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Zeitschrift des VCP | Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder 1 P 1963 Nr. 2/2016 | ISSN 1651-2441

anp Abenteuer

Leben

Besinnung Gemeinschaft

auf neuem Pfad

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vcp aus dem Verband

RÜCKBLICK

Ausdauernd, engagiert, ­diskussions-­ freudig, ­eindeutig: die Bundes­ versammlung Die 46. Bundesversammlung wirft einen Blick in die ­Gegenwart und die Zukunft des VCP VON HANNO TERBUYKEN

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it einem klaren Statement gegen Diskriminierung und Nationalismus macht sich die 46. Bundesversammlung des VCP für eine vielfältige und offene Gesellschaft stark. Die „pfadfinderischen Grundsätze lassen sich mit Rechtspopulismus, Radikalismus, Nationalismus, Intoleranz und Diskriminierung nicht vereinbaren“, heißt es in der Erklärung „Auf gute Nachbarschaft“, die von den Delegierten auf der Bundesversammlung mit großer Mehrheit beschlossen wurde. Pfadfinderinnen und Pfadfinder werden darin aufgerufen, „aktiv, lautstark und friedlich“ gegen diese gesellschaftlichen Entwicklungen zu protestieren. Neben der Zukunft der Gesellschaft beschäftigten sich die Delegierten aber auch mit der Zukunft des Verbandes. Bundesleitung und Bundesrat hatten für die Bundesversammlung Vorschläge für eine Strategie des VCP für die nächsten zehn Jahre vorgelegt. Die Bundesversammlung hat den Bundesvorstand beauftragt, diese Strategie mit „konkreten Zielen und Maßnahmen“ umzusetzen.

Mehr dazu auf

www.vcp.de/vcpbv16

Kapitalist und Kaffeebauer, Rassist und Näherin – alle sind meine Nächsten Einige Gedanken aus dem Gottesdiensttext von Clara Gross möchten wir an euch weiter geben … „Warum ‚Jeden Tag eine gute Tat‘? Warum dem AfDler nicht mal aus Maul haun? Warum Fairer Kaffee und keine Klamotten bei Primark? Weil ich nicht mehr wert bin, als der Kaffeebauer und die Näherin und ich ihnen Respekt schulde. Weil sie meine Nächsten sind, die ich lieben soll, wie mich selbst. Und das nicht erst, wenn sie als Geflüchtete vor meiner Tür stehen. Weil der Andersdenkende mir und anderen auch ohne Gewalt begegnen soll. Ich bin es ihnen schuldig, ihnen mit Respekt entgegenzutreten. Auch dem Rassisten oder Homophoben oder Kapitalisten oder Kommunisten habe ich nichts an Wert vo-

raus und soll ihnen mit Respekt begegnen. Nicht ihrer Meinung, da gehöre ich selbst eher zu den Polemischen. Aber vor dem Leben muss ich Respekt haben. Ich glaube, dass sie ihr Leben dem Gleichen verdanken wie ich. Demütig können wir anerkennen, dass wir nicht mehr wert sind als andere oder jedes andere Lebewesen. Das ist aber keine „Ich bin so schlecht-Demut“, keine, die mich zwingt, stillzuhalten und mich zu geißeln. Sondern eine Demut, die mich auffordert und herausfordert, alles mit liebenden Augen zu betrachten und j­eden Menschen mit Respekt zu behandeln …“


