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Zeitschrift des VCP | Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder 1 P 1963 Nr. 3/2014 | ISSN 1651-2441

anp Gemeinschaft

Leben

Jugend

Besinnung

auf neuem Pfad

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Schön abenteuerlich: das Bundeslager 2014


vcp aus dem Verband

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EDITORIAL 3

Vorneweg

Impressum ISSN 1615-2441 anp (seit 1921) ist die Zeitschrift für die Mitglieder des Verbandes Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP). Sie erscheint viermal im Jahr. Anschrift: VCP-Bundeszentrale Wichernweg 3 D-34121 Kassel Tel.: 0561/7 84 37-10, Fax: 05 61/7 84 37-40 E-Mail: anp@vcp.de, Internet: www.vcp.de Verleger: Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP) e. V. Herausgegeben im Auftrag der Bundesleitung von Hanno Terbuyken Chefredaktion: Diane Tempel-Bornett Ständige Redaktionsmitglieder: Christian van den Boom (Kellertreppe), Peter Brümmer, Jascha Buder, Marc Forkmann, Sandra Grünewald (KrimsKrams), Verena Kunberger, Chris Pollak, Andreas Witt (Himmelsleiter), Philipp Zedelius. Mitarbeit an dieser Ausgabe: Peter Diehl, Ricarda Rattay, Andreas Kläger, Daniel Marx Illustration: Jascha Buder (www.jabu.de) Fotoredaktion: Peter Brümmer Satz und Layout: Chris Pollak (chrispollak.com) und Peter Brümmer (drazilgraphix.de) Druck: Druckerei Strube, Felsberg Anzeigenverwaltung: Dirk Rumpff Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht immer die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich die Kürzung von Artikeln und Leserbriefen vor. Die Redaktion behält sich in Einzelfällen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlage entsprechende Bearbeitungen von Veröffentlichungen vor. (Informationen: www.vcp.de) Der Umwelt zuliebe wird anp auf 100 % Recyclingpapier gedruckt, das mit den Umweltzeichen „Blauer Engel“ und „Nordischer Schwan“ ausgezeichnet ist. Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung und Förderung unserer Arbeit.

FOTO: PETER BRÜMMER

Liebe Leserin, lieber Leser, liebe Pfadfinderinnen und Pfadfinder, alle vier Jahre ergibt sich die einzigartige Gelegenheit, zusammen mit tausenden anderen Pfadfinderinnen und Pfadfindern des VCP ein Bundeslager zu erleben. Diese zehn Tage schreiben für jeden, der da ist, ihre eigene Geschichte. Einige von euren Geschichten erzählen wir in dieser anp. Wir zeigen euch eine Auswahl aus den vielen, vielen Fotos, die die Bundeslagerfotografen auf ihren Speicherchips hatten. Und wir blicken hinter die Kulissen des großen unwetterbedingten Ausfluges, den das ganze Bundeslager diesmal machen musste. Während ihr auf die Busse gewartet habt, ist im Rathaus das Telefon heißgelaufen... Für die anp gibt es Neues, nämlich einen neuen Herausgeber. Hanno Terbuyken, im VCP seit 1992, ist Diplomjournalist, beruflich Portalleiter von www.evangelisch.de und einer der beiden Vorsitzenden des VCPBundesrates. Er wird die anp-Redaktion in Zukunft begleiten. Vor uns liegen ähnliche Herausforderungen, wie sie auch die gesamte Medienbranche vor sich hat: Was macht man mit der gedruckten Zeitschrift, wenn das Digitale immer wichtiger wird? Wir machen uns mit der anp selbst auf einen neuen Weg. Wenn wir angekommen sind, erzählen wir euch, was wir auf diesem Pfad gefunden haben. Bis dahin ist es aber noch weit, und ihr werdet weiterhin eine gedruckte Ausgabe in den Händen halten. So wie diese! Wir laden euch zum Schmökern, Bildergucken und Reinlesen ein und wünschen euch einen wunderbaren Start in die Zeit der Winterhajks-Tipps dazu findet ihr auf Seite 26. Gut Pfad und viel Spaß beim Lesen

