Zeitschrift des VCP | Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder 1 P 1963 Nr. 3/2015 | ISSN 1651-2441
anp Gemeinschaft
Leben
Abenteuer
Besinnung
auf neuem Pfad
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Abenteuer 端berall
Danke Danke für für 1.030 1.030 Helferinnen Helferinnenund undHelfer Helfervom vomVCP. VCP. Eure Unterstützung Unterstützung beim beim35. 35.Deutschen DeutschenEvangelischen Evangelischen Kirchentag Kirchentag in in Stuttgart Stuttgart2015 2015war warspitze! spitze!
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vcp aus dem Verband
VORNEWEG
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Impressum ISSN 1615-2441 anp (seit 1921) ist die Zeitschrift des Verbandes Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP). anp erscheint vier Mal im Jahr.
Anschrift: VCP-Bundeszentrale Wichernweg 3 D-34121 Kassel
Verleger: Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP) e. V. Herausgegeben im Auftrag des Vorstandes von Hanno Terbuyken Chefredaktion: Diane Tempel-Bornett
Foto: Andreas Kläger
Tel.: 0561/7 84 37-10, Fax: 05 61/7 84 37-40 E-Mail: anp@vcp.de, Internet: www.vcp.de
Ständige Redaktionsmitglieder: Christian van den Boom (Kellertreppe), Jascha Buder (Illustrationen und Sippe Braunbär), Peter Diehl (Online-Redakteur), Marc Forkmann, Sandra Grünewald (KrimsKrams), Verena Kunberger, Andreas Witt (Himmelsleiter) Mitarbeit an dieser Ausgabe: Ricarda Rattay und Johannes Malinowski Satz und Layout: Miriam Lochner, Agentur elfgenpick, Augsburg Druck: Druckerei Strube, Felsberg Anzeigenverwaltung: Dirk Rumpff Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht immer die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich die Kürzung von Artikeln und Leserbriefen vor. Die Redaktion behält sich in Einzelfällen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlage entsprechende Bearbeitungen von Veröffentlichungen vor. Der Umwelt zuliebe wird anp auf 100 % Recyclingpapier gedruckt, das mit den Umweltzeichen „Blauer Engel“ und „Nordischer Schwan“ ausgezeichnet ist. Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung und Förderung unserer Arbeit.
Liebe Pfadfinderinnen und Pfadfinder, wir leben in spannenden Zeiten! Zehntausende Menschen machen sich aus der Not ihrer kriegsgeschüttelten Heimatländer oder einfach getrieben von der Hoffnung auf ein besseres Leben auf den Weg nach Deutschland und Europa. Sie brauchen unsere Hilfe, um sich in dem neuen, ungewohnten Land zurechtzufinden. Wie das konkret geht, erklärt Carla Singer auf Seite 14 in dieser AnP. Uns interessiert aber auch, was ihr in euren Stämmen und Gruppen für Flüchtlinge unternehmt – per E-Mail an anp@vcp.de könnt ihr uns von euren Erfahrungen berichten! Und weil nicht alle solche Geschichten zwischen den Umschlag dieser Zeitschrift passen, gibt es das VCP-Blog. Wenn ihr schon s ehnsüchtig die nächste AnP erwartet, könnt ihr euch mit einem Blick auf www.vcp.de/pfadfinden jeden Tag die Wartezeit verkürzen. Spannend bleibt auch der Weg zum neuen Corporate Design des VCP. Das Herzstück dafür findet ihr jetzt schon im Blog: Die Waldläuferzeichen, die sich überall im VCP wiederfinden sollen. Viel Spaß damit und Gut Pfad,
Titelbild: Foto: Peter Neubauer „… auch Suppen können abenteuerlich sein. Essen auf dem Jamboree in Japan.“
Hanno Terbuyken, Herausgeber
Diane Tempel-Bornett, Chefredakteurin
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vcp aus dem Verband
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AKTUELL
Erklären ist unsere Hauptaufgabe Das Thema Flüchtlinge beherrscht die Politik, die Medien, die Meinungen und Diskussionen. Viele Pfadfinderinnen und Pfadfinder sind in Projekten der Flüchtlingshilfe aktiv, viele ehrenamtlich, einige auch hauptberuflich. DAS INTERVIEW FÜHRTE DIANE TEMPEL-BORNETT, KASSEL
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arla Singer, VCPerin, 25 Jahre aus München arbeitet zurzeit als Teamleiterin in der Flücht lingshilfe und berichtet von ihren Erfahrungen. Die Fragen stellte Diane Tempel-Bornett.
