Viertelvor Ausgabe 2

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VIERTEL VOR

das heft fürs nauwieser viertel

#2 12/03 kostenlos



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eiter geht’s! Mit der zweiten Ausgabe von VIERTEL VOR zum Jahreswechsel. Nach dem unerwartet großen und positiven Echo der ersten Ausgabe fühlten wir uns durchaus gebauchpinselt und vor allem motiviert, das Ganze weiter zu verfolgen. Das komplette Feedback in Form von konstruktiver Kritik, Lob, beleidigten Kommentaren, Wunsch nach Mitarbeit zeigt, dass ein Magazin für Saarbrücken und insbesondere fürs Nauwieser Viertel in dieser Form durchaus seine Existenzberechtigung hat.

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An dieser Stelle sollte nun aber auch nochmal auf die Arbeiten der beteiligten Autoren, Fotografen und Illustratoren hingewiesen werden, die dem Heft seinen individuellen Charakter verleihen. Danke. In diesem Sinne und in der Hoffnung, dass der Dialog anhält viel Spassss! schillingundfreunde


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eztakrenienov tßieh,nenrel .nenrelnegeis negeisiebow “nemmokhcrudrekcol„ :hcsitkarposla,tniem .nenrelnegeil !rhajneuenmuzleivos–

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i n h a lt

kunst am bau

von > Ralf Leis

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„noch jemand ein espresso?“ interview mit andrea valente

das grosse nauwieserviertelweihnachtskrippen-casting v o n > A n d r é M a i l ä n d e r was für ein viertler bist du?

von > Germaine Paulus

veranstaltungsadventskalender von wunschfilmen und filmwünschen

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was für ein viertler bist du? impressum

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von > Matthias Kreutzer/Christoph Brach

von > Undine Löhfelm

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von > Ralf Leis und Frank Schilling

ich, grete bickelmann... rätsel

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vorbericht max-ophüls-festival

wunschlos glücklich? lost in the supermarket

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v o n > V é r o n i q u e Ve r d e t

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götzen & accessoires nachschlag

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von > Ralf Leis

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kunst von > Ralf Leis

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Kunst? Design? Realsatire? Kitsch? Im romantischen Künstlerviertel „Viertel“wird hart gearbeitet und Stadtverschönerung heißt das große Zauberwort. Hier ein paar ausgesuchte Beispiele für ...hm... Groß- und Kleinkunst im öffentlichen Raum. ♠ Links: Schön, aber irgendwie fürchtet man sich ein bisschen, oder?


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â™ Hier 3 Protestplastiken.

(Gegen was protestiert wird, is klar: KĂźrbisse mit lustigen HĂźtchen, schiefe Flamingos und gegen das Neue allgemein.)


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„Kunst im öffentlichen Raum“ das ist ein gutes Stück mehr als „Kunst am Bau“. Gemeint ist, den öffentlichen Raum selbst als Gestaltungsraum zu begreifen: Kunst nicht als Applikation, sondern als eigenständiger Bestandteil der gebauten Umwelt. (Definition für die Richtlinien zur „Kunst im öffentlichen Raum“ vom 24. März 1995, die von der saarländischen Landesregierung gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern saarländischer Künstlergruppen und -vereinigungen erarbeitet wurden.)


kunst

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â™ ...und hier progressives Kommunikationsdesign.

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bau


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Schallplatten / CDs / Videos / DVDs/Tickets Ankauf, Verkauf, Tausch, Import, Bestellservice

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Fotos > Undine Löhfelm

„noch jemand ein 14

um Thema Institutionen gibt’s im Nauwieser Viertel einiges zu sagen. Eine besondere möchten wir dem geneigten Leser an dieser Stelle präsentieren: Andrea Valente, der seinen gleichnamigen Friseursalon 30 Jahre in der Nauwieserstraße führte. Der Salon mit seinem besonderen Ambiente existiert immer noch und wird mittlerweile vom langjährigen Mitarbeiter Guiseppe „Pino“ Pascale im Sinne des Meisters weitergeführt.

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Andrea Valente ist ein sehr sympathischer Mann. Mit einem sehr charmanten italienischen Akzent. Er hatte die Möglichkeit, 3 Jahrzehnte an exponierter Stelle im Viertel Entwicklungen zu beobachten, Geschichten aufzusaugen, und sich mit Bürgern unterschiedlichster Herkunft und Stand in der kommunikativen Begegnungsstätte „Friseursalon“ auszutauschen. Es liegt also nah, diesen interessanten Herrn, der 1962 mit nichts, als einem kleinen Rucksack und ohne ein Wort Deutsch in seinem Vokabular hier ankam, mal näher zum Thema „Viertel“ und seinen persönlichen Erfahrungen zu befragen. Gerade mal 19 Jahre alt war Valente, als er seinen Geburtsort Marina di Ascena verließ, da er die Einladung der italienischen Regierung zu einer Militärausbildung dankend ablehnte. Im Saarland angekommen, durchlief er verschiedene Anstellungen in teils renommierten Friseursalons, bis er 1970 den Laden in der Nauwieserstraße eröffnete...


