Steigeisen ein und konnte so nach über 150 Metern die „Höllenfahrt“ – kurz vor dem drohenden Eisabbruch der Seracs – endlich stoppen. „Noch einmal Glück gehabt!“, dachte ich mir. Ich blieb lange – völlig erschöpft aber unverletzt – so liegen. Zum Glück konnte ich mein Eisbeil wiederfinden. Allerdings musste ich dazu ca. 50 Meter wieder aufsteigen. Meine Orientierung in diesem riesigen Schneehang bei eintretender Nacht und starkem Nebel war durch den Sturz verloren gegangen. Ich wusste

nicht, wo ich war, und so begann ich einfach den Hang horizontal zu queren. So hätte ich auf meine Aufstiegsspur stoßen müssen. Über eine halbe Stunde verging und ich musste plötzlich feststellen, dass der Hang immer steiler wurde. Entweder war ich zu hoch oder zu tief gequert – näherte ich mich möglicherweise erneut dem gefährlichen Gletscherbruch? Ich müsste meiner Aufstiegsspur genau folgen, um in eine schneegefüllte Eisrinne zu gelangen, die als einziger „Fluchtweg“ aus diesem Gletscherbecken nach unten bestand. Ich fand die Rinne nicht und beschloss daher, in 8.150 Metern zu biwakieren. Ich wollte auf keinen Fall ein weiteres Risiko eingehen und dachte mir, dass ich bei Morgengrauen den weiteren Abstieg sofort finden würde. Ich hob eine kleine Schneegrube aus, in die ich meinen Rucksack legte, trat eine Schneeleiste für meine Füße und legte mich dann – in meinem Biwaksack steckend – auf den Rucksack. Mit meinem Arm umschlang ich das eingerammte Eisbeil, um nicht aus der Mulde zu rutschen. Es gab keinen starken Wind, aber durch die Kälte – etwa minus 20 °C – begann ich am ganzen Körper zu zittern. Ich hielt mich durch periodische Bewegungsphasen wach und konnte so die Nacht ohne ernste Erfrierungen überstehen. Nach einem Zeitungsbericht von Robert Schauer in der „Krone Bunt“, 1981


Nanga Parbat 1983 Von der Lawine erfasst Die „Hilmar-Sturm-Gedächtnisexpedition 1983“ zum Nanga Parbat (8.125 Meter) wollte zum 30-Jahr-Jubiläum der Erstbesteigung dieses gigantischen Berges durch Hermann Buhl über den Südwestgrat – die sogenannte „Schell-Route“ – den Gipfel erreichen. Das Expeditionsteam hatte sich aus Salzburgern, Niederösterreichern und drei Steirern formiert, die alle mit dem Grazer Hilmar Sturm in den heimischen Bergen unterwegs waren. Parallel dazu starteten japanische Bergsteiger über die gleiche Route eine ebenso ambitionierte Expedition. Im ersten Lager stellten die Mitglieder beider Expeditionen ihre Zelte erstmalig in einem sehr steilen Gelände auf. Die Steirer Christian Brückler und Ewald Lidl platzierten sich neben einem Zelt, das von vier Japanern belegt wurde. Walter Lösch, ein weiterer Steirer, errichtete sein Zelt in unmittelbarer Nähe, aber teilweise von einem Stein geschützt. Als die Zelte bezogen waren, setzte ein heftiges Unwetter ein. Innerhalb weniger Stunden fiel mehr als ein Meter Neuschnee. Infolge dieses Wettersturzes löste sich um 5:30 Uhr eine riesige Lawine etwa 700 Meter über dem Lagerplatz. Mit voller Wucht traf sie die Zelte der Alpinisten, nur jenes von Walter Lösch blieb verschont. Christian Brückler, Ewald Lidl und die

Japaner wurden ganze 1.000 Höhenmeter in die Tiefe mitgerissen, bevor die Schneemassen zu stehen kamen. Wie durch ein Wunder erlitten die beiden Steirer nur leichte Schürfwunden. Drei der Japaner allerdings waren sofort tot, ein Überlebender rief mit seinem Funkgerät um Hilfe. Walter Lösch blieb völlig verschont und half im Anschluss bei der Bergung der Verunglückten. Die verletzten Steirer wurden nach Rawalpindi und in der Folge nach Österreich überstellt, während die restliche Mannschaft den Berg zu besteigen versuchte. Allerdings ohne Erfolg. Nach einem Zeitungsbericht der Kleinen Zeitung

Annapurna 2 1983 Vom Berg geblasen Vom höchsten Lager an der Annapurna 2 (7.937 Meter) aus wollten Klaus Schlamberger und ich mit einem Biwak auf den Gipfel gelangen. Schlechtwetter zwang uns, mit unseren Skiern wieder abzufahren. Am 4. Mai stiegen wir erneut bis zu einer Schneehöhle, in der wir übernachteten. Am nächsten Vormittag erreichten wir schließlich Lager 3 und stiegen nach kurzer Rast weiter in Richtung des Verbindungsgrates zwischen Annapurna 4 und Annapurna 2. Am exponierten Nordwestgrat des Annapurna 4, den wir beide mit Skiern über die nur mäßig steilen Grat-


hänge aufstiegen, überraschte uns bei schönem Wetter eine Gewitterfront aus dem Süden, die sich mit heftigen Sturmböen ankündigte. Ich war in einem Abstand von 100 Metern vor Klaus in eine Hangmulde gequert und wartete knapp unter dem Verbindungsgrat auf ca. 7.450 Meter Höhe auf meinen Freund. Der Sturm wurde heftiger und als Klaus nach 20 Minuten nicht zu sehen war, deponierte ich meine Skier und stieg wieder ab, um nach ihm zu sehen. Plötzlich einbrechender Nebel reduzierte die Sicht auf wenige Meter. Rufend und umherirrend versuchte ich Klaus im tobenden Sturm ausfindig zu machen. In der Hoffnung, ihn im Lager 3 zu finden, entschloss ich mich abzusteigen. Dort angekommen erstarrte ich: Klaus war nicht hier. Mit dem ersten Tageslicht setzte ich die Suche bei schönem, aber kaltem Wetter fort. Ich stieg zu jenem Punkt auf, wo ich Klaus zum letzten Mal gesehen hatte. Dort angekommen stieg ich senkrecht den 35 Grad geneigten Hang hinunter. Nach 400 Metern fand ich seinen Rucksack, weitere 200 Meter tiefer den bereits leblosen Körper von Klaus. Da ich durch eine breite Spalte von ihm getrennt war, musste ich auf seinen Bruder Jochen und Hannes Gsellmann warten, die an diesem Tag wie geplant zum Lager 3 aufstiegen. Erst am Nachmittag bestatteten Jochen und ich unseren Freund Klaus in einer nahegelegenen Gletscherspalte, nach-

dem eine Bergung und ein Abtransport in dieser Höhe nicht möglich waren. Dies war mein schlimmstes Erlebnis und die Trauer über den verlorenen Freund saß in uns allen sehr tief. Meiner Vermutung nach wurde Klaus von einer Sturmbö erfasst und durch den schweren Rucksack aus dem Gleichgewicht geworfen, die ihn mit großer Wucht den gesamten vereisten Steilhang in die Tiefe schleuderte. Die Expedition wurde sofort abgebrochen. Nach einem Expeditionsbericht von Robert Schauer