VCP: Carla, kannst du uns erzählen, was du genau machst? Carla: Ich betreue mit einem Team von sechs Frauen und zwei Männern 36 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Das heißt, sie fallen offiziell unter das Jugendhilfegesetz und werden in eigenen Häusern, separat von den Erwachsenen, untergebracht.
vcp aus dem Verband
AKTUELL
Man sieht in der Berichterstattung eigentlich fast nur junge Männer. Das ist in der Regel auch so, zumindest bei den Jugendlichen. Überleg mal die Situationen, aus denen die Flüchtlinge kommen. Da schickt man keine Mädchen allein in ein fremdes Land oder auf die Flucht. Die wenigen Mädchen, die herkommen, sind oft Waisen oder vor Zwangsheirat, Gewalt oder Genitalverstümmelung geflüchtet. Viele Mädchen, die hier ankommen, haben ganz schlimme Dinge erlebt. Bei den erwachsenen Flüchtlingen gibt es allerdings viele Familien mit Müttern und Töchtern. Die werden von der Presse aber seltener fotografiert. Warum auch immer. Woher kommen die Jugendlichen in eurer Einrichtung? Das wechselt. Im Moment kommen viele aus Afghanistan, aber auch aus Somalia, Eritrea und Syrien. Und ein paar auch aus Ländern wie Kosovo, Pakistan, Bangladesch, Gambia. Also auch aus Ländern, die angeblich sicher sind.
Foto: privat
Erzählen die Jugendlichen über ihre Heimat und ihre Fluchtgründe? Manche erzählen schon, aber natürlich weiß man nicht, ob das alles stimmt oder ob man ihnen gesagt hat, was sie sagen sollen. Viele flüchten vor dem Krieg, viele haben auch alles verloren. Manche Jungen aus Eritrea flüchten vor dem Militärdienst. Manche flüchten auch vor persönlicher Verfolgung. Es gibt auch Jugendliche, die nach Europa kommen, weil sie homosexuell sind. Darauf steht in einigen Herkunftsländern die Todesstrafe. Wir erklären ihnen dann behutsam, dass das in Deutschland nicht verfolgt wird. Die Menschen müssen ja auch einiges erklärt b ekommen – davon wie das Leben hier funktioniert bis zu den Kultur unterschieden. Allerdings. Das ist auch eine unserer Hauptaufgaben. Das geht los damit, dass man den jungen Menschen erklärt, dass sie, wenn sie zum Haareschneiden gehen, eine Quittung mitbringen müssen, damit es abgerechnet werden kann. Quittungen sind wichtig, sonst müssen sie es vom Taschengeld zurückbezahlen. Das ist für viele Nicht-Deutsche schwer nachvollziehbar, aber so ist das hier mit öffentlichen Geldern. Aber genauso muss man ihnen auch erklären, dass die Leute nur wenige Klamotten tragen, wenn es warm ist und dass sich hier niemand dran stört. Oder beim Oktoberfest ausgeschnittene Dirndl und kurze Lederhosen. Und wir müssen ihnen nicht nur die Welt erklären, sondern auch, wie man sich hier benimmt und mit ungewohnten Dingen umgeht. Wenn die Flüchtlinge bei euch ankommen, was passiert dann? Sie benötigen erstmal eine medizinische Grundversorgung. Viele waren monatelang auf der Flucht, teilweise unter schlimmsten Bedingungen und haben entsprechende körperliche Beeinträchtigungen davon getragen. Sie benötigen medizinische Hilfe. Dann brauchen sie Papiere und Kleidung. Und dann auch Schulplätze. Es gibt Drei-Monatskurse,