Fotos: Sandra Grünewald, Lukas Zintel

Deutlich näher als zehn Jahre liegt das 500. Reformationsjubiläum, das der VCP als größter evangelischer Pfadfinderinnen- und Pfadfinderverband natürlich mitfeiern wird, unter anderem beim Deutschen Evangelischen Kirchentag. Neals Nowitzki, Abteilungsleiter Helferdienste beim DEKT und Mitglied der VCP-Bundesleitung stellte die Planungen des DEKT für den Reformationssommer 2017 vor. Helferinnen und Helfer werden nicht nur in der DEKT-Stadt Berlin gebraucht, sondern auch in den Nachbarstädten bei den „Kirchentagen auf dem Weg“ und beim großen Festwochenende in Wittenberg mit dem Abschlussgottesdienst am 28. Mai. Für den VCP, der bei den vergangenen Kirchentagen das größte Helferkontingent stellte, ist es eine besondere Aufgabe, diese starke Präsenz auch in den Nachbarstädten rund um Berlin zu ­schaffen. Neben den Helferdiensten, VCP-Ständen und Andachten beim DEKT wird der VCP außerdem mit einem eigenen Programm unter dem Motto „500.frei.will.ich“ das Reformationsjubiläum 2017 feiern. Das große Bundeslager „Weitblick“ wird im August 2017 parallel zu den ‚Konfi‘- und Jugendcamps voraussichtlich 5.000 Pfadfinderinnen und Pfadfinder nach Wittenberg bringen. Schirmherr des Lagers ist der Ratsvorsitzende der EKD und bayrische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Gemeinsam mit der aej (Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend) ist der VCP auch bei der Weltausstellung der Reformation in Wittenberg dabei. Am Reformationstag 2017 präsentiert der VCP dann eine „VCP-Bibel“, die das Jahr über entstehen wird. Alle Mitglieder sind aufgerufen, Bibelstellen kreativ zu gestalten: als Theaterstück oder als Lied, als Bild oder als Video. Auch an der Struktur der Mitgliedsbeiträge hat die Bundesversammlung gearbeitet. Die Beiträge sollen transparenter und gerechter werden. Ab 2018 wird es daher auf Bundesebene nur noch einen Standardbeitrag und einen ermäßigten Beitrag geben, der dann auch die jeweiligen Anteile für Länder und (in Einzelfällen) weitere Regionen enthält. Wie hoch diese Beiträge sein sollen, wird bis dahin in den entsprechenden Versammlungen diskutiert. Für ihre eigene Zukunft hat die Bundesversammlung Kathi Saße (Berlin) und Eric Plagge (Niedersachsen) auf zwei Jahre in den Bundesversammlungsvorstand gewählt, die gemeinsam mit Eva Will und Peter „flip“ Keil die Versammlung leiten werden. Und ein letzter Blick auf das, was noch kommt: Der VCP wird in guter Tradition am Roverway 2018 und am World Scout Jamboree 2019 teilnehmen. •

Diesen Antrag hat die 46. BV verabschiedet.

Auf gute Nachbarschaft – der VCP: weltoffen, tolerant und gegen Diskriminierung! Der VCP stellt sich bewusst gegen jede Form von Diskriminierung und Rechtspopulismus, insbesondere gegen Parteien und Vereinigungen, die solche Inhalte propagieren und leben. Wir rufen daher alle aktiven und ehemaligen Pfadfinderinnen und Pfadfinder, gleich welchen Verbandes, welcher Religionszugehörigkeit oder Herkunft und alle Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik dazu auf, Position gegen diese gesellschaftliche Entwicklung zu beziehen. Hierunter verstehen wir aktiven, lautstarken und friedlichen Protest. Für uns bedeutet das zuerst: » Wir werden aktiv! Als Bundesversammlung ermutigen wir alle Pfadfinderinnen und Pfadfinder in Tracht und mit Banner friedlich in der Öffentlichkeit gegen Diskriminierung und Rechtspopulismus und für eine vielfältige, offene und solidarische Gesellschaft einzustehen. » Auseinandersetzung mit den Inhalten Rechtspopulismus, Radikalismus, Nationalismus, Intoleranz und Diskriminierung stehen Werten entgegen, für die wir als Pfadfinderinnen und Pfadfinder stehen. Wir setzen uns kritisch mit diesen Inhalten sowie Vereinigungen und Parteien, die diese propagieren, auseinander. Christliche Pfadfinderinnen und Pfadfinder setzen sich für Frieden ein und lösen Streit ohne Gewalt. Sie nehmen Rücksicht und achten ihre Mitmenschen und tragen zur Freundschaft aller Pfadfinderinnen und Pfadfinder auf aller Welt bei. Diese pfadfinderischen Grundsätze lassen sich mit Rechtspopulismus, Radikalismus, Nationalismus, Intoleranz und Diskriminierung nicht vereinbaren. Eine Mitgliedschaft oder Engagement in einer Partei oder Gruppierung, die solche Inhalte propagiert, lässt sich nicht mit den pfadfinderischen Grundwerten und einer Mitgliedschaft im VCP vereinbaren.