Ogre 1991 Erst eine Eislawine und dann ein Bär Das Expeditionsziel von Christian Stangl und mir war einer der schwierigsten Berge der Welt: der Ogre in Pakistan. Wir hatten kaum Geld und hielten alles eher im Kleinformat. So waren wir zu zweit im Basislager, gemeinsam mit einem Koch sowie einer Ziege als Lebendproviant. Spezieller Ausrüstungsgegenstand war eine Schrotflinte, da es in dieser Gegend Bären gibt, die man lieber abwehren sollte. Als wir unser erstes Lager am Wandfuß bezogen hatten, donnerte am Morgen eine Eislawine links und rechts von uns herab. Verirrte Eisbrocken schlugen auf uns ein und als


wieder Ruhe einkehrte war klar, dass Christians Oberschenkel getroffen und gebrochen war! Die Rettung war sehr mühsam. Wir schienten sein Bein mit Schistöcken und einer Isomatte. Ich schnürte ihn in einen Schlafsack und beförderte ihn mit Resten unserer Ausrüstung in Richtung Basislager. Als es flacher wurde, war es kaum möglich, ihn durch den Tiefschnee zu ziehen. Ich musste eine Spur anlegen, brach dabei immer wieder in Gletscherspalten ein und kam dann zurück, um das „Paket“ entlangzuziehen. Irgendwann bin ich dann ins Basislager voraus und habe den Koch nach Askole, der nächsten Siedlung geschickt, um einen Helikopter zu rufen. Als ich Christian im Basislager hatte, vergingen sechs Tage ohne Rettung. Also lief ich selbst nach Askole und ließ Christian alleine zurück. Am späten Nachmittag bekam er Besuch bzw. wurde Zeuge, wie ein ausgewachsener Bär zunächst unserer Ziege den Garaus machte. Das war gut, so war das Tier zumindest eine Weile beschäftigt, aber dann hat ihn das Tier die ganze Nacht sekkiert. Christian wähnte sich hilflos im Zelt liegend, verbrannte Kerosin und schlug Töpfe aneinander. Für den finalen Moment hatte er die Schrotflinte parat. Am nächsten Tag – der Bär hatte sich zwischenzeitlich entfernt – schleppte sich Christian ein paar Hundert Meter vom Lager weg. Dort nahm ihn die

pakistanische Armee im Zuge eines Versorgungsfluges auf und er wurde zwölf Tage nach dem Unfall erstmals medizinisch versorgt. Erzählung von Wolfgang Göschl, gekürzt wiedergegeben aus dem Buch „Skyrunner“ Ernst Kren Leykam 2009 S. 24 ff.

Portal Holz, aufwendig beschnitzt Swat Tal, Pakistan, 18. Jahrhundert Leihgabe: Schell Collection Graz Swat steht für ein kleines Hochtal im Gebirgsraum Nordwestpakistans, an der Nahtstelle zwischen den Kulturen Zentralasiens, Chinas und des indischen Subkontinents. Schon in der Antike war die Region, nahe dem Seitenzweig der Seidenstraße gelegen, für ihre fruchtbaren Gärten bekannt und gilt als eines der frühen Zentren der buddhistischen Gandhara-Kultur. Hanns Schell kaufte dieses Portal im Jahre 1989 in Maydan (Pakistan) für die Schell Collection in Graz. Hanns Schell sammelt seit einer Reise durch den Iran und Pakistan im Jahre 1965 Schlüssel, Schlösser, Kassetten und Eisenkunstguss. Er kaufte kleine Vorhängeschlösser auf den Bazaren von Teheran und Isfahan und zahlreiche Objekte aus fast allen


Ländern der Welt. Der leidenschaftliche Sammler gründete im Jahr 1965 die Schell Collection und erweiterte die Sammlung kontinuierlich. Heute ist die Schell Collection Graz das weltweit größte Spezialmuseum für Schlüssel, Schlösser, Kästchen, Kassetten und Eisenkunstguss. Auf 2.500m² Ausstellungsfläche, verteilt auf drei Stockwerke, werden mehr als 13.000 Exponate gezeigt. www.schell-collection.com

Raum 5 Im Thronraum der Götter Unter den erfolgreichen steirischen Höhenbergsteigern entwickelte sich vor allem einer zu einem bedeutenden Expeditionsleiter: Hanns Schell aus Graz. Im Zeitraum von 1964 bis 1989 organisierte er viele wichtige Expeditionen zu den höchsten Bergen der Welt. Nachdem er schon einige Sechsund Siebentausender erfolgreich erstmals bestiegen hatte, begann er Anfang der 1970er-Jahre mit der Planung der ersten steirischen Expedition zu einem Achttausender in Pakistan. Er stellte eine Mannschaft zusammen, plante die Logistik und organisierte die Genehmigung für den Gasherbrum I (Hidden Peak) mit 8.080 Metern. Den Gipfel erreichte er gemeinsam mit Robert Schauer und Herbert Zefferer am 11. August 1975 als erste steiri-

sche Seilschaft. Es war dies die erst 3. Besteigung überhaupt! An diesen Erfolg wollte man anschließen: Gleich im Jahr darauf organisierte Schell eine Expedition zum 8.125 Meter hohen Nanga Parbat, der auf einer neuen Route über die 4.500 Meter hohe Südwest- oder „Rupalflanke“ bestiegen werden sollte. Auch dieser Expedition gelang am 11. August 1976 genau ein Jahr nach dem Gasherbrum I ein großartiger Erfolg! Den Gipfel erreichten dabei alle steirischen Expeditionsteilnehmer: Hilmar Sturm, Siegfried Gimpel, sowie Hanns Schell und Robert Schauer.– Nach diesem Erfolg, konnten Schell und Schauer an der ersten Österreichischen Mount Everest-Expedition 1978 teilnehmen, die vom Tiroler Wolfgang Nairz vorbereitet und geleitet wurde.

Hidden Peak 1975 8.080 Meter Der Hidden Peak wurde 1975 durch die steirische Expedition erst zum dritten Mal bestiegen. Hanns Schell hat als Expeditionsleiter die Route der Erstbesteiger gewählt, die über den IHE Sporn auf ein Hochplateau führt. Von diesem aus konnte der Urdok 1 (7.250 Meter) vom gesamten Team erstbestiegen werden. Der Weg auf den Gipfel führte mit Schiern über das riesige Plateau zum Lager 4. Beim Gipfelversuch musste Karl Hub


wegen eines Lungenödems abbrechen. Hanns Schell, Robert Schauer und Herbert Zefferer erreichten den Gipfel erst gegen Abend und mussten in der anbrechenden Finsternis den Rückweg zum höchsten Lager suchen.

Steiermark: Hanns Schell (Gipfel) Siegfried Gimpel (Gipfel) Gerhardt Mayer Robert Schauer (Gipfel) Hilmar Sturm (Gipfel)

Steiermark: Hanns Schell (Gipfel) Herbert Zefferer (Gipfel) Robert Schauer (Gipfel) Lieselotte Schell Helmut Prevedel

„… es wär‘ a Traum wenn ma auf den Kogl aufikommen!“ (Hanns Schells Wunschgedanke, der auch Realität wurde)

Raum 6 Bayern: Karl Hub „Herrgott, bitte lass mich da hinauf und gesund wieder herunter kommen!“ (Herbert Zefferer, innigster Wunsch, der sich auch erfüllte)

Nanga Parbat 1976 8.125 Meter Der Nanga Parbat hatte aufgrund seiner Besteigungsgeschichte immer schon den Ruf eines „Todesbergs“. Die von den Steirern versuchte Neuroute war objektiv gefährlich. Aber die Flexibilität des kleinen Teams und der Mut, ab einer Höhe von 7.500 Metern in Schneehöhlen und einem freien Biwak zu nächtigen, führten zum Erfolg dieser Expedition. Die Route wurde nach dem Expeditionsleiter „Schell-Route“ benannt.