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damit sie ein Grundwissen der deutschen Sprache erlernen. Manche müssen überhaupt erst alphabetisiert werden. Dann können sie in Berufsschulen oder weiterführende Schulen gehen. Wir betreuen die Jugendlichen rund um die Uhr, tagsüber mit pädagogischem Fachpersonal, nachts sind Securities da. Zweidrittel der Flüchtlinge gehen anschließend in betreute Wohneinrichtungen für Jugendliche. Und das dritte Drittel? Einige werden volljährig, bevor sie einen Platz bekommen, einige ziehen weiter in andere Länder, ein paar haben Familie in Deutschland und können dort leben. Hin und wieder klappt es auch mal, dass sie in eine Pflegefamilie kommen. Viele Jugendliche, die sehr selbstständig sind, können auch in eigene Wohnungen ziehen, wo sie nur noch bei Bedarf Hilfe von Sozialarbeitern bekommen. Wie verständigt ihr euch? Meist mit Händen und Füßen. Wir können auch Dolmetscher bestellen. Und die Jugendlichen lernen super schnell Deutsch! Wie geht es den Jugendlichen dann, wenn sie hier angekommen sind? Bei manchen hat die ganze Familie, teilweise das ganze Dorf zusammenlegt, damit sie die Flucht bezahlen können. Darauf ruht dann die Hoffnung. Dass sie Geld verdienen und das dann nach Hause schicken können. Oder die anderen nachholen. Aber wenn sie dann hier sind, realisieren sie schnell, dass das alles nicht so einfach geht. Das wollen sie ihren Familien gegenüber aber nicht zugeben, egal, wie schlecht es manchen Leuten hier geht, bei dem hohen Preis, den der Rest der Familie bezahlt hat. Und es ist auch etwas dran – für viele ist selbst ein monatelanger Aufenthalt im Flüchtlingslager oder jahrelanges Warten auf Arbeit besser als das Leben zuhause in den Herkunftsländern. Und das sage ich auch bei allen Diskussionen zu Thema Flüchtlinge oder Abschiebung. Es ist unsere Pflicht, den Flüchtlingen zu helfen. Und die meisten fassen doch recht schnell Fuß und sind motiviert, etwas zu erreichen. Manche fangen bereits nach ihrem ersten Jahr in Deutschland eine Ausbildung an oder schreiben ihr deutsches Abitur.
Jost Lambrecht, Hamburg arbeitet ebenfalls mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Bremen. Lest das Interview mit ihm im Blog: go.vcp.de/anp1503fluechtlingshilfe Dort findet ihr noch mehr Geschichten über das Engagement von VCPerinnen und VCPern für Flüchtlinge.
go.vcp.de/anp1503fluechtlingshilfe
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vcp christliches Leben
HIMMELSLEITER
Zwischen Konrad Adenauer und Karl Marx: Martin Luther ZUSAMMENGETRAGEN VON ANDREAS WITT, HAMBURG
Martin Luther landete im Jahr 2003 bei einer ZDF-Umfrage zu der Frage, wer der größte Deutsche sei, auf Platz zwei – hinter Konrad Adenauer und vor Karl Marx. Martin Luther hat durch seinen Thesenanschlag Deutschland nachhaltig verändert und geprägt – und ist auch heute gegenwärtig. Luther als Filmheld und Musical-Star Die zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen zeichnen unterschiedliche Bilder des großen Reformators. In dem Stummfilm „Luther – Ein Film der Deutsche Reformation“ aus dem Jahr 1927 wird der Luther als heroischer Kämpfer dargestellt. Da die Uraufführung des Films in Nürnberg „Anlass zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Vertretern des katholischen und des protestantischen Religionsbekenntnisses“ gab, wie die Zensurunterlagen berichten, wurde besagter Stummfilm erst nach Zensurauflagen freigegeben. Die jüngste abendfüllende Spielfilmproduktion „Luther“ mit Joseph Fiennes in der Hauptrolle stammt aus dem Jahr 2003. In diesem Jahr feiert am Reformationstag das Pop-Oratorium „Luther“ in der Dortmunder Westfalenhalle seine Weltpremiere – mit einem 3000 Stimmen starken Chor.
