Leseprobe Clemens Meyer & Claudius Nießen - Zwei Himmelhunde

Page 1


162


Zwei Himmelhunde sind nicht zu fassen Wir gucken die MONSTER­BOX: zwanzig Bud Spencer/Terence Hill-Filme in einer Woche. Wir haben uns verändert, diese Woche hat uns verändert, nach fast 2000 Minuten brillanter Dialoge, gewitzter Plots, spektakulärer Moves und großer Abenteuer sind wir hungrig. Hungrig nach echter Äkschn, nach Dampfhammerschlägen, doppelten Backpfeifen, nach Nackenschellen, nach guten alten Kinnschwingern, und ab und an gibt’s auch ganz trocken einen Tritt in die Kronjuwelen. Inspiriert ziehen wir los. Am Hauptbahnhof Leipzig überkommt uns eine kleine Schwäche, wir kehren ein in der Gleisbar 8, einer liebenswerten Spencer/Hill-Spelunke, wo wir einige Erfrischungsbiere zu uns nehmen, ganz im Stil unserer Helden. Trinken ohne viele Worte, nur ab und an etwas Luft ablassen zwischendrin, der gute alte Druckausgleich. Wir stehen am Ticketautomaten, aber irgendwie haut’s nicht hin. Der Dicke drischt wie blöde mit seinem DAMPFHAMMER von oben auf den Automaten. Der andere HIMMELHUND feuert ihn an: „Gib ihm ordentlich eins aufs Blechdach!“ HIMMELHUND 2: „Der spuckt einfach nichts aus!“ HIMMELHUND 1: „Du bist doch zu dämlich, einen Eimer Wasser hochzuziehen!“ HIMMELHUND 2: „Und du bist schlimmer, als wenn einem ein Schwarm Hornissen um den nackten Hintern rumliegt.“ Die Kombination aus 2000 Minuten und vier großen Bieren in der Gleisbar 8 verhindert einen Geistesblitz: Einfach mal Geld einwerfen.

163


„Sag mal, wollen die uns jetzt verarschen?“ Schon sind wir im Zug. Das ostdeutsche Ödland, das zwischen Leipzig und Berlin an uns vorbeiliegt, erinnert uns an die staubigen Wüsten und menschenleeren Prärien in VIER FÄUSTE FÜR EIN HALLELUJA. Im Westernstädchen Bitterfeld müssen Bud Spencer und Terence Hill schon gewesen sein, so verlassen, wie es hier ausschaut … In den schwarzen Ledersesseln der 1. Klasse dämmern wir der Hauptstadt entgegen und fallen schon bald in einen tiefen, ticketlosen Schlaf. In unseren Träumen scheint es uns, als würden erst ein Schafner, dann drei Zugbegleiter lamentierend vor uns stehen, sie rütteln an uns, sie rufen, und irgendwann schreien sie nur noch, doch Bud Spencer träumt von GYROS­PIZZA, Terence Hill von BOHNEN MIT SPECK. Von einem UNNACHGIEBIGEN DRANG wachen wir auf und kriegen so noch mit, wie der inzwischen einige Meter entfernt Stellung bezogen habende SCHAFFNERTRUPP telefonisch die Bundespolizei informiert. HIMMELHUND 1: „Du musst Buße tun, bekümmert sein und Betrofenheit zeigen.“ HIMMELHUND 2: „Mach ich, bin betrofen, und jetzt erteilen wir die Absolution, sonst dreh ich denen die Riechpriemen weg.“ HIMMELHUND 1: „Du gehst wohl besser erst mal zur Beichte!“ Also verstecken wir uns auf dem Klo. Der Klassiker. Die Tür verriegeln wir nicht, um die Schafnerbande und die BUNDESPOLI­ ZEI zu täuschen. Eine Berlin-Mitte-Mutti mit nölendem Kleinkind öfnet die Tür. Der Dicke auf der Kloschüssel grunzt. Erschrocken weichen Mutter und Kind zurück. HIMMELHUND 1: „Hier ist kein Gold, hier hat der Dicke vor Jahren ne Tellermine auf Eis gelegt.“