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vcp christliches Leben

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HIMMELSLEITER

Aufbruch mit Abbruch: Der Bildersturm in Wittenberg VON ANDREAS WITT, HAMBURG

In den monotheistischen Religionen Judentum und Islam gilt ein strenges Verbot, Gott bildlich darzustellen – im Gegensatz zum Christentum. Hier wurde und wird in den unterschiedlichen Konfessionen immer wieder darüber gestritten, wie das biblische Bilderverbot (2. Mose 20,4) auszulegen sei. Einen Höhepunkt dieses Bilderstreits stellten die verschiedenen „Bilderstürme“ der Reformationszeit dar.

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uf dem Wittenberger Marktplatz: Aufgebrachte Männer mit Stöcken und Spaten bewaffnet wollen die Schlosskirche erstürmen. Sie schreien: „Nieder mit dem Klerus! Nieder mit der Kirche! Nieder mit dem Papst!“ Steine fliegen, Heiligenbilder zerbrechen, ein bemaltes Kirchenfenster zersplittert. Schnitt: Luther sitzt in einer Dachkammer auf der Wartburg, übersetzt die Bibel. Stopp: Wir spulen den Film ein wenig vor und sind wieder auf dem Marktplatz von Wittenberg: Flammen lodern. Die Tür der Schloss­kirche brennt. Der radikale Karlstadt stachelt die Menge auf. Schnitt: Luther – als Junker Jörg verkleidet – galoppiert auf einem Pferd zu dramatischer Musik über einen staubigen Feldweg, er kommt auf den Marktplatz, stößt zwei Männer zur Seite und ergreift


Doch darüber, was wirklich im Frühjahr 1522 in Wittenberg geschah, streiten Theologen und Historiker. So wird die allgemein bekannte Version des Bilder­ sturms der Geschichtsbücher von der neueren Forschung in Frage gestellt, ob wirklich eine Menschenmenge – angestachelt durch eine Predigt Karl­ stadts gegen die Anbetung von „Ölgötzen“ – in die Stadtkirche von Wittenberg eindrang, um dort Bilder aus den Altären zu reißen und Heiligenfiguren zu zerstören. Historisch gesichert ist, dass nach Luthers Entführung auf die Wartburg seine Vertrauten ­Philipp Melanchthon und Andreas zu Bodenstein von Karlstadt – genannt Karlstadt – die Geschicke der Reformation in Wittenberg leiteten. Der Theologieprofessor Karlstadt führte dabei sehr zügig kirchliche Reformen durch: Er hielt die heilige Messe in Alltagskleidung statt im Messgewand und feierte das Abendmahl „in beiderlei Gestalt“, d. h. auch die Laien empfingen Brot und Wein. Um das Gebot „Du sollst Dir kein Bildnis noch Gleichnis machen, (...)!“ (2. Mose 20,4.) konsequent umzusetzen ließ er – mit Zustimmung des Rates der Stadt Wittenberg – ­Altäre und Bilder aus den Kirchen entfernen. Über alle diese revolutionären Reformen kam es zu Streit und Unruhe unter den Gläubigen. Man bat Luther von der Wartburg nach Wittenberg zurückzukehren und zu schlichten.

Auszug aus Luthers Dritter Invokavit-Predigt (gehalten am Dienstag nach dem Sonntag ­„Invokavit“ 1522 (= 11. März 1522) Luther gelang es durch seine acht vom 9.–16. März 1522 gehaltenen „Invokavit-­Predigten“, die streitenden Parteien zu beruhigen. Er kritisierte dabei weniger die Inhalte der Reformen als vielmehr die Radikalität deren Umsetzung. Die rigorose Entfernung der Bilder lehnte Luther allerdings ab. Seiner Meinung nach müssten nicht die Abbilder in den Kirchen, sondern die Götzenbilder in den Herzen der Menschen bekämpft werden. Daraufhin kam es zum Bruch zwischen den einstigen Weggefährten Luther und Karlstadt, so dass letzterer 1523 ­Wittenberg verließ. Luther hatte aber durch die Macht des Wortes seiner „Invokavit-Predigten“ wieder die Führungsrolle der Reformation in Wittenberg übernommen.