Luther in unserer Alltagssprache Martin Luthers hat durch seine Bibelübersetzung unsere deutsche Sprache geprägt. Viele seiner Formulierungen „Bluthund“, „Machtwort“ oder „Lästermaul“ sind in unsere Alltagssprache eingeflossen. Wegen der großen Bedeutung der Lutherbibel für die deutsche Sprache formulierte Goethe: „Und so sind wir Deutschen erst durch Martin Luther ein Volk geworden!“
Luther im Kalender Auch wenn Kürbisse und „Halloween“ seit mehreren Jahren den Reformationstag zu verdrängen scheinen, steht der 31. Oktober in den meisten Kalendern als Reformationstag verzeichnet. Luther soll an diesem Datum im Jahr 1517 seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche von Wittenberg genagelt haben. In den ostdeutschen Bundesländern (ohne Berlin) ist der Reformationstag ein gesetzlicher Feiertag. Und dass katholische Feste wie Fronleichnam oder Mariä Himmelfahrt in einigen Bundesländern gesetzliche Feiertage sind, während in anderen Bundesländern an diesen Tagen gearbeitet werden muss, ist auch eine Folge der Reformation.
Luther als „Songwriter“ Luther hat eine Reihe von Kirchenliedern geschrieben. Zu diesen zählt das beliebte und bekannte Weihnachtslied „Vom Himmel hoch da komm ich her“. Einer Legende nach soll Luther diesen Liedtext zunächst auf die Melodie eines damals beliebten Kneipenliedes gedichtet haben und erst später dann – auf Drängen seiner Freunde – die heute bekannte Melodie komponiert haben, die auch im Gesangbuch steht.
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HIMMELSLEITER
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Luther als Playmobil-Star Als im Februar dieses Jahres in Nürnberg Martin Luther als Playmobil-Männchen präsentiert wurde, waren die ersten 34 000 Figuren nach nur 72 Stunden ausverkauft, so dass schnell Nachschub produziert werden musste. Eine Playmobil-Luther-Figur reist mittels Geocaching zu den Wirkungsstätten seines historischen Vorbilds. Im Jubiläumsjahr 2017 soll diese Spurensuche schließlich in Wittenberg enden. Vielleicht kommt die kleine Luther-Figur auf ihrer Reise auch nach Kammerstein (bei Nürnberg). Hier baut nämlich seit 10 Jahren Pfarrer Stefan Merz eine Reihe von wichtigen Stationen aus Luthers Leben als Playmobil-Szenen nach, darunter auch eine 3 m x 1,2 m große maßstabsgetreue Playmobil-Wartburg. Playmobilfan Pfarrer Merz plant für das nächste Jahr eine kleine Ausstellung mit seinen Luther-Gebäuden in Kammerstein.
Luther als Ururur … großvater Martin Luther und seine Frau Katharina von Bora hatten sechs Kinder: Johannes, Elisabeth, Magdalene, Martin, Paul und Margarete. Allerdings verstarben Elisabeth und Magdalene schon im Kindesalter, was damals nichts Ungewöhnliches war. Heutzutage leben geschätzt weltweit etwa 10 000 leibliche Nachfahren der Familie Luther, von denen bei circa 5 200 die Verwandtschaft mit Luther nach gewiesen ist. Das letzte große „Familientreffen“ fand in diesem Jahr mit 69 „Lutheriden“ vom 4.– 6. September in der Lutherstadt Eisleben statt, das nächste „Familientreffen“ ist für das Jubiläumsjahr 2017 in Wittenberg geplant.
Illustration: Miriam Lochner (elfgenpick)
Luther als Antisemit
Heutzutage versuchen sich Musiker daran, bekannte Luther-Lieder wie „Ein feste Burg ist unser Gott“modern und zeitgemäß zu interpretieren. So treffen auf der CD „Modern meets Past“ Luthers Liedtexte auf moderne Rock- und Popmusik. Vermutlich wäre dies im Sinne des Reformators, denn Luther ging es bei seinen Liedern darum, die befreiende Botschaft des christlichen Glauben nicht nur mit Worten, sondern auch mit Liedern zu verkünden: „Vom Himmel hoch da komm ich her, ich bring euch gute neue Mär!“
Luther auf der Straße Zahlreiche Kirchen, Straßen und Plätze tragen den Namen Martin Luthers, genauso wie unzählige Denkmäler, Statuen oder Büsten in vielen Städten an den Reformator erinnern. Seit diesem Jahr gibt es sogar in Rom einen Martin-LutherPlatz: Die „Piazza Martin Lutero“ liegt in einem Park auf dem Oppio-Hügel in der Nähe des Kolosseums. Die Eröffnung sorgte für Proteste bei einigen Katholiken.