Titelbild: Foto: Andreas Kläger

Diane Tempel-Bornett, Chefredakteurin

Hanno Terbuyken, Herausgeber


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4 RÜCKBLICK

vcp aus dem Verband

Pfadfinden weltweit: ein Baum mit vielen Zweigen go.vcp.de/anp1403wosm

Von Judith Lieberich, Wattenberg

Dorothee Böhringer und Judith Lieberich nahmen mit der RdP-Delegation am World Scout Youth Forum in Slowenien teil. Danach begleiteten sie Oliver Mahn, Beauftragter für Internationales und Thomas Kramer, Bundesvorsitzender zur World Scout Conference von WOSM.

Oliver Mahn, Thomas Kramer, Hartmut Keyler, Dorothee Böhringer, Judith Lieberich (v.l.n.r)

Rogla, Slowenien Glücklich und geschafft waren wir nach zwei vollgepackten, aber wunderbaren Wochen in Slowenien. Doch was nehmen wir von diesen zwei pfadfinderischen „Massen-Events“, mit, die auf uns Deutsche so ganz und gar unpfadfinderisch wirkten? Deren Arbeitsweise zugegebenermaßen anfangs ungewohnt für uns war? Natürlich wurden, ähnlich wie auf einer Bundesversammlung eine Menge Anträge verabschiedet, einem neuen Drei-Jahresplan zugestimmt und ein neues World Scout Comittee sowie neue Youth Advisors, die als Jugendvertreter beisitzen, gewählt. Vielleicht habt ihr das schon während der Konferenz auf unserem Delegations-Blog www.rdp-international.de oder auf www.scout.org verfolgt. Vielleicht hattet ihr den Eindruck, dass die Weltebene sehr weit weg von unserer VCP-Arbeit ist. Das ist nachvollziehbar. Gleichzeitig ist mir dort aber auch klar geworden, dass wir als Teil von WOSM nicht nur zum weltweiten Pfadfinden gehören, sondern auch als internationaler Akteur auf vielen Ebenen Einfluss nehmen können. Oder wie der UN-Generalsekretär der Jugend, Ahmad Alhendawi, es ausdrückte: „You can count on Scouts to be active members in their societies and to become global citizens“. Das ist eine große Chance, aber wir übernehmen damit auch Verantwortung. Wie sollen wir damit umgehen? Dazu gibt es bei den WOSM-Mitgliedern ganz unterschiedliche Auffassungen. Ich nehme die Diskussion dazu mit. Sie betrifft auch unsere Arbeit in den Stämmen. Leisten wir durch unsere Jugendarbeit genug? Oder sollten wir uns auch in anderen Bereichen stärker als Pfadfinderinnen und Pfadfinder engagieren? Ein anderes Thema, das vor allem auf dem Jugendforum diskutiert wurde: Jugendarbeitslosigkeit. Wie gehen wir, gerade in Europa damit um, dass unsere

