Brückenbau 1-2/2013

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Ausgabe 1/2 . 2013

13. Symposium Brückenbau in Leipzig

www.verlagsgruppewiederspahn.de

1867-643X 1/2 . 2013 | ISSN BRÜCKENBAU

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EDITORIAL Zum (dreizehnten) Symposium in Leipzig

Brückenbauwerke mit Vorbildfunktion von Michael Wiederspahn

Dipl.-Ing. Michael Wiederspahn

Warum manche Aufrufe sehr und andere weniger erfolgreich sind, sie trotz ähnlichen oder sogar identischen Inhalts eine große Resonanz entfalten oder aber ungehört verhallen, lässt sich bisweilen nicht auf Anhieb entschlüsseln, erscheint dann mitunter ziemlich rätselhaft und bedarf deshalb wohl auch einer Erörterung durch Demoskopen und Soziologen, die sich für derartige Phänomene ja zu begeistern vermögen. In den meisten Fällen braucht man also lediglich abzuwarten, welche Interpretationsmodelle einem Markt- und Meinungsforscher hier anbieten, um Kampagnen jedweder Natur irgendwann ein bisschen zielgruppenorientierter ab- oder zumindest auffassen zu können.

Wenn indessen, was gelegentlich passiert, selbst allseits akzeptierte Ansprüche und kaum zu leugnende Prinzipien keine adäquate Beachtung finden, sie zwar vordergründig eine breite Zustimmung erfahren, in der konkreten Anwendung hingegen oft unberücksichtigt bleiben, gewinnt der Wunsch nach Aufklärung, die Frage nach der Ursache für ihre fehlende »Durchschlagskraft« an Gewicht. Die schönsten Indizien für eine solche Dualität von Theorie und Praxis liefern schon seit jeher Politik und Wirtschaft, wechseln deren Repräsentanten doch ebenso häufig wie die Entscheidungen, die sie gerne als beste Perspektive anzupreisen versuchen. Für einen kleinen, feinen und insofern durchaus erwähnenswerten Hinweis sorgt in diesem Kontext die sogenannte Gestaltung im Ingenieurbau, zumal sich deren »Resultate« in der Regel durch eine jahrzehntelange Standfestigkeit auszeichnen. Natürlich wird heute niemand mehr bestreiten wollen, dass Brücken in Form und Konstruktion besondere Aufmerksamkeit verdienen, sie unter ökonomischen, ökologischen, technischen und kulturellen Aspekten gleichermaßen überzeugen müssen und ihre Konzeption daher stets einen ganzheitlichen Ansatz bedingt. Und dennoch ermangelt es einigen von ihnen an ästhetischen Qualitäten, wurde und wird bei ihrem Entwurf offenbar nicht immer bedacht, ob und wie sie den Charakter ihrer Umgebung beeinflussen, wirken sie (infolgedessen) nicht selten eher plump oder einfach nur bieder und monoton, anstatt in Ausdruck und Struktur das zweifelsohne vorhandene Leistungspotential ihrer Urheber widerzuspiegeln. Wer nun weiterhin die Position vertritt, reine Zweckerfüllung, unbegrenzte Dauerhaftigkeit und niedrigste Herstellkosten seien die einzig wahren Kriterien zu ihrer Beurteilung, sollte sich ein paar Zeilen von Erhard Kargel zu Herzen nehmen: »Bei den vorgestellten Bauvorhaben, deren Gestaltung inzwischen breite Anerkennung erfahren hat, blieben die Kosten im allgemein üblichen Rahmen. Neben Ästhetik ist selbstverständlich die Massenminimierung, also Sparen von Ressourcen, ein umweltund gesellschaftlich relevantes Thema.

Dabei erfolgt die Massenminimierung nicht auf Kosten erschwerter Herstellbarkeit und verminderter Dauerhaftigkeit. Im Gegenteil: Gerade die Schlankheit der ›Baumbrücke‹ oder die in Brückenquerrichtung ausgerichteten Fachwerksbleche ergeben Bauwerke besonderer Robustheit. Die Relevanz für die Umwelt und Gesellschaft ergibt sich bekanntlich aus einem messbaren und einem nicht messbaren Wert. Der erste entspricht dem volkswirtschaftlichen Nutzen eines preisgünstigen und dauerhaften Bauwerks. Die zweite Größe bezieht sich auf die Verantwortung beim Bauen in der Landschaft und auf den Wert ästhetischer Qualität bei Zweckbauten. (…) Gestalterische Qualität und Wirtschaftlichkeit müssen einander nicht ausschließen. Sparen Auftraggeber bei der Planung, das heißt, nehmen sie den Billigstbieter, gibt es keine Entwicklung, höchstens die weiterer Automatisierung der Berechnung standardisierter Systeme.« Im Tagungsband zum sechsten Leipziger Brückenbau-Symposium nachzulesen, verdeutlichen sie genau das, was Intention und Tradition jener Zusammenkunft ausmacht: Brücken mit Vorbildfunktion zu thematisieren, ergo hohe Standards für die be- und gebaute Umwelt zu fordern und damit die Ingenieurbaukunst insgesamt zu fördern – wie die Beispiele in Ausgabe 1/2∙2013 des BRÜCKENBAU, dem Tagungsband zum inzwischen »13. Symposium Brückenbau in Leipzig«, wiederum veranschaulichen.

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Symposium

Bau von

Lärmschutzwänden Die VERLAGSGRUPPE WIEDERSPAHN mit MixedMedia Konzepts lädt (voraussichtlich) im Mai 2013 zum ersten Symposium Bau von Lärmschutzwänden ein. Nicht nur die Gestaltung, sondern auch die unterschiedlichsten Einsatzgebiete, Materialien und Techniken werden hier thematisiert und von namhaften Experten vorgestellt.

Unterlagen, d. h., Programm, Referentenverzeichnis und Anmeldekonditionen stehen demnächst online unter www.mixedmedia-konzepts.de zur Verfügung.

VERLAGSGRUPPE W I E D E R Smit MixedMedia P A Konzepts HN

Biebricher Allee 11 b | 65187 Wiesbaden | Tel.: 0611/98 12 920 | Fax: 0611/80 12 52 | kontakt@verlagsgruppewiederspahn.de | www.verlagsgruppewiederspahn.de | www.mixedmedia-konzepts.de


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Editorial

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Brückenbauwerke mit Vorbildfunktion

Michael Wiederspahn

13. Symposium Brückenbau in Leipzig

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Schrägkabelbrücke Lekki-Ikoyi in Lagos, Nigeria

Peer Lubasch, Stefan Uelzmann

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Muresviadukt in Simeria, Rumänien

Victor Schmitt, Norbert Luft, Edward Petzek

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Errichtung der Stadsbrug Nijmegen (De Oversteek)

Norbert Duczek

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Interaktion zwischen Gleis und Brücke

Hartmut Freystein

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Außergewöhnliche Bogenbrücke in Bruck an der Mur

Harald Unterweger, Harald Hafner

32

Neckartalübergang Neckarsulm

Reinhold Frenzl, Wolfgang Eilzer, Marc Schumm

38

Neubau des Murrtalviadukts

Holger Haug

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Werratalbrücke bei Bad Salzungen

Thomas Hermann, Henry Ripke

49

Neubau der Talbrücke Heidingsfeld

Bernd Endres

54

Erneuerung des Wertachtalübergangs bei Nesselwang

Christoph Eichler

60

Erneuerung der Illerkanalbrücke bei Kirchdorf

Andreas Stumpp, Peter Seitz

65

South Approach Roads in Belgrad

Martin Steinkühler

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Bau der Talbrücke Nuttlar

Hans Grassl, Dieter Schummer, Guido Bogdan, Gerhard Buddenkotte

80

Brücke Oehde über das Tal der Wupper

Peter Sprinke, Alexandra Wehnert-Brigdar

Aktuell

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Über (mindestens) sieben Brücken musst Du gehen …

Gero Morlock

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Produkte und Projekte

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Software und IT

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Nachrichten und Termine

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Branchenkompass

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Impressum

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Planung und Ausführung der ersten Schrägkabelbrücke Westafrikas

Schrägkabelbrücke Lekki-Ikoyi in Lagos, Nigeria von Peer Lubasch, Stefan Uelzmann

Die Lekki-Ikoyi Bridge in Lagos ist die erste Schrägkabelbrücke Westafrikas. Dieser Beitrag schildert die Vorgeschichte, die Planung und die Errichtung dieses in Nigeria bisher einzigartigen Bauwerks. 1 Lage und Entwicklung Die Megacity Lagos ist mit mehr als 12 Millionen Einwohnern eine der bevölkerungsreichsten Städte der Welt. Über die letzten Jahrzehnte lässt sich eine deutliche Fortentwicklung ihrer Ausdehnung in Richtung Osten beobachten. Der südliche Bereich von Lagos mit den Stadtteilen Victoria Island und Lekki ist von Lagos Island und Mainland durch den Five Cowry Creek getrennt, wobei bisher zwei Querungen existierten: die Independence Bridge ganz im Westen und die Falomo Bridge etwas östlich von ihr.

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2 Lage des Bauwerks im Stadtgebiet © Julius Berger International GmbH

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1 Errichtung der Lekki-Ikoyi Bridge in Lagos © Julius Berger International GmbH

Im Jahr 2008 wurden Untersuchungen zu einer dritten, weiter im Osten gelegenen Brückenverbindung zwischen Lekki und Ikoyi durchgeführt. An das Bauwerk wurde durch den Bundesstaat Lagos die besondere Anforderung eines Land- bzw. Wahrzeichens gestellt, weshalb eine Schrägkabelbrücke mit einem gestalterisch herausragenden Pylon realisiert

werden sollte, dessen Formfindung in Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro Albert Speer und Partner, Frankfurt am Main, erfolgte. Zusätzlich sollte das Bauwerk eine Mautstation beinhalten. Die Julius Berger Nigeria PLC wurde als Engineering Procurement Construction (EPC) Contractor mit Planung und Errichtung der Brücke beauftragt. Diese Beauftragung war zweigeteilt: – Teil 1 (Vorarbeiten): Bodenuntersuchungen, Vermessung, Kolkstudie, Ausschreibungsplanung (Tender Design), Baufeldfreimachung, Vorbereitung der Baustelleneinrich tung; – Teil 2 (Hauptarbeiten): Ausführungsplanung und schlüssel fertige Errichtung des Gesamtbau werks. Beide Aufträge wurden im Rahmen von Pauschalverträgen, basierend auf dem Fidic Yellow Book, abgewickelt.


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

Gesamtlänge: 1.357 m

e Hauptbrück (Segmente)

2 Projektübersicht Das Bauwerk weist eine Gesamtlänge von 1.357 m auf und gliedert sich in Vorlandund Hauptbrücke (Approach and Main Bridge). Die Hauptbrücke ist zu ihrer Mitte punktsymmetrisch und beinhaltet den Pylon. Der Anschluss an das bestehende örtliche Straßensystem erfolgt über zwei Kreisverkehre, deren Planung und Ausführung unter anderem Bestandteil des Hauptauftrages waren.

Vo ( Ta rlan fe l d b ele rü m e c ke n te )

Pylon

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Ikoyi Kreisverkehr an Bourdillion Road/ Alexander Avenue

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Lekki Kreisverkehr an Admiralty Way

3 Einteilung in Haupt- und Vorlandbrücke © Julius Berger International GmbH

Zur Herstellung der Pfahlkopfplatten wurden zunächst Stahlknaggen in Form kurzer HEA-Stummel an den Kopf der Stahlrohre angeschweißt. Danach wurden Stahlbeton-Bodenplattenelemente aufgelegt, die nach Aufmaß der Stahlrohre im Bauhof vorgefertigt worden waren und als verlorene Schalung dienten. Auf den Elementen wurden wiederum vorgefertigte Wandelemente angeordnet sowie anschließend die Bewehrung eingebaut und die Pfahlkopfplatte betoniert.

4 Bodenuntersuchungen und Gründung © Julius Berger International GmbH

3 Gründung Zur Baugrunderkundung wurden entlang der Brückenachse insgesamt 17 Bohrungen in Tiefen bis ca. 80 m ausgeführt und Bodenproben zur Bestimmung der Materialeigenschaften entnommen. Der typische Baugrund im Raum Lagos besteht aus einer Wechsellagerung von Sanden und Tonen, die auch an der Lekki-Ikoyi-Brücke angetroffen wurde. Mit Ausnahme der Pylonachse und des Widerlagers in Achse 460 wurden sämtliche Unterbauten über Wasser auf Stahlbetonpfählen mit Außendurchmesser 914 mm gegründet. Die Ausführung der Pfähle erfolgte mit Hilfe eingerammter Stahlrohre, die an ihrer Spitze mit einem Deckel geschlossen waren. In die gerammten Stahlrohre wurde dann ein Bewehrungskorb gehängt und der Stahlbetonpfahl im Kontraktorverfahren betoniert.

5 Ausführung der Pfahlkopfplatten über Wasser © Julius Berger International GmbH

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4.2 Herstellung Aufgrund beengter Platzverhältnisse auf der Baustelle erfolgte die Produktion der Plattenbalken und aller anderen Fertigteile im »Palava Yard«, einer firmeneigenen Produktionsstätte, die Wasserzugang zur Lagune besitzt und sich in einer Entfernung von ca. 16 km östlich des Einbauorts befindet. Die Produktionslinie der Brückentafelfertigung bestand aus vier Bewehrungslehren, zwei Betonierstationen und einem Lagerbereich für fertiggestellte Elemente, wobei die Plattenbalken mit Hilfe der Hubstation aus der Schalung gehoben, zwischengelagert und auf Transportbargen platziert wurden.

6 Pfahlkopfplatten des Pylons mit Zugbalken © Julius Berger International GmbH

Der Pylon ist auf Großbohrpfählen mit Außendurchmesser 1.524 mm und Längen bis 76 m gegründet. Die Stahlrohre wurden einvibriert, ausgegriffen, bewehrt und betoniert. Die Realisierung der Pfahlkopfplatten am Pylon erfolgte analog zur beschriebenen Vorgehensweise, jedoch aufgrund der Verarbeitung von Massenbeton zur Minderung der Hydratationswärme unter Verwendung von Hochofenzement CEM III. 4 Vorlandbrücke 4.1 Übersicht Die Vorlandbrücke weist eine Länge von 722 m mit einer Brückenfläche von 18.400 m² auf und ist ohne Längsgefälle parallel zur Uferlinie trassiert. Das Bauwerk erstreckt sich über insgesamt 38 Achsen mit Weiten von jeweils 19 m und wurde mit Hilfe längsvorgespannter Plattenbalkenelemente errichtet. Dazu wurden insgesamt 92 dieser Plattenbalkenelemente im Bauhof vorgefertigt. Das statische System der Tafeln ist das eines Einfeldträgers mit einer Regelspannweite von 17,30 m. Die StandardBrückentafeln umfassen fünf Stege und haben die äußeren Abmessungen (Breite x Länge) 10,65 m x 18,00 m bei einem Gewicht von ca. 250 t. Im Auflager-

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8 Transport der Tafelelemente © Julius Berger International GmbH

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7 Regelquerschnitt der Vorlandbrücke © Julius Berger International GmbH

bereich und in Feldmitte verfügen die Plattenbalken über Querträger, um sowohl die Lastabtragung in die Unterbauten als auch eine ausreichende Torsionssteifigkeit zu gewährleisten. Die regulären Achsen enthalten pro Richtungsfahrbahn mit zwei Fahrspuren je eine Tafel. Die Achsen 80–140 sind zur Aufnahme einer Mautstation je Richtung auf sechs Spuren aufgeweitet, so dass hier vier Elemente nebeneinander eingebaut wurden.

Zum Einbau einer Brückentafel wurde die angelieferte Barge zunächst zwischen den Pfahlkopfplatten positioniert, vertäut und mit Seilwinden in die richtige Position gezogen. Im Anschluss konnte das Element am Verlegegerät angeschlagen und hydraulisch angehoben werden. Nach Entfernung der Barge wurde der Plattenbalken dann in die endgültige Position auf den Elastomerlagern abgesetzt.

9 Verlegegerät für die Vorlandbrücke © Julius Berger International GmbH


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

10 Gestalt und Stützweiten der Hauptbrücke © Julius Berger International GmbH

5 Hauptbrücke 5.1 Übersicht Die Hauptbrücke hat eine Gesamtlänge von 635 m bei einer Brückenfläche von 13.500 m² und erstreckt sich als Durchlaufträger über acht Felder mit Achsweiten von 55 m, 2 x 75 m, 2 x 112,50 m, 2 x 75 m und 55 m. In der Mitte des symmetrischen Überbaus wurde der Pylon angeordnet, in der Draufsicht ist die Trassierung geradlinig. In der Ansicht weist der Überbau nach einer anfänglichen Ausrundung ein Längsgefälle von 3,50 % auf, welches wiederum bis zur Pylonachse auf eine Horizontale ausgerundet wird. Der Schrägkabelbereich befindet sich in den zum Pylon unmittelbar benachbarten Feldern. Der Querschnitt des Überbaus ist ein Hohlkasten. Im Regelbereich bestehen zwei voneinander entkoppelte Überbauten, die jeweils zwei Fahrspuren je Fahrtrichtung aufnehmen und auf gemeinsamen Unterbauten ruhen. Die Errichtung dieser Unterbauten erfolgte mit Hilfe von 432 vorgefertigten Segmenten, deren Abmessungen (Breite x Höhe) 10,70 m x 3,98 m betragen und die Längen von 1,40–3,60 m sowie Einzelgewichte von 50–77 t haben. 5.2 Segmentherstellung Die Segmente wurden wie die Plattenbalkenelemente der Vorlandbrücke im Palava Yard produziert. Die Fertigungsstraße bestand hier aus acht Lehren zur genauen Vorfertigung von Bewehrungskörben, einem Schalungssystem mit 100-t-Portalkran und der Verladestation mit Portal-Hubwagen sowie der über Wasser geführten 250-t-Hubstation. Zusätzlich war eine Lagerstätte für etwa 160 Segmente vorhanden, wobei sich die Lagerung zweigeschossig auf jeweils drei sandgefüllten Säcken über mindestens drei Monate erstreckte, um Einflüsse von Kriechen und Schwinden zu minimieren.

11 Regelquerschnitt der Hauptbrücke © Julius Berger International GmbH

Als Schalungssystem kam ein Langbett zur Anwendung, in dem jeweils ein kompletter Waagebalken von 75 m Länge gefertigt werden konnte. Die Produktion der Segmente erfolgte im Kontaktverfahren (Match-Cast-Verfahren): Zur Gewähr-

leistung absoluter Passgenauigkeit dient das zuletzt hergestellte Fertigteil einseitig als Stirnschalung für das nächstfolgende. Der Transport zur Baustelle wurde mit Hilfe von Schubschiff und Barge durchgeführt.

12 Produktionslinie der Segmente © Julius Berger International GmbH

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13 Verlegegerät für die Hauptbrücke im Waagebalkenbereich und im … © Julius Berger International GmbH

5.3 Segmenteinbau Zum Korrosionsschutz der internen Spannglieder sowie zum Ausgleich von Abweichungen waren die Segmentfugen vollflächig mit einem Epoxidharzkleber zu verkleben. Anschließend wurde temporär vorgespannt. Die permanente Vorspannung erfolgte intern im nachträglichen Verbund mit siebendrähtigen Litzen (System BBV). Im Bereich der Waagebalken wurden die Segmente mit einem Verlegegerüst (Launching Girder), bestehend aus zwei nebeneinander angeordneten 119,80 m langen Fachwerkträgern, verlegt, während im Bereich der beiden Pylonfelder zwei Verlegerahmen (Lifting Frames) zum Einsatz kamen.

14 Pylonbereich © Julius Berger International GmbH

In Höhe von 15,50 m verbindet der Hauptquerbalken die beiden Pylonbeine: An ihm schließen die Überbauten oberkantengleich und integral an. Im oberen Bereich des Pylons befinden sich zudem vier Querbalken zwischen beiden Beinen, hier sind auch die insgesamt 28 Schrägkabel befestigt. Der Pylon war in 25 Betonierabschnitte (Lifts) eingeteilt, wobei 1–21 in Ortbeton und 22–25 mit Hilfe von Fertigteilen ausgeführt wurden.

6 Pylon 6.1 Übersicht In Brückenlängsrichtung verjüngen sich die Pylonbeine von 6,40 m an der Oberkante Pfahlkopfplatte auf 3,00 m an der Spitze. In Querrichtung verringern sich die Außenabmessungen von 4,80 m auf 2,40 m in einer Höhe von ca. + 63,50 m, um sich dann bis zur Spitze wieder auf 3,80 m aufzuweiten. Die beiden Beine sind in der Achse zunächst mit 14,30° nach innen und zueinander geneigt. Im Bereich zwischen 48,80 m und 76,40 m Höhe krümmen sich die Beine in ihrer Achse im Radius 87,10 m nach außen, in der Spitze laufen sie mit jeweils 6,00° in der Achse auseinander.

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15 Pylon: Übersicht © Julius Berger International GmbH

Beide Pylonbeine haben im Bereich der Fahrbahn einen Eingang und können über fest installierte Leitern von unten bis oben begangen werden. Um dem Wahrzeichencharakter gerecht zu werden, ist das Bauwerk mit einer Außenbeleuchtung ausgerüstet, die Pylon und Kabel nachts in verschiedenen Farben erstrahlen lässt.


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

16 Selbstkletterschalung mit Aufzug und Übergangsbühne © Julius Berger International GmbH

6.2 Klettersystem Aufgrund des engen Krümmungsradius und der starken Neigung der Pylonbeine waren die Anforderungen an den Schalungsbau sehr hoch. Nach Untersuchung diverser Methoden wurde sich für den Einsatz eines selbstkletternden Schalungssystems der Firma Peri entschieden. Die zuvor genannten Kriterien bedingten hierbei die Kombination zweier Systeme des Anbieters: Als Außenschalung kam auf den Brückenlängsseiten das System RCS (Rail Climbing System) und auf den Querseiten das ACS (Automatic Climbing System) zum Einsatz. Für die Innenschalung wurde ebenfalls das System RCS gewählt. Eine Verbindung zwischen beiden Kletterschalungen wurde durch die Verwendung einer begehbaren Bühne erreicht. Im Schrägkabelbereich entfiel die Innenschalung und wurde durch 22 »Stück« Stahlverbundkästen substituiert. Der Zugang zum Pylon erfolgte über einen Bauaufzug der Marke Scanclimber. Auch in der Planung der Aufzugsführung stellte der enge Krümmungsradius der Pylonbeine eine Herausforderung dar. In Zusammenarbeit von Schalungs- und Aufzugsbauer wurde deshalb eine Lösung ausgearbeitet, die eine steilere Anordnung des Aufzugs, eine längere Ausstiegrampe und eine ausfahrbare Bühne in der Selbstkletterschalung vorsah.

17 Herstellung oberer Pylonabschnitt © Julius Berger International GmbH

6.3 Temporäre Druckstreben Zur Reduktion von Schnittgrößen und Deformationen aus Bauzuständen wurden in den Abschnitten 8 und 15 temporäre Druckstreben installiert: In der unteren Strebe wurde unter Verwendung zweier Pressen eine Druckkraft von 2.200 kN erzeugt und eine Auseinanderbewegung der Pylonbeine von insgesamt 66 mm aktiviert. Sie erfüllte zudem arbeitsschutzsichernde Zwecke. An den Rohren waren Auffangnetze installiert, um einen für die Deckebene zusätzlichen Schutz gegen herabfallende Gegenstände herzustellen. Die obere Druckstrebe beinhaltete zwei Druckträger HEB 300 mit jeweils l = 3,80 m. Hier wurde über zwei Pressen eine Druckkraft von total 1.280 kN aufgebracht und eine Bewegung von insgesamt 112 mm auf Höhe der Strebe generiert. Die Strebe diente zusätzlich als Arbeitsbühne zur Errichtung von Fassadengerüsten sowie zur Installation der Schrägkabel und als Rüstung zum Schalen des untersten der vier oberen Querbalken. 6.4 Fertigteile der Pylonspitze Da die Pylonspitze, Abschnitte 22–25, statisch keine Notwendigkeit hat, wurde sie in Fertigteilen ausgeführt. Die Wanddicken und Bauteilhöhen wurden derart festgelegt, dass die Fertigteile weniger als 8 t wiegen und mit dem Turmdrehkran eingehoben werden konnten. Die Elemente wurden im Bauhof im Kontaktverfahren übereinander hergestellt, der Transport zur Baustelle erfolgte mit einer Barge. Vor Ort wurden die Fugen dann, analog zum Segmenteinbau, verklebt und die Elemente mit Hilfe innenseitig geführter Spannstäbe vertikal vorgespannt.

6.5 Schrägseile Insgesamt wurden 28 (4 x 7) Schrägkabel installiert. Die einzelnen Kabel bestehen aus je 35–57 parallel geführten Monolitzen mit Längen von 55–119 m, welche zum Schutz vor Witterungseinflüssen in einem äußeren PE-Hüllrohr angeordnet sind. Aufgrund des geringen Platzes im Pyloninneren wurden die Litzen deckseitig vorgespannt (Presse unterhalb des Decks).

18 Temporäre Druckstreben © Julius Berger International GmbH

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Bauherren Lagos State Government, Lagos, Nigeria Ministry of Works and Infrastructure Development, Lagos, Nigeria Planung Julius Berger International GmbH, Wiesbaden Bilfinger Construction GmbH, Wiesbaden Prüfung der Statik Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG, Stuttgart Ausführung Julius Berger Nigeria PLC, Abuja, Nigeria

19 Blick in Richtung Osten nach Lekki © Julius Berger International GmbH

7 Fazit Das Ingenieurbauwerk mit einem Pylon von 90 m Höhe war sowohl in der Planung als auch in der Ausführung technisch äußerst anspruchsvoll. Bemerkenswert ist insbesondere die Kombination eines steifen Segmentfertigteilüberbaus mit einer Schrägkabelstruktur. Wie die nachfolgenden Abbildungen zeigen, ist nach 42 Monaten Bauzeit bis November 2012 eine eindrucksvolle Brücke entstanden, die zukünftig nicht nur dazu bei-

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trägt, die Verkehrsprobleme von Lagos zu lösen, sondern vielleicht auch zu einem neuen Wahrzeichen dieser Stadt wird. Autoren: Dr.-Ing. Peer Lubasch Julius Berger Nigeria PLC, Abuja, Nigeria Dipl.-Ing. Stefan Uelzmann Julius Berger International GmbH (vormals Bilfinger Berger Nigeria GmbH), Wiesbaden

20 Illumination in den Farben des Bundesstaats Lagos © Julius Berger International GmbH


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Autobahnbrücke in VTR-Bauweise

Muresviadukt in Simeria, Rumänien von Victor Schmitt, Norbert Luft, Edward Petzek

1 Achse der Autobahn im Kreis Hunedoara © Compania Naţionala de Autostrăzi şi Drumuri Naţionale din România

Die rumänische Ost-West-Autobahn A 1 führt von Bukarest über Pitești, Sibiu, Deva, Timișoara, Arad und Nădlac zur ungarischen Grenze und soll neben der A 3 das Land an das europäische Fernstraßennetz anschließen. Im November 2010 erteilte die Compania Naţionala de Autostrăzi şi Drumuri Naţionale din România S. A. als Bauherr einem Konsortium unter Führung der Strabag AG den Auftrag zur Realisierung eines Streckenabschnitts von 33,50 km Länge im Zuge der Umfahrung von Deva. Einen Teil dieses Abschnittes bildet ein 720 m langer Viadukt über die Mures in Simeria, für dessen Ausführung die Strabag ebenfalls zuständig ist und über dessen Planung und Herstellung nachfolgend berichtet wird.

1 Bauherrenentwurf Der Auftrag zur Errichtung wurde für den Bauherrenentwurf erteilt, dessen Hauptmerkmal ein Stahlverbundüberbau mit zwölf Feldern à 60 m Stützweite ist. Darüber hinaus gliedert er die Brücke in insgesamt drei Einzelbauwerke von je 240 m Länge, was die Anordnung von insgesamt vier Fahrbahnübergängen je Überbau bedingt. Der Auftragnehmer hatte auch die Standsicherheitsnachweise und die Überarbeitung der Ausführungsplanung zu erbringen, da die ursprüngliche Konzeption auf der alten und nicht mehr anwendbaren rumänischen Normung basierte und der Entwurfsverfasser zudem in Konkurs gegangen war. Dadurch ergab sich für die Strabag die Möglichkeit, die vorliegende Konstruktion nochmals zu überdenken und eine neue Variante zur Realisierung vorzuschlagen.

Im Querschnitt sieht der Bauherrenentwurf einen einzelligen Stahlhohlkasten pro Fahrbahnhälfte auf Hammerkopfstützen vor, wobei die Fahrbahnplatte durch vorgefertigte Stahlbetonsegmente gebildet wird, die über die gesamte Brückenbreite reichen und in Längsrichtung durch eingefädelte, nachträglich angespannte Spannglieder miteinander verbunden werden. Die Entwässerung des Überbaus erfolgt unkontrolliert in den Fluss und die Talaue.

2 Bauherrnentwurf im Grundriss © Compania Naţionala de Autostrăzi şi Drumuri Naţionale din România

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

3 Bauherrnentwurf: Querschnitt mit Pfeilern © Compania Naţionala de Autostrăzi şi Drumuri Naţionale din România

2 Alternativentwurf 2.1 Anforderungen Die Firma Strabag beauftragte die SSF Ingenieure AG, Varianten zu untersuchen und einen Alternativentwurf zu entwickeln mit dem Ziel, die Anzahl der Fahrbahnübergänge zu reduzieren, die Stoßdämpfer für die Erdbebenlasten zu vermeiden, den Stahlbau zu vereinfachen, ein geschlossenes Entwässerungssystem mit Ölabscheider einzuführen sowie eine Massenbilanz zu erstellen, die eine Einhaltung des angebotenen Kostenrahmens gewährleistet. In enger Kooperation zwischen Baufirma und Planer wurde nun nachstehende Konzeption erarbeitet und dem Bauherrn präsentiert. 2.2 Querschnitt Überbau Die Überbauhälften sind als zweistegiger Plattenbalken mit luftdicht verschweißten Hohlkästen ausgebildet: Die Anzahl der vor Ort auszuführenden Schweißnähte wird durch die Wahl dieser Querschnittsform erheblich reduziert, da die Herstellung von Längsschweißnähten entfällt.

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4 Fahrbahnplatte aus Fertigteilsegmenten © Compania Naţionala de Autostrăzi şi Drumuri Naţionale din România

Die Hohlkästen haben konstante Abmessungen von 1,70 m Breite und 2,45 m Höhe und können in großen Schusslängen gefertigt und zur Baustelle transportiert werden. Die Träger sind im Grundriss entsprechend der Fahrbahnachse gekrümmt, in der Vertikalen weisen sie je nach Erfordernis eine Überhöhung auf. Im Bereich der Lager und Pressenansatzpunkte werden die Hohlkästen zudem über der Bodenplatte ausbetoniert, um Einzellasten in die Stahlkonstruktion eintragen und Längsdruckspannungen aufnehmen zu können. 2.3 System in Längsrichtung Bei Beibehaltung der Pfeiler- und Widerlagerstandorte wird der Überbau fugenlos über eine Gesamtstützweite von 720 m geführt, da Fahrbahnübergänge über den Pfeilern den Fahrkomfort mindern, den Unterhaltsbedarf erhöhen, zusätzliche Lärmquellen bilden und letztlich auch nicht erforderlich sind. Die Fahrbahnübergänge an den Widerlagern sind als

6 Alternativentwurf: Querschnitt mit Pfeilern © SSF Ingenieure AG

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5 Entwässerung des Überbaus © Compania Naţionala de Autostrăzi şi Drumuri Naţionale din România

sogenannte Fingerübergänge mit vergrößerter Dilatation und damit als geräuscharme und robuste Konstruktionen konzipiert. 2.4 Montageplanung Stahlbau Die Errichtung soll nach Vorstellung der Planer in Form einer Kranmontage mit Schusslängen der Hohlkästen bis 70 m erfolgen, um einen Gerüsteinsatz zu vermeiden und den Ablauf der Arbeiten vor Ort zu beschleunigen. 2.5 Trägerrost Bei großen Verbundbrücken wird die Betonfahrbahnplatte in Deutschland in der Regel auf einem Schalwagen errichtet. Die kurze Bauzeit bedingt in diesem Fall aber den Einsatz eines Trägerrostes, auf den die vorgefertigten Plattensegmente aufgelegt werden. Zur Vereinfachung der Arbeiten auf der Baustelle soll hier jedoch kein reiner Stahlträgerrost, sondern ein Verbundträgerrost (VTR) zur Ausführung kommen: Die von der SSF Ingenieure AG entwickelte Bauweise beinhaltet die Verwendung von vorgefertigten Betonquerträgern und Fahrbahnplattenelementen, erlaubt breite Vergussfugen und große Überdeckungslängen der Bewehrung.


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Das heißt, in einem Achsabstand von 4 m werden auf den Längsträgern vorgefertigte 30 cm dicke und 1 m breite Querträger aus Beton C 45/55 angeordnet, justiert und verankert. In den Querträgern sind zudem Kammern mit Abmessungen von 40 cm x 90 cm vorgesehen, in die Kopfbolzen einbinden, so dass sich durch Verguss der biegesteife Anschluss zwischen Quer- und Längsträger herstellen lässt. Dazu wird zuerst mit Mörtel die mindestens 2 cm dicke Kontaktfläche ausgegossen, in den flüssigen Vergussmörtel kann dann die Resthöhe von 30 cm mit Beton der Betonklasse C 45/55 ergänzt werden. Im Anschluss werden die Bereiche zwischen den Querträgern über den Hohlkästen bewehrt und betoniert – und es entsteht ein Verbundträgerrost.

7 Herstellungsablauf bei der VTR-Bauweise © SSF Ingenieure AG

8 Offene Entwässerungsrinne © SSF Ingenieure AG

2.6 Fahrbahnplattenelemente Die Fahrbahnplatte bilden 25 cm dicke, vorgefertigte Betonplattenelemente aus C 35/45, die über den Längs- und Querträgern durch Ortbetonstreifen miteinander verbunden werden. Die Platten werden im Werk hergestellt, mit Lkws zur Baustelle gebracht und dort mit Kränen montiert. 2.7 Lager und Unterbau in Brückenmitte werden drei Pfeilerachsen mit dem Überbau rahmenartig verbunden, um die hohen Horizontalkräfte aus Erdbebenlasten elastisch aufnehmen zu können. In den restlichen Achsen erfolgt die Anordnung von Lagern, die Pfeiler sind zudem mehreckig, massiv und mit konstantem Querschnitt konzipiert. 2.8 Gründung Die Gründung erfolgt auf bis zu 20 m langen Bohrpfählen mit einem Durchmesser von 120 cm, die in eine Fundamentplatte mit 2 m Dicke einbinden. 2.9 Entwässerung Für die Entwässerung des Überbaus sorgen, entsprechend der Regelbauweise für Talbrücken in Frankreich, offene Entwässerungsrinnen, die auf die Querträger aufgesetzt werden können. 2.10 Genehmigung In Rumänien müssen alle Unterlagen bei einer durch den Bauherrn eingesetzten Prüfungskommission aus zehn Fachleuten, der sogenannten Comisia tehnico economica (CTE), eingereicht werden, die den Entwurf dann nach technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten bewertet und ihn schließlich nach einer mündlichen Verhandlung genehmigt oder eben ablehnt.

Das Büro SSF RO s.r.l legte als Entwurfsverfasser die entsprechenden Unterlagen zur Vorprüfung vor und verteidigte in der mündlichen Verhandlung den Entwurf gegenüber der CTE-Kommission mit Hinweis auf nachstehende Vorteile für den Bauherrn: – Ein fugenloser Überbau über 720 m erhöht die Fahrqualität und mindert den Unterhaltsbedarf. – Für die Anlieger entfallen zwei Lärmquellen aus Fahrbahnübergängen. – Eine Erdbebensicherung durch elastische Rahmen ist einfacher zu unterhalten als bei Verwendung mechanischer Stoßdämpfer. – Die weitgehende Werksfertigung des Stahlbaus kann die Qualität sichern helfen. – Die gute Justierbarkeit der Fahrbahnplatte gewährleistet die Einhaltung der Gradiente. – Einzelne Segmente der Fahrbahn sind für die Instandhaltung austauschbar. – Durch die Verwendung einfacher Bauteile wird die Prüfbarkeit des Gesamtbauwerks verbessert. – Die zusätzlich vorgesehene geschlossene Entwässerung lässt sich unter Einhaltung des Kostenrahmens realisieren.

– Offene Entwässerungsrinnen sind einfach zu unterhalten. – Die Dichtung ist vor Beschädigung sicher, da es keine Durchstoßpunkte für Einläufe gibt. – Die weitreichende Vorfertigung der Bauteile und die Vereinfachung der Arbeiten auf der Baustelle ermöglichen die Einhaltung des vorgegebenen Terminplans. – Die Einhaltung des Kostenrahmens ist durch die Limitierung der Auftragssumme gewährleistet. Die CTE-Kommission lobte die beschriebenen Grundansätze des Entwurfs und gab ihn ohne irgendwelche Einwände zur Realisierung frei. In der Folge wurde die Planungsgemeinschaft aus SSF RO s.r.l. und SSF Ingenieure AG mit der Ausführungsplanung beauftragt – und es begann ein Wettrennen mit der Zeit, da kurzfristig Unterlagen für die Vergaben von Bohrpfahlgründungen, Stahlbauarbeiten (Hohlkästen), Herstellung von Querträgerfertigteilen, Fahrbahnsegmentplatten sowie Lagern und Fahrbahnübergängen erarbeitet werden mussten.

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9 Beginn der Stahlbaumontage © SSF Ingenieure AG

3 Bauausführung Nach mehreren Monaten intensiver Planung konnte am 1. August 2011 der erste Großbohrpfahl eingebracht werden. Dies war der Beginn der eigentlichen Bauphase, wobei das Ziel lautete, die Brücke bis Dezember 2012 und damit innerhalb von 16 Monaten zu errichten. Die Gründungs- und Stahlbetonarbeiten erfolgten bis auf eine kurzzeitige Störung durch ein Hochwasser wie vorgesehen. Im Unterschied zur ursprünglichen Konzeption entschieden sich die beiden beauftragten Stahlbaufirmen jedoch, die Träger in bis zu 30 m langen Schüssen zu fertigen und auf temporären Gerüsten zu verschweißen.

10 Querträgertransport … © SSF Ingenieure AG

Die Querträger wurden von zwei Fertigteilwerken angeliefert und vor Ort zwischengelagert, um den Montageablauf nicht von ihrer jeweiligen Bereitstellung abhängig zu machen. Das erwies sich auch als sinnvoll, da sich statt der vom Planer vorausgesagten zwölf Träger pro Tag bis zu 24 mit einem Autokran verlegen ließen, was die Realisierung einer Überbaulänge von 96 m/d bedeutete. Ähnlich war es bei der Ortbetonergänzung des Trägerrosts: Die Vorfertigung der Bewehrungskörbe und sich stetig wiederholende Arbeitsprozesse ermöglichten hohe Baugeschwindigkeiten. Bei den Segmenten für die Fahrbahnplatte wurde zudem die gleiche Anzahl an Verlegevorgängen pro Tag erreicht wie bei den Querträgern, umgerechnet entspricht das bei 24 Platten einer Überbaulänge von 32 m/d. Durch die hohe Baugeschwindigkeit beim Erstellen der Fahrbahnplatte konnte schließlich auch der vorgesehene Endtermin im Dezember 2012 pünktlich eingehalten werden. Die Gradiente passte, so dass kein Ausgleich geschaffen werden musste. Der Bauherr bekam also unter Wahrung des Kostenrahmens einen in der Gestaltung, in der Dauerhaftigkeit und im Unterhalt gegenüber dem ursprünglichen verbesserten Viadukt.

12 Verbundträgerrost im »Rohbau« © SSF Ingenieure AG

13 Aufbringen der Fahrbahnsegmente © SSF Ingenieure AG

14 Bewehrung für die Ortbetonstreifen © SSF Ingenieure AG

15 Randstreifen vor dem Betonieren © SSF Ingenieure AG

4 Schlussbemerkung Bei Symposien werden in der Regel außergewöhnliche Bauwerke in Bezug auf Größe, Schwierigkeitsgrad oder Gestaltung gezeigt. Dieser schlichte Viadukt in Verbundkonstruktion ist nun nicht besonders groß und war auch einfach zu errichten. Den Alternativentwurf der Strabag zeichnen dementsprechend Ansätze aus, die bemerkenswerte Vorteile für Bauherrn und Baufirmen bieten:

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11 Querträger nach Verlegung © SSF Ingenieure AG

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU – Ein Verbundträgerrost kann wirtschaftlich innerhalb einer nur kurzen Bauzeit realisiert werden. – Eine offene Entwässerungsrinne ist problemfrei im Überbau zu integrieren, vereinfacht die Bauwerkskonzeption und bleibt gut zu unterhalten. – Die Austauschbarkeit einzelner Fahrbahnplatten garantiert eine langfristige Nutzbarkeit des Überbaus. – Nach Ablauf dieser Nutzungszeit lassen sich die Fahrbahnplatten aus Beton, die Betonquer- und die Stahllängsträger einfach demontieren und recyceln. Wir sind daher überzeugt, dass sich diese Verbundkonstruktion, genau wie die von uns entwickelte VFT-Bauweise, am Markt durchsetzen wird. Autoren: Dipl.-Ing. Victor Schmitt SSF Ingenieure AG, München Dipl.-Ing. Norbert Luft Strabag AG, Wien, Bukarest Dr. Edward Petzek SSF RO s.r.l., Timişoara

16 Realisierte Brücke bei Dunkelheit © SSF Ingenieure AG

Bauherr Compania Naţionala de Autostrăzi şi Drumuri Naţionale din România S.A., Bukarest, Rumänien Entwurf Ausführungsvariante Strabag AG, Bukarest, Rumanien SSF Ingenieure AG, München Ausführungsplanung SSF RO s.r.l., Timişoara, Rumanien SSF Ingenieure AG, München

Prüfung und Verifikation Prof. Dr.-Ing. Radu Bancila, Timişoara, Rumänien Gründungsberatung Baugeologisches Büro Bauer GmbH, München Ausführung Strabag AG, Bukarest, Rumänien

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Vorlandbrücken als eine Besonderheit

Errichtung der Stadsbrug Nijmegen (De Oversteek) von Norbert Duczek

Bei der Stadsbrug Nijmegen (De Oversteek) handelt es sich um ein technisch äußerst anspruchsvolles Bauwerk, das sich aus einer modernen Stahlbogenbrücke im Flussfeld und massiven, bogenförmigen Vorlandbrücken mit Klinkerverblendung zusammensetzt. Diese Vorlandbrücken kommen in semiintegraler Bauweise zur Ausführung und zeichnen sich zudem durch die Verwendung von Schaumbeton aus.

1 Einleitung Nijmegen ist eine Hansestadt mit 165.000 Einwohnern, die im Osten der Niederlande in der Provinz Gelderland am Fluss de Waal (deutsch: Rhein) liegt und sich selbst als die älteste Stadt des Landes bezeichnet. Ihre Geschichte geht bis in die Zeit des Römischen Reiches zurück, 2005 fand die 2.000-Jahr-Feier statt.