Die ersten steirischen Versuche am Mount Everest (8.848 Meter) 1971 Der erste Steirer, der sich bereits 1971 am höchsten Berg der Welt versuchte, war der Heeresbergführer Leo Schlömmer aus Bad Mitterndorf. Er hatte sich bereits in den schwierigsten Wänden der Alpen bewiesen und durch seine Erstbegehungen einen bedeutenden Namen gemacht. Unter anderem eröffnete er mit Peter Perner aus Ramsau in der Dachstein-Südwand die „Direttissima“ (Weg des fallenden Tropfens) als eine der schwierigsten Kletterrouten. 1970 gelang dieser Seilschaft im nordamerikanischen Yosemite Valley die zwanzigste Begehung der berühmten „Nose“-Führe am El Capitan. Leo Schlömmer konnte sich 1971 als Teilnehmer einer großen internationalen Expedition unter der Führung des bekannten Expeditionsleiters Norman Dyhrenfurth einreihen.


Das Ziel: die erste Durchsteigung der 2.500 Meter hohen und äußerst schwierigen Mount-Everest-Südwestwand. Das 32 Mitglieder zählende Team sollte die Idee einer multinationalen Expedition am höchsten Berg der Welt zum Erfolg führen. Ein weiteres Ziel war auch die erstmalige Begehung des direkten Westgrates, an dem es tragischerweise zu einem Todesfall kam. In der Südwestwand erreichte man nach langem Ringen und großen Differenzen in der Mannschaft eine Höhe von 8.350 Metern. Die klettertechnischen Schwierigkeiten waren enorm, die logistischen Herausforderungen kaum lösbar und das zusammengewürfelte Team hochrangiger Alpinisten heillos zerstritten. Es kam zu Auseinandersetzungen und die Expedition wurde abgebrochen. Drei weitere Steirer, die expeditionserprobten Adi Huber, Adi Weissensteiner sowie Peter Perner, erfuhren 1972 auf der gleichen Route am Everest ein ähnliches Schicksal. Sie nahmen an einer Expedition des erfahrenen, aber auch umstrittenen Münchner Leiters Karl Maria Herrligkoffer teil. Auch diese Mannschaft wählte 20 der besten Alpinisten aus Deutschland, Österreich und Großbritannien, um erfolgreich zu sein. Am Berg trat allerdings das Gegenteil ein. Es gab ständig Rivalitäten zwischen den Briten und den Österreichern. Als Adi Huber mit dem Tiroler Felix Kuen endlich die Wand und den Grat hinter

sich hatte und ein Gipfelgang möglich schien, verhinderte ein Wettersturz einen möglichen Erfolg. Die Everest-Südwestwand wurde schließlich 1975 im Rahmen einer rein britischen Großexpedition unter der Leitung von Sir Chris Bonington erstmals von Doug Scott und Dougal Haston durchstiegen.

Ein Blick auf den Grimming Majestätisch überragt der Grimming (2.351 Meter), einst „Mons maximus et altissimus Styriae“ (Größter und höchster Berg der Steiermark) genannt, den Talboden in Trautenfels. Seit dem 19. Jahrhundert fordert er die Bergsteiger heraus, sich in seinen Wänden und auf seinen Graten zu versuchen. Besteigungen und Überschreitungen bei extremen winterlichen Verhältnissen dienten oft dem Training für die hohen Gipfel dieser Welt. Auch Robert Schauer entwickelte seit seiner Jugend eine persönliche Begeisterung für das steil aufragende Bergmassiv. Einer sommerlichen Besteigung folgte eine zweitägige Winterüberschreitung, die als Training für die erste Karakorum Expedition 1974 dienen sollte. Dabei sammelte er mit seinem Partner Alois Furtner, wichtige Erfahrungswerte die er zum „Dach der Welt“ mitnahm.


Mount Everest 1978 8.848 Meter

Peter Habeler (Gipfel) Franz Oppurg (Gipfel)

Es war eine große Expedition, an der die beiden Steirer Hanns Schell und Robert Schauer teilnahmen, um auf den höchsten Gipfel der Erde zu steigen. Robert Schauer war schon früh vor Ort, um bei den Vorbereitungen und der Sicherung des Khumbu-Eisbruchs, sowie dem Ausbau der Lagerkette zu helfen. Als die gesamte Expeditionsmannschaft im Basislager angekommen war, bildeten sich kleine Teams, die dann individuell versuchten, auf den Gipfel zu kommen. Diese Taktik führte zu einer hohen Erfolgsquote. Abgesehen davon, dass erstmals Österreicher am Gipfel des Mount Everest standen, konnte dieser durch Messner und Habeler auch ohne künstlichen Sauerstoff bestiegen werden, was zuvor viele für unmöglich hielten.

Vorarlberg: Oswald Ölz (Gipfel)

Steiermark: Hanns Schell Robert Schauer (Gipfel) Südtirol: Reinhold Messner (Gipfel) Tirol: Wolfgang Nairz (Gipfel) Josl Knoll Horst Bergmann (Gipfel) Heli Hagner Raimund Margreiter

„… der dritte Pol ist nicht das Ende der Welt“ (Robert Schauer)

Die Last der Last: Gestern und Heute Im Verlauf einer klassischen Expedition werden von jedem Alpinisten und von den Sherpas hunderte Kilo an Material und Ausrüstung vom Basislager in die Hochlager getragen. Die dabei verwendeten Rucksäcke haben meist spezielle Traggestelle, um die Last ergonomisch und damit kräftesparend zu transportieren. Durch die funktionellen und damit auch gewichtssparenden Entwicklungen der gesamten Ausrüstung in den letzten Jahrzehnten konnten deutliche „Erleichterungen“ geschaffen werden. Bei kleinen Teams, die im alpinen Stil ihr Ziel verfolgen, sind damit unter anderem die Erfolgsaussichten deutlich gestiegen.


Geschätzter Gewichtsvergleich 1970er-Jahre: Traggestellrucksack „Kelty-Bag“ (60 lt.) mit gängigem Inhalt = 16 kg ab 2010 Mammut „Trion Zip“ (42 lt.) mit gleichem Inhalt = 12 kg

Erste Österreichische MountEverest-Expedition 1978 Profil der bis dahin erfolgsreichsten Gruppe 25 Jahre nachdem der höchste Gipfel der Welt erstmals erstiegen wurde, wollten auch österreichische Bergsteiger dieses begehrte Ziel zum ersten Mal erreichen. Die Österreichische Mount Everest-Expedition 1978, die unter der Patronanz des Österreichischen Alpenvereins stand, wurde vom Innsbrucker Wolfgang Nairz geplant und geleitet. Sie war im Vergleich zu den bisherigen Auslandsbergfahrten und kleinen steirischen Expeditionen in den 1960er- und 1970er-Jahren eine große Unternehmung im Stil der bis dahin zusammengestellten Nationalexpeditionen. Während diese früher das erklärte Ziel hatten, mit mindestens einem Teilnehmer am Gipfel zu stehen, um einen Erfolg zu feiern, stellte Wolfgang Nairz die Teilnehmer in kleinen Seilschaften zusammen, die jeweils die Möglichkeit bekommen sollen, den Gipfel zu erreichen. Ein sehr ambitioniertes Ziel, waren doch 13 Expeditionsteilnehmer potenzielle Anwärter, den „Dritten Pol“