Deutschland präsentiert sich mit Haribo und Rübensirup

Mitglieder einem immer härteren Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind? Wie können wir sie unterstützen, dass die Qualifikationen, die sie bei uns erwerben, auch von potentiellen Arbeitgebern akzeptiert werden? Ein weiteres großes Thema: die Jugendvertretung auf nationaler und internationaler Ebene. Sind Jugendliche und junge Erwachsene wirklich in alle Entscheidungsprozesse integriert? „Diversity & Inclusion“ – auch ein Thema, das uns im VCP angeht. Wie sehen unsere Vorstellungen einer vielfältigen und inklusiven Gemeinschaft aus? Ihr seht: Wir haben viele Denkanstöße und Anregungen mitgenommen. Vieles muss noch diskutiert werden, aber ich habe das beruhigende Gefühl, Teil einer einzigartigen Bewegung zu sein, einer weltweiten Gemeinschaft von Freunden, die im Kleinen und im Großen etwas verändern können. Mehr Informationen zur WOSM-Weltkonferenz unter: go.vcp.de/anp1403wosm. Was ist eigentlich ein „World Scout Youth Forum“ und die „World Scout Conference“? Das World Scout Youth Forum (WSYF) findet alle drei Jahre im Vorfeld der WOSMKonferenz statt. Das Forum gibt Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Möglichkeit, sich auf Weltebene auszutauschen und Themen zu diskutieren, die sie und ihre Arbeit direkt betreffen. Ziel ist es, Jugendliche und junge Erwachsene stärker in Entscheidungsprozesse auf der Weltebene einzubinden. Die World Scout Conference (WSC) ist das eigentliche Entscheidungsorgan auf Weltebene. Man kann sie mit unserer Bundesversammlung vergleichen. Alle nationalen Mitgliedsorganisationen WOSMs sind dort vertreten, diskutieren gesellschaftliche Themen, Herausforderungen der Jugendarbeit und vor allem die Grundlagen unserer Pfadfinderei. Jedes Mal wird ein neues World Scout Comittee, werden Orte für zukünftige internationale Events wie z.B. das Jamboree ausgewählt und über Zukunftsstrategien von WOSM entschieden.


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RÜCKBLICK 5

Taktik, Jubel, klare Worte: WAGGGS-Weltkonferenz Von Jule Lumma, Ludwigshafen

RÜCKBLICK

vcp aus dem Verband

Wichtige Entscheidungen, tanzende Pfadfinderinnen, neue Kontakte, viele Ideen, traditionelle Trachten, neue Geschmackserlebnisse (gute und weniger gute), eine tolle RingeDelegation, internationale WM-Spiele mitten in der Nacht, Pfadfinden weltweit: Die WAGGGS-Weltkonferenz bot ganz viele Eindrücke.

Die deutsche Delegation: Jan Behrendt, Jule Lumma, Carolin Kämmerer-Hardy, Ostara Schwarz, Kristina Knudsen (v.l.n.r.)

Hongkong In Hongkong vertraten Jan Behrendt, Generalsekretär und ich als Bundesvorsitzende den VCP in der Delegation des Rings. Die Europakonferenzen 2013 in Berlin hatten einen Eindruck gegeben. Doch auf Weltebene ist es noch einmal anders: Viel mehr Leute, viel mehr Kulturen: Pfadfinden ist als weltweite Bewegung zu spüren. Noch bevor die Weltkonferenz offiziell startete, gab es für junge Teilnehmerinnen ein eigenes Event. Bei WOSM gibt es das „Youth Forum“, zu dem der VCP Jugenddelegierte sendet. WAGGGS versucht nun auch, junge Teilnehmerinnen auf ihre – meistens erste – Konferenz auf Weltebene einzustimmen. Eine gute Gelegenheit, tiefer in die WAGGGS-Welt einzutauchen und das ein oder andere besser zu verstehen. Den Organisatorinnen gelang es mit einem Programm, das Konferenzinhalte, aber auch WAGGGS-Themen behandelte, einen Kurzausflug in die Hongkonger Innenstadt und einer Schulung zum „Netzwerken“ eine Gemeinschaft der jungen Frauen zu schaffen. Bevor die Weltkonferenz begann, informierten wir uns in Workshops über Anträge und Inhalte, tauschten uns mit allen deutschsprachigen Verbänden aus und diskutierten in der Ringe-Delegation. Schließlich sollten Entscheidungen getroffen werden, bei denen wir Deutschen mit einer Stimme votieren mussten. Häufig musste Jan auch erklären, warum er als Mann mit dabei ist. Gerade im internationalen Kontext sind Jungen und Männer in WAGGGS-Verbänden nicht gerade üblich. Dann begann die Konferenz offiziell. Alle 108 Länder wurden aufgerufen und von allen bejubelt, ein unbeschreibliches Gefühl. Anschließend gab es einen

