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Zeitschrift des VCP | Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder 1 P 1963 Nr. 1/2015 | ISSN 1651-2441

anp Gemeinschaft

Leben

Jugend

Gemein

Besinnung

auf neuem Pfad

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vcp aus dem Verband

VORNEWEG

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Impressum ISSN 1615-2441 anp (seit 1921) ist die Zeitschrift des Verbandes Christlicher ­Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP). anp erscheint vier Mal im Jahr.

Anschrift: VCP-Bundeszentrale Wichernweg 3 D-34121 Kassel Tel.: 0561/7 84 37-10, Fax: 05 61/7 84 37-40 E-Mail: anp@vcp.de, Internet: www.vcp.de Verleger: Verband Christlicher Pfadfi nderinnen und Pfadfinder (VCP) e. V. Herausgegeben im Auftrag des Vorstandes von Hanno Terbuyken Chefredaktion: Diane Tempel-Bornett Ständige Redaktionsmitglieder: Christian van den Boom (Kellertreppe), Jascha Buder (Illustrationen und Sippe ­Braunbär), Peter Diehl (Online-Redakteur), Marc Forkmann, Sandra Grünewald (KrimsKrams), Verena Kunberger, Andreas Witt (Himmelsleiter) Mitarbeit an dieser Ausgabe: Ricarda Rattay und Andreas Kläger Satz und Layout: Miriam Lochner, Agentur elfgenpick, Augsburg Druck: Druckerei Strube, Felsberg Anzeigenverwaltung: Dirk Rumpff Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht immer die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich die Kürzung von Artikeln und Leserbriefen vor. Die Redaktion behält sich in Einzelfällen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlage entsprechende Bearbeitungen von Veröffentlichungen vor. Der Umwelt zuliebe wird anp auf 100 % Recyclingpapier gedruckt, das mit den Umweltzeichen „Blauer Engel“ und „Nordischer Schwan“ ausgezeichnet ist. Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung und Förderung unserer Arbeit.

Titelbild: Foto: Andreas Kläger „Drei Pfadfinderinnen präparieren Kekse zu einem besonderen Geschmackserlebnis.“

Liebe Leserinnen, liebe Leser, liebe Pfadfinderinnen und Pfadfinder, Gemein! Das Böse, das Dunkle, die schlimmen Seiten des Lebens: Es ist nicht immer alles gut, was uns so durch den Kopf geht und was in der Welt passiert. Die Redaktion hat sich in dieser Ausgabe der AnP mit allen möglichen Gemeinheiten befasst, aber auch mit zweifelhaften Helden, deren Vergangenheit man zumindest kennen sollte. Vor allem, wenn der eigene Pfadfinderstamm so heißt. Das gilt natürlich auch für Lord Robert Baden-Powell, den Gründer unserer weltweiten Pfadfinderbewegung. Der war schließlich Soldat und Offizier im zweiten Burenkrieg. Bekannt wurde seine trickreiche Verteidigung der belagerten Stadt Mafeking 1899, als er unter anderem die Jungen der Stadt einsetzte, um Nachrichten zu überbringen und bei der Verteidigung zu helfen. Aus seinen Erfahrungen als Offizier zog B. P. schließlich die Lehren, die er in seinem Buch „Scouting for Boys“ festhielt und die zur Gründung der weltweiten Pfadfinderbewegung führten. Kann ein Offizier wie B. P. trotzdem Vorbild für Millionen Pfadfinderinnen und Pfadfinder weltweit sein? Ja, das geht. B. P. war Soldat, und trotzdem hat er die Pfadfinderbewegung zu einer weltweiten Friedensbewegung gemacht. Für uns ist die Lehre: Wir sollten unsere Helden kennen, und für einige davon kann euch diese AnP eine Hilfe sein! Viel Spaß beim Lesen wünschen

