Zeitschrift des VCP | Verband Christlicher PfadďŹ nderinnen und PfadďŹ nder 1 P 1963 Nr. 4/2014 | ISSN 1651-2441
anp Gemeinschaft
Leben
Jugend
Besinnung
auf neuem Pfad
Nervenkitzel
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vcp aus dem Verband
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Impressum
Vorneweg
ISSN 1615-2441 anp (seit 1921) ist die Zeitschrift des Verbandes Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP). Sie erscheint viermal im Jahr. Anschrift: VCP-Bundeszentrale Wichernweg 3 D-34121 Kassel Tel.: 0561/7 84 37-10, Fax: 05 61/7 84 37-40 E-Mail: anp@vcp.de, Internet: www.vcp.de Verleger: Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP) e. V. Herausgegeben im Auftrag des Vorstandes von Hanno Terbuyken Chefredaktion: Diane Tempel-Bornett Ständige Redaktionsmitglieder: Christian van den Boom (Kellertreppe), Peter Brümmer, Jascha Buder, Marc Forkmann, Sandra Grünewald (KrimsKrams), Verena Kunberger, Chris Pollak, Andreas Witt (Himmelsleiter), Philipp Zedelius. Mitarbeit an dieser Ausgabe: Ricarda Rattay und Peter Diehl Illustration: Jascha Buder (www.jabu.de) Fotoredaktion: Peter Brümmer Satz und Layout: Chris Pollak (chrispollak.com) und Peter Brümmer (drazilgraphix.de) Druck: Druckerei Strube, Felsberg Anzeigenverwaltung: Dirk Rumpff Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht immer die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich die Kürzung von Artikeln und Leserbriefen vor. Die Redaktion behält sich in Einzelfällen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlage entsprechende Bearbeitungen von Veröffentlichungen vor. (Informationen: www.vcp.de) Der Umwelt zuliebe wird anp auf 100 % Recyclingpapier gedruckt, das mit den Umweltzeichen „Blauer Engel“ und „Nordischer Schwan“ ausgezeichnet ist. Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung und Förderung unserer Arbeit.
FOTO: PETER BRÜMMER
Liebe Leserinnen, liebe Leser, liebe Pfadfinderinnen und Pfadfinder, kurz vor Weihnachten erreicht euch wieder eine gut gefüllte Ausgabe der anp. Es gibt viele Informationen über den Verband: politische, wirtschaftliche und personelle. Ihr erfahrt, wo VCPerinnen und VCPer aktiv sind und wie sie sich beteiligen. Ihr erfahrt aber auch Erstaunliches aus Japan – das ist sicher nicht nur für Jamboreefans interessant. Ganz bestimmt kennt ihr alle die Weihnachtsgeschichte des Lukas. Aber ist euch schon mal aufgefallen, wie viele brenzlige Situationen Maria und Josef meistern mussten? In der Himmelsleiter könnt ihr die Hintergründe dazu erfahren. Nervenkitzel – das ist das Schwerpunktthema dieser Ausgabe. Und ein bisschen Nervenkitzel gehört doch auch zum Pfadfinden. Aber wie immer haben wir zu diesem Thema einiges recherchiert: Wie fühlt sich eigentlich der freie Fall an? Das erzählt euch ein Fallschirmspringer. Eine Redakteurin lässt sich auf ein schmerzhaftes Computerspiel ein und ein Zivilrichter gibt euch Tipps und Hinweise für unangenehme Situationen, in die Gruppenleiterinnen und -leiter geraten können. Und noch viel mehr Spannendes könnt ihr auf diesen 40 Seiten lesen. Dazu wünschen wir euch Zeit und Muße, wunderschöne freie Tage im Kreise eurer Lieben und freuen uns, euch im nächsten Jahr wiederzutreffen. Gut Pfad und viel Spaß beim Lesen
Titelbild: Foto: Andreas Kläger
Diane Tempel-Bornett, Chefredakteurin
Hanno Terbuyken, Herausgeber
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NERVENKITZEL in der Weihnachtsgeschichte des Lukas
Jesu Geburt
von Andreas Witt, Hamburg
NERVENKITZEL STEUERSCHÄTZUNG Was beabsichtigen die Römer mit dieser Steuerschätzung? Was passiert mit den Steuern? Sicher werden sie wieder steigen. Sind die römischen Beamten korrekt oder korrupt? Die Römer sind schließlich Besatzungsmacht – und von Varus, der in der Provinz Syrien von 7/6 v. Chr. bis 5/4 v. Chr. die Interessen des römischen Kaisers vertrat, heißt es: Er betrat als armer Mann das reiche Syrien, und er verließ als reicher Mann das arme Syrien! Dies ist übrigens derselbe Varus, der in der berühmt-berüchtigten Schlacht vom Teutoburger Wald im Jahre 9 n. Chr. von den Germanen vernichtend geschlagen wurde.