espresso ?“ 15

VALENTE: Ich war der erste Friseur im Nauwieserviertel mit einem gewissen Niveau. Ich kam von einem Salon in der Bahnhofstraße, da waren Bänker, Politiker, Bürgermeister als Kunden, alles mögliche und die kamen mit hierher. Die Leute hier wussten ja nicht, wo dieser Valente herkommt. Der Name kann vieles sagen. Damals war die Bäckerei Schauss schon bekannt, die Familie Schmidt mit ihrem Obstladen, ansonsten war hier „buena notte“... ein paar Kneipen, kleine Geschäfte und viele ältere Leute. Wir hatten dann sogar einen iranischen Wirtschaftsminister unter Khomeini hier! Den hat der damalige Ministerpräsident Röder eingeladen. Dieser Minister hatte hier einen Schwager, der vorne neben der Sparkasse ein Teppichgeschäft hatte – ist mittlerweile verstorben, Herzinfarkt. Dieser war hier Kunde und hat gesagt: ,Valente, mein Schwager kommt hierher, weil der vom Ministerpräsident empfangen wird und vorher einen Haarschnitt braucht.’ Ich habe gelacht, kann mir jeder erzählen, aber

o.k., ist kein Problem. Ja, und plötzlich hatten wir Polizeischutz vorne auf der Straße und ich habe immer noch nicht geglaubt. Erst am nächsten Tag, da war ein Bild in der SZ und es war tatsächlich der iranische Wirtschaftsminister. Ja, das sind Stories... VIERTEL VOR: Das war ja hier schon eine interessante Begegnung von Leuten. Wie war das in den 80er Jahren, als die ersten Punker hier aufgetaucht sind? Ich habe mal gehört, denen hätten Sie am Anfang noch die Haare gefärbt? VALENTE: Nein, gefärbt haben wir nicht, aber Blondierung verteilt, die haben sich dann draußen selbst die Haare gefärbt. Nur irgendwann war der ganze Bereich vor der Tür verpinkelt, auf Deutsch gesagt. Das war für uns etwas unangenehm. Du musst dir vorstellen, hast für morgens Kunden eingetragen – und nicht weni-


ge – und dann ist hier alles, naja...sauber markiert. Dann haben wir das nicht mehr mitgemacht. Aber trotzdem haben die Kunden das nicht als schlimm empfunden. VIERTEL VOR: Das Viertel war ja ein bisschen verrufen früher... 16

VALENTE: Das hat die Leute aber nicht gestört. Wie hat man gesagt? China. Trotzdem sind die Leute gerne gekommen. Die haben gesagt: das ist angenehm hier, nett, Kaffee, schöner Haarschnitt noch dazu! Wir haben empfohlen, bei Schauss Brot zu kaufen, die haben wiederum uns empfohlen, das war praktisch, wie ein Doppelpack und alle waren zufrieden. Ich habe immer versucht, offensiv zu sein. Offensive bedeutet, mit den Leuten zu reden. Warum soll man sich verstecken? Ich habe kein Larifari gemacht und wenn einer kam wie Gott mit Chauffeur, da bin ich raus: ,He amigo bello! wie geht’s?’ haha. Mir gefällt das, bürgernah zu sein. Ich bin Italiener und die Italiener haben eine grande Herz für Kinder. Ich habe immer für jede Schicht einen Preis gemacht, vom Direktor bis zum Kind – und der hat immer gestimmt! VIERTEL VOR: Haben Sie das Gefühl, dass sich das Nauwieserviertel verändert hat mit den Jahren?

VALENTE: Das Nauwieserviertel hat sich verändert. Die Investitionen sind teilweise zu...pompös gewesen. Wenn man bedenkt, wieviel hier leer steht! Lebe und Lebe lassen, das ist wichtig. Die Mieten sind mittlerweile zu hoch, die kleinen Läden können sich nicht halten, das ist traurig. Der Sparmarkt steht auch leer! Die Hausbesitzer, da muss die Wand vom Herz weg! Die müssen mit den Preisen runtergehen. Hier gegenüber, der hat dieses schöne Haus geerbt und macht gar nix daran! Das sind tolle Häuser, hier nebenan, auch leer, seit 30 Jahren! Das ist eine Schande. Im Moment seh ich hier viele müde Leute, nur Müdigkeit, keine Freudigkeit. Aber es lässt sich hier gut leben, es ist ein wunderbares Viertel. Die Leute müssen zusammenhalten und die Besitzer müssen vernünftige Mietpreise machen. – Noch jemand ein Espresso? – Was hier fehlt, sind diese Kleidergeschäfte oder ein schönes Schuhgeschäft... VIERTEL VOR: ...oder ein hochpreisiges Kinderbekleidungsgeschäft?... ...von mir aus auch Schickimicki, und wenn der Besitzer vernünftige Preise verlangt, dann kommen die auch! Was verbessert ist, ist die ganze Ecke hier vorne am Nauwieserplatz. Da ist der Tosteki, der Pepe, dieser wunderschöne Friseursalon und da ist


Canapé, der Blumenladen, Spielplatz, das ist ok. Der König vom KurzeEck hat das auch sehr schön gemacht, neu verputzt. Aber vorne die Bar Mignon, auch schon seit 30 Jahren vernagelt!

her eines der größten Tanzlokale im Saarland, war ein sehr erfolgreicher Laden, war bekannt bis Berlin, bis Afrika! VIERTEL VOR: Was war denn Ihr kuriosestes Erlebnis hier im Laden in diesen 30 Jahren?