Diane Tempel-Bornett, Chefredakteurin

Hanno Terbuyken, Herausgeber


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HIMMELSLEITER

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ie würden WIR uns fühlen? Das Bild des Künstlers „Pablo“ Holger Hirndorf zeigt uns in sehr bedrückender Weise einen Mann: geschlagen, gefoltert, geschunden, gestürzt, unter einem schweren Holzbalken liegend, die Hände über den Kopf zusammengeschlagen. Unbarmherzig hält der Kameramann mit seiner Kamera auf ihn und filmt ihn. Stellt ihn und sein Leid damit öffentlich zur Schau. Die anderen Männer im Hintergrund gaffen, weiden sich am Elend, greifen aber nicht ein und helfen den Mann aus seiner Situation. Die Szene entsetzt und löst Beklemmung aus. Warum hilft ihm niemand? Warum greift keiner ein? Das Bild ist Teil des Kreuzweges, der in der Stiftskirche St. Materniani et St. Nicolai in Bücken, Niedersachsen zu sehen ist. Der Kreuzweg beschreibt die Leidensgeschichte Jesu Christi, wie sie vor mehr als 2000 Jahren passiert ist. „Pablo“ Holger Hirndorf gelingt es mit seinen Bildern, die Geschehnisse in unsere Zeit zu holen. Dadurch, dass er den Kameramann ins Bild setzt, macht er deutlich, dass die Geschichte Jesu Christi aktueller denn je ist. Auch heute leiden Menschen. Die modernen Medien erlauben es mehr noch als früher, den Leidenden bloßzustellen und das Leid einer breiten Masse zum Ergötzen zur Verfügung zu stellen. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um? Sind wir Teil der Masse? Oder trauen wir uns dagegen zu sprechen und für den Erniedrigten einzustehen?

„Wie würdest DU dich fühlen?“ fragt Benjamin auf Facebook. Es ist kein professionelles Video: Nur mit einer Handykamera aufgenommen, die Bilder sind schwarz-weiß und verwackelt, der Akteur des kleinen Filmes bleibt stumm und sieht die ganze Zeit ernst in die Kamera. Dennoch hat das Video des 19jährigen Benjamin Fokken schon mehr als 4 Millionen Klicks. So viele Menschen wollten bereits seinen stummen Protest gegen Mobbing sehen. Auf weißen Zetteln formuliert er klare Worte gegen Beleidigung und Demütigung. Eine besonders grausame Form des Mobbings ist Cybermobbing. Jeder siebte Jugendliche im Alter von 10 bis 18 Jahren ist laut einer Erhebung des IT-Branchenverbandes Bitkom schon Opfer dieser öffentlichen Form von Erniedrigung und Herabsetzung geworden. Kein Mensch sei weniger wert, schreibt Benjamin, weil er eine Behinderung habe, nicht so klug sei oder nicht so schön wäre. Was es bedeutet gemobbt zu werden, weiß Benjamin nur zu gut aus eigener Erfahrung. Er sei wegen seines Äußeren fertiggemacht worden, sagt er. „Wie würdest DU dich fühlen?“ fragt er am Ende seines Videos. Die Geschichte vom Kreuzweg Jesu Christi endet für uns Christinnen und Christen nicht am Kreuz, sondern mit dem Ostergeschehen. Jesus ersteht drei Tage nach

Im Fokus: ­Niedergedrückt Leidensgeschichte – und alle schauen zu VON ESTHER KOCH, KASSEL


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dem Tod wieder auf. Ostern ist damit für uns ein Fest der Hoffnung und des Neuanfangs. Nichts muss so bleiben wie es war. Dies durfte auch Jesu Jünger Petrus erfahren. Mit ihm, der ihn verleugnet hat, der dreimal bekräftigt hatte, dass er Jesu nicht kenne und mit ihm nichts zu tun haben wolle, will J­ esus neu beginnen. Petrus wird am Ende zu einem engagierten Fürsprecher und Verbreiter des Christentums. Das Beten eines Kreuzweges bietet uns Gelegenheit, über uns selbst, unser Leben und unseren Glauben nachzudenken. Wir dürfen wissen, dass Jesus trotz unserer Fehlbarkeit zu uns hält, sind aber auch aufgefordert, darüber nachzudenken, wo wir gefordert sind und handeln sollten. Auch Benjamin Fokken wagte einen Neuanfang. Er drehte ein einfaches Video, mit der er für sich selbst und viele andere Mobbingopfer eintritt. Die einfache Botschaft kommt an. Das Video verbreitet sich in Windeseile im Internet. Auch so mancher, der ihn früher fertig gemacht und gemobbt habe, habe sich gemeldet, sagt Benjamin Fokken. „Es gab einige, die mir ­Respekt entgegengebracht haben.“

Betet mit eurer Gruppe den Kreuzweg!