NERVENKITZEL REISEWEG Wir kennen dieses Kribbeln, bevor es endlich losgeht: Was wird uns erwarten? Abenteuer? Probleme? Nazareth, die Heimatstadt von Josef und Maria liegt circa 130 Kilometer Luftlinie von Bethlehem entfernt. Zu Fuß brauchten Maria und Josef dafür rund acht bis zehn Tage. Und unterwegs lauerten viele Gefahren: räuberische Überfälle, aber auch wilde Tiere. Seit dem Jahr 2000 gibt es den circa 160 km langen „Nativity Trail“, einen Wanderweg, der Nazareth und Bethlehem miteinander verbindet. Allerdings folgten bisher nur wenige Pilger den Spuren von Maria und Josef. Da Nazareth in Israel und Bethlehem im Westjordanland/Palästina liegt, führt der Weg nicht nur durch scheinbar unberührte Natur, sondern auch an den Schauplätzen des israelisch-palästinensischen Konflikts wie Kontroll- und Militärstützpunkten entlang. Also: Ähnlich wie damals auch heute eine Nervenkitzel-Route.
Lukas 1.1.
Nervenkitzel: Steuerschätzung
Nervenkitzel: Reiseweg
Nervenkitzel: Schwangerschaft
Nervenkitzel: Geburt Nervenkitzel: Quartiersuche
Nervenkitzel: Engelsvision
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.
NERVENKITZEL SCHWANGERSCHAFT Eine junge Frau erfährt, dass sie schwanger ist. Wie wird ein Partner sich verhalten, der wie Josef genau weiß, dass er eigentlich nicht der biologische Vater sein kann? Wie wird die Schwangerschaft ablaufen? Und welches Risiko bedeutet diese Reise für eine hochschwangere Frau?
NERVENKITZEL GEBURT Verläuft die Geburt ohne Komplikationen? Ist das Kind gesund? Für Maria war es die erste Geburt. Damals war die Säuglingssterblichkeit, die heute in Deutschland bei 4-5 von 1000 Säuglingen liegt aufgrund mangelhafter Hygiene, fehlenden medizinischen Kenntnissen und Epidemien erheblich höher Schätzungen gehen von 30 bis 60% aus.
NERVENKITZEL QUARTIERSSUCHE Maria und Josef haben offensichtlich keine Freunde und Verwandte in Bethlehem, bei denen sie unterkommen können. Sie sind Fremde in einer fremden Stadt. Von orientalischer Gastfreundschaft ist hier wenig zu spüren, die Lage von Maria und Josef erinnert eher an die aktuelle Situation von Flüchtlingen, die auch nicht wissen, wo sie unterkommen werden. Auch wir Pfadfinderinnen und Pfadfinder wissen, wie es sich anfühlt, wenn man bei einem Hajk keinen passenden Schlafplatz findet.
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Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war. Und als acht Tage um waren und man das Kind beschneiden musste, gab man ihm den Namen Jesus, wie er genannt war von dem Engel, ehe er im Mutterleib empfangen war.