– wie der Gipfel des Mount Everest mit 8.848 Metern auch genannt wird – zu erreichen. Das Konzept war erfolgreich und so konnten insgesamt neun Expeditionsteilnehmer den Gipfel des Mount Everest erreichen. Robert Schauer aus Graz mit seinem Seilpartner Ang Phu aus Nepal sowie die beiden Innsbrucker Wolfgang Nairz und der Kameramann Horst Bergmann waren am 3. Mai 1978 die ersten Österreicher am höchsten Punkt der Erde. Nur fünf Tage später lieferten der Südtiroler Reinhold Messner und sein langjähriger Seilpartner Peter Habeler aus Tirol als erste Menschen überhaupt den Beweis, dass eine Besteigung in solchen Höhen auch ohne künstlichen Sauerstoff möglich ist. Mit dem Vorarlberger Höhenmediziner Oswald Ölz, der mit Reinhard Karl wenige Tage danach den Gipfel erreichte, konnte auch der erste Deutsche vom höchsten Punkt der Erde blicken. Schließlich rundete am 14. Mai 1978 der Tiroler Franz Oppurg die Erfolgsgeschichte ab, als er vom höchsten Lager auf 8.500 Metern alleine zum Gipfel stieg, nachdem sein Partner Josl Knoll aus Innsbruck wegen eines defekten Sauerstoffgeräts umkehren musste. So blieben trotz des außergewöhnlichen Erfolgs einige enttäuschte Teilnehmer ohne Gipfelglück zurück. Mit dem Trost, dass sie alle den Berg unbeschadet wieder verlassen konnten, traten sie die Heimreise an.


Expeditionsteilnehmer: Tirol: Wolfgang Nairz, Josl Knoll, Horst Bergmann, Heli Hagner, Raimund Margreiter, Peter Habeler Vorarlberg: Oswald Ölz Südtirol: Reinhold Messner Steiermark: Hanns Schell, Robert Schauer Deutschland: Reinhard Karl Nepal: Ang Phu zusätzliche Teilnehmer: Werner Kopacka (Journalist der Kronen Zeitung), Eric Jones (Film-Team), Leo Dickinson (Film-Team), Dawa Nuru Sherpa (Hochlagerträger)

Raum 7 Neue Herausforderungen an den Bergen der Welt In den späten 1970ern begann eine neue Ära: Die Gipfel der Achttausender waren schon mehrfach erreicht, der Everest durch Reinhold Messner und Peter Habeler ohne Flaschensauerstoff bestiegen und auf den etablierten „Normalwegen“ begann 20 Jahre später ein „Höhentourismus“ einzusetzen. Agenturen organisierten Expeditionen, boten Hochlagererrichtung und Materiallogistik an und wurden als Pauschalangebot gebucht. Die Teilnahme an kommerziell geführten Expeditionen entwickelte sich zur konsumierbaren Dienstleistung. Zeitgleich fanden aber parallel auch neue, extreme Entwicklungen im echten Spitzenalpinismus ihre Grundlage. Während in den 1950ern noch aufwändigste Expeditionen organisiert wurden, um überhaupt einen Achttausendergipfel besteigen zu können, entwickelt sich seit den 1970ern eine Bergsteigerelite, die jährlich große und technisch schwierige Besteigungen durchführt. „Hätte damals jemand behauptet, ein und derselbe Mensch würde einmal auf allen Achttausendern stehen, er wäre als Utopist dagestanden“, schrieb der bekannte Expeditionsleiter Fritz Moravec von der Österreichischen Himalaya-Gesellschaft rückblickend. Aber nicht nur das Sammeln aller


Achttausender ist eine Messlatte, auch die „Seven Summits“, die höchsten Gipfel der Kontinente, werden zum erklärten Ziel erhoben. Es entwickeln sich auch verschiedene Stile: Eine Grundentscheidung ist bis heute die Zuhilfenahme künstlichen Sauerstoffs. Eine weitere Entwicklung ist die Frage, auf welcher Route man einen hohen Berg besteigt: Auf den „Normalrouten“, die zunehmend mit Fixseilen eingerichtet werden, beginnt ein Wettlauf um Bestzeiten. Abseits dieser „touristischen Trampelpfade“ versucht man technisch höchst schwierige und manchmal auch objektiv gefährliche neue Wege zu finden und zu eröffnen. Ein erklärtes Ziel der „Elite“ ist gegenwärtig die Besteigung eines Achttausenders im Winter. Bis heute wurden alle Achttausender, außer dem K2 mit 8.611 Metern, bei widrigsten Bedingungen und großer Kälte im Winter bestiegen. Nur wenigen gelang ein solches Vorhaben und viele ließen dabei sogar ihr Leben. Eine besondere Herausforderung, die oft mit der Sinnfrage menschlichen Tuns verknüpft wird.

Gasherbrum 4-Westwand Keine Worte, nur Emotionen – vier Tage lang! 1985 – Nach erfolgreichen Expeditionen an Achttausendern will Robert Schauer einen lange gehegten Traum realisieren: eine erste Route durch die 3.000 Meter hohe und mächtige West-

wand des Gasherbrum 4 zu eröffnen. Im reinen Alpinstil mit einem Seilpartner unterwegs, alles, was man benötigt, führt man im Rucksack mit. Keine Lagerkette, keine Trägerhilfe. Eine Form, der die besten Bergsteiger damals wie heute an den hohen und schwierigen Bergen zu folgen versuchen. Tag 1 Der Pole Voitek Kurtyka und ich starten in die „Leuchtende Wand“. Niemand vor uns hat sie durchstiegen, nur wenige wagten einen Versuch. Selbst der Gipfel des 7.925 Meter hohen Gasherbrum 4 wurde erst einmal im Jahr 1958 über einen der Grate erreicht. Bei perfektem Wetter steigen wir in eine lange und steile Eisrinne ein. Bis zum ersten Abend haben wir schon fast die Hälfte der Wand unter uns. Dort biwakieren wir mit der großen Hoffnung, in zwei bis drei weiteren Tagen oben am Gipfelgrat zu stehen. Tag 2 Die großen klettertechnischen Schwierigkeiten verlangsamen unser Vorankommen. Der Grund ist brüchiger Fels mit einer dünnen Schneeauflage. Wir müssen sehr konzentriert klettern und sichern, erreichen später einen sehr schmalen Biwakplatz. Voytek und ich übernachten daher 30 Meter voneinander getrennt. Der geringe Höhengewinn an diesem Tag lässt Sorgen aufkommen, unser Ziel doch nicht so schnell zu erreichen wie erhofft.


Tag 3 Auch dieser Tag beginnt mühsam, da der Fels weiterhin brüchig ist und kaum solide Sicherungen anzubringen sind. Da wir nicht mehr im Zeitplan sind, beginnen wir das Essen zu rationieren. Ich hoffe, dass die steilen Eisrinnen im oberen Wandabschnitt so gut sind wie jene am Einstieg, um so den Gipfelgrat schneller zu erreichen und wieder Zeit zu gewinnen. Tag 4 Fehlanzeige! Wir kommen nur langsam vorwärts, schaffen nur 150 Meter in 12 Stunden. Dabei befinden wir uns nun definitiv über dem Punkt einer möglichen Umkehr. Der Weg nach unten wäre viel zu gefährlich. Es geht nur mehr nach oben – und das stimmt mich sorgenvoll. Die Flucht nach oben führt oft in eine aussichtslose Falle. Tag 5 & 6 Im obersten Wandteil verhindert – entgegen allen Erwartungen – tiefer Schnee auf den Felsen ein rascheres Vorwärtskommen. Die große Höhe setzt uns zu, mehr aber noch der nun eingetretene Nahrungs- und Flüssigkeitsmangel. Da uns auch das Gas für den Kocher fehlt, haben wir nichts mehr zu trinken. Wir lutschen Schnee, um etwas Flüssigkeit zu bekommen, aber die Kälte und die trockene Luft setzen unseren Schleimhäuten zu. Erschöpfungserscheinungen machen sich bemerkbar und zusätzlich beginnt auch das Wetter langsam umzuschlagen.