Foto: © Bernd Arnold

Es ist eine weitverbreitete Tradition in der Passionszeit, insbesondere in der Karwoche, den Kreuzweg zu beten. Beim Kreuzweg gehen Christinnen und Christen gemeinsam einen Weg und versuchen, der Leidensgeschichte Jesu nachzuspüren: von seiner Gefangennahme bis zu seiner Grablegung. An verschiedenen Stationen wird die Passionsgeschichte Stück für Stück erzählt und in Texten, Gebeten und Gesang wir Jesu gedacht. In der Regel verläuft der Kreuzweg über 14 Stationen, es gibt aber auch Kreuzwege mit nur sieben Stationen. Die Darstellung der Kreuzwegstationen erfolgt meist in Bildern, aber auch Skulpturen und Bildstöcken. Seit 43 Jahren gibt es den ökumenischen Jugendkreuzweg. Jedes Jahr erarbeitet ein ökumenisches Team Materialien, Bilder, Ideen, Vorschläge, die es Jugendlichen ermöglicht, selbst einen Jugendkreuzweg vorzubereiten und durchzuführen. Vielleicht auch für euch dieses Jahr eine Idee in eurem Stamm oder eurer Gruppe den Kreuzweg zu beten? In diesem Jahr lautet der Titel des Ökumenischen Kreuzweges „Im Fokus: Das Kreuz“. Die Bilder für die sieben Stationen, die der Ökumenische Jugendkreuzweg beschreibt, stammen vom Künstler „Pablo“ Holger Hirndorf. Für den Jugendkreuzweg fotografiert hat sie der Fotograf Bernd Arnold. Unter www.jugendkreuzweg-online.de findet ihr alle Materialien bzw. könnt sie dort bestellen, die ihr braucht um einen Kreuzweg bei euch vorzubereiten und durchzuführen.


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Pfadis sind nie gemein, oder? VON DIANE TEMPEL-BORNETT, KASSEL

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ittagessen auf dem Bundeslager: Das Kochteam kocht für zwanzig Leute ein warmes Mittagessen. Die drei schnippeln Berge von Gemüse, sie geben sich richtig viel Mühe. Trotzdem: Der Gruppe schmeckt es nicht. Aber nicht nur, dass alle das Gesicht verziehen, sie mäkeln und machen auch noch dumme Sprüche. Das Kochteam ist fassungslos. Es kann ja sein, dass ein Essen mal nicht so gelingt. Aber dass sie für ihre Mühen noch verhöhnt werden … (Bild 1) Ist das gemein?

Die Singerunde am Lagerfeuer singt das Lied vom Karmeliter. Ein Junge lässt die Gitarre sinken und sagt laut in den Gesang: „Ich finde das Lied eklig. Hier geht’s doch um eine Vergewaltigung.“ Die anderen lachen:“ Das ist doch nur lustig, hab dich doch nicht so. Sei kein Mädchen und spiel jetzt weiter“. Ist das gemein?

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2 Die Leitungsrunde trifft letzte Absprachen. Aufgaben werden verteilt. Nur ein Pärchen ist völlig mit sich beschäftigt und knutscht hingebungsvoll. Schön für die beiden, aber für die Gruppendynamik unangenehm. Und auch distanzlos, denn nicht alle haben Lust, sich das anzuschauen. Abgesehen davon, dass man sich ziemlich veralbert vorkommt, Fragen ins Leere zu stellen. (Bild 3) Ist das gemein? Die Hajkgruppe ist fünf Stunden durch die Hitze gelaufen und erreicht einen sauberen Badesee. Niemand ist da – was für ein Glück. Badesachen hat niemand dabei, also hüpfen alle Jungs in den See. Bis auf einen, der nicht will und in Unterhosen am Ufer steht. Die anderen fordern ihn auf, reinzukommen. Er windet sich. Dann entscheidet der Älteste: Wenn du nicht reinkommst, holen wir dich. Du sollst nicht als einziger heute Abend im Zelt stinken. Ist das ­gemein? Ein Mädchen möchte sich in Ruhe im Zelt umziehen. Aber ständig kommt jemand rein und schlägt die Kohtenplane zurück. Nach dem dritten Versuch flüchtet sie in den Schlafsack und windet sich mit Mühe in ihren Bikini. Ihr Schamgefühl wird nicht respektiert. Ist das gemein?

