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IDYLLE PUR: IM KANADIER UNTERWEGS AUF DER UNSTRUT
IM 19. JAHRHUNDERT WAR DIE UNSTRUT UMSCHLAGPLATZ FÜR DEN HANDEL MIT SALZ, RÜBEN, GETREIDE ODER KALK- UND SANDSTEIN. HEUTE GEHT ES ETWAS RUHIGER ZU. ZEIT FÜR EINE PADDELTOUR.
Ein Erlebnisbericht von Victoria Grimm
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Vom thüringischen Eichsfeld kommend schlängelt sich der 192 Kilometer lange Fluss, dessen Name „Sumpfdickicht an sich habender Fluss“ bedeutet, ins südliche Sachsen-Anhalt, bis er bei Naumburg in die Saale mündet. Unsere Erkundungstour führt uns von Laucha knappe 14 Kilometer bis zur Saalemündung.
AUSGERÜSTET WERDEN WIR mit einem 36 Kilogramm schweren Zweier-Kanadier, Stechpaddeln, Schwimmwesten und einer wasserfesten Tonne für unser Hab und Gut. Doch keine Flusstour ohne eine Einführung: Uns werden die „Verkehrsregeln“ erklärt, denn wir passieren auf unserer Fahrt zwei Schleusen, die wie Ampeln im Straßenverkehr funktionieren. Und das Stechpaddel sollen wir wie einen Spaten halten und es nur auf einer Seite ins Wasser tauchen. Bei der Bemerkung werden meine Augen größer, ich habe athletische Olympioniken vor Augen, die kniend und in Höchstgeschwindigkeit das Paddel durchs Wasser ziehen. „Nein, nein“, werde ich beruhigt, „ihr werdet während der ganzen Fahrt sitzen“, erklärt mir Frank Lange, In haber des Bootsverleihs Saale Unstrut Tours. Satte 100 Boote nennt er sein Eigen, seit 1998 schippern Hobbykapitäne mit seinen Kähnen übers Wasser. Mehrere „Wandertouren“ auf Elbe, Saale und Unstrut hat er im Angebot.
IN LAUCHA werden meine männliche Begleitung, die hinter mir das Steuern übernimmt, und ich ins Wasser gelassen. Wir brauchen eine Weile, bis wir unseren Rhythmus finden und ich habe das Gefühl, dass ich das Paddel viel öfter ins Wasser tauchen muss als mein breitschultriger Begleiter. Wir passieren Angler, die rüstigen Boote Lea und Molly, das Kloster Zschleipitz und sogar ein Kar nevalsfloß. Denn man kann ganzjährig auf der Unstrut paddeln – in einer Region, die auch die „Toskana des Nordens“ genannt wird. Warum, das erfahren wir auch auf unserer Fahrt: Weinberge erheben sich links des Flusses und versprühen südländisches Flair. Nicht umsonst hat der Weinan bau hier am 51. Breitengrad eine jahrhundertealte Tradition – das Klima ist ideal für edle Tropfen. Inzwischen stimmt meine Begleitung Seemanns lieder an und bald sind wir ein eingespieltes Team, zumindest was die Verpflegung angeht: Sanft lasse ich das isotonische Frischgetränk auf dem Bo den des Bootes nach hinten rollen, auf dem Stechpaddel wird mir ein Käsebrötchen serviert. An der Unstrut ist das Ufer wild bewachsen, meterhohes Schilf säumt den Fluss. Man hört nur das sanfte Einstechen des Paddels in das ruhige Gewässer. Nichts ist hier verfälscht oder künst lich angelegt. Natur pur. Bis wir an einer Schleuse ankommen, die wir uns mit sieben anderen Booten teilen. Sobald wir diese gemeistert haben, werden wir mit einer umwerfenden Aussicht belohnt. Links vor uns liegt Freyburg, Heimat des RotkäppchenSekts. Hoch oben thront das Schloss Neuenburg, eine Burganlage, deren Baubeginn auf das 11. Jahr hundert zurückgeht und die eine von 80 Stationen an der Straße der Romanik ist.
WIR ENTSCHEIDEN UNS, nicht beim Café am Fuß von Freyburg einzukehren, sondern ein bisschen Strecke zu machen. Plötzlich wird der Fluss schneller und das Paddeln fällt uns leicht. Pause machen ist jetzt keine Option mehr, das Ziel ist nah. Und nach etwa vier Stunden aktivem Paddeln und sich treiben lassen sind wir am Blütengrund in Naumburg angekommen – beseelt von der ruhigen Flussidylle und noch ohne Muskelkater in den Armen.