VIERTEL VOR: Was war das für ein Laden? VALENTE: Hm, das war ne Bar. Früher war das angenehm, die Leute haben gesagt, 10 Uhr, da gehe ich ein Bier trinken und mich unterhalten, nicht negativ. Tür zu – klopf – rein! VIERTEL VOR: Aha. VALENTE: Hier ist es ganz gut (zeigt Richtung mono), aber etwas zu laute Musik. Musik muss sein, aber nicht zu laut – weil, man will sich ja unterhalten, ein bisschen diskutieren... Wir haben hier früher die „Rumpelkammer“ gehabt, wo jetzt das Flamingo ist. Das war frü-

VALENTE: Eine ganze Menge! Nur, wo fängt man an? haha. Schlägereien... VIERTEL VOR: HIER IM LADEN???? VALENTE: ...hat’s noch nie gegeben. (Gelächter). Wir hatten Leute, die haben beim Rasieren nen Kreislaufkollaps bekommen, manchmal haben die ein Glas Wein getrunken vorher, ich habe den Rasierpinsel genommen mit warmem Wasser und plötzlich: ,Valente, mir is schlecht, aber brutal schlecht...’ und dann lagen sie mir im Arm. Ja, das sind so Sachen, die passiert sind...

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Zum Bleistift Nauwieserstraße 48

Billard / Dart Öffnungszeiten: Mo-Fr 16.00 - 1.00 Uhr Sa- So 18.00 - 1.00 Uhr

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von > AndrÊ Mailänder

(Bitte nicht mehr melden.)


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Josef.


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Maria.


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Das Jesuskind.


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Kรถnig Volker.


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Kรถnig Kaspar.


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Ein Schaf.


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Hirte.


Josef.

Jesuskind.

Noch eins.

König Melchior.

„König oder so”.

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Kein Ochs. Kein Esel. Auch König oder so.


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Stern von Bethlehem.


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er garantiert psychologiefreie Psychotest f端r Bewohner des Nauwieser Viertels und alle anderen, die es vielleicht einmal werden, waren oder einfach nur werden wollen.

Foto > Ralf Leis


von > Germaine Paulus

was für ein

viertler bist du? 1 In welchem Gebäude machten die Bewohner des Nauwieser Viertels bei der Bundestagswahl 2002 ihr Kreuzchen? A: in der Sporthalle des Otto-HahnGymnasiums B: in der Aula der Musikschule C: 2002? Oh, Mist! D: Wahl? E: bin immer noch nicht umgemeldet 2 Welche Straße im Nauwieser Viertel hat die meisten Hausnummern? A: Schmollerstraße B: Nauwieser Straße C: Himmel, wo fängt das Viertel nochmal an? Und wo hört es auf? D: Kurze Straße E: Schlossallee 3 An den Grenzlinien des Nauwieser Viertels befinden sich derzeit mehrere KebabGrills. Wenn man diese auf einem Stadtplan per Strich verbinden würde, welche geometrische Figur erhielte man? Diese Frage bitte GENAU lesen! A: ein Dreieck B: einen Halbmond C: ein Pentagramm, ups! D: irgendwas leicht Rundes E: ein windschiefes Viereck

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Du biegst mit Deinem Auto unerlaubt von der Großherzog-Friedrich-Straße in die Nauwieser Straße ab. Dabei rammst Du eine Polizeistreife, die gerade mit Blaulicht von der Nauwieser in die Bleichstraße unterwegs ist. Zwei sehr erzürnte und sehr große Beamte springen aus dem Wagen. Was tust Du? A: Ich recke den Finger in den Himmel und schreie: „Oh mein Gott, da fliegt Oskar Lafontaine!“ und nutze das Überraschungs- 31 moment, um im Puff Asyl zu beantragen B: Ich bretter’ über den M.Ö.-Platz, mache kurzerhand aus dem stattfindenden BouleTurnier ein Kegel-Turnier, verkehrtrum in die Einbahnstraße, dann links, dann rechts, dann links, dann wieder links, wobei ich allen vor dem Café sitzenden Bekannten freundlich zuwinke, dann rechts, dann links, dann rechts und dann reihe ich mich ganz unauffällig in die Schlange ein, die sich zwischenzeitlich an der Ampel gebildet hat und hupe entrüstet, weil da vorne schon wieder irgendein Depp den Verkehr aufhält C: Ich brülle: „Wie, das ist kein Anwohnerparkplatz? Wer sagt das? Sehen Sie nicht die grünen Streifen?“ D: Ich weine, wimmere, schluchze, heule, bettele, flehe – Hauptsache, die merken nicht, dass mein TÜV abgelaufen ist E: Ich mache auf dumm und stammele: „Huch! Das hab’ ich gar nicht gewusst, dass ich hier nicht abbiegen, ts, nein, also, das ist mir jetzt aber wirklich peinlich, seit wann gilt das denn?“


