Museumsakademie Jahresprogramm 2022

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Jahresprogramm 2022


James Turrell, Tewlwolow Kernow, 2015 (completed 2012). Site-specific installation, Tremenheere Sculpture Gardens, Cornwall, UK, Photo: Karl Davies

Österreichs erstes Museum Das 1811 von Erzherzog Johann gegründete Universalmuseum Joanneum zählt zu den ältesten zivilgesellschaftlichen Institutionen des Landes und ist das erste öffentliche Museum Österreichs. Ursprünglich war das Joanneum als technisch-naturwissenschaftliche Lehranstalt mit Schausammlungen ausgerichtet. In den letzten 211 Jahren hat sich das Joanneum zum größten Universalmuseum Mitteleuropas entwickel: Mehr als 4,9 Millionen Sammlungsobjekte sind die Basis für ein vielfältiges Ausstellungsprogramm, das an 14 Standorten präsentiert wird, um im Sinne des Gründungsauftrags „das Lernen zu erleichtern und die Wissbegierde zu reizen“.

Impressum Herausgeber: Universalmuseum Joanneum GmbH, Mariahilferstraße 2-4, 8020 Graz Für den Inhalt verantwortlich: Museumsakademie Joanneum T +43-664/8017-9537 museumsakademie@museum-joanneum.at Layout: Teresa Mocharitsch Lektorat: Jörg Eipper-Kaiser

Änderungen oder Erweiterungen im Programm entnehmen Sie bitte unserer Website: www.museumsakademie-joanneum.at

Die Museumsakademie wird unterstützt von:


Museumsakademie Joanneum Liebe Kolleg*innen!

In den 17 Jahren ihres Bestehens ist die Museumsakademie Joanneum Zeugin wesentlicher Veränderungen geworden, die die Institution Museum und deren Verankerung in einer von Umbrüchen geprägten Medien- und Wissensgesellschaft betreffen. Nicht zuletzt angesichts fortgesetzter Krisenerfahrungen ist die Selbstbefragung der Museen heute notwendiger denn je: Was kann die Aufgabe und der Beitrag von Museen in einer Situation tiefer gesellschaftlicher Verunsicherung sein? Welche Orientierung können sie geben? Und wie können sie ein Publikum des 21. Jahrhunderts erreichen? Mit Blick auf die Relevanz unseres Tuns wollen wir dieses Jahr etwa über neue Formen der Zusammenarbeit mit Akteur*innen des gesellschaftspolitischen Diskurses nachdenken, wenn wir mögliche Synergien, aber auch Herausforderungen in einer zusehends relevanter werdenden Beziehung diskutieren: derjenigen zwischen Museum und Aktivismus. So gehen Museen gerade im Kontext dekolonialer, klimaaktivistischer oder digitaler Themen vermehrt Kooperationen mit Aktivist*innen ein. Das „Hinausgehen“ des Museums aus seinem angestammten Rahmen und das Zugehen auf ein Gegenüber diskutieren wir dieses Jahr auch in einem anderen Feld, nämlich im Kontext ländlicher Räume. Wir fragen danach, wie gerade kleine Häuser relevant für die Menschen vor Ort sein und als Foren einer neuen gesellschaftlichen Dialogkultur auftreten können. Und wir stellen uns der Frage nach der gesellschaftspolitischen Relevanz von Museen, wenn wir uns mit dem Wandel des Arbeitsbegriffs anhand von Care-Arbeit auseinandersetzen und diskutieren, wie solche Zugänge bisherige Konzepte von Arbeit in Museen hinterfragen und erweitern können. Mit dem Sammeln als einem Feld von Museumsarbeit, das zuletzt Prozesse der Öffnung und Vernetzung erfahren hat, beschäftigen wir uns diesmal im Zusammenhang mit Museen zeitgenössischer Kunst. Wir diskutieren, wie sehr es heute darum geht, jenseits der Fokussierung auf Einzelobjekte in Bezügen und Zusammenhängen zu sammeln, zu kontextuieren und zu verknüpfen. Fragen nach dem Sammeln beschäftigen uns aber auch im Kontext des Umgangs mit NS-Kunst beziehungsweise Objekten mit NS-Bezug. Mit Blick auf unterschiedliche Häuser fragen wir nach der Verantwortung, die Museen im Umgang mit der Präsenz der NS-Zeit in ihren Sammlungen zukommt. Stets bleibt die Museumsakademie dabei an neuen und neuesten Entwicklungen im Feld des Musealen interessiert. Ganz konkret fragen wir danach etwa auf unserer Exkursion nach Berlin, die uns an (neu) eröffnete museale Orte der Stadt führen und mit künftigen Vorhaben konfrontieren wird. Wir freuen uns, wenn Sie unser Programm nutzen, um sich zu involvieren und den Austausch untereinander zu suchen. Mit Blick auf die Unwägbarkeiten der Pandemie haben wir für dieses Jahr unterschiedliche Formate – online, hybrid und physisch – entwickelt. Wir wünschen Ihnen und uns, dass wir damit gut durch das Jahr navigieren und viele bereichernde, den Horizont öffnende Begegnungen erleben!