1 2 Lage des Bauwerks © Arbeitsgemeinschaft BAM/Max Bögl

Der Neubau der Stadsbrug Nijmegen (De Oversteek) ist eine städtebauliche Maßnahme, um die expandierenden Vororte auf der Nord- und Südseite des Flusses miteinander zu verbinden: Auf der Westseite der Stadt wird ein Straßenring geschlossen, gleichzeitig werden in den betroffenen Bereichen einige Retentionsräume geschaffen.

3 Künftiges Erscheinungsbild der Stadsbrug Nijmegen (De Oversteek) © Arbeitsgemeinschaft BAM/Max Bögl

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Im Jahr 2010 erhielt die Bietergemeinschaft aus BAM Civiel und Max Bögl Niederlande im Rahmen eines Design, Build & Maintain-Contract von der Stadt Nijmegen den Auftrag für die Planung, den Neubau und die Unterhaltung über 25 Jahre für die neue Stadsbrug Nijmegen (De Oversteek). Der Fertigstellungstermin ist seitdem definiert: der 1. November 2013. 2 Gesamtbauwerk Die Besonderheit des Bauwerks ist die Verbindung von Gegensätzen: Die Flussbrücke verfügt über einen hochmodernen Stahlüberbau, der sehr filigran und schlank ist, während die Vorlandbrücken, die mit der semiintegralen Bauweise technisch auf dem neuesten Stand sind, optisch jedoch an die massiven mittelalterlichen Bogenbrücken erinnern. Die Gesamtstruktur weist nachstehende Hauptdaten auf: – Gesamtlänge der Brücke: 1.258 m – Länge der Vorlandbrücke Süd: 294 m – Länge der Vorlandbrücke Nord: 679 m – Spannweite der Flussbrücke: 285 m – Querschnittbreiten: 25–34 m – Gesamtgewicht der Stahlbrücke: 6.100 t – Gründungspfähle: 9.100 m3 – Konstruktionsbeton: 10.700 t – Schaumbeton: 42.000 m3


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Im Grundriss ist die Gradiente in einer flachen S-Form trassiert. Die Haupttragkonstruktion der Flussbrücke besteht aus Stahl, als Fahrbahn wird eine Betondecke auf einem geschlossenen Hohlkasten ausgeführt. Die Haupttragkonstruktion der Vorlandbrücken bilden semiintegrale Stahlbetonbögen, die mit Schaumbeton gefüllt sind. Die Bemessung der Brücke erfolgte nach NEN-EN-Normen für eine Lebensdauer der Brücke von mindestens 100 Jahren.

4 Verkehrsanbindung im Grundriss © Arbeitsgemeinschaft BAM/Max Bögl

5 6 Flussbrücke: Ansicht und Draufsicht © Arbeitsgemeinschaft BAM/Max Bögl

Folgende Hauptdaten kennzeichnen die Flussbrücke: – Spannweite: 285 m – Bogenhöhe: ca. 60 m – Breite: bis zu 35 m – Stahlmassen: ca. 6.100 t – vollverschlossene Seile: 60 – Durchmesser der Seile: 72–95 mm – Länge der Seile: 21–56 m

7 Fahrbahnquerschnitt der Flussbrücke © Arbeitsgemeinschaft BAM/Max Bögl

3 Vorlandbrücken 3.1 Unterbauten Die Unterbauten sind tief gegründet, wobei für die Flusspfeiler 3 x 9 Pfähle mit d = 1.800 mm und einer Länge von ca. 23 m zur Ausführung kamen, während für die Zwischenpfeiler 3 x 6 Vibrooder 2 x 3 Bohrpfähle mit d = 1.500 mm gewählt wurden. Die Abmessungen der Flusspfeilerfundamente betragen 14 m x 40 m x 3 m, die der Zwischenpfeiler 6 m x 9 m x 1,50 m.

8 Gründung der Unterbauten © Arbeitsgemeinschaft BAM/Max Bögl

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

Durch die Vertragsart, den Design, Build & Maintain-Contract, war es realisierbar, den Brückenentwurf so zu gestalten, dass auch die baubetrieblichen Belange sinnvoll umgesetzt werden konnten. Dazu gehört selbstverständlich ein möglichst hoher Wiederholungsfaktor bei gleichen Bauelementen, was dann im Endeffekt nicht nur zu wirtschaftlich positiven Ergebnissen führt, sondern sich auch in einer deutlich besseren Qualität des Bauwerkes zeigt. Als Beispiel hierfür lässt sich die Verwendung von Schalungen aus Stahl für alle Unterbauten erwähnt, die bei deren sonst üblichen Geometrieänderungen bei sehr vielen Brücken weder technisch noch wirtschaftlich machbar ist. Aus ästhetischen Gründen werden zudem alle sichtbaren Pfeilerbetonflächen gestockt, somit wird eine lebendigere bzw. natürlicher wirkende Oberfläche geschaffen. 3.2 Überbau Bei der sehr schlanken Bogenkonstruktion der Vorlandbrücken mit 42,50 m Spannweite, 5,75 m Bogenstich und einer Bogendicke von 50 cm war es sehr wichtig, zum einen das Eigengewicht möglichst niedrig zu halten, was mittels Schaumbetoneinsatzes – dessen Eigengewicht liegt bei ca. 500 kg/m3 – gelang, und zum anderen alle relevanten Belastungen sicher aufnehmen zu können.

9 10 11 Schalungen für Pfeiler, Fundament und Bogenanfänger © Arbeitsgemeinschaft BAM/Max Bögl

Die führte wiederum zu relativ hohen Bewehrungsgraden von ca. 320 kg/m3 im Bogen, zudem musste der Bogenanfänger mit Hilfe von Querspanngliedern stabilisiert werden. Die maximale rechnerische Verformung der Bögen unter Berücksichtigung sämtlicher maßgebenden Einflüsse und Belastungen im Endzustand beträgt - 118 mm bis + 52mm.

Die Bogenherstellung wurde mittels verfahrbarer Gerüst- bzw. Schalungselemente bewältigt. Auch hier ließen sich aufgrund des hohen Wiederholungsfaktors Zeit und Geld einsparen, zugleich aber auch die Qualität steigern. Die Gerüstfachwerkträger wurden vorwiegend aus Normwalzträgern hergestellt, um nach dem Einsatzende möglichst viele dieser Träger wiederverwenden zu können.

12 Berechnung der Überbauverformungen © Arbeitsgemeinschaft BAM/Max Bögl

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13 Prinzip der Bogenherstellung mit verfahrbaren Elementen © Arbeitsgemeinschaft BAM/Max Bögl


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Durch die große Anzahl der Bögen bei der Vorlandbrücke Nord, insgesamt 15 Stück, die vorgegebene Bauzeit und wirtschaftliche und statischen Belange mussten bis zur Vollendung dieser Vorlandbrücke die Bogenlängskräfte durch Behelfszugglieder auf dem Bogen sowie durch Zugglieder vom Bogen in die Gründung abgeleitet werden: Durch die dreifache Vorhaltung der Bogenschalung konnte den terminlichen Erfordernissen entsprochen werden. Eine weitere Besonderheit der Vorlandbrücken ist der Einsatz sogenannten Schaumbetons für die Übertragung der Lasten aus Verkehr ab der Unterkante Asphalt bis zur Oberkante Brückenbogen. Üblicherweise würde man diese Belastung über eine auf den Wandscheiben oder Stützen aufgeständerte Stahlbetonfahrbahndecke abtragen. Hier haben wir uns jedoch für die Verwendung von Schaumbeton entschieden und die oberste Schicht mit Schaumbeton 1.000 kg/m3 und den Rest bis zum Bogen mit Schaumbeton 450 kg/m3 ausgeführt. Das dürfte für solchen Einsatz in der Art und Menge weltweit einmalig sein.

14 Bauzeitliche Bogenfesthaltung durch Zugglieder © Arbeitsgemeinschaft BAM/Max Bögl

Schaumbeton 0,95

2,78#

0,12

0,40

Spezifisches Gewicht [in kg/m3]

443

909

Biegefestigkeit [in N/mm2]

0,20

0,77

Elastizitätsmodul [in N/mm2]

864

2.669

Schwinden

5,40 ‰

Wärmeausdehnungskoeffizient 15 Eigenschaften des Schaumbetons © Arbeitsgemeinschaft BAM/Max Bögl

1.000

450

Druckfestigkeit [in N/mm2] Spaltzugfestigkeit [in

Eigenschaften N/mm2]

kg/m3

20,10 [10-6/°C]

kg/m3

3,00 ‰ 5,80 [10-6/°C]

Obwohl der Einbau des Schaumbetons in Lagen von maximal 50 cm nicht ganz einfach ist, so lässt sich doch festhalten, dass es letztlich besser war, nicht auf die »klassische« Lösung zurückzugreifen. Es wurde in der Dimension sicherlich Neuland betreten und für die mindestens 100-jährige Nutzung der Brücke ein Wagnis eingegangen, aber durch die verschiedenen Untersuchungen im Vorfeld, insbesondere die erforderlichen Ermüdungsversuche, kann man eine positive Prognose für die Nutzung des Schaumbetons wagen. Hervorzuheben ist vor allem die Bereitschaft des Bauherrn, solche Lösungen zu akzeptieren, selbst wenn die ersten 25 Jahre der Nutzung im Verantwortungs- bzw. Risikobereich des Ausführenden liegen. Wenn man Neues einsetzen und ausprobieren möchte, ist es unerlässlich, dass alle beteiligten Parteien für solche Neuerungen offen sind, natürlich müssen dabei die Risiken abgewogen werden.

16 »Innenleben« der Bogenstruktur © Arbeitsgemeinschaft BAM/Max Bögl

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

4 Schlusswort Bei der Stadsbrug Nijmegen (De Oversteek) handelt es sich um ein technisch äußerst anspruchsvolles Bauwerk, das in ästhetischer Hinsicht als sehr gelungen bezeichnet werden kann. Die Brücke fügt sich harmonisch in ihr Umfeld ein und schlägt für jeden Betrachter sichtbar einen gestalterischen Bogen zwischen der Zukunft der Stadt, manifestiert in Form der hochmodernen Stahlkonstruktion der Flussbrücke, und der 2.000-jährigen Geschichte Nijmegens, gegossen in die Bogenformen der Vorlandbrücken mit der für diese Gegend prägenden Klinkerverblendung. Sie soll nicht nur den Verkehrsteilnehmern den Weg von einem Flussufer zum anderen ermöglichen, sondern durch ihre breiten Balkonflächen in der Nähe des Wassers auch alle Fußgänger und Radfahrer zum Verweilen auf ihr einladen.

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Durch die in diesem Projekt geltende Vertragsart, den Design, Build & MaintainContract, wird den Ausführenden ermöglicht, unter Berücksichtigung der Bauherrenvorgaben und der geltenden Normen und Vorschriften über ein großes Maß an freien Gestaltungen und Entscheidungen zu verfügen. Das bedeutet zwar sehr viel Verantwortung, große Investitionen in der Angebotsphase und eine enge Zusammenarbeit mit dem Planer etc., es bedeutet jedoch auch ein Maximum an Fokussierung auf Bauwerksqualität, Termintreue und die besten Lösungen für die gesamte Lebenszeit der Brücke. Autor: Dipl.-Ing. Norbert Duczek Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG, Niederlassung Köln

Bauherr Gemeente Nijmegen, Niederlande Entwurf Ney Poulissen, Architects and Engineers, Brüssel, Belgien Tragwerksplanung BAM Infraconsult bv, Gouda, Niederlande (Vorlandbrücken) Leonhardt, Andrä und Partner VBI AG, Stuttgart (Flussbrücke) Auftragnehmer BAM Civiel bv, Gouda, Niederlande Max Bögl Nederlande BV, Amsterdam, Niederlande


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Aktuelle Untersuchungen für Stahlbauwerke

Interaktion zwischen Gleis und Brücke von Hartmut Freystein

Die Interaktion Gleis–Brücke bestimmt maßgeblich Konstruktion und Bemessung von Eisenbahnbrücken: Die Verschiebungen der Überbauoberkante infolge Temperaturschwankungen, Anfahren und Bremsen sowie Durchbiegung aus Lastmodell 71 führen insbesondere am beweglichen Lager wegen der Koppelung von Oberbau und Tragwerk zu Zwängungen und somit zu zusätzlichen Längsspannungen in der Schiene. Nachfolgend werden daher neue Untersuchungen und Nachweisverfahren vorgestellt.

1 Einleitung Der DIN-Fachbericht 101 und die in Kürze eingeführten DIN EN mit den dazugehörigen nationalen Anwendungsdokumenten sowie die Richtlinie 804 enthalten Regelungen zur Begrenzung der Schienenspannungen bzw. Angaben zur Anwendung eines vereinfachten Nachweisverfahrens, das lediglich für spezifische konstruktive Randbedingungen, Anforderungen an den Oberbau und die Begrenzung der Dehnlänge des Tragwerks gilt. So darf das vereinfachte Nachweisverfahren bei Stahlbrücken nur bei Dehnlängen bis 60 m und Schienen 60 E 2 (durchgehend geschweißt) mit schwerem Oberbau (Schwelle B 70 oder schwerer) praktiziert werden. Es ist also zurzeit offen, inwieweit es für die häufig im Bahnnetz vorkommenden Schienen 54 E 4 und bei leichteren Schwellenarten herangezogen werden kann.

2 Neue Ergebnisse Während im Oberbau die Tauglichkeit von Schienen bisher im Rahmen eines Dauerfestigkeitsnachweises ermittelt wird, werden nun in einer Forschungsarbeit in einem ersten Schritt vorhandene Bauteilversuche zur Bestimmung der Gestaltfestigkeit aus den 1970er bis 1980er Jahren neu ausgewertet und die zulässigen Schienenspannungen im Rahmen von Ermüdungsnachweisen als Betriebsfestigkeitsnachweis auf Basis akkumulierter Schadenssummen in Abhängigkeit von repräsentativen Streckenbelastungen, Oberbauarten und Steifigkeitsverhältnissen neu berechnet. Bei den Ermüdungsnachweisen wird im Sinne der Beachtung einer ausgeprägten Mittelspannungsabhängigkeit bei eher wenig gekerbten Bauteilen die unterschiedliche Spannungsschwingbreite in Relation zur Schienentemperatur berücksichtigt. Hierbei zeigt sich, dass die zulässigen zusätzlichen Zugspannungen für Schienen 54 E 4 und 60 E 2 unter gewissen Randbedingungen von 92 N/mm2 auf 112 N/mm2 erhöht werden könnten. In einem zweiten Schritt ergeben rechnerische Untersuchungen zur Begrenzung der Druckspannungen im Rahmen der Verwerfungssicherheit, dass einerseits eine Erhöhung der zulässigen Spannungen auf größere Werte, zum Beispiel 92 N/mm2, möglich erscheint, wenn die Biegesteifigkeit des Gleisrostes erhöht wird: Dazu werden praxisnahe Vorschläge gemacht. Andererseits erfüllt auch der Schotteroberbau mit Schiene 54 E 4 unter definierten Randbedingungen, wie etwa mindestens einseitigen Führungs- und Fangvorrichtungen, die bisher geltenden zulässigen zusätzlichen Schienenspannungen von 72 N/mm2. In dem Zusammenhang ist anzumerken, dass die in Fachkreisen diskutierte Erhöhung der zusätzlichen Schienenspannungen bei Strecken mit Geschwindigkeiten von 140 km/h und weniger nicht realisierbar ist. Die Ursache liegt bei diesen Streckenklassen in dem im Rahmen der Instandhaltung höheren zulässigen Gleisrichtungsfehler, der sich im Sinne eines Ansatzes als Vorverformung bei den Stabilitätsnachweisen am Gleisrost ungünstig auswirkt.

Abschließend wurden an ausgeführten Fachwerk-, Stabbogen- und Netzbogenbrücken aus Stahl im Stützweitenbereich zwischen 70 m und 104 m die zusätzlichen Schienenspannungen ermittelt. Das Resultat war, dass sich unter gewissen Randbedingungen auch bei Stützweiten von 70–80 m noch auf instandhaltungsintensive Schienenauszüge verzichten lässt. Ein wesentlicher Einflussfaktor neben der Variation der Federgesetze für den Gleislängsverschiebewiderstand und der horizontalen Unterbausteifigkeit am Festlager ist zudem, ob auf dem Erddamm vor bzw. hinter den Widerlagern das Federgesetz für das belastete Gleis angesetzt wird. Fachwerkbrücken weisen wegen der oberhalb der Schienenoberkante liegenden Systemschwerachse insbesondere im Lagerbereich ein ungünstigeres Verhalten auf. Autor: Ltd. Baudirektor Dr.-Ing. Hartmut Freystein Eisenbahn-Bundesamt, Berlin

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Planung, konstruktive Details und Montage des Stahltragwerks

Außergewöhnliche Bogenbrücke in Bruck an der Mur von Harald Unterweger, Harald Hafner

Im Zuge der Neuerrichtung einer Bundesstraßenbrücke in Bruck an der Mur nahe Graz, Österreich, wurde versucht, trotz einer bescheidenen Gesamtstützweite von ca. L = 68 m gestalterisch ein besonderes Tragwerk zu realisieren. Damit entstand eine außergewöhnliche Bogenbrücke mit einer in dieser Form noch nicht verwirklichten Lage der Abspannseile. Der schräg über das Brückendeck verlaufende stählerne Bogen stellt für die Nutzer quasi ein »Tor in das Murtal« dar, das Brückendeck selbst ist als Verbundtragwerk mit zwei außenliegenden Hauptträgern ausgeführt. Vor allem die spezielle Form der Seilabspannung führt hier zu einem untypischen Tragverhalten, das die Berechnung und Bemessung maßgeblich bestimmte. Wesentlich für die praktische Umsetzung war zudem, einfache konstruktive Detailausbildungen zu konzipieren, und zwar im Hinblick auf geringe Herstellungskosten. Abschließend wird auf die Fertigung und Montage des Tragwerkes eingegangen: So wurde der als Kastenquerschnitt mit geneigten Stegen ausgebildete Bogen auch aus der Bogenebene überhöht, bedingt durch die spezifische Geometrie der Seile, die zu nennenswerten Verformungen des Bogens aus seiner Ebene führt.

2 Wirkung des Bauwerks: Tor für den Benutzer © Harald Hafner

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1 Grundlegender Tragwerksentwurf © Harald Hafner

1 Einleitung Im Zuge der Neugestaltung der Bundesstraße nach Bruck an der Mur, nahe bei Graz in Österreich gelegen, musste eine bestehende dreifeldrige Stahlbetonbalkenbrücke abgebrochen und durch ein neues Tragwerk ersetzt werden. Es handelt sich dabei um die Überquerung der Mur, die an dieser Stelle eine Stützweite von ca. 65 m erfordert. Anstatt jedoch eine »gewöhnliche« einfache Balkenbrücke zu konzipieren, entstand der Wunsch, an der Stelle ein besonderes Tragwerk zu errichten. Dies führte dazu, dass Bauherrenvertreter und Detailplaner die Idee eines schräg über das Brückendeck verlaufenden Bogens entwickelten mit einer von der Geometrie her neuartigen Art der Abspannung. Dabei sind die beiden »Seilebenen« so beschaffen, dass alle Hänger eines Hauptträgers lediglich in einer Bogenhälfte verankert sind: Daraus rührt das

3 Bogenkonstruktion nach Fertigstellung © Harald Hafner

spezielle Tragverhalten dieser Brücke. Die erste Entwurfsidee veranschaulicht das Modellfoto, wobei der Bogenstich mit etwa 32 m nicht nur aus Gründen des Lichtraumprofils auf der Brücke bewusst sehr groß gewählt wurde, so dass der Bogen für den Benutzer wie ein Tor in das Murtal wirkt. Das für die vorgegebene kurze Stützweite gewählte »unkonventionelle« Tragsystem mit der besonderen Hängergeometrie berechtigt also, von einer außergewöhnlichen Brücke zu sprechen. Außergewöhnlich war auch der Weg zur praktischen Umsetzung dieses Basisentwurfs, die im Rahmen einer sehr intensiven und langandauernden Zusammenarbeit zwischen Detailplaner und einem Universitätsinstitut erfolgte. Diese reichte von der Entwurfsidee über die Festlegung aller konstruktiven Detailpunkte, die Berechnung und Bemessung des gesamten Brückentragwerkes bis hin zur Erarbeitung von Montagekonzept und -statik sowie Spannungsanweisung der Seile, Überprüfung der Stahlbaupläne, Abnahme der stahlbaulichen Fertigung und der Unterstützung bei der Bauüberwachung.


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

4 Gesamtstruktur im Grundriss © Harald Hafner

2 Bauwerkskonzeption Der stählerne Bogen, der als geschweißter Kastenquerschnitt ausgeführt wurde, schneidet im Grundriss die Tragwerkslängsachse in Brückenmitte und weist zu dieser einen Winkel von a = 22° auf. Die Bogenstützweite von etwa 72,00 m ist nur geringfügig größer als die Stützweite l0 = 66,50 m des eigentlichen Brückendecks. Mit dem Bogenstich von ca. 32 m ergibt sich eine Bogengesamtlänge von etwa 92 m. Der Bogen schließt biegesteif an die Bogenfundamente an, die in Form von acht Ortbetonpfählen (l = 12 m; d = 1,20 m) jeweils tief gegründet sind. Das eigentliche Brückendeck ist ein offener Fahrbahnquerschnitt mit zwei außenliegenden stählernen Hauptträgern im Abstand von eHT = 14,50 m, die eine konstante Bauhöhe von ca. 1,30 m, aber unterschiedliche Gurtbreiten haben: Gegenüber der Obergurtbreite von 500 mm (Dicke 30 mm) ist der Untergurt mit einer Breite von 900 mm (Dicke 20–60 mm) deutlich breiter, bedingt durch erhebliche lokale Querbiegebeanspruchungen infolge der örtlichen Seilkrafteinleitung durch die Querträgerkonsole. Die Neigung der Hauptträgerstege von ca. 10° nach außen sowie die primär zum Steg innenliegenden Untergurte erfolgten aus optischen Gründen. Die beiden Hauptträger werden durch Querträger im Abstand von eQT = 4,75 m miteinander verbunden, die als geschweißte schlanke I-Profile mit vertikalem Steg realisiert wurden. Die Querträger sind nach außen in Form von Querträgerkonsolen fortgesetzt, an die außen die zum Bogen führenden Hängerstäbe anschließen. Die Stegebene dieser Konsolen ist jedoch geneigt – angepasst an die Neigung der Seile im Brückenlängsschnitt. Geometriebedingt sind beide Konsolen eines Querträgers unterschiedlich geneigt.

5 Längsschnitt entlang dem Brückendeck © Harald Hafner

6 Längsschnitt entlang dem Bogen © Harald Hafner

Die Betonfahrbahnplatte mit einer Dicke von 30 cm lagert durchgehend auf den Haupt- und Querträgern auf und ist primär in Brückenlängsrichtung gespannt. Quer- wie Hauptträgerobergurte weisen eine kontinuierliche Kopfbolzenverdü-

belung auf, so dass sowohl in Brückenlängs- als auch in -querrichtung eine Verbundtragwirkung vorliegt. Die gesamte Fahrbahnbreite beträgt 12,50 m zur Aufnahme von insgesamt vier Fahrspuren und damit zwei je Fahrtrichtung.

7 Regelquerschnitt © Harald Hafner

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

Die Bogenhänger, die an beiden Enden aller auskragenden Querträger anschließen – ausgenommen sind die widerlagernahen Querträger ohne Konsolen –, sind einheitlich als vollverschlossene verzinkte Seile mit d = 55 mm zur Ausführung gekommen. Durch die gewählte Anordnung der Hänger in Brückenlängsrichtung mit der Verankerung aller elf Seile einer Seilebene in nur einer Bogenhälfte ergeben sich stark unterschiedliche Anschlusswinkel von etwa a = 70–97° (längstes und kürzestes Seil), bezogen auf die horizontale Brückenlängsachse. Daraus resultieren wiederum sehr unterschiedliche Seillängen von LS = 12,40– 37,20 m, darüber hinaus variieren auch die Anschlusswinkel der Seile im Grundriss zu den Querträgerachsen (a = 58–69°) sowie im Brückenquerschnitt (a = 72–90°), bezogen auf die Horizontalachse. Damit spannen alle elf Seile einer Brückenlängsachse aber keine Seilebene, sondern eine Hyperfläche auf. Die Folge dieser Seilgeometrie ist, dass jede Querträgerkonsole über eine eigene Geometrie verfügt, angepasst an den Anschlusswinkeln der einzelnen Seile. Da jedoch die Bogenachse die Brückenlängsachse in der Bauwerksmitte schneidet, liegt eine »Antimetrie« der Anschlusswinkel für beide Hauptträger vor. Die beiden Widerlager sind als konventionelle Kastenwiderlager mit Tiefgründung in Form von acht Ortbetonpfählen (l = 10,00–18,00 m; d = 1,20 m) errichtet worden. Der Überbau weist hingegen, dem speziellen Tragverhalten geschuldet, eine für Straßenbrücken ähnlicher Stützweite ungewöhnliche Lagerung auf: Die vier Lager der Hauptträger (zwei je Widerlager) sind allseitig verschieblich als bewehrte Elastomerlager verwirklicht worden. Bedingt durch große horizontale Auflagerkräfte am Brückendeck, wurden zudem eigene Horizontalkraftlager mittig zwischen den Haupt- unter den Endquerträgern an beiden Widerlagern angeordnet, in Achse 1 am Widerlager Kapfenberg allseitig fest und in Achse 15 am Widerlager Graz in Brückenquerrichtung fest. Der Bogen weist innenseitig einen Besichtigungssteg auf, der mit versperrbaren Einstiegsöffnungen nahe der Fundamentverankerung versehen wurde.

Außerdem ist er an der Oberseite mit Heizdrähten ausgestattet, um ein mögliches Abrutschen von Schnee- und Eisbelägen auf die Fahrbahn zu unterbinden. An den Unterseiten der Fahrbahnquerträger sind überdies zwei in Brückenlängsrichtung durchlaufende Stahlträger angeklemmt, die als Schienen für einen über die volle Breite reichenden und zwischen den Widerlagern verfahrbaren Besichtigungswagen dienen. An den Querträger- und Hauptträgerunterseiten wurden ferner Ösen für die Montage eines Taubennetzes angebracht, das die Ausbildung von Brutplätzen an den Untergurten von Quer- und Hauptträger vermeiden helfen soll. An beiden Widerlagern befinden sich »Klauen«, die über die Endquerträgeruntergurte reichen: Sie verhindern, dass bei einem allfälligen Lagertausch unter den Hauptträgern das Tragwerk nicht so hoch angehoben wird, dass die auch für die ständige Last erforderlichen Horizontalkraftlager »ausgehoben« und damit unwirksam werden. Darüber hinaus sind in den Widerlagerbereichen Anschlusskonsolen für den Ansatz horizontaler Pressen vorgesehen, so dass sich die Horizontalkraftlager ebenfalls austauschen lassen.

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3 Tragverhalten und Systemberechnung 3.1 Exemplarische Lastfälle Die Besonderheit des Tragverhaltens dieser Struktur bei vertikalen Verkehrslasten am Brückendeck zeigt stellvertretend nachfolgendes Bild für zwei einfache hypothetische Lastfälle: einerseits eine konstante Linienlast über die volle Brückenlänge in beiden Hauptträger(HT-)Achsen (r1+2) und andererseits nur in HT-Achse 1 (r1) Die dargestellten Hauptträgerverformungen zeigen, dass sich aus der Volllast (r1+2) ein unsymmetrischer Verlauf der vertikalen Durchbiegung jedes einzelnen Hauptträgers ergibt, bedingt durch die geringere Stützwirkung der zunehmend längeren Abspannseile. Ist nur ein HT belastet (r1), so fällt dessen Verformung deutlich größer (ca. 40 %) aus als bei Volllast und ähnlichem Biegelinienverlauf. Der unbelastete HT jedoch weist eine nach oben gerichtete Verformung auf; das Verformungsverhalten bildet sich in ähnlicher Weise im Verlauf der Hauptbiegemomente Mz um die horizontale Achse der beiden HT ab. Die alleinige Belastung eines HT führt zu nahezu doppelt so großen Biegemomenten wie die Volllast, die Biegemomentenmaxima liegen bei ca. 0,20 x L vom Lager im Bereich der längsten Seile. Dies bedeutet auch, dass der unbelastete Hauptträger aus der einseitigen Belastung sehr hohe negative Momente erfährt – in ähnlicher Größenordnung wie die positiven Momente bei »Volllast«. Das hat ebenso Konsequenzen für die richtige Abbildung der Biegesteifigkeit der Hauptträger (Zustand I bzw. II) im Zuge der Systemberechnung.

8 Verformungen und Lagerkräfte für Linienlasten p in HT-Achsen 1 und 2 © Harald Hafner


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Erwähnenswert sind zudem die ungewöhnlichen Bogenschnittkräfte für diese beiden einfachen Lastfälle. Die Bogennormalkräfte sind, wie für einen Bogen üblich, im Kämpferbereich am größten, aber es liegt kein Normalkraftminimum im Scheitel vor. Untypisch sind die Biegemomentenverläufe am Bogen: Das Biegemoment Mz, in der Bogenebene wirkend, ist nur bei Volllast vergleichsweise klein, und zwar mit einer (untypischen) Einspannwirkung im Scheitelbereich. Die einseitige Belastung (r1) führt zu deutlich höheren Biegemomenten Mz, die einen ausgeprägt antimetrischen Verlauf zeigen, mit Extremwerten an einem Kämpfer und etwa im angrenzenden Bogenviertel. Aus der Verankerung beider Seilebenen lediglich in einer Bogenhälfte resultieren wieder sehr große Biegemomente My aus der Bogenebene. Sie sind für die Volllast am größten mit antimetrischem Verlauf, so dass in Bogenmitte die Biegemomente verschwinden, wogegen am Kämpfer und annähernd in den Bogendrittelpunkten die größten Biegemomente vorliegen. Nicht minder interessant sind die Bogenverformungen, die nur bei Volllast in der Bogenebene dem typischen Bogenverhalten entsprechen. Bei einseitiger Belastung sind sie in Bogenebene hingegen deutlich antimetrisch, mit Verformungsmaxima in den Viertelpunkten. Bei Volllast ist die Verformung aus der Bogenebene ebenfalls antimetrisch, wogegen bei einseitiger Belastung eine einwellige Biegeverformung mit wesentlich höherer Amplitude vorliegt. Ungewöhnlich sind auch die Lagerkräfte: Die vertikalen Auflagerkräfte unter den HT sind sehr unterschiedlich. Nahe den kurzen Seilen liefern die einseitige Belastung und die Volllast annähernd identische Auflagerkräfte, das heißt, am unbelasteten HT verschwindet die Lagerkraft. Nahe den längsten Seilen ist bei Volllast die Auflagerkraft etwa doppelt so hoch wie bei einseitiger Last, wogegen bei einseitiger Belastung abhebende Lagerkräfte beim belasteten HT auftreten. Ungewöhnlich ist, dass sich aus der vertikalen Belastung horizontale Auflagerkräfte des Brückendecks ergeben. Der Grund hierfür ist die Horizontalkomponente aus den Seilkräften jeder Abspannebene, bedingt durch die Neigung der Seile im Aufriss in eine Richtung. Bei Volllast gleichen sich die Horizontalkraftwirkungen in Brückenlängsrichtung beider Seilebenen nahezu aus, so dass die horizontale Lagerkraft fast verschwindet.

Bei einseitiger Belastung (LF r1) hingegen entstehen große Lagerkräfte in Brückenlängsrichtung, in -querrichtung jedoch sogar aus der Volllast hohe horizontale Lagerkräfte. Sie stellen praktisch das Gleichgewicht zu dem Drehmoment des Brückendecks um die vertikale Achse her, gebildet aus den horizontalen Seilkraftresultanten beider Seilebenen. Dies bedeutet, dass alleine für die ständigen Lasten Horizontalkraftlager zwingend notwendig sind, um zu verhindern, dass das Brückendeck sich im Grundriss verdreht. Dies war auch beim Vorspannen der Seile zu beachten, die Horizontalkraftlager mussten also bereits zuvor eingebaut werden. Aus den vertikalen Verkehrslasten resultieren die größten horizontalen Lagerkräfte bei Laststellungen direkt am Schrammbord im Bereich der längeren Seile (ca. 0,30 L vom Lager), bei Lastangriff in der HT-Achse wiederum horizontale Lagerkräfte in Längs- bzw. Querrichtung von maximal ca. 20 % bzw. 10 % der Vertikallast. 3.2 Auswirkungen auf die Berechnung Das dargestellte Tragverhalten für die beiden Einheitslastfälle deutet bereits an, dass die Beanspruchung der einzelnen Bauteile deutlich von der Lage der Belastung im Brückenquerschnitt abhängt. Vor allem führt die Belastung eines Hauptträgers zu sehr hohen negativen Biegemomenten am anderen, unbelasteten und damit zu möglichen Zugspannungen in der Betonplatte. Je nach Verkehrslaststellung sind also beide HT im Zustand I (Betonplatte unter Druck) oder aber, zumindest in Teilbereichen, im Zustand II (Betonplatte unter Zug). Die eigentliche Systemberechnung erfolgte an einem räumlichen Stabmodell. Dabei wurde auch die Nachgiebigkeit der Pfahlgründungen bei den Bogenfußpunkten mit erfasst. Das Brückendeck selbst wurde, wie in [1] vorgeschlagen, mit drei Stabzügen in Brückenlängsrichtung abgebildet: den beiden HT 1 und 2, dem fiktiven mittigen Zentralstab zur Abbildung der horizontalen Biegesteifigkeit des Brückendecks und der alleinigen Torsionssteifigkeit der Fahrbahnplatte (abgemindert bei Zustand II). Um die Biegesteifigkeit der HT für alle Verkehrslaststellungen zutreffend zu erfassen und die Auswirkungen auf Bogen und Abspannseile zu erkennen, wurden drei unabhängige Systemberechnungen durchgeführt: – beide HT im Zustand I, – beide HT im Zustand II, – ein HT im Zustand I, der andere im Zustand II.

Die Baugeschichte wurde bei der Systemberechnung, entsprechend der Montage, so gewählt: Montage des Brückendecks auf zwei Hilfsjochen, ein einziger Betonierabschnitt für die Betonplatte, Montage des Bogens, Montage und Vorspannung der Seile. Einzig das individuelle Einziehen und Anspannen der einzelnen Seilpaare wurde pauschal durch den Lastfall Absenken der Hilfsjoche ersetzt, wobei keinerlei geometrische Nichtlinearität der Seile Berücksichtigung fand (Seile als »Fachwerkstäbe«). Daran anschließend mussten nur jeweils die beiden längsten Seilpaare zusätzlich um dN = 300 kN bzw. 200 kN vorgespannt werden, um zu den gewünschten Seilkräften nach Fertigstellung des Gesamttragwerkes zu gelangen. Deren Ermittlung wurde iterativ vorgenommen, bei der begleitend überprüft wurde, dass auch für ungünstigste Verkehrslaststellungen in allen Seilen Zugnormalkräfte vorliegen und damit kein Systemwechsel auftritt. Diesbezüglich erwiesen sich die längsten Seile als problematisch, und die ursprünglich geplanten Seile am Querträger nahe dem Widerlager mussten entfallen. Darüber hinaus sollte die Eigenfrequenz der Einzelseile hoch sein (fi > 3 Hz) und nicht mit den Haupteigenfrequenzen der Brücke zusammenfallen, um eine Schwingungsanregung aus dem Verkehr zu vermeiden. Eine zusätzliche Dämpfung der Seile ist nicht vorgesehen, jedoch konstruktiv möglich.

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9 Horizontalverformungen des Bogens © Harald Hafner

3.3 Bogenverformung und Schnittkräfte Erwähnenswert sind die ausgeprägten Horizontalverformungen des Bogens aus der Ebene: Nachstehendes Bild zeigt exemplarisch die antimetrischen Horizontalverformungen aus ständiger Last und Baugeschichte, die bei der Fertigung des Bogens als Überhöhung in die Gegenrichtung berücksichtigt wurden. Für die Bemessungsschnittkräfte mussten die ungünstigsten Verkehrslaststellungen sehr genau analysiert werden. Daraus ergaben sich komplexe Verläufe, die zu ausgeprägten Unterschieden der Maxima bzw. Minima in jedem einzelnen Bogenquerschnitt führten. 3.4 Ergänzende Untersuchungen 3.4.1 Stabilität des Bogens Die Stabilität des Bogens wurde umfassend zusätzlich untersucht. Dabei wurde immer am Gesamtsystem gerechnet, wobei jedoch die tatsächliche Baugeschichte einschließlich der Vorspannung der Seile durch die Vorgabe gleichwertiger Seilkräfte ersetzt wurde, die dann gemeinsam mit Verkehr, Temperatur und Wind zu resultierenden Gesamtlastfällen führten. Aufgrund des komplexen Tragverhaltens des Bogens kam nur eine Berechnung nach Theorie II. Ordnung mit geometrischen Ersatzimperfektionen in Frage. Es wurde vorweg die ideale Knicklast des Systems ermittelt und jene beiden Eigenformen als Imperfektionsfigur gewählt, die überwiegend Knicken in der Ebene sowie aus der Ebene abbilden. Aus den Verformungslinien des Bogens wurde außer der Verkehrsvolllast – sie liefert max N im Bogen –, zugehörig zu den beiden Eigenformen, die jeweils ungünstigste Verkehrslast bestimmt. Für Knicken aus der Bogenebene wurden zu-

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10 Bemessungsschnittkräfte für den Bogen © Harald Hafner

dem Wind und ein horizontaler Temperaturgradient am Bogen angesetzt. Die geometrischen Ersatzimperfektionen in bzw. aus der Bogenebene wurden durch Abtriebskräfte am Bogen in den Seilanschlussachsen substituiert, auf Basis der einzelnen untersuchten Gesamtlastfälle. 3.4.2 Ausfall einzelner Seile Ergänzend erfolgte eine Untersuchung für den Ausfall eines einzelnen Seiles infolge Lkw-Anpralls, wobei hier von der charakteristischen Lastkombination ausgegangen wurde. Der Riss eines Seiles wurde als statischer Ersatzlastfall ohne betroffenes Seil und Ansatz äußerer Ersatzdruckkräfte an den Seilenden simuliert mit anschließender dynamischer Erhöhung von w = 1,50, wie im Eurocode EN 1993-1-11 vorgesehen. Im ungünstigsten Fall ist die Normalkraft im Nachbarseil um ca. 15 % größer als im Grenzzustand der Tragsicherheit. 3.4.3 Ermüdungsnachweise Die Ermüdungsnachweise (EN) wurden unter Berücksichtigung der tatsächlichen Fahrspurlage am Tragwerk durchgeführt. Trotz relativ geringer zukünftiger Schwerverkehrsfrequenzen von ca. 200.000 Lkw/a je Fahrtrichtung ergibt sich für einzelne Seile aus dem EN eine ähnlich hohe Ausnutzung wie im Grenzzustand der Tragsicherheit, wobei eine Ermüdungsfestigkeit sc,2E6 = 150 N/mm², entsprechend EN 1993-1-11, für die Seile und deren Verankerung gilt. Für die Hauptträger zeigte die Untersuchung, dass zumindest eine Ermüdungsfestigkeit von sc,2E6 = 56 N/mm² erforderlich wird, was konstruktiv Berücksichtigung fand.

3.4.4 Spannanweisung Wie erwähnt, wurde bei der Systemberechnung selbst die Seilvorspannung primär über das Absenken der Hilfsjoche bewirkt – die beiden längsten Seile wurden dann noch um 300 kN bzw. 200 kN vorgespannt – ohne Erfassung der reduzierten Dehnsteifigkeit der Seile infolge Seildurchhang bei kleineren Seilnormalkräften. Um diese Seilkräfte tatsächlich zu erreichen, war nachfolgend eine nichtlineare Systemberechnung notwendig, die alle statischen Zwischenzustände mit berücksichtigte. Wie üblich erfolgte diese Berechnung rückwärts, das heißt, zuerst wurden die Hilfsjoche wieder eingebaut (Kräfte PHJ* ) und danach sukzessive die einzelnen Seile entfernt: entgegen der Spannreihenfolge, die mit den kürzesten beiden Seilen begann (beide Seile am HT 1 und HT 2 gleichzeitig gespannt). Da die bekannte gesamte Hilfsjochkraft PHJ durch das Spannen der einzelnen Seile reduziert wird, war nun eine iterative Vorgehensweise notwendig; die verbleibende Hilfsjochkraft PHJ* für den ersten Lastfall war anfangs unbekannt. 4 Konstruktive Detailpunkte 4.1 Prinzipielle Detailauslegung Die konstruktive Detailauslegung war bestimmt durch die Forderung nach einfachen und damit kostengünstigen Lösungen, trotz der komplexen Geometrie. Nachfolgend wird auf einige erwähnenswerte konstruktive Details näher eingegangen.


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

11 Fertigung des stählernen Hauptträgers © Harald Hafner

4.2 Querträger mit beidseitigen Auskragungen »Konventionelle« Schrägseilbrücken mit geneigten Hängerstäben und zwei gleichartigen Seilebenen weisen oft Querträger als offene I-Querschnitte auf, deren Stegebene jedoch wie die Seile geneigt ist, mit horizontalem Ober- und Untergurt. Da hier aber die Seilanschlusswinkel stark unterschiedlich sind, wurde innerhalb der HT ein geschweißter I-Querschnitt mit senkrechtem Steg gewählt, um auch alle Querträger nahezu identisch ausführen zu können. Infolge der notwendigen direkten Lagerung der Fahrbahnplatte verfügen sie am Obergurt über Kopfbolzendübel und wirken als Verbundträger, so dass trotz großen HT-Abstands sehr schlanke Querträger mit kleinen Gurten (h = 1.000–1.280 mm; OG: 400/20 mm; UG: 400/30 mm) möglich waren. Die außenseitigen Konsolen, ebenfalls geschweißte I-Querschnitte, haben geneigte, an die Seilwinkel angepasste Stege, an deren Ende sich Rohrstummel zur Verankerung der Hängerseile befinden. Der geometriebedingte horizontale Versatz der Querträgeruntergurte im Grundriss beidseits des HT-Steges erforderte außerdem zusätzliche innere Quersteifen, so dass die Zusatzbiegebeanspruchung durch den HT-Untergurt aufgenommen wird. 4.3. Zusätzlicher Längsverband Die angesprochenen hohen horizontalen Lagerkräfte in Brückenlängsrichtung am festen Horizontalkraftlager unter dem Endquerträger erforderten hier auch den Einbau eines zusätzlichen Längsverbandes, eines K-Verbandes mit Hohlprofilstäben, der bis zum benachbarten Querträger reicht. Damit erfolgt die Weiterleitung der horizontalen Lagerkräfte, in Brückenlängsrichtung wirkend, in die Fahrbahnplatte.

