Kunstraum Steiermark 2020

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Neue Galerie Graz

Kunstraum Steiermark 2020 Stipendiat*innen des Landes Steiermark 23. 12. 2020 – 28. 02. 2021

Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum Joanneumsviertel, 8010 Graz T +43–316/8017-9100, Dienstag–Sonntag, 10–17 Uhr joanneumsviertel@museum-joanneum.at, www.neuegaleriegraz.at



Inhalt

4 Christopher Drexler: Vorwort 6 Peter Peer: Einleitung Stipendiat*innen 8 10 12 14 16 18 20 22 24

Elke Auer Veronika Eberhart Nigel Gavus E.d Gfrerer Christoph Grill Mira Klug Nora Kรถhler Zita Oberwalder Eva Schlรถgl

27 Stipendien des Landes Steiermark 2020 28 Impressum


Vorwort

© Toni Muhr

Kunstraum Steiermark. Ein Titel, der mit zwei Worten die Kulturlandschaft der Steiermark so treffend beschreibt wie kaum ein zweiter. Denn die Steiermark ist ein Raum voller kultureller Vielfalt, Breite und Unterschiedlichkeit. Ein Raum, in dem sich künstlerische Tätigkeiten von arrivierten als auch von jungen, aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern in all ihren Facetten wiederfinden lassen. Die Präsentation Kunstraum Steiermark hat sich bereits als Ausstellungsfixpunkt im studio der Neuen Galerie Graz etabliert. Diese Ausstellung zeigt jene Künstlerinnen und Künstler, die aktuell an den umfangreichen Atelier- und Stipendienprogrammen des Landes Steiermark teilnehmen. Ein Programm, das es den steirischen Kunstschaffenden ermöglicht, entweder in der Steiermark durch den Aufbau eines Ateliers sowohl in der Kunstszene als auch in der Öffentlichkeit Fuß zu fassen oder als AtelierAuslandsstipendiatinnen und -stipendiaten international unterwegs zu sein, um neue Impulse und Erfahrungen zu sammeln, sich zu vernetzen und künstlerisch zu präsentieren. Das Ausnahmejahr 2020 hat insbesondere Kunst und Kultur und jene, die in diesem Bereich tätig sind, vor besondere Herausforderungen gestellt. So auch unsere steirischen Künstlerinnen und Künstler, die die Corona-Pandemie im geplanten internationalen Austausch eingeschränkt oder die Reise in den meisten Fällen gar verhindert hat. Das heurige Ausnahmejahr war von einem pandemiebedingten „Cocooning“ dominiert, was aber nur einmal deutlicher unterstreicht, wie wichtig der internationale Austausch, das Kennenlernen andere­r Kulturen und das Reisen ist. Damit gerade unter diesen schwierigen Bedingungen eine größere Anzahl an Künstlerinnen und Künstlern ihrer Arbeit unter bestmöglichen Bedingungen nachgehen kann, haben wir vonseiten des Kulturressorts die Kunstraum Steiermark-Stipendien für den Zeitraum 2021/2022 von zehn auf zwanzig verdoppelt und die Auslandsaufenthalte, die im Jahr 2020 nicht stattfinden konnten, auf das Jahr 2021 verschoben.

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Kunst und Kultur stellt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt eine conditio sine qua non dar, die auf lange Sicht gesehen natürlich auch vom Publikum lebt. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie groß die Sehnsucht der Menschen ist, Kunst und Kultur live und unmittelbar zu erleben. Auch wenn das Jahr 2020 viele­s verhindert hat, war es eine umso größere Freude, dass die Werke einiger Stipendiatinnen und Stipendiaten im Rahmen der prestigeträchtigen Kunstmesse viennacontemporary präsentiert werden konnten und nun auch die Ausstellung im studio der Neuen Galerie Graz möglich ist. Abschließend möchte ich mich sehr herzlich bei der Abteilung 9 Kultur, Europa, Sport bedanken, die die Atelier- und Stipendienprogramme inhaltlich betreut und administriert. Weiters danke ich dem Team der Neuen Galerie Graz, insbesondere Peter Peer, Günther Holler-Schuster und Petra Hammer-Maier, die das Zustandekommen der Ausstellung in bewährter Weise verantworten.