Nicht die Abbilder in den Kirchen, sondern die Götzenbilder in den Herzen der Menschen bekämpft werden. Im weiteren Verlauf der Reformationsgeschichte teilten jedoch in der Bilderfrage andere Reformatoren die Ansichten Karlstadts – wie Ulrich Zwingli und Johannes Calvin. In Regionen, wo diese Reformatoren wirkten, wurden aus den Kirchen bildliche Darstellungen entfernt: Entweder geordnet, wie zum Beispiel im schweizerischen Zürich (1524), oder tumultartig wie in Basel (1525), Bern (1528) oder Ulm (1531). Manche Statue mit abgeschlagenen Kopf zeugt noch heute vom reformatorischen Bilder­ sturm. In evangelisch-reformierten Kirchräumen gibt es auch heutzutage keine Bilder oder Kruzifixe, stattdessen schmücken dort bisweilen Bibelverse die Wände. Das Phänomen des Bildersturms als symbolhafte Handlung für einen Abbruch gibt es auch heute noch in unterschiedlichen – politischen, religiösen oder persönlichen Zusammenhängen. 2001 inszenierten die islamistischen Taliban in Afghanistan die Sprengung der monumentalen Buddhastatuen von Bamiyan. Aber auch im Privaten gibt es das Phänomen „Bildersturm“: wenn jemand nach dem Zerbrechen einer Liebesbeziehung sämtliche Fotos wütend zerreißt oder in den virtuellen Papierkorb wirft … •

VON BILDNISSEN (…) Hier müssen wir doch bekennen, dass man Bilder haben und machen darf, aber anbeten sollen wir sie nicht, und wenn man sie anbetet, dann sollte man sie zerreißen und abschaffen, wie es der König Hiskia 2.Kö.18,4 tat, als er die von Moses aufgerichtete Schlange zerbrach. (...) [zitiert nach: K. Bornkamm / G. Ebeling (Hrsg.), Martin Luther – Ausgewählte Schriften I, Frankfurt a. M. 1990, S. 284 ff. (gekürzt)]

Illustration: Miriam Lochner / elfgenpick

heldenhaft eine Fackel. Vor der brennenden Tür der Schlosskirche kommt es zum heftigen Disput zwischen Luther und Karlstadt. Luther verjagt Karlstadt schließlich mit den Worten: „Dies ist niemals mein Wort! Verschwinde, bevor ich Dich hinausprügel!“ Von Luthers Machtwort ergriffen lässt das vorher so aufgebrachte Volk die Waffen sinken. Der bekannte Lutherfilm (mit Joseph Fiennes in der Hauptrolle) aus dem Jahr 2003 inszeniert den Wittenberger Bildersturm von 1522 mit dramatischen Bildern und verknüpft ihn mit den von Thomas Müntzer angeführten Bauernkriegen. Dies ist clevere Filmdramaturgie in künstlerischer Freiheit, aber aus historischer Sicht so nicht richtig!


Kontiki in Kapstadt – Möge die Macht mit dir sein! VON LEAH KLEMM, Z.Z. KAPSTADT

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eit 39 Jahren kommen jedes Jahr Hunderte Pfadfinderinnen und Pfadfinder vom ganzen Westkap zusammen, um gemeinsam am großen Floßbau-Wettbewerb teil zu nehmen. Auch dieses Jahr fand das Pfadfindercamp „Kontiki“ vom 8. bis zum 10. März statt, wobei tausende von Pfadis, teilweise mit Unterstützung der Eltern in ihren Gruppen zum Thema „Star Wars“ einzigartige Flöße bauten. Und ich durfte dieses große Ereignis miterleben! Die Flöße wurden aus Ölkanistern, Holzstangen, Seilen und Brettern zusammengebaut und mussten eine Küche, getrennte Schlafzimmer und eine separate Toilette haben. Da wurde die pfadfinderische Geschicklichkeit geprüft. Gleichzeitig mussten Floß und die Outfits der Pfadis zum Thema passen. So sah man Darth Vader, Luke Skywalker, Prinzessin Leia und die Sturmtruppen auf an ihren schön bemalten „Raumschiff-Flößen“ arbeiten. Aber das Floß zu bauen reichte nicht aus. Die fertigen Flöße wurden zu Wasser gelassen und nun mussten je sechs Pfadis 24 Stunden lang auf ihrem Floß leben, kochen, schlafen und bekamen Aufgaben gestellt: beispielsweise ein Go Kart in Form eines X-Wings bauen oder einen Kuchen in Form von Prinzessin Leia kreieren, um diesen den Leitern zum Frühstück mit dem Kajak an Land zu bringen.