Nervenkitzel: Überraschungsbesuch
NERVENKITZEL ÜBERRASCHUNGSBESUCH
Nervenkitzel: Beschneidung
NERVENKITZEL ENGELSVISION Umfragen zufolge glauben in Deutschland rund 40 % der Menschen an Schutzengel. In der Antike war der Glaube an Engel und Dämonen sicher weiter verbreitet. Nach der Erzählung des Lukas müssen die Hirten große Angst gehabt haben, als der Engel des Herrn mit den Worten: „Fürchtet euch nicht!“ zu ihnen trat. Wir können uns vorstellen, wie diese Erscheinung auf sie gewirkt haben mag. Die Hirten diskutieren über das Gesehene und Gehörte. Schließlich beschließen sie, in Bethlehem das Jesuskind zu suchen.
Wer freut sich über unerwarteten Besuch mitten in der Nacht? Maria und Josef und die Hirten kannten sich bestimmt nicht. Auch waren Hirten damals keine besonders angesehene Berufsgruppe, sondern sie standen eher am Rande der Gesellschaft.
NERVENKITZEL BESCHNEIDUNG Die Beschneidung am 8. Tag des Lebens ist auch heutzutage gängige jüdische Praxis. Sie ist die erste große Station im Leben eines männlichen Juden: das sichtbare Zeichen für den Bund, den Gott und Abraham einst geschlossen haben (1. Mose 17.10). Bei der Beschneidung wird das Baby nicht betäubt. Während der Beschneidungsfeier wird auch der Name des Kindes verkündet: Welcher Name ist der richtige für das neugeborenen Kind? Ein moderner Name? Ein alter, traditioneller Name, oder doch vielleicht ein möglichst exotischer? - Der aramäische Name Jeshua (=Jesus) war damals in Israel/Palästina weit verbreitet und bedeutet „Gott hilft/rettet“. Ein Name, der gut zur Weihnachtsgeschichte passt, denn Gott hat offensichtlich Maria und Josef und dem Jesuskind trotz aller widrigen Umstände und brenzligen Situationen stets beigestanden und geholfen.
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Nichts für schwache Nerven
Mit 180 Sachen zurück zur Erde Viele Menschen haben den Traum vom Fliegen. Aber nur wenige können ihn realisieren. Zu ihnen gehören Fallschirmspringer. anp hat einen befragt.
Das Interview führte Marc Forkmann, Mainz-Kastel Fotos: Ulrich Kammertöns und Reinhold Hertel
anp: Hajo, wann hast du dich fürs Fallschirmspringen entschieden? Hajo: Als ich zur Bundeswehr eingezogen wurde, konnte ich meinen Wunsch bei der Musterung angeben. Dem wurde entsprochen und ich kam zu einer Fallschirmspringereinheit. Diesen Sport betreibe ich heute zivil weiter. anp: Wie war deine Ausbildung bei der Bundeswehr? Hajo: Zunächst muss man wissen, dass die Fallschirme bei der Bundeswehr anders
sind als beim zivilen Sport. Sie haben eine Rundkappe und werden beim Sprung vom Flugzeug ausgelöst. Reißleine heißt das im Volksmund. Wir hatten zwei Wochen lang umfangreiche Bodenübungen und dann ging es ins Flugzeug. anp: Wie wird heute zivil ausgebildet? Hajo: Als Sprungschüler wird man von zwei Lehrern begleitet. Sie halten dich beim Sprung fest, stabilisieren dich und führen dich in die Haltung, wie du fallen sollst. Dazu kommen theoretische und
praktische Prüfungen. Wer alles bestanden hat, bekommt eine Lizenz ausgestellt, die mittlerweile ein Leben lang gültig ist. anp: Wie war dein erster Sprung alleine? Hajo: Der fand bei der Bundeswehr statt. Dank der intensiven Ausbildung war ich so gedrillt, dass alles automatisch ablief. anp: Welche Vorbereitungen sind vor jedem Sprung notwendig? Hajo: Das Prüfen eines Fallschirms ist nicht so kompliziert, wie sich manche vorstel-
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len. Es gibt keine Checklisten und wer will kann professionellen Packern vertrauen. Ich packe meinen Hauptschirm selbst. Anschließend ziehe ich mein Equipment an und steige ins Flugzeug. anp: Was kostet ein Fallschirm? Hajo: Der Hauptschirm kostet um die 1.500 bis 2.000 €. Dazu kommt noch ein Reservefallschirm, der um die 1.000 bis 1.500 € kostet. Ich habe noch einen Öffnungsautomaten dabei, der etwa 1.200 € kostet. Zum Schluss kommt noch das „Gurtzeug“ – also die Verpackung … im Wert von 2.000 €.