Christopher Drexler Landesrat für Kultur, Europa, Sport und Personal

Die Jury: Daniela Bartens Siegmar Brecher Veronika Hauer Marta Navaridas Olga Okunev Heidrun Primas Genoveva Rückert-Sommerauer

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Einleitung Die Steiermark kann sich glücklich schätzen, eine gleichermaßen vielschichtige wie qualitätsvolle Kunstszene zu beherbergen, welche seit jeher auch für die öffentlichen Kulturinstitutionen in unserem Bundesland einen großen Stellenwert besitzt. So setzt die Neue Galerie Graz mit der Durchführung des Förderungspreises des Landes Steiermark für zeitgenössische bildende Kunst, der studio-Reihe oder durch regelmäßige Kunstankäufe schon seit Jahrzehnten kontinuierlich Schwerpunkte im zeitgenössischen Kunstschaffen. Gerade für jüngere Künstler*innen, die am Beginn ihrer Laufbahn stehen, spielt das Museum eine wichtige Vermittlerrolle gegenüber dem Publikum bzw. der kunstinteressierten Öffentlichkeit. Das Museum als öffentlicher institutioneller Raum ist zudem der Ort, wo sich künstlerische Konzepte und Ideen abseits des Kunstmarktes frei entwickeln können. Die Ausstellung Kunstraum Steiermark, welche die Arbeiten steirischer Teilnehmer*innen der unterschiedlichen Atelierprogramme und Auslandsstipendien des Kulturressorts präsentiert, ist ein weiterer wichtiger Mosaikstein, der nicht nur als Support der regionalen Szene fungiert, sondern auch das vielseitige Bild des heimischen Kunstschaffens ergänzt und im Rahmen dieser Ausstellung den Stipendienzeitraum 2019/20 beleuchtet. Die Ausstellung dieses Jahres steht im Zeichen der globalen Corona-Pandemie, die angesichts der notwendig gewordenen Restriktionen im Bereich persönlicher Kontakte bis hin zu massiven Einschränkungen im Reiseverkehr auch den Künstler*innen einige Hürden in Bezug auf die Realisierung ihrer Projekte auferlegt hat. So war heuer für einige unter ihnen die Wahrnehmung ihres Auslandsstipendiums und somit die Möglichkeit des internationalen Austauschs vor Ort nicht möglich. Aber gerade die aktuelle Situation bot für einige Künstler*innen einmal mehr den Anreiz einer kritischen Hinterfragung gängiger Vorstellungen, Systeme und Lebensmodelle, die spätestens seit der Finanzkrise und dem drohenden Menetekel des Klimawandels auf vielen Ebenen intensiv diskutiert werden. Generell demonstriert diese Schau erneut die Vielfalt und Kreativität der heimischen Kunstszene, welche u. a. Arbeiten aus den Bereichen Skulptur, Film, Fotografie und Grafik präsentiert.

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Für das Zustandekommen dieser Schau und die reibungslose Zusammenarbeit danke ich sehr herzlich Christiane Kada, welche das Projekt in der Abteilung 9 Kultur, Europa, Sport des Landes Steiermark leitet, sowie Günther HollerSchuster und Petra Hammer-Maier für die Kuratierung des Projektes. Weiters danke ich den Mitarbeiter*innen des Universalmuseums Joanneum sehr herzlich: Milena Dimitrova für die Registratur, Karin Buol-Wischenau für die Erstellung des Kataloges, Robert Bodlos und dem Team der Zentralwerkstatt für den Ausstellungsaufbau sowie allen hier namentlich nicht genannten Mitarbeiter*innen unseres großen Hauses für ihren unermüdlichen Einsatz. Den Künstler*innen dieser Ausstellung spreche ich meinen Dank für ihre nicht wertvoll genug einzuschätzende Rolle als Botschafter*innen einer kräftigen Kunstszene weit über die Grenzen der Steiermark hinaus aus und wünsche ihnen alles Gute für ihren weiteren Werdegang. Peter Peer

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Elke Auer

Atelier-Auslandsstipendium des Landes Steiermark: Athen, Griechenland

© Felipe Campos

LEAKING VESSELS Or the Fear of Feminine-Sounding Voices, 2020 4 gebrannte Tongefäße mit Löchern 6 Zeichnungen, Bleistift, Buntstift und Ölpastell auf Papier, 21 × 29 cm, 1 gravierter Stein, ca. 20 × 13 cm 1 Video, HD, Farbe, Ton, 7:07 min