5 Es ist Donnerstag morgens, halb fünf. Wo gehst du hin? A: auf’s Klo B: nach Hause C: zur Arbeit D: zur Tankstelle E: vor die Hunde

10 Welche Ämter befinden sich im Nauwieser Viertel? A: das Katasteramt B: das Eichamt C: das Forstamt D: das Bafögamt E: das Verdamt

6 Wieviele Kaugummi-Automaten gibt es im Nauwieser Viertel? A: Ich unterstütze den Kapitalismus und seine Errungenschaften nicht! B: 5 C: 13, und nur drei sind nicht in großerHund-könnte-Bein-heben-Höhe D: 39 E: keine Ahnung, aber es gibt 3 KondomAutomaten

11 Was ist einzigartig in Saarbrücken und befindet sich im Nauwieser Viertel? A: der Japaner B: ich C: kostenpflichtiges Parken für alle D: die Baptisten E: dieses wunderschöne, unvergleichliche, inspirierende Flair

7 Seit Ende des Sommers ist die Johanniskirche wieder mit einem hübsch umrandeten Park ausgestattet. Was geht dir durch den 32 Kopf, wenn du daran denkst? A: du-hurch sieben Tore musst du gehn, zwei Securitykräfte überstehn... B: die Mauer muss weg! C: und ich bleibe dabei: die Bänke stehen falsch rum! D: wo kleb’ ich jetzt bloß die Plakate hin? E: wurde auch Zeit 8 A: B: C: D: E:

9 A: B: C: D: C:

Wann wurdest du geboren? vor 1950 zwischen 1951 und 1960 zwischen 1961 und 1971 1972 zwischen 1973 und jetzt

Wo geht im Viertel die Sonne auf? im Osten im Westen im Norden im Süden viel zu früh

12 Welches ist dein Lieblingsgraffiti im Nauwieser Viertel? A: „Tötet Rudi Völler“, zu sehen in der Nassauer Straße B: „SZ lügt“, zu sehen in der Johannisstraße C: die blauen Sterne, zu sehen überall D: „Faschos fisten“ (bis vor kurzem) zu sehen in der Rotenbergstraße E: meins 13 Welche Haarfarbe hat der nette Straßenreinigungsmann, der immer irgendwann zwischen 6:00 und 12:00 Uhr in der Cecilienstraße anzutreffen ist? A: grau B: blond C: keine D: grün E: zwischen 6:00 und 12:00 Uhr MORGENS??? Woher soll ich das wissen? 14 Nach welchem Regisseur ist der kleinere Platz im Südwesten des Viertels benannt? A: Ophüls B: Meyer C: Orlowski D: Landwehr E: Trier


15 Wieviele Etablissements veranstalten im Nauwieser Viertel gelegentlich bis regelmäßig legale Live-Konzerte? A: 2 B: 3 C: 4 D: zu wenige E: mir egal. Hauptsache um elf is’ Ruh!

Frage 6:

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Frage 7:

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------------------------------------------------Wertung (Auflösung Seite 60):

Frage 10:

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Frage 12:

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Frage 3:

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Frage 15:

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VIERTEL VOR empfiehlt

13 - 17/12/03 kinoachteinhalb: Reihe „Jenseits von Bollywood“ 20/12/03 Ubu Roi: Los Perdidos mit Héctor Zamora live ab 12 Uhr 21/12/03 Fleur de Biere: Lesung mit Joachim „Puma“ Schmidt ab 18 Uhr

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25/12/03 hellmut: Bossa Christmas! mit bossa '68 (live) Fred Scholl (decks) ab 20.30 Uhr

26/12 hellmut: Loony (Sb-Powerpop live) ab 20.30 Uhr

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30/12/03 Karateklub Meier: Dirty Schatzmann (f端r Johnny CashFans!) live ab 21 Uhr

31/12/03 im Viertel: Euro feat. Asia Silvesterfete

35 31/12/03 Kunstwerk: Silvesterfete ab 20.30 Uhr

13/01/04 Bar Central: Lesung ab 23 Uhr

26/01-01/02/04 Max-Oph端lsFestival


Foto >Ralf Leis

von

wunsch

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unsch: „Ein inneres Verlangen, das Herbeisehnen eines Erlebenszustandes“. Soweit zur Erklärung des Wörterbuchs. Aber was verbindet der Durchschnitts-Saarbrücker mit diesem Begriff? Vielleicht: Herzlichen Glückwunsch! Wünsch dir was! Sie haben drei Wünsche frei! ...und die erfüllt jedes dritte Ei... alle auf einmal! Eins scheint festzustehen: Das Leben ist (k)ein Wunschkonzert! Bei den Gästen des Filmfestival Max Ophüls Preis ist das anders. Da umgibt den eigentlich doch so profanen Wunsch gute Filme zu sehen, eine poetische Aura. Da wird gewünscht, in andere Welten einzutauchen, den Zugang in ein filmisches Universum zu finden, am Genius der Genies teilzuhaben, sich dem Künstler in sich selbst zu nähern. Intellektueller Schnick-