Für die Museumsakademie Karoline Boehm, Bettina Habsburg-Lothringen und Eva Tropper


Museumsakademie Joanneum

Über uns

Leiter*innen und Mitarbeiter*innen von Museen, freie Kurator*innen, Gestalter*innen und Kulturvermittler*innen, Sammlungsmitarbeiter*innen, Wissenschafter*innen und Studierende museumsnaher Fächer – sie alle möchten sich zu den Bedingungen des Museums verhalten: Sie suchen nach Antworten auf Fragen, die sich vor dem Hintergrund eines dynamischen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontextes immer wieder neu stellen und zu lösen sind. Sie wollen mehr über Gestaltungsoptionen innerhalb der Institution Museum und für das Medium Ausstellung wissen und bestehende Konzepte weiterentwickeln. Sie möchten Kolleginnen und Kollegen kennenlernen und sich austauschen, ihre Netzwerke ganz allgemein oder im Hinblick auf konkrete Projekte erweitern. Wir versuchen, all dies in unseren Workshops, Tagungen und Exkursionen zu ermöglichen und bieten mit unserer museologischen Bibliothek Raum zur Vertiefung. Museums- und ausstellungsspezifische Themen aller Art möchten wir nah an den Bedürfnissen und Arbeitswirklichkeiten der Teilnehmer*innen aufbereiten, zukunftsträchtige Projekte vorstellen, in alle Richtungen offener und einladender Umschlagplatz für den Wissenaustausch sein, mit praktischen Übungen und Experimenten inspirieren – immer mit dem Ziel, zur positiven Entwicklung des Museums beizutragen und es als gesellschaftlich relevanten Ort mit ganz spezifischen Aufgaben und Funktionen weiter zu profilieren. Diese Zielsetzung legt ein Denken über Fachgrenzen hinweg ebenso nahe wie das Agieren in einem internationalen Netzwerk und die Zusammenarbeit mit Partnerinnen und Partnern aus europäischen Museen und Universitäten, die auch jene Verknüpfung von theoretischem Reflexionswissen und Erfahrungswissen aus der Museumspraxis ermöglichen, die uns so wichtig ist.

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Team Mag. Karoline Boehm Leitungsteam Museumsakademie Dr. Bettina Habsburg-Lothringen Leitungsteam Museumsakademie Dr. Eva Tropper Leitungsteam Museumsakademie Teresa Mocharitsch, MA MA Organisation und Öffentlichkeitsarbeit