historischen Moment: Einige Länder wurden als Vollmitglieder aufgenommen. Die Ladys von den Cook Islands mit ihren bunten Blumenkränzen führten einen Freudentanz auf. In den Workshops konnten wir für die Schulungsarbeit und zur Mitgliederentwicklung gute Ideen für den VCP mitnehmen. Beim Speed-Dating befragten wir die Kandidatinnen für das World Board. In den Sitzungspausen wurden Anträge mit anderen Delegationen diskutiert. Und – der Ring gab ein deutliches Statement ab – stellvertretend für mehrere Länder: Wir forderten mehr Transparenz, bessere Kommunikation und klare Antworten im derzeitigen Strukturprozess auf Weltebene. Ein Höhepunkt war die Wahl zum World Board. Sechs neue Mitglieder mussten gewählt werden. Ihre Amtszeit beträgt sechs Jahre, alle drei Jahre werden jeweils sechs neu gewählt. Dabei wird in sechs Runden gewählt. Die Kandidatin, die in der ersten Runde die meisten Stimmen bekommt, hat ihren Platz im World Board sicher. In der nächsten Runde werden alle Stimmen wieder auf null gesetzt. Wie ist das beste Vorgehen, um dabei möglichst wenige Stimmen zu verlieren? Gibt es Absprachen mit anderen Ländern, in welcher Runde wer gewählt wird? Hier muss im Vorfeld eine Taktik zu entwickelt werden: Das ist richtige Politik. Am letzten Konferenztag werden die Anträge nacheinander aufgerufen und abgestimmt. Da ist keine Zeit für Diskussionen oder Beratungspausen –jetzt ist Konzentration angesagt. Schließlich es geht dabei um Arbeitsschwerpunkte, die neue Struktur, Finanzen und neue Weltzentren. Mehr zu den Weltkonferenzen auf go.vcp.de/anp1403woco.

go.vcp.de/anp1403woco


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vcp christliches Leben

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Auf der Suche nach .... Der Reformationshajk auf dem Bundeslager Text: Esther Koch, Kassel; Fotos: Carsten Meier

go.vcp.de/anp1403luther

„Wittenberg? Wo um alles in der Welt liegt das?“ fragt Theo. Auch seine Hajk-Gruppe ist ratlos. Vier Städte sind auf der Karte eingezeichnet – aber ohne Namen. Hinter jedem Kreuz, das eine Stadt markiert, befindet sich eine Koordinate. Die Koordinate der Stadt Wittenberg ist das nächste Ziel. Doch wählt die Gruppe die falsche Stadt, werden sie einen großen Umweg laufen. Dies gilt es zu vermeiden.

Die Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus dem Stamm Jan Hus nehmen am „Reformationshajk“ teil. Dieser Hajk ist anders als die anderen BuLa-Hajks. Denn damit nimmt der VCP gemeinsam mit seinem Kooperationspartner „DenkWege zu Luther“ schon das Bundeslager 2017 in den Blick. Es wird in Wittenberg anlässlich des Reformationsjubiläums stattfinden. So stimmt der Reformationshajk 2014 schon thematisch auf das nächste Bundeslager ein.

WER IST DER SCHWÄBISCHE LUTHER? Württemberg wurde stark von der Reformation geprägt und hat Reformatoren wie Johannes Brenze, Erhard Schnepf und …. hervorgebracht. Und damit sind wir wieder bei unserer Gruppe, die heraus-


vcp christliches Leben

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HIMMELSLEITER 13

Was bedeutet eigentlich Reformation? Die Legende sagt, dass am 31. Oktober 1517 Martin Luther 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg schlug. Er kritisierte damit das Ablasswesen der damaligen Kirche. Damit trat er eine Reformbewegung los, die Kirche, Gesellschaft, Kultur und Politik bis in unsere Zeit hinein verändert hat. Vielen Menschen nahm sie die Angst vor dem Jüngsten Gericht, Staat und Kirche wurden getrennt, die deutsche Sprache wurde entscheidend weiterentwickelt, Musik wurde populär, die und der Einzelne wurde in seiner Bedeutung gestärkt, die ersten Ideen zu Toleranz, Menschenwürde und Grundrechte nahmen hier ihren Anfang. Auch wenn Luther nie vorhatte, eine neue Kirche zu gründen, führten die Ereignisse doch zu einer Spaltung des westlichen Christentums in die katholische, lutherische und reformierte Konfession.