Doch nicht nur die Pfadfinderinnen und Pfadfinder auf den Flößen beteiligten sich dem Wettbewerb. An Land wurden ein Volleyballtournier, Hinderniskurse, Tauziehen und Orientierungsläufe rund um das Grundstück der Seepfadfinder angeboten. Eltern konnten sich an einem Kochwettbewerb zum Thema „Star Wars“ beteiligen. Kontiki ist sicher eines der aufregendsten Pfadfindercamps in Kapstadt. „Dieses Jahr hatten wir wieder so viel Spaß“, so der Hauptveranstalter Robbie Owen. „Die Herausforderungen waren größer und besser und die Stimmung war unglaublich gut! Neben den 150 Pfadis auf den Flößen haben 340 weitere an den Wettwerben an Land teilgenommen. Insgesamt waren einschließlich Eltern und Besucher ungefähr 4000 Menschen im Laufe des Wochenendes auf dem Camp. Es war unglaublich!“ Auch für mich war es unglaublich spannend, bei diesem Camp dabei zu sein. Beeindruckt vom Können der Pfadis versuchte ich, meine Knotenkenntnisse beim Floßbau mit einzubringen. Außerdem wurde ich eingeladen, auf verschiedenen Flößen einmal ins Innere des „Hauses“ zu schauen, einschließlich der imposanten Floßtoilette ... Wie toll es doch wäre, wenn wir so ein Camp auch in Deutschland hätten! •

Links: Floßtoilette Rechts: Letzte Arbeiten am Raumschifffloß

Mehr dazu auf

go.vcp.de/vcp-afrika

Bilder: Leah Klemm

Globus


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vcp christliches Leben

RÜCKBLICK/AUSBLICK

„Ihr Ehrgeiz hat mich beeindruckt“ Der Stamm Lohengrin aus Nieder-Olm (bei Mainz) hat rund 60 Mitglieder und engagiert sich an zwei verschiedenen Orten für geflüchtete Menschen. Fünf bis sieben Ranger/Rover ­zwischen 15 und 25 Jahren sind hier schwerpunktmäßig aktiv. Alina Büttner erzählt von ­Begegnungen mit Geflüchteten.

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ir besuchen regelmäßig das Café International in Nieder-Olm bei ­ Mainz. Das Café bietet Kontaktmöglichkeiten für geflüchtete Familien und Einheimische. Dort knüpfen wir Kontakt zu Kindern, die wir dann auf pfadfinderische Veranstaltungen einladen. Der Spielenachmittag am Fastnachtsdienstag war ein echter Erfolg. Daran nahmen zehn Kinder und Jugendliche aus Afghanistan teil und hatten Spaß beim Kreppel essen, Luftschlangen pusten und Spiele spielen.

Als Clearinghaus bezeichnet man die Erstaufnahmestelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Sie verbringen dort ihre ersten Monate in Deutschland, bis geklärt ist, wo sie danach dauerhaft untergebracht werden. Das Besondere an diesen Häusern ist, dass dort ausschließlich Jugendliche unter 18 Jahre untergebracht werden. Im Schnitt wohnen dort 25–30 Jugendliche gemeinsam in einer Art WG.

Der Aufhänger für die Arbeit mit geflüchteten Jugendlichen war das Landesführerlager in Rheinland-Pfalz/Saar (RPS) letztes Jahr im November. Es stand unter dem Motto: „Helping by doing“. Am Samstag fuhren wir in zwei Clearinghäuser, um dort geflüchtete Jugendliche kennenzulernen. Das hat uns – als Stamm – so viel Spaß gemacht, dass wir danach noch öfters samstags ins Saarland gefahren sind und einen Tag mit den Jungs dort verbracht haben. Wir spielten oder bastelten zusammen, machten eine Wanderung und zum Abschluss gab es Stockbrot und Tschai.

Bei unseren späteren Besuchen haben wir keine großen Aktionen geplant. Einmal haben wir z. B. gemeinsam Plätzchen gebacken oder einen Ausflug gemacht. Meist haben wir nur unsere Spielekiste eingepackt und den Jungs einen Samstag lang unsere Zeit geschenkt und etwas Abwechslung in ihren Alltag gebracht. Kontakt zu den Jungs aufzunehmen war überhaupt kein Problem, viele können schon ein bisschen Deutsch bzw. Englisch, ansonsten verständigten wir uns mit Händen und Füßen immer ganz gut. Und im Zweifelsfall gab es noch die Möglichkeit per google translate Fragen zu stellen.