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11. März

Den Lernort Museum erweitern Digitale Formate für Schulen

Workshop

Mit der Pandemie wurde die Beziehung zwischen Museum und Publikum grundlegend auf die Probe gestellt. So auch die an sich bewährte Verbindung zu Schulen: Bildeten Museen bis dahin einen etablierten außerschulischen Lernort, waren diese plötzlich nicht mehr zugänglich. Auch andersherum entstand ein Vakuum – die sonst vergleichsweise gut erreichbare Besucher*innengruppe der Schüler*innen im Klassenverband blieb zu Hause. Hervorgegangen ist aus dieser Ausnahmesituation eine Fülle neuer digitaler Angebote, speziell auch für Schulen. Teilweise an Bestehendes und Erprobtes anknüpfend, teils gänzlich neu gedacht, entwickelten Museen digitale Lehr- und Lerntools, edukative (Online-) Games, Unterrichtsmaterialien zum Download, Apps, Podcasts und Videos, Live-Touren oder Online-Workshops für Schüler*innen und Lehrende.

Veranstaltungsleitung Antonia Nussmüller, Digitale Museumspraxis, Graz Museum, Graz (A) Karoline Boehm, Leitungsteam Museumsakademie Joanneum, Graz (A) Ort via Zoom Kosten 80 €, ermäßigt 50 €

Entlang ausgewählter Projekte möchten wir diese Entwicklung gemeinsam befragen: Welche Formate sind entstanden und was bleibt davon nach der Phase des Experimentierens? Welche Inhalte, Perspektiven und Interaktionen rücken in den Vordergrund? Gibt es hybride Lösungen und sind sie wünschenswert? Wer ist für die Konzeption digitaler Formate zuständig und wie verändert sich der Alltag der Vermittlung dabei? Welche Rollenverschiebungen zeigen sich und welche Formen des transprofessionellen Arbeitens entstehen – auch über die Institutionen Museum und Schule hinaus? Betrachtet werden konkrete digitale Formate ebenso wie die Voraussetzungen ihrer Entstehung und die veränderte Beziehungsdynamik zwischen Schüler*innen, Lehrenden und Museum.

Abbildung S. 5: Spanischer Pavillon, Biennale 2021, Foto: ImagenSubliminal (Miguel de Guzman + Rocio Romero)

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Unter Verschluss? Zum Umgang mit NS-Kunst in Museen Das Erbe des Nationalsozialismus in Museumssammlungen ist häufig unsichtbar und geht weit über das hinaus, was gemeinhin als ‚Raubkunst‘ bekannt ist. Durch Ankaufspolitik und Kunsthandel kam es während der Zeit des Nationalsozialismus in vielen Häusern zu Erweiterungen in den Sammlungsbeständen, die sich an der NS-Ideologie orientierten – darunter explizit systemkonforme Kunst, die nach 1945 oftmals in den Depots verblieb. Auch in den folgenden Jahrzehnten, und bis heute, gelangten Objekte mit NS-Bezug auf unterschiedlichen Wegen in Museumssammlungen. Dort lagern sie, oft weitgehend unbemerkt und mehr oder weniger unter Verschluss. Gut so? Der Workshop nimmt diese Frage zum Ausgangspunkt, um eine Debatte darüber anzustoßen, wie heute und in Zukunft mit solchen Beständen umgegangen werden kann. Denn es sind grundsätzliche Fragen, die sich stellen: Soll man entsammeln, im Depot belassen, Schenkungen annehmen oder ablehnen? Auf welche Weise ist die Präsentation solcher Bestände in Ausstellungen überhaupt möglich? Wie viel Kontextualisierung ist nötig und wie herausfordernd sind Fragen der Gestaltung, um eine problematische ästhetische oder emotionale Aufladung der Objekte zu vermeiden? Mit Blick auf unterschiedliche Häuser fragen wir nach der Verantwortung, die Museen im Umgang mit der Präsenz der NS-Zeit in ihren Sammlungen zukommt, und diskutieren die ethischen und gestalterischen Herausforderungen, die das Zeigen von NS-Kunst mit sich bringt.