anp: Aus welcher Höhe springt ihr und wie kalt ist es da oben? Hajo: Die reguläre Absprunghöhe beträgt 4.000 Meter. Im Winter kann es dort unangenehm werden, -24°C oder noch weniger. Im Sommer ist es angenehm. anp: Gibt es Kleidervorschriften? Hajo: Nein. Aber eine Grundausstattung aus Kopfschutz, Augenschutz und feste Schuhe sollte man haben. anp: Woher weißt du, wann der Schirm geöffnet werden muss? Hajo: Im Kopfschutz befindet sich ein Höhenmesser. Dieser fängt in einer Höhe von 1.000 bis 800 Meter an zu piepen. Ferner trage ich am Armgelenk einen weiteren Höhenmesser.
anp: Wie muss das Wetter sein? Hajo: Als normale Teilnehmer am Luftverkehr sind wir an den gesetzlich vorgeschriebenen Sichtflugbedingungen gebunden. Daher brauchen wir größtenteils wolkenfreien Himmel für eine uneingeschränkte Sicht. Dies gilt auch für Flugzeugführer.
anp: Wie fühlt sich der freier Fall und der anschließende Gleitflug an? Hajo: Der freie Fall ist wie wenn du auf einem Luftpolster liegst...
anp: Sieht man euch auf einem Radar? Hajo: Nein wir sind auf einem Radar unsichtbar. Daher muss man vor einem Sprung sich umschauen. anp: Sind eure Sprunggebiete ausgewiesen? Hajo: Die Sprungplätze sind auf den Luftfahrerkarten ausgewiesen. Die Flugzeugführer wissen das.
anp: ...als würde man gegen starken Wind laufen? Hajo: Ja... aber es gibt nichts vergleichbares, was am Boden stattfindet. Du kannst auch mit Armen und Beinen steuern und somit deine Freifallposition verändern. Man kann nach links oder nach rechts drehen, vorwärts und rückwärts fahren, seitwärts schieben und seine
Fallgeschwindigkeit anpassen. anp: Der Gleitflug? Er ist ruhiger? Hajo: Ja, ich hänge wie eine Marionette an Gurten und steuere den Schirm. anp: Welche Geschwindigkeiten werden erreicht? Hajo: Im freien Fall um 180 Stundenkilometer. Am Schirm beträgt die Sinkgeschwindigkeit je nach Typ um die fünf bis sechs Meter pro Sekunde. Flächenfallschirme sind noch langsamer. anp: Wie orientierst du dich in der Luft? Hajo: Vor dem Absprung muss ich nach Bodenmarken schauen. Bei Windstille springe ich direkt über den Sprungplatz ab. Weht Wind, muss ich diesen einberechnen, da ich ansonsten abgetrieben werde. Mit der Zeit kennt man die Plätze und ich weiß, woran ich mich orientiere. anp: Schon mal verflogen? Hajo: Ja. Wenn man den Wind falsch kalkuliert hat, kann es mal schon vorkommen, dass man nicht am vorgesehenen Ort landet. Ich versuche irgendwo auf einer freien Wiese oder freiem Gelände zu landen. anp: Wie kommst du dann nach Hause? Hajo: Zu Fuß... Normalerweise bekommen
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Was bedeutet Nervenkitzel? àà