Tag 7 & 8 Wir sitzen im Biwaksack auf einem kleinen Vorsprung, den wir uns im Eis freigehackt haben. Um uns herum tobt ein Sturm, der ein Vorankommen unmöglich macht. Es ist zermürbend, denn es sind „nur“ mehr rund 200 Höhenmeter bis zum oberen Ende der Wand am Nordgrat. Ich schlafe nicht, fantasiere lebhaft von Essen, Wärme und Gesellschaft. Halluzinationen, die mir das Gefühl von Sicherheit vermitteln. Ich kann nur hoffen, dass sich das Wetter bessert, dass wir „aufwachen“ und weiterkommen. Sonst ist es aus! Tag 9 Zum Glück dringt am Morgen die Sonne langsam durch den dichten Nebel. Bald darauf spuren wir abwechselnd bis zum Grat und stehen auf ca. 7.800 Metern, unserem höchsten Punkt. Kein Grund zum Jubeln. Es ist klar, dass wir nicht mehr die wenigen Meter auf den Vorgipfel und über den Gipfelgrat zum höchsten Punkt gehen. Wir sind praktisch am Ende unserer Kräfte. Der Abstieg ist zermürbend. Wir steigen vorsichtig und ich hoffe, den richtigen Weg zu finden. Es kommt keine Panik auf, alles läuft ruhig und konzentriert ab. Uns ist bewusst, dass nun jeder Schritt nach unten zählt. Die Chance, dieses Abenteuer zu überleben, beflügelt uns. Trotzdem mischen sich erneut Halluzinationen dazwischen und wirre Gedanken begleiten uns. Es wird dunkel,


wir müssen ein weiteres Mal in dieser grausamen Kälte übernachten. Tag 10 Im ersten Tageslicht steigen wir am Nordgrat weiter ab. Zur Akklimatisierung sind wir diesen Weg bis hier heraufgestiegen und haben Süßigkeiten und eine Gaskartusche in einem Felsspalt deponiert. Mehr durch Zufall finde ich die Stelle wieder und wir haben endlich etwas zu trinken. Langsam erkennen wir die Realität wieder, der Kopf wird etwas klarer und nach dem Erreichen des Basislagers sind wir einfach nur froh, am Leben zu sein.

Der Skyrunner Christian Stangl Christian Stangl ist im Gesäuse aufgewachsen und war schon als Jugendlicher ein begeisterter Bergsteiger. Vor allem mit dem Felsklettern hat er sich nicht nur in seiner Heimat einen Namen gemacht. Schwierige Routen, Sologänge und Winterbesteigungen lehrten ihn, aber forderten auch, außergewöhnliche körperliche Fitness und geistige Stärke zu entwickeln. Eigenschaften, die für die späteren Ziele an den Bergen der Welt wichtig sein werden. Shishapangma 1998 Nach seiner ersten Anden-Reise sollte es mit Seilpartner Wolfgang Göschl gleich zu einem der objektiv gefährlichsten Berge der Welt gehen: dem

Ogre (7.285 Meter) im pakistanischen Karakorum. Wegen eines von einer Eislawine verursachten Beinbruchs musste der verletzte Stangl die Expedition abbrechen. Ähnlich ambitionierte Ziele folgten, ehe 1998 mit dem Achttausender Shishapangma das erste Mal ein wirklich hoher Berg in Angriff genommen wurde. Allerdings nicht über den Normalweg von Lager zu Lager, sondern im sogenannten Alpinstil: Alles was man am Berg benötigt, wird am Körper oder im Rucksack mitgetragen. Man bewegt sich „frei“ und darüber hinaus noch allein. Stangl verkalkulierte sich, brauchte viel länger als geplant und musste die letzten drei Tage ohne Essen und Wasser auskommen. Den Gipfel erreichte er aber trotzdem über die Südwand. Cho Oyu 2001 Nach zwei erfolglosen Versuchen an den Karakorum-Gipfeln Gasherbrum 1 und 2 konnte Stangl erneut im Alpinstil und wiederum allein mit dem Cho Oyu einen weiteren Achttausender erreichen. Bei den Expeditionen lernte er auch, dass diese Art des Bergsteigens sehr riskant ist. Viel Zeit an den hohen Bergen zu verbringen bedeutet auch, vielen Gefahrenmomenten ausgesetzt zu sein. Deshalb entwickelte sich Stangl zunehmend zum „Geschwindigkeitsalpinisten“ – zum Skyrunner.


K2 2008 Was nun folgte, hat Alpingeschichte geschrieben! Stangl wollte verdoppeln und auch die zweithöchsten Berge aller Kontinente besteigen. Das führte ihn mehrmals zum wohl schwierigsten Achttausender, dem K2. Nach Versuchen 2008 und 2009 folgte 2010 das, womit ihm wohl unbeabsichtigt die höchste Medienaufmerksamkeit in seiner Karriere geschenkt wurde: die K2-Lüge! Er behauptete, allein auf dem Gipfel des K2 gestanden zu sein, und legte zwei Fotos vor, die das beweisen sollten. Diese weckten Zweifel und auch andere Bergsteiger vor Ort glaubten ihm die Erfolgsmeldung nicht. Mit dem späteren Geständnis, den höchsten Punkt tatsächlich nicht erreicht zu haben, war zunächst ein Imageschaden entstanden, der mit einem medialen „Feldzug“ zu vergleichen ist. K2 2012 Man nahm an, Stangl würde mit dieser Blamage von der internationalen „Alpinbühne“ verschwinden. Als er 2012 dann den Gipfel des K2 ohne künstlichen Sauerstoff tatsächlich erreichte und dies mit stichhaltigen Beweisen belegte, war das vielen Medien nur mehr eine Randnotiz wert. Der Abschluss seines bisher ehrgeizigsten Zieles – die Besteigung der „Triple-Seven-Summits“ (dritthöchste Berge der Kontinente) im Jahr 2013 – brachte ihm eine Eintragung in das „Guinness Buch der Rekorde“.