23.-25. März

Workshop in Kooperation mit dem Wien Museum Veranstaltungsleitung Teresa Mocharitsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Universität Graz (A) Eva Tropper, Leitungsteam Museumsakademie Joanneum, Graz (A) Ort Wien (A), hybrid Kosten 190 €, ermäßigt 140 €

Abbildung S.6: Wien Museum MUSA, Auf Linie. NS-Kunstpolitik in Wien, Ausstellungsansicht, Foto: Christoph Panzer © Wien Museum

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25./26. April

Das Museum als Soundscape Möglichkeiten akustischer Ausstellungsgestaltung

Workshop

Das Museum pflegt zu Ton- und Geräuschquellen ein ambivalentes Verhältnis. Einerseits legen die klassischen Konventionen eines Museumsbesuchs leises Verhalten und ein Wahren der Stille nahe, andererseits werden gestaltete Hörerfahrungen zu einem immer wichtigeren Bestandteil von Ausstellungen. Der Einsatz von Sound im Museum reicht von durchkomponierten Klangerlebnissen, die Atmosphäre schaffen oder Orientierung geben, über das verstärkte Hörbarmachen der menschlichen Stimme bis hin zu Konzepten, die etwa den spezifischen Klang einer Stadt oder Region wahrnehmbar werden lassen. Klang, Geräusch oder Stille können dabei ebenso Thema wie auch ‚Tool‘ von Ausstellungen sein.

Veranstaltungsleitung Martina Nußbaumer, Kuratorin, Wien Museum, Wien (A) Eva Tropper, Leitungsteam Museumsakademie Joanneum, Graz (A) Ort Bern (CH) Kosten 190 €, ermäßigt 140 €

Im Workshop wollen wir das Feld der akustischen Ausstellungsgestaltung kartieren und sowohl die inhaltlich-konzeptuellen als auch die praktischen Herausforderungen diskutieren, die sich in der Arbeit mit Sound im Museum ergeben. Wie funktionieren Museumsräume in akustischer Hinsicht und was gilt es zu bedenken, wenn hörbare Elemente eingesetzt werden sollen? Welche technologischen Möglichkeiten stehen dafür zur Verfügung? Wie funktioniert die Zusammenarbeit von Sounddesigner*innen und Kurator*innen, und wer sollte sonst noch in die Planung eingebunden werden? Wie macht man klassische Soundquellen im Museum (Interviews, Film-, Radioquellen, …) gut und lustvoll hörbar und wie lenkt das jeweilige ‚Setting‘ die Hörerfahrung? Im Austausch mit Sounddesigner*innen, Kurator*innen und Ausstellungsproduzent*innen wollen wir gemeinsam diskutieren, wie Hörerlebnisse im Museum gelingen können.

Abbildung: „Beethoven‘s Trumpet“ © John Baldessari, Courtesy Estate of John Baldessari and Marian Goodman Gallery, Photo credit: Emily-Jane Kirwan

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23./24. Mai

Arbeit. Sorge. Museum Konzepte von Care-Arbeit in Ausstellungen Das Verständnis von Arbeit ist im Wandel: Nicht nur verändert sich unsere Arbeitswelt drastisch, sondern ebenso unser Blick auf sie. Auch Museen sind daran beteiligt, Vorstellungen von Arbeit mitzuprägen: Was in musealen Repräsentationen als ‚Arbeit‘ deklariert wird und welche Tätigkeiten davon ausgeschlossen bleiben, ist Teil dieses Aushandlungsprozesses. Die lange verbindliche Orientierung von Museen an bäuerlicher, handwerklicher und industrieller Arbeit wird von aktuellen Entwicklungen jedenfalls verstärkt herausgefordert. Wie also können wir zeitgemäß über die Repräsentation von Arbeit im Museum nachdenken? Und welche neuen Perspektiven können ökonomiekritische und feministische Zugänge dabei öffnen?