12 Verbandsfeld am festen Lager © Harald Hafner

4.4 Stählerner Bogen Der als geschweißter Hohlkasten ausgebildete stählerne Bogen mit trapezförmigem, veränderlichem Querschnitt erhielt bewusst geringe Blechdicken (t = 15–20 mm), da, geometrisch bedingt, die Stege keine Ebene bilden und dickere Bleche unverhältnismäßig große Richtkräfte beim Zusammenbau erfordert hätten. Alle Bleche weisen zudem innenseitig Hohlprofilsteifen auf. Durch die angesprochene Nichtebenheit der einzelnen Wandungen konnten die Längssteifen auch nicht wie üblich vorweg auf die ebenen Bleche über die volle Länge angeschweißt werden. Vielmehr wurden etwa alle 1,50 m Stöße in den Längssteifen vorgesehen, die erst nach dem Zusammenbau des kompletten Bogenabschnittes abgeschweißt wurden. Insgesamt wurde der Bogen in vier Schüssen gefertigt, wobei vor seiner Montage bauseits die zwei inneren Schüsse zu einem Scheitelstück zusammengeschweißt wurden. Die Krafteinleitung der Seile in den Bogen erfolgt über Gabelkopfanschlüsse an stählerne Querscheiben, deren Lage durch die Neigung der Seile im Aufriss bestimmt wird und nicht senkrecht zur Bogenlängsachse ist, so dass sich mitunter sehr hohe Querscheiben ergeben. Durch die gewählte Dicke dieser Querscheiben von t = 20 mm ließ sich im Übrigen auf einen innenliegenden Gurt an der Durchstiegsöffnung verzichten. Wesentlich ist, dass die Querscheiben bei der Durchdringung des Bogenuntergurtbleches an selbiges und die dortigen Beullängssteifen bewusst nicht angeschlossen sind, um lokale Zwängungsbeanspruchungen zu vermeiden. Das geschah in erster Linie wegen der hohen Ermüdungsbeanspruchung des in diesem Bereich stark verjüngten Querscheiben-

bleches, das sich dann in das deutlich dickere, an der Bogenunterseite sichtbare Blech für den Gabelkopfanschluss fortsetzt.

13 Fertigung des Bogenscheitelbereichs © Harald Hafner

5 Bauablauf und Montagefolge Seitens des Bauherrn wurden, mit Ausnahme des Längsverbandes am Widerlager, nur geschweißte Anschlüsse am Stahltragwerk zugelassen. Zuerst wurde das stählerne Fahrbahndeck aus Haupt- und Querträgern errichtet. Aufgrund der begrenzten Platzverhältnisse hinter beiden Widerlagern entschloss sich die ausführende Stahlbaufirma trotz zweier Hilfsjoche gegen ein Lancieren und für ein konventionelles Einheben mittels Autokränen: Zuerst wurden die außenliegenden HT-Schüsse an beiden Widerlagern montiert und entsprechend der statischen Berechnung am Hilfsjoch überhöht eingebaut. Die Lagerung erfolgte auf hydraulischen Pressen, die auch eine Kontrolle der vertikalen Auflagerkräfte erlaubte.

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14 Montage des stählernen Brückendecks © Harald Hafner

Alle HT-Schüsse weisen bereits außenseitig die vollständigen Querträgerkonsolen mit den Anschlussrohren zur Aufnahme der Seile auf, so dass die einzelnen Querträger in einem Stück eingehoben und mit den Anschlussstellen an den Hauptträgern verschweißt werden konnten.

Nachdem Haupt- und Querträger zwischen Widerlager und Hilfsjoch vollständig errichtet waren, wurden die beiden mittleren HT-Schüsse eingehoben und verschweißt sowie die Querträger in diesem Bereich montiert. Nach Realisierung des stählernen Fahrbahndecks wurde die Fahrbahnplatte in einem Stück geschalt, bewehrt und betoniert, wobei zusätzliche Schalungsträger über den Hauptträgern angeordnet wurden. Nach der Herstellung und Aushärtung der Fahrbahnplatte wurde unmittelbar über zwei der insgesamt vier Hilfsjoche ein provisorischer Rüstturm zur Montage der Bogensegmente errichtet. Die »Durchleitung« der sehr hohen Auflagerkräfte dieser Rüsttürme durch das Fahrbahndeck erforderte eine lokale Verstärkung der Querträgerstege sowie eine genaue Kontrolle der zentrischen Lage der untenliegenden Presse mit ca. 400 t Auflagerkraft am Hilfsjoch. Der Bogen selbst wurde in insgesamt vier Schüssen ausgeliefert, wobei die beiden mittleren vor Ort, am Boden liegend, zu einem Segment verschweißt wurden. Die beiden äußeren Bogenschüsse mit einem Eigengewicht von ca. 64 t wurden am Fundamentanschluss in die herausragenden Verankerungsstäbe eingefädelt, auf Futterblechen unter der Bogenfußplatte eingerichtet und am Rüstturm abgestützt. Danach erfolgte das Einheben des zentralen Mittelstückes von ca. 53 t Gewicht mit zwei Autokränen. Nach dem Abschweißen der Bogensegmente wurden der Verguss unter den beiden Fußplatten an den Fundamenten und das Vorspannen der dort situierten Verankerungsstäbe vorgenommen. Nach der vollständigen Errichtung des Bogens wurden dann die Rüsttürme ab- und die (Bogen-)Abhängeseile eingebaut.

Das Vorspannen erfolgte zeitgleich immer für die beiden baugleichen Seile mittels zweier Hubkolbenpressen am unteren Seilende, beginnend mit dem kürzesten Seil. Nach Aufbringung der für diesen Bauzustand notwendigen Vorspannkräfte wurden die Hilfsjoche abgesenkt und abgebaut sowie das zusätzlich erforderliche Vorspannen der beiden längsten Seilpaare vorgenommen. Der nächste Arbeitsschritt waren Messung sowie Protokollierung aller Seilkräfte und der Höhenlage der Hauptträger. Generell wurden etwas erhöhte Seilkräfte festgestellt, bedingt durch ein erhöhtes Eigengewicht der Fahrbahnplatte, das auch durch die Messung der Auflagerdrücke unter beiden Hilfsjochen bestätigt wurde. Durch die nahezu vollständige Übereinstimmung mit der Sollhöhenlage der Hauptträger mussten danach nur lokale Abweichungen einiger Seile korrigiert, wegen der gegenseitigen Interaktion aber ca. 30 % der Seile nachgelassen oder höher aufgespannt werden. Das nun durchgeführte Aufmaß der Bogenverformungen zeigte, gerade angesichts der komplexen Bogengeometrie mit Überhöhungsvorgaben aus der Bogenebene, eine sehr gute Übereinstimmung mit der Sollgeometrie. Die Randbalken bzw. Kappen und der Fahrbahnbelag ließen sich jetzt dementsprechend mit der planmäßigen Dicke aufbringen.

15 Montage des ersten Bogenschusses © Harald Hafner

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16 Einheben des mittleren Bogenstückes © Harald Hafner

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17 Vorspannen der Einzelseile mit Hubkolbenpressen © Harald Hafner


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

6 Bauzeitplan Die Fertigung der einzelnen Bauteile für das Stahltragwerk begann etwa im März 2011 und endete im August 2011. Die Unterbauten des Brückentragwerkes wurden im ersten Halbjahr 2011 hergestellt. Im Juni 2011 wurde mit der Errichtung des Brückendecks begonnen, im Oktober 2011 folgte die Montage des Bogens sowie im November das Vorspannen der Seile. Damit betrug die Gesamtbauzeit der Brücke etwa ein Jahr. Im Frühjahr 2012 wurde die Brückenausrüstung mit Kappen, Leiteinrichtungen, Fahrbahnbelag etc. aufgebracht, und seit etwa August 2012 ist das Bauwerk in Nutzung. Autoren: o. Univ.-Prof. DI. Dr. Harald Unterweger Institut für Stahlbau Technische Universität Graz Ing. BSc. Harald Hafner Kupsa & Morianz ZT GmbH für Bauingenieurwesen, Graz

Literatur [1] Unterweger H.: Globale Systemberechnung von Stahl- und Verbundbrücken, Modellbildung und Leistungsfähigkeit verbesserter einfacher Stabmodelle. Forschungsbericht, Technische Universität Graz 2007.

Bauherr Amt der steiermärkischen Landesregierung, vertreten durch die Abteilung 16 »Verkehr und Landeshochbau« Entwurfs- und Tragwerksplanung, Abnahme Stahltragwerk Kupsa & Morianz ZT GmbH für Bauingenieurwesen, Graz Technische Universität Graz, Institut für Stahlbau Prüfingenieur Dipl.-Ing. Hans Wagner, Abes Wagner & Partner ZT-GmbH, Graz Bauüberwachung und Bauleitung Amt der steiermärkischen Landesregierung, vertreten durch die Baubezirksleitung Bruck an der Mur Ausführung Gebrüder Haider & Co Hoch- und Tiefbau GmbH, Kapfenberg, Österreich (Massivbau) NCA Container- und Anlagenbau Ges.m.b.H, St. Paul, Österreich (Stahlbau) Radaelli Tecna S.p.A., Mailand, Italien (Seile, Einbau und Vorspannung)

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Bestehende Brücke und Ersatzneubau

Neckartalübergang Neckarsulm von Reinhold Frenzl, Wolfgang Eilzer, Marc Schumm

Der Neckartalübergang im Zuge der Bundesautobahn A 6 zwischen den Anschlussstellen HeilbronnUntereisesheim und -Neckarsulm wurde Ende der 1960er Jahre für den Verkehr freigegeben. Nachdem vor allem zwischen 2003 und 2006 umfangreiche Instandsetzungsmaßnahmen erfolgt sind, wurde der gesamte Brückenzug im Jahr 2011 gemäß den Vorgaben der Nachrechnungsrichtlinie des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nachgerechnet und einer Machbarkeitsstudie unterzogen. Als Resultat dieser Untersuchung fiel die Entscheidung zu einem Ersatzneubau an gleicher Stelle, über dessen Entwicklungsgeschichte wie Charakteristika nachstehend informiert wird. 1 Vorhandenes Bauwerk Der Neckartalübergang umfasst in Summe vier aufeinanderfolgende Einzelbauwerke mit einer Gesamtlänge von 1.316 km. Der Brückenzug ist der längste im Zuge der Bundesautobahn (BAB) A 6.

2 3 Bestandsbauwerk in Längsschnitt und Grundriss © Leonhardt, Andrä und Partner

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1 Heutiger Brückenzug © Leonhardt, Andrä und Partner

Das Gesamtbauwerk beginnt von Westen her mit der 311 m langen dreifeldrigen Durchstichbrücke, die zur Zeit ihrer Herstellung mit einer Mittelöffnung von 151,20 m die zweitgrößte Spannweite unter den Balkenbrücken Deutschlands hatte. Als Querschnitt verfügt sie über einen gevouteten Hohlkasten mit getrennten Überbauten, in Längsrichtung wurde sie als eine der ersten Spannbetonbrücken mit konzentrierten Spanngliedern nach dem System Baur-Leonhardt vorgespannt. Hierbei wurden am Überbauende beim Widerlager A ein Spannblock zum Spannen und zur Verankerung der konzentrierten Spannglieder und am Widerlager B ein Umlenkblock angeordnet.

4 Querschnitt der Durchstichbrücke © Leonhardt, Andrä und Partner


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

5 Querschnitt der Vorlandbrücke Obereisesheim © Leonhardt, Andrä und Partner

6 Querschnitt der Neckarquerung © Leonhardt, Andrä und Partner

7 Querschnitt der Vorlandbrücke Ost © Leonhardt, Andrä und Partner

An dieses Bauwerk gliedert sich die 585 m lange Vorlandbrücke Obereisesheim an, die einheitliche Stützweiten von 39 m aufweist. Im Querschnitt handelt es sich um einen einteiligen Überbau in Form eines zweistegigen, längs und quer vorgespannten Plattenbalkens. Die Fahrbahnplatte wurde ohne Querträger mit Kragarmlängen von ca. 6,20 m bei einer Bauhöhe von 58 cm am Steganschnitt sowie einer Breite von 16,20 m zwischen den Stegen und einer Bauhöhe von 36 cm in Brückenmitte sehr schlank realisiert. Daran anschließend wird der Neckar mit einer 260 m langen zweifeldrigen Balkenbrücke überquert, deren Stützweiten 137,60 m und 122 m betragen. Der Überbau mit einer Bauhöhe von 4,00 m besteht aus zwei durch Querträger miteinander gekoppelten Stahlhohlkästen mit orthotroper Fahrbahnplatte und wartet damit auch für heutige Verhältnisse mit einer enormen Schlankheit von L/H = 137,60 m/4,00 m = 34,40 auf. Am östlichen Neckarufer folgt dann eine 160 m lange, vierfeldrige Spannbetonbrücke mit maximaler Stützweite von 44 m, deren Überbauten als getrennte Spannbetonhohlkästen ausgeführt sind. Der Neckartalübergang befindet sich in einer Hauptachse des europäischen Transitverkehrs in der Ost-West-Richtung und ist daher gekennzeichnet durch ein besonders hohes Schwerlastverkehrsaufkommen, das nach der Öffnung der Grenzen zudem enorm angestiegen ist. 2 Instandsetzungsmaßnahmen Die vier Einzelbauwerke der Brückenklasse 60 wiesen erhebliche bauart- und altersbedingte Schäden und Mängel auf. In den vergangenen Jahren waren deshalb immer wieder umfangreiche und kostenintensive Erhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten notwendig.

So mussten bereits in den 1980er Jahren bei der Vorlandbrücke Obereisesheim Stahlquerträger zwischen den Stegen des Plattenbalkenquerschnittes über den Pfeilern eingebaut und die Neotopfdurch Elastomerlager ersetzt werden. Anfang der 1990er Jahre wurden dann am gesamten Bauwerk übliche Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt und der Belag auf kompletter Länge erneuert. Zwischen 2003 und 2006 erfolgten weitere umfassende Instandsetzungsarbeiten: – Einbau neuer Außenkappen, – Einbau schmälerer Mittelkappen, dadurch Verbreiterung der Richtungsfahrbahnen, – Anordnung von Gleitwänden auf der Mittelkappe, – Einbau einer Lärmschutzwand auf der Nordseite, – Einbau neuer wasserdichter Fahrbahnübergangskonstruktionen, – Instandsetzung an Betonoberflächen und Verpressung aller Risse mit einer Rissweite > 0,20 mm, – Einbau vorgespannter CFK-Lamellen im Bereich der Koppelfugen bei der Vorlandbrücke Obereisesheim, – örtliche Verstärkung der Querträger und Ertüchtigung der Querverbände beider Neckarbrücken, – Einbau zusätzlicher Beulsteifen am Stegblech der Hohlkästen der Neckarbrücke, – Einbau neuer Elastomerlager an den Brückenenden der Vorlandbrücke Neckarsulm. Trotz dieser Maßnahmen wies die Neckarbrücke in den Jahren 2009 und 2010 Schäden an den Schweißnähten im Kragarmbereich auf, die umgehend beseitigt wurden. Kurzfristig mussten darüber hinaus Anfang 2011 in einer Notinstandsetzung sechs der zehn Brückenlager am Stahlüberbau der Neckarbrücke erneuert werden.

8 9 Sanierung der Koppelfugen mit vorgespannten CFK-Lamellen © Leonhardt, Andrä und Partner

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

10 Ersatzneubau im Grundriss © Leonhardt, Andrä und Partner

3 Nachrechnung, Machbarkeitsstudie und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung Im Jahr 2011 wurde der gesamte Brückenzug gemäß den Vorgaben der Nachrechnungsrichtlinie des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) nachgerechnet und einer Machbarkeitsstudie und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung unterzogen. Aufgrund zahlreicher Defizite im Grenzzustand der Tragfähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit sowie der Tatsache, dass die Robustheit und Dauerhaftigkeit der Brücke nicht mehr dem Stand heutiger Bauwerke entsprechen, ist eine Ertüchtigung einzelner Abschnitte auf das Niveau nach DIN-Fachbericht technisch nur mit enormem Aufwand möglich und somit wirtschaftlich nicht sinnvoll. Aus diesem Grund empfahl eine Realisierungsstudie aus dem Jahr 2011 die komplette Erneuerung des gesamten Brückenzuges. Der Ersatzneubau des Neckartalübergangs hat dabei unter vollständiger Aufrechterhaltung des Verkehrs zu erfolgen. 4 Variantenuntersuchung Der Ersatzneubau des Brückenzuges erfolgt an gleicher Stelle, die bestehende Autobahnachse bleibt erhalten. Die Gradiente wird zur Verbesserung der Entwässerung auf der Brücke und unter Berücksichtigung der Vorgaben der Schifffahrt und der Bahn optimiert.

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Beim Ersatzneubau sind zwei getrennte Überbauten mit einer Überbreite von 17,50 m der Richtungsfahrbahnen vorgesehen, so dass in jeder Bauphase und für spätere Instandsetzungen eine 6+0-Verkehrsführung sichergestellt werden kann. Ziel der Variantenuntersuchung war es, ein Brückenbauwerk mit ausgewogenen Proportionen und Stützweitenverhältnissen zu entwerfen, das sich schlicht in die vorhandene Umgebung einfügt, dabei jedoch gleichzeitig als sichtbares Zeichen der Neckarquerung erkennbar ist. Für die westliche Vorlandbrücke sollten außerdem die Regelstützweiten so gewählt werden, dass eine Kollision mit den Gründungen des Bestandes weitestgehend vermieden wird.

Weiterhin wurde ein besonderes Augenmerk auf eine wirtschaftliche Herstellung gelegt, vor allem im Bereich der Kreuzung mit der Bundeswasserstraße und der Bahn, die zudem die notwendigen Beeinträchtigungen der Schifffahrt und des Bahnverkehrs auf ein Mindestmaß begrenzt. In einem ersten Bearbeitungsschritt wurden nun diejenigen Varianten untersucht, die grundsätzlich für ein Bauvorhaben dieser Größe und Anforderungen in Frage kommen. Für die westliche Vorlandbrücke waren das Spannbetonlösungen als zweistegige Plattenbalken mit Regelstützweiten von ca. 38 m bzw. Hohlkästen mit Regelstützweiten von ca. 60 m.

11 Variantenuntersuchung: Stützweiten der Vorlandbrücke © Leonhardt, Andrä und Partner

12 Mögliche Querschnitte der Vorlandbrücke © Leonhardt, Andrä und Partner


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Für die Neckarbrücke wurden gevoutete Deckbrücken in Spannbeton- oder in Stahlverbundbauweise als Zweifeldträger und mehrfeldrige Durchlaufträger sowie Rahmen-, Zügelgurt- und Trogbrücken auch mit wellenförmigem Stegverlauf über drei bzw. fünf Felder untersucht. Als Vorzugslösung kristallisierte sich heraus, dass anstelle der vorhandenen vier Teilbauwerke der künftige Brückenzug aus nur zweien bestehen wird: Die bisherige Durchstichbrücke mit ihren großen Spannweiten entfällt, da diese beim zukünftigen Neckarausbau nicht mehr benötigt werden. Ebenso werden aus herstellungstechnischen Gründen die Neckarbrücke und die östliche Vorlandbrücke künftig in eine Struktur zusammengefasst. Der neue Brückenzug gliedert sich somit in eine westliche Vorlandbrücke mit einer Länge von 823,90 m und die Neckarbrücke mit einer Gesamtlänge von ca. 510,80 m. Die westliche Vorlandbrücke wird als zweistegiger Plattenbalkenquerschnitt ausgeführt, spannt über 22 Felder mit Regelstützweiten von 38 m und hat eine Konstruktionshöhe von 1,75 m. Die Stützweiten der Neckarbrücke betragen ca. 83 m + 131 m + 126 m + 92 m + 79 m. Als wellenförmig ausgebildete Trogbrücke konzipiert, weist sie Bauhöhen von ca. 3,80 m im Feld und ca. 8,30 m über den Hauptpfeilern auf.

13 Variantenvergleich für die Neckarbrücke © Leonhardt, Andrä und Partner

Die Pfeiler der Vorlandbrücke werden paarweise unter den Stegen als schlanke Einzelstützen angeordnet. Die Abmessungen sind im unteren Bereich konstant d = 2,20 m und werden am Pfeilerkopf über eine Höhe von 5 m in Brückenquerrichtung auf 4 m aufgeweitet. Der Überbauquerschnitt ist als schlanker, in Längsrichtung vorgespannter, zweistegiger Plattenbalken mit einer Bauhöhe von 1,75 m ausgebildet. Die Stege sind 4 m breit, die Kragarme weisen Längen von 3,20 m auf.

14 Ansicht der künftigen Neckarquerung © Leonhardt, Andrä und Partner

5 Bauwerksentwurf Da der Verkehr während der Realisierung nahezu uneingeschränkt aufrechterhalten werden muss, wird das nördliche Teilbauwerk für die Fahrbahn Weinsberg– Walldorf in provisorischer Lage nördlich der bestehenden Brücke auf Behelfsunterbauten hergestellt. Die Vorlandbrücke wird aus Gründen der Eingriffsminimierung bei Hochwasser feldweise mit einem Vorschubgerüst errichtet. Das westliche Widerlager und die Pfeiler werden flach gegründet, lediglich in drei Pfeilerachsen, die in einer Verwerfungszone liegen, erfolgt eine Tiefgründung mit Ortbetonrammpfählen.

15 Querschnitt der neuen Vorlandbrücke © Leonhardt, Andrä und Partner

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

16 Querschnitt der neuen Neckarbrücke © Leonhardt, Andrä und Partner

Die Neckarbrücke wird im Taktschiebeverfahren vom östlichen Widerlager aus errichtet. Das heißt, die Stahlteile werden auf dem Vormontageplatz zu Verschublängen von ca. 150 m zusammengefügt und in Brückenlängsrichtung ohne Zwischenunterstützungen mit Hilfe eines Vorbauschnabels verschoben. Die Trennpfeiler und das östliche Widerlager sind flach gegründet, während alle anderen Pfeiler mit Ortbetonrammpfählen tief gegründet werden. Die Pfeiler sind als schlanke Einzelstützen unter den Tragwerksebenen konzipiert. Sie weisen ähnliche Abmessungen auf wie die der Vorlandbrücke, die Aufweitung am Pfeilerkopf erfolgt hier jedoch in Brückenlängsrichtung. Der Querschnitt des Haupttragwerkes ist als Stahlkonstruktion ausgebildet, wobei Obergurt und Stege als offene Querschnitte mit Stegsteifen an der Innenund Außenseite und der Untergurt als durchgehender, torsionssteifer und luftdicht verschweißter Kasten realisiert wird. Die schlaff bewehrte Fahrbahnplatte hat eine Dicke von 33 cm und steht mit den Stahlquerträgern, die alle 3,50 m angeordnet sind, in Verbund.

17 Ersatzneubau der Neckarbrücke als Visualisierung © Leonhardt, Andrä und Partner

Nach Herstellung des ersten Teilbauwerkes wird der Verkehr umgelegt und der vorhandene Brückenzug abgebrochen. Daran anschließend erfolgen die Herstellung des zweiten Teilbauwerks für die Richtungsfahrbahn Walldorf– Weinsberg in endgültiger Lage sowie die der Pfeiler des ersten Teilbauwerks. Danach wird der Verkehr auf das zweite Teilbauwerk umgelegt und das zuerst realisierte in seine endgültige Lage querverschoben.

Autoren: Ltd. Baudirektor Reinhold Frenzl Regierungspräsidium Stuttgart Dipl.-Ing. Wolfgang Eilzer Dipl.-Ing. Marc Schumm Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG, Stuttgart

Bauherr Bundesrepublik Deutschland Auftragsverwaltung Land Baden-Württemberg, Regierungspräsidium Stuttgart Vorplanung und Entwurf Ingenieurgemeinschaft aus Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG, Stuttgart Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Stuttgart Bung Ingenieure AG, Heidelberg

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18 Perspektive: Gesamtstruktur nach Fertigstellung © Leonhardt, Andrä und Partner

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19 Fahrweg aus »Nutzeransicht« © Leonhardt, Andrä und Partner


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Ausführung eines Sondervorschlages

Neubau des Murrtalviadukts von Holger Haug

Mit dem vierspurigen Ausbau der Bundesstraße 14 zwischen Backnang und Winnenden ging auch der Neubau des Murrtalviadukts einher, da die vorhandene Talquerung in einem schlechten baulichen Zustand war. Aus Kostengründen wurde auf ihre Instandsetzung verzichtet und stattdessen der ohnehin geplante Neubau für die Richtungsfahrbahn Stuttgart vorgezogen. In einer ersten Ausbaustufe wird die Bundesstraße 14 nun zweispurig über den neuen Viadukt geführt, wozu im Anschlussbereich die bestehende Straße zur Brücke hin verschwenkt werden musste. Das alte Bauwerk wurde nachfolgend stillgelegt und wird zurzeit abgebrochen. Der vierspurige Ausbau soll zu einem späteren Zeitpunkt realisiert werden, für die Richtungsfahrbahn Schwäbisch Hall wird dazu eine parallel verlaufende, baugleiche Tragstruktur zur Ausführung kommen.

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2 Ansicht © Leonhardt, Andrä und Partner

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1 Lageplan © Leonhardt, Andrä und Partner

1 Ausschreibung Der ausgeschriebene Entwurf des neuen Murrtalviadukts passt sich mit seinen zwei Bögen mit aufgeständerter Fahrbahnplatte im Talbereich und den schlanken Stützen für den durchlaufenden Plattenbalken in den Hangabschnitten optisch dem alten Bauwerk an. Mit der großzügigen Bogenlösung über das Murrtal und beidseitig anschließenden, gestalterisch zurückhaltend geplanten Seitenfeldern wird der örtlichen Situation optimal Rechnung getragen, und das bekannte Landschaftsbild bleibt unverändert. Die ca. 420 m lange und 14,25 m breite Brücke liegt ca. 25 m über dem Talgrund. Die Breite der Fahrbahn zwischen den Kappen beträgt 11,50 m, ausgelegt für den vierspurigen Endausbau. Bis zur

Ausführung des zweiten Überbaues muss jedoch als Bestandteil des Rückhaltesystems eine 1,10 m hohe transportable Betongleitwand vorgesehen werden, die ca. 75 cm von der späteren Mittelkappe zur Fahrbahn hin versetzt angeordnet ist, so dass für die momentane Nutzung der Brücke im Gegenverkehr eine ca. 10 m breite Fahrbahn zur Verfügung steht. Die beiden mittigen Bogenpaare haben eine Stützweite von ca. 107 m und wurden im Entwurf als luftdicht verschweißte stählerne Hohlkastenquerschnitte mit Außenabmessungen von 1.400 mm x 500 mm konzipiert. In Querrichtung erfolgt ihre Aussteifung über einen Vierendeelträger mit Abmessungen von 1.200 mm x 500 mm.


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

3 Längsschnitt © Leonhardt, Andrä und Partner

Im Bogenbereich wurde der Überbau als Verbundquerschnitt mit stählernen Längs- und Querträgern projektiert: Zur Montagevereinfachung der Fahrbahnplatte wurden hier Halbfertigteilplatten gewählt, die für den Betonierzustand freitragend von Querträger zu Querträger ausgebildet werden sollten. Außerhalb des Bogenbereichs wurde der Überbau als längs vorgespannter und in Querrichtung schlaff bewehrter zweistegiger Plattenbalken geplant, mit einer Stützweite von maximal 24 m und einer Konstruktionshöhe von 1,20 m. Pfeiler und der Betonüberbau sind monolithisch miteinander verbunden, nur an den Widerlagern wurden längsverschiebliche Lager vorgesehen. 2 Sondervorschlag Für ein Nebenangebot mussten die beiden wichtigen Gestaltungsmerkmale des Entwurfs, nämlich das Erscheinungsbild der Bögen und die Standorte der Kämpfer, übernommen werden. Ebenso war die Lage der Pfeilerachsen in den Randbereichen verbindlich einzuhalten. Der von Leonhardt, Andrä und Partner für die Firma Max Bögl ausgearbeitete Sondervorschlag sah nun vor, die Bögen in Beton auszuführen, wobei für sie ein 2 m breiter und 1,40 m hoher Massivquerschnitt gewählt wurde – und damit die gleiche Bauhöhe wie die der Stahlbögen im Amtsentwurf. Die Bogengeometrie des Entwurfs blieb zudem unverändert.

4 Regelquerschnitt im Entwurf © Bornscheuer Drexler Eisele GmbH

Darüber hinaus umfasste der Sondervorschlag, auch im Bereich der Bögen den Überbau als vorgespannten zweistegigen Plattenbalken zu realisieren, und zwar mit dem gleichen Querschnitt, wie er im Entwurf nur für die Randfelder ausge-

wiesen war. Für diese wiederum waren gegenüber dem ursprünglichen Konzept keine Änderungen geplant. Entwässerung, Lagerschema und Brückenausstattung folgten ebenfalls den Vorgaben der Ausschreibung.

5 Sondervorschlag: Regelquerschnitt © Leonhardt, Andrä und Partner

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Der vorgesehene Ablauf für die Herstellung der Bögen und der aufgeständerten Überbauabschnitte führte zu sehr hohen einseitigen horizontalen Belastungen für den Mittelkämpfer in Achse G. Der Sondervorschlag sah deshalb vor, die ausgeschriebene Pfahlgründung mittels Kleinbohrverpresspfählen zu verstärken, die teilweise mit einer Neigung bis 4:1 in Brückenlängsrichtung angeordnet werden sollten. In Anbetracht des bestehenden Regenüberlaufbeckens wurden aber für die kombinierte Groß- und Kleinbohrgründung die Abmessungen der Pfahlkopfplatte aus der Ausschreibung beibehalten. 2009 wurde die Firma Max Bögl mit der Ausführung des Nebenangebots beauftragt: Es lag ca. 13 % unter der günstigsten »Variante« in Stahl. Die Qualität des Sondervorschlags hinsichtlich Funktionstüchtigkeit, konstruktiver Ausbildung, Dauerhaftigkeit und Ausführbarkeit wurde als mindestens gleichwertig gegenüber dem Amtsentwurf, die Unterhaltungskosten als geringer beurteilt. 3 Ausführung 3.1 Bemessung und Ablauf Das Bauwerk wurde als sogenannte semiintegrale Brücke konzipiert, mit dem Vorteil einer geringen Anzahl an wartungsintensiven Lagern. In der Ausführungsplanung wurde der Überbau herkömmlich als Trägerrost mit ideellen Querträgern abgebildet. Die Brücke wurde für zivile Verkehrslasten gemäß den DIN-Fachberichten bemessen, die Bemessung für Militärlasten nach STANAG 2021 erfolgte im Einbahnverkehr für MLC 100 und im Zweibahnverkehr für MLC 50/50. Der Bauablauf sah vor, zunächst die Seitenfelder A–E herzustellen, gefolgt von der Errichtung des Bogenpaars F–G sowie der Ausführung des Überbauabschnitts über diesem Bogenpaar. Die entsprechenden Seitenfelder und das Bogenpaar in Fahrtrichtung Schwäbisch Hall wurden in gleicher Weise realisiert, und danach wurde die ca. 3 m lange Schlusslücke im Überbau zwischen den beiden Abschnitten betoniert. So ließ sich vorteilhaft die Möglichkeit nutzen, für die Pfeiler in den Achsen E–B bzw. I–K eine Art Voreinstellung vorzunehmen und damit den Auswirkungen aus Kriechund Schwindverkürzungen im Überbau teilweise entgegenzuwirken. Hierzu wurden durch den Endquerträger und die Widerlagerkammerwand Einzelspannglieder mit d = 40 mm geführt, dann mittels Pressen die Seitenfelder

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Stützweiten in Bauwerksachse

20,00 + 3 x 24,00 + 22,87 + 22,12 + 28,38 + 28,50 +22,12 + 6,32 + 22,12 + 28,50 + 28,38 + 22,12 + 23,17 + 3 x 24,00 = 418,60 m

Stützweite und Stichhöhe der Bögen 107,57 m und ca. 20 m Kleinste lichte Höhe

ca. 5 m

Breite zwischen den Geländern

13,80 m

Brückenfläche Neubau

5.923 m²

Konstruktionshöhe Überbau

1,20 m

Bogenquerschnitt h x b

1,40 m x 2,00 m

6 Hauptabmessungen © Leonhardt, Andrä und Partner

7 Neuer Murrtalviadukt im Bauzustand © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

in Richtung der Widerlager gezogen und in dieser Voreinstellung fixiert, bis der Überbau über dem Bogen ausgehärtet war und die Rückstellkräfte aus der Pfeilervoreinstellung von ihm aufgenommen werden konnten.

Für die Bemessung der Pfeiler und der Gründungen konnten damit betragsmäßig kleinere Zwangskräfte berücksichtigt werden.

8 Modifizierte Konzeption des Bauablaufs © Leonhardt, Andrä und Partner


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

3.2 Gründungen Die Bodenverhältnisse sind im Längsschnitt der Brücke sehr unterschiedlich, daher mussten sämtliche Stützenachsen und die Widerlagergründungen separat betrachtet werden. Die Eigenschaften der Kämpfer- und Pfeilerfundamente wurden im statischen System für die Ermittlung der Einwirkungen als Federkonstante abgebildet, basierend auf der gewählten Gründungsart und den angetroffenen Baugrundverhältnissen. Pfahlgründungen mit Bohrpfählen d = 88 cm kamen zur Ausführung, wenn mächtige Auffüllungen oder Deckschichten den tragfähigen Oberen Muschelkalk überlagerten. Für die Berechnung der axialen Pfahltragfähigkeit konnten hier nur Mantelreibung und Spitzendruck im Oberen Muschelkalk angesetzt werden, wegen der hohen Steifigkeitsunterschiede durfte die Mantelreibung in den darüberliegenden Schichten nicht veranschlagt werden. Um auf Kontrollbohrungen für die Mächtigkeit der tragfähigen Schicht des Oberen Muschelkalks unterhalb der Pfahlsohle zu verzichten, wurde der im Baugrundgutachten definierte Spitzendruck qb,f = 5.000 kN/m² lediglich zu 20 % ausgenutzt. Für die Abtragung horizontaler Lasten konnten zudem seitlich anstehende Böden herangezogen und mit dem Bettungsmodulverfahren nachgewiesen werden. Bei Pfahlgründungen war mit maximalen Setzungen von 1 cm zu rechnen. Flachgründungen wurden geplant, wenn der Obere Muschelkalk unter vergleichsweise geringmächtigen Deckschichten anstand. Für die Bemessung von Flachgründungen waren bei einer Einbindetiefe von t ≥ 1,50 m unter der Geländeoberfläche die Sohldruckspannungen auf einen zulässigen Wert von zul. s0 = 750 kN/m² zu begrenzen. Mit ihrer Begrenzung auf diesen relativ kleinen Wert wurde den Auswirkungen von verwitterten Tonsteineinlagerungen, die teils als wenige Zentimeter dicke Kluftfüllungen, teils aber auch als einige Dezimeter mächtige Lagen erkundet wurden, Rechnung getragen. Die Setzungen wurden bei Ansatz der genannten Sohldruckspannungen mit < 2 cm angegeben.

Die Flachgründungen für die Pfeiler in den Achsen C, D und I wurden mit Abmessungen von 3,00 m x 3,50 m realisiert; nur die äußersten Pfeiler auf der Seite Schwäbisch Hall bedurften eines Fundaments von 4,00 m x 4,00 m, um ein Klaffen der Fuge zu vermeiden. In den Achsen E und J wurden Gründungen mit zwei Pfählen unter jeder Stütze ausgeführt, während in Achse B zunächst eine Flachgründung geplant war. Um jedoch die dafür erforderlichen umfangreichen Verbaumaßnahmen zu vermeiden, wurde sie nachträglich in eine Pfahlgründung umgeändert, und die Pfahlkopfplatte konnte so 2 m höher angeordnet werden als das Flachfundament. Die Form der Kämpfer im Amtsentwurf wurde grundsätzlich beibehalten, nur die Bogenansatzpunkte wurden an die größeren Querschnitte angepasst. Im Bereich der äußeren Kämpferpunkte F und H wurde der Gründungshorizont des tragfähigen Oberen Muschelkalks in einer Tiefe von ca. 5–7 m erkundet. Trotz damit verbundener hoher Aufwendungen für die Baugruben wurden für die äußeren Kämpfer Flachgründungen geplant, da sie sich aus geotechnischer Perspektive für die Abtragung der großen Horizontalkräfte als vorteilhaft gegenüber einer Pfahlgründung erwiesen. Für die Betonkonstruktion ergaben sich an den Kämpfern ungefähr 65 % höhere Auflagerkräfte als für den Entwurf mit Stahlbögen und aufgeständertem Verbundüberbau. Trotz der höheren Vertikallasten blieb die Grundfläche der äußeren Kämpfer mit ca. 12 m x 11 m unverändert, die Gründungsfläche auf dem tragfähigen Oberen Muschelkalk hat mit ca. 17 m x 11 m im Vergleich zur Ausschreibung zudem nur unwesentlich größere Abmessungen. Die Flachgründungen mussten unter Berücksichtigung des Gewichts des Bodenaustausches für eine Vertikalkraft von ca. 64 MN und eine Horizontalkraft bis max. 45 MN nachgewiesen werden. Die maximale Sohlpressung in der Gründungssohle ergab sich zu 0,50 MN/m² und war damit deutlich kleiner als die zulässige von 0,75 MN/m². Die Gründungssohle der Kämpfer war geneigt bzw. abgetreppt auszuführen, so dass die Bodenreaktion, entsprechend der Orientierung der Resultierenden der Bauwerkslasten, mobilisiert werden konnte. Aufgrund der im Verhältnis zur Vertikalkraft hohen Horizontalkraft und

des relativ kleinen Sohlreibungswinkels dSF = 25°, resultierend aus der niedrigen Scherfestigkeit der Tonsteineinlagerungen bzw. der Klüftungen, waren zusätzliche Erdwiderstandsbetrachtungen für den Nachweis der Gleitsicherheit erforderlich. Dabei war die Bodenreaktion an der Stirnseite des Fundamentkörpers unter Beachtung der Verschiebungsabhängigkeit als anteiliger Erdwiderstand zu ermitteln. Um diesen Erdwiderstand gesichert rechnerisch ansetzen zu können, wurde, abweichend von den Angaben im Entwurf, die bogenabgewandte Seite mit einer überschnittenen Bohrpfahlwand verbaut; ein Auflockern des Bodens beim Ziehen der Spundwände ließ sich somit verhindern. Die Gründungssohle der Kämpfer hatte planmäßig eine Neigung gegen die Horizontale von ca. 10°, so dass ca. 75 % der Gleitsicherheit über den Widerstand der Fundamentsohle erzeugt werden konnten. Der Nachweis der Gleitsicherheit musste für verschiedene Fugen geführt werden, und unter Berücksichtigung des rückseitigen Erdwiderstand konnte für die maßgebende Gleitfuge eine Sicherheit von 1,02 nachgewiesen werden.

9 Form eines Kämpfers © Leonhardt, Andrä und Partner

Um die Übertragung der Horizontalkraft in den Arbeitsfugen im Beton zu gewährleisten, wurden diese mittels Hochdruckwasserstrahls nachträglich aufgeraut und vor dem weiteren Betonieren gesäubert und angefeuchtet. Die Arbeitsfuge zwischen dem Beton für den Bodenaustausch und für den Kämpfer wurde zusätzlich konstruktiv verdübelt.

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Wegen der beengten Platzverhältnisse – ein zu erhaltendes Regenüberlaufbecken der Stadt Backnang grenzt an die nördliche Fundamentecke an – wurde für den Mittelkämpfer in Achse G eine Pfahlgründung geplant. Im Endzustand gleichen sich in dieser Achse die Horizontalkräfte aus Eigengewichtslasten durch die symmetrischen Bögen aus, nennenswerte Horizontalbeanspruchungen entstehen nur aus einseitigen Verkehrslasten. Dagegen belasten im Bauzustand, bedingt durch den Herstellungsablauf, hohe einseitige Horizontalkräfte den Mittelkämpfer. Abweichend zu den Überlegungen für den Sondervorschlag wurde nun für die Bauausführung die Pfahlgründung vorrangig für die Abtragung der Vertikalkräfte im Endzustand ausgelegt sowie ein temporäres Zugband zur Ableitung des Bogenschubs im Bauzustand zwischen Kämpfer F und G vorgesehen. Das Zugband umfasste zehn 22-litzige Spannglieder, wobei jedes von ihnen mit 2.500 kN vorgespannt wurde. Die Spannglieder wurden am Kämpfer G verankert und am Kämpfer F mittels Schlaufen mit einem mittleren Radius von 3 m umgelenkt. Einbau und Anspannen der Spannglieder erfolgten stufenweise, abgestimmt auf die mit dem Baufortschritt anwachsende einseitige Horizontalkraft, wie später auch ihr Ablassen und Ausbau stufenweise erfolgten, entsprechend der Verringerung der Horizontalkraft. Die maximal aufzunehmende Horizontalkraft ergab sich beim Betonieren des Überbauabschnittes über dem ersten Bogenpaar und betrug ca. 28 MN. Für die Abtragung der deutlich höheren Vertikallasten für das Betontragwerk musste die Pfahlgründung gegenüber dem Entwurf vergrößert werden. Die genaue Lage des Regenüberlaufbeckens wurde aufgenommen, und es zeigte sich, dass bei einer gleichzeitigen Verringerung der Neigung für die äußeren Pfahlreihen auf 10:1 eine vierte realisiert werden konnte, bei unverändertem Achsabstand der Pfähle von 2,70 m. Die maximale Pfahlkraft wurde mit max. Px,d = 9,80 MN ermittelt und führte zu einer Einbindelänge in den Oberen Muschelkalk von fast 10 m: Sie war damit doppelt so groß wie im Amtsentwurf.

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BRÜCKENBAU | 1/2 . 2013

10 Temporäres Zugband © Leonhardt, Andrä und Partner

3.3 Unterbauten In den Hangbereichen wurden Einzelstützen mit einem Querschnitt von 1,60 m x 1,00 m mit halbkreisförmigen Enden r = 50 cm in der Betongüte C 35/45 vorgesehen, die monolithisch mit dem Überbau verbunden sind. Ihre Errichtung erfolgte mit einer Kletterschalung, wobei die Länge der Anfängersegmente variabel gehalten wurde, damit sich alle folgenden mit einer konstanten Länge von 5,25 m herstellen ließen. Sämtliche Pfeiler wurden zudem 2,50 cm höher betoniert als die Unterkante des jeweiligen Steges, um später die Höhe der Überbauschalung nach oben oder unten zu korrigieren und so die Möglichkeit zu haben, bereits eingetretene Setzungen oder Bauungenauigkeiten ausgleichen zu können. Die Anschlussbewehrung in den Überbau wurde als Rahmenecke für Momente mit wechselndem Vorzeichen ausgebildet, die sich übergreifenden horizontalen Schenkel wurden hier aus Platzgründen und wegen einer einfacheren Ausführung unterhalb der oberen Spannglieder angeordnet. Auf der Stuttgarter Seite ist im Widerlagerbereich eine bis zu 20 m hohe Auffüllung vorhanden, Resultat einer

Anschüttung bei Errichtung der bestehenden Brücke. Für das kastenförmige Widerlager wurde daher eine Pfahlgründung geplant, bei deren Bemessung zusätzlich beachtet werden musste, dass die Hinterfüllung erst nach Herstellung der Pfähle eingebaut wurde, weshalb über die gesamte Höhe der Auffüllung eine negative Mantelreibung zu berücksichtigen war. Das Widerlager Schwäbisch Hall besteht aus einer ca. 12,50 m breiten, kastenförmigen Konstruktion, an deren westlicher Seite zur Aufnahme des Geländesprungs sich eine insgesamt ca. 42 m lange Flügel- bzw. Stützwand anschließt. Diese Wand ist als Widerlagerflügel zunächst ca. 10 m hoch und verringert sich nach Norden hin, dem Straßenverlauf folgend, entsprechend dem ansteigenden Gelände stufenweise bis auf ca. 3 m. Das Gründungsniveau für die Stützwand orientiert sich an dem parallel zur Geländetopologie ansteigenden, tragfähigen Baugrund, und es wurden Flachgründungen mit partiellen Magerbetonplomben gewählt.