die Leute am Sprungplatz das mit und schicken ein Auto los. anp: Das ist nicht weit weg? Hajo: Nein, lass das mal einen oder zwei Kilometer sein. anp: Hattest du schon mal eine kritische Situation? Hajo: Ja, ich musste ein paar Mal den Reservefallschirm ziehen. anp: Warum? Hajo: Es könnte ein Packfehler sein oder einfach nur Pech. Gelegentlich öffnet sich der Hauptschirm nur teilweise, eine Leine reißt durch Überbeanspruchung oder eine Leine hat sich mit dem Schirm verwickelt. Dann ist dieser nicht mehr steuerbar und ich muss Reserve ziehen. anp: Der Hauptschirm ist praktisch weg? Hajo: Den trenne ich vom Gurtzeug und lass mich ein paar Meter durchfallen. Dann ziehe ich den Reserveschirm. Der zeitliche Abstand ist deshalb wichtig, damit sich der Hauptschirm und der Reserveschirm nicht ineinander verheddern. anp: Danke fürs Gespräch. Danke an den Fallschirmsport Marl e. V. für den Support. Weitere Infos gibt es unter www.fallschirmsport-marl.de
Die Definition im Duden lautet: „mit angenehmen Gefühlen verbundene Erregung der Nerven durch die Gefährlichkeit, Spannung einer Situation“. Nervenkitzel bedeutet also: Man begibt sich also absichtlich in Gefahr, um hinterher positive Gefühle zu erfahren. Wie lässt sich sonst der Erfolg von Geisterbahnen, Freifalltürmen und Achterbahnen auf Rummelplätzen erklären?
von Verena Kunberger, Stuttgart
Kinder erleben Nervenkitzel recht häufig. Das Stück Wald, das sie durchqueren müssen, die Sportstunde, die sie vielleicht hassen, der riesige kläffende Nachbarhund, an dem sie vorbeigehen müssen – viele Ängste müssen überwunden und Situationen überstanden werden, vor denen sie Angst haben. Mutproben gehören zur Kindheit dazu, denn dadurch lernen Kinder mit ihren Ängsten umzugehen und ihre Fähigkeiten richtig einzuschätzen. Je älter wir werden, desto besser wir uns und unsere Umwelt kennen, desto weniger Dinge machen uns Angst. Trotzdem möchten wir uns beweisen und Mut zeigen. Manche gehen dafür zum Bungee- oder Fallschirmspringen. Der kurze Kick lässt einen für einen Moment spüren, dass das Leben endlich ist und nur an einem Gummiseil hängt. Doch auch andere Extremsituationen fordern unseren Nerven alles ab. Ein Hajk beispielweise fordert uns in Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen heraus. Auf halber Strecke möchten wir vielleicht auch mal aufgeben, aber wir quälen uns weiter bis zum Ziel. Am Ende werden wir jedoch nicht mit nur mit Endorphinen und Adrenalin belohnt, sondern mit einer Erfahrung, auf die wir stolz sein können.
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Die Dunkelheit taucht die Umgebung in finstere Farben. Bäume werden zu großen Schatten. Es knackt im Geäst: Flattern, Knirschen, ein Fiepen. Mit der Finsternis kommen der Hunger und die Müdigkeit, Erschöpfung macht sich breit. Ein geeigneter Lagerplatz wird im Wald gesucht. Doch wo soll die Kohte am besten aufgebaut werden? Am Wegesrand oder lieber tiefer im Dickicht? „Wir zelten schwarz“. Das Risiko, erwischt und mit lauten Vorwürfen eines Jägers oder Försters vom Platz verjagt zu werden, ist ein ständiger Begleiter.
Wir zelten schwarz... Pfadfinden ist einfach aufregend.