„Putting a door on the female mouth has been an important project of patriarchal culture from antiquity to present day. Its chief tactic is an ideological association of female sound with monstrosity, disorder and death.“ Anne Carson „Feminist killjoys tend to spill all over the place. What a spillage. Feminist killjoys: a leaky container. And so: Be careful, we leak.“ Sara Ahmed Das Projekt LEAKING VESSELS, Or the Fear of Feminine-Sounding Voices entstand aus dem Wunsch zu verstehen, was es bedeutet, eine weiblich klingende Stimme in der Welt zu sein. Ich ging dabei von einem Text von Anne Carson mit dem Titel The Gender of Sound aus, in dem es um die Monstrosität weiblicher Stimmen in der griechischen Mythologie geht, und um Bilder von Frauen als undichte Gefäße, nass, instabil und unfähig, sich selbst einzudämmen, die in der gesamten griechischen Literatur immer wieder auftauchen – im Gegensatz zur trockenen Stabilität und verbalen Kontinenz der Männer und der männlichen Tugend Sophrosyne. Aber ein getrocknetes Tongefäß, gefüllt mit Wasser, wird schnell wieder zu nassem, weichem, formbarem Dreck. Eine Lektion im Rückgängigmachen starrer Formen. Ich begann daher, happy leaking vessels zu bauen. 8


© Daniel Hafner

Die während meiner Residency in Athen entstandenen Gefäße sind inspiriert von antiken Gefäßen, die ich in den Museen gesehen habe, und von zwei Bildern aus Heide Göttner-Abendroths Buch Geschichte matriarchalischer Gesellschaften und Entstehung des Patriarchats. Eines mit drei­ dimensional aus der Wand kommenden Brüsten stammt aus einem neolithischen Durchgangsgrab in Kergüntuil in der Bretagne. Das andere zeigt sogenannte Pédras Marmúradas, neolithische Ahninnensteine auf Sardinien. Den Stein habe ich auf einem kleinen Hügel in Athen, auf dem einmal ein der Artemis geweihter Tempel stand, gefunden und das griechische Wort [ΣΤ]ΟΡΓΗ eingraviert. [ΣΤ]ΟΡΓΗ, also [ST] ORGI, ist ein Spiel mit dem griechischen Wort für Wut (ORGI), welches in dem Wort für Zuneigung (STORGI) zu finden ist. Griechische Feminist*innen schreiben sich das Wort im Wort auf ihre Fahnen. Artemis, der Göttin der Jagd, des Waldes, des Mondes und Hüterin der Frauen und Kinder, wird immer wieder ein Wutproblem nachgesagt und das hat mich an Audre Lorde und ihre Aufforderung, unsere Wut nicht zu fürchten, sondern produktiv zu nutzen, erinnert. * 1980 in Graz, studierte an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Seit ihrem Abschluss 2005 arbeitet sie als freischaffende Künstlerin in zumeist selbstorganisierten kollaborativen Zusammenhängen in der bildenden Kunst sowie als Videokünstlerin und Bühnenbildnerin am Theater. Sie lebt in Wien. 9


Veronika Eberhart

Artist-in-Europe-Stipendium des Landes Steiermark: Brüssel, Belgien

© Veronika Eberhart

Untitled, 2020 16-mm-Film, übertragen auf HD, Farbe, 3:10 min Tool (one, two, three), 2020 Buchenholz, Kupfer, Lack, geölt, variable Maße

„I am less interested now in the resistance of the object than in the persistence of things.“ Fred Moten1 Die Installation zeigt Rückstände von Handwerksarbeit einerseits in den Objekten Tool (one, two, three), andererseits tauchen sie auch assoziativ in dem parallel dazu präsentierten 16-mm-Film Untitled auf. Drei Holzzwingen aus einer stillgelegten Werkstatt hängen geschliffen, lackiert und geölt an einer Wand. Die Spannung dieser Zwingen, die üblicherweise unterschiedliche Einzelteile fest zusammenhält, hat sich auf die kupfernen Abstandhalter verlagert, die zugleich warmes Licht zwischen Holz und Wand reflektieren. Der Film wiederum fängt die Reflexionen des Kupfers auf, welches in Sarajewo, der osmanisch geprägten Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina, traditionell zur Herstellung von Kaffeeservice benutzt wird. Eine Metapher für ein aussterbendes Handwerk zwischen Tradition und Gegenwart. 1 Zit. n.: André Lepecki, „Moving as some thing (or, some things want to run)“, in: ders., Singularities: Dance in the Age of Performance, Abingdon: Routledge, 2016, S. 30.

