UTE HUBER-LEIERER 2012-2013
HERAUSGEBER
KONZEPTION, LAYOUT, FOTOS
DRUCK
UNIVERSITÄT FÜR ANGEWANDTE KUNST WIEN
UTE HUBER-LEIERER
DRUCK.AT
© UTE HUBER-LEIERER
ISBN 978-3-9503563-3-5
DIESER KATALOG ERSCHEINT ANLÄSSLICH DER AUSSTELLUNG EPOCA D`ARTE - EPOCA
D´AMORE GEMEINSAM MIT BEATRIX KASER IM AUSSTELLUNGSZENTRUM DER UNIVERSITÄT FÜR ANGEWANDTE KUNST WIEN IM HEILIGENKREUZERHOF, SALA TERRENA IM FEBRUAR
Wenn das Sehen an seine Grenzen stösst
Es ist kennzeichnend für das werkstrategische Vorgehen der Wiener Künstlerin Ute Huber-Leierer, dass sie in breit angelegten Zyklen arbeitet. Programmatisch lotet sie dabei das jeweils selbst gesetzte Thema respektive Narrativum aus. Sie spielt es durch in vielen Variationen und schafft solcherart komplexe Verweissysteme. Das serielle Vorgehen entspricht ihrem Drang zum Exiperiment. Das Programmatische hilft dabei der Beschränkung. Es führt zu einer Konzentration im Schaffen der Künstlerin, die dereinst Schülerin von bei Bazon Brock und Grete Rader-Soulek war. Alle ihre Arbeiten könnten auch für sich selbst stehen.
In ihren neuesten Serien „1466“ und „Touch Screens“ setzt sich Huber-Leierer mit dem Denken und dem Schrifttum des Universalgelehrten Leon Battista Alberti (1404 - 1472) auseinander.
Die Benennung des einen Zyklus mit „1466“ bezieht sich auf die Jahreszahl der Erfindung der Chiffrierscheibe durch Alberti, die in der Literatur allgemein als Alberti-Scheibe bezeichnet wird. Alberti gehört zu den erstaunlichsten und widersprüchlichsten Gestalten der italienischen Renaissance. Jacob Burckhardt sieht in ihm in seiner „Kultur der Renaissance“ eine Verkörperung des „uomo universale“. Alberti beherrschte alle sieben „artes liberales“, trat in seiner Zeit aber vor allem als Theoretiker der Malerei, Skulptur und Architektur in Erscheinung. Und er gilt auch als „Vater der Kryptographie“. In seinem Buch „Modus scribendi in ziferas“ beschrieb er erstmals die Chiffrierscheibe. Er nannte sie dort „Formula“. Mit ihr kann man im Prinzip sämtliche monoalphabetischen Substitutionschiffren bequem handhaben. Ausserdem schlug er im Kapitel 16 dieses Buches vor, zwei monoalphabetische Verschlüsselungen im Wechsel zu benutzen, um so die Häufigkeiten der Buchstaben in Klar- und Geheimtext zu verändern. Er hat also auch die von Blaise de Vigenère (1523 - 1596) verbreitete polyalphabetische Verschlüsselung vorweggenommen.
Huber-Leierer greift das Motiv dieser kreisrunden AlbertiScheibe auf und dekonstruiert (codiert) diese auf ihre eigene Art und Weise. Sie druckt die auf ihren Scheiben in unzähligen
Kreisen angeordneten Zeichenketten mehrfach und leicht verschoben übereinander, wodurch die Bilder formal wellenartige Erscheinungsformen und teils eine enorme Plastizität erreichen.
Neben der eigenwilligen ornamentalen Wirkung dieser Siebdruck-Arbeiten werden darin auch Verbindungslinien zu den heute gängigen QR- (Quick Response) oder Strichcodes evident.
Ausgangspunkt der „Touch Screens“ sind Renaissance-Porträts, die die Künstlerin überdruckt und verfremdet. Auslöser dieser Serie ist Albertis Abhandlung über die Malerei „De Pictura“. Alberti konstatiert darin, dass der Maler einzig darauf ausgehe, das nachzubilden, was man sieht. Damit gerät das Produkt des Malers, das Bild also, grundsätzlich in eine Abbildfunktion gegenüber einer wie auch immer gearteten Natur, bekommt auf der anderen Seite jedoch eine gewisse Plausibilität dahingehend, dass es scheinbar bezeugt, was gesehen wurde, dass es also bezeuge, wie das Gezeigte sei. Oberstes Ziel der Malkunst ist für Alberti die Wirkung des Gemäldes auf den Betrachter. Die anschauliche Darstellung von Affekten soll im Betrachter bestimmte Gemütsbewegungen, Stimmungen, sinnliche Empfindungen und geistige Erkenntnisse anregen bzw. auslösen. Wobei eben die Natur als unerschöpfliche Quelle und Vorbild für den Künstler dient. In „De Pictura“ beschreibt Alberti auch die theoretischen Grundlagen perspektivischer Darstellung. Praktische Hilfsmittel für den Maler sind das Fadengitter oder velum und der Guckkasten, die camera ottica. Eine genaue mathematische Beschreibung perspektivischer Darstellung liefert allerdings erst Piero della Francesca in seinem Buch „De Prospettiva Pigendi“ um 1470.
Ute Huber-Leierer geht es in ihren „Touch Screens“ nicht um inhaltliche Adaptionen, sondern um formale Lösungen. Bei ihren „Renaissance-Frauenporträts“ handelt es sich um
manipulierte Fotos, die von Siebdrucken überlagert werden.
Die Künstlerin überhöht Albertis Anwendung von Mathematik und Logik auf Porportionen und perspektivische Malerei durch den Einschub zusätzlicher Symmetrien. Sie hinterfragt die kunstheoretischen Schriften des Universalmenschen, indem sie den Renaissance-Bildern die Grundlagen entzieht. So lässt die Künstlerin etwa wichtige Teile der Porträts einfach weg. Oder sie lässt deren plastische Wirkung durch ornamentales Überdrucken verflachen. Und durch die Verschmelzung und Kopplung der Porträts mit unerwarteten visuellen Elementen wie etwa Abbildungen von Käfern oder Fliegen und die drucktechnische Verschränkung mit Maserungen, linearen Formen und Mustern werden die Bilder zusätzlich verfremdet und aufgeladen. HuberLeierers Art, verschiedene Bildschichten übereinanderzulegen und zu vernetzen, erinnert in gewissem Sinne auch an die „Fenstertechnik“ von Computeranwendungen.
Vielleicht könnte man sich Ute Huber-Leierers Schaffen nähern, indem man ihre Werkzyklen als eine Methodik versteht, die Themen und Motive miteinander verbindet, Parallelen und Linien, die vorher unsichtbar waren, herausarbeitet und ebenso faktische wie fiktive Momente zu einem Ganzen verwebt. Ihre formalen Lösungen resultieren letztlich aus einer kombinierten Strategie aus Adaption und Neuschöpfung.
Karlheinz Pichler
Kunst- und Kulturkritiker, Lyriker, Zürich
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INTENSITÄT PHASENVERSCHIEBUNG SINUS
SCHWINGUNGEN INTERFERENZ AM DOPPELSPALT
STRICH MONOCHROMATISCHES LICHT HELL DUNKEL DRUCK DICHT NEBENEINANDER LIEGENDE
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