Von Ricarda Rattay, Lüneburg
FAST JEDE PFADFINDERISCHE AKTIVITÄT IST MIT NERVENKITZEL VERBUNDEN. Pfadfinden bedeutet Herausforderung, an seine eigenen Grenzen kommen. Sich selbst unbequemen Erfahrungen stellen und im Nachhinein stolz darauf zu sein, sie gemeistert zu haben. Während einige die Kohte aufbauen, macht sich einer in der Dunkelheit auf die Suche nach Feuerholz und muss sich dafür von der Gruppe entfernen. Zwei andere machen sich auf den Weg, um nach Wasser zu suchen oder zu fragen. Von ihnen ist die warme Mahlzeit am Abend abhängig, deshalb hoffen alle auf eine erfolgreiche Wassersuche. Während in der Ferne ein Gewitter aufzieht, kommt die Gruppe wieder zusammen, versucht mit
feuchtem Holz ein Feuer zu entfachen. Es ist kalt, die Laune am Tiefpunkt. Der Sturm nähert sich, die Pfadis ziehen sich in die Kohte zurück und hören dem dumpfen Donnern zu, während sie hoffen, dass das Zelt den Regen erfolgreich abhält und kein Blitz einschlägt.
NICHT NUR AUF FAHRTEN BEGLEITET PFADFINDERINNEN UND PFADFINDER DIE UNGEWISSHEIT, WAS PASSIEREN WIRD. Ein junger Gruppenleiter, der vor seinem ersten Heimabend steht, wird gewiss gespannt sein, ob er die neuen Kinder begeistern und sein Programm einwandfrei umsetzen kann. Nervenkitzel bedeutet aber auch Stress, beispielsweise mit einer großen Gruppe am Freitag zur Haupt-
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FOTO: JAN-HENDRIK HELM
FOTO: JAN-HENDRIK HELM
FOTO: ANDREAS KLÄGER
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ZURÜCK ZU UNSERER GRUPPE:
FOTO: ROMAN HEIMHUBER
verkehrszeit quer durch das Land Zug zu fahren und zu hoffen, dass niemand verloren geht…
ES ERFORDERT MUT, PFADI ZU SEIN. Sich an die Seile der Jurte zu hängen, damit das Zelt im Sturmgebraus nicht davon fliegt. Trotz Erschöpfung das Geröllfeld hinunter zu klettern, weil dies der kürzeste Weg ist. Im Kletterpark die Höhenangst zu bezwingen, vor dem Stammesrat ein Anliegen hervorzubringen, sich dem Lampenfieber vor dem Auftritt bei einem Singewettstreit zu stellen. Dies sind kleinere und größere Herausforderungen, denen wir uns gerne stellen – denn im Nachhinein können wir stolz darauf sein, diese gemeistert zu haben.
Nach der stürmischen Nacht wärmen die ersten Sonnenstrahlen die schwarzen Zeltbahnen auf. Die Pfadis erwachen nach und nach. Geschwind werden die Sachen zusammen gesammelt. Ohne einen Hinweis auf ihre Übernachtung zu hinterlassen, verlassen sie den Platz und machen sich auf den Weg. Nach ihrer Fahrt werden sie ihren Freunden und Familien eine Menge zu erzählen haben. Wie sich einer den Knöchel verletzte und die anderen sein Gepäck über ein weites Stück trugen. Von der Nacht, in der sie in den See sprangen und die Sternschnuppen vom Wasser aus zählten. Wie eine Gruppe lauter Jugendlicher an einem anderen Abend auf dem Parkplatz eine große Feier veranstaltete und sie die Kohte abbauen und zu einem ruhigeren Ort weiter wandern mussten. Von der Kuhherde, die neugierig am Zelt herum knabberte und es beinahe umwarf. Oder wie sie von netten Dorfbewohnern zum Essen eingeladen wurden und bei ihnen im Wohnzimmer schlafen durften.
DIE MÜNZE ENTSCHEIDET ALLES Andere Pfadfinderinnen und Pfadfinder eroberten mit der Brigantine „Falado von Rhodos“ die Meere, paddelten mit Kajaks durch einen Industriehafen an Containerschiffen vorbei, schmuggelten das Friedenslicht über weite Strecken in der Deutschen Bahn oder machten sämtliche Entscheidungen auf einer Fahrt von dem Zufallswurf einer Münze abhängig. Sie waren bei Räumungsaktionen großer Zeltlager dabei, übernahmen erste Aufgaben in der Gruppe oder im Stamm, trauten sich alleine ohne Gruppenleitung in eine andere Stadt zu fahren und dort im Pfadfinderheim zu übernachten.