finden will: Wer ist der Reformator, der auch Schwabens Luther genannt wurde? Die Gruppe aus Konstanz macht sich als erste von dreien auf, zu entschlüsseln, wer genau hinter dem klugen und scharfsinnigen Denker steckt, der vor 500 Jahren das Weltbild der Schwaben auf dem Kopf stellte und die Geschichte der Region nachhaltig veränderte. Der Hajk führt sie von Kleinengstingen über den Listhof nach Pfullingen. Den genauen Weg muss sich die Gruppe Stück für Stück erarbeiten. Ausgestattet mit GPS suchen die Pfadis von Cache zu Cache ihren Weg. Ein Cache ist eine Art Schatzkiste. In jedem finden sie einen Textauszug aus dem Leben des Gesuchten. Die Koordinaten für den nächsten Cache bekommen sie aber nur, wenn eine Aufgabe am Ende jedes Textes beantwortet wird. Wann ist der gesuchte Mann geboren? Was studierte er? Für welche Ideen trat er ein? Was machte er in Wittenberg? Und: Wo liegt Wittenberg?

SMARTPHONE FRAGEN? NEIN. Die Versuchung ist groß, das Smartphone zu befragen. Aber dies verbietet die pfadfinderische Ehre. Magdalena fragt unterwegs einen Spaziergänger. Aber der weiß das auch nicht. Schließlich einigt sich die Gruppe per Ausschlussverfahren darauf, dass Wittenberg die Stadt im Nordosten sein muss. Sie werden Recht behalten.

2017 jährt sich dieses Ereignis – ob es so historisch stattgefunden oder nicht- zum 500. Mal. Dieses Jubiläum wird gefeiert werden. Nicht nur, aber besonders von der evangelischen Kirche. Wir als evangelischer Verband feiern mit und zeigen das auch, in dem wir unser Bundeslager 2017 in Wittenberg veranstalten werden. Natürlich ist die Reformation auch ein Schwerpunktthema in unserem Verband. Wir laden mit verschiedenen Angeboten dazu ein, sich mit der Zeit und den Ideen der Reformation zu beschäftigen. Wir werden euch in anp laufend dazu informieren.

Die Gruppe erfährt, dass ihr gesuchter Mann ein großer Verehrer Martin Luthers war und in Reutlingen predigte. Er griff die Missstände in der Kirche wie den Ablasshandel und die Ämterhäufung ebenso an wie Luther. Er gestaltete den Gottesdienst um, der in Reutlingen dann auch auf Deutsch gehalten wurde. Er schrieb eine neue Kirchenordnung, die die Demokratisierung der Kirchengemeinde in Gang setzte. Ihm ist zu verdanken, dass Reutlingen als einzige süddeutsche Stadt neben Nürnberg das Augsburger Bekenntnis unterschrieb – das schließlich zur zentralen Bekenntnisschrift der protestantischen Kirchen wurde. Er galt als standhaft, klug, volksnah und innovativ. Von seinen Anhängern geliebt, von den Verfechtern der „einzig wahren Lehre“ verhasst. Er wurde bedroht, angeklagt und unter Druck gesetzt, aber er hielt an seinen Ideen fest.

KONDITION UND TEAMGEIST SIND NÖTIG Aber diese Aufgaben sind nicht die einzigen Herausforderungen. Auch die Strecke hat es in sich. Knapp 30 km lang führt sie nicht nur über breite Wanderwege, sondern auch über Trampelpfade, Wiesen und durch Waldschluchten. Hier sind Kon-