Gerfried Göschl Ein viel zu kurzes Leben mit großen Zielen In der Familie Göschl wurde dem Nachwuchs das Expeditionsbergsteigen bereits in die Wiege gelegt. Vater Rainer gelangen in den 1960erJahren Erstbesteigungen von Siebentausendern im Karakorum. Sohn Wolfgang war als Seilpartner von Christian Stangl auf vielen Bergen der Welt unterwegs, wohingegen dessen Bruder Gerfried das Höhenbergsteigen anfangs nicht interessierte. Erst nach seinem Studium begann er sich damit zu befassen und 1999 fuhr das „Göschl-Trio“ das erste Mal gemeinsam auf eine Expedition. Bereits 2002 standen die beiden Brüder auf ihrem ersten Achttausender, dem Cho Oyu (8.201 Meter), und 2003 auf dem Gasherbrum 2 (8.035 Meter). Während Wolfgang Göschl und sein Vater Rainer langsam den Achttausenderbesteigungen entsagten, kam bei Gerfried nun ein gewisser Ehrgeiz dafür auf. Shishapangma & Mount Everest solo 2005 Um Expeditionen zu unternehmen und eine Infrastruktur für größere Projekte zu nutzen, entwickelte sich Gerfried Göschl zum Expeditionsleiter. Die erste Reise, die er organisierte, führte zum Shishapangma (8.027 Meter) nach Tibet. Die Idee war, den Gipfelerfolg an diesem Achttausender als Zwischenetappe und zur Akklimatisation


zu nutzen, um anschließend auf den Mount Everest zu steigen. Die Shishapangma-Besteigung lief nach Plan, am Everest gab es zunächst Rückschläge. Gerfried Göschl konnte aber später in einer Solobesteigung über die bestehende Lagerkette tatsächlich den höchsten Punkt der Welt ohne Flaschensauerstoff erreichen. Nanga Parbat – Spuren für die Ewigkeit 2009 Gerfried Göschl besaß ein sehr großes Wissen über die alpinhistorischen Gegebenheiten und wollte auf dieser Basis neue Wege erschließen. 2009 organisierte er eine Nanga ParbatBesteigung, bei der er zugleich eine neue Route durch die Diamir-Flanke auf den Gipfel erschließen konnte. Allerdings stürzte der Expeditionsteilnehmer Wolfgang Kölblinger beim Abstieg und verschwand in der Tiefe. Ein Wermutstropfen dieser erfolgreichen Expedition. Hidden Peak im Winter 2012 Bereits 2011 versuchte Gerfried Göschl, den Hidden Peak (oder Gasherbrum 1, 8.080 Meter) im Winter zu besteigen. Winterbesteigungen von Achttausendern sind die härteste Disziplin im Alpinismus, aber auch eine letzte Möglichkeit, noch Rekorde zu erringen. Auch wenn der Gipfel 2011 nicht erreicht wurde, waren die dabei gewonnenen Erfahrungen von Bedeutung. Im Juli 2012 wurde der Gipfel des Hidden Peak dann unter „normalen“ Bedingun-

gen erreicht. Diese Expedition war mit einem weiteren Ziel verbunden. Im Winter 2012 kannte Gerfried den Berg nun ausreichend, um nicht nur eine Besteigung zu planen, sondern erstmals überhaupt die Winter-Überschreitung eines Achttausenders auf einer neuen Route zu versuchen. Gemeinsam mit dem Pakistani Nisar Hussain und dem Schweizer Cedric Hählen startete er bei eisigen Temperaturen über die eingerichtete Lagerkette gipfelwärts. In weiterer Folge gab es aus einigen Hundert Metern unter dem Gipfel einen hoffnungsvollen Funkspruch an die Mannschaft im Basislager. Der Erfolg schien trotz extrem niedriger Temperaturen und Sturm in Reichweite. Einige Stunden später erfolge eine weitere Unterredung, die allerding für große Verwirrung sorgte. Danach hat man nichts mehr gehört. Die Mannschaft um Gerfried Göschl gilt seither als vermisst. Was genau geschehen ist, wird wohl für immer ungeklärt bleiben.


„Gipfelstürmer- Kino“ Die Dokumentation der Erschließung von Berggipfeln reicht von den Kammermalern Erzherzog Johanns im 19. Jahrhundert über Fotografie und Film bis zu Videografen und zur Digitalisierung im 21. Jahrhundert. Filme mit Bergthemen haben einen hohen Informations- und Unterhaltungswert. Die emotionale Ebene der großartigen Geschichten der Bergabenteurer wird oft auf sehr berührende Weise vermittelt. Die Bedeutung von mitgeführten Kameras ist heute gewachsen, weil diese wegen ihrer technischen Entwicklung und dem Drang der permanenten Dokumentierung zum allgegenwärtigen Instrument geworden sind. Das von Robert Schauer 1986 ins Leben gerufene Filmfestival „Mountainfilm Graz“ widmet sich alljährlich im Monat November diesem Genre und vergibt an den besten Film den „Grand Prix Graz“.

Umstände sind für den menschlichen Organismus eine sehr große Gefahr. Allerdings kann er sich bis zu einem gewissen Grad an die geringe Sauerstoffsättigung im Blut anpassen. Diesen Prozess nennt man Akklimatisation. Was geschieht im Körper bei der Höhenanpassung? Vorerst versucht der Körper, den Sauerstoffmangel durch erhöhte Atemfrequenz auszugleichen. Auch die Pulsfrequenz steigt, und dies leitet die eigentliche Anpassung ein. Der Anteil der roten Blutkörperchen, die den Sauerstoff transportieren, steigt und das Blut wird dickflüssiger. Erst nach drei bis vier Wochen nach einem Ausgleichsprozess, der nur in großen Höhenlagen geschehen kann, ist der Akklimatisationsvorgang abgeschlossen und der Körper für drei bis vier Wochen angepasst. Ein dauerhafter Aufenthalt führt auf jeden Fall zu massivem körperlichen Abbau und in weiterer Folge zum Tod.

www.mountainfilm.com

Der Mensch in großer Höhe In über 7.000 Meter Meereshöhe befinden sich Menschen in einer lebensfeindlichen Umgebung: Es herrschen extremste Witterungsbedingungen, der Sauerstoffgehalt der Luft ist sehr gering. Menschen können diese Höhenlagen zwar kurzzeitig aufsuchen, aber niemals bewohnen. Diese

Wie kann man den Akklimatisationsprozess beeinflussen? Zeit ist einer der wichtigsten Faktoren bei der Akklimatisation. Je langsamer man sich akklimatisiert, desto besser kann sich der Körper an den Sauerstoffmangel anpassen. Eine langsame Aufstiegsgeschwindigkeit ist beim Höhersteigen angebracht. Wichtig ist, während dieser Phase viel zu trinken, um den Körper bei der Anpassung zu unterstützen. Kohlen-


hydratreiche Nahrung spendet die notwendige Energie. Außerdem ist auf gewisse Symptome zu achten: Bekomme ich Kopfweh? Geht das Kopfweh über Nacht wieder weg? Wie verhält sich mein Ruhepuls? Eine gegenseitige Beobachtung ist ebenso wichtig: Hat mein Bergpartner Atemprobleme oder Schwellungen im Gesicht? Redet er wirr und ohne Zusammenhang?

eine geringere Höhe simuliert werden, die eine Verbesserung bringt. Um sich wieder grundlegend zu erholen, braucht es unter Umständen einige Tage in tieferen Tallagen.

Meteorologie

Was ist die Höhenkrankheit und welche Folgen hat sie? Als „Höhenkrankheit“ werden die Symptome des Sauerstoffmangels (Hypoxie) bezeichnet: Meist sind das Kopfschmerz, Schwindel, Appetitlosigkeit oder in weiterer Folge ein Lungen- oder Gehirnödem. Es gibt auch Erscheinungen, die damit zusammenhängen: Es besteht ein erhöhtes Risiko, Kälteschäden und Thrombosen davonzutragen.

Entscheidungsfaktor Wetterbericht und die Prognose am „Dach der Welt“ Es gibt kaum einen Sport, bei dem das Wetter so entscheidend auf Erfolg und Misserfolg Einfluss nimmt, wie das beim Bergsteigen der Fall ist. Während man sich körperlich gut vorbereiten und die entsprechende Ausrüstung zusammenstellen kann, ist man im Gebirge den Launen der Natur ausgesetzt – aber nicht völlig ausgeliefert. Die Einteilung der Wegstrecke und Etappen auf Grundlage einer guten Wetterprognose kann zum Erreichen der definierten Ziele beitragen.