Viele können schon ein bisschen Deutsch oder Englisch.

Oben und unten: Das Lagerleben macht allen Freude.


Israelische Pfadfinder treffen syrische Flüchtlinge VON ANDREAS NICK

Obwohl Israel und Syrien auf der Weltkarte Nachbarn sind, kommen die Menschen beider Länder normalerweise kaum miteinander in Kontakt. Jahrzehntelange Konflikte führten dazu, dass die Menschen beiderseits der Grenze sich kaum kennenlernen können.

Fotos: Patrick Franz oto: XXXXXXXX

Fotos: Peter Gras

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as änderte sich kürzlich für elf israelische Pfadfinderinnen und Pfadfinder, die im Rahmen einer Leadersdelegation nach Deutschland kamen. Die Begegnung mit dem VCP stand unter dem Thema Migration und Flüchtlinge – eine Aufgabe, die für Israel genauso wie für Deutschland aktuell eine große Bedeutung hat. Entsprechend intensiv setzen sich die Teilnehmenden während der neuntägigen Begegnung mit dem Thema auseinander. So stand zum Beispiel der Besuch einer Erstaufnahmeeinrichtung und eines ehrenamtlich betriebenen Begegnungscafés auf dem Programm. In einer Flüchtlingsunterkunft wurde zusammen mit den Geflüchteten für alle Bewohner gekocht. Die 22-jährige Maya war zunächst unsicher, wie die Flüchtlinge wohl auf den Besuch aus Israel reagieren würden. Diese Unsicherheit wich allerdings ganz schnell der Freude am gemeinsamen Kochen. Das Gericht war für die meisten „Köche“ allerdings neu. Unter fachmännischer Anleitung von Peter Gras, VCP Boppard wurden Kartoffeln geschält, Gemüse gewaschen und Frikadellen gebraten. Im Begegnungscafé war dann Zeit für eine Runde „Five!“ – ein Spiel, das extra für die Arbeit mit Flüchtlingen entwickelt wurde und im Internet übrigens kostenlos bezogen werden kann. Spätestens als sich dabei herausstellte, dass der 24-jährige George in seiner Heimat Syrien ebenfalls Pfadfinder war, war das Eis gebrochen und die sonst so präsenten Konflikte spielten keine Rolle mehr. Sowohl für die Syrer als auch für die Israelis war diese Begegnung eine völlig neue Erfahrung. Die teilnehmenden VCPerinnen und VCPer waren sich einig, dass dies nicht der letzte Besuch der Unterkunft war und dass sie sich auch weiterhin für die Geflüchteten engagieren ­wollen. •

Das Ganze haben wir in Absprache mit den Mitarbeitenden in unserem Landesbüro gemacht. Sie haben uns dann gefragt haben, ob wir nicht Lust hätten, einige Jungs mit unser Landeslager zu nehmen. Da haben wir natürlich nicht lange gezögert und zugesagt. Der Kontakt war inzwischen so gut, dass wir keine Bedenken hatten, fünf Jungs aus Afghanistan nach Hauenstein einzuladen. Die Jungs (Bashir, Seraj, Ghaffar, Hasan und Reza; 16 bzw. 17 Jahre) waren reguläre Teilnehmer in unserem Stamm, geschlafen haben sie in einer Kohte und auch am Programm haben sie in ihrer ­Kleingruppe teilgenommen. Dadurch, dass sie mittlerweile schon ziemlich lange in Deutschland leben und auch zur Schule gehen, kann man sich auf Deutsch gut mit ihnen unterhalten und ihnen die Spiele und Aufgaben erklären. Ansonsten haben wir ihnen das einfach direkt gezeigt, bzw. vor gemacht wie es geht. Mich hat vor allem ihr Interesse an den abendlichen Singerrunden überrascht und gefreut, besonders ihr Ehrgeiz, bei den Liedern mitzusingen, auch wenn das nicht immer leicht war. Umso schöner fand ich es zuzusehen, wie viel Spaß sie an leichten Refrains hatten.