Workshop in Kooperation mit der DASA – Arbeitswelt Ausstellung

Davon ausgehend beschäftigen wir uns im Workshop mit aktuellen Zugängen zu einem spezifischen Feld, nämlich dem der Care-Arbeit. Unter Care-Arbeit werden Formen von Arbeit verstanden, die – prekär und/oder unbezahlt – nicht zur tradierten Vorstellung von Lohnarbeit als produktiver Tätigkeit passen. Sie reichen von versorgenden Berufen in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und in privaten Räumen bis hin zu jenen unbezahlten Care-Tätigkeiten, die zum überwiegenden Teil von Frauen übernommen werden. Eine Debatte um solche Formen von Arbeit zu führen, ist für Museen nicht nur aus gesellschaftspolitischen Gründen relevant, sondern kann Ansatzpunkt für ein Überdenken eigener Begrifflichkeiten werden. Im Workshop fragen wir, wie sich diese weitgehend unsichtbaren Formen von Arbeit eigentlich ausstellen lassen und wie Museen damit zur Plattform einer überaus aktuellen Debatte werden können.

Kosten 190 €, ermäßigt 140 €

Veranstaltungsleitung Christine Braunersreuther, Museologin und Kuratorin, Graz (A) Eva Tropper, Leitungsteam Museumsakademie Joanneum, Graz (A) Ort Dortmund (D)

Abbildung: Maj Fajfar: The Diplomat, Ausstellungsansicht HILFSLINIEN / LINIJE POMOČI, Pavelhaus/Pavlova Hiša 2020/21, Foto: David Kranzelbinder

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23./24. Juni

Aktivismus und Museum Kooperationen und Prozesse produktiver Spannung

Workshop

Mit dem Anspruch vieler Museen, sowohl ein Diskursort der Gegenwart zu sein als auch neue Akteur*innengruppen zu involvieren, gehen zusehends neue Kooperationen einher. Immer häufiger wagen sich auch große Häuser mit hegemonialer Gründungs- und Bestehens-Geschichte an Themen mit aktueller politischer Brisanz heran und treten in Austausch mit Aktivist*innen. Und auch diese scheinen in Museen sinnvolle Plattformen für ihre Anliegen zu finden. Selten jedoch geschieht dies gänzlich ohne Reibung, treffen doch oftmals sehr konträre Organisationsstrukturen, Handlungsmuster und Wissensformen aufeinander.

Veranstaltungleitung Annette Löseke, Lecturer in Creative and Cultural Industries, University of Sheffield (UK) Karoline Boehm, Leitungsteam Museumsakademie Joanneum, Graz (A) Ort Berlin (D) Kosten 190 €, ermäßigt 140 €

Abbildung: Mark Dion: ‘Collectors Collected. The Material Culture of Field Work’, 2018, as part of ‘Kunst/Natur: Artistic Interventions at the Museum für Naturkunde Berlin’ // Courtesy of the artist and Museum für Naturkunde Berlin © Hwa Ja Götz

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Doch was sind die Parameter für diese Beziehung produktiver Spannung? Mit welchen Motiven gehen die Beteiligten eine solche Kooperation ein, welche Zielsetzungen bestehen? Welche Rolle spielt das unterschiedlich situierte Wissen der Akteur*innen? Mit Blick auf aktuelle Projekte zu drei aktivistisch virulenten Feldern – Postkolonialismus, Digitalisierung und Klimapolitik – fragen wir nach den Gelingensfaktoren und Effekten aktivistisch-musealer Allianzen. Diskutiert werden sollen die Chancen und Synergien, aber auch die Risiken, die verdeckten wie offenen Konflikte sowie mögliche kollaborative Lösungsansätze.