164


HIMMELHUND 2: „Du krähst hier rum wie der Gruppenhansel von der Laienspielgruppe!“ Im Hauptbahnhof steigen wir aus, von der Staatsmacht weit und breit nichts zu sehen. Die HIMMELHUNDE haben Knast, und zwar üblen Knast. Wir schwingen uns in ein Taxi. Unser Plan, in dem vegetarischen In-Schuppen COOKIES CREAM einzureiten, wird vom Taxifahrer vereitelt. Mit Blick auf Buddy meint er: „Da ist Ärger vorprogrammiert!“ Stattdessen fährt er uns ins GRILL ROYAL. An der Tür erwartet uns ein Dödel. „Haben Sie reserviert?“ HIMMELHUND 1: „Nee. Aber sperr ma deine Glubscher auf, erkennst du den bärtigen Bierbauch etwa nicht?“ Ein zweiter Dödel taucht auf und lüstert aufgeregt zu Dödel 1: „Das ist Tech-Nick!“ Dödel 1: „Was, der aus der Media-Markt-Werbung?“ HIMMELHUND 2 schaltet sich ein: „Ist Saturn, aber passt schon!“ Sofort werden wir platziert, Fensterblick. Dödel 3 betritt die Bildläche: „Darf ich Ihnen die Karte reichen?“ DIE HIMMELHUNDE: „Gib her den Fetzen!“ HIMMELHUND 2: „Ich hofe, der hat KEKSE?“ HIMMELHUND 1: „Kekse?“ HIMMELHUND 2: „Ja, mit Schokoguss. Dafür hab ich schon mal einem mitm Vorschlaghammer n Scheitel gezogen!“ HIMMELHUND 1: „Hier gibt’s Fleisch, du Banause!“ HIMMELHUND 2 zu Dödel 3: „Na dann trab mal an!“ „Meine Herren, heute Abend kann ich Ihnen empfehlen …“ „FLEISCH!!!“, brüllen die HIMMELHUNDE im Chor. (Bud zum Kellner: „Ein Kalb mit vier Zentnern Kartofeln! Und ne Flasche Champagner zum KNORPELSPÜLEN!“)

165


Zwei Tische weiter dreht sich ne haarlose Latte um und schaut missbilligend zu uns rüber. HIMMELHUND 1: „Ist das nicht dieser Lauter-Dings, das alte Abstinenzler-Elend?“ HIMMELHUND 2: „Der soll sich ma schön über seinen Teller beugen, sonst demolier ich ihm seine Visage.“ HIMMELHUND 1: „Ruhig, ruhig, der hatte schon n Herzinfarkt!“ Die drei Dödel schieben sich ins Bild und fangen an zu servieren. „180 Gramm Pommersches Rinderilet, vier Wochen gereift, mit Sauce Bernaise und Pimientos de Padrón.“ HIMMELHUND 2: „Kannste mir ma ne Lupe reichen, damit ich das Ding auf dem Riesenteller auch inde?“ HIMMELHUND 1: „Brauchste keine Lupe, sieht aus wie ein Scheißhaufen.“ HIMMELHUND 2: „Ziemlich kleiner Scheißhaufen. Eher so Kaninchenköttel.“ Ein Oberdödel erscheint. Beschwichtigend legt er seinen Zeigeinger auf die Lippen. „Darf ich Sie bitten, Ihre Konversation ein wenig leiser fortzusetzen.“ HIMMELHUND 1: „Ich bin taub auf dem Ohr! Und zwar wirklich taub! Deswegen rede ich so laut, damit ich mich selbst verstehe. Noch so n Spruch und ich mach n Wäschetrockner aus DEINEM Ohr!“ Das große Fressen beginnt. Wir lassen noch einmal Fleisch auffahren und legen los, als hätten wir 2000 Minuten nichts mehr gegessen. ZWEI AUSSER RAND UND BAND! HIMMELHUND 2 zwischen zwei Gabelhappen, die den Teller leeren: „Mir werden die Hände schwach und die Knie feucht!“ HIMMELHUND 1: „Selber essen macht gesund!“ Ein herzhafter RÜLPS lässt das Restaurant zusammenzucken. Teller klirren.