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Schnack? Sicher nicht! Denn dem Wunsch folgt sogleich der Vorsatz. Den formuliert der interessierte Cineast jedes Jahr aufs neue, nicht nur zu Silvester, auch im Januar, wenn das Festival näherrückt. Und dieser ist meist ganz alltäglich: ... diesmal schau ich mir mehr Filme an ... und geh in Lolas Bistro, ... hör mir mal an, was der Regisseur so zu sagen hat, ... will ein paar Stars und Sternchen sehen, ... gute Musik, ... außerdem noch ein Eis und ne Mega-Coke, ne nette Begleitung und ne anregende Unterhaltung nach dem Film. Wünsche erfüllen können wir hier nicht, aber Vorsätze in ihrer Umsetzung unterstützen. Wir haben schließlich nicht Silvester! Die cineastischen Eckdaten auf dem Weg zum Abtauchen in neue Welten, womit wir dann doch wieder bei


der Wunscherfüllung angekommen wären, folgen hier: Das Rüstzeug für diese fantastische Reise gibt’s auf der „Blauen Stunde“ am 16.01.04 im Cinestar. Das Logbuch (den Katalog) erhält man hier ebenso wie Festivalpässe, einzelne Eintrittskarten, Kontakt zu Seelenverwandten und Gleichgesinnten. Der Beginn der Reise ins filmische Universum wird auf der Eröffnungsfeier am 26.01.04 durch den Eröffnungsfilm, Reiseproviant und Erfrischungsgetränken unterstützt. Etappenziele der Lustfahrt sind der Cinestar, das Filmhaus und das Kino 8 1/2. In Lolas Bistro in der Garage werden Gruppenleiter und (Reise-)Experten jeden Abend ab 22 Uhr die Tagesetappen noch einmal Revue passieren lassen. Und, wurden die guten Vorsätze nicht gebrochen und der Wunsch zur

gelebten Wahrheit, dann sollte das auf der großen Abschlussfeier am 31.01.04 wiederum in der Garage gefeiert werden. Die Orden für besondere Verdienste funkeln dann auf der Preisverleihung am 01.02.04 im Staatstheater ab 13.30 Uhr. Erst dann heißt es wieder zurück in den Alltag und in Tagträumen auf das nächste Filmfestival Max Ophüls Preis zu warten. Haben sie ihre guten Vorsätze für 2004 schon gefasst? Nein? Dann sollte neben „das Rauchen aufhören“, „mehr Sport“ und „abnehmen“ eine ausgedehnte, fantastische Reise in die Welt des Kinos vom 26.01.- 01.02.04 beim Filmfestival Max Ophüls Preis auf der Liste stehen! Robert Herfurtner Weitere Infos gibt’s unter >>www.max-ophuels-preis.de

filmen und

filmwünschen

Das Publikum schiesst zurück Immer nur fremde Bilder sehen? Beim Festival im

Eine Jury kürt die Urheber der besten Serien zum

Januar setzen die Cineasten der Flut der Bilder zum

„LomoMax 2004". Es winken feine Preise.

ersten Mal Eigenes entgegen. Interessierte können

Kamera, Film und die gefährliche A-Z-Liste werden

sich während des Festivals Lomo-Kameras ausleihen.

ab dem 26.01.2004 im CineStar gegen Pfand und eine

Sie erhalten dazu noch einen Film und eine Themen-

Startgebühr verliehen.

liste, die sie von A-Z lomographieren sollten.

Infos und Reservierung von Leihkameras (Achtung:

Ein großer Bilderteppich aus über 1000 Lomographien

beschränkte Anzahl von LeihLomos!) bei:

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Joachim Trapp, Lomographische Botschaft Berlin,

Samstag.

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Foto >Lomographische Botschaft Berlin

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von > Frank Schilling und Ralf Leis

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wunschlos glücklich? Wünsche und Vorsätze für’s neue Jahr. Von 18 ausgesuchten saarländischen Politikern. Hätten wir gern gewusst. Wir haben ihnen Notizzettel geschickt. Da sollten sie draufschreiben. Die Wünsche. Und vor allem die Vorsätze. Und Briefumschläge haben sie bekommen. Frankierte Briefumschläge. Damit sie die Blätter bequem zurückschicken können. Danke.


vorhang auf, hier die ergebnisse:

Peter Altmaier (CDU), MdB:

Kajo Breuer (Die Gr端nen), B端rgermeister:

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Michael Burkert (SPD), Stadtverbandspr辰sident: Dr. Hanspeter Georgi (CDU), Minister f端r Wirtschaft:


Dr. Regina Görner (CDU), Ministerin für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales:

Christoph Hartmann (FDP), Landesvorsitzender, MdB:

40 Hans Kurt Hill (PDS), Landesvorsitzender: Hajo Hoffmann (SPD), Oberbürgermeister:


Dr. Reinhard Klimmt (SPD), Ex-Ministerpr채sident: Oskar Lafontaine (SPD), ...hm..:

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Heiko Maas (SPD), Landesvorsitzender:

Peter M端ller (CDU), Landesvater:

42 Eugen Roth (SPD), DGB Saar, stellvertretender Landesvorsitzender:

J端rgen Schreier (CDU), Minister f端r Bildung, Kultur und Wissenschaft:


Ottmar Schreiner (SPD), Mitglied des Parteivorstands, MdB:

Dr. Rainer Tabellion (SPD), Generalsekretär:

Da hat jemand den Absender vergessen, wir vermuten aber: Frank Oran (CDU), Finanzdezernent: Hubert Ulrich (Die Grünen), Landesvorsitzender, MdB:

(sehr schöner Weihnachtsstern!)