Alle Fotos: © Screenshots aus Filmclips

Die Gruppe muss die Aufgabe „Spinnennetz“ in drei Minuten bewältigen. Wie schaffen sie es, noch eine Person durch das höchste Loch im Netz zu schieben? Kurzerhand packen sie den kleinsten und leichtesten in der Gruppe. Ohne ihn zu fragen. Er wird von vielen Händen gepackt, hochgehoben und durch das Loch geschoben. Ihm ist das unangenehm, er kämpft mit den Tränen vor Scham und Peinlichkeit. Aber für die Empfindlichkeiten eines kleinen Jungen hat gerade niemand Zeit. (Bild2) Ist das gemein?


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BREITGETRETEN

Wie können wir gut ­m iteinander umgehen? VON TIM GELHAAR, KASSEL

Waschräume sind tabu für Spiele. Oder: Der Austausch von Intimitäten gehört nicht in die Öffentlichkeit der Gruppe. Am besten vereinbart man die Regeln gemeinsam. Wir haben ein klares Statement zum Schutz von Kindern und Jugendlichen im VCP: 2010 beschloss die Bundesversammlung die Selbstverpflichtung zur Prävention sexualisierter Gewalt. Sie ist inzwischen selbstverständlicher Bestandteil von Schulung und Ausbildung. Alle Leiterinnen und Leiter sollen sich mit der Selbstverpflichtung auseinander setzen und sich mit einer Unterschrift verbindlich dazu bekennen. Zum Bundeslager im vergangenen Sommer wurde auch ein Leitfaden für die Rechte auf Fahrt und Lager herausgegeben. Dazu gehört beispielsweise das Recht auf Ruhe und Erholung genauso wie das Recht auf Mitbestimmung oder Gewaltfreiheit.

Mehr Informationen und Materialien findet ihr auf S. 34 und hier

http://go.vcp.de/anp1501achtsam

Foto: © Tim Gelhaar

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ich nicht in Ruhe umziehen können, von anderen angefasst werden, ob man will oder nicht, Spiele mitmachen müssen, die einem unangenehm sind … das fühlt sich nicht gut an, das ist gemein. Jede und jeder kennt solche und ähnliche Situationen. Sie passieren immer wieder im Alltag, auf Fahrt und Lager oder in der Gruppenstunde. Oft sehen wir darüber hinweg. Aber schöner wäre es, wir würden so miteinander umgehen, dass es erst gar nicht dazu kommt. Wir wünschen uns, im VCP so sein zu dürfen, wie wir sind. Wir wünschen uns, dass man uns und unsere Grenzen ernst nimmt. Wenn ich Nein sage, sollen andere das respektieren. Es geht dabei nicht um das Nein zum Küchendienst: Gemeinschaft funktioniert nur, wenn alle mitanfassen und füreinander da sind, das ist klar. Es geht um das Nein, wenn persönliche Grenzen verletzt werden, wenn andere über mich bestimmen wollen, mich nicht so sein lassen, wie ich es will. Studien zeigen: Wo Grenzen immer wieder missachtet werden, können leicht auch massivere Übergriffe stattfinden. Manchmal genügt ein bisschen Rücksicht: Wer schlafen will, soll dies ungestört tun dürfen, wer keine Lust auf Schwimmen hat, muss auch nicht dabei sein. In anderen Fällen bedarf es vielleicht zusätzlicher Absprachen und Regelungen: Schlafzelte sind grundsätzlich nur für die, die darin wohnen, könnte so eine solche Regel sein. Oder: Duschen und

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BREITGETRETEN

Klaus Störtebecker VON SANDRA GRÜNEWALD, MÜNCHEN

Er benannte sich selbst „Gottes Freund und ­aller Welt Feind“ und war einer der berühmtesten Seeräuber der deutschen Geschichte Ende des 14. Jahrhunderts. Seinen Namen Störtebecker (Niederdeutsch: „Stürz den Becher“) soll er aufgrund seiner Trinkfestigkeit erhalten haben. Angeblich trank er einen Vierliter Humpen leer – ohne abzusetzen. Als Vitalienbruder soll er mit seiner Mannschaft das von Dänen belagerte Stockholm mit Lebensmitteln (sogenannten „Viktualien“) versorgt haben.