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

11 Bogenherstellung auf Traggerüst © Leonhardt, Andrä und Partner

3.4 Bögen Aus statischen Gründen war für die Bögen ein hochfester Beton C50/60 erforderlich, aufgrund der gewählten Breite konnte auf die für die schmalen Stahlbögen aus Stabilitätsgründen erforderlichen Querriegel jedoch verzichtet werden. Ihr Erscheinungsbild wurde so nicht unterbrochen, und trotz der größeren Breite gegenüber den Stahlbögen werden sie so als schlanke Bauteile wahrgenommen. Auf jedem Bogen befinden sich vier Ständer im Abstand von ca. 22 m, die den Überbau tragen und einen rechteckigen Querschnitt von 1,00 m x 1,60 m haben. Um die Zwangsschnittgrößen in den Ständern zu reduzieren, wurden die beiden kurzen inneren Ständer mit Betongelenken am Überbau und am Bogen angeschlossen. Im Scheitelbereich, auf einer Länge von ca. 17 m, sind die Bögen mit den Stegen des Überbaus verbunden. Zur Herstellung der Bögen diente ein Traggerüst: Nach dem Betonieren des östlichen Bogens wurde es samt Schalung mittels Hydraulikpressen zum westlichen verschoben. Zur Errichtung des zweiten Bogenpaares musste das Traggerüst dann komplett ab- und wieder aufgebaut werden. Das Betonieren eines Bogen selbst erfolgte in vier Abschnitten. Für die ersten drei auf jeder Seite musste eine Konterschalung eingebaut werden, während der ca. 48 m lange mittlere Bereich zunächst ohne das Verbindungselement zwischen Bogen und Überbau betoniert wurde. Nach dem Ausbau des Traggerüstes wurde die Verformung des Bogens unter Eigengewicht gemessen und durch einen Vergleich der Messmit den Rechenwerten erst die tatsächlichen Herstelllängen der Ständer und die Betonierhöhe des Verbindungselements festgelegt.

3.5 Überbau und Vorspannung Der Überbau wurde über die gesamte Länge als zweistegiger Plattenbalken mit einer Konstruktionshöhe von 1,20 m ausgeführt. Für die Vorspannung kamen 15-litzige Spannglieder zur Anwendung, im Regelbereich bestand sie aus vier girlandenförmig verlaufenden sowie aus oben und unten jeweils vier gerade geführten Spanngliedern je Steg. Zulagen mussten nur an den jeweils äußeren Bogenbereichen und für den Überbauabschnitt über dem Bogenfeld F–G eingefügt werden. Mit dieser näherungsweise zentrischen Vorspannung ließ sich im Stützbereich auch am unteren Rand der Nachweis der Dekompression erfüllen. Die Spannglieder wurden für ein abschnittsweises Vorspannen des Überbaues entsprechend dem Bauablauf angeordnet. Über zwei Bauabschnitte geführt, waren sie über 200 m lang und mussten deshalb von beiden Seiten gespannt werden. Um auch die Spannglieder über dem zweiten Bogenpaar von beiden Seiten spannen zu können, wurde

12 Bogen mit Ständern © Leonhardt, Andrä und Partner

deshalb zwischen den beiden Ständern links und rechts der Achse G der Überbau auf einer Länge von ca. 3 m zunächst ausgespart und erst nach dem Spannen der Spannglieder betoniert. Die Spannglieder für die Schlusslücke übergreifen sich mit jenen der anschließenden Überbauabschnitte. Auf beiden Seiten der Schlusslücke wurde auf einer Länge von ca. 6 m der Überbauquerschnitt als Platte ausgeführt, um so zwischen den Stegen eine Stirnfläche zu erzeugen, die dann für die Anordnung der Spannanker zur Verfügung stand.

13 Anordnung der Spannglieder © Leonhardt, Andrä und Partner

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

beiden Seiten her zu Fallleitungen in den Achsen B und K und den langen Bogenständern geführt. Die im Entwurf vorgesehene Entwässerungslösung entlang den Bögen konnte so entfallen. Auch wurde darauf verzichtet, wie ebenfalls im Entwurf vorgeschlagen, die Fallleitungen in Nischen an den Pfeilern unterzubringen: Sie wurden stattdessen am Scheitel der Pfeilerausrundung bzw. an der kurzen Seite der Ständer situiert.

14 Neues und (im Hintergrund) altes Bauwerk © Leonhardt, Andrä und Partner

Um das Erscheinungsbild nicht zu beeinträchtigen, waren nur in Ausnahmefällen Spanngliedverankerungen an Lisenen erlaubt, so dass eine Abstufung der Spannglieder entsprechend den vorhandenen Beanspruchungen nicht ohne weiteres möglich war. Dies und die aus Gründen der Dauerhaftigkeit gewählte näherungsweise zentrische Vorspannung waren auch der Grund für die hohe Spannstahlmenge von ca. 32 kg/m² für einen zweistegigen Plattenbalken mit einer mittleren Dicke von 60 cm. Auf der anderen Seite führte neben den moderaten Abmessungen des Überbauquerschnittes gerade die hohe Vorspannung zu einem im Vergleich mit ähnlichen Querschnitten geringen Bewehrungsgehalt von ca. 110 kg/m³.

Die Längsbewegung wurde über weite Bereiche konstant eingelegt, da sie sich vorrangig aus den normativen Mindestanforderungen, Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreite sowie Robustheitsbewehrung, definierte. 3.6 Entwässerung Das Längsgefälle des neuen Überbaus beträgt nur 0,18 %, daher waren in enger Reihung von ca. 12,50 m Brückenabläufe vorzusehen. Die Längsleitung der Brückenentwässerung wurde unter dem Kragarm angeordnet, mit einem lichten Abstand zum Steg von ca. 60 cm. Um weitestgehend zu vermeiden, dass sie unterhalb der Längsträgerunterkante herausragt, wurden ihre einzelnen Abschnitte mit einem Gefälle von lediglich 1 % von

Beton

Betonstahl BSt 500S

15 Detail der Entwässerung © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

Spannstahl St 1570/1770

Bauteil Festig- m3 m3/m2 t kg/m2 kg/m3 t kg/m2 kg/m3 keitskl. Überbau

C 45/55

3492

Bogen und Bogenständer

C 50/60

1600

365

228

C 25/30 + LP

361

38

105

C 30/37

435

47

108

Kappen Widerlager

0,60

382

66

109

192

33

55

Widerlagerfundament C 30/37 405 56 138 Pfeiler Pfeilerfundament

C 35/45 515 126 245 C 35/45|C 30/37

482|1405

72|200

149|142

Pfähle C 30/37 283 61 216 16 Baustoffe und Mengen © Leonhardt, Andrä und Partner

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

17 Neuer Murrtalviadukt nach Abbruch der bestehenden Brücke © Leonhardt, Andrä und Partner

4 Zusammenfassung Vorrangig wirtschaftliche Aspekte bestimmten die Überlegungen, die Bögen und die aufgeständerte Fahrbahnplatte in Beton auszuführen. Zwar mussten bei der Kalkulation für das Betontragwerk höhere Kosten für die aufwendigeren Gründungen der Kämpfer in Ansatz gebracht werden, trotzdem konnte die Firma Max Bögl ein günstigeres Angebot einreichen als ihre Mitbewerber für die Stahllösung. Die Anforderungen für Nebenangebote wurden dabei beachtet. Die Betonstruktur mit ihrer filigranen Tragkonstruktion fügt sich optimal in die örtliche Situation ein. Der primär aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten entstandene Entwurf genügt also ebenso gestalterischen Ansprüchen. Im Rahmen der Ausführungsplanung wurden das Konzept des Sondervorschlages und die damit einhergehenden Überlegungen konsequent weiterentwickelt, teilweise auch neu entworfen. Als Beispiele hierfür seien die Änderung des Bauablaufs mit einem temporären Zugband zwischen den Kämpfern F und G sowie die Überarbeitung der Brückenentwässerung genannt. Diese Arbeiten erfolgten in engem Zusammenwirken mit dem Regierungspräsidium Stuttgart und der Firma Max Bögl und wurden konstruktiv begleitet durch den Prüfingenieur.

Bauherr Bundesrepublik Deutschland Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Bonn Auftragsverwaltung Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Regierungspräsidium Stuttgart, Referat 47.3 Entwurf Bornscheuer Drexler Eisele GmbH, Stuttgart Sondervorschlag und Ausführungsplanung Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG, Stuttgart Prüfingenieur Dipl.-Ing. Steffen Eisele, Stuttgart Bauausführung Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG, Neumarkt

Autor: Dipl.-Ing. Holger Haug Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG, Stuttgart

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Wettbewerbsverfahren und erster Preisträger

Werratalbrücke bei Bad Salzungen von Thomas Hermann, Henry Ripke

Die Werratalquerung der Bundesstraße B 62 bildet den Lückenschluss bereits realisierter Ortsumgehungsabschnitte und ist für deren volle Verkehrswirksamkeit von großer Bedeutung. Da ihre Errichtung zudem aus ästhetischen wie konstruktiven Gründen eine besondere Herausforderung darstellt, wurde ein Realisierungswettbewerb ausgelobt, dessen Ergebnis nachfolgend thematisiert wird. 1 Wettbewerbsverfahren Die Werratalquerung der Bundesstraße B 62 beschäftigt die Thüringer Straßenbauverwaltung planerisch seit nunmehr zwei Jahrzehnten. Sie stellt den Lückenschluss von 20 km bereits realisierter Ortsumgehungsabschnitte dar und ist für deren volle Verkehrswirksamkeit nun von großer Bedeutung. Herzstück und längster Abschnitt dieser Straßenbaumaßnahme ist die Werratalbrücke, die nach den linienbestätigten Unterlagen eine Länge von ca. 1.500 m aufweisen soll. Die vorgesehene Brücke quert neben dem Fließgewässer und deren Talaue einen Baggersee mit einer durchschnittlichen Wassertiefe von 30 m auf einer Länge von ca. 400 m. Wegen der besonderen ingenieurmäßigen Herausforderung vor allem durch die Querung des Sees sowie der zukünftigen Prägung des Territoriums durch ein so

2 Siegerentwurf: Seequerung © Henry Ripke Architekten

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BRÜCKENBAU | 1/2 . 2013

1 Lage im Straßennetz © Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr

langes Bauwerk wurde ein Realisierungswettbewerb ausgelobt. Vor gut einem Jahr entschied das Preisgericht über die Arbeitsergebnisse der sieben Teilnehmer, was angesichts der ideenreichen, technisch und gestalterisch überzeugenden Lösungen nicht einfach war. Eine ausführliche Dokumentation des gesamten Verfahrens mit Darstellung und Beschreibung aller eingesandten Entwürfe findet sich im Internet unter www.werratalbruecke-bad-salzungen.de.

2 Siegerentwurf 2.1 Leitidee der Brücke Die Werra bildet mit ihrem weiten Mäander einen wichtigen Bestandteil des landschaftlichen Charakters. Die Ufer sind überwiegend noch naturnah und repräsentieren zusammen mit der Kulturlandschaft der Werratalaue schützenswerte Areale, die dem Tourismus und der Naherholung dienen. Grundlage für den Entwurf war die genaue Analyse des Ortes und der landschaftlichen Gegebenheiten mit der Erkenntnis, dass sich die Gestaltung der Brücke stark zurücknehmen, aber trotzdem ein individuelles Zeichen setzen sollte, um sich optimal in die Umgebung zu integrieren: Es wurde Wert darauf gelegt, dass keine übertriebenen konstruktiven Gesten den Kontext stören. Die neue Brücke fügt sich wie selbstverständlich ein und betont die Eigenschaften des Werratals. In die sanft modellierte Landschaft mit den rahmenden Hügelketten wird das Bauwerk als leicht gewelltes Band eingepasst und tritt über seine sanft bewegte Silhouette in den Dialog mit dem Umfeld, das heißt, es übernimmt in abstrahiertem Gestus die Konturen der Hügelketten des Salzunger Werraberglandes.


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

3 Vorlandbereich der Werratalbrücke © Henry Ripke Architekten

Als Trogbrücke konzipiert, besteht ihr Überbauende aus zwei außenliegenden Trägern, die, dem Momentenverlauf folgend, eine Wellenlinie mit den Hochpunkten über den Stützen beschreiben. Die Brückenoberkante akzentuiert dabei die Querung des Kiessees durch drei über die anderen hinausragende Wellen, die zu einem Fachwerk aufgelöst sind. Diese individuelle, aus der örtlichen Situation entwickelte Gestaltung wird sich in ihrer Zeichenhaftigkeit mit dem Ort verbinden, damit wird eine adäquate Landmarke geschaffen, die für ein Alleinstellungsmerkmal mit touristischem Potential sorgt. Mit der gewählten Form und Konstruktion können die Eingriffe in den Naturraum auf ein Minimum begrenzt werden, insbesondere wird der Eingriff in den sensiblen Bereichen reduziert und zugleich eine Identifikationsmöglichkeit für die Anwohner geschaffen.

und sonstige Anforderungen an das Bauwerk gehen damit eine gelungene Symbiose ein, die durch die additiven Elemente zu einer reizvollen Außenund Innenansicht der Brücke führen. Die Brücke gewinnt durch die an ihren Enden sanft geschwungenen Träger, die in sich in Bauwerksmitte auf ca. 6,60 m über Fahrbahnoberkante im Bereich über dem Kiessee erhöhen, eine leicht eingängige Dramaturgie, die insbesondere dem

Autofahrer, der ja aufgrund des Lärmschutzes nicht von der Brücke schauen kann, eine Orientierung im Raum vermittelt. Aus der Ferne erscheint der Überbau hingegen als schlanke, horizontale und leicht gewellte Form, die in den Dimensionen zurückhaltend ist und in ihrer Assoziation Landschaft und Brücke zu einem Ensemble verbindet. Die Unterbauten sind als Y-förmige Pfeiler konzipiert, die, dem optischen Erscheinungsbild des Überbaus folgend, als gerundete Querschnitte vorgesehen sind. In der Räumlichkeit wird dadurch eine elegante, fast skulptural wirkende Anmutung erzielt. Die Widerlager sind in der Ansicht teilweise freigestellt, um der Brücke einen Anfangs- und Endpunkt zu verleihen. Die Oberkante des Trägers setzt sich als Wellenbewegung in den Brüstungswänden aus Beton fort und ergibt so den Auftakt zur Seequerung.

4 »Hügelkette« als Leitidee des Konzepts © Henry Ripke Architekten

5 Längsansicht des Bauwerks © Henry Ripke Architekten

2.2 Gestaltungskonzept Ausgehend von dem Leitgedanken einer sanft geschwungenen »Hügelkette«, erhält die Brücke als Hauptkonstruktionselement zwei außenliegende Hohlkastenträger, zwischen die Querträger eingehängt sind. Die über der Fahrbahn angeordneten Hauptträgerabschnitte bilden gleichzeitig einen Teil der erforderlichen lichtdichten Lärmschutzwand. Sie werden in ihren »Tälern« so durch Lärmschutzelemente ergänzt, dass die Gesamthöhe über Fahrbahnoberkante an jeder Stelle 1,45 m misst. Tragwerk

6 Brüstungswände in Wellenform © Henry Ripke Architekten

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7 Teilansicht © Henry Ripke Architekten

2.3 Tragwerk und Konstruktion Ziel ist die Einheit von Gestaltungskonzept und Konstruktion. Beim Überbau handelt es sich um einen Trogquerschnitt, der als Durchlaufträger über 20 Felder mit Spannweiten von 60,00–120,00 m ausgeführt werden soll. Die Bauhöhe der gevouteten Hauptträger der Vorlandfelder ist von 2,50–3,80 m veränderlich, während sie im Bereich der größten Stützweiten in ein Fachwerk aufgelöst werden, dessen Bauhöhe maximal 8,60 m beträgt. Für Fachwerkobergurt und Diagonalen sind Hohlkastenquerschnitte vorgesehen. Die Hauptträger werden im Abstand von ca. 3,00–3,50 m durch Querträger mit veränderlicher Bauhöhe und einer minimalen Höhe in Feldmitte von 60 cm miteinander verbunden. Die schlaff bewehrte Fahrbahnplatte (Ortbeton auf Fertigteilen) liegt auf den Querträgern und den Flanschen an den Hauptträgerinnenstegen auf und hat eine konstante Dicke von 35 cm. Wesentliche Bauwerksdaten sind: – Einzelstützweiten: 60,00 m + 3 x 73,50 m + 3 x 82,00 m + 100,00 m + 2 x 12,00 m + 100,00 m + 5 x 82,00 m + 2 x 73,50 m + 60,00 m, – Gesamtlänge: 1.591,50 m, – Breite zwischen den Geländern: 12,32 m, – Brückenfläche: 19.607,28 m².

8 9 Regelquerschnitt und Längsschnittdetail © Henry Ripke Architekten

Aufgrund des anstehenden Baugrundes müssen durchgängig Tiefgründungen ausgeführt werden. Gewählt wurden Bohrpfahlgründungen mit Pfahllängen zwischen 15 m und 40 m: Die sehr unterschiedlichen Längen ergeben sich aus den wechselnden Baugrundeigenschaften und den unterschiedlichen Beanspruchungen der Pfeiler. Die Stützen sind als Y-förmige Stahlbetonkonstruktionen entworfen. Zur Gewährleistung der Standsicherheit werden die beiden Pfeilerköpfe jeder Stütze durch ein Zugband aus je vier Rundstählen verbunden. Die Widerlager werden als klassische Kastenwiderlager ausgebildet und erhalten Wartungsgänge, die von der Vorderseite erreichbar sind. Autoren: Dipl.-Ing. (FH) Thomas Hermann M. Sc. Freistaat Thüringen Landesamt für Bau und Verkehr, Erfurt Dipl.-Ing. Henry Ripke Freier Architekt AIV BDB, Berlin

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Bauherr Bundesrepublik Deutschland Auftragsverwaltung Freistaat Thüringen, Landesamt für Bau und Verkehr, Erfurt Entwurfsplanung Henry Ripke Architekten, Berlin VIC Brücken und Ingenieurbau GmbH, Zwickau Meyer + Schubart Partnerschaft Beratender Ingenieure VBI, Wunstorf Beratung Unterwassergründung IMS Ingenieurgesellschaft mbH, Hamburg Beratung Landschaftsplanung POLA Landschaftsarchitekten, Berlin


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Ergebnis des Realisierungswettbewerbs

Neubau der Talbrücke Heidingsfeld von Bernd Endres

Im Zuge des sechsstreifigen Ausbaus der Bundesautobahn A 3 muss auch die südlich von Würzburg gelegene Talbrücke Heidingsfeld neu errichtet werden. Sie hat große Bedeutung für das Ortsbild der Stadt, weshalb entschieden worden ist, einen Realisierungswettbewerb für dieses Bauwerk durchzuführen. Das Ergebnis des Verfahrens und die Charakteristika der prämierten Entwürfe werden nachfolgend beschrieben. 1 Ausgangslage Bereits bei der ursprünglichen Planung der Bundesautobahn A 3 in den 1950er Jahren wurde die reizvolle Lage Würzburgs erkannt und bei der Linienführung einbezogen. Die Autobahn wurde damals entlang einer Hangkante gelegt, um während der Fahrt die Stadt mit ihren vielen Kirchtürmen, das Maintal mit den Weinbergen, die Festung Marienberg und das »Käppele« sehen zu können. Zwischenzeitlich ist die Stadt von beiden Seiten an die Autobahn herangewachsen. Zur Berücksichtigung der veränderten städtebaulichen Situation sieht der geplante sechsstreifige Ausbau deshalb vor, die Autobahntrasse um 9 m abzusenken und auf einer Länge von 570 m in einen Tunnel zu verlegen. Die Trennwirkung der Autobahn zwischen den Würzburger Stadtteilen Heidingsfeld und Heuchelhof kann dadurch aufgehoben und die Lärmbelastung für die Anwohner reduziert werden. Große Bedeutung für das Ortsbild hat insbesondere die Talbrücke, da sie sowohl vom Zentrum Würzburgs als auch von den Stadtteilen Heidingsfeld und Heuchelhof aus gut sichtbar ist. Die Autobahndirektion Nordbayern ist deshalb der Anregung der Stadt Würzburg gefolgt und hat einen Gestaltungswettbewerb für die Talbrücke ausgelobt. Die neue, 630 m lange Brücke erhält getrennte Überbauten und verläuft maximal 45 m über dem Tal mit einer Längsneigung von 4 %. Sie führt über eine Straßenbahnlinie und eine Ortsstraße, die Staatsstraße 511 und die Bahnlinie Würzburg–Heilbronn. Zur Einhaltung der Lärmgrenzwerte werden 6 m hohe Lärmschutzwände aufgesetzt.

1 Verlauf der Autobahn südlich von Würzburg © Autobahndirektion Nordbayern

Die bestehende Brücke aus dem Jahr 1963, ein Stahlverbundbauwerk mit Balkenquerschnitt und neun Feldern, dessen größte Stützweite 80 m misst, wird abgebrochen. 2 Der Wettbewerb 2.1 Gestaltung als Notwendigkeit Ingenieurbauwerke, vor allem Brücken, sind prägender Bestandteil unserer Städte und unserer Kulturlandschaft. Häufig dominieren sie ihre Umgebung allein schon aufgrund ihrer Größe. Jedes Brückenbauwerk ist dabei ein Unikat, das den Besonderheiten seines Standortes sowohl in technischer als auch in gestalterischer Hinsicht Rechnung tragen

muss. Dies ist der Grund, warum es keine befriedigenden »Einheitsbauten« für Talbrücken gibt. Die Durchführung eines Wettbewerbs kann ein möglicher Weg sein, die Gestaltung herausragender Einzelbauwerke zu optimieren. Dabei befassen sich mehrere Spezialisten aller betroffenen Fachrichtungen in der nötigen Arbeitstiefe mit der Entwurfsaufgabe. Das Ergebnis dieser Lösungen wird wiederum von anerkannten, zum Großteil unabhängigen Fachleuten unter Berücksichtigung der Wettbewerbsrandbedingungen vorurteilsfrei bewertet und ein oder mehrere Entwürfe zur weiteren Bearbeitung vorgeschlagen.

2 Blick von den Weinbergen auf die bestehende Talbrücke © Autobahndirektion Nordbayern

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2.2 Ausschöpfen des Innovationspotentials Wettbewerbsbeiträge sollen sich nicht nur auf gestalterische Aspekte beschränken, sondern vielmehr auch zu technischen Neuerungen führen. Bei Wettbewerben können, im Gegensatz zu öffentlichen Ausschreibungen, Innovationen ohne Einschränkungen eingebracht werden und unterliegen nur der Bewertung durch das Preisgericht. Die Umsetzung erfolgt durch die Beauftragung der weiteren Entwurfsplanung. 2.3 Grundlagen Die Ende 2008 eingeführten Wettbewerbsregeln »Richtlinien für Planungswettbewerbe« (RPW 2008) gewährleisten ein faires und transparentes Verfahren. Es werden verschiedene Wettbewerbsarten angeboten, wobei für öffentliche Auslober immer die Entscheidung des fachlich kompetenten Preisgerichts maßgeblich ist. Für den Ingenieurbau ist ein Realisierungswettbewerb als beschränkter Wettbewerb das geeignete Instrument.

Das Preisgericht bestand aus neun Preisrichtern, unterteilt in fünf Fach- und vier Sachpreisrichter. Vertreten waren Mitarbeiter des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, der Stadt Würzburg, der Autobahndirektion Nordbayern, ein Bauingenieur als Lehrstuhlinhaber »Massivbau« und Vertreter der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, ein freier Architekt sowie mehrere Kommunalpolitiker. In einer Vorprüfung wurden zunächst alle eingereichten sieben Arbeiten auf statische und konstruktive Eignung hin untersucht und unter Berücksichtigung der zu erwartenden Baukosten bewertet. Die Vorprüfer trugen ihre Ergebnisse dann in der Preisgerichtssitzung vor. Nach eingehender Diskussion aller Entwürfe schied die Jury in einem ersten Durchgang zwei und in einem zweiten Durchgang nochmals zwei Arbeiten aus. Somit konnten nur drei Preise verliehen werden, wobei kein erster Preis, sondern zwei zweite Preise und ein dritter Preis vergeben wurden.

3 Siegerentwurf: Ansicht mit Blickrichtung Norden © Autobahndirektion Nordbayern

4 Siegerentwurf: Photomontage mit Blickrichtung Süden © Autobahndirektion Nordbayern

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2.4 Ablauf Der Gestaltungswettbewerb für die Talbrücke Heidingsfeld wurde als Realisierungswettbewerb nach RPW 2008 durchgeführt. Für die Bearbeitung der Wettbewerbsaufgabe wurden nur Arbeitsgemeinschaften aus Bauingenieuren und Architekten, unter Federführung der Bauingenieure, zugelassen. Die Zahl der Arbeitsgemeinschaften wurde, der Größe der Planungsaufgabe entsprechend, auf sieben beschränkt. Nach erfolgter europaweiter Ausschreibung wurden von den auszuwählenden Ingenieurbüros fünf große und zwei mittlere bzw. kleine Büros nach den in der VOF angegebenen Kriterien ausgewählt. Der Wettbewerb innerhalb des VOF-Verfahrens startete mit der Veröffentlichung des Teilnahmewettbewerbs Anfang 2009. Die Auslobungsunterlagen wurden am 28. Mai 2009 versendet, beendet wurde der Wettbewerb mit der Preisgerichtssitzung am 20. Januar 2010.

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3 Der Siegerentwurf Der Entwurf orientiert sich am Erscheinungsbild der bestehenden Brücke, berücksichtigt aber auch sehr stark die Besonderheit des Talraumes. Die Gesamtlänge der neuen Brücke unterteilt sich statt in bisher neun in sieben Felder mit gleichmäßig ansteigender lichter Weite und reduziert damit die Anzahl der Pfeiler. Große Stützenabstände und schlanke Pfeilerabmessungen minimieren die Eingriffe in die Natur und gewährleisten ein Höchstmaß an Durchlässigkeit für den Landschaftsraum. Das Preisgericht beurteilte den Entwurf als »Brückenbauwerk aus einem Guss«.


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

Die fließende Verjüngung des Überbaues von 6 m auf 3 m verleiht der Brücke Dynamik, der auch die 6 m hohen Lärmschutzwände mit der veränderlichen Knickkante folgen. Das Wachsen der Stützenpaare lässt die Kräfte der Konstruktion spürbar in Erscheinung treten. Die mit der Talhöhe veränderlichen Stützweiten von 50–120 m bewirken einen harmonischen Baukörper. Im Vergleich zur bestehenden Brücke und zur weit überwiegenden Zahl der anderen Wettbewerbsarbeiten handelt es sich beim Siegerentwurf nicht um eine Stahlverbundstruktur, sondern um eine Spannbetonkonstruktion mit zwei einzelligen Hohlkästen mit seitlichen Abstrebungen. Es ist vorgesehen, die Brücke vom westlichen Widerlager Frankfurt aus einzuschieben und anschließend zwischen dem Überbau und den Pfeilern einen biegesteifen Verbund herzustellen. Durch die Ausführung als semiintegrales Bauwerk entfallen im Endzustand viele der sonst üblichen unterhaltungsaufwendigen Lager. 4 Zweiter Preis Der Entwurf zeichnet sich durch sein ruhiges und landschaftlich harmonisches Erscheinungsbild aus, was durch den parallelgurtigen schlanken Überbau, die großen Stützweiten der Pfeiler und die transparente Lärmschutzwand hervorgerufen wird. Die Pfeiler treten aufgrund ihrer in optischer und statisch-konstruktiver Hinsicht optimierten Form in den Hintergrund und lenken nur wenig vom freien Blick unter der Brücke ab. Jede Richtungsfahrbahn kreuzt das Tal über ein eigenständiges Tragwerk, jeweils bestehend aus einem einzelligen Stahlhohlkasten mit einer im Verbund liegenden Fahrbahnplatte, welche außerhalb des Hohlkastens durch beidseitig angeordnete Konsolen unterstützt wird. Die schlaff bewehrte Fahrbahnplatte wird über den Konsolen mit Fertigteilen und Ortbetonergänzung hergestellt.

5 Querschnitt des Siegerentwurfs © Autobahndirektion Nordbayern

Der Konflikt zwischen landschaftlichem Schutz und bautechnisch bedingten Anforderungen ist auf ein Mindestmaß begrenzt, indem die Pfeilerstandorte außerhalb von Biotopen liegen und die

6 Pfeilerkopfdetail des Siegerentwurfs © Autobahndirektion Nordbayern

baubedingten Flächen weitgehend vorhandene und zukünftige Infrastrukturflächen nutzen. Die Herstellung der Überbauten erfolgt ohne Eingriffe in den Talgrund.

7 Zweiter Preis: Photomontage mit Blick auf Heuchelhof © Autobahndirektion Nordbayern

Eine weitere Besonderheit des Entwurfs stellt das gewählte bauzeitoptimierte Herstellungs- und Abbruchverfahren dar, welches die Interaktion mit den gleichzeitig laufenden Baumaßnahmen Tunnel und Strecke auf sehr wenige Zwangspunkte reduziert.

8 Zweiter Preis: Ansicht des Tunnelportals © Autobahndirektion Nordbayern

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9 Dritter Preis: Photomontage mit Blickrichtung Süden © Autobahndirektion Nordbayern

5 Dritter Preis Der Überbau ist als schlanker, parallelgurtiger Stahlverbundquerschnitt konzipiert und als semiintegrales Bauwerk ausgebildet. Ein begehbarer, geschweißter Stahlhohlkasten mit silbergrauer Deckbeschichtung bildet das Rückgrat des Durchlaufträgers mit Stützweiten von 85 m. Regelmäßig angeordnete Pfeiler mit dem Motiv eines gespreizten Stockes nehmen die Vertikalität der Rebenlandschaft auf. Sie werden je Überbau in der Mittelachse angeordnet und gewährleisten die Aussteifung in Längs- und Querrichtung. Eine Taillierung lässt die Stützen noch schlanker erscheinen und unterstreicht die Ausformung entsprechend den statischen Bedürfnissen. Die 6 m hohe Lärmschutzwand wird als hochwertige, gläsern schimmernde Fassade interpretiert. Farbgebung und Strukturierung der siebbedruckten Glashaut orientieren sich abstrakt an der Umgebung. Durch den teilweise hohen Bedruckungsgrad, insbesondere auf Höhe der Lkw-Aufbauten, wird das hektische, rollende Verkehrsband ausgeblendet und ein ruhender Landschaftscharakter wiedergewonnen. Die neue Brücke kombiniert die Vorteile umweltschonender Herstellung im Taktschiebeverfahren und integraler Bauweise mit monolithischen Stützenanschlüssen an den Überbau. Luftdicht geschweißte, robuste Stahlkonsolen sorgen für eine einfache, dauerhafte und kraftschlüssige Verbindung, die nach dem Einschubvorgang hergestellt werden kann. Eine sehr interessante Option ist die Integration von Photovoltaik in die nach Süden ausgerichtete Lärmschutzwand. Durch den vorgeschlagenen hohen Bedruckungsgrad der Glastafeln lassen sich hier Photovoltaikfolien ohne optische Beeinträchtigung integrieren.

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10 Dritter Preis: Untersicht der Brücke © Autobahndirektion Nordbayern

6 Entscheidung Der endgültige Entschluss über die Vergabe des Planungsauftrags im VOF-Verfahren unter den drei Preisträgern blieb spannend. Um die Entscheidung für ein eventuelles Nachprüfverfahren vor der Vergabekammer Nordbayern nachvollziehbar zu machen, wurde für alle Preisträger ein Kriterienkatalog mit einer Punktezuordnung entwickelt. Darin wurden im Einzelnen bewertet: – die erreichten Preise im Wettbewerb, – die schriftliche Stellungnahme der Wettbewerbsteilnehmer zu den vom Preisgericht und in der Vorprüfung gemachten Feststellungen, – das vorgelegte Honorarangebot, – die Beantwortung der Fragen des Entscheidergremiums und – der Gesamteindruck der Präsentation der Wettbewerbsarbeit. Als endgültiger Gewinner des VOF-Verfahrens wurde mit knappem Vorsprung der Wettbewerbsentwurf der Arbeitsgemeinschaft aus Konstruktionsgruppe Bauen, ISP Scholz Beratende Ingenieure AG und Architekturbüro Karl + Probst ausgewählt. Den zweiten Preis erhielt die Arbeitsgemeinschaft aus Leonhardt, Andrä und Partner AG und den Architekten Ingrid Hentschel, Prof. Axel Österreich, der dritte Preis ging an Obermeyer Planen und Bauen GmbH. 7 Fazit und Ausblick Was hat die Baumeister vergangener Epochen befähigt, Brücken zu planen, zu bauen und zu gestalten? Sie waren sich bewusst, dass eine Brücke in erster Linie ein Tragwerk ist, dessen Grundkonzept dem tatsächlichen Kräfteverlauf entspricht. Diese Tragwerke haben sie in die Landschaft integriert, indem sie die natürlichen Gegebenheiten aufgenommen und im Bauwerk fortgesetzt haben.

So sind beeindruckende, mit der Landschaft im Einklang stehende und für das menschliche Auge wohlproportionierte und gestaltete Bauwerke entstanden. Die großen Baumeister haben den modern anmutenden Grundsatz »form follows function« gelebt, ohne dabei die angemessene Gesamtform am jeweiligen Standort aus den Augen zu verlieren. Das Bestreben nach größtmöglicher Wirtschaftlichkeit, Robustheit und Dauerhaftigkeit stellt für Gestaltung und Innovation jedoch ein sehr enges Korsett dar. Um in ästhetischer Hinsicht ansprechende Ergebnisse zu erzielen und gleichzeitig technische Innovationen und Kreativität zu fördern, ist, wie am Beispiel der Talbrücke Heidingsfeld aufgezeigt, ein Realisierungswettbewerb unter Vorgabe eines Kostenrahmens der geeignete Weg. Die technische Umsetzbarkeit der innovativen Lösung des Siegerentwurfs, bei der ein im Taktschiebeverfahren hergestellter Spannbetonüberbau mit veränderlicher Überbauhöhe nachträglich monolithisch mit den Pfeilern zu einem semiintegralen Bauwerk verbunden wird, wird aktuell in einer vertieften Entwurfsphase unter Einbeziehung eines Prüfingenieurs ergebnisoffen näher untersucht. Autor: Baudirektor Dipl.- Ing. (Univ.) Bernd Endres Autobahndirektion Nordbayern, Nürnberg


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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Gleichzeitiger Verschub des bestehenden und des neuen Überbaus

Erneuerung des Wertachtalübergangs bei Nesselwang von Christoph Eichler

Der 50 Jahre alte Wertachtalübergang bei Nesselwang im Allgäu benötigt aufgrund des schlechten baulichen Zustandes einen neuen Überbau. Angesichts der Randbedingungen ergab sich als wirtschaftlichste Bauweise, den neuen Überbau im Taktschiebeverfahren zu realisieren, zeitgleich dazu jedoch den alten Überbau mit herauszuschieben. Dieses Verfahren erforderte eine umfangreiche Vorplanung, um seine technische Funktionsfähigkeit im Vorfeld sicherzustellen. Neben einer geprüften Statik für alle Bauzustände wurden auch die Konzepte für den Abbruch der Fahrbahnplatte und für den Verschub dem Auftragnehmer an die Hand gegeben. Nach etwa der Hälfte der Bauzeit und erfolgreichem Verschub bestätigte sich die gewählte Vorgehensweise.

1 Längsschnitt © Staatliches Bauamt Kempten/Dr. Schütz Ingenieure

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1 Bestandsbauwerk Der Wertachtalübergang bei Nesselwang im Allgäu wurde in den Jahren 1959–1960 in Stahlverbundbauweise als fünffeldrige Balkenbrücke hergestellt. Die quer- und längsvorgespannte Fahrbahnplatte aus Stahlbeton lagert auf zwei parallel verlaufenden Stahlträgern. Die Widerlager sind aus Stahlbeton ausgeführt, die Pfeiler mit Ausnahme des Festpunktpfeilers (Pfeiler 2) unbewehrt. Die etwa 292 m lange Brücke überquert das Wertachtal in ca. 40 m Höhe und ermöglicht im Bereich des nördlichen Widerlagers die Unterquerung einer Gemeindeverbindungsstraße sowie der eingleisigen Bahnlinie Kempten–Pfronten. Im Jahr 2010 betrug das Verkehrsaufkommen auf der Bundesstraße 309 genau 7.351 Kfz/24 h bei einem Schwerverkehrsanteil von 4,60 %. Aufgrund des schlechten baulichen Zustandes mit Korrosion der Stahlträger und Lager, Hohlstellen, Abplatzungen sowie freiliegender Bewehrung an der Fahrbahnplatte und an den Pfeilern beauftragte das zuständige Staatliche Bauamt Kempten im Herbst 2005 eine Prüfung aus besonderem Anlass. Dabei wurde festgestellt, dass die Bewehrung der Fahrbahnplatte teilweise starke Korrosion aufweist, insbesondere die Querbewehrung. Grund hierfür waren in erster Linie eine ungünstige konstruktive Durchbildung der Entwässerung und die Überlappung der Abdichtung im Bereich zwischen Fahrbahn und Kappe, so dass der Beton über Jahre massiv dem Tausalz

ausgesetzt war. Darüber hinaus wurden am Pfeiler 2 zahlreiche Hohlstellen und korrodierte Bewehrungseisen infolge Karbonatisierung der Betondeckschicht erkannt. Die vorgefundenen Schäden und die prognostizierte Schadensausbreitung erforderten eine umgehende Nutzungseinschränkung des Bauwerks: Einschränkung für Schwertransporte, Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h sowie Einengung der Fahrbahn und Schutz der Kragarme durch Aufstellen von Betongleitwänden. 2 Erneuerungskonzept Im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung nach RI-WI-BRÜ wurden im Jahr 2007 verschiedene Varianten zur Instandsetzung bzw. Erneuerung des Wertachtalübergangs untersucht: – Variante 1: Grundhafte Instandsetzung des Bauwerks, Instandsetzung der Fahrbahnplatte, der Stahlkonstruktion und der Unterbauten; – Variante 2: Teilerneuerung des Überbaus, Erneuerung der Fahrbahnplatte, Instandsetzung und Verstärkung der Stahlkonstruktion, Instandsetzung der Unterbauten; – Variante 3: Erneuerung des kompletten Überbaus und grundhafte Instandsetzung der Unterbauten; – Variante 4: Brückenneubau. Dabei stellte sich Variante 3 bei einem Bewertungszeitraum von 70 Jahren als wirtschaftlichste Lösung heraus.


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2 3 Querschnitte: Bestandsbauwerk und neuer Überbau © Staatliches Bauamt Kempten/Dr. Schütz Ingenieure

Für die Erneuerung des Überbaus wurden in der Vorplanung ein Stahlbeton- sowie ein Stahlverbundüberbau mit einem einzelligen Hohlkasten bzw. zwei parallel verlaufenden Hohlkästen untersucht. Die Wahl fiel aus wirtschaftlichen Gründen – ein Stahlbetonüberbau hätte umfangreiche Verstärkungen der Unterbauten bedeutet – sowie aus Aspekten des Unterhalts auf die Lösung mit zwei luftdicht verschweißten Hohlkästen. Nachdem die Ausbildung des Überbaus geregelt war, musste ein Konzept erarbeitet werden, wie der bestehende Überbau abgebrochen und der neue hergestellt werden kann. Dazu waren einige Randbedingungen zu berücksichtigen. Aufgrund von Forderungen der Naturschutzbehörde dürfen im Landschaftsschutzgebiet unterhalb des Bauwerks keine Hilfsstützen angeordnet werden. Darüber hinaus ist die Zuwegbarkeit durch das steile Gelände und enge Zufahrten stark eingeschränkt. Der Einsatz von großen Kränen und die Demontage der Stahlkonstruktion im Tal waren somit nicht möglich. So entwickelte sich die Idee, einen Verschub des Überbaus näher zu prüfen. Untersucht wurde zunächst das Ausziehen des alten Überbaus ohne Kopplung an den neuen. Wegen der starken Querschnittsabstufung der Hauptträger und der Windbelastung auf den Kragarm beim Ausziehen wären hierbei aber umfangreiche Verstärkungsmaßnahmen (Beulsteifen und Lamellenverstärkungen) notwendig. Durch die Kopplung an den

neuen Überbau konnte der Umfang der Verstärkungsmaßnahmen hingegen wesentlich reduziert werden. Außerdem lässt sich die Verschubeinrichtung durch die gleichzeitige Nutzung für das Ausund Einziehen wirtschaftlich verwenden. So fiel die Entscheidung auf ein »gekoppeltes Taktschiebeverfahren«. 3 Neues Bauwerk Der neue Überbau wird als Stahlverbundkonstruktion mit zwei luftdicht verschweißten Hohlkästen und einer Ortbetonfahrbahnplatte mit einer variablen Dicke von 0,22–0,40 m ausgeführt. Die Außenseiten der Hohlkästen sind geneigt. Damit wird der auf den Pfeilern zur Verfügung stehende Platz optimal genutzt, und die Verschubbahn, die durch den vorhandenen Trägerabstand vorgegeben ist, befindet sich im Bereich des äußeren Steges.

Die beiden Hohlkästen werden über den Auflagern durch Querrahmen mit obenliegendem Zugband ausgesteift. Im Feldbereich sind für den Endzustand keine Aussteifungsrahmen vorgesehen. Die dichtgeschweißten Hohlkästen sind nicht zugänglich. Sie werden jedoch konstruktiv so ausgebildet, dass im Schadensfall eine Begehung vom Widerlager aus möglich ist. Dazu müssen die an den Endschotten dichtgeschweißten Deckel entfernt werden. Die Realisierung als luftdicht verschweißte Hohlkästen minimiert den Unterhaltsaufwand und erlaubt einen hohen Vorfertigungsgrad ohne die Notwendigkeit von Längsnähten auf der Baustelle. Dadurch steigt die Ausführungsqualität, und die Bauzeit verkürzt sich. Die torsionssteifen Hohlkästen sind außerdem hervorragend geeignet, um alle Schwierigkeiten beim Verschub des Überbaus zu meistern.