Luthers Hass auf die Juden stellt ein schwieriges Erbe des Reformators dar. Zunächst setzte sich Luther dafür ein, die Juden zu missionieren; später forderte er ihre Vertreibung und das Niederbrennen ihrer Synagogen. Doch andere Reformatoren wie Justus Jonas oder Martin Bucer widersprachen ihm schon damals und vertraten eine freundlichere Haltung gegenüber den Juden. Von den Nationalsozialisten wurden Luthers Judenschriften, die lange Zeit in der Theologie wenig beachtet wurden, dann instrumentalisiert. Adolf Hitler stilisierte sich gar zum Nachfolger des „kleinen unbedeutenden Mönch“ in seinem Kampf gegen „eine Welt von Feinden“. Nach 1945 begann die evangelische Kirche ihre Haltung zum Judentum und ihre Rolle zwischen 1933 und 1945 selbstkritisch zu überdenken: Im „Stuttgarter Schuldbekenntnis“ vom 18./19. Oktober 1945 heißt es: „Mit großem Schmerz sagen wir: Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. (...) Wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt (...) haben.“ Auch Luthers Antijudaismus wurde und wird seit 1945 kritisch reflektiert und sollte auch im Rahmen des Reformationsjubiläums nicht ausgeblendet werden.
Luther im VCP Der VCP als evangelischer Jugendverband ist vom Protestantismus geprägt: So steht im Zentrum des VCP-Zeichens das Kreuz, ganz ähnlich wie bei der „Lutherrose“, dem Wappen des Reformators. Luther meinte zu seinem selbstgestalteten Wappen: „Das erste sollte ein Kreuz sein (...) damit ich mir selbst Erinnerung gäbe, dass der Glaube an den Gekreuzigten uns selig machet.“ Beim VCP ist in „Aufgabe und Ziel“ formuliert: „Das Evangelium von Jesus Christus ist Orientierungshilfe für die Einzelnen und die Arbeit im Verband.“ Im VCP-Alltag wird zum Beispiel die reformatorische Idee vom „Priestertum aller Gläubigen“ gelebt, wenn VCPerinnen und VCPer Andachten und Gottesdienste (mit-)gestalten und feiern.
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vcp Pfadfinden
BREITGETRETEN
Nach dem Beben Hoffnung schenken VON JANNE WANNER, REUTLINGEN
Janne kommt aus dem Stamm Jizchak Schwersenz und hat 6 Monate in Nepal verbracht. Sie war zur Zeit des verh채ngnisvollen Erdbebens in Kathmandu. Hier folgt ihr Bericht.
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Alle Fotos: Eden Row, www.edenrowphotography.com
Genau um 12 Uhr mittags (des 25. April 2015) beginnt die Erde zu grollen. Wände biegen sich, als wären sie aus Gummi. Fenster zersplittern. Mauern stürzen ein, reißen ganze Gebäude mit sich. Der Boden tut sich auf. Menschen rennen panisch schreiend umher, klammern sich Halt suchend aneinander. Für einen Moment wird die Erde ruhig. In uns bebt es weiter. Die ersten Nachrichten von tödlich Verunglückten machen sich breit. Dann bebt es von Neuem. Die Erde scheint all ihre Kraft beweisen zu wollen. In den Stunden und Tagen nach dem Hauptbeben erkennt man Nepal nicht wieder. Garagentore halten die Einkaufsläden geschlossen. Straßen, die einst lebendig waren, sind tot und von Trümmern gesäumt. Häuser stehen leer. Ganze Dörfer sind verschwunden und die Wege und Pfade zu ihnen verschüttet. Die Menschen sind unglaulich angespannt, voller Entsetzen und Trauer. Man versucht, es sich auf offenen Plätzen und in Parks gemütlich zu machen. Kunstvoll werden Plastikplanen gespannt. Glück hat, wer sich noch darunter quetschen kann. Alle anderen werden vom Regen überrascht. Dicht an dicht gedrängt werden alte Lieder angestimmt. Wir fallen in einen unruhigen Schlaf. Aber immer wieder werden wir von der bebenden Erde geweckt. Menschen schreien, rennen, weinen, haben unbeschreibliche Angst, doch das gastfreundliche Herz der Nepalesen hört auch hier nicht auf zu schlagen. Selbst an jenen Morgen wird uns süßer Tee angeboten und ein Lächeln geschenkt. Trinkwasser und Lebensmittel werden von Stunde zu Stunde knapper. Man teilt, was man noch finden kann. Krankheiten verbreiten sich in den Lagern. Nach wenigen Tagen der Not öffnen die ersten Geschäfte wieder. Die Verkäufer arbeiten unter großem Risiko, doch sie brauchen den Verdienst, um ihre Familien zu ernähren. Andernorts helfen viele, so gut sie können bei Aufräumarbeiten. Trümmer werden durchwühlt, Verschüttete geborgen, Verletzte versorgt. Die Totenfeuer an den heiligen Flussufern brennen hell und unaufhörlich.