Mit seinen Raubzügen machte er der Hanse auf See und dem deutschen Ritterorden im Baltikum das Leben schwer. Die Seeräuber, zu denen auch Klaus Störtebecker gehörte, sollen als „Likedeers“, ihre Beute zu gleichen Teilen unter sich und den Armen aufgeteilt haben. Nach mehreren Jahrzehnten der Raubzüge soll Störtebecker mitsamt seiner Mannschaft von der Hanse durch einen Hinterhalt gefangen und öffentlich in Hamburg hingerichtet worden sein.

Der Sage nach traf er mit dem Hamburger Bürgermeister die Abmachung, dass diejenigen seiner Männer freigelassen würden, an denen er nach seiner Enthauptung noch vorbeilaufen könne. Störtebecker soll kopflos, doch aufrecht an seinen Männern vorbeigelaufen sein – aber bei dem elften warf der verärgerte Henker ihm seinen eigenen Kopf zwischen die Beine. Und da geriet er doch ins Stolpern. Tatsächlich ist nicht viel von Störtebecker überliefert. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Sage stark ausgeschmückt worden ist. Störtebecker war wirtschaftlich talentiert und soll mit seinen Männern gerecht geteilt haben, jedoch haben die Armen sicher kein Gold von ihm gesehen. Außerdem wurden ausnahmslos alle Piraten, die die Hanse damals gefangen nahm, hingerichtet. Der Held Klaus Störtebecker war vielleicht gemeiner, als wir es heute vielleicht wahrhaben wollen.

Düsteres ­Heldentum Hier stellen wir euch eine Heldin und vier Helden aus dem Hinterhalt vor. Ihr Mut, ihr ­Widerstand, ihre Tapferkeit beeindruckt uns. Dabei haben sie für ihre Ziele mit wenig ­friedlichen Mitteln erkämpft. Trotzdem… lernt sie kennen und bildet euch eine Meinung zu den fünf Personen. Sind es wirklich Heldinnen oder Helden?

Nora Astorga

(Gedea) 1948 –1988, nicaraguanische Freiheitskämpferin VON DIANE TEMPEL-BORNETT, KASSEL

Nora Astorga entstammte der gehobenen Bürgerschicht Managuas, der Hauptstadt Nicaraguas. Mit 19 Jahren kritisierte sie die herrschende Somoza-Diktatur in ihrer Heimat. Ihre entsetzte regimetreue Familie schickte sie direkt in die USA – als Erziehungsmaßnahme, aber auch zu ihrem Schutz. Das Medizinstudium dort brach sie nach zwei Jahren ab. In diesen zwei Jahren wurde ihr politisches Bewusstsein durch den Rassismus und sozialen Ungleichheiten, die sie dort erlebte, geschärft. Nach ihrer Heimkehr nach Managua studierte sie Jura. An der Uni begegnete sie der sandinistischen Widerstandsbewegung, (die sich nach dem Widerstandskämpfer Augusto Sandino nannte). Während Nora Astorga in den nächsten Jahren ein nach außen hin bürgerliches Leben führte, unterstützte sie heimlich (konspirativ) die Sandinisten. Nach der Ermordung von Pedro Chamorro, dem Herausgeber der einzigen oppositionellen Zeitung durch das Somoza-Regime 1978 trat Nora Astorga dem bewaffneten Kampf

bei. Berühmt wurde sie durch den Entführungsversuch von General Vega, wegen seiner Grausamkeit auch „El perro“, der Hund genannt. Er hatte wiederholt deutliches Interesse an der attraktiven Juristin signalisiert. Nora Astorga lud ihn in ihre Wohnung ein, was er zu gerne annahm. Das war allerdings eine Falle, denn dort sollte er gefangen genommen werden. Für seine Freilassung wollten die Sandinisten Gesinnungsgenossen aus dem Gefängnis freipressen. Doch in dem Handgemenge wurde Vegas getötet. Nora Astorga flüchtete in den Dschungel und beteiligte sich dort weiter am bewaffneten Widerstand. Nachdem die Sandinisten im Juli 1979 die Macht übernommen hatten, wurde die Juristin Nora Astorga stellv. Justizministerin. Sie sollte auch Botschafterin Nicaraguas in den USA werden, aber das lehnte die Reagan-Regierung, die das Somoza-Regime unterstützt hatte, wegen ihrer Beteiligung an der Ermordung Vegas, ab. Sie wurde dann Nicaraguas Botschafterin in der UNO. Nora Astorga wurde als „Heldin des Vaterlandes“ ausgezeichnet. Sie starb mit 39 Jahren an Krebs.