4 Koppelung von neuem (links) und altem Überbau © Staatliches Bauamt Kempten

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5 (Bisherige) Fahrbahnplatte vor dem Abtrennen © Staatliches Bauamt Kempten

Die Fahrbahnplatte wurde als Ortbetonplatte geplant. An Pfeiler 2 ist aufgrund der großflächigen Schädigung und der zu erwartenden Schadensausbreitung eine Instandsetzung fast der gesamten Pfeileroberfläche notwendig. Eine bewehrte Vorsatzschale von 22 cm gibt ihm zusätzliche Stabilität und schützt darüber hinaus den gesamten Altbeton vor Karbonatisierung. Die Kammerwände an beiden Widerlagern müssen bis auf Höhe der Auflagerbank abgebrochen werden, um den Verschub zu ermöglichen. Zudem ist am nördlichen Widerlager eine Flügelmauer abzureißen, um Platz für die Montage der neuen Takte zu schaffen. 4 Planung und Ausführung Aufgrund dieses erstmalig ausgeführten Bauverfahrens bestand die Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern auf einer umfangreichen Vorplanung, um möglichst viel Sicherheit für den Bauablauf zu gewinnen. Dazu gehörte auch eine Entwurfsstatik für den neuen Überbau und die Unterbauten für den Verschub- und Endzustand sowie für den alten Überbau für die Verschubphase. Der Prüfingenieur wurde daher bereits frühzeitig in die Planungen mit eingebunden.

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Da der neue Überbau schwerer als der alte sein wird, musste im Vorfeld eine Baugrundertüchtigung unter drei Pfeilern vorgenommen werden (Zementsuspension im klüftigen Boden). Der dazu im Voraus erstellte geologische Bericht beim Bauwerksentwurf war mit zu beachten.

Besonderen Wert legte die Oberste Baubehörde auf eine detaillierte Ausarbeitung des Abbruch- und Verschubkonzepts. Schließlich galt es, die technische Funktionsfähigkeit des Bauverfahrens im Vorfeld sicherzustellen und dem Auftragnehmer diese ebenfalls zu vermitteln. Die Konzepte wurden deshalb ausführungsreif an den Auftragnehmer übergeben. Da der bestehende Überbau zu schwer für Verschub ist, musste die Betonfahrbahnplatte zuvor abgebrochen werden, damit nur die reine Stahlkonstruktion verschoben werden kann. Der Abbruch erfolgte nach »Freimachen« der Fahrbahnplatte in einzelnen Abschnitten. Ein Abschnitt beinhaltet vier ausgeschnittene Plattenteile, je einen im Kragarmund zwei im Bereich zwischen den Stahlträgern, mit einem maximalen Gewicht von 15 t. Auf den Stahlträgern verbleibt ein Betonrestquerschnitt. Die Angaben zur Kranart (Eigengewicht) und zu dessen Standort wurden in der Statik berücksichtigt und in der Ausschreibung verbindlich vorgegeben.

6 Bestehender Stahlüberbau nach Abbruch der Fahrbahnplatte © Staatliches Bauamt Kempten


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7 8 Verschubkonstruktion mit altem und mit neuem Überbau © Staatliches Bauamt Kempten/Dr. Schütz Ingenieure

9 Detail der Verschubkonstruktion © Staatliches Bauamt Kempten/Dr. Schütz Ingenieure

Da die Fahrbahnplatte als aussteifendes Element des alten Überbaus für den Verschub fehlt, war die bestehende Stahlkonstruktion mit Beulsteifen, Zugbändern und Stahlträgern zusätzlich auszusteifen. Diese Arbeiten konnten zum größten Teil bereits vor dem Abbruch der Fahrbahnplatte vorgenommen werden. Der neue und der alte Überbau wurden mit einem zusätzlichen Stahlelement gekoppelt.

Das Außergewöhnliche des Verfahrens im Gegensatz zum »normalen« Taktschieben waren zum einen die Notwendigkeit eines zweiten Taktkellers zur Demontage des herausgeschobenen Überbaus sowie zum anderen eine Verschubkonstruktion, die zwei Arten von Überbauten aufnehmen kann. Da die Verbindungsstücke der einzelnen Träger des alten Überbaus genietet und im Stützenbereich durch Lamellen verstärkt sind, mussten bei der Verschubeinrichtung Höhenunterschiede von mehreren Zentimetern ausgeglichen werden. Dies erreichte die Baufirma durch das Unterlegen von Holzelementen. Großes Augenmerk wurde auch auf gute Gleitflächen gelegt, um möglichst wenig Druck auf das Tragwerk zu erzeugen. Die einzelnen Takte der Stahlhohlkästen waren zwischen 19 m und 36 m lang. Das Anschweißen an den vorherigen Takt inklusive Aufbringens des Korrosionsschutzes benötigte ungefähr sechs Tage, der jeweilige Verschub dauerte zwischen 4 h und 6 h. So ließ sich im Regelfall ein Wochentakt erreichen. Der Verschub konnte Mitte November vollendet werden, mit Beginn der Bauperiode 2013 wird mit dem Bau der neuen Fahrbahn-

platte mittels Schalwagen angefangen. Die Gesamtkosten der Maßnahme sind mit ca. 8,40 Mio. Euro veranschlagt, die Gesamtbauzeit mit ca. 20 Monaten. 5 Bauablauf Der Bauablauf gliedert sich in folgende bereits realisierte und noch durchzuführende Abschnitte: – März bis April 2012: Abbruch Belag, Geländer, Kappen und Abdichtung; – April bis Juni 2012: Abbruch der Fahrbahnplatte; – Juni bis Juli 2012: vorbereitende Arbeiten zum Verschub; – August bis November 2012: gleichzeitiger Verschub von Bestand und neuem Überbau; – Juni bis Dezember 2012: Instandsetzung von Pfeiler 2; – ab Februar 2013: Instandsetzung der Widerlager, Umbau der Unterbauten; – ab März 2013: abschnittsweises Betonieren der Ortbetonfahrbahnplatte; – ab Juli 2013: Herstellen von Abdichtung, Kappen, Geländer, Schutzplanke und Belag; – September 2013: geplante Fertigstellung.

11 12 Überbau auf der Verschubkonstruktion © Staatliches Bauamt Kempten

10 Alter Überbau vor dem Herausschub © Staatliches Bauamt Kempten

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

14 Anschweißen eines angelieferten Takts © Staatliches Bauamt Kempten

13 Vorarbeiten zum Verschub des ersten Takts © Staatliches Bauamt Kempten

6 Fazit Mit dem gewählten Bauverfahren des gleichzeitigen Verschubs von neuem und alten Überbau betrat das Staatliche Bauamt Kempten Neuland. Die vorgesetzten Dienststellen achteten auf eine genaue und detaillierte Vorplanung, um bei der Bauausführung keinerlei Überraschungen zu erleben. Neben einer geprüften Statik für alle Bauzustände wurden auch ein Abbruch- und ein Verschubkonzept ausgearbeitet. Zwar bedeutete diese Vorgehensweise eine vergleichsweise lange Planungsdauer, jedoch konnten die beauftragten Firmen durch die vorliegenden Konzepte schnell mit den Bauarbeiten beginnen.

Nach Vollendung des Verschubvorgangs Mitte November 2012 lässt sich eine durchweg positive Zwischenbilanz ziehen. Autor: Dipl.-Ing. Christoph Eichler Staatliches Bauamt Kempten

Bauherr Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Staatliche Bauamt Kempten Entwurf Dr. Schütz Ingenieure, Beratende Ingenieure im Bauwesen GmbH, Kempten Staatliches Bauamt Kempten Tragwerksplanung Dr. Schütz Ingenieure, Beratende Ingenieure im Bauwesen GmbH, Kempten Prüfingenieur Dr.-Ing. Walter Schmitt, Gräfelfing Ausführung Matthäus Schmid GmbH & Co. KG, Baltringen Bilfinger MCE GmbH, Linz, Österreich

15 Verschub des dritten Takts in Vorbereitung © Staatliches Bauamt Kempten

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Zusammenspiel zwischen Spannbeton und Stahlverbund

Erneuerung der Illerkanalbrücke bei Kirchdorf von Andreas Stumpp, Peter Seitz

Die Illerkanalbrücke liegt auf der Bundesautobahn A7 zwischen Ulm und Füssen, die nördlich von Memmingen bei Kirchdorf den Illerkanal und zwei Wirtschaftswege kreuzt. Der Kreuzungswinkel zur Kanalachse beträgt 32,80 gon, die Lagerachsen sind rechtwinklig unter dem Überbau angeordnet. Die maximale Höhe über dem Kanal misst 4,70 m. Am Kreuzungspunkt von Autobahn und Illerkanal werden Überführung und Kanal zudem von der Gemeindestraße zwischen Kirchdorf und Fellheim überbrückt. Die Autobahnbrücke über den Illerkanal gehört zum Verwaltungsgebiet des Regierungspräsidiums Tübingen. Aufgrund des schlechten Bauzustandes der vorhandenen Kanalquerung aus den 1970er Jahren wurden die zwei Überbauten mit je drei Feldern erneuert. Bei der alten Brücke handelte es sich um einen einzelligen Hohlkasten, der in Längsrichtung vorgespannt war.

1 Illerkanalbrücke nach Erneuerung der Überbauten © Matthäus Schmid Bauunternehmen GmbH & Co. KG

1 Neuer Überbau Bei der neuen Brücke kam der Amtsentwurf zur Ausführung, die Planung erfolgte somit auf Grundlage der Ausschreibungsunterlagen. Die neuen Überbauten sind eine Kombination aus vorgespannten zweistegigen Plattenbalken in den Endfeldern und einer Stahlverbundkonstruktion im Mittelfeld. Dadurch ergibt sich im relativ

langen Mittelfeld gegenüber den kurzen Endfeldern eine leichte Struktur, in den Endfeldern wird durch die massiven Plattenbalken eine eher schwerere Alternative gewählt, um ein Abheben der Lager an den Widerlagern zu verhindern. Der Verbundüberbau ist längs und quer schlaff bewehrt.

2 Gesamtansicht der »Brücke Ost« © K+S Ingenieur-Consult GmbH & Co. KG

3 Spannbetonquerschnitt © K+S Ingenieur-Consult GmbH & Co. KG

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4 Verbundquerschnitt © K+S Ingenieur-Consult GmbH & Co. KG


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

5 Pfeilerverbreiterung am Kopf © K+S Ingenieur-Consult GmbH & Co. KG

Die Höhe der Stege beträgt durchgehend 2,20 m, die Brückenbreite zwischen den Geländern 30,50 m. Die Länge des westlichen Überbaus setzt sich aus 31,50 m, 61,00 m, 29,00 m zu insgesamt 121,50 m zusammen, der östliche aus 33,50 m, 64,00 m, 29,00 m zu insgesamt 126,50 m, so dass eine Brückenfläche von knapp 3.800 m² entsteht. Die Spannbetonteile in den Endfeldern ragen jeweils ca. 8,50 m in das Mittelfeld hinein. Somit ergibt sich für die Verbundbrücke noch eine Länge von 47,00 m bzw. 44,00 m. 2 Unterbauten Die bestehenden Überbauten wurden abgebrochen, die Unterbauten bleiben weitestgehend erhalten. Die Widerlager bekamen jeweils eine neue Kammerwand. Im Mittelstreifenbereich ist zwischen den versetzten Widerlagern beidseitig eine Winkelstützwand vorhanden, deren Gesimskopf angepasst wurde. Da aus dem ursprünglichen einzelligen Hohlkasten ein zweistegiger Plattenbalken wird, ist eine größere Lagerspreizung von 6,10 m an den Pfeilern für die neuen Überbauten erforderlich. Die Pfeiler waren deshalb um ca. 1,00 m in jede Richtung am Kopf zu verbreitern. Nach unten verjüngt sich diese Verbreiterung, damit die Pfeilergründung nicht verändert werden muss. Die Widerlager der alten Brücke verfügten hingegen bereits über eine ausreichende Lagerspreizung von 8,40 m. Das Lagersystem wird beibehalten: Am Widerlager in Achse A befindet sich der Längsfestpunkt. In Querrichtung ist die Brücke in jeder Lagerachse gehalten, an jedem Pfeiler und Widerlager hat die Brücke einen Querträger. Es wurden generell Kalottenlager vorgesehen.

6 Pfeilerverjüngung nach unten © Matthäus Schmid Bauunternehmen GmbH & Co. KG

3 Bauphasen Grundsätzlich wurde zuerst der Überbau für eine Fahrbahn ersetzt und der Verkehr währenddessen in beiden Richtungen über das noch vorhandene Bauwerk umgeleitet. Die Herstellung des Überbaus erfolgte in mehreren Abschnitten: Zuerst wurde der alte Überbau abgebrochen, was eine kurzzeitige Befüllung des Illerkanals mit Schotter bedingte. Da der Kanal aber Wasser von der Iller für ein Kraftwerk abzweigt, musste dies mit dem Betreiber abgestimmt werden. Anschließend wurde das Mittelstück abgetrennt und auf den Schotter im Illerkanal herabgelassen. Dadurch konnte die alte Brücke in Teilstücken relativ leicht abgebrochen und abtransportiert werden. Im Anschluss wurde der Schotter wieder aus dem Kanal herausgebaggert.

7 Ablassen des alten Überbaus © Matthäus Schmid Bauunternehmen GmbH & Co. KG

8 Abbruch in Teilstücken © Matthäus Schmid Bauunternehmen GmbH & Co. KG

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

9 Herstellen einer Pfeilerergänzung © Matthäus Schmid Bauunternehmen GmbH & Co. KG

Die vorhandenen Widerlager und Pfeiler bleiben grundsätzlich erhalten. Lediglich die Pfeiler wurden insgesamt um ca. 2,00 m verbreitert, die Widerlager bekamen eine an den zweistegigen Überbau angepasste Kammerwand. Nachdem die Widerlager und Pfeiler für das neue Brückenbauwerk entsprechend ertüchtigt wurden, werden die Stahlträger für die Verbundbrücke auf Joche links und rechts des Illerkanals abgestützt. Die diagonalen Stahlstützen am Kragarm und die horizontalen zwischen den Stegen wurden aus Gründen des Transportes erst auf der Baustelle ergänzt und an vorhandene Anschlussstücke angeschweißt. Aus optischen Gründen und hinsichtlich der Korrosion wurde hier zudem großer Wert auf die Detailausbildung gelegt. Die Endfelder zwischen den Achsen A–B und C–D werden mit den zugehörigen Kragarmen im Mittelfeld betoniert und anschließend vorgespannt. Die Joche wurden nach der Vorspannung und Aushärtung des Betons entfernt sowie anschließend die Fertigteile der Fahrbahnplatte im Bereich des Verbundquerschnitts verlegt. Danach erfolgte die Herstellung der Ortbetonergänzung im Mittelfeld. Sämtliche Bauzustände wurden mit dem Finite-Elemente-Programm SOFiSTiK abgebildet. Damit ließen sich die Verformungen insbesondere im Mittelfeld für die einzelnen Bauzustände zutreffend errechnen, die dann letztendlich die spannungslose Werkstattform ergaben.

10 Absetzen der Stahlträger © Matthäus Schmid Bauunternehmen GmbH & Co. KG

11 Betonieren von Fahrbahnplatte samt Kragarmen © Matthäus Schmid Bauunternehmen GmbH & Co. KG

Die Verformungen wurden während der einzelnen Bauphasen an markanten Punkten gemessen und mit den rechnerischen Werten kontinuierlich verglichen, wobei auch in dem relativ großen Mittelfeld eine gute Übereinstimmung erreicht wurde.

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12 Räumliche Abbildung verschiedener Bauphasen © K+S Ingenieur-Consult GmbH & Co. KG


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

13 Spanngliedführung in der Ansicht © K+S Ingenieur-Consult GmbH & Co. KG

4 Blechdicken der Stahlhohlkästen Der Grundgedanke beim Entwurf war, dass die Momentennullpunkte an der Koppelfuge von Spannbeton und Stahlverbund liegen. Dadurch wären aber Blechdicken an der Unterseite der Stahlhohlkästen von über 40 mm in der Feldmitte erforderlich gewesen. Da solche Bleche jedoch lange Lieferzeiten hatten, musste aufgrund der engen Termine eine Lösung mit maximal 40 mm Dicke erzielt werden. Um nun die Grundgeometrie des Amtsentwurfs nicht zu ändern, wurde die Vorspannung variiert: Durch die Änderung der Spanngliedführung konnten die Momentennullpunkte in Richtung Brückenmitte verschoben werden. An den Enden der Verbundquerschnitte ergaben sich so an der Oberseite Zugspannungen, die sich dann relativ problemlos durch eine Erhöhung der Bewehrung in der Ortbetonergänzung abdecken ließen. In Feldmitte reduzierte sich hingegen das Moment in den Stahlhohlkästen. Somit konnte die Blechdicke in Brückenmitte auf die gewünschten 40 mm verringert werden. 5 Vorspannung und Übergangsbereich Die Spannglieder wurden nur von den Widerlagern her vorgespannt. Da die Stahlhohlkästen aus korrosionstechnischen Gründen luftdicht im Werk hergestellt wurden, ließen sich keine Öffnungen in die Schotte zum Spannbetonbereich hin anordnen. Dadurch war es nicht möglich, am Übergang zum Stahlverbundbereich vorzuspannen. Die Spannglieder wurden am Übergangsbereich in einen nach vorne geöffneten Stahlkasten eingeführt. Um nun eine monolithische Verbindung zu gewährleisten, überlappen sich der Verbundund der Spannbetonquerschnitt. Damit die Zugkräfte aus den Spanngliedern in den Verbundquerschnitt eingeleitet werden können, sind im Übergangsbereich Kopfbolzen angeordnet. Darüber hinaus wurden noch vertikale Längsschotte mit Kopfbolzen eingefügt.

14 Übergangsbereich: Einführen der Spannglieder © Matthäus Schmid Bauunternehmen GmbH & Co. KG

15 Schraubanschlüsse für Bewehrungsstähle © Matthäus Schmid Bauunternehmen GmbH & Co. KG

Am Schott des luftdichten Hohlkastens wurden Schraubanschlüsse für Bewehrungsstähle angeschweißt und die Bewehrungsstähle dann aufgrund der engen Platzverhältnisse mit Einbau der Spannglieder eingeschraubt. An der Decke des Übergangsbereiches sind zusätzliche Öffnungen vorhanden, damit sich keine Luftblasen unterhalb der Decke bilden. Diese können zugleich auch als Einfüllöffnung oder für Rüttler Verwendung finden. 6 Details Der Kragarm ist im Verbundbereich am Anschnitt zum Steg dünner als der Spannbetonquerschnitt, so dass eine Abstützung durch schräg liegende Rohre notwendig wird: Diese Schrägstreben sind oben durch T-Profile mit den Hohlkästen verbunden. Um keine Torsionskräfte und zusätzlichen Momente in der Fahrbahnplatte zu bekommen, wurden noch horizontale Zug-Druck-Steifen zwischen den Stahlkästen mit dem gleichen 4,00-m-Abstand wie die außenliegenden Rohre angeordnet. Die beiden Stahlhohlkästen je Fahrtrichtung haben eine Höhe von 1,90 m mit einer Stahlbetonplatte von 30 cm Dicke. Die Gesamthöhe von 2,20 m entspricht somit der des Spannbetonquerschnitts.

16 Schrägstreben und Entwässerungsrohre © Matthäus Schmid Bauunternehmen GmbH & Co. KG

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

17 Kragarm mit Randunterzug © K+S Ingenieur-Consult GmbH & Co. KG

Die Wandungen der Hohlkästen konnten dank der Einfügung von fünf Beulsteifen in Längsrichtung innerhalb der Hohlkästen relativ dünn ausgeführt werden. Um den Schalungsaufwand im Stahlverbundbereich möglichst gering zu halten, wurden zwischen den Stahlhohlkästen und im Abschnitt der Kragarme Fertigteile mit einer Randaufkantung verlegt. Diese Randaufkantung dient gleichzeitig als Überzug zwischen den Stahlrohren während des Bauzustandes ohne ausgehärtete Ortbetonergänzung. Die Hohlkästen haben darüber hinaus je eine dicht verschraubte Einstiegsöffnung. 7 Schlussbemerkung Bei der Herstellung von vorgespannten Plattenbalken- sowie Stahlverbundbrücken handelt es sich normalerweise um Standardbauverfahren, die bereits in großer Zahl realisiert worden sind. Mit der Kombination von vorgespannten Endfeldern und einem Mittelfeld in Verbundkonstruktion wurde hingegen ein eher seltener Brückentyp verwendet. K+S Ingenieur-Consult GmbH & Co. KG hatte auf die Detailausbildung und insbesondere die Verformungen im Bauzustand großen Wert gelegt, wobei vor allem der Übergang vom Spannbeton- zum Verbundquerschnitt eine erhebliche Herausforderung darstellte. Seit 2012 rollt nun der Verkehr in beiden Richtungen über die neuen Überbauten. Autoren: Dipl.-Ing. Andreas Stumpp Dipl.-Ing. Peter Seitz K+S Ingenieur-Consult GmbH & Co. KG, Nürnberg

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Baukosten

ca. 5.600.000 € (brutto)

Bauzeit

Mai 2010 bis Dezember 2011

Brückenlänge

121,50 m (West) 126,50 m (Ost)

Brückenfläche

3.770 m² (beide Überbauten)

Maximale Spannweite

64,00 m

Bauhöhe

2,20 m

18 Bauwerksdaten © K + S Ingenieur-Consult GmbH & Co. KG

Bauherr Regierungspräsidium Tübingen, Referat 43 (Straßenbau Mitte), Ehingen Entwurf Bornscheuer Drexler Eisele GmbH, Stuttgart Tragwerksplanung K+S Ingenieur-Consult GmbH & Co. KG, Nürnberg

Prüfingenieur Dr.-Ing. Bernd-Friedrich Bornscheuer, Stuttgart Ausführung Matthäus Schmid Bauunternehmen GmbH & Co. KG, Baltringen Bitschnau Stahl- und Anlagenbau GmbH, Nenzing, Österreich


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Verkehrsknoten in drei Ebenen und vier Richtungen

South Approach Roads in Belgrad von Martin Steinkühler

Die Stadt Belgrad realisiert zur Behebung der Verkehrsprobleme und Verbesserung der Infrastruktur eine innerstädtische Ringstraße, deren Hauptbauwerk die neue Ada-Brücke über den Fluss Save ist. Die Save teilt die Hauptstadt der Republik Serbien in Neu- und Altbelgrad und fließt am Fuße der Festung Kalemegdan in die Donau. Die neue Save-Brücke, 4 km vor der Donaumündung gelegen und mit ihrem 200 m hohen Pylon ein Wahrzeichen Belgrads, wurde am 1. Dezember 2012 von einem Konsortium unter der Leitung der Firma Porr fertiggestellt und dem Verkehr übergeben. Ihr 200 m hoher Pylon ist ein neues Wahrzeichen Belgrads geworden. Inzwischen erfolgt die Errichtung einer neuen Ringstraße: Eines der Lose ist der Anschluss zur Save-Brücke, der nachfolgend thematisiert wird. 1 Einleitung Der Bau der neuen Ringstraße oder Inner City Semi Ring Road (ICSRR) wurde in verschiedene Lose eingeteilt, wobei der am südlichen Ufer anschließende Abschnitt zur Save-Brücke »South Approach Roads« (SAR) genannt wird und ein hochkomplexer Verkehrsknoten ist. Er soll die Haupttrasse der Save-Brücke mit zwei Fahrspuren je Richtung nach Süden verlängern und anbinden, gleichzeitig aber auch die Auf- und Abfahrt aus Ost und West stadtein- wie auswärts kreuzungsfrei ermöglichen.

1 Gesamtprojekt im Modell © werner consult ziviltechniker gmbh

Dazu muss die Belgrade-Metro-Brücke zwischen den beiden Fahrspuren ausgefädelt und an das vorhandene Straßenbahnnetz angeschlossen werden. Zu integrieren ist ein Nahverkehrsknotenpunkt, der ein Umsteigen zwischen Bus und Bahn in alle Richtungen über drei Ebenen ermöglicht. Und schließlich sollen eine bestehende Eisenbahn- sowie eine 40 Jahre alte Behelfsüberführung durch moderne Tragwerke ersetzt werden. Ende 2010 erhielt die Porr Bau GmbH den Design-and-Build-Vertrag als alleiniger Generalunternehmer, Baubeginn war Januar 2011. 2 Randbedingungen Der Bau erfolgt unter nachstehend aufgelisteten Randbedingungen: – Ein enges Baufeld, begrenzt von einem Bach, einer vierspurigen elektrifizierten Eisenbahn, einer vierspurigen Hauptausfallstrasse und einer zweispurigen Straßenbahn; – Planung und Bau der Sava-Brückenverlängerung mit 380 m und 350 m langen Überbauten für je zwei Fahrspuren innerhalb von zwölf Monaten nach Baubeginn; – Querung des Baufeldes von einem Industriegleis als Zufahrt zum Hauptbenzinlager Belgrads;

– Berücksichtigung und Umlegung öffentlicher Einbauten, wie unter anderem Telekomnetz, alte Wasserhauptversorgungsleitung, Abwasserleitung, Stromkabel, geheime und daher unbekannte Secret-ServiceKabel; – schwierige Baugrundverhältnisse, komplette Tiefgründung aller Bauwerke; – Bauen mit minimalen Störungen der bestehenden Verkehrsströme; – Bauen in Nachbarschaft eines Benzintanklagers; – freizuhaltendes Flussbett wegen Hochwasserschutzzone; – erwartete Baugrundkontamination; – Koordination der Bauarbeiten mit den Nachbarlosen; – gleichzeitiges Bauen in drei verschiedenen Ebenen; – paralleler Einsatz von drei Vorschubrüstungen; – FIDIC Yellow Book Design and Build Contract mit britischem Ingenieurbüro (Bauüberwachung) und serbischen Behörden; – Bauzeit von nur 25 Monaten.

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

2 Herstellung der ICSRR-Tragwerke mit Vorschubrüstungen © Martin Steinkühler

3 Bauablauf Sämtliche Bauwerke wurden mit Großbohrpfählen bis zu 30 m tiefgegründet, in Summe handelt es sich also um 404 Bohrpfähle mit d = 150 cm. Als Erstes mussten die zwei ICSRR-Brückentragwerke in 20 m Höhe gebaut werden, welche die Save-Brücke in Richtung Süden verlängern. Beide Richtungsfahrbahnen sollten zudem über eine Bushaltestelle mit Haltebucht, Plattformen sowie Treppenzugang und Aufzügen verfügen. Der Zwischentermin zur Verkehrsübergabe zusammen mit der Save-Brücke zum 1. Dezember 2012 konnte hier realisiert werden.

Bauwerk

Länge (m)

3 Verteilerkreis unter der Hauptstraße © Martin Steinkühler

Dazwischen verläuft die »Trambrücke«, die nach Überführen über den am Boden querenden Straßenbahnkorridor abtaucht und mit einem seitlichen Schwenk die Anbindung an das bestehende Gleisnetz möglich macht. Vertragsbestandteil ist eine Tramstation, die ein einfaches Umsteigen zur darunterliegenden Busstation gewährleisten soll. Diese Trambrücke wurde mit einer dritten Vorschubrüstung zwischen den zwei Straßenbauwerken hergestellt. Bei ihrer Konzeption war zu berücksichtigen, dass sie sowohl Tramgleise als auch ein in Planung befindliches U-Bahn-System (Belgrad Metro) aufnehmen kann.

Anzahl Felder

Regelstützweite (m)

4 Aufständerung des Verteilerkreises © Martin Steinkühler

Höhe über GOK (m)

Breite (m)

ICSRR South

380

14

27

10–20

12

Baumethode Vorschubrüstung

ICSRR North

350

14

25

10–20

12

Vorschubrüstung

BGM Straßenbahn 500 19 26 2–20 10 Vorschubrüstung/ Schwerlastrüstung

66

Elevated Ring 250 16 16 10 13 aufgeständerter Kreisverkehr

Außendurchmesser 100 m, Schwerlastrüstung in fünf Segmenten

Rampe 1 B

135

5

27

10–20

9

Schwerlastrüstung

Rampe 2 B

150

5

30

10–20

10

Schwerlastrüstung

Rampe 3 B

130

5

26

10–20

10

Schwerlastrüstung

Rampe 6 B

135

6

23

10–20

10

Schwerlastrüstung

Rampe 1 A

190

6

32

5–10

Rampe 2 A

110

4

28

5–10

8,60 10

Schwerlastrüstung Schwerlastrüstung

Rampe 3 A 70 3 23 5–10 11

Schwerlastrüstung, überhöhte Herstellung über Bahn mit Absenken

Rampe 6 A

wie vor

80

3

27

5–10

14

Radnicka Süd 313 11 26 5–10 13

Schwerlastrüstung, Hauptfeld 37,50 m mit Hängerüstung überhöhte Herstellung und Absenkung

Radnicka Nord

313

11

26

5–10

13

wie vor

Topcider Crossing

35

1

35

5

40

Fertigteilträger mit Ortbetonplatte

Pedestrian Bridge

35

1

35

5

3

5 Kategorisierung aller SAR-Bauwerke © Porr Bau GmbH

BRÜCKENBAU | 1/2 . 2013

wie vor


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

In der Ebene unter den nach einem Jahr Bauzeit bereits dem Verkehr übergebenen ICSRR-Brücken entstand so in 10 m Höhe ein aufgeständerter Kreisverkehr, der »Elevated Ring« mit einer durchschnittlichen Tragwerksbreite von 13 m und einem Außendurchmesser von 100 m: Er hat die Funktion, den Verkehr in alle möglichen Richtungen zu verteilen. Nach oben zur Haupttrasse wurde er mit den vier Brückenrampen verbunden. So kann man, aus Süden wie aus Norden kommend, die von oder zur Save-Brücke führende Trasse (ICSRR) verlassen oder auf sie auffahren. Der Anschluss an das vorhandene Gelände als Nullebene und die bestehende Hauptausfallstraße Radnicka erfolgt durch vier Auffahrtrampen, die aufgrund der begrenzten Platzverhältnisse teilweise mit engen Radien einen Bach, das Areal des Tanklagers bzw. die elektrifizierte Eisenbahn überqueren. Und schließlich werden eine unter Verkehr stehende, 1970 erbaute Behelfsstahlbrücke sowie eine Untertunnelung des Bahnkorridors durch moderne Querungen ersetzt. Die zwei neuen leistungsfähigen Tragstrukturen mit jeweils 320 m Länge sollen den Verkehr über die Radnicka-Straße in das Stadtzentrum und aus ihm heraus in westliche Richtung führen.

4 Maßnahmenumfang SAR besteht aus 16 Brückenbauwerken mit einer Gesamtlänge von 3,20 km. Bis auf die zwei letzten in vorstehender Tabelle handelt es sich bei allen um integrale Tragwerke mit einstegigem Plattenbalken. In Summe werden damit 37.000 m² Brückenfläche realisiert, wozu – 60.000 m³ Beton, – 8.000 t Bewehrung, – 50.000 m² Schalung, – 8.500 lfm Bohrpfähle erforderlich sind. 5 Vertragliche Herausforderungen Bei einem FIDIC Yellow Book Contract, bei dem der Unternehmer zu planen und zu bauen hat, trägt er sehr viele Risiken, solange sich der Auftraggeber an vier wesentliche Verpflichtungen hält: – Baugelände übergeben; – Baugenehmigung organisieren; – nicht oder wenig am Bausoll ändern; – gemäß Vertrag zu bezahlen. Wird das Baugelände nicht komplett übergeben, weil noch teilweise als Industriegelände in Gebrauch, so kommt es für den Unternehmer darauf an, mit der vorgefundenen Situation umzugehen und über Plan- und Bauablaufänderungen auch für den Bauherrn die Bauzeitverlängerung und die Baukosten in Grenzen zu halten.

Liegt die Baugenehmigung nicht vor, was in Serbien nicht unüblich ist, muss sich die ausführende Firma entscheiden, die Arbeiten nicht zu beginnen oder den Bauherrn mit Risikomanagement zu begleiten. Hauptproblem ist hier, dass in Serbien die Planung gemäß Gesetz vor Baubeginn beendet und genehmigt sein muss, beim vorliegenden Vertrag und aufgrund der kurzen Bauzeit aber nur parallel erfolgen kann. Die Lösung war unkonventionell: Es wurde eine Baugenehmigung für die Probebelastung der Gründung erteilt. Damit wurden sämtliche Tragwerke realisiert, bis zur Erteilung der Baugenehmigung war die Gründung dann ausreichend getestet. Sind auf der einen Seite bei Baufirmen Änderungen durch den Bauherrn erwünscht, weil sich so ein Nachtragspotential zu ergeben vermag, können solche Änderungswünsche aber auch ein Risiko bedeuten, wenn das Budget begrenzt ist und die Änderungsanordnungen überhandnehmen. Darüber hinaus sind lokale Einflüsse wie Regierungswechsel nach Wahlen, eine Mehrwertsteuerbefreiung oder Änderungen im Zollwesen während des Bauablaufes für das Projekt Risikofaktoren. Wenn dann noch vom Bauherrn unpünktlich gezahlt wird, ist ein geschicktes Vertragsmanagement erforderlich, um eine Fertigstellung der beauftragten Struktur mit vollständiger Bezahlung auch der zusätzlichen Kosten zu erreichen. 6 Technische Herausforderungen 6.1 Allgemeines Neben den unterschiedlichen Bauweisen – dazu gehören unter anderem die Verwendung von Vorschub- und Schwerlastrüstungen, das überhöhte Errichten von Überbauten und das Absenken derselben, das Herstellen eines Überbaus mit Fertigteilträgern und Ortbetonplatten (sonst integrale Bauwerke) – sind nachfolgend beschriebene Herausforderungen besonders erwähnenswert.

6 Baufortschritt bis Oktober 2012 © Martin Steinkühler

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

7 Südlicher Abschnitt der Radnicka-Überführung © Porr Bau GmbH

6.2 Bahnfelder der Radnicka-Überführungen Die Radnicka-Überführungen sind elffeldrige, integrale und tiefgegründete Bauwerke mit einer Gesamtlänge von 313 m, der Überbau ist ein einstegiger vorgespannter Plattenbalken mit einer Breite von 13 m. Da sie aufgrund des schleifenden Schnittes mit einer Spannweite von 37,50 m und nur 6,70 m über Gleisoberkante die Bahntrasse überqueren, wurde die Herstellmethode dieses Feldes intensiv vor der Ausführung diskutiert: Eine Gewährleistung des Bahnverkehrs ohne Hilfsstützen war vertraglich gefordert. Letztlich wurde die Anfangsidee eines Hybrideinhängeträgers wegen der beengten Platzverhältnisse und des hohen Stahlpreises verworfen. Zur Ausführung gelangte schließlich eine schwere Fachwerkträgerrüstung, welche die Bahntrasse frei überspannte und von zwei Stützrahmen neben den Pfeilern getragen wurde. An den Fachwerkträgern sind mit Hängestangen die Schalelemente des Überbaus befestigt, die nachts während Gleissperren seitlich von den Gleisen hochgezogen und dann

8 Systemskizze der Hängerüstung © Porr Bau GmbH

längs über das Bahnfeld verfahren und 2,30 m über der zukünftigen Lage zusammengefügt wurden. Das heißt, nach dem Betonieren wird das Hauptfeld vorgespannt und umgelagert. Der gesamte Überbau mit einem Gewicht von 1.500 t (540 m³ Beton) hängt damit in den zwei Stützrahmen an je vier Dia-75-mm-GewiStangen. Jetzt konnte die Schalung unter dem Überbau über der Oberleitung längs verfahren und zum Ausbau neben den Gleisen abgesenkt werden. Danach wurde der Überbau über die Hängestangen

9 10 (Überhöhtes) Herstellen des Überbaus über dem Bahnkorridor © Martin Steinkühler

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BRÜCKENBAU | 1/2 . 2013

um 2,30 m auf die Sollhöhe abgelassen und auf Kapselpressen auf den Pfeilern abgesetzt. Nach dem Erreichen der Solllage werden die Lückenfelder zu den Seitenrampen mit konventioneller Rüstung geschlossen und ausbetoniert. Mit dem Ergänzen der Vorspannung ist das Durchlaufträgersystem des Überbaus realisiert und das Öl der Kapselpressen wird mit Zementmörtel ausgetauscht. Nun können die zwei Pfeiler durch den Überbau hindurch aufbetoniert werden, und der Überbau ist fertiggestellt.


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

6.3 Rampen im Bahnbereich Die Rampen 3 A und 6 A bilden die östlichen Zu- und Abfahrtsstraßen zum aufgeständerten Kreisverkehr. Sie sind als einstegige Plattenbalken mit einer Überbaubreite von 11–14 m für zwei Fahrspuren und mit einer Gesamtlänge von 70–80 m nicht besonders groß, jedoch im Grundriss mit einem Radius von 24 m stark gekrümmt und als integrale Tragwerke mit drei Feldern und Pfeilereinbindung an den Mittelpfeilern konzipiert. Auf dem Widerlager und dem Trennpfeiler kommen allerdings Verformungslager zum Einsatz. Ein Bahnkorridor von 6,50 m musste beim Bau zudem freigehalten werden: Im Endzustand war die Unterkante des Überbaus 7,50 m über der Gleisoberkante. Die Spannweite über der vierspurigen elektrifizierten Bahnstrecke ist 27 m, was einem Viertelkreis entspricht. Die erste Hälfte des Überbaus wurde mit ca. 1 m überhöht errichtet, um Platz für die 1 m hohen Längsträger des Traggerüstes zu gewinnen. Der erste Pfeiler wurde nur zur Hälfte betoniert, in diesem Bereich ragte die Anschlussbewehrung aus dem Überbau heraus. Auf dem Pfeilerstumpf wurde dann ein Pressen- und Absenkstapelauf-

13 Ausgeschalte Rampe vor dem Absenken © Martin Steinkühler

11 12 Längsschnitt und Grundriss der Rampe 6 A © Porr Bau GmbH

lager angeordnet: Nach dem überhöhten Herstellen des Überbaus mit einem Kragarm von 10 m zum Ausgleich der Krümmung wurden die Pressen auf dem Trennpfeiler und dem ersten Pfeiler auf Kontakt gefahren und das Traggerüst unter Beobachtung der Pressenkräfte vorsichtig abgesenkt. Dabei standen auf dem Überbau Container bereit, die bei Außermittigkeiten und einem möglichen Kippen des Überbaus mit Ballastwasser gefüllt werden sollten. Nach dem Absenken wurde der fehlende Abschnitt des Pfeilers durch Öffnungen im Überbau in zwei Abschnitten nachträglich betoniert. 6.4 Querung des Tramkorridors Die Straßenbahnbehörden konnten für den Bau der neuen Ringstraße mit den die Tramgleise querenden Überbauten neben der allnächtlichen Betriebsruhe zwischen 24 Uhr und 5 Uhr nur die zweimonatigen Sommerferien zu einer Komplettsperrung anbieten. So mussten

im ersten Sommer 2011 zwei Vorschubrüstungen neben der Trasse errichtet werden, um diese dann mit Vor- und Nachläufer innerhalb der vorgegebenen Sperrfrist zu überqueren. Das Gleiche

14 Überquerung des Tramkorridors © Martin Steinkühler

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

erfolgte im Sommer 2012 für die drei Überbauten der Rampen 2 B, 3 B und BGM, die mit Schwerlastrüstungen die Trasse zu überqueren hatten. Mit einer lichten minimalen Höhe von 3,75 m über GOK war an einen Bau außerhalb der Sperrpausen also nicht zu denken. Dank Nachtschichten und eines ausgeklügelten Logistikkonzepts bei der Rüstungsvorhaltung und -umsetzung konnte die Trasse aber sogar zwei Wochen vor Ablauf der Sperrfrist wieder übergeben werden. 6.5 Umstellung des Bauablaufes Da der Bauherr ein zum Baufeld für die A-Rampen nötiges Gelände nicht zeitgerecht übergeben konnte, war die ursprünglich vorgesehene Verkehrsführung der Ausfallstraße nicht realisierbar. Eigentlich sollte der Verkehr stadteinund auswärts über die A-Rampen und den bereits fertiggestellten Kreisverkehr geleitet werden, um dann eine bestehende Behelfsüberführung abzubrechen und die neuen Radnicka-Tragwerke ohne Behinderung durch den aufrechtzuerhaltenden Verkehr errichten zu können. Das war plötzlich nicht mehr möglich. Deshalb wurde dem Bauherrn eine Entwurfsänderung vorgeschlagen: Durch das Verkürzen der langen Tragwerke um knapp 100 m sowie durch eine Querverschiebung und durch Einfügen eines Dammes mit einer breiten Einzelbrücke über den Bach wurde Freiraum geschaffen, um den Verkehr innerhalb des Baufeldes auf den vorhandenen Straßen zu belassen. Das verursachte zwar erhebliche Erschwernisse im Bauablauf, da Montagen nur in Nachtsperren vorgenommen werden konnten. In Summe ließ sich aber durch die Ablaufänderung die Bauzeitverlängerung durch die verspätete Baufeldübergabe um die Hälfte reduzieren, was für den Bauherrn deutliche Mehrkosteneinsparungen erbrachte.