Das Landeslager hat allen ziemlich viel Spaß gemacht und die Jungs haben schon angefragt, wie man denn Pfadfinder werden kann. Ich habe ihnen Ansprechpartner aus den Stämmen in Saarbrücken vorgestellt, sie haben ihre Nummern ausgetauscht und werden die Jungs, denke ich, zu kommenden Veranstaltungen einladen. Darüber hinaus wollen wir jetzt auch weiterhin Geflüchtete auf unsere Lager mitnehmen. Als nächstes steht bei uns das Stammes-Sommerlager an. Außerdem würden wir gerne den Kontakt zu geflüchteten Jugendlichen in unserer Nähe verstärken. Vielleicht bekommen sie dann auch Lust darauf, regelmäßig in unsere Sippenstunden zu kommen.

Die Jungs haben schon angefragt, wie man denn Pfadfinder werden kann. Auf Landesebene wurde parallel eine Projektgruppe gegründet, die das Thema nun aktiv in der Öffentlichkeit und im Land RPS ansprechen möchte. Die Projektgruppe setzt sich aus Ranger/Rovern, Teilen der Landesführung und Menschen aus dem

Oben und unten: Gemeinsam kochen macht Spaß und verbindet

Landesbüro zusammen. Unsere ersten Ideen sind: vor Ort mit Stämmen aus unserem Land Aktionstage für Geflüchtete zu organisieren, Arbeitshilfen zu verfassen und die Öffentlichkeit über die Arbeit mit Geflüchteten aufzuklären, umso als VCP-Land Rheinland-Pfalz/Saar Zeichen für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit zu setzen. • Mehr dazu im Blog:

go.vcp.de/vcp-fluechtlingshilfe


vcp christliches Leben

SERVICE /REAKTIONEN

Termine Wann?

Veranstaltungen

Ort

03.08.–14.08.

Roverway

Frankreich

02.09.–04.09.

Bundesleitungs – Klausur

Immenhausen

AUGUST

Und was ­passiert in anp 3/16? Abenteuer­liches … „Wir brechen auf!“ Wohin? Lasst euch überraschen …

Gisela Tidow 11.06.1938 – 04.04.2016 Gisela Tidow, geb. Pöhlmann war für den EMP im Bereich der Landeskirche Hannover und auch auf Bundesebene des EMP tätig. Ihre Zeit als Pfadfinderin in der EMP Schar St. Michael in Hildesheim war für sie wohl eine stark prägende Zeit. Sie wurde Gemeindehelferin und arbeitete von 1962 – 1966 als hauptamtliche Referentin des EMP im Bereich der Landeskirche Hannover im Landesjugendpfarramt.

Fotos: Leonie Engel, privat

Ihr Ideenreichtum, ihr Witz, ihre Spontanität, ihre Fröhlichkeit und ihre klare, eindeutige Haltung zum Auftrag und Ziel des EMP brachten in die Pfadfinderinnenarbeit im Land viel Schwung und Begeisterung. Als Delegierte in der Bundeskonferenz – vor allem in der Zeit der letzten Neuformulierung der Bundesordnung, und später dann bei den Diskussionen zur Frage der Fusion waren nicht nur Giselas Gedanken und Beiträge hilfreich, sondern auch ihre Fähigkeit, diese zu formulieren. Sie überzeugte durch sachlich fundierte Argumentation. Später half Gisela bei dem Findungsprozess für eine EMP Dokumentation entscheidend mit. Aktiv tätig im VCP war sie nur noch selten, es war ihr aber wichtig, Kontakt zu halten. Ich habe jede Begegnung mit ihr als Bereicherung empfunden und werde sie vermissen. Gisela Bögershausen

SEPTEMBER

02.09.–03.09.

RdP/RDP gemeinsame BL-Sitzung = BL 05

Burg Rieneck

02.09.–04.09.

VCP–Redaktionssitzung 3

Bundeszentrale

09.09.–11.09.

Treffen 50+

Neudietendorf

09.09.–11.09.

Fachgruppentreffen 3

Burg Rieneck

23.09.–25.09.

Treffen erweiterte Bundeslagerleitung

Wittenberg

23.09.–25.09.

Bundeslager Vorbereitungstreffen

Burg Rieneck

30.09.–03.10.

Bundesrat III

Burg Rieneck

14.10.–16.10.

Beten und Feten

Büchen

14.10.–16.10.