Was kann man tun, wenn man höhenkrank wird? Die beste und effektivste Behandlung aller Formen der „Akuten Höhenkrankheit“ heißt: erhöhte Zufuhr von Sauerstoff. Entweder durch Abstieg bzw. Abtransport in tiefere Höhenlagen oder mittels Flaschensauerstoff. Auf jeden Fall müssen Betroffene auf ein Sauerstoffniveau kommen, auf das der Körper bereits akklimatisiert war. Auch mittels eines Überdrucksackes – „Gamow Bag“, im Prinzip eine portable Kompressionskammer – kann

Wetterprognosen früher Expeditionen In den 1950er-Jahren ließ man sich den Wetterbericht für die eigene Expedition einmal am Tag über die regionalen Radiosender per Langwelle durchgeben. Das hörte sich etwa so an: „… and now the weatherforecast for the Austrian Karakorum Expedition!“ Allerdings waren diese Angaben nur wenig aussagekräftig. Man war weitestgehend auf die eigenen Wetterbeobachtungen vor Ort und auf den Höhenmesser angewiesen, der die


Druckunterschiede der Luft verriet. Erfahrene Alpinisten konnten daraus Schlüsse ziehen, allerdings nicht immer die richtigen. So wurde eine wichtige Entscheidung oft zur Lotterie! Die Vorhersage des Wetters in ganz bestimmten Regionen der Welt hat sich in den letzten 50 Jahren durch die technische Entwicklung enorm verbessert. Die Verlässlichkeit einer 5-Tages-Prognose lag in den 1970er-Jahren noch bei 30 % – war also kaum besser als ein Ratespiel. Heute kann man sich auf derartige Prognosen, vor allem auf die Information über großräumige Tendenzen, durchaus verlassen. Wenn man heute über Satellitentelefon einen genauen Wetterbericht für einen bestimmten Gipfeltag erfahren möchte, so wenden sich die österreichischen Alpinisten an einen sehr erfahrenen Mann: Dr. Karl „Charly“ Gabl. Der Innsbrucker Meteorologe und Bergführer betreut und versorgt seit Jahrzehnten die wichtigsten nationalen und internationalen Expeditionen mit detaillierten Wetterprognosen. Dadurch hat er mit Sicherheit maßgeblich zu Gipfelerfolgen beigetragen, vielleicht aber auch mögliche Unglücksmomente zu verhindern geholfen. Wetterphänomene Wenn man auf hohe Berge steigt, begibt man sich in einen ungeschützten Raum, in dem Wetterphänomene sehr viel stärker wahrgenommen werden: Stürme, Niederschläge, Kälte, aber auch Hitze wirken intensiver auf den

menschlichen Organismus ein. Nicht nur im Winter sind Windgeschwindigkeiten um die 140 km/h in den Gipfelregionen der Achttausender des Karakorums und Himalayas keine Seltenheit. Im Maximum kann es durch den sogenannten „Jetstream“ zu Spitzen um die 260 km/h kommen! Dabei liegt die Lufttemperatur im Regelfall zwischen –30 °C und –45 °C. Eine Temperatur, vor der man sich kaum schützen kann, wobei die gefühlte Temperatur aufgrund der Windeinwirkung („Windchill-Faktor“) noch wesentlich kälter wahrgenommen wird. Bei 45 km/h Windstärke wirkt eine Temperatur von –35 °C wie –55 °C auf den menschlichen Körper, womit Erfrierungen an den Extremitäten sehr wahrscheinlich sind. Stabile Sommertage sind auf den höchsten Bergen der Welt wärmer. An diesen wenigen Wetterfenstern sind Gipfelbesteigungen möglich. Bei nächtlicher Absenkung und bei Wetterstürzen kühlt es sehr schnell auf ca. –40 °C ab. Aber auch Hitze ist eine große Belastung für den Körper, vor allem in Verbindung mit der hohen UV-Strahlung. Auch davor muss man sich schützen. „Schönwetter“ ist hier nicht immer ein Genuss. Der geplante Aufstieg, bei dem volle Leistung gefragt ist, sollte daher nicht in der großen Mittagshitze erfolgen. Jetstream Entlang der Breitengrade unseres Planeten verlaufen Ausgleichsbewegungen zwischen verschiedenen Temperaturregionen bzw. Hoch- und


Tiefdruckgebieten. Diese stellen die stärksten natürlich auftretenden Winde dar, wobei sie im Vergleich zu anderen Wetterphänomenen sehr verlässlich und über mehrere Tage stabil sind. Wenn der sogenannte Jetstream aktiv ist, muss man mit starken Winden rechnen, die ein Betreten höherer Bergregionen unter Umständen verhindern. Monsun Der Monsun ist eigentlich ein Windsystem, bekannt ist er aber vor allem für die feuchten Luftmassen, die er vom Indischen Ozean über den indischen Subkontinent mit sich führt. Die Folge sind hohe Niederschlagsmengen, die bis zur Himalayakette im Norden reichen. Während in den trockenen Monaten Niederschlagsmengen mit einem Mittel um 8 mm (= 8 Liter pro Quadratmeter) zu erwarten sind, steigt die Menge von Juni bis August auf 200 mm – im Juni sogar auf über 300 Liter pro Quadratmeter. Deswegen gibt es in der Everestregion und im Himalaya zwei Besteigungszeiträume: den Vormonsun von April bis Ende Mai sowie die Phase des Nachmonsuns von Ende August bis Mitte Oktober.

Raum 8 Flash-Expedition In 21 Tagen auf das Dach der Welt 2018 waren Reinhold und Philipp Pucher aus Trofaiach unter den ersten „Touristenalpinisten“, die an einer „Flash-Expedition“ zum Mount Everest teilgenommen haben. Der Tiroler Bergführer und Reiseagenturleiter Lukas Furtenbach hat dieses Format entwickelt und bietet es für zahlungskräftige, physiologisch gut vorbereitete Menschen mit knappen Zeitressourcen an. Die Grundidee ist, den Körper lange vor der Abreise auf die große Höhe vorzubereiten. Dazu akklimatisiert man sich bereits zu Hause in einem Spezialzelt, das die geringe Sättigung der Höhenluft simuliert. Am Berg selbst muss man somit weniger Zeit im Basislager verbringen und die Gefahr von höhenbedingten Erkrankungen oder Lagerkoller ist reduziert. Beim erstbesten Wetterfenster kann theoretisch ein erster Gipfelversuch gestartet werden, vorausgesetzt, der gesamte Aufstieg ist mit Fixseilen und Hochlagern eingerichtet. Reinhold und Philipp Pucher konnten bereits 21 Tage nach ihrer Abreise aus Österreich den Gipfel des Mount Everest erreichen. Diese Form des Bergsteigens rief vielfach Kritiker auf den Plan, die meinten, dass dies mit einer herkömmlichen „Expedition“ nichts mehr zu tun habe. Tatsächlich haben sich die höchsten Berge der Welt als begehrte alpinisti-


sche Zielobjekte in den letzten 25 Jahren stark gewandelt. Es stellt sich die Frage, ob eine „Expedition“ im engeren Sinn an diesen Bergen überhaupt noch möglich ist. Blickt man in die Vergangenheit, so waren auch die Alpengipfel zur Jahrhundertwende im Fokus alpinistisch kommerzieller „Auswertungen“ gestanden. Es ist daher nur logisch, dass dies nun auch verstärkt im Himalaya geschieht. Verbunden mit der rasanten Entwicklung der Technik von heute ist vieles mehr möglich. Allerdings kann man jene, die mit einer ganzheitlichen, über Jahre entwickelten Alpinerfahrung ihre Ziele am „Dach der Welt“ wählen, vom Gros der Touristen unterscheiden.