70

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15 Bauen über und unter Verkehr © Martin Steinkühler

7 Fazit Mit umfassender Planung und lösungsgerechten Baumethoden sowie partnerschaftlicher Ausführung leistet Porr einen erheblichen Anteil an der Verbesserung der Infrastruktur in Belgrad, der Hauptstadt des nach Europa strebenden Landes Serbien. Die Fertigstellung der Gesamtmaßnahme ist für Herbst 2013 vorgesehen. Autor: Dipl.-Ing. Martin Steinkühler Projektleiter und Contractors Representative Porr Bau GmbH, Wien

Bauherr Stadt Belgrad, vertreten durch die Land Development Agency, Belgrad, Republik Serbien Finanzierung European Investment Bank, Luxemburg Bauüberwachung Louis Berger Corporation, Washington DC, USA Ausführungsplanung werner consult ziviltechniker gmbH, Wien Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG, Stuttgart Ausführung Porr Bau GmbH, Wien Vorspannung Vorspann-Technik GmbH & Co. KG, Salzburg


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Entwurf, Planung und Ausführung

Bau der Talbrücke Nuttlar von Hans Grassl, Dieter Schummer, Guido Bogdan, Gerhard Buddenkotte

Die Talbrücke Nuttlar liegt im Zuge des Neubauabschnitts der Bundesautobahn A 46 von der Anschlussstelle Bestwig-Velmede bis zur Anschlussstelle Nuttlar und überspannt mit einer Gesamtlänge von 660 m das Tal des Schlebornbaches. Nach ihrer Fertigstellung wird sie mit einer Höhe über dem Tal von maximal 115 m als höchste Talbrücke Nordrhein-Westfalens in die Baugeschichte eingehen. Die Stahlverbundbrücke mit einteiligem Querschnitt wird derzeit unter Anwendung des Taktschiebeverfahrens ohne Hilfsstützen und ohne Hilfspylon über eine maximale Stützweite von 115 m mit nachlaufender abschnittsweiser Betonage der Fahrbahnplatte errichtet. 1 Projektrahmen Der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen, Regionalniederlassung Sauerland-Hochstift, realisiert den Neubauabschnitt der Bundesautobahn A 46 von der Anschlussstelle Bestwig-Velmede bis zur Anschlussstelle Nuttlar sowie den Zubringer B 480. Dieser Abschnitt der A 46 im oberen Ruhrtal stellt zusammen mit der A 445 eine leistungsfähige und verkehrssichere Verbindung zwischen den Wirtschaftsräumen des östlichen Ruhrgebietes und des oberen Ruhrtales dar; gleichzeitig wird dadurch ein Ballungsraum mit den Erholungsgebieten im Sauerland verknüpft. In der Gesamtkonzeption des Baues der A 46 mit der

1 Neues Teilstück der A 46 von Bestwig-Velmede bis Nuttlar © Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen

Weiterführung als Bundesstraße zum Autobahnkreuz Wünnenberg-Haaren ist die hier angesprochene Maßnahme ein wesentlicher Bestandteil. Durch den für die Ortsdurchfahrt Bestwig erwarteten Verkehrsrückgang im Zuge der B 7 werden die Lärm- und Abgasimmissionen spürbar abnehmen, die städtische Situation erheblich verbessert und dadurch die Attraktivität der Einkaufs- und Geschäftsbereiche an der B 7 erhöht. In dem 5,635 km langen Teilstück sind 13 Brückenbauwerke enthalten. Die vier Großbrücken sind mit den Bauwerksnummern in obenstehendem Übersichtslageplan verzeichnet: – Bauwerk 186: Talbrücke Hammecke – Bauwerk 189: Talbrücke Nuttlar – Bauwerk 11: Talbrücke Schormecke – Bauwerk 12: Talbrücke Bermecke

Die größte Herausforderung stellt unter diesen Ingenieurbauwerken die Talbrücke Nuttlar dar, die derzeit von Bau-km 72+140 bis km 72+800 als zukünftig höchste Brücke Nordrhein-Westfalens mit maximal 110 m hohen Pfeilern errichtet wird. Das Bauwerk spannt mit einer Gesamtlänge von 660 m über das Tal des Schlebornbaches und überquert mehrerer Forst- und Wirtschaftswege sowie die Landstraße L 776. Die Linienführung des neuen Autobahnabschnitts weist im Bereich der Talbrücke im Grundriss eine konstante Krümmung mit einem Radius von 1.000 m auf. Die Gradiente liegt im Bauwerksbereich in einer Geraden mit einer konstanten Längsneigung von 0,73 % und einem konstanten Quergefälle von 4,00 %.

2 Grundriss © Ingenieurbüro Grassl GmbH

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Auf der freien Strecke verfügt der Autobahnabschnitt über einen Querschnitt RQ 28 mit einem 4,00 m breiten Mittelstreifen. Die Talbrücke Nuttlar ist für einen Querschnitt RQ 26 mit einer Nutzbreite von 28,60 m vorgesehen. Die Verkehrsführung 4+0 (11,50 m zwischen den Kappen) wird durch die Verringerung der Mittelkappenbreite auf 2,00 m ermöglicht. Die nachfolgenden Randbedingungen hatten einen maßgeblichen Einfluss auf die Planung der Brücke: – Topographie und Geologie des Taleinschnitts, – Zugänglichkeit des Talraums, – Immissionsschutz der angrenzenden Bebauung, – Trassierung der Bundesautobahn, – Einbindung des Bauwerks in das Landschaftsbild, – Ausgewogenheit der Proportionen des Bauwerksentwurfs sowie – Wirtschaftlichkeit. 2 Gestaltungskonzept Da die Großbrücken des Neubauabschnitts aufgrund ihrer exponierten Lage von unterschiedlichen Standorten gut wahrnehmbar sind, wurde im Auftrag des Landesbetriebes Straßenbau ein Gestaltungshandbuch [1] für alle Brücken der geplanten Strecke ausgearbeitet, das bestimmte Gestaltungselemente wie Verkleidungen, Pfeilerformen, Brüstungen und Farbgebung einheitlich regelt. Die Grundlage für den Entwurf der neuen Brücke resultierte aus der genauen Analyse des Ortes und der landschaftlichen Gegebenheiten: Die Talbrücke Nuttlar überführt die Bundesautobahn über einen ca. 115 m tiefen Einschnitt mit

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4 Längsschnitt © Ingenieurbüro Grassl GmbH

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3 Ansicht der Talbrücke von der Stadt Nuttlar aus © Ingenieurbüro Grassl GmbH

steilen Talflanken und ist vom Gegenhang südlich der Ruhr sehr deutlich wahrnehmbar. Sie stellt somit ein sehr markantes Bauwerk innerhalb des geplanten Streckenabschnittes dar. Die Pfeilerstellungen wurden im Rahmen der Entwurfsbearbeitung mit dem Ziel ausgewogener Proportionen zwischen Stützweite, Bauhöhe, Topographie und vorhandenen Zwangspunkten bestätigt. Mit der gewählten Konstruktion auf sechs Pfeilern, die eine angemessene Geometrie der Brückenfelder ergibt, können die Eingriffe in die Landschaft auf ein Minimum begrenzt, eine Erreichbarkeit über Baustraßen in den steilen Hängen sichergestellt sowie eine gute Fernwirkung erreicht werden. 3 Bauwerksentwurf 3.1 Grundsätzliches Die topographischen Randbedingungen des tief eingeschnittenen Tals mit erforderlichen Pfeilerhöhen bis 110 m sprechen für den Verzicht auf eine zweite Pfeilerreihe sowie für die Wahl eines einteiligen Querschnitts, um die Abmessungen der Pfeiler in Brückenquerrichtung auf ein Mindestmaß zu begrenzen. Durch die

großen Stützweiten von maximal 115 m werden ausgewogene Proportionen erreicht und der Eingriff in den Talraum auf ein Minimum beschränkt. Für diese großen Stützweiten stellt ein Überbau in Stahlverbundbauweise eine wirtschaftliche Lösung dar. Die Auswertung [2] einiger bisher realisierter Stahlverbundbrücken mit einteiligen Querschnitten bestätigt zusätzlich zu den durchgeführten Vergleichsberechnungen die Wirtschaftlichkeit einer solchen Bauweise bereits ab Pfeilerhöhen von 50 m. 3.2 Gründung Aufgrund der Erkundungsergebnisse werden für die Widerlager und Pfeiler, mit Ausnahme des Pfeilers in Achse 40, Flachgründungen auf dem unverwitterten Fels gewählt. Im Bereich des Brückenpfeilers in Achse 40 ist nach den Erkundungsergebnissen bis in ca. 20 m Tiefe stellenweise mit gestörtem und entfestigtem Fels zu rechnen. Hier wird deshalb eine Gründung auf Großbohrpfählen mit d = 150 cm ausgeführt. Die Brückenwiderlager sind über Pfeilerscheiben und Einzelfundamente auf dem unverwitterten Fels gegründet.


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5 Widerlager in Achse 10 © Ingenieurbüro Grassl GmbH

3.3 Widerlager und Pfeiler Die Widerlager werden hochgesetzt ausgeführt, wobei der Übergang zwischen Widerlager- und Flügelwand ausgerundet ist. Als Gestaltungselement werden auf beiden Seiten der Widerlager Stelen angeordnet, welche eine Verblendung aus dunkelgrauem Naturstein (Grauwacke) erhalten. Die obere Abdeckung der Stelen erfolgt über bündig angeordnete Stahlbetonfertigteilplatten mit Bauteildicken von 25 cm, die mittels Pigmentierung dunkelgrau gefärbt werden. Für die Böschungsflächen unterhalb der Brücke ist vor den Widerlagern eine Steinschüttung aus heller Grauwacke geplant, deren Ränder im Grundriss unter ca. 45° zu den Überbaurändern verlaufen. Die Widerlager sind als begehbare Kastenwiderlager mit gesimsparallelen Flügelwänden aus Stahlbeton C 30/37 und Betonstahl S 500 konzipiert. Die Pfeiler aus Stahlbetonvollquerschnitten werden als Doppelrundstützen in A-Form mit Durchmessern von 3,00 m, 4,00 m und 5,00 m entsprechend den Gestaltungsvorgaben und den statischen Erfordernissen ausgeführt. Aufgrund der großen Pfeilerhöhen erfolgt eine Koppelung über horizontale Aussteifungsriegel, welche mit Durchmessern von 2,00–3,00 m als betonverfüllte Stahlprofile realisiert werden. Die Farbgebung dieser Querriegel orientiert sich an der des Überbaus. Für die Pfeilerköpfe und Lagersockel ist ein Beton der Festigkeitsklasse C 40/50 vorgesehen, während für Pfeiler, Fundamente und Bohrpfähle ein Beton der Güte C 30/37 zur Anwendung kommt. Als Bewehrung wird Betonstahl S 500 eingesetzt. Die Pressenansatzpunkte auf den Pfeilerköpfen sind unter den beiden Auflagerdoppelquerrahmen angeordnet. Die Begehbarkeit der Pfeilerköpfe vom Überbau aus ist über Durchstiege im Bodenblech und Stahlstege zwischen den Pfeilerköpfen vorgesehen. Die Breite

des Hauptträgerkastens, die der Pfeiler sowie die Lagerabmessungen erfordern aus Unterhaltungsgründen eine Vergrößerung der lichten Höhe zwischen Oberkante Pfeiler und Unterkante Überbau auf 60 cm. Das Tragverhalten der Pfeiler wurde anhand einer nichtlinearen Berechnung nach Theorie II. Ordnung unter Berücksichtigung der effektiven Steifigkeiten anhand des unten abgebildeten Stabsystems ermittelt. 3.4 Überbau Die Konstruktionshöhe des Überbaus von 5,30 m im Mittel wurde unter Beachtung nachfolgender Gesichtspunkte festgelegt: – Einhaltung einer optisch verträglichen und statisch sinnvollen Neigung der außenliegenden Streben unter der Fahrbahnplatte mit einem Winkel von ca. 31°, – Erzielung einer wirtschaftlichen Konstruktion mit einer angemessenen Schlankheit, auch im Hinblick auf die Montage (Taktschieben der Stahlkonstruktion ohne Hilfsstützen und ohne Hilfspylone) sowie – Begehbarkeit des Hohlkastens mit ausreichender Durchgangshöhe auch in Bereichen der Queraussteifung. Der Überbau ist als parallelgurtiges, über sieben Felder durchlaufendes Stahlverbundtragwerk mit einer schlaff bewehrten Stahlbetonfahrbahnplatte in Ortbetonbauweise konzipiert. Die Ausführung des Haupttragwerks als trapezförmiger einzelliger geschlossener Stahlhohlkasten ist aufgrund der Grundrisskrümmung, der Brückenbreite, des Montageverfahrens und der Forderung nach der partiellen Auswechselbarkeit der Fahrbahnplatte aus wirtschaftlichen und konstruktiven Gesichtspunkten notwendig, um die hierfür unabdingbare Torsionssteifigkeit zu erhalten.

6 Stabsystem: Pfeiler der Achse 50 © Ingenieurbüro Grassl GmbH

Den Abmessungen der einzelnen Bauteile liegt eine statische Vorberechnung unter Berücksichtigung der Forderung nach der Auswechselbarkeit der Fahrbahnplatte unter halbseitigem Verkehr (4+0) zugrunde. Die Berechnung des Überbaus erfolgte im Rahmen der Entwurfsplanung an zwei unabhängigen Modellen: Zur Berechnung der Bauzustände (Taktschieben) wurde ein Stabsystem verwendet. Für die Berechnung der Längs- und Quertragrichtung im Endzustand sowie zur Beurteilung des partiellen Fahrbahnplattenaustausches wurde ein Gesamtsystem, bestehend aus einem FaltwerkModell für den Überbau und Stabsystemen für die Pfeiler, eingesetzt. Für den Nachweis der partiellen Auswechselbarkeit der Fahrbahnplatte wird angenommen, dass nach einem Havariefall der Austausch eines begrenzten Bereichs der Fahrbahnplatte erforderlich wird. Der partielle Fahrbahnplattentausch ist, wie in obenstehender Abbildung angegeben, jeweils in Querrichtung in zwei Schritten vorgesehen: 1. Teilabschnitt Randbereich, b = 6,00 m; 2. Teilabschnitt Mittelbereich, b = 8,25 m. Die Länge eines Teilabschnitts beträgt 15 m. Für das Auswechseln eines solchen Abschnitts auf einer Brückenhälfte ist der komplette Austausch von Beton und Betonstahl unter Beachtung der erforderlichen Übergreifungsstöße der Bewehrung notwendig. Für die Übergreifungsstöße in Brückenquerrichtung wird angenommen, dass ein Teil der vorhandenen Bewehrung erhalten werden kann, damit sich ein Muffenanschluss auf der Baustelle realisieren lässt. Die Stöße in Längsrichtung müssen sich an den ausgeführten Betonierabschnitten und der existierenden Bewehrung orientieren.

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7 Finite-Elemente-Modell zur Berechnung des partiellen Fahrbahnplattentauschs © Ingenieurbüro Grassl GmbH

Für die Ausbildung der Stöße können ebenfalls Pressmuffen eingesetzt werden, es sind aber auch Übergreifungen mit freigelegter vorhandener Bewehrung denkbar oder Kombinationen aus beiden Varianten. Aus den gewählten Stützweiten von 77 m + 2 × 95 m + 115 m + 2 × 97,50 m + 83 m ergibt sich unter Berücksichtigung der konstanten Konstruktionshöhe von 5,30 m im Mittel eine Schlankheit von maximal 115 m/5,30 m = 21,70.

8 Regelquerschnitt für den Feldbereich © Ingenieurbüro Grassl GmbH

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Die Fahrbahnplatte wird fugenlos über die gesamte Brückenbreite hergestellt und durch das Deckblech des Hohlkastens sowie die zwei außenliegenden Stahlverbundlängsträger unterstützt, die durch Schrägstreben im Abstand

von 4,80–5,00 m in Längsrichtung aufgespannt werden. Die für die Auflagerung der weit auskragenden Fahrbahnplatte des einteiligen Stahlverbundüberbaus erforderlichen Streben schaffen in der Ansicht eine ansprechende Gliederung des Brückenträgers, wobei die durch sie verursachte Zugbeanspruchung in der Ebene der Fahrbahnplatte von einem Stahlzugband aufgenommen wird. Dieses Zugband ist sichtbar auf der Unterseite der Fahrbahnplatte angeordnet und mit der Fahrbahnplatte kontinuierlich verdübelt: Die hier gewählte Art der konstruktiven Ausbildung der Zugbänder ermöglicht deren uneingeschränkte optische Kontrolle ohne Störung der Fahrbahnplatte sowie die unkomplizierte Durchführung nachträglicher Verstärkungsmaßnahmen. Die Zugbänder sind während der Betonierarbeiten durch die Schalwagenkonstruktion unterstützt, wodurch ein Durchhang der Zugbänder wirksam verhindert wird. Die Fahrbahnplatte hat eine Konstruktionsbreite von b = 28,50 m und weist dabei Kragarmlängen von beiderseits ca. 2,54 m und Innenfeldbreiten zwischen den Hauptträgerstegen und den Längsträgern von 5,65 m auf. Die Dicke der Kragplatte beträgt im Anschnitt sowie im Innenfeld 40 cm und an den Kragarmrändern 25 cm. Das Bodenblech des Hauptträgerhohlkastens ist horizontal ausgebildet, um die beim Einschub der Konstruktion andernfalls auftretenden Abtriebskräfte zu vermeiden. Die Hauptträgerstege sind geneigt konzipiert und passen sich in der Höhe der Querneigung der Fahrbahnplatte an. Das Deckblech, die Stege und das Bodenblech werden durch längslaufende Beulsteifen und Querrahmen ausgesteift. Im Bereich der Pfeilerachsen werden Doppelquerrahmen realisiert, die

9 Regelquerschnitt für den Pfeilerbereich © Ingenieurbüro Grassl GmbH


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je 1,00 m vor und hinter der Lagerachse angeordnet sind. Jeder Querrahmen verfügt im Inneren des Stahlkastens über aussteifende Hohlprofile. An den Auflagern im Bereich der Widerlager kommen Endquerträger aus Stahlbeton zum Einsatz, die innerhalb des Stahlkastens betoniert werden. Der Verbund wird über Stahlschwerter und Verdübelungen hergestellt. In den übrigen Bereichen ist der Stahlkasten durch mit Innendiagonalen aus Hohlprofilen verstärkte Regelquerrahmen, die in regelmäßigen Abständen von 4,80–5,00 m vorgesehen sind, ausgesteift. Die Fahrbahnplatte wird aus Beton der Festigkeitsklasse C 35/45 errichtet und die Stahlkonstruktion in den maßgebenden Teilen aus S 355 gefertigt. Die Kontaktflächen von Beton und Stahl werden mittels Kopfbolzen verdübelt. Der Überbau erhält beidseitig 1,10 m hohe Immissionsschutzbrüstungen, welche im Bereich der drei Mittelfelder (Tal) und auf den Widerlagern aus Acrylglas bestehen. In den Randfeldern der Brücke (Hang) erfolgt die Ausführung als Brüstung in Stahlbetonbauweise. 4 Bauausführung 4.1 Beauftragung Im Oktober 2010 erhielt die Firma Max Bögl vom Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen den Auftrag für die Realisierung der Talbrücke Nuttlar. 4.2 Erschließung der Baustelle Für die Erschließung der Baustelle mussten mehrere Kilometer Baustraßen hergestellt werden. Das Anfahren der Standorte der Unterbauten konnte wegen der Steilheit des Geländes nicht direkt unterhalb der späteren Brücke von Achse zu Achse, sondern musste über separate Baustraßen erfolgen. Für diese Baustraßen wurden, soweit möglich, vorhandene Forstwege ausgebaut. Wo dies nicht realisierbar war, wurden neue Baustraßen erstellt. Die Erreichbarkeit der einzelnen Standorte gewährleisten die – Baustraße von Antfeld: Andienung der Achsen 80 und 70 einschließlich Anlieferung der Überbau-Stahlteile, Länge ca. 2.150 m, Breite 4–5 m sowie Aufweitungen in den Kurven; – Baustraßen ab L 776: Andienung der Achsen 10–60, Länge ca. 2.970 m, Breite 4 m.

4.3 Herstellung der Gründung Für die Flachgründungen waren Baugruben auszuheben, deren Sohlen bis zu 22 m unter Geländeoberkante im verwitterten Fels lagen. Im Bereich von maximal 2 m dicken Deckschichten aus Hangschutt konnten die Baugrubenböschungen ohne Sicherung mit einer Neigung von 1:1,50 hergestellt werden. Bei den deutlich mächtigeren Deckschichten in Achse 50 (Hangschutt) ist ein verankerter Verbau ausgeführt worden. Die im Fels liegenden Baugrubenböschungen wurden mit Spritzbeton und Felsnägeln gesichert. 4.4 Herstellung der Widerlager und Pfeiler Die Widerlager wurden in zwei Abschnitten, gespiegelt in Brückenachse, errichtet. Die Stahlbetonvollquerschnitte der Pfeiler werden unter Einsatz von Kletterschalungen mit einer Neigung aus der Lotrechten um 2° in Brückenquerrichtung nach innen betoniert; massive Querriegel verbinden die Rundstützen jedes Pfeilers in verschiedenen Höhelagen. Die bis zu 6,00 m hohen Stützenschalungseinheiten sind bei den Pfeilern der Achsen 30–60 mit Durchmessern der Einzelstützen von 5,00 m und 4,00 m aus Kranzhölzern und Mehrzweckriegeln, belegt mit gehobelter und lackierter Brettschalung, aufgebaut. Jeweils 36 m² (Pfeilerachsen 40 und 50) bzw. 15 m² Schalung (Pfeilerachsen 30 und 60) lassen sich für Bewehrungsarbeiten auf den Bühnen zurückfahren. Die Schalung arbeitet, abgesehen von den Anschlussbereichen an den Querriegeln, ankerlos mit Ringzuglaschen und ist auf einen Frischbetondruck von 60 kN/m² ausgelegt. Bei den größeren Rundstützen ist die Einbringung der ca. 100 m³ Beton in ca. 5 h abgeschlossen.

10 Aushubarbeiten für die Pfeilergründung in Achse 50 © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

11 Herstellung des Widerlagers in Achse 80 © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

12 Kletterschalung zur Herstellung der Pfeiler © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

13 Herstellung der Pfeiler © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

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14 Querteilung des Regelquerschnitts © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

16 Überbauquerschnitt im Pfeilerbereich © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

4.6 Längs- und Querteilung des Materials In den beiden obenstehenden Abbildungen sind die Querteilungen der Stahlbauschüsse am Querschnitt veranschaulicht. Nebenstehende Abbildung zeigt die 3-D-Planung des Überbaus mit Doppelquerrahmen im Bereich der Pfeiler. Alle Werkstattzeichnungen wurden unter Einsatz räumlicher CAD-Software erstellt.

Die Schalung klettert hydraulisch mit zwölf SKE-100-Kletterautomaten (Pfeilerachsen 40 und 50) und mit zehn Kletterscheiben Xclimb 60 (Pfeilerachsen 30 und 60) in Schüssen von je 5,00 m. Dabei ist die SKE-100-Hauptbühne komplett eingehaust, während mehrere Nachlaufbühnenebenen für eine gute Zugänglichkeit bei der Betonnachbehandlung sorgen. Aus Sicherheitsaspekten klettern alle SKE-100-Bühnen synchron nach oben, im Bereich der Querriegel wurden die inneren Bühnen durch Sonderbühnen ersetzt. Bei den Pfeilern in den Achsen 20 und 70 wurden die Stützen mit konventioneller Kletterschalung hergestellt (KG-240). 4.5 Herstellung des Überbaus Der zeitliche Ablauf stellt sich wie folgt dar: – Die Ausführungsplanung wurde im Dezember 2010 begonnen und befindet sich zurzeit noch in Bearbeitung. – Mit der Werkstattplanung Stahlbau wurde im Februar 2011 begonnen. – Parallel erfolgte die Montage-Verschubplanung für den Stahlüberbau im technischen Büro der Firma Max Bögl. – Die komplette Stahlkonstruktion wird im Zeitraum von November 2011 bis Februar 2013 am Sitz der Firma Max Bögl in Sengenthal bei Neumarkt gefertigt. – Die Montagearbeiten (Stahlbau) wurden im April 2011 begonnen und werden im Dezember 2013 abgeschlossen sein. – Die Durchführung der Korrosionsschutzarbeiten (Deckbeschichtung) ist ab April 2014 vorgesehen.

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4.7 Fertigung im Werk Die Fertigung der Stahlkonstruktion (ca. 8.100 t) erfolgt ausschließlich am Hauptsitz der Firmengruppe Max Bögl in Neumarkt in der Oberpfalz, wobei Blechdicken bis zu 120 mm verarbeitet wurden:

17 Stege mit Doppelquerrahmen im Pfeilerbereich © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

19 Vorfertigung der Hauptträger mit Doppelquerrahmen © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

21 Vorfertigung der Bodenbleche mit Doppelquerrahmen © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

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15 Querteilung des Pfeilerquerschnitts © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

18 Vorfertigung der Doppelquerrahmen © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

20 Bodenbleche mit Doppelquerrahmen im Pfeilerbereich © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

22 Deckbleche mit Doppelquerrahmen im Pfeilerbereich © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU – 58 Stück Hauptträger (Bauteil A und B) mit einem maximalen Stückgewicht von 123 t und einer Länge bis zu 36 m, – 43 Stück Deckbleche (Bauteil C) und 43 Stück Untergurte (Bauteil D) mit unterschiedlicher Länge und unterschiedlichen Gewichten, – 266 Stück Außenstreben und ca. 1.400 m Längsträger, – 14 Stück Pfeilerquerriegel mit Außendurchmessern von 2,00 m, 2,50 m und 3,00 m sowie – ca. 660 m innenliegender Laufsteg.

23 Lkw-Transport von Schuss 11 © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

4.8 Transport der Stahlbauteile Die gesamte Transportlogistik einschließlich Beantragung der Genehmigungen für die Schwertransporte in Deutschland wurden von der Max Bögl Transport & Geräte GmbH abgewickelt. Der Transport »kleiner« Bauteile wie Außen- und Innendiagonalen, Längsträger, Laufsteg etc. wird mit firmeneigenen Lkws von Neumarkt zur Baustelle nach Nuttlar (450 km) ausgeführt. Aufgrund von Genehmigungsauflagen müssen die »großen« Bauteile wie Hauptträger, Deckbleche und Untergurte hingegen über Umwege zur Baustelle (970 km) transportiert werden, was ebenfalls mit firmeneigenen Fahrzeugen erfolgt. Insgesamt sind ca.144 Schwertransporte bis zu 210 t Gesamtgewicht und einer Zuglänge bis zu 50 m Länge geplant. Bedingt durch die Platzverhältnisse auf der Baustelle, müssen alle Segmente vor Ort auf einer eigens hergestellten Fläche zwischengelagert werden. Hierfür ist eine detaillierte Abstimmung mit allen Beteiligten erforderlich. 4.9 Montage der Stahlkonstruktion Die einzeln vorgefertigten Stahlsegmente werden im Taktkeller auf vorbereiteten Montagestapeln aufgelegt und verschweißt. Nach dem Verschweißen der Schüsse wird der Stahlüberbau mittels einer Zugvorrichtung in acht Verschubtakten über das Tal geschoben. Der Einschub des Überbaus erfolgt auf Lagerhöhe. Hinter dem Widerlager in Achse 80 wird für den Zusammenbau der Stahlkonstruktion ein Taktkeller mit einer Länge von 180 m und einer Breite von ca. 55 m eingerichtet. Die Neigung des Taktkellers beträgt in Längsrichtung 0,731 % (parallel zur Brückengradiente) und in Querrichtung 1,50 %. Im südlichen Bereich befindet sich eine Fahrstraße für das Anliefern der einzelnen Stahlsegmente mit Schwertransportern. Für die Montage der einzelnen Schüsse werden die jeweiligen Stahlsegmente auf Montagestapeln ab-

24 Einschub des Überbaus: Phasenplan für Takt 1–8 © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

25 Taktkeller für die Vormontage (Takt 1) © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

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26 Vormonate von Takt 1 im Taktkeller mit Einhub der Längsträger © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

27 Vorbauschnabel vor dem ersten Verschub in Achse 80 © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

gelegt. Diese Stapel werden als Rahmenkonstruktion aus Fertigteilfundamenten, Distanzträgern, Futterplatten und Hydraulikzylindern aufgebaut. Für das Aufnehmen von horizontalen Verformungen im Überbau sind die Hydraulikzylinder mit Elastomerlagern ausgestattet. Zum Erreichen der spannungslosen Werkstattform werden die Höhen der Montagestapel gemäß Messprogramm voreingestellt. Um Setzungen auszugleichen, werden die Höhen vor dem Verschweißen der Baustellenstöße nochmals kontrolliert und gegebenenfalls mittels Hydraulikzylinder nachjustiert. Die Aufbauhöhen der Montagestapel ergeben sich aus der Lage des Überbauendes nach dem Verschub und der spannungslosen Werkstattform des Folgetaktes. Für den Brückenverschub werden im Taktkeller drei feste Verschublagerachsen mit je zwei Einzelfundamenten eingerichtet. Der Verschub wird mit Hilfe eines Vorbauschnabels mit einer Länge von 30,00 m und einer Spurweite von 7,00 m durchgeführt. Er ist am Ober- und Untergurt über Bolzenverbindungen am Schuss 01 befestigt, der Anstellwinkel des Untergurtes zur Gradiente von 8,10° wird konstant gehalten. Der Anstellwinkel des Vorbauschnabels wurde für das Auflaufen auf das 97,50-mFeld (Achse 50) konzipiert. Durch den festen Anstellwinkel und die unterschiedlichen Stützweiten wird der Vor-

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bauschnabel im Verlauf des Einschubes unterschiedlich auf die Verschubwippen auffahren. Für das dargestellte Auflaufen auf den Pfeiler in Achse 40 kann die Durchbiegung des Überbaus durch den Anstellwinkel des Vorbauschnabels nicht kompensiert werden. Um auf den Pfeiler in Achse 40 auflaufen zu können, wird der Überbau vor dem Verschub daher am Pfeiler in Achse 50 um ca. 500 mm angehoben. Für den Längsverschub wird eine Seilzuganlage mit Litzenhebern eingesetzt. Während des Einschubes werden die Pfeilerkopfauslenkungen durch Messungen kontrolliert. Zusätzlich wurde eine Pfeilerkippsicherung installiert, bei der mittels eines BUS-Systems über einen voreingestellten mechanischen Endschalter bei Erreichen des zulässigen Grenzwertes die Verschubanlage automatisch abgeschaltet wird. Die Sicherung des Stahlüberbaus im Ruhezustand zwischen den Verschubtakten erfolgt über eine Knaggenkonstruktion, bei der sich der Überbau an der Auflagerbank des dazu rückverankerten Widerlagers abstützt. Der Überbau ist während des Verschubes gegen das Abrutschen ins Tal gesichert, was über eine hydraulische Bremsanlage mittels Spannlitzen erfolgt, die an seinem Ende montiert ist. Die Endverankerung der Anlage ist an einer Stahlkonstruktion befestigt, die über zwei Steckträger in ein Fundament einbindet. Das Fundament befindet sich am Taktkellerende, wo es mit Einstabankern im vorhandenen Fels verankert wird. Der Stahlüberbau wird in acht Verschubtakten über das Tal geschoben. Auf den Pfeilern und Widerlager der Achsen 20–80 sowie in den Achsen V 1–V 3 werden Verschublager installiert, die je Auflagerpunkt einer Achse hydraulisch gekoppelt und unter den Längsstegen des Überbaus mit einem Achsabstand von 8,50 m angeordnet sind. Die Oberkante der Verschublager entspricht der Gradientenhöhe in

28 Vorbauschnabel vom Standpunkt Widerlager in Achse 80 © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

29 Auffahren am Pfeiler in Achse 60 © Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen

Unterkante Brücke. Zusätzlich befinden sich in den Achsen 10–80 Verschublagerwippen für das Auffahren des Vorbauschnabels mit einer Spurweite von 7,00 m. In Achse 10 wird der Überbau über das Verschublager mit dem Vorbauschnabel in die Endlage geschoben. Für den Lagereinbau wird der Stahlüberbau auf Hydraulikzylindern gelagert, die horizontale Führung ist über TeflonStahl-Gleitpaarungen gewährleistet.

30 Stahlüberbau vor dem dritten Takt © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU 5 Ausblick Die Fertigstellung der Talbrücke Nuttlar ist für das Jahr 2014 geplant. Die Talbrücke Hammecke befindet sich derzeit im Bau, die Talbrücke Schormecke in der Vergabephase. Der neue Streckenabschnitt wird nach Gesamtfertigstellung der Maßnahme eine leistungsfähige Verbindung zwischen dem östlichen Ruhrgebiet und dem oberen Ruhrtal schaffen, gleichzeitig wird dadurch ein Ballungsraum mit den Erholungsgebieten im Sauerland verbunden. Autoren: Dr. sc. techn. Hans Grassl Ingenieurbüro Grassl GmbH, Düsseldorf Dieter Schummer Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG, Neumarkt Dipl.-Ing. Guido Bogdan Ingenieurbüro Grassl GmbH, Düsseldorf Dipl.-Ing. Gerhard Buddenkotte Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen Regionalniederlassung Sauerland-Hochstift, Meschede Literatur [1] Neumann, I.; Neumann, W.: Gestaltungskonzept. Abschnitt A 46 Velmede–Nuttlar, 2008. [2] Hilgendorff, K.-D.; Neumann, W.; Reitz, D.; Schmitz, Ch.: Talbrücke Elben. Eine Stahlverbundbrücke mit einteiligem Querschnitt; in: Stahlbau 76, Heft 5, 2007.

Bauherr Bundesrepublik Deutschland, letztlich vertreten durch den Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen, Regionalniederlassung SauerlandHochstift, Meschede Gestaltungskonzept Ruhrberg Ingenieurgemeinschaft, Hagen Dipl.-Ing. arch. I. Neumann und Dipl.-Ing. W. Neumann Vorentwurfsplanung Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen, Regionalniederlassung Sauerland-Hochstift, Meschede Entwurfsplanung Ingenieurbüro Grassl GmbH, Düsseldorf Baugrundgutachten und Gründungsplanung Prof. Dr.-Ing. W. Wittke Beratende Ingenieure für Grundbau und Felsbau GmbH, Aachen Ausführungsplanung Meyer + Schubart Partnerschaft Beratender Ingenieure VBI, Wunstorf Bung Ingenieure AG, Heidelberg Prüfingenieur Dipl.-Ing. Winfried Neumann, Hagen Bauüberwachung Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen, Regionalniederlassung Sauerland-Hochstift, Meschede Bauausführung Max Bögl Bauunternehmen GmbH Co. KG, Neumarkt Fertigungsüberwachung Stahlbau und Korrosionsschutz Lavis Engineering GmbH, Halle

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Planung und Errichtung des Ersatzneubaus

Brücke Oehde über das Tal der Wupper von Peter Sprinke, Alexandra Wehnert-Brigdar

Nachfolgende Ausführungen thematisieren Konzeption und Realisierung des Ersatzneubaus für die bestehende Talbrücke Oehde, der infolge des Risikos von Ermüdungsversagen der vorhandenen Verdübelung notwendig geworden war. Die entsprechenden Planungen beinhalteten demgemäß den Rückbau der »alten« und die Errichtung einer neuen Brücke für die Fahrtrichtung Köln. 1 Einleitung Zwischen den Ortslagen Remscheid und Wuppertal-Ronsdorf überführt die Brücke Oehde die Bundesautobahn A 1 über das Tal der Wupper. Mit einer Länge von fast 420 m quert die Brücke außer der Wupper auch die Bundesstraße B 51, eine Bahnlinie sowie die Landesstraßen L 420 und L 527. Im Zuge des sechsspurigen Ausbaus der A 1 wurde ihre Verbreiterung erforderlich. Die Planungsarbeiten begannen ursprünglich Anfang der 1990er Jahre und wurden ab 1996 mit der endgültigen Festlegung auf den sechsspurigen Ausbau der A 1 intensiv vorangebracht. Ermutigt durch den guten Zustand der vorhandenen Brücke und die Ergebnisse der statischen Voruntersuchungen aus den Jahren 1997, ging der Bauherr zunächst von ihrer Ertüchtigung und einem Erweiterungsbau in Form einer zusätzlichen Brücke neben der alten aus. Dieser Erweiterungsneubau für die Fahrtrichtung Kamen wurde dann auf Basis der DIN 1072 geplant und im Jahr 2006 dem Verkehr übergeben. Mit Einführung der DIN-Fachberichte wurde das »alte« Brückenbauwerk insbesondere auf Ermüdung untersucht. Als Resultat wurde wegen Restrisiken von Ermüdungsversagen der vorhandenen Verdübelung die Ertüchtigung des Bestandes zugunsten eines Ersatzneubaus verworfen. Die Planungen zu dem Ersatzneubau beinhalteten den Rückbau der vorhandenen Talbrücke sowie den zweiten Neubau in Fahrtrichtung Köln. Er entspricht im Wesentlichen dem Erweiterungsneubau, durch die Umstellung der Normung erfolgte seine Bemessung jedoch gemäß DIN-Fachbericht.

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1 Vorhandene Brücke über das Tal der Wupper © Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen

2 Vorhandenes Bauwerk Die vorhandene Brücke aus dem Jahr 1959 überspannt über sieben Felder mit Stützweiten zwischen 44,00 m und 72,80 m das Tal der Wupper, ihre Gesamtlänge ergibt sich zu 418,30 m. Das Bauwerk wurde für die Brückenklasse 60 berechnet, die Verbundstruktur des Überbaus ist 22,30 m breit und hat eine Konstruktionshöhe von 4,80 m. Der trapezförmige Stahltrog aus St 37 und St 52 wird im Inneren durch Fachwerkverbände im Abstand von 5,50– 6,07 m ausgesteift. Zur Unterstützung der Fahrbahnplatte lagern an den Fachwerkverbänden zwei Längsträger auf. In den Pfeilerachsen ist der Hohlkasten durch vollwandige Querscheiben ausgesteift. Die Fahrbahnplatte aus Beton B 450 ist längs und quer vorgespannt. Eine zusätzliche Vorspannung erfolgte bei der Montage durch ein nachträgliches Absenken in den Pfeilerachsen des Verbundüberbaus. Die Schubverbindung mit dem Stahltrog ist über aufgeschweißte Blockdübel, die teilweise mit Rundstahlschlaufen zur Sicherung gegen Abheben versehen sind, hergestellt. Im Grundriss liegt das Bauwerk bis auf einen kurzen Klothoidenabschnitt vor dem Widerlager Köln in einer Geraden. Der Überbau lagert auf stählernen Rollenlagern, der Festpunkt in Brückenlängsrichtung befindet sich auf dem Widerlager Köln.

2 Queraussteifung des Bestandsüberbaus © Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH

Widerlager und Pfeiler sind konventionelle Stahlbetonkonstruktionen aus Beton B 225 und B 300. Das als Kastenwiderlager realisierte Widerlager Kamen besitzt mit einer Höhe von 20 m und einem Grundriss von 22,50 m x 9,00 m für die heutige Zeit ungewöhnlich große Abmessungen. Das Widerlager Köln besteht aus einer als Schwergewichtsmauer ausgeführten Stirnwand und Flügelwänden. Die Pfeiler mit Höhen von 16,50–31,30 m weisen Hohlquerschnitte auf und sind mit Grauwacke verkleidet. Alle Unterbauten sind flachgegründet. Die Montage des Stahltroges erfolgte mit Hilfsstützen zwischen den Feldern im Freivorbau vom Widerlager Köln aus.


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Montageverbände und Beulsteifen für Bauzustände wurden nach Errichtung der Brücke wieder entfernt. Zum Betonieren wählte man eine Art von »Pilgerschrittverfahren«. Entsprechend der in den 50er und 60er Jahren des 20.Jahrhunderts bestehenden Relation zwischen Material- und Arbeitskosten wurde der Überbau der Talbrücke Oehde mit 1.477 t errichtet. Das entspricht einem Flächengewicht von 155 kg/m2, bezogen auf die Brückenfläche. 3 Erweiterungsneubau 3.1 Allgemeines Bei der Planung zum Erweiterungsbau wurde auf Basis statischer Voruntersuchungen die Ertüchtigung bzw. Verstärkung der vorhandenen Talbrücke unterstellt. Die Trassierung lehnt sich daher an den Bestand an. Als Regelquerschnitt wurde ein RQ 35,50 zugrunde gelegt, mit welchem sich auf dem Erweiterungsüberbau drei Fahrstreifen plus Standspur überführen lassen. Für die Dauer der Instandsetzungs- und Umbauarbeiten am existierenden Teilbauwerk war eine 4 + 0-Verkehrsführung geplant.

3 Erweiterungs- und Ersatzneubau in der Planung © Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH

4 Überbauquerschnitt von Bestand und Erweiterungsneubau © Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH

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5 Regelquerschnitt von Erweiterungs- und Ersatzneubau © Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH

3.2 Längsschnitt Ziel der Entwurfsbearbeitung war es, das Bauwerk unter Berücksichtigung gestalterischer und wirtschaftlicher Aspekte so zu planen, dass der Neubau und die vorhandene Brücke ein harmonisches »Paar« ergeben und das Landschaftsbild des Wuppertals nicht unnötig beeinträchtigen. Der Neubau nimmt die Stützweiten des Bestandes auf. Mit einer Konstruktionshöhe von 3,785 m weist die Brücke eine Schlankheit von l/h = 19,50 auf und ist damit deutlich schlanker als ihr Nachbar. Der Überbau ist in Achse 30 längs- und querfest gelagert. In den übrigen Achsen erfolgt die Lagerung längsverschieblich und querfest, wobei bewehrte Elastomerund Elastomergleitlager zum Einsatz kommen. Die Fahrbahnübergänge wurden als fünf- bzw. sechsschlaufige, regelgeprüfte Lamellenübergänge mit Geräuschminderung ausgeführt. Die Unterbauten sind in einem Winkel von 100 gon zur Achse der Autobahn angeordnet. Die Widerlager des neuen Überbaus wurden als Winkelstützwände konzipiert, die über Flügelstummel in das Kastenwiderlager der existierenden Brücke einbinden und im anstehenden

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Fels flachgegründet sind. Aus ästhetischen Gründen wurden die Pfeilerscheiben und die Widerlagerfronten in Anlehnung an den Bestand mit Grauwacke verblendet. In Analogie zum vorhandenen Bauwerk wurde für die neuen Pfeiler außerdem die gleiche Rechteckgeometrie gewählt. Im Längsschnitt weist die Brücke nach einer kleineren Wannenausrundung am Widerlager Köln eine konstante Steigung von ca. 3,80 % in Richtung Kamen auf. Das Oberflächenwasser wird über Brückenabläufe im Abstand von 15 m gefasst und anschließend gemeinsam mit dem Streckenwasser, welches vom Überbau in ganzer Länge in einer Sammelleitung DN 800 überführt wird, abgeleitet. 3.3 Querschnitt 3.3.1 Hauptträger Der tragende Querschnitt des Überbaus ist aus Stahl der Güte S 355 und umfasst einen 5,60 m breiten Stahltrog sowie zwei außenliegende Stahllängsträger, die im Verbund mit der Stahlbetondeckplatte stehen.

6 Queraussteifung beim Erweiterungsneubau © Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH

Die äußeren Längsträger sind aus gestalterischen Gründen als luftdicht verschweißte Hohlkastenquerschnitte konzipiert. Sie werden im Abstand von 4,00 m durch Diagonalen, die als Rundrohre ausgeführt sind, unterstützt und sind mit einem Zugband an den Kasten angeschlossen. Die Aussteifung des Stahltroges in Querrichtung erfolgt durch Rahmen und Fachwerkquerverbände ebenfalls im Abstand von 4,00 m. In den Stützenachsen steifen Querschotte die Lasteinleitungen aus den Lagern aus.


13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU

7 Herstellung des Überbaus der neuen Brücke © Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH

3.3.2 Betonfahrbahnplatte Die Herstellung der Fahrbahnplatte erfolgte mittels Halbfertigteilen und Ortbetonergänzung. Die Randfertigteile besitzen an den Außenrändern eine Aufkantung, so dass für die Ortbetonergänzung keine seitliche Schalung mehr benötigt wurde. Die Verbundwirkung gewährleisten Kopfbolzen, die auf den Obergurten der Hauptträger kontinuierlich und auf den Längsträgern blockweise in Dübeltaschen angeordnet wurden. 3.4 Herstellung und Montage Wegen der großen Talhöhe und möglicher Einschränkungen des untergeordneten Verkehrs war die Herstellung des Überbaus auf Gerüsten oder mittels Hilfspfeilern nicht sinnvoll, so dass sich als wirtschaftlichste Montagelösung das Taktschiebeverfahren anbot. Im Taktkeller hinter dem Widerlager Köln wurden die in Werkstattarbeit weitgehend vorgefertigten und mit werkseitigem Korrosionsschutz versehenen Bauteile zu einem Vorschubtakt zusammengesetzt, verschweißt und auf Vorschublagern abschnittsweise eingeschoben. Die Länge der einzelnen Montageschüsse variierte zwischen 10 m und 24 m und die eines Vorschubtaktes zwischen 49,50 m und 75,00 m. Der Einschub des Überbaus erfolgte bergauf vom Widerlager Köln aus in Richtung Kamen. Zur Minimierung der Verkehrsbeeinträchtigung und Beschleunigung des Bauablaufs wurden die Halbfertigteile in einzelnen Bereichen bereits mit eingeschoben. Sie lagen während des Einschiebens gesichert, aber ohne Verbund auf der Stahlkonstruktion auf und waren an der Lastabtragung nicht beteiligt.