dition und vor allem Zusammenhalt und Teamgeist gefragt. Aber die Pfadfinderinnen und Pfadfinder halten durch und werden am Ende für ihre Mühen belohnt: Abends stehen sie in der Marienkirche Reutlingen dem Mann gegenüber, auf dessen Spur sie waren: Matthäus Alber! Er begrüßt die erschöpften Pfadis herzlich in seiner Wirkungsstätte, zeigt ihnen die Marienkirche und erzählt aus seinem bewegten Leben. Danach bewirtet Herr Alber – im wirklichen Leben heißt er Dr. med. Christoph Hoffmann-Kuhnt – gemeinsam mit seiner Frau die Jugendlichen mit Getränken und selbstgebackenen Kuchen. Ihnen beiden sei an dieser Stelle nochmals ganz herzlich für die gelungene Überraschung und ihre Mitarbeit als „lebendiger Cache“ gedankt. Die letzte Station der Gruppe ist der Übernachtungsplatz am Listhof. Und was haben sie vom Reformationshajk mitgenommen? „Dass Reformation viel mehr ist als Martin Luther“ sagt Theo und Nico ergänzt grinsend: „Wo Wittenberg liegt.“


vcp Pfadfinden

Ladenhüter? Radieschen! Das Café zur heiteren Verschwendung, pardon, weiteren Verwendung war ein echtes Highlight. Super Stimmung, guter Kaffee… und das Tauschregal. So etwas hätte man auch gerne zuhause – wie vieles, was es nur auf VCP-Bundeslagern gibt. Aber wie kam es dazu? anp fragt Tim Singelmann

anp: Wer kam auf die Idee mit der Tauschbörse? Tim: Grundidee unseres Cafes war – neben der Ausstellung zum Thema Lebensmittelkonsum – einen Raum anzubieten, wo Gruppen ihre übrigen Lebensmittel kreativ weiter verwenden können. Diese Idee entstand in unserem Vorbereitungskreis. Sicher nicht ohne Vorbilder, denn z. B. in Kopenhagen gibt es ein Restaurant, das ähnlich wirtschaftet. Dass unser Tauschregal so dringend angefragt wurde, hätten wir auch nicht erwartet und haben dementsprechend auf dem Lager reagiert und den Schwerpunkt auf das Konzept „Regal“ gelegt. anp: Wer hat denn da getauscht? Tim: Ganz unterschiedliche Personen. Eine gewisse Stammkundschaft hat sich schnell gebildet. Dies waren zumeist Verantwortliche aus den Kochgruppen, die zum Teil unglaublich viel Erfahrung mitbrachten und „einfach mal so“ reinschauten, ob nicht noch was Feines im Regal liegt. Oft sind die Gruppen, die den Müll entsorgen sollten, auch bei uns vorbei geschickt worden, nach dem Motto „bevor ihr das wegwerft, schaut ob ihrs beim Cafe loswerdet“. Zwischendrin kamen auch immer wieder Pfadfinderinnen und Pfadfinder, die ganz konkrete Wünsche hatten. „Hast du noch Nüsse für‘n

Tschai heute Abend?“ oder „Ich brauch ganz schnell Frühstück für 50 Personen, wir haben eine Gastgruppe da.“ Meistens konnten wir helfen. Auch sehr früh morgens und spät abends. Sogar am Besuchstag konnten wir Gäste dafür begeistern, etwas mit zunehmen.

sorgen müssen. Die Mengen, die wir trotz allem abends in unsere Tonne gesteckt haben, fühlten sich auf jeden Fall viel an. Es ist schon schwer, sechs Kisten Salat und eine (Müll-) Tonne Brot weg zuwerfen.

anp: Was ging gut weg, was waren Ladenhüter?

Tim: Für uns war sie ein voller Erfolg! Allerdings nur in Verbindung mit dem Café, in dem Lebensmittel zu Tagesgerichten verarbeitet werden konnten, und dass eine Anlaufstelle angeboten wurde. Über das praktische Tauschen darf auch nicht die theoretische Auseinandersetzung, in unserem Fall die Ausstellung, fehlen. Und ja, alle aus unserem Team sind von der Idee so angezündet worden, dass wir es wohl wieder anbieten würden.