Nachrichten über das Ausmaß der Beben verbreiten sich schnell. Knapp 9 000 Menschen sollen bei dem 7,8 starken Beben und seinen zahlreichen starken Nachbeben ums Leben gekommen sein, etwa 22 300 sind verletzt. Es gilt als die schlimmste Katastrophe mit den meisten Todesopfern in der Geschichte Nepals. Man schätzt, dass mindestens acht Millionen Menschen von dem Unglück betroffen sind und dass mehr als 1, 4 Millionen auf Lebensmittelhilfen angewiesen sind. Die ganze Welt erfährt davon, ist entsetzt und vergisst wieder. Andere Probleme kommen einem in den Sinn. Die Medien haben ja schließlich bereits von Hilfe für Nepal berichtet. Mit dieser Soforthilfe sind Nepals Probleme jedoch noch lange nicht gelöst. Ich spreche von einem der ärmsten Länder der Erde. Unzählige Menschen haben Familienangehörige und Freunde verloren. Kinder wurden zu Waisen. Eingestürzte Häuser haben das wenige Hab und Gut, den einzigen geschützten Wohnraum unter sich begraben. Die wenigen Einnahmequellen sind weitgehend zerstört. Mich erreichen noch immer Mails mit den Worten: „Die Erde hört nicht auf, zu beben. Wir haben solche Angst!“ Die meisten Nepalesen leben von der Hand in den Mund. Viele müssen mit einem Dollar pro Tag auskommen. Wenn selbst dieser fehlt, vergrößert sich das Elend ungemein. Sehr viele Menschen leben in Nepal vom Tourismus, doch nun lässt sich in diesem wunderschönen Land kein Tourist mehr blicken. Dabei sind einige Trekkingrouten und Touristenhighlights verschont geblieben. Man muss dieses Land und seine so herzlichen Bewohner einfach lieben, wenn man es einmal erlebt hat. Ich habe kaum einen Reisenden anders davon sprechen gehört.
ã Nur noch Trümmer – Straße in Kathmandu ä Die Menschen warten auf das Ende des Erdbebens
Während das Trinkwasser noch immer knapp ist, bricht der Monsun aus den Wolken. Ganze Zeltstädte, die in den vergangenen Wochen aufgebaut wurden, werden von den Fluten davongerissen. Die Menschen fliehen erneut, suchen sich in all dem Chaos vergebens eine neue Bleibe. Doch sie sollen in all diesem Leid nicht ihre Hoffnung und Zuversicht verlieren und genau da können wir sie unterstützen. Jeder Einzelne von uns kann neue Hoffnung und Zuversicht schenken. Ich wünsche mir, dass wir nicht vergessen und die Arbeit auf halbem Weg fallen lassen, sondern unseren Mitmenschen so weit helfen, bis sie wieder weitgehend auf eigenen Beinen stehen und unter menschenwürdigen Bedingungen leben können.
Janne hat eine Hilfsaktion ins Leben gerufen. Die Spenden sollen die NGO „Partnership for S ustainable Development Nepal” unterstützen. Wenn ihr dabei helfen wollt, findet ihr Informationen im Blog. Bei Fragen: wir-helfen-nepal@web.de
go.vcp.de/anp1503nepal
E
s ist der 25. April. Menschen gehen geschäftig durch die engen Straßen. Motorräder bahnen sich hupend ihren Weg vorbei an Straßenhändlern, die lauthals ihre Ware anpreisen. Bettler schlafen ihren Rausch in Hausnischen aus. Kinder spielen fröhlich in ihren schmutzigen Schuluniformen. Gemüse, Reis, Linsen und bunte Blumenmalas liegen ausgebreitet. An den unzähligen Tempeln und Schreinen vollführen alte Frauen Mantras murmelnd ihre Rituale. In der einen Gasse duftet es nach Masala und Tee, in der nächsten nach Fäkalien und Abgasen. Das Fett brutzelt in den dunklen Garküchen, wo sich Männer zum täglichen Plausch treffen. Es scheint ein ganz gewöhnlicher Vormittag in Nepals Hauptstadt Kathmandu zu sein. Niemand ahnt, dass in jene freundlich dreinblickenden Augen bald ein Ausdruck tiefer Angst einkehren wird.