Berlin Was gibt es Neues? Ob das schrittweise eröffnete „Humboldt Forum“, das didaktisch bemerkenswerte „Anne Frank Zentrum“, die neue Dauerausstellung und preisgekrönte Kinderwelt des „Jüdischen Museums Berlin“ oder das in seiner Entstehungsgeschichte kontrovers diskutierte „Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ – es gab in der jüngeren Berliner Vergangenheit einige (Neu-)Eröffnungen schon etablierter und neuer Institutionen, die einen Besuch lohnen. Erweitert um künftige Vorhaben wie das „Exilmuseum“ hinter der Ruine des Anhalter Bahnhofs, bereichern diese mit Zehntausenden Quadratmetern Ausstellungfläche eine sich fortwährend weiter auffächernde Museums- und Kulturlandschaft der Stadt, die sich dem Werden und Wandel des räumlich Nahen und Fernen verschrieben hat. Im Rahmen der geplanten Museumstour wollen wir in Gesprächen mit Verantwortlichen und Expert*innen der Frage nachgehen, wo sich die genannten Orte im museumshistorischen und im Kontext weiterer Einrichtungen verorten lassen. Welches institutionelle Verständnis als Museum, Forum oder Dokumentationsstätte liegt ihnen zugrunde? Welche Rolle nehmen sie in der Verhandlung aktuell relevanter gesellschaftlicher Fragestellungen ein? Wie können ihre Verantwortlichen auf den Wandel gesellschaftlicher Debatten (z. B. um Deutschlands koloniales Erbe) zeitnah und angemessen reagieren? Was bedeuten die divergierenden Erwartungshaltungen vonseiten der Politik, der Touristiker*innen, der Fachkolleg*innenschaft und schließlich der Gäste für ihr tägliches Tun? Kann es angesichts der teils sehr sensiblen zu verhandelnden Themen gelingen, gleichzeitig historischer und touristischer Ort zu sein?

24.-27. August

Exkursion Veranstaltungsleitung Dirk Rupnow, Professor am Institut für Zeitgeschichte und dzt. Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät, Universität Innsbruck (A) Bettina Habsburg-Lothringen, Leitungsteam Museumsakademie Joanneum, Graz (A) Ort Berlin (D) Kosten 250 €, ermäßigt 200 €

Abbildung: Der „Raum der Stille“, Foto: Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung/ Markus Gröteke

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19./20. September

Bildnarrationen im Raum Zeichnerische Praktiken und Comics als Tools in Ausstellungen

Workshop

Grafische Erzählungen in Form von Comics, Cartoons und Graphic Novels sind längst als Objekte im Museum angekommen – als Kunstformen und Bestandteile der Populärkultur. Relativ neu hingegen ist, dass das Zeichnen selbst als Verfahren entdeckt wird, um Ausstellungsinhalte auf eine alternative Weise zu strukturieren und zu vermitteln. Mit Text-BildKombinationen kann es gelingen, Komplexität zu reduzieren und zugleich zu erhalten. Sie signalisieren Zugänglichkeit und sind in der Lage, Zusammenhänge visuell auf den Punkt zu bringen. Zugleich bringen sie eine gerichtete, bewusst nicht ‚neutrale‘ Art der Narration in den Raum, welche die in der Regel objektzentrierte Storyline der Ausstellung ergänzt.

Veranstaltungleitung Barbara Margarethe Eggert, Institut für Kunst und Bildung, Kunstuniversität Linz (A) Eva Tropper, Leitungsteam Museumsakademie Joanneum, Graz (A) Ort Krems (A) Kosten 190 €, ermäßigt 140 €

Abbildung S. 13: Studio ASYNCHROME beim Zeichnen, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

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Der Workshop stellt die Frage, welche narrativen, didaktischen und gestalterischen Potenziale grafische Erzählungen im Raum entfalten können und welche Herausforderungen für Kuratierende, Gestalter*innen und Vermittler*innen sich dabei stellen. Inwiefern funktionieren multimodale Medien, die Text und Bild vereinen, im Raum anders als auf dem Papier? Wie gestaltet sich ihr Zusammenspiel mit anderen Textelementen bzw. Objekten im Ausstellungsraum? Wie kann über grafische Erzählungen Vielstimmigkeit erzeugt werden und wie verorten sie sich zwischen Faktizität und Fiktion? Gemeinsam wollen wir diskutieren und experimentell erproben, welche Themen sich für eine zeichnerische Umsetzung in Ausstellungen besonders eignen.



