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RÜCKSPIEGEL

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Debjani Bhattacharyya

Neue Professorin für Geschichte des Anthropozäns

Interview: Stefan Stöcklin Bild: Frank Brüderli

Debjani Bhattacharyya, Sie sind seit Anfang Februar Professorin für die Geschichte des Anthropozäns. Was bedeutet Anthropozän, wann hat dieses Zeitalter begonnen? Der Begriff stammt aus der Geologie und bezeichnet jene Epoche, in der Menschen zum geologischen Faktor geworden sind. Sein Beginn wird kontrovers diskutiert. Nach einer Sichtweise beginnt das Anthropozän 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg, der Phase der wirtschaftlichen Beschleunigung mit dem steilen Anstieg des CO2. Wir Historikerinnen und Historiker finden jedoch, dass man diesen Zeitpunkt früher ansetzen müsste, mindestens im Jahr 1492, der Eroberung der Neuen Welt. Damals begann die weltweite Vernetzung und Spuren dieser Aktivitäten lassen sich in den geologischen Archiven ebenfalls nachweisen.

Für welchen Zeitraum interessieren Sie sich? Meine Forschungen beginnen meist mit Themen aus der Gegenwart und verfolgen sie zurück bis etwa 1700. Mir geht es darum, Kolonial und Wirtschaftsgeschichte mit der Geschichte des Anthropozäns zu verbinden.

Was ist Ihr Schwerpunkt? Ich habe viel über historische Wasser und Bodenrechte in Sumpf und Marschgebieten gearbeitet. Sie spielen eine wichtige Rolle in Bengalen, wo ich herkomme. Heute beschäftige ich mich vorwiegend mit der Geschichte des CO2Zertifikatshandels (Carbon Credit Market) und wie er mit der Versicherungswirtschaft verbunden ist, die im späten 17. Jahrhundert entstanden ist.

Sie sind Nachfolgerin von Philipp Sarasin, Professor für Schweizer Geschichte und Geschichte der Neuzeit. Welche Rolle spielt die Schweiz in Ihrer Forschung? Wie mein Vorgänger arbeite ich auch an Theorien der Wissensproduktion und denke, dass ich beim Thema Klima in seiner Tradition stehe. Was die Schweiz betrifft, so hat meine Forschung über Versicherungen starke lokale Bezüge. Grosse Gesellschaften wie Swiss Re oder Zurich, aber auch ausländische Firmen wie Lloyds spielen eine wichtige Rolle bei der Definition von Klimarisiken und der Frage der Versicherbarkeit.

Sie haben in Indien studiert und an europäischen und amerikanischen Universitäten geforscht. Welche Eigenheiten sind Ihnen aufgefallen? Als ich 2004 Indien verliess und nach Heidelberg zog, habe ich die reichhaltigen Bibliotheken bewundert. Diesen Reichtum an Büchern kannte ich nicht. An den amerikanischen Universitäten haben mir die intellektuelle Stimmung, die Agilität und Offenheit beim Denken sehr gefallen. Aber ich habe während meiner Zeit in den USA zwischen 2008 und 2020 auch miterleben müssen, wie rasch Bildung und Forschung unter Druck kommen können. Das erinnerte mich an Indien und die zunehmend aufgeheizte politische Stimmung. Als Historikerin wäre es in Indien zurzeit schwierig zu arbeiten.

Sie haben in Kolkata gelebt, einer der grössten und lärmigsten Städte der Welt. Wie fühlen Sie sich in Zürich? Der Lärm und das Chaos in Indien haben mir nichts ausgemacht, im Gegenteil – ich habe diese Stimmung geliebt. Unterdessen habe ich gelernt, mit der Stille europäischer Städte umzugehen. Verbindend sind die Berglandschaften. Ich bin am Fusse des Himalaya aufgewachsen und reiste wenn immer möglich in die Berge. Das werde ich hier auch tun.

Unter der Rubrik «Einstand» wird jeweils eine neue Professorin, ein neuer Professor vorgestellt. Weitere Berufungen und Ernennungen: www.uzh.ch/berufungen

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