Bundesleitung 06

Bundeszentrale

14.10.–16.10.

Woodbadgekurs 59 Teil 2

Burg Rieneck

15.10.–16.10.

Ranger/Rover–Treffen FG Afrika

Kronberg/Ts

21.10.–22.10.

Jota–Joti

29.10.–30.10.

VCP–Redaktionssitzung 4

Bundeszentrale

07.11.–09.11.

Singebauhütte

Felsberg

18.11.–20.11.

Hauptberuflichenkonferenz II

Bundeszentrale

18.11.–20.11.

AustauschBar

Bundeszentrale

Bundesrat IV mit International Team Friedenslicht

n.n.

OKTOBER

NOVEMBER

DEZEMBER

18.12.

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anp 02|16

Adress-Etikett bitte hier anbringen

Abbruch

Inhalt

V

AUS DEM VERBAND

Foto: Niklas Tüpker

VORNEWEG DIE BIBEL NEU ENTDECKEN �������������������������������������������������� 04 HEISSKALTER SOMMER: DAS WORLD SCOUT MOOT IN ISLAND ���������������������������������� 05 DIE BURG IST DER OLYMP ����������������������������������������������������� 06 WILLKOMMENSKULTUR LEBEN! RDP-SEMINARE HELFEN DABEI ��������������������������������������������� 07 WIEVIEL INTERNET VERTRÄGT DER VCP ������������������������������� 08

„Auf dem Wittenberger Marktplatz: Aufgebrachte Männer mit Stöcken und Spaten bewaffnet wollen die Schlosskirche erstürmen. Sie schreien: ,Nieder mit dem Klerus! Nieder mit der Kirche! Nieder mit dem Papst!’ Steine fliegen, Heiligenbilder zerbrechen, ein bemaltes Kirchenfenster zersplittert.“ Aus: A. Witt: Aufbruch mit Abbruch. S. 22

SCOUTLAB – DER VCP-HACKATHON ������������������������������������� 10 AUSSTELLUNG #PFADFINDENSHOTS ������������������������������������� 11 BUNDESVERSAMMLUNG 2016 ���������������������������������������������� 12 VOM ALLGÄU IN DIE WEITE WELT ������������������������������������������ 14 WARUM HAT PFADFINDEN STUFEN? ������������������������������������ 15

Foto: Peter Mestel

P

PFADFINDEN

BREITGETRETEN: ABBRUCH BRECHEN ODER BEWAHREN �������������������������������������������������� 18 KEIN ABRISS, SONDERN… ����������������������������������������������������� 20 ENDE EINES HAJKS ���������������������������������������������������������������� 21

C

CHRISTLICHES LEBEN

HIMMELSLEITER AUFBRUCH MIT ABBRUCH: DER BILDERSTURM IN WITTENBERG ����������������������������������� 22

Foto: Leah Klemm

„Der schwebende Sessel hüllt dich in angenehme Düfte und beruhigende Musik, als das Okular sich erneut bemerkbar macht. Du hörst eine Stimme. Du kennst sie, aber kannst sie nicht zuordnen.“ Aus: Nacht in Sektor IV. S. 25

BUNDESLAGER… WARUM EIGENTLICH WITTENBERG? ������ 24 NACHT IN SEKTOR IV ����������������������������������������������������������� 25 MAN MACHT NICHT MEHR SOVIEL FEUER �������������������������� 26 MITMACHEN STATT NUR DABEI SEIN ���������������������������������� 27 KRIMSKRAMS … ����������������������������������������������������������������� 28 KELLERTREPPE ���������������������������������������������������������������������� 32 GLOBUS: KONTIKI IN KAPSTADT ������������������������������������������� 34 BUCHECKE ���������������������������������������������������������������������������� 33 IHR EHRGEIZ HAT MICH BEEINDRUCKT �������������������������������� 36 ORTSGRUPPE WILKE STEDING, CLOPPENBURG �������������������� 38 SERVICE/NACHRUF ��������������������������������������������������������������� 40

„Der Spielenachmittag am Fastnachtsdienstag war ein echter Erfolg. Dran nahmen zehn Kinder und Jugendliche aus Afghanistan teil und hatten Spaß beim Kreppel essen, Luftschlangen pusten und Spiele spielen.“ Aus: Alina Büttner: Ihr Ehrgeiz hat mich beeindruckt. S. 36


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