Der Verschub wurde mit einem Vorbauschnabel ausgeführt, dessen Spitze hydraulisch regelbar war und gehoben werden konnte; an der Spitze des Vorbauschnabels wurden Vertikalverformungen infolge des Eigengewichts bis zu 1,30 m gemessen.

Nach Abschluss des letzten Verschubvorgangs wurden der Ausbau der Verschublager und der Einbau der planmäßigen Brückenlager vorgenommen. Zum Betonieren der Ortbetonergänzung hatte man sich für das Pilgerschrittverfahren (15 Betonierabschnitte) entschieden.

8 Vorbauschnabel beim Verschub © Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen

10 Auflegen der Teilfertigteile im Taktkeller © Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen

9 Auffahren auf die Verschublager © Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen

11 Überbau vor der Betonage © Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen

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13. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Der Abbruch der Fahrbahnplatte erfolgte zuerst in den Stützbereichen. In Querrichtung wurde ihr Ausbau in fünf Abschnitte unterteilt: Zunächst wurden die Kragarme mit den Randkappen und anschließend die Platte über dem Trog ausgebaut. Vor dem Rückbau der Platte mussten Hilfsstäbe zur Queraussteifung des Troges und ein K-Verband zwischen den beiden Längsträgern angeordnet werden. Die Demontage des Stahlüberbaus begann am Widerlager Kamen, die Längsfesthalterung auf dem Widerlager Köln konnte bis zum Schluss erhalten werden. Die Litzenheber wurden an den bereits abgebrochenen und zum Teil zusätzlich ballastierten Bauteilen aus dem vorhergehenden Feld rückverankert, wobei das Gewicht der abzusenkenden Bauteile zwischen 290 t und 420 t lag. Der Rückbau der Wupper-Talbrücke Oehde dauerte von August 2008 bis September 2009 und damit nur 13 Monate.

12 13 Demontagekonzept: Fahrbahnplatte und Restüberbau © Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH

4 Rückbau Für den Rückbau des Überbaus wurden vier Varianten in Erwägung gezogen: – Ausschieben des Überbaus, – Demontage mit Mobilkränen von unten, – abschnittsweise Demontage mit Mobilkränen von oben, – feldweises Absenken mit Litzenhebern. Durch den Rückbau sollte der Verkehr sowohl auf der A 1 als auch auf den im Tal liegenden Straßen und Wegen so wenig wie möglich beeinträchtigt werden. Nach Abwägen aller Vor- und Nachteile wurde dann die Variante »Feldweises Absenken mit Litzenhebern« weiterverfolgt. Das Rückbaukonzept lässt sich im Wesentlichen in fünf Bauphasen einteilen: 1. Leichtern des Überbaus, 2. Einbau der erforderlichen Stahlbauverstärkungen, 3. Demontage der Fahrbahnplatte, 4. Demontage des Stahltroges, 5. Abbruch der Unterbauten. Aufgrund der besonderen statischen Schwierigkeiten wurde bereits der Entwurf für das Rückbaukonzept durch einen Prüfingenieur begleitet. Außerdem wurde festgelegt, die Demontage der Fahrbahnplatte auch mittels eines Messprogramms zu überwachen.

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14 Rückbau mit Ablassen des Stahltrogs © Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH

15 Geleichterter Überbau © Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH


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16 Erweiterungsneubau nach Fertigstellung © Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH

5 Ersatzneubau Der zweite Teilneubau für die Fahrtrichtung Köln entspricht im Wesentlichen den Beschreibungen des Erweiterungsneubaus für die Fahrtrichtung Kamen. Er ist jedoch mit 18,885 m um 1,00 m breiter als der erste und seine Konstruktionshöhe wurde um 260 mm vergrößert. Die Bemessung erfolgte nach DIN-Fachbericht mit dem Lastmodell (LM) 1. Mit dem Bau des zweiten Teilbauwerks wurde unmittelbar nach dem Rückbau im Jahr 2010 begonnen, die Verkehrsfreigabe war termingerecht im Jahr 2012. 6 Zusammenfassung und Ausblick Mit den ausgeführten Bauwerken wurde gezeigt, dass Verbundkonstruktionen insbesondere beim Bauen unter Verkehr eine wirtschaftliche und gestalterisch anspruchsvolle Alternative sind. Die Anwendung des Taktschiebeverfahrens ermöglicht dabei die Überbrückung großer Stützweiten ohne weitere Hilfsstützen, die Herstellung der Fahrbahnplatte ist auch bei großen Talquerungen aus Halbfertigteilen mit Ortbetonergänzung möglich.

Angesichts des vorhandenen Brückenbestandes und der erwarteten Verkehrsentwicklungen ist künftig mit einer Zunahme von Ersatzneubauten zu rechnen. Die Entwicklung innovativer Rückbaukonzepte gewinnt deshalb zunehmend an Bedeutung und stellt für die Brückenbauingenieure eine große Herausforderung dar. Autoren: Dipl.-Ing. Peter Sprinke Dr.-Ing. Alexandra Wehnert-Brigdar Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Düsseldorf

Bauherr Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Land Nordrhein-Westfalen mit dem Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen, Niederlassung Essen Entwurf Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Düsseldorf Prüfingenieur Prof. Dr.-Ing. Gerhard Hanswille, Bochum Bauausführung Schäfer-Bauten GmbH, Gelsenkirchen, Mostostal Słupca S.K.A., Słupca, Polen Jaeger Umwelt + Verkehr GmbH + Co KG, Bernburg

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AKTUELL Ausgewählte Beispiele der Ingenieurbaukunst in Schottland

Über (mindestens) sieben Brücken musst Du gehen … von Gero Morlock

Schottland einmal anders gesehen: Eine Reise durch das Land von Dudelsack, Whisky, Lambswool und Nessie zeigt eindrucksvoll die historische Entwicklung wie die hohe Kunst des fortschrittlichen und phantasievollen Brückenbaus im Norden der Britischen Inseln. Der nachfolgende »Exkursionsbericht« kann und soll das anhand ausgewählter Beispiele veranschaulichen. Einleitung Der 1978 von der Ostberliner Rockgruppe Karat für das Internationale Schlagerfestival komponierte und später von Peter Maffay neu arrangierte und millionenfach verkaufte Titel »Über sieben Brücken musst Du gehen« kommt dem aufmerksamen Reisenden unvermittelt in den Sinn, wenn er durch den zerklüfteten, von Meeresarmen, Flüssen, Kanälen und sonstigen Gewässern durchzogenen Norden des britischen Festlandes fährt. Viele Ortschaften in Schottland tragen interessanterweise den Wortteil »bridge« im Namen, und so kann man dort tatsächlich auch Zeuge einer bemerkenswerten historischen Entwicklung in der hohen Kunst des kreativen und phantasievollen Brückenbaus werden.

Hängebrücke der Autobahn M 90 © Gero Morlock

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Eisenbahnbrücke bei Edinburgh © Gero Morlock

Vier Brücken am Firth of Forth Eine weltweit einzigartige planerische und bauliche Meisterleistung ist zweifellos die »Mutter aller schottischen Brücken«, die rund 130 Jahre alte Firth-ofForth-Eisenbahnbrücke, die sich fast 2,50 km lang und bis zu 100 m hoch über den Meeresarm nördlich der Hauptstadt Edinburgh spannt und als ein Wahrzeichen des Landes gilt. Nach dem tragischen Einsturz der Firth-of-Tay-Eisenbahnbrücke wurden die Ingenieure Fowler und Baker mit der Konzeption einer stabileren Konstruktion beauftragt, die den Benutzern allein schon durch ihr Aussehen Zuverlässigkeit signalisieren sollte. Das insoweit zweifellos geglückte Resultat war ein sogenannter Gerberträger, der regelmäßig größte Belastungen aushalten kann. Nach sieben Jahren Bauzeit wurde die wuchtige und schon dadurch vertrauenerweckende Struktur fertiggestellt. In Anerkennung dieser außergewöhnlichen Ingenieurleistung ist sie heute auf der 20-Pfund-Banknote der Bank of Scotland abgebildet.

Es wird kolportiert, dass der Ingenieur Gustave Eiffel die Bauarbeiten von Beginn an beobachtete und ihm die Konstruktion dann als Grundlage für die Errichtung des Eiffelturms diente; technische Analogien sind in der Tat durchaus erkennbar. 5.000 Menschen arbeiteten an dem Brückenprojekt, Sicherheitsvorschriften waren weitgehend unbekannt, und Schutzhelme oder Absturzsicherungen gab es nicht. Die unausweichliche Folge war, dass allein bei der Montage ca. 60 Bauarbeiter bei Unfällen ums Leben kamen, darunter auch sieben jugendliche Niethelfer. Dies war für derartige Großvorhaben in jener Zeit leider nicht ungewöhnlich. Die gewaltige Auslegerbrücke besteht aus ca. 54.000 t Stahl und 6,50 Millionen Nieten, die hier als Anschlussmittel zur Anwendung kamen. Zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung war sie die Brücke mit der größten Spannweite der Welt. Die in dieser Ausführung und Ausdehnung weltweit einzigartige Stahlkonstruktion hat im Laufe der Jahre übrigens tatsäch-

Cromarty Firth Bridge nahe Dingwall © Gero Morlock


AKTUELL lich gut gehalten, ist sie doch noch immer als die wichtigste Bahnverbindung von den schottischen Lowlands in die Highlands in Betrieb. Solche aufwendigen Brückenkonstruktionen haben sich später dennoch nicht durchgesetzt, denn die Baukosten waren zumindest für damalige Verhältnisse mit rund 3,20 Millionen Pfund – das wären umgerechnet heute ca. 300 Millionen Euro – exorbitant hoch. Außerdem muss der feingliedrige Stahlkoloss über dem salzigen Meeresarm sozusagen rund um die Uhr von vorn bis hinten und wieder zurück mit Antirostfarbe gestrichen werden, was auch während des Betriebs Millionen verschlingt. »To paint the Forth Bridge« ist in Schottland ein Synonym für eine niemals endende Sisyphusarbeit. Neben der mächtigen, rot leuchtenden Bahnbrücke führt die schmal geschwungene, Anfang der 1960er Jahre eingeweihte und ebenfalls ca. 2,50 km lange Firth-of-Forth-Autobahn-Hängebrücke über den Meeresarm. Fast 50.000 m Drahtseile aufweisend, galt sie lange Jahre als die modernste und längste Hängebrücke Europas. Rund 27 km westlich, etwa auf Höhe der Kleinstadt Falkirk, folgen die massige KincardineSchwenkbrücke, die in den 1930er Jahren errichtet wurde, sowie weiter flussaufwärts die 2008 erbaute Clackmannanshire Bridge. So sind allein vier beeindruckende Brückenbauwerke verschiedenster Epochen über den breiten Firth of Forth zu bestaunen. Brückenbau mit Tradition Der Brückenbau hat im Land von Dudelsack, Whisky, Lambswool und Nessie eine lange Tradition und setzt zweifellos internationale Maßstäbe: Allein 14 außergewöhnliche und zudem unter Denkmalschutz stehende Beispiele sind im Internet unter dem Schlagwort »Brücken in Schottland« zu finden. Dazu gehört beispielsweise die im Jahre 1792 eröffnete Clachan-Bogenbrücke an der Westküste, die für Autos und Fußgänger eine Verbindung zwischen dem schottischen Festland und den beiden Fährhäfen auf der Hebrideninsel Seil schafft – und als eine der ältesten unveränderten Brücken über Meeresarme im westlichen Europa bis heute in Betrieb ist. Ins Auge fällt darüber hinaus die malerische gusseiserne Craigellachie-Bogenbrücke an der schottischen »WhiskyStraße«, die ca. 1815 erbaut wurde und dem Autoverkehr bis in die 1970er Jahre diente, inzwischen aber nur noch für Fußgänger und Radfahrer nutzbar ist.

Die optisch ansprechende 44 m lange und ebenfalls unter Denkmalschutz stehende Hängebrücke Bridge of Oich, die 1849 durch eine Flut zerstört und danach originalgetreu rekonstruiert wurde, verdient jedoch nicht minder Beachtung, zumal sie über eine statische Besonderheit verfügt: Zwei freitragende Brückenteile sind hier in der Mitte über dem Fluss gekoppelt. Würde eines von ihnen einbrechen, bliebe die andere Hälfte, wozu auch immer, weiter hängen. An den historischen Bauwerken sind in der Regel Informationstafeln angebracht, die über ihre Geschichte Auskunft geben. Demnach ist der schottische Brückenbau in den vergangenen gut 100 Jahren geprägt und maßgeblich beeinflusst worden von den vielen spektakulären Eisenbahnüberführungen, wie zum Beispiel von dem Ende des 19. Jahrhunderts errichteten längsten Eisenbahnviadukt Schottlands, dem 500 m langen und 39 m hohen Culloden-Moor- oder Nairn-Viadukt nahe bei Inverness, oder dem gleichfalls Ende des 19. Jahrhunderts realisierten Glennfinnan-Viadukt an der Westküste, der eine der ersten großen Stampfbetonbrücken weltweit war und als Kulisse in zahlreichen Filmen und Fernsehserien auftauchte. Erwähnenswert ist allein schon wegen der tragischen Entwicklung auch die über 3 km lange Firth-of-Tay-Eisenbahnbrücke, die in den 1870er Jahren vom damals bekannten Ingenieur und »Brückenpapst« Thomas Bouch konstruiert wurde und bei ihrer Eröffnung als längste Brücke der Welt galt. Bereits ein Jahr nach der Einweihung brach sie jedoch, aus letztlich nie ganz geklärten Umständen, unter einem durchfahrenden Zug zusammen und riss 75 Menschen in den Tod. Der Ingenieur verzweifelte an seiner augenscheinlichen Fehlplanung, erkrankte in Folge der Ereignisse und starb nur zehn Monate nach ihrem Einsturz. Eine neue Brücke, bis heute in Betrieb, wurde später direkt neben den Resten der alten

Craigellachie-Brücke im Tal des River Spay © Gero Morlock

Bridge of Oich am südlichen Ende von Loch Ness © Gero Morlock

»Pack Horse Bridge« in Carrbridge © Gero Morlock

errichtet: Bei Niedrigwasser kann man deren Fundamente noch sehen. Theodor Fontane verarbeitete die Katastrophe übrigens in der mythisierenden Ballade »Die Brück‘ am Tay«.

Culloden Moor (Railway) Viaduct östlich von Inverness © Gero Morlock

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AKTUELL

Querung der Stromschnellen »Falls Lora« nördlich von Oban © Gero Morlock

Steall Falls Bridge in Lochaber bei Fort William © Gero Morlock

Stahlbrücke über den River Dee nahe Balater © Gero Morlock

Hängebrücke über den River Ness bei Inverness © Gero Morlock

Anlage zum Überbrücken Nicht wirklich eine Brücke, aber ein zweifellos spektakuläres Bauwerk zur Überbrückung schottischer (Wasser-)Höhe darf zum Schluss nicht fehlen: Vor zehn Jahren eröffnete Königin Elisabeth II. das Millenium-Projekt des sogenannten Falkirk Wheel auf dem Weg zwischen den Großstädten Glasgow und Edinburgh.

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Schiffshebewerk: Falkirk Wheel © Gero Morlock

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Es ist weltweit das erste und einzige rotierende Schiffshebewerk und überwindet wasserwärts einen Höhenunterschied von 24 m. Zwei sehr eigenwillig ausgeformte und jeweils ca. 50 t schwere »Spitzhaken« halten je 250 t Wasser, die gesamte Hebekonstruktion wiegt ca. 1.800 t. Die beförderten Boote verdrängen getreu dem archimedischen Prinzip genau so viel Wasser, wie sie selbst wiegen, daher sind die beiden Wasserbecken stets im Gleichgewicht, und zum Drehen der tonnenschweren Struktur ist nur eine vergleichsweise geringe Leistung von ca. 20 kW erforderlich. Beim Andocken am oberen bzw. unteren Kanal werden zwei dicht schließende Schleusentore geöffnet, so dass ein lediglich minimaler Wasserverlust eintritt. Das »Ganze« ist ein Publikumsmagnet sondergleichen, was sowohl auf der künstlichen Wasserstraße selbst als auch im angrenzenden Parkgelände seinen Niederschlag findet, ein Visitor’s Center sowie Kinderspielplätze und lustige Wasserspiele eingeschlossen.

Schlussbemerkung Schottland ist zweifellos ein sehr interessantes und vor allem landschaftlich besonders reizvolles Reiseziel, das, wie man sieht, weit mehr als die üblichen Klischees zu bieten hat. Nur rund fünf Millionen Einwohner verteilen sich hier auf einer Fläche, die mehr als doppelt so groß ist wie Baden-Württemberg. Die einzigartige Landschaft, die durchzogen ist von Meeresarmen sowie natürlichen und künstlichen Wasserstraßen, hat kreative Bautechniker und Ingenieure über Jahrhunderte hinweg angeregt, sich mit der Kunst des Überbrückens zu beschäftigen, sie zu pflegen und weiterzuentwickeln. Das Ergebnis ist eine eindrucksvolle und höchst vielfältige Anzahl historischer Bauwerke, die bis heute ihren Zweck erfüllen, sowie optisch und technisch faszinierender Konstruktionen, die erst in jüngerer Zeit und damit in Fortsetzung der alten Brückenbautradition entstanden sind. Autor: Dr.-Ing. Gero Morlock Referatsleiter in der Abteilung Straßenwesen Regierungspräsidium Freiburg


PRODUKTE UND PROJEKTE Mehr Schallschutz dank Maurer Söhne

Dehnfugen-Austausch in München Geräuschminderung ist seit Jahren ein Thema im Straßenverkehr, im Übrigen genauso wie die Vermeidung bzw. Minimierung von Sperrzeiten. Maurer Söhne, München, der Spezialist für Bauwerkschutzsysteme, hat hier nun Maßstäbe gesetzt, und zwar mitten in München: 40 Jahre hatten die alten Fahrbahnübergänge an der Donnersbergerbrücke ihren Dienst getan und mussten jetzt erneuert werden. Den Zuschlag bekam Maurer Söhne, weil das Unternehmen mit »Geräuschminderung«, »Langlebigkeit« und »kurzen Sperrzeiten« gleich drei Problemlösungen anbieten konnte. Nachdem die Fugen der Zu- und Abfahrtsrampen bereits 2010 ausgewechselt worden waren, folgen im Sommer 2012 die Übergangskonstruktionen in vier Achsen der Hauptbrücke Richtung Norden. Zur Ausführung kamen dabei zwei verschiedene geräuschgeminderte Typen: Maurer-XW1-Wellenfugen sowie Dehnfugen mit aufgeschweißten Rauten der Typen XL 300 und XL 200, außerdem eine konventionelle Übergangskonstruktion des Typs D320. Die einprofiligen XW1 mit ihren wellenförmigen Randprofilen lassen Dehnwege bis zu 100 mm zu, wofür bei üblichen Dehnfugen eine zweiprofilige Konstruktion nötig wäre. Die Wellenform mindert Geräusche, da die Autoreifen einer Achse nicht mehr parallel auf das Randprofil prallen und die Kante schräg angefahren wird. Darüber hinaus erfolgt der Einbau oberflächenbündig, ohne vertikalen Versatz zum Fahrbahnbelag, was die Geräuschentwicklung ebenfalls reduziert.

Donnersbergerbrücke in München © Maurer Söhne GmbH & Co. KG

Für Dehnwege >100 mm fiel die Wahl auf mehrprofilige Dehnfugen mit aufgeschweißten Rauten, durch eben jene Rauten werden auch bei mehrprofiligen Konstruktionen gerade Anprallkanten für die Autoreifen vermieden. Sämtliche neu eingebauten Übergangskonstruktionen sind zudem als »Hybridkonstruktionen« ausgebildet: Die Stahlprofile bestehen im oberen Bereich aus Edelstahl (»weiß«) und unterhalb der Dichtgummis aus herkömmlichem Stahl (»schwarz«). Ersteres verringert Korrosionseffekte und ermöglicht so eine längere Lebensdauer, Letzteres garantiert eine optimale Schweißverbindung mit der im Bauwerk einbetonierten Verankerung. Der Austausch der Fugen erfolgte von Mai bis September 2012 in acht Abschnitten – immer angepasst an den Baufortschritt der sonstigen Erneuerungsarbei-

ten an der Brücke. Um die Sperrzeiten für den Verkehr so kurz wie nur realisierbar zu halten und schnell zwischen Baustelle und Verkehrsfluss umschalten zu können, fand das patentierte Maurer Modular Bridging System (MMBS) Anwendung. Kern ist eine Überfahrtsrampe, die sich rasch auf- und abklappen lässt. Das heißt, abgeklappt dient sie als temporäre Brücke, die ein Überfahren des Arbeitsbereichs erlaubt; aufgeklappt ist der Arbeitsbereich frei zugänglich. Im Rahmen der Gesamtmaßnahme ersetzte Maurer Söhne ferner zehn Kalottengleit-, zwei Verformungsgleitund ca. 50 Verformungslager. Angesichts der immensen Bedeutung für den örtlichen, regionalen und überregionalen Verkehr – die Donnersbergerbrücke gehört zu den meistbefahrenen Strecken Europas – wurde auf die Einhaltung der Termine erheblicher Wert gelegt. Maurer Söhne erfüllte diesen Anspruch durch große Erfahrung bei der Instandhaltung von Brücken und durch effiziente Innovationen wie das MMBS. www.maurer-soehne.de

Wellen-Dehnfuge vor dem Betonieren © Maurer Söhne GmbH & Co. KG

»Oberfläche« nach Fertigstellung © Maurer Söhne GmbH & Co. KG

Montage des Maurer Modular Bridging System © Maurer Söhne GmbH & Co. KG

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PRODUKTE UND PROJEKTE Realisierung durch Eiffel Deutschland Stahltechnologie

Dritte deutsche Anwendung des SPS-Systems Der Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH (EDS) wurde vom Landesbetrieb für Straßenbau Saarland der Auftrag zur Erneuerung der Fahrbahntafel an der Saarbrücke in Mettlach erteilt: Die Fahrbahn der 1951 errichteten Hängebrücke über die Saar muss instandgesetzt werden, weil andernfalls die Tragfähigkeit des Bauwerks aufgrund von Verschleiß, Korrosion und hohem Verkehrsaufkommen reduziert werden müsste. Die zweispurige Hängebrücke mit einer Stützweite von 108 m liegt in der Nähe der einzigartigen »Saarschleife« und verknüpft als innerstädtische Verbindung über die Saar die Ortsteile Mettlach und Keuchingen. Sie ist also eine wichtige Querung in dieser touristischen Region, für die keine vollständige Sperrung oder größere Verkehrsbehinderungen erlaubt sind. In den 1950er Jahren als ein Pionierprojekt für leichte Brückenstrukturen geltend, besteht sie aus dem schlanken Kabeltragwerk einer Hängebrückenkonstruktion und hat als Innovation eine der ersten Fahrbahntafeln in Stahl-Verbundbauweise. Nachdem der Beton inzwischen aber große Schäden aufweist und die Stahlkabel an Tragfähigkeit verloren haben, fiel im Ergebnis eines Analyseprozesses die Entscheidung, an diesem eleganten und erhaltenswerten Bauwerk das innovative Sandwich-Plate-System als neue Stahlleichtfahrbahn auszuführen.

Verbundwerkstoff … © Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH

Aufbau des SPS-Systems © Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH

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(Historische) Saarbrücke in Mettlach © Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH

Isometrie der Tragstruktur © Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH

SPS ist ein Stahl-Elastomer-Verbundwerkstoff, der von der kanadischen Intelligent Engineering (IE) entwickelt und ursprünglich zur Errichtung von Eisbarrieren in der arktischen Beaufortsee konzipiert wurde, heute jedoch vorwiegend für die Verstärkung von Schiffsdecks im maritimen Bereich sowie weltweit für den Bau von Hochbaudecken, Stadientribünen, Brücken und anderen Ingenieurbauwerken zum Einsatz kommt. EDS hat seit 2003 gemeinsam mit IE und mit Unterstützung der RWTH Aachen an einer Reihe von Konstruktionsdetails in SPSBauweise für Brückenkonstruktionen auf Basis der aktuellen Eurocodes gearbeitet und ist nun in der Lage, die dritte Anwendung für eine SPS-Straßenbrücke in Deutschland zu realisieren. SPS-Fahrbahnen werden anstelle von orthotropen Platten gewählt, wenn zusätzliche Ansprüche zu erfüllen sind: Die SPS-Fahrbahn ist eine isotrope Platte, die zusätzlich zu ihrer ebenen, unausgesteiften Form Dämpfungs- und Isolationseigenschaften besitzt. Ihr massiver

Kunststoffkern reduziert Verkehrslärmemissionen, weil kein stahlbautypischer Resonanzkörper vorhanden ist und der Kunststoff als Dämpfungselement wirkt. Aufgrund der leichten und schlanken Konstruktion war SPS also die ideale technische Lösung für die Ertüchtigung der innerstädtischen Saarbrücke in Mettlach, zumal sich so auch das Fahrbahngewicht von 500 t auf 200 t reduzieren lässt. Dadurch wird es möglich, das erhöhte Verkehrsaufkommen der aktuellen Normung für die Brücke anzusetzen, und zwar bei gleichzeitiger Entlastung der Spannungen in den Tragkabeln. Darüber hinaus wurde das SPS-Design gewählt, weil es gegenüber der genauso leichten orthotropen Platte eine um ca. 75 % geringere Bauhöhe gewährleistet. Die neue SPS-Fahrbahn kann daher ohne Gradientenänderung in die vorhandene Brücke eingepasst werden, was bis Februar 2013 erfolgen soll. www.eiffel.de


PRODUKTE UND PROJEKTE Fertiggestelltes »Rekordprojekt« von Eurovia

Erneuerung des Ruhrschnellwegs Auf der Bundesautobahn A 40 bei Essen rollt seit Ende September wieder der Verkehr. Damit ist die fast drei Monate dauernde Vollsperrung des sogenannten Ruhrschnellwegs, der zu den meistbefahrenen Autobahnen in Deutschland gehört, beendet. Mehrere Brücken und ein Tunnel waren in diesem Zeitraum instandgesetzt und teilweise erneuert worden. Unter dem Motto »3 statt 24« hatte der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen an der A 40 in Essen diverse Arbeiten an Brücken, an einem Tunnel und an der Fahrbahn gleichzeitig realisieren lassen. So blieben den Autofahrern viele vereinzelte Baustellen und Staus erspart, die sich sonst auf mindestens zwei Jahre verteilt hätten. Mit den Baumaßnahmen waren verschiedene Firmen unter der technischen Federführung der Eurovia beschäftigt, wobei die Essener Helbingbrücken, mit fünf (Brücken-)Bauwerken und zwei Tunnelportalen der umfangreichste Teil des Vorhabens, aufgrund des knappen Zeitrahmens die größte Herausforderung darstellten – inklusive der Errichtung von insgesamt fast 2.000 m² hochabsorbierenden Lärm- und 6.000 m² Betonschutzwänden. Zwei Jahre Vorbereitungszeit benötigte allein der Auftraggeber, um das äußerst knappe (Zeit-)Fenster von nicht einmal drei Monaten einhalten zu können. Speziell die Planung der großräumigen und innerörtlichen Umleitungsstrecken war aufwendig, bedurfte sie doch auch der Anordnung von 260 zusätzlichen Schildern in der Region. Und: Die befürchteten Verkehrsstaus blieben weitgehend aus. Damit ist das bisher einmalige Experiment geglückt – die mehrmonatige Vollsperrung einer so vielbefahrenen Autobahn hatte es in Deutschland bislang noch nicht gegeben.

Autobahnertüchtigung bei Essen © Axel Heise/Eurovia Services GmbH

www.eurovia.de

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PRODUKTE UND PROJEKTE Drittes Landesgartenschau-Bauwerk von Schaffitzel + Miebach

Holzbrücke mit Granitbelag in Schwäbisch Gmünd Die »Brückenfamilie« für die Landesgartenschau 2014 in Schwäbisch Gmünd ist komplett, denn kurz vor Weihnachten 2012 konnte das dritte Bauwerk fertiggestellt werden. Neben den beiden bereits realisierten Holzbetonverbundstrukturen, der Rokokobrücke und der Bahnhofsbrücke, bereichert jetzt also auch eine Konstruktion in reiner Holzbauweise das Stadtbild von Schwäbisch Gmünd. Projektleitung und Ausführung der »Brückenfamilie« lagen in den Händen der Unternehmen Schaffitzel Holzindustrie GmbH + Co KG, Schwäbisch Hall, und Schaffitzel + Miebach Faszination Brücken GmbH, Lohmar. Während zwei Brücken in der in Deutschland noch sehr »jungen« Holzbetonverbundbauweise errichtet wurden, setzte das Ingenieurbüro Miebach als Planer bei der Blockträgerbrücke »Schillersteg« über den Josefsbach auf eine reine Holzkonstruktion – mit gutem Grund: »Der Naturrohstoff Holz ergänzt das völlig renaturierte Flussbett in einer ganz besonders natürlich erscheinenden Form. Denn neben dem markanten Baukörper haben wir einen hochwertigen Natursteinbelag verwendet – ein absolutes Novum im deutschen Brückenbau.« Eine Geh- und Radwegbrücke mit einem 7 cm dicken Granitbelag ist eine Neuheit im Brückenbau: Dank moderner Fertigungsmethoden sind (Stein-)Plattenbreiten von 3 m und Längen von 1,25 m problemfrei herstellbar, so dass nur Querstöße anfallen. Um einen geschlossenen Belag zu erhalten, sind die offenen Stoßfugen unterseitig mit jeweils einer quer angeordneten Edelstahlblechrinne versehen. Umlaufende Tropfnuten an der Unterseite der Brücke garantieren somit eine Entwässerung in den Randbereichen. Die Brücke kann mit diesem Belag, dessen Kosten mit dem für einen Gussasphalt vergleichbar sind, als »geschütztes Tragwerk« nach DIN 1074 eingestuft werden.

Schillersteg für die Landesgartenschau 2014 © Schaffitzel + Miebach Faszination Brücken GmbH

Der Überbau selbst besteht aus einem zur Mitte hin verschlankten, gestuften Brettschichtholzträger, der massiv blockverleimt ist – und dessen solide, kompakte Geometrie sich bestens vom unterhalb der Brücke verlaufenden Flanierweg erkennen lässt. Die Stufung hat aber nicht nur gestalterische Gründe: »Wir haben so sichergestellt, dass kein Schlagregen an die Brücke herankommen kann«, so Frank Miebach. Zusätzlich wurde der Träger vollflächig mit einer diffusionsoffenen Folie abgedeckt, die für einen optimalen konstruktiven Holzschutz sorgt. Das Tragwerk bildet mit dem zur Feldmitte hin verjüngten Querschnitt einen leichten Bogen, der gestalterisch vom Bauherrn gewünscht wurde und eine Reminiszenz zum Vorgängerbauwerk darstellt, einer Bogenbrücke aus Naturstein. Um den hochwertigen Eindruck zu unterstreichen, wurde zudem ein Edelstahlgeländer mit -seilen gewählt, das ein Maximum an Transparenz aufweist. Die Pfosten sind nach innen geneigt, um Kindern keine Überstiegsmöglichkeit (Leiterwirkung) zu bieten. Und für den Handlauf kam witterungsbeständiges Accoya-Brettschichtholz zu Anwendung, in das unterseitig eine LED-Beleuchtung integriert wurde. www.schaffitzel-miebach.com

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Längsträger aus Brettschichtholz © Schaffitzel + Miebach Faszination Brücken GmbH

Natursteinbelag als Novum © Schaffitzel + Miebach Faszination Brücken GmbH


PRODUKTE UND PROJEKTE Konstruktion aus Accoya-Holz

Wassergrabenbrücke in Brabant Sie ist Überführung und Graben zugleich: Die »Laufgrabenbrücke« in der niederländischen Provinz Nordbrabant macht nicht nur die alte Verteidigungsanlage des sogenannten Fort de Roovere aus dem 17. Jahrhundert wieder zugänglich, sondern verläuft entlang der Uferschräge und unterhalb der Wasseroberfläche – und fügt sich damit nahtlos in die Konturen der historischen Struktur ein. Entworfen vom Architekturbüro Ro & Ad, Ro Koster und Ad Kil, wurde dieses außergewöhnliche Bauwerk mit bzw. aus Accoya-Holz errichtet. Die Brücke besteht aus einer Gehfläche und Treppenstufen aus Hartholz, die von Spundwänden aus Accoya-Bohlen umschlossen sind: Selbige zeichnen sich durch Strapazierfähigkeit, Langlebigkeit und Nachhaltigkeit aus, zumal AccoyaHolz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern mit FSC- und PEFC-Zertifizierung stammt. Gewonnen wird es durch einen ungiftigen Modifikationsprozess, der seine hohe Dimensionsstabilität und Maßhaltigkeit gewährleistet. Mit einer garantierten Nutzungsdauer von 50 Jahren bei oberirdischer Verwendung und 25 Jahren mit Erdberührung ist es zudem wesentlich strapazierfähiger und langlebiger als tropische Harthölzer. Und: Es gilt als resistent gegen Fäule, Zersetzung und Schimmelpilze und hat infolgedessen den Dauerhaftigkeitsstatus Klasse 1. Selbst bei härtesten Umweltbedingungen und dem ständigen Kontakt mit Wasser bleibt das Hightechholz widerstandsfähig, wie ein bereits realisiertes Projekt in der holländischen Provinz Fevoland zeigt: Insgesamt 20 lfm Deckwerk wurden hier in Accoya-Holz ausgeführt –

Querung »im« Wasser © Accoya/Accsys Technologies

Brücke und Graben (zugleich) © Accoya/Accsys Technologies

und wiesen nach über 15 Jahren keine gravierenden Abnutzungserscheinungen auf. In Deutschland wird Accoya vom Holzimporteur und -großhändler Enno Roggemann GmbH & Co. KG exklusiv vertrieben.

Bohlen aus Accoya-Holz © Accoya/Accsys Technologies

www.accsysplc.com www.accoya.com

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PRODUKTE UND PROJEKTE Projektspezifische Systemlösung von Peri

Autobahnbrücke in Griechenland Die 160 km lange Autobahn A 7 verbindet Kalamata im Süden mit Korinth im Nordwesten der griechischen Halbinsel Peloponnes. Hauptbestandteil des Lückenschlusses zwischen Paradisia und Tsakona ist die 390 m lange, als »T4« bezeichnete Bogenbrücke, deren Realisierung Anfang 2014 abgeschlossen sein soll. Ihr 22 m breiter Überbau wird zu etwa zwei Dritteln an einem Stahlbogen abgehängt und in Stahlverbundbauweise ausgeführt, während für den nördlichen Abschnitt eine Überbauvariante aus Spannbeton mit zweizelligem Hohlkastenquerschnitt gewählt wurde. Tragendes Element der Autobahnbrücke ist ein gewaltiger, ca. 30 m hoher Schrägpfeilerzwilling mit asymmetrischer V-Form, der einerseits zur Zwischenunterstützung der Ortbetonfahrbahn und andererseits als Auflager und Anfänger für den Stahlbogen dient. Eine Arbeitsgemeinschaft aus griechischen und deutschen Peri-Ingenieuren entwickelte hierfür eine ganzheitliche Schalungs- und Gerüstlösung – zur wirtschaftlichen Herstellung des Pfeilerbauwerks und des Stahlbetonüberbaus sowie zur temporären Abstützung der Brücke für die gesamte, auf knapp zwei Jahre veranschlagte Errichtungszeit. Im Wesentlichen sind es zwei Baukastensysteme, die, miteinander kombiniert, die hohen Lasten sicher in den Untergrund ableiten: Mit Hilfe des Modulgerüstsystems Peri Up Rosett Flex wird ein räumliches Tragwerk für die Pfeiler- und Überbauschalung geschaffen, sukzessive bis zur (Gesamt-)Unterstützungshöhe von über 20 m nach hinten respektive oben wachsend. Mittels 25-, 50- und 75-cm-

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Schwerlasttürme als »Kraftpakete« © Peri GmbH

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Horizontalriegeln lässt sich dabei das 150-cm-Grundraster äußerst flexibel an die geometrischen und statischen Erfordernisse anpassen. So konnten die polygonal auszuführenden, 32–36° flach geneigten Schrägpfeiler beidseits der Brücke in acht Segmenten mit je 4,50 m Länge hergestellt werden. Ergänzend zur verwendeten Peri-UpGerüstkonstruktion bietet insbesondere der Variokit-Ingenieurbaukasten standardisierte Systemlösungen für den Tunnel-, Brücken- und Ingenieurbau. So unterstützen Fachwerke aus mietbaren Standardelementen die schräg angeordnete Vario GT-24-Träger-Wandschalung und leiten die Schalungs- und Betonierlasten der Schrägpfeiler sicher in das Gerüst ab. Das Variokit-Baukastensystem bildet zudem die Basis für den schweren Traggerüstbau. Im Anschlussbereich zwischen Ortbetonbrücke und Stahlbogen gewährleisten zwei 17 m hohe, 42-stielige Variokit-Schwerlasttürme die Aufnahme hoher Lasten, und zwar über die komplette Bauzeit hinweg bis zur Erreichung der Eigentragfähigkeit. Jeder der beiden Türme hat jeweils 1.200 t Last sowie aufgrund der langen Standzeit hohe Erdbeben- und Horizontallasten abzutragen. Dazu koppelten die Peri-Ingenieure jeweils vier Standardtürme mit 2,00 m x 2,00 m Achsmaß mittels mehrerer, je nach Lastkonzentration gebündelter 37,50-cmVorsatzscheiben zu zwei »Kraftpaketen« – unter ausschließlicher Verwendung mietbarer Systemteile und baugerechter, typisierter Verbindungsmittel. www.peri.com

V-Pfeiler im Drittelspunkt des Bauwerks © Peri GmbH

Tragkonzept aus zwei Baukastensystemen © Peri GmbH

Einhaltung aller Anforderungen © Peri GmbH


PRODUKTE UND PROJEKTE Errichtung durch Max Streicher

Brückenkreisverkehr bei Jena Bei Jena-Maua entsteht ein Ingenieurbauwerk, das man in Deutschland eher selten antrifft, obwohl es mit einer effizienten Straßenführung aufwartet und den Verkehr stark entlasten kann: Im Rahmen des vierspurigen Ausbaus der Bundesstraße B 88 im Raum JenaMaua errichtet die Max Streicher GmbH & Co. KG aA einen sogenannten Brückenkreisverkehr, der den Verkehr der Bundesautobahn A 4 kreuzungs- und damit störungsfrei auf die B 88 leiten soll. Allein die Ausmaße dieser Querung suchen in Deutschland ihresgleichen, hat sie doch einen Durchmesser von 65 m, was für hiesige Breitengrade ein weiteres Novum ist.

Erscheinungsbild des Bauwerks © Max Streicher GmbH & Co. KG aA

Die Arbeiten begannen im Juli 2011, wobei insgesamt 150.000 m³ Erde bewegt wurden. Die anschließende Gründung der vier Widerlager erfolgte mittels 20 m langer Bohrpfähle, deren Durchmesser

immerhin 1 m beträgt. Letztlich soll das Bauwerk im Juli 2013 fertiggestellt sein. www.streicher.de

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PRODUKTE UND PROJEKTE Nahtlose Rohre von Vallourec & Mannesmann

Brückenbauwerk am Mont-Saint-Michel Vallourec & Mannesmann Tubes produzierte nahtlose Rohre für den Mont-SaintMichel, die ab 2014 eine neue Brücke zu dieser nordfranzösischen Wallfahrtsstätte abstützen. Ihre Errichtung ist Teil eines der landesweit aufwendigsten Renaturierungsprojekte zum Erhalt des Nationaldenkmals, denn der Mont-Saint-Michel droht langsam zu versanden, weshalb seit drei Jahren täglich mittels einer Schleuse Sand weggespült wird. So soll bis etwa 2025 wieder eine Bucht mit Anschluss zum Ärmelkanal entstehen und das Denkmal seinen ursprünglichen Charakter aufweisen.

Auch die Besucherströme von ca. 2,50 Millionen Menschen pro Jahr sollen neu organisiert werden: Der Parkplatz, bisher am Fuß des Mont-Saint-Michel zu finden, wird auf das Festland verlegt, der alte Straßendamm abgerissen und anschließend ein neuer Deich realisiert, in dessen Verlängerung eine ca. 1 km lange Brücke zum mittelalterlichen Kloster führt (Planung: Dietmar Feichtinger Architectes mit schlaicher bergermann und partner). Verbaut werden dazu ca. 400 t nahtlose Stahlrohre – 124 filigrane Stützen bildend, welche die Brücke tief im Meeresboden verankern und massive Betonpfeiler überflüssig machen. Die bis zu 9,50 m langen Rohre haben einen Durchmesser von 244,50 mm sowie Wanddicken von 40 mm bzw. 60 mm und sind zusätzlich mit einem speziellen Korrosionsschutz versehen. www.vallourec.com www.vmtubes.de

(Künftige) Querung auf Stelzen © Imagence/MG Design

Einbringen der Stahlrohre © V & M Deutschland GmbH

Realisierung durch Vinci Construction

Brücke über den Panamakanal Die Vinci Construction Grands Projets hat von der Panama Canal Authority, der mit Betrieb, Wartung, Erhaltung und Modernisierung des Panamakanals betrauten Behörde, für 366 Millionen Dollar den Zuschlag erhalten, eine Brücke über die Atlantikmündung des Panamakanals zu errichten. Der Standort des Bauwerks befindet sich 3 km nördlich der Gatun-Schleusen in der Nähe der Stadt Colon. Realisiert wird hier eine 1.050 m lange Schrägseilstruktur mit einer vierstreifigen Betonbrückentafel, 530 m Spannweite im Mittelfeld, 212,50 m hohen Pylonen und 75 m lichter Höhe. Und: Sie wird die weltweit längste Schrägseilbrücke aus Beton mit 530 m Spannweite im Mittelfeld sein.