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In Beziehung sammeln Alternative Sammlungen in Institutionen zeitgenössischer Kunst Die Frage nach dem Sammeln rückt zusehends neu in den Fokus – auch in Museen zeitgenössischer Kunst. Deren Neuausrichtung im Sinn von Orten, an denen eine Reflexion gegenwärtiger und zukünftiger gesellschaftlicher Herausforderungen möglich ist, öffnet auch alternative Potenziale für die Praxis des Sammelns als zentralen Aspekt musealen Tuns. Dabei scheint das ‚Vernetzen‘ als Paradigma von Sammlungsstrukturen verstärkt an die Stelle des Ordnens zu treten. Statt des lange etablierten Fokus auf Einzelobjekte geht es heute immer mehr darum, Sammlungen in Bezügen und Beziehungen zu denken. Dabei stellen sich eine Reihe von Fragen. Welche anderen Zusammenhänge und Kontexte sollte man gegebenenfalls mitsammeln? Wie lassen sich historische Rezeptionsweisen, politische Kontexte oder diskursive Verflechtungen zugänglich und sichtbar, vor allem aber weiterhin erfahrbar machen? Welcher Umgang lässt sich mit veränderten Kunstpraxen finden, etwa mit performativen, ephemeren, partizipativen oder kollaborativen Ansätzen, die sich nicht einfach ‚als Objekte‘ sammeln lassen, sondern anderer Zugänge der Diskursivierung und Aktualisierung bedürfen? Wie ist das Verhältnis von digitalen ebenso wie analogen Museumssammlungen zu anderen wissensproduzierenden Speichern wie etwa Archiven und Bibliotheken, wo lassen sich Synergien finden? Und inwiefern müssen wir in Zeiten überbordender Lagerbestände und Fragen der Ressourcenschonung auch neu über unsere diesbezügliche Verantwortung im Umgang mit Sammlungen nachdenken?

20./21. Oktober

Workshop in Kooperation mit dem Kunsthaus Graz Veranstaltungsleitung Katrin Bucher Trantow, Interimistische Direktorin, Chefkuratorin, Kunsthaus Graz (A) Eva Tropper, Leitungsteam Museumsakademie Joanneum, Graz (A) Ort Graz (A), hybrid Kosten 190 €, ermäßigt 140 €

‚In Beziehung‘ zu sammeln, erscheint dabei anschlussfähig in unterschiedliche Richtungen, nicht zuletzt in diejenige einer neuen Kultur der sozialen Teilhabe an Sammlungen. Wir diskutieren Öffnung und Vernetzung als zentrale Parameter eines veränderten Umgangs mit Sammlungen und tauschen uns über innovative Zugänge im Feld des Sammelns zeitgenössischer Kunst aus.

Abbildung S. 14: Haegue Yang, „VIP’s Union“, 2017 (Detail), Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

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01./02. Dezember

Relevant sein vor Ort Museen auf dem Land als soziale Räume

Workshop in Kooperation mit dem Lechmuseum

Der ländliche Raum war und ist geprägt von unterschiedlichen Zuschreibungen. Gerade aus einer städtischen Perspektive ist ‚das Land‘ Gegenstand von Projektionen: vom idyllischen Sehnsuchtsort auf der einen Seite bis hin zu Vorstellungen von Rückständigkeit oder Strukturschwäche auf der anderen. Doch die einst scharf empfundene Trennlinie zwischen ‚städtischen‘ und ‚ländlichen‘ Lebensstilen scheint sich angesichts einer immer mobileren, medial vernetzten Welt zusehends aufzulösen. Überkommene Zuschreibungen – aber auch traditionalisierende Selbstbilder im Sinn kulturell homogener Gemeinschaften – bilden Lebenswirklichkeiten auf dem Land keineswegs ab.