Kann es heute noch „echte“ Expeditionen geben? Vor rund 50 Jahren wurden alle Achttausender bestiegen. Auf jeden dieser Gipfel führt eine mehr oder weniger schwierige Route. In jeder Saison versuchen viele Bergsteiger daran ihr Glück. Mittlerweile hat sich an den höchsten Bergen der Welt eine touristisch kommerzialisierbare Infrastruktur entwickelt und dauerhaft etabliert. Alle können an einer Expedition teilnehmen, wenn sie das entsprechende Angebot buchen und die ausgewiesenen Preise bezahlen. Aber sind das wirklich noch Expeditionen? Es gibt kaum noch weiße Flecken auf der Landkarte, keine hohen unbe-

stiegenen Berge oder Wände mehr, die eine Expedition im ursprünglichen Sinn rechtfertigen würden. Die heutige Bergsteigergeneration findet kaum noch sinnvolle neue Ziele an den Bergen der Welt. Doch es gibt noch (!) immer Gegenden, in denen man Abenteuer im Sinn einer Expedition erleben kann, wo man allein ist inmitten unbändiger und großartiger Natur. Allerdings muss man sich schon aktiv auf die Suche danach begeben. In einem Katalog wird man Expeditionsabenteuer nicht finden. Die Generation der aktiven Höhenbergsteiger der 1950er- bis 1980er-Jahre erlebte den Luxus, unerforschte Gipfel fernab von kommerziellen Angeboten zu ersteigen. Begriffe von Raum und Zeit haben heute in der modernen Gesellschaft eine gegenläufige Entwicklung genommen. Vieles ist dem Diktat der „instant satisfaction“, der raschen Erfüllung, untergeordnet. Das heutige Überangebot an möglichen Erlebnissen führt zu einem Mangel an Raum und Ideen für echte Abenteuer! Im Sinne Erzherzog Johanns kann sich jeder empfindende Mensch entlang erschlossener Wege mit Beschwerlichkeit und Gipfelglück selbst herausfordern und finden! Wenn auch weit weg vom „Dach der Welt“: in der Steiermark! „Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet!“ (Hans Magnus Enzensberger)


Heinrich Harrer Ein bewegtes Leben Heinrich Harrer (1912 – 2006) erlangte als einer der Erstbesteiger der EigerNordwand1 sowie durch sein Buch „Sieben Jahre in Tibet“ und dessen Verfilmung besondere Bekanntheit. Darin schilderte er seine abenteuerliche Flucht mit Peter Aufschnaiter aus dem britischen Internierungslager in Indien nach Lhasa, wo er zum persönlichen Berater des jungen Dalai-Lama wurde. Er nahm an zahlreichen Expeditionen teil und veröffentlichte eine Reihe von Publikationen. 1962 gelang ihm die Erstbesteigung der Carstensz-Pyramide (4.884 Meter) im Westen Neu-Guineas, des höchsten Gipfels der australischen Platte. Er gründete u.a. eine Schischule auf der Tauplitzalm, wo er auch als Hüttenwirt arbeitete. Harrer gilt bis heute als einer der Pioniere der Verbreitung der tibetischen Kultur im Westen, sowohl in Bezug auf die Rezeption des Buddhismus, wie auf die politische Lage des Landes. Die Problematik der nationalsozialistischen Vergangenheit ist wie bei anderen seiner Zeitgenossen bis heute in Diskussion. Mehrere Verfilmungen zeichnen sein Leben nach. Seit 1983 befindet sich in Hüttenberg das Heinrich-Harrer-Museum. Die Aktivitäten und Verstrickungen Vom 21. bis zum 24. Juli 1938 gelang ihm mit Anderl Heckmair, Fritz Kasparek und Ludwig Vörg die Durchsteigung der Eiger-Nordwand. Die vier erfolgreichen Kletterer wurden danach von Adolf Hitler empfangen und erhielten von ihm je ein Foto mit persönlicher Widmung. 1

Heinrich Harrers in den Nationalsozialismus wurden im Vorfeld zum Film „Sieben Jahre in Tibet“ (1997) recherchiert. Vor allem der Journalist und Autor Gerald Lehner hat sich in mehreren Artikeln und Hörfunkbeiträgen damit auseinandergesetzt. Heinrich Harrer trat im Oktober 1933 der SA im Untergrund bei, ab 1. April 1938 wurde er Mitglied der SS, ab 1. Mai Mitglied der NSDAP und war dann Sportinspektor der SS im Rang eines SS-Oberscharführers.

Alpinismus und Expeditionen in der Zeit des Nationalsozialismus Die zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts stehen im Zeichen einer beispiellosen Idealisierung des Alpinismus durch den Nationalsozialismus. Auch der Deutsche und Österreichische Alpenverein wurde trotz seiner liberalen Tradition zunehmend zum Träger deutschnationaler Ideen, die nahezu nahtlos in den Nationalsozialismus überleiteten. Trotz des Widerstandes einiger Funktionäre und Mitglieder erfolgte die Ausgrenzung von jüdischen Bergsteigerinnen und Bergsteigern teilweise schon weit vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland und Österreich. Gegen die sozialdemokratischen Naturfreunde und insbesondere gegen ausländische Vereine erfolgte eine Abschottung. Viele Funktionäre propagierten den


Bergsport in der Jugendarbeit für die Wehrkraft und Kampfbereitschaft der (männlichen) Bevölkerung. Als einziger Bergsportverein im nationalsozialistischen „Großdeutschland“ war der Alpenverein schließlich organisatorisch in das Gefüge des Staates eingebunden. Die Vereine haben sich intensiv mit ihrer Geschichte auseinandergesetzt und im Jahr 2011 das Buch „BERG HEIL! Alpenverein und Bergsteigen 1918-1945“ in Zusammenarbeit von Deutschen Alpenverein, Oesterreichischen Alpenverein und Alpenverein Südtirol herausgegeben. Bergsteigen diente als Wehrertüchtigung und ideale Inszenierungsmöglichkeit „nordischer“ Härte und Männlichkeit. Mehrere Expeditionen nach Tibet dienten aber auch ganz konkret der NS-Rassenideologie und den Kriegsvorbereitungen. So wurden zwei Expeditionen nach Tibet geschickt, um die Herkunft des „arischen Herrenmenschen“ aus dem Himalaya Hochgebirge zu belegen und um zweitens Urgetreide und besonders resistente Pferderassen zu finden. Heinrich Harrers Tibet Begeisterung lässt sich als Fortsetzung der esoterisch verbrämten, nationalsozialistischen Tibet Faszination lesen.


Texte zur Sonderausstellung Gipfelstürmen! Steirische Expeditionen zum Dach der Welt Schloss Trautenfels Universalmuseum Joanneum Kuratiert von Robert Schauer unter Mitarbeit von Matthias Aberer Gestaltung: Michi Pletz – VONNEBENAN In Kooperation mit: Schell Collection Graz Texte: Schloss Trautenfels Grafik Konzept: und Design Lichtwitz – Büro für visuelle Kommunikation Layout: Michi Pletz – VONNEBENAN


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