Veronika Eberhart (* 1982) lebt und arbeitet als bildende Künstlerin in Wien und in der Steiermark. Sie studierte Soziologie und Gender Studies an den Universitäten Wien und Kopenhagen sowie an der Akademie der bildenden Künste Wien. Die medial vielfältigen Arbeiten von Veronika Eberhart zeichnen sich einerseits durch hohe Musikalität aus, andererseits verhandeln sie konzeptuelle Fragestellungen mit der Sensibilität künstlerischer Praxen feministischer Positionen. In ihrem transdisziplinären Ansatz, der Video, Sound, Performance oder skulpturale Installationen vereint, geht sie häufig von theoretischen und historischen Recherchen aus und sucht nach formalen Übersetzungen derselben. Zuletzt präsentierte sie Einzelausstellungen bei Bazament Art Space, Tirana (2018), New Jörg, Wien (2019), in der Neuen Galerie Graz, studio (2017) und war in Gruppenausstellungen zu sehen, u. a. Mackey Garage Top, MAK Center Los Angeles (2020), Kunsthalle Wien (2019), Kharkiv Municipa­l Gallery (2019), Kunsthalle Exnergasse, Wien (2018), < rotor >, Graz (2018), A-GALLERY, Tokyo (2017). 2017 wurde Eberhart mit dem Theodor-Körner-Preis für bildende Kunst ausgezeichnet, 2019 erhielt sie das Schindler Stipendium am MAK Center for Art and Architecture in Los Angeles. 2020 ist sie Artist-in-Residence im WIELS Contemporary Art Centre, Brüssel. www.veronikaeberhart.com 10


Untitled, Filmstills, 2020

Tools (one, two, three), 2020 (Detail) 11


Nigel Gavus

Film-Auslandsstipendium des Landes Steiermark: Tirana, Albanien

Letters from a Window, 2020 35-mm-Film, übertragen auf Video, S/W, Ton, 4:30 min Zusammenarbeit mit Ilkin Beste Cirak trash heart, 2020 C-Print, 40 × 50 cm fractal dimension, 2020 Collage, 24 × 30 cm atoms #01, 2020 Typewriter poem, 24 × 30 cm

© Florian Pochlatko

Wasabi, Ibiza & Salinen Gold, 2020 C-Print, 50 × 50 cm Die Frage bleibt offen, 2020 Collage/C-Print, 40 × 40 cm Persona #04, 2020 Collage, 25 × 25 cm

Das Jahr 2020 steckt voller böser Überraschungen. Angefangen bei den globalen Waldbränden über den Klimawandel bis zur noch immer andauernden Corona-Krise. Damit hätte im Jahr davor wohl niemand gerechnet. Der erste landesweite Lockdown war dann ausschlaggebend für die filmische Kollaboration Letters from a Window, ein experimenteller Kurzfilm, welcher in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Ilkin Beste Cirak im Frühjahr entstanden ist. Der Film besteht aus analogen 35-mm-Fotografien, montiert mit einer Tonspur aus sich wechselnden Geräuschwelten einer Stadt und den Gedanken einer jungen Frau, die im Drama ihrer Erinnerung gefangen ist. Ihr Versuch besteht darin, die mit Covid-19 aufgetretene Situation zu überwinden. Etwas hat sie vom Leben getrennt und sie muss es mit allen Mitteln zurückbekommen. Nichts kann sie aufhalten in der Hoffnung, ihre Gefühle in die sinnliche Form eines Briefes zu bringen. Durch den Zustand der Entfremdung vom Leben führt ihr Weg zurück in die Natur, um dort am Ende der filmischen Reise ihren Brief zu übermitteln. Ein Film als Diskussion über sich verändernde Aspekte des menschlichen Verhaltens unter dem Druck der gegenwärtigen Umstrukturierung von Gesellschaft und Umwelt. Weiters zeigt der Künstler fotografische Arbeiten, die sich mit der Wahrnehmung von Raum und Zeit bzw. dem Unbewussten in der menschlichen Psyche beschäftigen. Dafür bedient er sich unterschiedlicher Medien und setzt den Fokus auf die Synchronisierung von Zufall sowie von flüchtigen Momenten. Das Ziel ist es, unsichtbare Themen in eine visuelle Sprache zu überführen und zu hinterfragen, welche Rolle visuelle Codes in unserer Gesellschaft spielen. 12