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Querung an der Atlantikmündung © Vinci Construction

Mit der Verwirklichung dieser Brücke wird im Rahmen des erweiterten Kanalbetriebs die Durchfahrt von Containerschiffen der »Post-Panamax«-Generation gewährleistet. Außerdem erhalten Fahrzeuge unabhängig vom Schleusenbetrieb so die Möglichkeit, den Panamakanal auf der Atlantikseite zu überqueren. Für einen ungestörten Kanalbetrieb dürfen allerdings keinerlei Arbeiten in der Fahrrinne erfolgen, daher muss der Beton

für den Überbau vor Ort eingebracht werden. Darüber hinaus umfasst das Projekt auf beiden Seiten die Herstellung der Brückenauffahrten mit 2 km Gesamtlänge sowie die der Anschlüsse an das bestehende Straßennetz. Baubeginn ist Januar 2013, Einweihung voraussichtlich 3,50 Jahre später. www.vinci.com


PRODUKTE UND PROJEKTE Schneller »Überbautransport« dank Continental

Neuerrichtung der Maryland Avenue Bridge Langandauernde Bauvorhaben und dadurch entstehende Behinderungen im Straßenverkehr können Ärger bereiten. Das Verkehrsministerium von Minnesota oder Minnesota Department of Transportation fand nun einen Weg, die Realisierung eines (solchen) Brückenprojekts zeitlich um die Hälfte auf 60 Tage zu verkürzen – dank eines Gerätes, das auf 352 Hochleistungs-Industriereifen von Continental rollt: Mit konventionellen Methoden wäre die Maryland Avenue Bridge für vier Monate gesperrt gewesen. Das heißt, der neue Überbau wurde auf der westlichen Seite der bestehenden Struktur errichtet und dann mittels eines riesigen, computergesteuerten Modulfahrzeugs mit Eigenantrieb über die Schnellstraße an den Montageort befördert. Dieser sogenannte Self-Propelled Modular Transporter (SPMT) war mit

Reifen von extremer Belastbarkeit © Continental Tire the Americas, LLC.

extrem belastbaren und zudem dauerhaft formstabilen Spezialreifen von Continental bestückt, wobei sich jeder von ihnen unabhängig drehen ließ, um das Überbaugewicht gleichmäßig verteilen zu können. Und so war es

letztlich möglich, den Transportvorgang innerhalb eines einzigen Tages abzuschließen. www.continental-reifen.de www.conti-online.com

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PRODUKTE UND PROJEKTE Großes Planungsprojekt der K+S Ingenieur-Consult

Ortsumgehung Reutlingen mit Scheibengipfeltunnel Um die Stadt Reutlingen in Baden-Württemberg vom Verkehr zu entlasten, wird im Zuge der Bundesstraße B 312 eine Ostumfahrung gebaut. Für die »Umgehungsstraße Scheibengipfeltunnel« erfolgte in den Jahren 1993–1997 die Durchführung eines Bebauungsplanverfahrens, der Bebauungsplan erreichte dann im Mai 2000 Rechtskraft. Aufgrund von Modifikationen in der Tunnelrichtlinie gab es jedoch noch einige Planungsänderungen. Im Februar 2009 wurde das Gesamtprojekt in das Konjunkturpaket II der Bundesregierung aufgenommen, die Tunnelbauarbeiten begannen schließlich im Frühjahr 2012. Die Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG konnte sich hier im Bieterverfahren durchsetzen: Es handelt sich um den Bau eines 1,90 km langen Tunnels, welcher den gleichnamigen Höhenrücken (Scheibengipfel) unterfährt, der dem Hausberg der Stadt Reutlingen, der Achalm, vorgelagert ist. 1.620 m des Tunnels werden in bergmännischer, 240 m am Süd- sowie 50 m am Nordportal hingegen in offener Bauweise realisiert. Die Außenschale ist als bewehrte Spritzbetonstruktur, die Innenschale als wasserundurchlässige Betonkonstruktion konzipiert. Die Ausbruchfläche des Hauptstollens beträgt ca. 99 m² für ein Lichtraumprofil von 9,50 m Breite und 4,50 m Höhe, der Rettungsstollen hat eine Ausbruchfläche von ca. 20 m² mit einem Lichtraumprofil von 2,80 m x 3,10 m; er ist mit dem Haupttunnel über sieben Querschläge verbunden. Die Vortriebsarbeiten werden voraussichtlich bis Juni 2014 andauern, der Tunnel soll bis September 2016 fertiggestellt werden, der Einbau der Tunnelausrüstung wird bis März 2017 abgeschlossen sein. Das Nürnberger Büro K+S IngenieurConsult GmbH & Co. KG plant für die Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG das gesamte Tunnelbauwerk. Für die Ingenieure der K+S ist es der bisher längste Tunnel in bergmännischer Bauweise. Erfahrungen im Stuttgarter Raum konnten bereits bei der Ortsumfahrung Winnenden, dem sogenannten Tunnel Leutenbach, in Spreng- und Baggervortrieb mit einer Gesamtlänge von 1.080 m gesammelt werden. www.ks-ingenieurconsult.de

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Nordportal mit Betriebsgebäude © Regierungspräsidium Tübingen

Portal vor dem Tunnelanschlag © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

Fräse vor dem Tunnelanschlag © Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG

Tunnelquerschnitt mit Rettungsstollen © Regierungspräsidium Tübingen


PRODUKTE UND PROJEKTE Wiederverwendbarer Dehnungssensor von Synotech

Messgerät für Belastungen oder Dämpfungen Der wiederverwendbare Dehnungssensor RHM240A02 von PCB® Piezotronics, der von der Synotech Sensor und Meßtechnik GmbH vertrieben wird, eignet sich für die Untersuchung von Belastungen oder Dämpfungen in Strukturen, Maschinen, Bauteilen oder an Nahtstellen. Sein piezoelektrisches Messelement ist zusammen mit einem miniaturisierten ICP®-Verstärker in einem robusten Gehäuse aus Edelstahl untergebracht, das für die Messung mit handelsüblichen (Innen-)Sechskantschrauben kraftschlüssig auf die Oberfläche der zu vermessenden Struktur montiert wird.

Der Sensor verfügt im Frequenzbereich von 0,004 Hz–12 kHz über eine Empfindlichkeit von 50 mV/µe bei einem Messbereich von ±50 µe. Das niederohmige Ausgangssignal von ±5 V wird über einen ebenfalls robusten, industriellen Stecker herausgeführt und lässt sich mit gängigen Messsystemen direkt auswerten. Bei vergleichbarer Genauigkeit zu handelsüblichen Dehnungsmessstreifen bieten diese Aufnehmer einen deutlich reduzierten Installationsaufwand und eine größere Flexibilität beim Wechsel der (Mess-)Position. www.synotech.de

Aufnehmer mit geringem Installationsaufwand © Synotech Sensor und Meßtechnik GmbH

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S O F T WA R E U N D I T

Vorzügliches Ultrabook von Wortmann

Höchstleistung aus Deutschland Die Wortmann AG, einer der erfolgreichsten unabhängigen deutschen Computerhersteller und vor allem wohl durch die Eigenmarke »Terra« bekannt, hat sein Portofolio erweitert – um das Terra Mobile Ultrabook™ 1450 II. Erhältlich ist es mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows 7 oder eben dem ganz aktuellen Windows 8 zu Preisen zwischen 729 € und 999 €, die letztlich von der gewählten (Hardware-)Konfiguration abhängen. Alle drei verfügbaren Modelle weisen eine hervorragende Ausstattung auf, die unter anderem neueste Technologie, hohe Leistungsfähigkeit, umfangreiche Sicherheitsfeatures wie Fingerprint und TPM, vielfältige Anschlussmöglichkeiten wie Dockingstation und USB 3.0, ausgesprochen schlankes Design und sehr geringes Gewicht umfasst. Durch Funk-

tionen wie UMTS, WLAN, Bluetooth, Wake On LAN und powered USB sowie WLAN- und Bluetooth-Schalter garantieren sie zudem weitreichendste Flexibilität und Mobilität. Und: Basierend auf den starken und energieeffizienten Intel®-Core™-(i-)Prozessoren der dritten Generation, ermöglichen sie Batteriebetriebszeiten und damit Nutzungsdauern bis zu 7 h, je nach individueller Hard- und Softwarekonfiguration sogar bis zu 9 h. Das Terra Mobile Ultrabook™ 1450 II mit entspiegeltem, also Non-Glare-Display besticht aber nicht nur durch diese inneren Werte, sein formschönes Erscheinungsbild oder das qualitätvolle magnesiumlegierte Gehäuse, sondern auch aufgrund der verbauten 120-GB- bzw. 240-GB-SSD-Festplatte und infolge-

Neueste Technologie zum (mobilen) Arbeiten © Wortmann AG

dessen durch extrem schnelle Reaktionsgeschwindigkeit. Das heißt, dank SSDFestplatte und Intel-Rapid-Start-Technologie ist es in der Lage, innerhalb von Sekunden zu booten und so dem Nutzer die Leistung eines Notebooks und die Handhabbarkeit eines Smartphones zu bieten. www.wortmann.de www.terra.de

Neue (Software-)Version von Leica

Messtechnik mit Mehrwert Seit mehr als einem Jahr definiert der Leica 3D Disto den Standard, indem er Lasermessung, Projektion, Nivellierung, Fotodokumentation und Scan in einem Gerät vereint. Die neue, weiterentwickelte Softwareversion bietet nun die Möglichkeit, vollautomatisch eine dreidimensionale Oberfläche zu scannen, wobei der Benutzer die Wahl hat, ob das Gitter auf einer vertikalen, horizontalen oder schrägen Ebene liegen soll. Sämtliche Messdaten lassen sich zudem mit einem Schritt in ein Standardformat wie dxf exportieren, was die Nachbearbeitung in allen gängigen CAD-Systemen erleichtert. Weitere Verbesserungen sind:

– Die CAD-Werkzeuge erlauben jetzt auch das Erfassen verdeckter Punkte, deren Ermittlung früher aufwendige Folgemessungen oder eine Standpunktänderung bedingte. – Die Optimierung der Bedienoberfläche gewährleistet einen flüssigeren und effektiveren Arbeitsablauf. – Der Projektor ist noch leistungsfähiger geworden. Das heißt, mit einem Tastendruck kann jetzt zwischen horizontaler, vertikaler und schräger Oberfläche gewechselt werden.

Komplettlösung als Standard © Leica Geosystems GmbH

www.leica-geosystems.de

Zielführende Kooperation von IBM und Datengut

City-Cloud-Angebot für den Mittelstand Die Datengut Leipzig GmbH & Co. KG stellt ihre Online-Lösung »Datenraum« ab sofort auch in die sogenannte City Cloud von IBM ein. Sämtliche Kunden des Zwenkauer Unternehmens können nun also direkt aus der »Cloud« verschiedene IT-Dienstleistungen beziehen, die speziell auf die Anforderungen des Mittelstands abgestimmt sind. Ziel der IBM ist der kontinuierliche Ausbau des City-Cloud-Konzepts, um bald schon flächendeckend präsent zu

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sein, wobei das künftig überall verfügbare Spektrum von individueller Beratung und Betrieb über Hardware- und Softwareleistungen bis hin zur zentralen Datenablage und -speicherung reichen soll. Die Datengut Leipzig GmbH & Co. KG ist ein Anbieter von Dokumenten-Management-Software, der 2012 von früheren Mitarbeitern der Stratos Business Solutions AG gegründet wurde. Seinen Schwerpunkt legt der neue IBM-Partner

hier dementsprechend auch auf Dokumenten-Management-Software, elektronische Rechnungsabwicklung, digitale Akten und die optimale Steuerung der Geschäftsprozesse – mit der Intention, die Dokumenten-Verwaltung der Kunden kostengünstiger, schneller und sicherer zu gestalten. www.datengut.de www.ibm.com


NACHRICHTEN UND TERMINE Prämierung dreier Bauwerke

Ingenieurbau-Preis 2012 Seit 1988 wird er verliehen, der Ingenieurbau-Preis, den Ernst & Sohn alle zwei Jahre an ein Ingenieurbauwerk vergibt, das die jeweils wechselnde Jury unter funktionalen, technischen, wirtschaftlichen und gestalterischen Aspekten (besonders) überzeugt. 37 Einreichungen waren es diesmal, die dem Preisgericht unter Vorsitz von Prof. Dr.-Ing. Manfred Curbach zur Begutachtung vorlagen. Und es entschied sich für ein Siegerprojekt: das Nationalstadion Warschau (Bauherr: Narodowe Centrum Sportu Sp. z o.o.; Ingenieure: schlaich bergermann und partner; Architekten: gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner sowie JSK Architekci sp. z o.o.; Ausführung: Cimolai Spa, federführend für das Konsortium aus JV Cimolai S.p.A, Mostostal Zabrze und Hightex GmbH), und zwar mit folgender Begründung: »Mit dem polnischen Nationalstadion in Warschau wurde ingenieurtechnisches Neuland betreten. Herausragend sind der Entwurf einer Multifunktionsarena mit wintertauglichem wandelbarem Innendach und die Umsetzung in ein komplexes Gesamttragwerk, dessen statisches System verschiedene Prinzipien des Speichenrades synthetisiert. (…)

Ausgezeichnet werden die ungewöhnliche Konstruktion und die ingeniöse Beherrschung des Spiels der Grundbeanspruchungen von Druck und Zug in der Planung und Ausführung. Das Ergebnis ist eine bis ins Detail gestalterisch durchdachte strukturale Komposition, die ästhetisch und konstruktiv überzeugt.« Auszeichnungen (ohne Rangfolge) erhielten darüber hinaus der »Stahlviadukt Binnenhafenbrücke, Hamburg« (Bauherr: Hamburger Hochbahn AG; Ingenieure: WTM Engineers GmbH sowie Ingenieurbüro Grassl; Architekten: Grundmann + Hein Architekten; Ausführung: Fr. Holst GmbH & Co. KG sowie Stahlbau Dessau GmbH) und die »Sanierung Hauptbahnhof Hamburg« (Bauherr: DB Station & Service AG; Ingenieure und Architekten: lngenieurbüro A. Elsner; Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH).

Nationalstadion Warschau © Marcus Bredt/Verlag Ernst & Sohn

Binnenhafenbrücke in Hamburg © Verlag Ernst & Sohn

Hauptbahnhof Hamburg © Verlag Ernst & Sohn

Museum der bayerischen Könige in Hohenschwangau © Markus Ebner/bauforumstahl e.V.

Bogenbrücke über die Donau in Günzburg © Florian Schreiber/bauforumstahl e.V.

www.ingenieurbaupreis.de

Würdigung von Brücken und Hochbauten

Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues Der von bauforumstahl e.V. erstmals und nur online ausgelobte »Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues« stieß auf große Zustimmung und bot ein breites Spektrum des aktuellen Baugeschehens. Vergeben wird er für besondere Ingenieurleistungen in den Kategorien »Hochbau« und »Brückenbau« und ergänzt so den »Preis des Deutschen Stahlbaues«, der seit 1972 alle zwei Jahre ausgeschrieben wird. Die Verleihung der (Ingenieur-)Preise und Auszeichnungen erfolgte auf der Messe BAU 2013 in München. In der Kategorie »Hochbau« siegten Michael Staffa, Henning Ecker und Andreas Hertel von ifb frohloff staffa kühl ecker, Berlin, mit dem Museum der Bayerischen Könige in Hohenschwangau, für das Staab Architekten bereits den Preis des Deutschen Stahlbaues 2012 erhalten hatten. Die Jury würdigte nun die Ingenieurleistung mit folgenden Worten: »Die Neuinterpretation des Zollinger Prinzips und die Umsetzung in

Stahl gestalten einen würdevollen Raum als harmonische Einheit von Konstruktion und Architektur. Die statisch-konstruktive Lösung wird Zweck und Aufgabe des Bauwerkes in besonderer Weise gerecht, mit einer filigranen Tonnenkonstruktion ein majestätisches Dach für die bayerischen Könige zu schaffen.« In der Kategorie »Brückenbau« lauten die Gewinner Jürgen Schmidt und Peter Radl von SSF Ingenieure, München; eingereicht hatten sie die Donaubrücke Günzburg. In der Laudatio der Jury heißt es: »Die Straßenbrücke überzeugt durch ihre klare Form und Wirtschaftlichkeit. Die geneigten und vorgespannten Hänger übertragen Schub in der Bogenebene und ermöglichen ein Zusammenwirken von Balken und Bogen.« Von den in Summe 37 Einsendungen entfielen 20 in die Kategorie »Hochbau« und 17 in die Kategorie »Brückenbau«. Bewertet wurden neben herausragenden Gesamtbauwerken auch Berechnungsstrategien, Fertigungsverfahren, Monta-

gekonzepte sowie Details oder Einzelbauteile. Neben den beiden Preisen »verteilte« die Jury zudem acht Auszeichnungen. www.bauforumstahl.de

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N AC H R I C H T E N U N D T E R M I N E Spatenstich für die Errichtung der Carl-Ulrich-Brücke

Neue Mainquerung zwischen Frankfurt und Offenbach Den ersten Spatenstich für den rund 17 Millionen Euro teuren Neubau der L 3001 Carl-Ulrich-Brücke zwischen dem Frankfurter Stadtteil Fechenheim und der Stadt Offenbach nahm Mitte November der hessische Verkehrsstaatssekretär Steffen Saebisch gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main, Peter Feldmann und dem Oberbürgermeister der Stadt Offenbach, Horst Schneider, vor. »Ich freue mich sehr, dass wir heute den Neubau der Carl-Ulrich-Brücke auf den Weg bringen können, damit diese wichtige Verkehrsachse zwischen Offenbach und Frankfurt in naher Zukunft wieder uneingeschränkt befahrbar ist«, so der Staatssekretär. Die derzeit vorhandene Stahlbalkenbrücke stammt aus dem Jahr 1930 und ist in einem schlechten baulichen Zustand, weshalb sie sich nur noch mit Einschränkungen bis 2014 nutzen lässt. Ihre Bedeutung als unverzichtbare Verkehrsader resultiert aus ihrer Funktion als einzige Straßenverbindung über den Main zwischen Frankfurt-Fechenheim und Offenbach im Bereich der (Offenbacher) Kernstadt. Ihre Verkehrsbelastung liegt bei ca. 18.600 Kfz/d, davon ca. 900 Lkw/d, außerdem führen mehrere Buslinien über die Brücke.

Stahlverbundkonstruktion als Perspektive © Ingenieurbüro Grassl GmbH

Als Ersatzneubau wird in fünf Phasen eine dreifeldrige Stahlverbundbrücke an gleicher Stelle errichtet, deren Gesamtstützweite 233,76 m beträgt. Die Breite zwischen den Geländern wird von 13 m auf 14 m erhöht, durch die Vergrößerung der maximalen Stützweite für die Mittelöffnung von derzeit 41,10 m auf künftig 112 m profitiert zudem die Mainschifffahrt. Die neue Brücke wird in Parallellage zum vorhandenen Bauwerk auf einer Hilfskonstruktion bis zum Frühjahr 2014 erstellt. Anschließend erfolgt der Verschub

der alten Brücke auf eine ebenfalls erforderliche Hilfskonstruktion, um Platz zu schaffen für die neue Flussquerung, die dann in ihre endgültige Lage verschoben wird. Unabhängig vom Verkehr, der ab Frühjahr 2014 auf der neuen Brücke fließen soll, ist der Rückbau der alten Brücke für den Sommer bzw. Herbst 2014 vorgesehen, so dass die komplette Maßnahme voraussichtlich Ende 2014 fertiggestellt werden kann. www.wirtschaft.hessen.de

Instandsetzung plus Neubauplanung

Rheinbrücke bei Leverkusen Die Leverkusener Rheinbrücke der Bundesautobahn A 1 kann »repariert« werden, so das Ergebnis umfangreicher Untersuchungen. »Ich bin erleichtert, denn es war nicht klar, ob wir die Brücke überhaupt reparieren können. Das ist eine gute Nachricht für die gesamte Region«, meinte (dazu) Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Michael Groschek. Für die Instandsetzung bedarf es einer geänderten Verkehrsführung, wobei je Fahrtrichtung zwei (Fahr-)Streifen zur Verfügung stehen, das Tempo aber auf 60 km/h begrenzt und das bereits existierende Nutzungsverbot für Fahrzeuge über 3,50 t aufrechterhalten bleibt.

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Im Zuge der Arbeiten werden bei den 20 schwerwiegendsten Schäden ganze Bleche ausgetauscht, bei weiteren ca. 200 betroffenen Querträgern mit Anrissen erfolgt die Ertüchtigung durch Ausfugen und erneutes Verschweißen in ermüdungssicherer Qualität. Letztlich waren für die Inspektion der Brücke 1.080 Anschlusspunkte des Trägersystems überprüft worden. Parallel dazu werden die Neubauplanungen forciert – zu denen der Bund knapp eine Million Euro beisteuern wird: Da das Land Nordrhein-Westfalen bei dieser außergewöhnlich komplexen Planung einen neuen Weg beschreiten will, greift der Bund auf einen gesonderten »Topf« zurück. »Hier gilt es sofort zu handeln«, so Staatssekretär Rainer Bomba. »Der Bund

wird die Sanierungskosten übernehmen und auch den Neubau anschieben. Die Planungen für den Neubau dieses Abschnitts der A 1 unterstützen wir im Rahmen einer verkehrswirtschaftlichen Untersuchung mit 950.000 €. Der Neubau soll bis 2020 fertig sein.« Und Groschek: »So dramatisch sich die Situation am Anfang dargestellt hatte – die Region kann inzwischen wieder aufatmen. Nach den Reparaturarbeiten können voraussichtlich ab März zunächst wieder Lastwagen über die Rheinbrücke fahren. Im kommenden Frühjahr beginnen die Ingenieure dann bereits mit der Detailplanung für den Neubau der Brücke.« www.mbwsv.nrw.de


NACHRICHTEN UND TERMINE Erster Preis für Leonhardt, Andrä und Partner

Wettbewerb »Brücke über den Skurusund« Anfang September verkündete die Verkehrsbehörde von Stockholm, dass das Ingenieurbüro Leonhardt, Andrä und Partner, Stuttgart, in Zusammenarbeit mit Dissing + Weitling, Dänemark, und ELU Konsult, Schweden, den internationalen Entwurfswettbewerb für die neue Brücke über den Skurusund gewonnen hat. Die Sieger präsentierten ein schlichtes, dabei aber technisch fortschrittliches Konzept für die neue Querung, welche die unzureichende Verkehrssituation für die täglich mehr als 52.000 Pendler im Großraum Stockholm lösen soll und von der Jury folgendermaßen beurteilt wurde: »Eine formsichere und schöne Brücke mit klarem Tragwerk. Das schlanke Brückendeck wird elegant durch die Brückenpfeiler getragen. Mit schönen fließenden Linien und einer reinen Form hat die vorgeschlagene Brücke eine klare, aber unabhängige Beziehung zu der vorhandenen Brücke, und durch seine schlichte Eleganz kontrastiert sie in positiver Weise mit der alten Brücke. Das neue Bauwerk ordnet sich durch seine Schlichtheit unter, und die beiden Generationen sind in der Lage, visuell und konzeptionell miteinander zu harmonieren. Die leichte Gestaltung hat eine klare Ausrichtung und elegante Details. Sie ist deutlich an Ort und Stelle und in unserer Zeit verwurzelt.« Der Neubau wird sich die Meerenge mit der vorhandenen Skurubrücke teilen, die eine Nachbildung der ursprünglichen Bogenstruktur aus dem Jahre 1914 ist. Zu ihrer Zeit war sie die längste Betonbrücke in Nordeuropa und hat eine große kulturelle, historische und ästhetische Bedeutung sowie weltweiten Kultstatus unter Brückenexperten erlangt. Zudem fügt sich das fast monumental erscheinende Bauwerk harmonisch in die steilen, felsigen Berghänge des Archipels mit seinen hohen Bäumen und winzigen Häusern ein. In diesem Kontext entschied sich das Entwurfsteam für eine sehr schlichte und transparente Lösung

Neue Brücke und bestehendes Bauwerk © Leonhardt, Andrä und Partner AG

ohne Pylone, Kabel oder Aussichtsplattformen: Die neue Brücke besticht durch ihre konstruktive Leichtigkeit mit einer schlanken, aerodynamischen Stahlplatte. Damit sie so transparent wie möglich wirkt, wurden die Pfeilerabstände an die der existierenden Brücke angepasst. Derart wird zugleich auch eine optische Verbindung zwischen den beiden hergestellt, ohne den Blick auf die alte zu beeinträchtigen. Das Tragsystem besteht aus einer 370 m langen Balkenbrücke über sechs Felder mit Spannweiten von ca. 60 m sowie einem Überbau aus zwei geschlossenen, stromlinienförmig ausgebildeten Stahlkästen mit einer 15 cm dicken Betonplatte, die mit der Stahlkonstruktion in Verbund steht. Die Y-förmigen Pfeiler sind oberhalb der Gabelung aus Stahl und im unteren Stiel in Beton ausgeführt. Um die Temperaturbeanspruchung zu verringern, sind Betongelenke am Fuß der kürzeren Pfeiler vorgesehen. Da sich der Verkehr während des letzten halben Jahrhunderts dramatisch erhöht hat, entschied sich die Verkehrsbehörde Stockholm für eine zügige Umsetzung des Projekts: Baubeginn soll bereits 2013 sein, und als Realisierungszeit sind nur drei Jahre vorgesehen.

Überbauentwurf © Leonhardt, Andrä und Partner AG

Pfeilerausbildung … © Leonhardt, Andrä und Partner AG

www.lap-consult.com

Längsansicht © Leonhardt, Andrä und Partner AG

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N AC H R I C H T E N U N D T E R M I N E Ergebnisse der (länderübergreifenden) Arbeitsgruppe

Leistungsfähige Rheinquerung als Ziel Die Ergebnisse der länderübergreifenden Arbeitsgruppe »Leistungsfähige Rheinquerung« haben die für Infrastruktur zuständigen Staatssekretäre der Länder Baden-Württemberg und RheinlandPfalz, Gisela Splett und Jürgen Häfner, bei einem Treffen Anfang November in Karlsruhe bewertet und zugleich die nächsten Schritte bei den laufenden Planfeststellungsverfahren zum Neubau einer zweiten Rheinbrücke festgelegt.

»Mit der Ausarbeitung von insgesamt zwölf Themenblöcken zur Rheinquerung hat die Arbeitsgruppe einen großen Beitrag dazu geleistet, vertiefende Erkenntnisse zu Fragen aus dem vorangegangenen Faktencheck zu gewinnen«, lobte Jürgen Häfner die vorliegenden Resultate. Für den Neubau einer zweiten Rheinbrücke zwischen Karlsruhe und Wörth wurde im März 2011 in beiden Bundes-

ländern das Planfeststellungsverfahren beantragt. Vorgesehen ist nun, die Durchführung von Erörterungsterminen in etwa zeitgleich in beiden Ländern durchzuführen, und zwar in der ersten Jahreshälfte 2013. www.baden-wuerttemberg.de

Forschungskolloquium der BASt

Innovationen im Brückenbau Im Rahmen des Forschungsprogramms »Straße im 21. Jahrhundert« werden innovative Konzepte und Technologien für Bau, Erhaltung und Betrieb von

Forschungsprogramm … © Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Brücken- und Ingenieurbauwerke entwickelt, Hauptthemenfelder sind dabei »Intelligente Brücken und Tunnel« sowie »Infrastrukturmanagement Ingenieurbauwerke«. Bei einem Forschungskolloquium am 31. Oktober 2012 in der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wurden nun Ergebnisse aus ersten Projekten in Form von Expertenvorträgen erläutert – und zwar mit dem Ziel, die Straßenbauverwaltung, Ingenieurbüros sowie planende und ausführende Firmen umfassend zu informieren. Und dementsprechend trafen sich auch ca. 150 Ingenieure in Bergisch Gladbach, um sich auf den jüngsten Stand der Erkenntnisse bringen zu lassen, sich auszutauschen und die begleitende Fachausstellung zu besu-

chen. Die gedruckte Version des kompletten Forschungsprogramms ist im Übrigen im Internet per Download erhältlich. www.bast.de

(Ausstellungs-)Rundgang mit Staatssekretär Rainer Bomba © Bundesanstalt für Straßenwesen

Vertragsunterzeichnung in Brüssel © Bundesanstalt für Straßenwesen

Gründung unter deutscher Beteiligung

Europäische Verkehrsforschungsallianz Ende September wurde in Brüssel die neue europäische Verkehrsforschungsallianz namens European Transport Research Alliance (ETRA) ins Leben gerufen. Dr. Horst Schulze, Abteilungsleiter bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), unterzeichnete als Präsident des Forum of European Road Safety Institutes (FERSI) mit vier weiteren (Präsidenten-)Kollegen der fünf großen europäischen Verbände und Gremien den Vertrag. ETRA vereint neben FERSI die European Conference of Transport Research Institutes (ECTRI), das European Rail Research Network of Excellence (EURNEX), das Forum of European National Highway Research Laboratories (FEHRL) und das

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Human centered design Network for Information Society Technologies (HUMANIST), die ihrerseits viele Organisationen im Bereich der Straßenverkehrsforschung vertreten. Das Bündnis soll die Zusammenarbeit und Integration von Forschungsbeteiligten verschiedener Verkehrsträger in Europa fördern, unterstützt wird diese Initiative daher auch von der Europäischen Kommission. Die Gründungsmitglieder wählten Prof. George A. Giannopoulos des griechischen Instituts für Verkehrsforschung, der zugleich ECTRI-Vorsitzender ist, für die nächsten zwei Jahre zum ETRA-Vorsitzenden. www.bast.de


N AC H R I C H T E N U N D T E R M I N E 25 Jahre Schüßler-Plan

Jubiläum in Frankfurt am Main Die Frankfurter Gesellschaft der SchüßlerPlan-Gruppe kann auf eine 25-jährige Firmengeschichte in der Metropolregion Rhein-Main zurückblicken: Ins Leben gerufen wurde sie mit der Übernahme der Generalplanung für die City-Trasse Offenbach, die südmainische S-BahnVerbindung von Frankfurt über Offenbach nach Hanau. Aus der anfänglichen Niederlassung hat sich danach eine eigenständige Gesellschaft innerhalb der Gesamtgruppe entwickelt, die an ihrem Standort zu den führenden Ingenieurunternehmen zählt.

»Planung für Menschen, Projekte für die Zukunft« lautet der Leitsatz der SchüßlerPlan Ingenieurgesellschaft. Getreu diesem Kerngedanken wurden in den vergangenen Jahren bedeutende Vorhaben auf den Weg gebracht und realisiert, wie zum Beispiel der Westhafen-Tower, das Radisson SAS Hotel, der Boulevard im Europaviertel und der Umbau der »Zeil« sowie der S-Bahn-Ausbau in den Rodgau, die Erschließung von Gateway-Gardens durch die S-Bahn, die Regionaltangente West, der Süd- und Mittelabschnitt der Neubaustrecke Köln–Rhein-Main und die hessischen Abschnitte der Neubaustrecke Rhein-Main–Rhein-Neckar. Die Projekt-

Festvortrag von Petra Roth © Thomas Tratnik/Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH

steuerung der Ausbaumaßnahmen am Flughafen Frankfurt am Main wurde mit der Inbetriebsetzung der Landebahn Nordwest und der vor wenigen Tagen erfolgten fristgerechten Eröffnung des neuen Flugsteiges A-Plus gekrönt. www.schuessler-plan.de

Veränderung bei Leonhardt, Andrä und Partner

Neue Gesellschaftsform mit Perspektive Im Jahre 1939 erhielt Fritz Leonhardt von der Leitung der Reichsautobahnen die Erlaubnis, neben seiner Tätigkeit als Bauleiter der Hängebrücke Köln-Rodenkirchen ein Ingenieurbüro als Beratender Ingenieur zu gründen, um an der Planung einer Stahlkuppel für einen neuen Hauptbahnhof in München mitwirken zu können. Die Gesellschaftsform des Büros hat sich dementsprechend auch in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder geändert. Dies war notwendig, um die Qualifikation der Büroleitung bei einem sich wandelnden Anforderungsprofil von Auftragge-

bern wie Aufgabengebieten zu gewährleisten und die Kompetenz wie das Engagement einer stetig wachsenden Zahl an Mitarbeitern zu fördern. Aus den gleichen Motiven wird nun mit Beginn des Jahres 2013 eine Aktiengesellschaft, die Leonhardt, Andrä und Partner VBI AG (LAP AG) gegründet, die als Nachfolgerin in alle Rechte und Pflichten der bisherigen GmbH eintritt. In Ergänzung zum Vorstand wird bei einer Aktiengesellschaft mit dem Aufsichtsrat zudem ein weiteres Führungsinstrument geschaffen, was der Stärkung von Kompetenz und Verantwortung der Unternehmensleitung

insgesamt dient. Für die Mitarbeiter wird darüber hinaus die Möglichkeit einer Beteiligung am Unternehmen in Form von Aktien erschlossen. Zum Vorstand der LAP AG sind berufen: – Dipl.-Ing. Wolfgang Eilzer (Vorsitzender), – Dipl.-Ing. Rolf Jung (stellvertretender Vorsitzender), – Dipl.-Ing. Volkhard Angelmaier, – Dipl.-Ing. Markus Maier. Vorsitzender des Aufsichtsrats ist Dr.-Ing. Hans-Peter Andrä. www.lap-consult.com

Stipendium für Studierende

Schüßler-Preis 2012 Die Studierenden Lisanne Meinerzhagen und Christian Schmitz sind mit dem Schüßler-Preis 2012 geehrt worden, den die Düsseldorfer Ingenieurgesellschaft Schüßler-Plan gemeinsam mit der Fakultät für Bauingenieurwesen der RWTH Aachen vergeben hat. Verbunden mit dieser Würdigung ist ein Stipendium für einen studienbegleitenden Auslandsaufenthalt: Meinerzhagen plant einen Studienaufenthalt in Florenz, Schmitz wird sein Studium in Valencia fortsetzen. Bei der Preisverleihung begrüßten Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dirk Vallée, Dekan der Fakultät für Bauingenieurwesen, sowie

Dipl.-Ing. Norbert Schüßler, Geschäftsführender Gesellschafter der Schüßler-Plan Consult, die Gäste. Überreicht wurden die Auszeichnungen von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Josef Hegger, Prodekan der Fakultät für Bauingenieurwesen. Der Schüßler-Preis wird seit 1995 jährlich von der Schüßler-Plan Gesellschaft verliehen, um den besonders begabten Bauingenieurnachwuchs an der RWTH Aachen zu unterstützen, wobei die Förderung fachlicher Qualifikationen und die der weiteren Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund stehen.

Preisstifter (links) und Preisträger bei der Ehrung © Martin Lux/Schüßler-Plan Consult GmbH

www.schuessler-plan.de

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N AC H R I C H T E N U N D T E R M I N E Veröffentlichung des vdf Hochschulverlags

Ingenieurbauführer für Zürich Welche Bauwerke prägen Zürich? Das Großmünster, die Hauptgebäude von ETH und Universität Zürich oder der Prime Tower zählen sicherlich dazu, bezeichnen sie doch bekannte Sehenswürdigkeiten. Aber: Was wäre die eidgenössische (Groß-)Stadt ohne den Aussersihler Viadukt, die Polybahn, den Wiedikoner Tunnel und viele, viele andere Entwurfs-, Planungs- und Realisierungsresultate von Bauingenieuren? Und genau diesen wahrlich beeindruckenden Arbeitsnachweisen ingeniösen Handelns ist nun ein Buch gewidmet, das zweifelsohne Vorbildcharakter hat – oder wenigstens haben sollte. »StrucTuricum« be- und »51 bemerkenswerte Bauwerke in Zürich« untertitelt, stellt es ebenjene

Beispiele aus – und das verdient ebenfalls höchstes Lob – der Sicht von Bauingenieuren vor, und zwar in Gestalt lesbar formulierter und auch für Laien verständlicher Texte, anschaulicher und deshalb nachvollziehbarer Zeichnungen sowie Fotos, die das jeweils Wesentliche abbilden. Abgerundet wird das Ganze von Biographien der beteiligten Fachleute und Tourenvorschlägen, die zu kürzeren oder längeren Exkursionen durch und nach Zürich einladen, ja letztlich sogar auffordern. Die von Thomas Vogel, Patrick Fehlmann, Thomas Wolf und Emil Honegger herausgegebene, 392 Seiten umfassende, kleinformatige und dennoch ebenso inhaltsreiche wie handhabbare Veröffentlichung

Qualität in Wort und Bild © vdf Hochschulverlag AG

aus dem vdf Hochschulverlag (an) der ETH Zürich lässt sich also im allerbesten Sinne nur empfehlen. www.structuricum.ethz.ch www.vdf.ethz.ch

Neuerscheinung aus dem Lukas Verlag

Bauwerke mit künstlerischer Ausstattung Berlin besitzt bekanntlich zahllose Stege und Brücken über Flüsse und Bäche, über Schienen und Straßen. Obwohl das Erscheinungsbild dieser oft markanten, den örtlichen Kontext nicht selten prägenden Bauwerke im Laufe der Jahrhunderte diversen Veränderungen unterlag, ist bis dato kaum jemand

Beispiele aus Geschichte und Gegenwart © Lukas Verlag

systematisch der Frage nachgegangen, was eigentlich die Gründe und die Art ihrer ästhetisch-konstruktiven Entwicklung sowie des Wandels ihrer künstlerischen Ausgestaltung waren. Das heißt, in solchen Fällen dominierte in aller Regel der ingenieurstechnische Blick, während Kriterien der Gestaltung oder gar der künstlerischen Ausstattung lediglich am Rande Berücksichtigung fanden. Eckhard Thiemann und Dieter Desczyk, die selbst viele Jahre im Brückenentwurf tätig waren, leisten mit ihrer im (Berliner) Lukas Verlag erschienenen Veröffentlichung insofern wahre Pionierarbeit – und bieten nun einen fundierten Überblick über die Geschichte der Gestaltung und Ausschmückung der Berliner Brücken, das komplizierte Zusammenwirken von Bauherren, Ingenieuren, Architekten und Künstlern im Wandel der Zeiten schildernd. Als Hauptteil ihres 236 Seiten

umfassenden und insgesamt 809 Abbildungen beinhaltenden Werkes lässt sich zweifelsohne der sogenannte Katalog bezeichnen, da er mit Einzelcharakterisierungen von ca. 150 historischen und zeitgenössischen Bauwerken aufwartet. Und: In einem weiteren Kapitel liefern die Autoren eine Zusammenstellung exemplarischer Schmuckelemente, die für die beachtliche Vielfalt der Berliner Brückenlandschaft so wichtig sind. Karten und Verzeichnisse, die nicht minder dem Erkenntnisgewinn dienen und zudem die »reale« Benutzung erleichtern, verführen schließlich zum Aufsuchen der beschriebenen Beispiele. Wer will, ja kann mehr von einem Buch verlangen, das in Aufmachung wie Inhalt nachgerade überzeugt – und im Übrigen nur 25 € kostet. www.lukasverlag.com

Veranstaltung in Frankfurt am Main

Straßen-Geo-Kongress 2013 Mit mehr als 40 Vorträgen rund um die Themen Straßen, Straßendaten, -bewertung und -planung wird der zweite Straßen-Geo-Kongress am 19. und 20. März 2013 erneut mit einem hochkarätigen Fachprogramm aufwarten. Am ersten Tag der Veranstaltung in der Frankfurter Jahrhunderthalle werden Fragen der Straßenerhaltung und des Pavement-Managements im Zentrum

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stehen, am zweiten folgen dann Doppik, Straßenvermögensbewertung sowie Straßenplanung. Ob kommunale Verkehrswege oder eben solche in der Verantwortung von Bund und Ländern: Geoinformationen sind die Basis für effiziente Prozesse im öffentlichen Straßenwesen. Der Markt bietet nun aber eine Vielzahl unterschiedlicher Konzepte für die Erfassung und Verarbei-

tung von (Straßen-)Daten, deren Qualität selbst für den Experten nicht immer und auf Anhieb zu beurteilen ist. Mit über 40 Fachreferaten, acht Workshops und mehr als 30 ausstellenden Unternehmen will der Straßen-Geo-Kongress 2013 deshalb die notwendige Orientierungshilfe geben. www.strassen-geo-kongress.de


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IMPRESSUM

BRÜCKENBAU ISSN 1867-643X 5. Jahrgang Ausgabe 1/2 . 2013 www.zeitschrift-brueckenbau.de Herausgeber und Chefredakteur Dipl.-Ing. Michael Wiederspahn mwiederspahn@verlagsgruppewiederspahn.de Verlag mit MixedMedia Konzepts

VERLAGSGRUPPE WIEDERSPAHN

Biebricher Allee 11 b D-65187 Wiesbaden Tel.: +49 (0)6 11/84 65 15 Fax: +49 (0)6 11/80 12 52 www.verlagsgruppewiederspahn.de

Anzeigen Ulla Leitner Zur Zeit gilt die Anzeigenpreisliste vom Januar 2013. Satz und Layout Christina Neuner Druck Schmidt printmedien GmbH Haagweg 44, 65462 Ginsheim-Gustavsburg Erscheinungsweise und Bezugspreise Einzelheft: 14 Euro Doppelheft: 28 Euro Abonnement: Inland (4 Ausgaben) 56 Euro Ausland (4 Ausgaben) 58 Euro Der Bezugszeitraum eines Abonnement beträgt mindestens ein Jahr. Das Abonnement verlängert sich um ein weiteres Jahr, wenn nicht sechs Wochen vor Ablauf des berechneten Bezugszeitraums schriftlich gekündigt wird. Copyright Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags in irgendeiner Form reproduziert oder in eine von Maschinen verwendbare Sprache übertragen werden. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlags strafbar.


Bauwerkschutzsysteme BAUWERKSLAGER

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↑ Qingdao Haiwan Brücke, Shangdong, China Aufgabenstellung: Fertigung in Rekordzeit mit Qualität “made in Germany” von nahezu 200 wasserdichten Lamellendehnfugen für die mit 42 km längste Differentialbrücke der Welt. Projektumfang: Insgesamt 3.359 m Fahrbahnübergänge vom Typ MAURER Trägerrostfuge für Dehnwege bis zu 320 mm und vom Typ Schwenktraverse für Dehnwege bis zu 1.120 mm.

↑ Marina Bay Sands Hotel, Skypark, Singapur Aufgabenstellung: Lagerung und Bedämpfung einer Dachplattform unter schwierigsten Einbaubedingungen bei extremen Auflasten, Temperaturen und Verschiebungen. Projektumfang: 17 MAURER MSM® Gleitlager mit Verschiebungen bis zu ± 1 m und ein abgestimmter MAURER TMD Massendämpfer mit einer um ± 250 mm vertikal schwingenden Masse von 5 t.

↑ Russki Brücke, Wladiwostock, Russland Aufgabenstellung: Bauwerkschutz an der derzeit weitest gespannten Schrägseilbrücke der Welt. Projektumfang: Schwenktraversen-Dehnfugen mit 2,4 m Dehnweg, MAURER MSM® Kalotten- und Horizontalkraftlager mit 34 MN Auflast, Hydraulische Erdbebendämpfer für 3 MN, passive und adaptive Schrägseildämpfer.

↑ Wolgabrücke, Wolgograd, Russland Aufgabenstellung: Bedämpfung winderregter Schwingungen einer biegeweichen, stählernen Straßenbrücke mit Einzelspannweiten von über 150 m und einer Gesamtlänge von 7,1 km. Projektumfang: 12 adaptive, abgestimmte MAURER TMD Massendämpfer mit je 5,2 t Masse.

Maurer Söhne GmbH & Co. KG Frankfurter Ring 193, 80807 München Telefon (089)32394–0 Telefax (089)32394–306 ba@maurer-soehne.de www.maurer-soehne.de


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