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BREITGETRETEN

Guy Fawkes

* 13. April 1570 in York † 31. Januar 1606 in London VON DIANE TEMPEL-BORNETT, KASSEL

Robin HooD

VON VERENA KUNBERGER, UNTERENSINGEN

Robin Hood ist bekannt als Beschützer der Armen. Er nimmt von den Reichen und verteilt es an die Armen. Doch das war nicht immer so. In den frühesten Erwähnungen ist er nur ein Wegelagerer, der den Kampf mit Adligen und Geistlichen sucht. Erst im Laufe der Zeit wurde er zu einem Adligen, dem sein rechtmäßiger Besitz genommen wurde. Um zu bekommen, was er und seine Bande benötigten, nahm er es sich von denjenigen, die ihm seinen Besitz genommen hatten. In den Geschichten, die überliefert sind, handelt Robin Hood nicht, um den Armen zu helfen. Er nahm sich, was er wollte in dem Glauben, es stehe ihm zu. Dass er dadurch zu einem Symbol für die Armen wurde, verwundert nicht. Allerdings rechtfertigt seine Geschichte auch seine Taten nicht. Denn wenn einem Unrecht getan wird, kann man dies nicht dadurch lösen, indem man Anderen Unrecht antut. Betrachtet man Robin Hood aus heutiger Sicht, hat sich die Geschichte nochmals ein wenig verändert. Er ist ein Gesetzloser, der seinem König immer treu geblieben ist. Er nimmt von denen, die viel haben und es nicht teilen möchten. Robin Hood verteilt es unter der Armen und Bedürftigen. In dem Fall, ist es leichter ihn als Held zu betrachten, da er nicht in eigenem Interesse handelt, sondern um anderen zu helfen. Zumindest ist er einer der am häufigsten verfilmten ­„Helden“.

Illustrationen: © jabu | Jascha Buder

Guy Fawkes konvertierte mit 16 Jahren zum Katholizismus. Als Soldat kämpfte er im Achtzigjährigen Krieg in Holland gegen die Protestanten. Er war verärgert über die Verfolgung der Katholiken in seiner Heimat England. Und so kam es zur berühmten Verschwörung – dem sog. Gunpowder Plot. Am 5. November 1605 wollte Fawkes mit dreißig Tonnen Schwarzpulver das englische Parlament im Palast von Westminster in die Luft jagen – rechtzeitig zur Parlamentseröffnung, wenn König Jakob, der I., alle Parlamentarier, die Bischöfe und Mitglieder des Hochadels anwesend wären. Anschließend sollte ein katholischer König eingesetzt werden. Doch einer der Mitverschwörer warnte in einem Brief einen katholischen Lord, dass er sich an diesem Tag vom Parlament fernhalten solle. Der Lord reichte den Brief weiter und bei einer Inspektion wurde der Sprengstoff entdeckt. Fawkes wurde verhaftet, unter der Folter gestand er sein Vorhaben und nannte auch gleich die Mitverschwörer. Sie wurden am 30. Januar 1606 als Hochverräter hingerichtet. Guy Fawkes starb einen Tag später. Ob es den Katholiken nach der Verschwörung in England besser erging, darf bezweifelt werden. Guy Fawkes muss man aus heutiger Sicht als Terroristen bezeichnen. Die berühmte Grinsemaske wurde durch die Verfilmung des Comics „V“ – wie Vendetta berühmt. Und auch hier ist der Held erst ein Opfer und dann ein Mörder. Am 5. November wird vielerorts in England in der „Bonfire Night“ an das Scheitern des Anschlages gedacht: mit Feuerwerken, Fackelzügen und der Verbrennung einer Guy Fawkes Puppe.