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Abenteuer
Inhalt
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AUS DEM VERBAND
VORNEWEG NACHRICHTEN AUS DEM VERBAND 25 JAHRE JUKIMOB ��������������������������������������������������������������� 04 DIE ETWAS ANDERE JURTE ���������������������������������������������������� 05 VATERTAG PFADFINDERISCH ������������������������������������������������� 06 ZUSAMMENLEBEN MIT GEFLÜCHTETEN – ���������������������������� 07 DAS 50PLUS TREFFEN
„Aber genauso muss man ihnen auch erklären, dass die Leute nur wenige Klamotten tragen, wenn es warm ist und dass sich hier niemand dran stört …“ Aus C. Singer: Erklären ist unsere Hauptaufgabe. �����������������������������S.15
2000 KILOMETER MIT DEM RAD IN DIE MANCHA ���������������� 08 DIE MAUS ALS PFADFINDERIN ������������������������������������������������ 09 VIERTE FACHTAGUNG PFADFINDEN �������������������������������������� 10 DEN REFORMATIONSTAG FEIERN: MIT SINGEN UND SPIELEN 11
Foto: privat
DIE ANERKENNUNG ALS GEMEINNÜTZIGER VERBAND �������� 12 IST GESICHERT ERKLÄREN IST UNSERE HAUPTAUFGABE ������������������������������� 14 MIT WEITBLICK DIE WELT RETTEN? ���������������������������������������� 16
C
CHRISTLICHES LEBEN
HIMMELSLEITER ZWISCHEN KONRAD ADENAUER UND KARL MARX: ������������� 18 MARTIN LUTHER
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PFADFINDEN
BREITGETRETEN WUNDERLICHKEITEN, KLATSCH UND TRATSCH: JAMBOREE ����� 20 EIN EINDRÜCKLICHER BESUCH: ��������������������������������������������� 22 NAGASAKI YOUTH PEACE FORUM
„Auch wenn Kürbisse und Halloween seit mehreren Jahren den Reformationstag zu verdrängen scheinen, steht der 31. Oktober in den meisten Kalendern als Reforma tionstag verzeichnet.“ Aus A. Witt: Zwischen Konrad Adenauer und Karl Marx: Martin Luther ������������������������������S.18
„In Japan fahren die Züge wirklich ganz pünktlich. Wenn man sonst mit der Deutschen Bahn fährt, ist das eine Herausforderung.“ Aus: Wunderlichkeiten, Klatsch und Tratsch: das Jamboree ��������� S. 20 „Die meisten Nepalesen leben von der Hand in den Mund. Viele müssen mit einem Dollar pro Tag a uskommen.“ Aus: J. Wanner: Nach dem Beben Hoffnung schenken: ������������������� S. 24
HIGHLIGHTS UND HOME HOSPITALITY ��������������������������������� 24
Foto: privat
ABENTEUER: 25 JAHRE VEREINTES DEUTSCHLAND ��������������� 26 NACH DEM BEBEN HOFFNUNG SCHENKEN �������������������������� 28 WENN AUS SONNE UND KILOMETERN ���������������������������������� 30 EINE GROSSFAHRT WIRD …
DER STAMM JAN HUS ������������������� 42
PFADFINDEN LIEGT IN MEINER DNA �������������������������������������� 32
ES GEHT WEITER: �������������������������� 44 MIT DER ZWEITEN AMTSZEIT…
KRIMSKRAMS ������������������������������������������������������������������������� 34 KELLERTREPPE ������������������������������������������������������������������������ 38 BUCHECKE ����������������������������������������������������������������������������� 40
NACHRUFE ������������������������������������ 46 REAKTIONEN, SERVICE, ����������������� 47 TERMINE