166


HIMMELHUND 2 hat Brand und setzt ohne Umwege über das Glas die Champagnerlasche an seine Lippen. Die Dödel stehen hinter der Bar und tuscheln. Doch ZWEI SIND NICHT ZU BREMSEN. Während der Dicke noch Nachtisch ordern will, bringen die Dödel ungefragt die Rechnung. Das war wohl ein Furz zu viel. HIMMELHUND 1 reagiert prompt auf diesen Rauswurf: „Hör mal zu, du Meisenarsch, jetzt mach mal ganz schnell diesen hier, ja? Oder willst du deine Schwingen in ner Schlinge tragen?“ Wir legen stapelweise kleine Scheine auf den Tisch und ein paar Münzen aus Muttis Sparschwein. Dann sind wir auch schon draußen. Wir wollen in ein Taxi springen, aus dem gerade die Ochsenknecht-Söhne steigen. Die beiden verstehen uns miss und denken, wir wollen Autogramme, aber sie bekommen das, was sie schon lange verdient haben. Nackenschellen, Doppelhandbackpfeifen und den guten alten Dampfhammer. Im Zug zwei Dosenbier und die Erkenntnis, dass dry aged beef wohl doch halluzinogene Wirkung haben kann, oder waren das die zwanzig Filme am Stück? Von einem brutalen Überfall auf die Ochsenknecht-Jungs ist jedenfalls am nächsten Tag nichts in der Zeitung zu lesen. Aber vielleicht haben sie sich einfach nur geschämt, dass zwei räudige Typen sie so in die Mangel genommen haben. Und im Zug träumen wir weiter von den großen Abenteuern der HIMMELHUNDE. Wir wollen mit Strandbuggys durch Leipzig düsen, Stoßstange an Stoßstange, ZWEI WIE PECH UND SCHWEFEL. Wir wollen den Mitropa-Koch zwingen, uns eine Pfanne Bohnen zu servieren. Wir wollen eine alte Frachtmaschine vom Typ DC-3 in einen Hangar semmeln wie ZWEI HIMMELHUNDE AUF DEM WEG ZUR HöLLE.

167


Wir wollen die Knarren von Großwildjägern mit Platzpatronen füllen wie DAS KROKODIL UND SEIN NILPFERD. Wir wollen Telly Savalas den Lolli klauen wie DER DICKE UND DAS WARZENSCHWEIN. Wir wollen mit ein paar Dampfhammerschlägen alle Probleme lösen und der Maia zeigen, dass auch ENGEL BOHNEN ESSEN. Wir wollen Boxtrainer sein und trotz Übergewicht alle durchtrainierten Sportler wegklatschen wie DER BOMBER. Die HIMMELHUNDE wollen als Stuntman und als bärbeißiger Jazz-Saxophonist ein schwimmendes Kasino aufmischen mit VIER FÄUSTEN GEGEN RIO. Wir möchten gerne JOE DER GALGENVOGEL heißen. Wir hätten gerne Superkräfte, sobald wir ROT sehen wie Dave Speed, DER SUPERCOP. Wir wollen ein fotograisches Gedächtnis haben wie Johnny, der mit seinem Halbbruder Charlie, einem ehemaligen Berufsspieler, ein Verbrechersyndikat bescheißt und damit ein WAISEN­ HAUS rettet, denn diese ZWEI SIND NICHT ZU BREMSEN. Wir wollen uns einen Hamburger aus der Hand eines Spitzels zubereiten (extra Mayo und doppelt Käse) wie ZWEI BÄREN­ STARKE TYPEN. Wir wollen einen kleinen Außerirdischen beschützen, der wie ein ganz normaler kleiner Junge aussieht, wie in DER GROSSE MIT SEINEM AUSSERIRDISCHEN KLEINEN. Wir wollen einfach auch einmal gemütlich CAMPEN mit unserer Familie, so wie BUD, DER GANOVENSCHRECK. Wir wollen auf einer einsamen Insel einen Goldschatz suchen und uns dabei nicht von einer Piratenbande, einem irren Japaner und einem AUSGEWACHSENEN TAIFUN beirren lassen, denn ZWEI ASSE TRUMPFEN AUF. Wir wollen die MIAMI COPS sein, die eigentlich FBI-Agenten sind.

168


Nur einer von uns ist DER DICKE IN MEXIKO. Bananenbootfahrer wollen wir aber beide sein, denn liebenswerte Hinterwäldler wie BANANA JOE haben den härtesten BUMMS. Wir wollen endlich einmal BULLEN spielen, Autos anhalten, Menschen verhaften und die blaue Murmel aufs Dach setzen, wie die GELEGENHEITSGANOVEN Wilbur Walsh und Matt Kirby in ZWEI AUSSER RAND UND BAND. Wir wollen wahlweise der kleine und der müde Joe sein in DIE RECHTE UND DIE LINKE HAND DES TEUFELS und den wilden Osten aufmischen. „Meine Damen und Herren, wir erreichen in wenigen Minuten unseren Zielbahnhof Leipzig, dieser Zug endet hier. Wir wünschen allen Fahrgästen eine angenehme Weiterreise und eine gute Nacht. Wir würden uns freuen, Sie bald wieder an Bord begrüßen zu dürfen.“

169



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.