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Der Schinderhannes: der Schrecken von ­Hunsrück und ­Taunus VON MARC FORKMANN, MAINZ-KASTEL I m Herbst 1779 wurde in der Taunusgemeinde

Miehlen Johannes Bückler als Sohn eines Schinders geboren. Heute würde man diesen Beruf als „Abdecker“ oder als Tierkadaverbeseitiger bezeichnen. Eigentlich sollte Johannes in die Fußstapfen seines Vaters treten, stattdessen wurde er kriminell. Schon mit 15 Jahren legte man ihm Viehdiebstähle, die Unterschlagung einer Goldmünze und Tierfelle zur Last. Sein erstes Urteil: öffentliche Prügelstrafe mit 25 Hieben. Er büchste aus dem Elternhaus aus und machte fortan den Hunsrück und den Taunus unsicher. Seine Bilanz lässt sich sehen: mindestens 211 Straftaten wie Nötigung, Erpressung, schwere Körperverletzung, Raubmord und Gefängnisausbrüche konnten belegt werden. Kurz vor seiner Inhaftierung lernte Johannes seine Frau Juliana Bläsius kennen, mit der er einen gemeinsamen Sohn, Franz Wilhelm hatte. Das Familienglück war von kurzer Dauer. Am 31. Mai 1802 wurde er bei Wolfenhausen im Taunus festgenommen und ins sichere Gefängnis „Holzturm“ zu Mainz überführt. Sein Prozess im Kurfürstlichen Schloss zu Mainz unter Leitung von Georg Friedrich von Rebmann begann am 24. Oktober 1803. Die Anklageschrift umfasste 72 Seiten, über 400 Zeugen wurden verhört. Auch wenn es Vermutungen gab, dass sein Todesurteil im Vorfeld schon feststand, legten alle Beteiligten Wert auf einen rechtstaatlich ordentlichen Prozess. Die Urteile gegen ihn und 58 seiner Gefolgsleute wurde am 20. November 803 verlesen. Die Hinrichtung vor dem Mainzer Neutor fand einen Tag später statt. Aus heutiger Sicht lässt sich die Legende um Schinderhannes nicht belegen. Er war ein Schrecken sowohl für Arm und Reich. Immerhin teilte er die Beute mit den mehr als 94 Komplizen auf.

h a re n e u c wir ersp cklichen c h re seinen s ick! anbl


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SERVICE/REAKTIONEN

Vorschau anp|2.15

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Termine Wann?

Veranstaltungen/Schulungen/ Seminare

Ort

06.03.–  07.03. Ringeausschuss 1

Neuss

Klug werden …

20.03.–  22.03. Bundesrat II

Burg Rieneck

Kommt euch das bekannt vor? Sicher, das greift auch das Motto des nächsten Kirchentags auf.

29.03.– 06.04.

IMWe „Rattlesnake Creek“

Burg Rieneck

10.04.– 12.04.

IB-Seminar

Bundeszentrale

17.04.– 19.04.

Kontingentsleitungstreffen WSJ 2015 „Sager Schweiz“

17.04.– 19.04.

Vorbereitungstreffen Bundesfahrt

Bad Nauheim

04.05.– 06.05.

Hauptberuflichenkonferenz

„Sager Schweiz“

08.05.– 09.05.

anp Redaktionssitzung

Bundeszentrale

08.05.– 10.05.

Fachgruppentagung

Burg Rieneck

14.05.– 17.05.

rdp-Vorlager WSJ 2015

Immenhausen

29.05.– 31.05.

Bundesleitungssitzung

Ehningen

29.05.– 31.05.

Tauchen-aktiv-Wochenende

Diez

03.06.– 07.06.

35. Deutscher Evang. Kirchentag

Stuttgart

19.06.– 21.06.

45. Bundesversammlung

Burg Rieneck

03.07.– 05.07.

Bundesleitungssitzung

Bundeszentrale

28.07.– 08.08.

World Scout Jamboree

Yamaguchi, Japan

01.08.– 15.08.

Bundesfahrt

Pfälzer Wald/Nordvogesen

03.08.– 10.08.

Mittelalterwoche

Burg Rieneck

28.08.– 30.08.

Bundesleitungssitzung

Bundeszentrale

04.09.– 06.09.

Erwachsenentreffen 50+

Burg Rieneck

11.09.– 13.09.

Fachgruppentagung

Burg Rieneck

18.09.– 20.09.

anp-Redaktionssitzung

Bundeszentrale

25.09.– 27.09.

Bundesrat III

Burg Rieneck

25.09.– 27.09.