Veranstaltungsleitung Thomas Felfer, freischaffender Kulturwissenschaftler und Museologe, Unzmarkt (A) Eva Tropper, Leitungsteam Museumsakademie Joanneum, Graz (A) Ort Lech am Arlberg (A), hybrid Kosten 190 €, ermäßigt 140 €

Abbildung: Kunstprojekt in Lech Zürs in Vorarlberg © Lech Zürs Tourismus GmbH

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Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, welche Rolle Museen im ländlichen Raum heute eigentlich spielen können. Wie kann es gelingen, Menschen in ihrer konkreten Realität vor Ort zu erreichen und relevant für sie zu sein? Wie können Museen – anknüpfend an ihre meist aus dem 19. Jahrhundert ererbten Bestände – zu sozialen Räumen werden, in denen neue Formen des Austauschs gelingen und neue Selbstverständnisse ausgehandelt werden? Welche Formen der Vermittlung und des ‚Hinausgehens‘ des Museums aus seinem angestammten Rahmen sind dabei möglich? Der Workshop versammelt innovative Beispiele aus unterschiedlichen Regionen und diskutiert die Frage, welche inhaltlichen und sozialen Potenziale Museumsarbeit auf dem Land – auch angesichts begrenzter Ressourcen und Teams – entfalten kann.


In-Residence-Programm der Museumsakademie

Die Museumsakademie Joanneum bietet für Wissenschafter*innen und Künstler*innen, die sich mit museologischen und museumshistorischen Fragen beschäftigen, einen mehrwöchigen Forschungsaufenthalt am Universalmuseum Joanneum in Graz an. Mit seiner mehr als 210-jährigen Geschichte und mehr als 4,9 Mio. Sammlungsobjekten an 14 Standorten bietet das Universalmuseum Joanneum beste Voraussetzungen für die museologische und künstlerische Befassung mit dem Museum in all seinen Facetten: der Geschichte und den gesellschaftlichen Funktionen der Institution, den Sammlungen, der Museumsarchitektur, dem historischen und zeitgenössischen Ausstellungswesen, allen Formen der Vermittlung oder dem Museum als Betrieb. Ein direkter inhaltlicher Bezug des Forschungs- bzw. Arbeitsvorhabens zum Universalmuseum Joanneum ist dabei durchaus erwünscht, jedoch nicht zwingende Voraussetzung für die Zuerkennung einer Förderung. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Website.

Abbildung: MAK-Ausstellungsansicht, MAK GALERIE, 2014, ANGEWANDTE KUNST. HEUTE. Valentin Ruhry. Grand Central, Installation (Tische, Pressspanplatten, Objekte, Aluminium gebürstet) © MAK/Georg Mayer

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11. März

24.-27. August

Workshop Den Lernort Museum erweitern. Digitale Formate für Schulen via Zoom

Exkursion Berlin. Was gibt es Neues? Berlin (D)

23.-25. März

19./20. September

Workshop Unter Verschluss? Zum Umgang mit NS-Kunst in Museen Wien (A), hybrid

Workshop Bildnarrationen im Raum. Zeichnerische Praktiken und Comics als Tools in Ausstellungen Krems (A)

25./26. April

20./21. Oktober

Workshop Das Museum als Soundscape. Möglichkeiten akustischer Ausstellungsgestaltung Bern (CH)

Workshop In Beziehung sammeln. Alternative Sammlungen in Institutionen zeitgenössischer Kunst Graz (A), hybrid

23./24. Mai

01./02. Dezember

Workshop Arbeit. Sorge. Museum. Konzepte von Care-Arbeit in Ausstellungen Dortmund (D)

Workshop Relevant sein vor Ort. Museen auf dem Land als soziale Räume Lech am Arlberg (A), hybrid

23./24. Juni Workshop Aktivismus und Museum. Kooperationen und Prozesse produktiver Spannung Berlin (D)

Kontakt und Anmeldung Universalmuseum Joanneum Museumsakademie Mariahilferstraße 2-4 | 8020 Graz Tel +43-664|8017 9537 museumsakademie@museum-joanneum.at www.museumsakademie-joanneum.at Die Anmeldung zu einer Veranstaltung richten Sie bitte schriftlich unter Angabe von Name und Adresse (und eventuell abweichender Rechnungsadresse) per E-Mail an die Museumsakademie. Die Ermäßigung gilt als Vollpreis für Online-Teilnehmer*innen sowie für Studierende, Volontär*innen, Arbeitsuchende und Mitarbeiter*innen von Kooperationspartner*innen des laufenden Jahres.


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