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E

Fertigpizza, Chantré und Plastiksalami. Weiter geht´s. Nudeln, Möhrchen, dann Oliven und schon wieder Alkohol. Dann an der Kasse ein wenig Schlange und viele Pfandmarken auf dem Fußboden die unter Fluchen eilig wieder aufgelesen werden. Zahlen, raus. Vor der Tür immer dieselben Gesichter. Sie sitzen auf der Erde vor´m Schaufenster, auf der Treppe gegenüber, fast alle trinken. Schloss Pils

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bernd

„Da geh ich nicht mehr hin. was soll ich denn da?“


aus der Dose, Sekt, Wein. Viele, die vorbeikommen, stört das. Sie sagen, dass sie froh sind, wenn der Markt endlich schließt und „die Penner“ verschwinden. Verallgemeinerungen, wie immer. Da wird gerne über einen Kamm geschert und in der 150 m2-Altbauwohnung abends beim Rotwein geschimpft. Unterdessen liegt „das Pack“ unter der Brücke und kann vor Kälte kaum die Flasche halten. Für diese Menschen ist diese Ecke ein Treffpunkt, eine Möglichkeit

rmarket von > Matthias Kreutzer und Christoph Brach

erik

am Leben teilzuhaben. Hier ist immer was los, den ganzen Tag Betrieb. Es wird viel geredet, manchmal auch geschrien. Das macht den einen Angst, anderen geht´s einfach nur auf den Sack. Sie wissen nicht genau warum, denken auch nicht drüber nach, die wissen eigentlich gar nix. Nur halt eben, dass es nervt. Vielleicht ist es der Ekel vor den eigenen Fehlern, das stille Glück, selbst nicht so zu leben und die Ahnung, dass das bloß ein Zufall ist... Sei´s drum, den Markt gibt es nicht mehr, ist umgezogen. In ein großes langes Gebäude mit einem Parkplatz vornedran. PLUS ist jetzt nämlich ein Discounter und die müssen so aussehen. Kundenfreundlich, komfortabel, kalt. Der alte Laden ist jetzt leer, die Kreuzung ein Stück tri- 47 ster. Und einige wenige haben einen für sie wichtigen Ort verloren. Auch wenn das unwichtig erscheinen mag, es war Grund genug, einen Film zu machen. Im August, bei 40 Grad, alle hatten Durst. Demnächst kann man sich den auch anschauen. Im leeren PLUS vielleicht. Mal sehen...

„Sorg mal für den Lokalkolorit“

„Haben die auch Pampelmusen?“

fr. marx


bernd „Naja, die machen Saarbrücken eben tot. Guck mal da rüber, da ist leer. Da ist auch nicht so richtig voll, ne. Doch, es würd’ mir gefallen, wenn da mehr Betrieb wäre.“ „Ich hab noch´n Bier, ist gut. Solang ich noch ein Bier hab, ist die ganze Welt noch in Ordnung.“ „Der Plus hat es noch wie Tante Emma das gehabt hat. Das ist wie ´ne zweite Heimat und die verlier ich. Ich hab schon gesagt, wenn ihr da hinten hinzieht...da geh ich nicht mehr hin, was soll ich denn da.“ „Und die wissen genau, 5 vor 7, oder 3 vor 7, eine nach 7, kriegt man hier sogar noch´n Bier. Für 27 Cent! Das ist ja der Kick!“ 48

„Wenn ich mich hier 15 Uhr hinsetze, weiß ich genau 15 Uhr 30 kommt der von der Arbeit hier vorbei und holt sich zwei Dosen Bier. Der nächste kommt um 15 Uhr und holt sich ´ne Dose Suppe. Der Übernächste holt sich Hähnchenschenkel. Kann ich genau einplanen.“

„Der kommt jeden Tag her. Der gibt immer vor, er wär Krankenpfleger, dabei hat er drei Entziehungskuren hinter sich.“ „Und als ich in Berlin Berufsschullehrer war, hab´ ich meinen Leuten immer gesagt: bleibt an der Wurzel.“ „Ach so, mit der Bierdose darfst du mich ruhig filmen. Ich geb´ zu, dass ich Alkoholiker bin. Also ich bin Biertrinker, ich war noch nie in der Entzugsanstalt.“ „Zwei Stunden 10 Euro, das ist schon Härte. Gut, es gab auch schon Situationen, da hab ich in 3 Stunden 1 Euro 50 gehabt. Aber an besonderen Tagen, wenn Stadtfest ist wie heute, hock ich mich ´ne Stunde, da hab ich fast 20. Weil die dann denken, dann kauf dir auch mal ein Eis. Und alles Geld was ich in der Stadt kriege, bring ich immer wieder her und da haben wir wieder den Punkt zum PLUS. Gehe ich da her und gebe es da aus. Kannst ja hingehn und kannst fragen, ich kauf mir alles mögliche. Manchmal sogar frische Socken.“

herr h. Wir: „Sie sind froh wenn der Plus-Markt verschwindet?“ Er: „Da hinten sind, da sind die Penner da. Die die Stadt verunschönern.“ Wir: „Ja, das sieht nicht schön aus, aber meinen sie nicht, wenn der Plusmarkt auf einmal verschwindet, dass da auch ein gutes Stück Leben verschwindet hier an der Kreuzung? Ich stelle mir die Kreuzung ohne den Markt sehr leer vor.“