International Team Treffen

Burg Rieneck

Die nächste Ausgabe von anp thematisiert:

Klug werden: Wie kann das gehen? In der Schule, an der Uni, bei den Pfadis? Was bedeutet unnützes Wissen? Ganzheitliche Bildung? Was beschreibt eigentlich Intelligenz? Gibt es einen Unterschied zur Klugheit? Gibt es gefährliches Wissen? Verlorenes Wissen? Ist es dumm, wenn man zu viel weiß? Was müssen Pfadis wissen? Wir haben uns ganz viele Fragen gestellt, weil wir euch ein kluges Heft präsentieren wollen. Wir freuen uns natürlich, wenn ihr uns dabei unterstützt. Schreibt an uns: anp@vcp.de oder an VCP-Bundeszentrale Wichernweg 3 34121 Kassel

LESENSWERT UND SPANNEND

Von Dieter Herrmann, Schöffengrund Hallo Pfadis, einen herzlichen Gruß und Dank von einem (ziemlich) alten CPer/ VCPer (und Gründer des Stammes in Wolfschlugen, der nun seit über 60 Jahren aktiv ist …) Diese Ausgabe ANP ist ein bemerkenswert lesenswertes und spannendes Heft! Es wird eines der wenigen Print-Produkte sein, die ich aufbewahren möchte. Es liegen schon so unzählig viele Dinge bei mir die im Laufe des Lebens zusammen kommen, da werde ich bei der Auswahl schon sehr „kritisch“! Nehmt dies als Zeichen der Anerkennung und des Dankes für Eure engagierte Redaktion (und für alle die daran mitgewirkt haben).


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Adress-Etikett bitte hier anbringen

Gemeinschaft | Gemein

Inhalt

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AUS DEM VERBAND

VORNEWEG RÜCKBLICK/AUSBLICK AUSZUG AUS DEM DSCHUNGEL; DSK ������������������������������������ 04 NEUE SCHÄTZE IN KASSEL ����������������������������������������������������� 05 ROVERWAY 2016 IN FRANKREICH ���������������������������������������� 06 WOHIN FÄHRT DER TANKER VCP? ����������������������������������������� 07 KERNBOTSCHAFTEN �������������������������������������������������������������� 08

„In Japan sind Tattoos nämlich nicht einfach nur schick, sondern sie werden vor allem von der japanischen Mafia getragen, der Yakuza. Das sind dann keine kleinen Herzen in rot oder Anker in blau, sondern große, bunte Bilder, die über den ganzen Körper reichen. “ P. von Stockhausen: Vorsicht: viele fiese Fettnäpfchen. S. 10

VORSICHT: VIELE FIESE FETTNÄPFCHEN �������������������������������� 10

Foto: © Andreas Kläger

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CHRISTLICHES LEBEN

HIMMELSLEITER DER VCP AUF DEM KIRCHENTAG ������������������������������������������� 12 IM FOKUS: NIEDERGEDRÜCKT ����������������������������������������������� 14 DER JUDASKUSS �������������������������������������������������������������������� 16

P

PFADFINDEN

„Ein ganz anderes Judas-Bild entwirft nun das apokryphe Judasevangelium. Es wurde vermutlich um 150 n. Chr. In koptischer Sprache geschrieben und wegen seines vermeintlich ketzerischen Inhalts von der alten Kirche abgelehnt. “ A.Witt: Der Judaskuss. S. 16

GEMEIN SCHUMMELN ������������������������������������������������������������������������� 18 DANKESCHÖN ODER KORRUPTION? ������������������������������������� 19 PFADIS SIND NIE GEMEIN, ODER? ����������������������������������������� 20 WIE GUT KÖNNEN WIR MITEINANDER UMGEHEN? �������������� 21 GEMEINSCHAFT LEBEN, GRENZEN AKZEPTIEREN ����������������� 22 50 SHADES OF SCOUTING ����������������������������������������������������� 23 DÜSTERES HELDENTUM �������������������������������������������������������� 24 KRIMSKRAMS ����������������������������������������������������������������������������� 26

Foto: © Peter Neubauer

KELLERTREPPE ���������������������������������������������������������������������������� 30 STÄMME VOR ORT STAMM PHILIPP SCHWARZERT ���������������������������������������������� 32 SERVICE/REAKTIONEN ���������������������������������������������������������������� 33 INHALT ���������������������������������������������������������������������������������������� 36

„Darüber muss man vorher in der Gruppenstunde reden. Kannst du es haben, dass dich jemand in den Arm nimmt, wenn du traurig bist? Oder bist du dann lieber alleine? “ K. Klipfel: Gemeinschaft leben und Grenzen respektieren. S. 22


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