NERVENKITZEL – GEHÖRT EINFACH ZUM PFADFINDEN. Er macht nicht nur Veranstaltungen zu etwas Besonderen, an die man sich noch lange erinnern wird. Er stärkt uns, unsere Fähigkeiten und den Gruppenzusammenhalt. Schließlich schweißen solche Erfahrungen zusammen. Er lässt uns mutig sein, indem wir uns zum Beispiel trauen, jemanden um Hilfe zu bitten oder unsere Unterstützung anzubieten. Trotz all dieser aufregenden Erlebnisse und Momente, die nicht immer nur toll sind, stellen wir uns weiteren Abenteuern. Nie wissend, was als Nächstes passieren wird.
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Besinnung | Nervenkitzel
Inhalt
v AUS DEM VERBAND BERLINER PFADIS WAREN BALLONPATEN ……………………… 04 AUSSERORDENTLICHE BUNDESVERSAMMLUNG ……………… 05 VCPER IM AEJ-VORSTAND ……………………………………… 06 JUGENDKONGRESS BIODIVERSITÄT …………………………… 07 FEUERGÖTTER, TEE UND HAKENKREUZE ……………………… 08
c CHRISTLICHES LEBEN
„Stellen wir uns den Buddhismus oft ganz still vor, so wie die Teezeremonie, die durch den Zen-Buddhismus geprägt ist, so lebt der Shintoismus auch besonders von seinen großen Festen, den Matsuri.“ P. von Stockhausen: Feuergötter, Tee und Hakenkreuze. S. 8
HELFEN IST AUFREGEND… …………………………………… 10 NERVENKITZEL IN DER WEIHNACHTSGESCHICHTE ……………… 12
p PFADFINDEN NERVENKITZEL: NICHTS FÜR SCHWACHE NERVEN ……………………………… 14
„Eine junge Frau erfährt, dass sie schwanger ist. Wie wird ein Partner sich verhalten, der wie Josef genau weiß, dass er eigentlich nicht der biologische Vater sein kann?.“ A. Witt: Nervenkitzel in der Weihnachtsgeschichte des Lukas. S.12
LEIDEN KANN LAUNE MACHEN ………………………………… 17 LACHEN UND LEIDEN: BIST DU KITZLIG? ……………………… 18 NOCH KEIN GESCHENK GEFUNDEN? …………………………… 19
FOTO: ULRICH KAMMERTÖNS
MIT EINEM BEIN IM KNAST?
………………………………… 20
WIR ZELTEN SCHWARZ ………………………………………… 22 KRIMSKRAMS ……………………………………………… 24
KELLERTREPPE ………………………………………………… 28 BUCHECKE …………………………………………………… 30 UND WIE HEISST EUER STAMM? ……………………………… 31 SERVICE/REAKTIONEN/TERMINE ……………………………… 32
NEUER MITGLIEDSAUSWEIS …………………………………… 34 JAHRESABSCHLUSS …………………………………………… 35 BEITRAGSMARKEN/HINWEISE ZUR BEITRAGSERMÄSSIGUNG … 36
FOTO: ANDREAS KLÄGER
ANTRÄGE ZUR BEITRAGSERMÄSSIGUNG ……………………… 37 BEITRAGSORDNUNG …………………………………………… 39
„Die Rucksäcke von Kindern darf man ohne konkrete Hinweise jedenfalls nicht durchsuchen!“ O. Kiel: Mit einem Bein im Knast? Nervenkitzel Gruppenleitung. S. 20
„Er stärkt uns, unsere Fähigkeiten und den Gruppenzusammenhalt. Schließlich schweißen solche Erfahrungen zusammen.“ R. Rattay: Wir zelten schwarz. S. 22