Er: „Da kommen nicht viele Menschen hin. Was wir hier haben, kommt alles von Amerika. Die Penner, die Kriminalität.“ Wir: „Ich glaub, das gab es auch schon alles vorher hier.“ Er: (Kopfschütteln) „Sie können sich nicht erinnern, aber ich kann mich erinnern! Das dritte Reich. Will ja keiner mehr hören. Aber da war so was nicht...“


erik „Wenn wir etwas von jemandem wollen... ich mein, es gibt Ausnahmen, die die Leute wirklich anpöbeln oder so. Aber ich für meinen Teil und die Leute mit denen ich zusammenhänge wie er zum Beispiel, wir gucken dass wir möglichst höflich sind...“ „Vorurteile sind ein Teil unserer Gesellschaft, irgendwo. Du brauchst immer jemand, auf den du runterblicken kannst um dich selber zu erheben. Es ist einfacher ´ne ganze Gruppe zu verurteilen als einen Einzelnen. Weil bei ‘nem Einzelnen musst du das genau definieren was der jetzt gemacht hat, ansonsten kannst du sagen ,ei , die sind ja sowieso Mist!’“

„Wo bliebe der Kontrast, wenn jeder nur reich wäre oder jeder nur das machen würde, was man von ihm verlangt, konform ist und sonst irgendwas, und zweitens: Warum können wir nicht unser Leben leben? Ich lass den Menschen doch auch leben so wie er möchte...“ „Es gibt wie gesagt auch diese Stammkunden, die kommen vorbei, da brauchst du erst gar nicht was zu sagen oder so. Die Leute kommen einfach vorbei, grinsen dich an und drücken dir was in die Hand.“ 49

fr. marx „Ich hab ein gutes Verhältnis, überall. Denn so wie man sich gibt, so wird man empfangen. Ich war noch immer zu jedem freundlich, auch zu Armen, zu Bettlern, immer freundlich!“ „Am Ersten bekomme ich immer 100 Mark und wenn ich dann rausgehe und sehe ‘nen Gammler oder Bettler, dann gebe ich immer ein Stück Geld, 2-3 Mark. Die sind immer überglücklich...“ Ich bin in Frankreich geboren, ging in Frankreich in die Schule und hab meinen Mann in Frankreich geheiratet. Da drüben

sagen sie immer ,Madame Marx comme naissance francaise’ also ,Frau Marx geboren in Frankreich’“ „Wenn keiner mit mir geht, es muss ja jemand mit mir gehen, denn alleine darf ich ja nicht raus...“ „Da sind die Leut aber selber schuld! Wenn die auf´s Sozialamt gingen, bekämen sie Wohnung und bekämen Geld. Aber manche sind zu faul hinzugehn und dann gibt es auch welche, die sich schämen hinzugehn. Aber wenn ich arm bin, dafür brauch ich mich nicht zu schämen. “


ich, grete bickelmann... v o n > V é r o n i q u e Ve r d e t Illustrationen >Marc „Mieps“ Misman

uf der stark vergilbten ersten Seite des Heftes steht in altmodischer Schrift geschrieben Aufgabe Nummer eins: Einhundertfünfzig Mal: „Ich werde Manfred lieben lernen“. Es folgen einhundertfünfzig nummerierte Zeilen. Die Schrift zeigt ab Zeile zwanzig gewisse Ermüdungserscheinungen, die Buchstaben verlieren ihre Konturen, hier und da durchgestrichene „Manfred“ und Tintenflecken, als ob die Hand sich immer wieder verkrampft hätte, unfähig oder unwillig die Aufgabe zu Ende zu führen. 50 Der Umschlag ist dunkelgrau. In seiner Mitte, auf einem einst weißen, quadratischen Feld steht in der gleichen, obsoleten Handschrift: „Aufgaben“. Marie ist ratlos. Ihr nasses Haar tropft auf das dünne Papier. Eine Wasserperle verwandelt die beiden letzten „Ich werde Manfred lieben lernen“ in einen zartblauen Fluss, der sich rasch verbreitert und schnell das Ende des Blattes erreicht. Marie klappt das Heft wieder zu. Sie steht auf, zündet sich eine Zigarette an, nimmt einen tiefen Zug. Vor einer knappen halben Stunde saß sie im Erker ihres Schlafzimmers, beobachtete die, bis auf ein paar Sonntagsmenschen mit Sonntagskleidern und Sonntagsgesichtern, menschenleere Berliner Straße. Sie zeichnete, in Gedanken verloren, Zielscheiben auf das durch ihren Atem beinahe vollkommen beschlagene Fenster, als eine Krähe, scheinbar aus dem Nichts erschienen, ihre Aufmerksamkeit erregte. Gierig pickte die Krähe eine überfahrene Ratte vom Asphalt. Sie stand auf dem Kadaver, den Kopf leicht zur Seite geneigt, die Krallen fest im zartrosa Fleisch verankert. Ihr Schnabel, ihr Gefieder waren voller Blut. Gefräßig riss sie große