Die Frage bleibt offen, 2020

Letters from a Window, Filmstills, 2020

Persona #04, 2020

* 1992 in Graz, ist als Filmemacher und bildender Künstler tätig. Er besuchte die Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film und studiert derzeit an der Akademie der bildenden Künste Wien. In seiner Arbeit beschäftigt sich Gavus mit Zeit, Erinnerung, Identität und der Beziehung zwischen Poesie und Kino. Den poetischen Film versteht er als eine sichtbare Form für etwas Unsichtbares, nämlich das Gefühl oder die Emotion einer Situation. Es geht in gewissem Sinn um seine Qualitäten und seine Tiefe – nicht darum, was geschieht, sondern darum, wie sich etwas anfühlt oder was es bedeutet. In seinem Schaffen widmet sich Nigel Gavus in erster Linie dem analogen Film, da er die Qualität, das Korn und die Tiefe wertschätzt. Auch die Begrenztheit des Materials spielt eine große Rolle für seine Arbeitsweise. Seine Faszination für Film und Videokunst beschränkt sich nicht auf konventionelle Narrationsformen, sondern erkennt bewusst die Möglichkeiten des experimentellen Films und versucht damit neue, noch unbekannte Gegenden zu erforschen. 13


E.d Gfrerer

Atelier-Auslandsstipendium des Landes Steiermark: Rijeka, Kroatien

MOLO LONGO, 2020 installation, dreiteilig materialien: hartfaserstreifen, akustikschaumgummi, netz, gurte, drähte, schnüre, mikrowellenkarton, holzleisten, bleiblech, sitzmöbel aus dem foyer zwischenstation: unterdeck/foyer joanneum/graz ein schwebebalken: geschichtet, verdichtet – gelagerte horizonte hängende umrisse: gegen die schwerkraft des versinkens im labilen gleichgewicht gehalten, geborgen aus vergangenem zeichnerisches treibgut am schirm im frühling dann rijeka: auf meeresniveau – MOLO LONGO zum projekt: gedanklicher ausgangspunkt: der hafen von rijeka und das schiff GALEB (moeve), die ehemalige staatsjacht titos an ihrer letzten ankerstelle. dieses schiff steht im scharfen kontrast zum scheitern jugoslawiens. von amerikanischen fliegerbomben glücklicherweise in ufernähe versenkt, konnte es gehoben und zum ort glanzvoller ausfahrten und auftritte werden – das erste mal 1953 nordwestwärts die themse hinauf in das herz von london. viele weitere folgten. diese wiederherstellung ist nach den blutigen kriegen um das erbe titos für die nationalzersplitterten nachfolgestaaten jugoslawiens, die meisten außerhalb der EU, noch nicht vorstellbar. erste modellbildung: gedankliche aneignung des bugs - dislozierter nachbau an land, möglicherweise in kleinteiliger, gemauerter umgebung – visur für neues. die GALEB wird nie mehr auslaufen. * 1958 in paternion/kärnten. von 1985 bis 1991 studium der architektur in graz. zahlreiche wettbewerbe, ausstellungen, stipendien

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Christoph Grill

Atelier-Auslandsstipendium des Landes Steiermark: Jerusalem, Israel

M. Goldgruber / © Bildrecht, Wien, 2020

Incomplete Blackening, aus der Serie Blackenings, 2020 Archival Ink Print, kaschiert, gerahmt, 151 × 182 cm

* 1965 in Österreich Lebt und arbeitet als Fotograf und Archäozoologe in Graz Ausstellungen (Auswahl): 2020: Transmission, Galerie Schnitzler & Lindsberger, Menschliche Landschaften, Galerie Schnitzler & Lindsberger, Graz; 2019: I Do Not Feel Free to Do What I Want, Kharkiv Municipa­l Gallery, Real Magic, Forum Stadtpark, Graz; 2018: Routinised Absurdity, KINDL – Centre for Contemporary Art, Berlin; 2017: SilvrettAtelier Montafon, Künstlerhaus Palais Thurn & Taxis, Bregenz, Natur und Abbild, Galerie Schnitzler & Lindsberger, Graz; 2014: The Poetry of the Asynchronous in the Middle of Somewhere, Österreichisches Kulturforum Prag (Solo); 2013: L’Estuaire de l’impressionisme, Point de Vue, Deauville (Solo); 2012: Elsewhere, < rotor >, Graz; 2011: Short Stalks at Distant Shores, Leica Galerie Salzburg (Solo), Extrem, Kunstraum Nieder­österreich, Wien; 2010: Above and Beyond, Forum Stadtpark, Graz; 2008: WOSTOK, Month of Photography, Ausstellungsraum Gerhart Scholz, Wien; 2007: You Are Here, Camera Austria, Graz. Veröffentlichungen (Auswahl): 2015: gefühlte provinz – fotografie im forum stadtpark, Verlag Forum Stadtpark, Graz, Parnass 1/2015, 66; 2012: Short Stalks at Distant Shores – Imaging Post-Soviet Space, Hatje Cantz Publ.; 2010: Above and Beyond, Camera Austria 111: 87 f. Sammlungen: Neue Galerie Graz, UMJ; La Collection photographique de la Ville de Deauville; Kunstsammlung des Landes Vorarlberg, Bregenz. Stipendien (Auswahl): 2020: Auslandsstipendium des Landes Steiermark, Jerusalem; 2016: Staatsstipendium für Fotografie, BKA; 2011: Auslandsstipendium für künstlerische Fotografie des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, Cité des Arts, Paris; 2010: Auslands­ stipendium des Landes Steiermark, Wladiwostok. www.christophgrill.com 16


