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Nachhaltiges Wohnen: Annäherungsversuche
from Nachhaltiges Bauen
Vermehrt ist vom steigenden Wohnpreis und einer drohenden Wohnungsknappheit die Rede. Handkehrum ist der Boden ein knappes Gut. Ein Interessenkonflikt und damit ein Lernort für die Nachhaltigkeitsdiskussion.
Nachhaltigkeit ist ein gesellschaftlicher Such-, Lern- und Gestaltungsprozess. So umschreibt es Jürg Minsch 1998 in einen Bericht an den deutschen Bundestag. Künftige Entwicklungen sind dabei in einer Weise ungewiss, dass Nachhaltigkeit sich einer einfachen und endgültigen Zielbestimmung entzieht. Was wir sehen können, sind diverse Spuren, die auf erwünschte oder unerwünschte Entwicklungen hindeuten. Ich lade Sie ein, auf eine solche Spurensuche mitzukommen und diese Spuren selbst weiterzudenken.
Steigender Wohnflächenkonsum
Nachhaltigkeit ist keine Rechenaufgabe, die mittels Indikatoren messbar gemacht werden kann. Daten sind aber auf dem Such-, Lern- und Gestaltungsprozess wichtig, um die Herausforderungen und die Entwicklungsrichtung deutlicher zu sehen. Die Hochschule Luzern hat mit dem Wohnkalkulator ein Analyseinstrument geschaffen, das basierend auf Registerdaten eine Vielzahl an Wohn- und Haushaltsindikatoren bereithält. Da ist beispielsweise der Wohnflächenkonsum. Er nimmt in der Schweiz stetig zu, zwischen 2012 und 2021 von 45.4 m2 auf 47.1 m2 pro Person. Der Hintergrund: Die Wohnungen werden flächenmässig grösser, obwohl die mittlere Haushaltsgrösse abnimmt.
Ungleich verteilte Wohnflächen
Doch bei weitem nicht alle Haushalte kommen in den Genuss von grosszügigen Wohnverhältnissen. Die nächste Daten-Spur führt uns zur Wohnflächenverteilung. Familienhaushalte mit kleinen Kindern leben besonders oft in knappen Wohnverhältnissen. Dies ist gehäuft in eher günstigen Wohnlagen im urbanen Raum zu beobachten. Beengte Wohnverhältnisse können dabei zu innerfamiliären Spannungen beitragen und die Entwicklungschancen der Kinder beeinträchtigen. Grosszügiger werden die Wohnverhältnisse hingegen mit fortschreitendem Lebensalter. Dahinter steckt die prototypische Geschichte von Familienwohnungen. Während 20 bis 30 Jahren dienen sie dem Zweigenerationenwohnen. Um das 50. Lebensjahr der Elterngeneration beginnen die weiteren 30 bis 40 Jahre, in welchen die Wohnungen zunächst von zwei Personen, später von einer Person bewohnt werden. Wenn die
Lebenskraft mit zunehmendem Alter nachzulassen beginnt, kann eine grosse Wohnung aber zur Belastung werden. Aus Sicht der Wohnflächeneffizienz und der zweckmässigen Wohnversorgung wäre es deshalb wünschenswert, vorhandene Hürden für den Wohnungswechsel im Alter zu reduzieren.
Soziale Wohn- und Siedlungsformen
In unserer Gesellschaft wird das Gefühl von Einsamkeit zu einem zunehmenden Problem. Das Wohnen ist dabei eher Teil des Problems, statt Teil der Lösung. Die dritte Daten-Spur führt deshalb zu den Wohnformen. Augenscheinlich ist die Zunahme der Einpersonenhaushalte. 1920 lebte eine kleine Minderheit allein, hingegen bestanden knapp 40 Prozent der Haushalte aus mindestens fünf Personen. 100 Jahre später sind die Grosshaushalte eine kleine Minderheit und die Einpersonenhaushalte nähern sich der 40 Prozentgrenze an. Die veränderten Haushaltsgrössen sind mit zum Anlass zu nehmen, sozialere Wohn- und Siedlungsformen zu etablieren. Namentlich Wohngenossenschaften sind diesbezüglich vermehrt aktiv und planen beispielsweise gemeinschaftlich genutzte Räume ein. Ein Gemeinschaftsraum, temporär buchbare Gästezimmer oder Coworking Spaces können soziale Kontakte fördern, gleichzeitig zu einer effizienteren Wohnflächennutzung beitragen. Sie ermöglichen, den privaten Wohnraum am tatsächlichen Alltagsbedarf auszurichten. Konzeptionell weitergedachte Wohn- und Siedlungsformen sind (noch) Nischenangebote. Solche Lösungen können aber einen nachhaltigen Beitrag zu raumplanerischen und sozialen Herausforderungen stiften. E www.hslu.ch/wohnkalkulator
Ivo Willimann arbeitet als Entwickler und Berater für kommunale Strategiefragen an der Hochschule Luzern. Mit dem Wohnkalkulator erschuf er ein vielseitig einsetzbares Instrument, das detaillierte Grundlagen für Ortsplanungen, Sozialstrategien, Quartierentwicklungen oder Finanzplanungen liefert.