Tim: Besonders beliebt war Obst. Wir haben wenig erhalten und das was da war, ist sofort wieder raus gegangen. Ansonsten sind Grundnahrungsmittel wie z. B. Kartoffeln, Nudeln usw. immer wieder in Mengen aufgelaufen, aber oft auch restlos abgeholt worden. Ladenhüter? Salat, Brot, Rettich, Radieschen! Dies lag aber an der Überversorgung mit diesen Produkten. Es kamen immer wieder Pfadfinderinnen und Pfadfinder die mal ein Laib Brot brauchten. Nur halt nicht in den großen Mengen, die wir vorgehalten haben. anp: Musste viel weg geworfen werden? Tim: Ja, wir haben auch wegwerfen müssen. Ob es aufs Lager gesehen viel war, ist schwer zu sagen. Einige Lebensmittel haben wir zum Beispiel gar nicht erst annehmen können, etwa Frischmilch oder Fleisch. Das haben die Gruppen selbst ent-

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anp: Würdet ihr das wieder machen? War die Tauschbörse ein Erfolg?

anp: Kann man daraus Hinweise für die Mitarbeitendenverpflegung ableiten? Tim: Schwer zu sagen. Da im Vorfeld nicht zu überblicken ist, was rein kommt und was fehlen wird, muss sehr schnell reagiert werden. Ob eine Mitarbeiterverpflegung für hunderte Personen so realisiert werden kann, halte ich zur Zeit noch für fraglich. Aber wir werden genau in diese Richtung weiter denken. anp: Danke, Tim – für deinen Einsatz und das Interview.


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Abenteuer | BULA 2014

Inhalt

v AUS DEM VERBAND PFADFINDEN WELTWEIT: WOSM ……………………………… 4 TAKTIK, JUBEL, KLARE WORTE: WAGGGS ……………………… 5 WENN MAN NUR GROSS GENUG TRÄUMT… ………………… 6 BUNDESFAHRT 2015 …………………………………………… 8

FOTO: JAN-HENDRIK HELM

HAJIMEMASHITE: DIE JAMBOREE-TRUPPS ……………………… 10

c CHRISTLICHES LEBEN HIMMELSLEITER: AUF DER SUCHE NACH… …………………… 12

p PFADFINDEN ABENTEUER BUNDESLAGER: …………………………………… 14 DAS LAGER WIRD GERÄUMT …………………………………… 16 ZUR HEITEREN VERSCHWENDUNG: NACHHALTIGKEIT ………… 19 BÜHNE FREI FÜR DIE MUSIK …………………………………… 20

„Beeindruckend bei diesem Bundeslager ist die riesige Bandbreite von ganz unterschiedlichen Tätigkeiten, damit das Lagerleben funktioniert. Hier kann man alles sehen, was Jugendarbeit ausmacht – wie unter einem Brennglas“. „Hier haben sich viele Leute auch mit vielen Kleinigkeiten große Mühe gegeben. Diese Liebe zum Detail wäre eigentlich nicht nötig, damit es funktioniert. Aber genau das macht eben die Jugendverbandsarbeit so liebenswert.“ Reiner Baur, stellv. Vorsitzender des LJR Baden-Württemberg

KRIMSKRAMS ……………………………………………… 22

FOTO: BUDDY REICHERT

FOTO: ANDREAS KLÄGER

KELLERTREPPE ………………………………………………… 26 BUCHECKE …………………………………………………… 28 STÄMME VOR ORT | Wikinger aus Neumünster …………………… 29 SERVICE/TERMINE ……………………………………………… 30

„Hier kann man sehen, dass sich Kinder und Jugendliche gut entfalten können. Häufig ist ihr Alltag sehr von Institutionen geprägt, gerade auch vom Schulalltag. Dieses Lager ist ein Erfahrungsraum, in dem informell extrem viel gelernt wird: Sie basteln, spielen Gitarre, lesen, kochen, bauen, diskutieren, chillen auch mal, lernen – und zwar freiwillig und den ganzen Tag. Es macht Freude, sich das anzuschauen.“ „Die entspannt gelebte Nachhaltigkeit in der Organisation des Zeltlagers genauso wie in den inhaltlichen Angeboten ist beeindruckend.“ Thomas Poreski, jugendpolitischer Sprecher von Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Landtag in Baden-Württemberg


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