C. Grill / © Bildrecht, Wien, 2020

Incomplete Blackening aus der Serie Blackenings Ein Filmfragment aus einer russischen Militärbasis, die kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion aufgegeben und nach Abzug der Soldaten sich selbst überlassen wurde. Viele der über die Jahre morsch gewordenen Holzbaracken sind in sich zusammengesunken und fast vollständig unter dem üppigen Grün krautiger Stauden verborgen. Die äußerlich weitgehend intakten, aus Betonquadern errichteten Kasernen- und Wohnblöcke sind vollständig geräumt, Fenster samt Rahmen sowie alle Leitungen aus den Verankerungen und Wänden gerissen. Das weitläufige Gelände ist von einem dichten, rasterförmig angelegten und mit langen Kurven versehenen Straße­n- und Wegenetz durchzogen, das sämtliche Gebäudekomplexe miteinander und diese wiederum mit dem dazugehörenden, unmittelbar angrenzenden Militärflughafen, seinen Pisten, Hangars und Kontrollgebäuden verbindet. Das auf diese Weise in eine Vielzahl vielgestaltiger Rechtecke und Halbkreise zerteilte Areal erweckt den Eindruck lückenlos zu einem vollendeten Ganzen zusammengefügter Bausteine. In ihnen wuchert undurchdringliches Gesträuch, nur wenige durch das Dickicht geschlagene Pfade führen zu den Eingängen, erlauben das Betreten der Häuser. Das Flugfeld dient nunmehr dem Betrieb von Sportflugzeugen, in einigen besser erhaltenen Gebäuden haben diverse Firmen Quartier bezogen. 17


Mira Klug

Film-Auslandsstipendium des Landes Steiermark: Tirana, Albanien

Drei Zustände, Circum Stances A. Zerfahren, 4 min, Loop, Video mit Ton, 2020 B. Vereinnahmt, 5:37 min, Loop, Video mit Ton, 2020 C. Besetzt, 3:20 min, Loop, Video mit Ton, 2020

Wie verändert sich die Bedeutung und Tragweite einer Bewegung, wenn sie von einem Einzelnen, einer Dreierkonstellation oder einem ganzen Gruppengefüge ausgeführt wird? In der dreiteiligen Videoarbeit Drei Zustände, Circum Stances wird dieser Wandel einer repetitiven Bewegung in Form und Konsequenz ersichtlich. Teil A.: Zerfahren Ein Kreisverkehr ist aus der Vogelperspektive zu sehen. Ein grünes Auto fährt in den Kreisverkehr, doch anstatt ihn bei einer Abzweigung zu verlassen, kreist das Auto unermüdlich weiter. Zwischen den schnell passierenden Autos fällt das grüne Auto, scheinbar absurd und orientierungslos, aus dem vorbestimmten Verkehrsfluss des Kreisverkehrs. Teil B.: Vereinnahmt Ein weiterer Kreisverkehr wird aus der Vogelperspektive abgebildet. Das grüne Auto fährt in den Kreisverkehr, zwei weitere Autos folgen. In einem gleichmäßigen Abstand formieren sie sich und umkreisen den Verteiler. Durch den gemeinsamen Bewegungsablauf bilden die Autos eine Choreografie. Wo in Teil A Ratlosigkeit im Vordergrund stand, wird die Bewegung nun zu einer bestimmten Neuordnung. Ohne den regulären Verkehr zu behindern, findet simultan ein alternativer Bewegungsablauf neben dem vorbestimmten Verkehrsfluss statt. Teil C.: Besetzt Abermals wird ein Kreisverkehr aus der nunmehr gewohnten Perspektive gezeigt. Das grüne Auto fährt in den Kreisverkehr, fünf weitere Autos folgen. Langsam umkreisen die sechs Fahrzeuge den nun vollends verschlossenen Kreisverkehr. Die Formation der Autos verhindert das Eindringen oder Weiterkommen von Außenstehenden und bildet durch ihre Unzugänglichkeit einen Stau und Stillstand. * 1992 in Graz, lebt und arbeitet in Wien, Studium an der Universität für angewandte Kunst (Fotografie bei Gabriele Rothemann), 2020 Diplom. 18


Zerfahren, Filmstill, 2020

Vereinnahmt, Filmstill, 2020

Besetzt, Filmstill, 2020 19


Nora Köhler

Atelier-Auslandsstipendium des Landes Steiermark: Sarajevo, Bosnien und Herzegowina

STURZPLATZ – Das Leben ist eine Deponie, 2019 Videoperformance, Farbe, Ton, 21:49 min Konzept und Performance: Nora Köhler, Susanne Schlögl Kamera: Albert Unterberger

Sturzplatz – Das Leben ist eine Deponie ist das Projekt, das Nora Köhler und Susanne Schlögl im Rahmen des Artist-in-Residence-Stipendiums in Sarajevo umsetzen wollen. Leider musste der Aufenthalt coronabedingt auf 2021 verschoben werden. Die beiden Künstlerinnen arbeiten aber, seit die Idee geboren wurde, in Form von Videoperformances zum Thema und schreiben kontinuierlich an dem dazugehörigen Manifest. Der Sturzplatz steht als Sinnbild für den Ort, an dem man Ungewolltes zurücklässt. Das Projekt beschäftigt sich mit einer jungen Generation, die sich von allem trennt, was keinen Nutzen mehr verspricht. Zu oft Geklebtes, Kaputtes, Möbel, Maschinen, Altmetall, Beziehungen. Im gezeigten Video setzen sich die beiden Künstlerinnen mit dem Prozess des Trennens auseinander. Das eigentliche Vorhaben, ein Ledersofa mit einer Flex in zwei Teile zu trennen, endete in einem einstündigen ermüdenden Akt. Es gibt keinen klaren Schnitt, sondern einen langen, anstrengenden Prozess, an dessen Ende alles zerstört ist. Das Projekt Sturzplatz beleuchtet das Thema Vergänglichkeit aus allen denkbaren Perspektiven. In Kollaboration mit in Sarajevo lebenden und arbeitenden Künstler*innen aus verschiedenen Sparten soll ein Patchwork unterschiedlicher Ausdrucksweisen entstehen, das sowohl die kreativen Zugänge als auch die Perspektiven und Erfahrungen der Beteiligten aus Graz und Sarajevo verbindet. Nora Köhler * 1991 in Graz. Sie ist seit 2006 als freie Theatermacherin, Performerin und Musikerin tätig und absolvierte das Studium der Sprachwissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz. Seit 2015 arbeitet sie gemeinsam mit acht Kolleg*innen im Theater- und Performancekollektiv „Das Planetenparty Prinzip“ und als Theaterpädagogin und Regisseurin in der Theaterfabrik Weiz. Seit 2020 studiert sie Performance an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Susanne Schlögl (Synonym: Susi Possnitz) * 1995 in Weiz, lebt und arbeitet in Graz. Sie absolvierte 2014 die HTBLVA Ortweinschule für Bildhauerei. 2018 schloss sie die Ausbildung zur Diplomgrafikerin ab und studiert seit 2020 Informationsdesign. Als Mitglied bei Risograd Graz und dem Lunar Lab Illustrationskollektiv liegt ihr Hauptaugenmerk auf Druck und Illustration. Für ihre Projekte vernetzt sie sich oft mit lokalen Kunst- und Kulturschaffenden. 20


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Zita Oberwalder

Atelier-Auslandsstipendium des Landes Steiermark: Belgrad, Serbien

O.T. St. Markus, Belgrad, Serbien, 2020 S/W-Fotografie auf Aludibond, 100 × 100 cm Studio Krunska 60 Belgrad, Serbien, 2020 Farbfotografie auf Aludibond, 30 × 42 cm Donau Golubac, Serbien, 2020 Farbfotografie auf Aludibond, 30 × 42 cm

Jasenovac, Kroatien, 2020 (vor dem Mahnmal Stone Flower von Bogdan Bogdanović am Ort des dort im II. Weltkrieg von der Ustascha angelegten Konzentrationslagers) Foto: © Gerhard Mitterberger

O. T., Paris, Februar 2020 S/W-Fotografie auf Aludibond, 100 × 100 cm

Der Titel der Serie: ZEITREISENDE WEINEN NICHT Serbien, 2020 Die Fortsetzung zum selbstgewählten narrativen Komplex „Hotel Europa“ erzählt diesmal aus Serbien. Die zeitkritische Arbeit thematisiert Grenzen, Territorien, Nachbarschaften und Fluchtlinien. Zita Oberwalder hat sich vor allem auf Reise- und Architekturfotografie spezialisiert und ist als Bildautorin an zahlreichen Publikationen beteiligt. Das Druckwerk Warning Signs wurde 2020 beim Wettbewerb „Die schönsten Bücher Österreichs“ mit dem Staatspreis ausgezeichnet. Als Künstlerin ist sie bekannt für ihre analogen Schwarz-Weiß-Fotografien mit Mittelformat-Kameras sowie für konzeptionelle Foto-Essays. Letztere sind häufig integraler Bestandteil ihrer Ausstellungen. Oberwalder lebt und arbeitet in Graz, wobei das Reisen zu fernen Destinationen ein wesent­ licher Bestandteil ihres kreativen Prozesses ist. 2014: Outstanding Artist Award für Künstlerische Fotografie vom Bundesministerium für Unterrich­t, Kunst und Kultur. www.zitaoberwalder.com 22


Studio Krunska 60, Belgrad, Serbien, 2020

Donau, Golubac, Serbien, 2020 23


Eva Schlögl

Atelier-Auslandsstipendium des Landes Steiermark: Triest, Italien

© Eva Schlögl

Wenn ich groß bin, 2020 Fotoemulsion auf Beton, 33 × 33 cm

Wenn ich groß bin lautet der Titel des aktuellen Fotoprojekts von Eva Schlögl. Es handelt sich dabei um eine persönliche Bearbeitung des Themas „Zeit haben“. Die Künstlerin hat permanent das Gefühl, zu wenig Zeit zu haben für all die Dinge, die sie gerne machen möchte. Zu wenig Zeit oder zu viele Ideen. Ein Kinderbuch zeichnen, endlich regelmäßig Saxofon üben, Kleidung nähen und Schlagzeug lernen, öfter Sport machen und so manches mehr. Neben Beruf und Familie bleibt jedoch nicht genügend Zeit und Platz für all diese Ideen. Dennoch sind sie im Kopf der Künstlerin permanent präsent. Im Projekt Wenn ich groß bin werden diese Träume und Ideen nun verarbeitet. Sie werden inszeniert, mittels Lochkamera auf Schwarz-Weiß-Film aufgenommen und schließlich auf Betonplatten belichtet. Die verschwommene und nicht perfekte Darstellung verdeutlicht, dass es sich hierbei um Erdachtes oder Erträumtes handelt. Der Beton als Trägermaterial verleiht den Träumen mehr Gewicht. Was bleibt, ist die Vorfreude oder Hoffnung der Künstlerin darauf, endlich mal ausreichend Zeit zu haben, spätestens dann, „wenn sie groß ist!“ * in Graz, lebt und arbeitet als bildende Künstlerin und Architektin in Wien. www.evaschloegl.at 24


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Stipendien des Landes Steiermark 2020 Artist-in-Europe-Stipendium Veronika Eberhart: Brüssel Atelier-Auslandsstipendien Elke Auer: Athen E.d Gfrerer: Rijeka Christoph Grill: Jerusalem Nora Köhler (in Zusammenarbeit mit Susanne Schlögl): Sarajevo Zita Oberwalder: Belgrad Eva Schlögl: Triest

Film-Auslandsstipendien Nigel Gavus: Tirana Mira Klug: Tirana


Impressum Dieses Heft erscheint anlässlich der Ausstellung Kunstraum Steiermark 2020 in der Neuen Galerie Graz im Joanneumsviertel, UMJ, 23.12.2020–28.02.2021 Leitung Neue Galerie Graz: Peter Peer Koordination und Organisation: Petra Hammer-Maier, Günther Holler-Schuster Registratur: Milena Dimitrova Korrektorat: Jörg Eipper-Kaiser Layout: Karin Buol-Wischenau Druck: Medienfabrik Graz Fotos: Wenn nicht anders angegeben © Künstler*innen © Bildrecht, Wien, 2020: Elke Auer, Veronika Eberhart, Christoph Grill, Mira Klug


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