A

Stücke aus dem Tier ab. Weitere Krähen flogen heran, landeten sicher neben der immer noch blutenden Ratte und stritten laut um den Sonntagsbraten. Marie konnte ihren Blick von dem unverhofften, wenn auch etwas makaberen Sonntagsspektakel nicht abwenden. Der Straßenbelag schien zum Leben zu erwachen. Die streitenden Krähen bildeten eine dunkelschwarze, sich rhythmisch bewegende Masse, eine dichte, lebendige Asphaltbeule. Ein Auto raste vorbei, schlug die Vögel in die Flucht. Sie warteten aufmerksam am Straßenrand bis die Gefahr vorbei war, um sich dann auf die Überreste zu stürzen. Erst dann bemerkte Marie die alte Frau, die ebenfalls, von der Bushaltestelle aus, das wilde Fressen beobachtete. Sie sah aus wie eine verkümmerte Stadttaube: grau und abgemagert. Grau ihr Kleid, ihre unförmige Stofftasche, ihr Regenschirm. Abgemagert das faltige Gesicht. Inzwischen hatte sich der Himmel verdunkelt, schwere Regenwolken zogen tief über die leere Straße heran. Es begann zu regnen. Marie mochte diese starken Sommerregen. Große Tropfen rutschten auf der Scheibe herunter, trübten ihren Blick. Nicht einmal die Krähen waren noch zu sehen. Blaulicht. Sirene. Ein Feuerwehrauto eilte vorbei. Hinter ihm rollten gelbe Plastiksäcke her. Die alte Dame hatte offensichtlich Schwierigkeiten, dem Wind Widerstand zu leisten. Sie ließ ihre Stofftasche fallen und umarmte die Ampel. Die nächste, heftige Bö schnappte sich den Schirm, warf ihn hoch in den grauen Himmel. Wie ein Blatt flog er dahin. Die Frau schaute ihm nach. Ein Linienbus fuhr heran. Mit unsicheren, kleinen Schritten stieg sie ein. Als Marie die graue Stofftasche auf dem Boden


liegen sah, wusste sie, dass sie den Beutel an sich nehmen würde. Marie hasste diese nicht zu Ende gehenden Tage, an denen nichts geschah. Dieser könnte eine Ausnahme werden. Sie sprang auf, rannte durch das Zimmer, warf ihren Pyjama auf den Boden, zog hastig irgendwelche Kleider an, die sie längst hätte waschen sollen. Auch das gehörte nun mal zu einem vollkommen nichtsnutzigen Sonntag: Sie verschwendete ihre Zeit damit, eine Zigarette nach der anderen zu rauchen, akribisch mit einer Nagelschere ihr Haar vom Spliss zu befreien, oder Briefe aus vergangenen Zeiten zu lesen, die sie unweigerlich in eine nostalgische Stimmung versetzten. Marie rannte barfuß die Treppe herunter. Als sie die Straße überquerte, konnte sie nicht widerstehen, einen Blick auf den mickrigen Haufen zu werfen, den die Krähen von der Ratte übrig gelassen hatten: Fell, rosa und weiße speckartige Fetzen. Sie schaute verstohlen um sich. Vielleicht hatte die Alte den Verlust bereits an der nächsten Bushaltestelle bemerkt und den Busfahrer gebeten anzuhalten. Marie stand alleine im Sommerregen. Sie bückte sich, griff die Tasche und lief in ihre Wohnung zurück. Der durchnässte Beutel aus filzartigem, grauem Stoff wies Ähnlichkeiten mit der toten Ratte auf. Aus seinem Inneren tropfte es. Eine dunkle Pfütze bildete sich auf dem Teppich. Ungeduldig zog Marie an der Wollschnur, die, zusammengezogen, die Tasche wie eine Grauwurst aussehen ließ und schüttelte den Inhalt aus: eine Tube Handcreme, ein feinsäuberlich gefaltetes Taschentuch mit gesticktem Monogramm, drei

Haarklammern, wie sie Maries Großmutter ihr Leben lang benutzt hatte, um aus ihren langen, weißen Haaren den unabdingbaren Knoten zu formen, ein längst stumm gewordener Spiegel, eine Puderdose, ein Geldbeutel, ein Schlüsselbund, ein Personalausweis, ein Umschlag, eine Haarsträhne, zwei Eukalyptusbonbons, ein Kamm, an dessen Zinken graue Haare hingen, und drei Hefte, ein graues, ein grünes und ein rotes fielen auf den Boden. Zunächst schob Marie, über ihre Indiskretion ein wenig beschämt, die drei altmodischen Schul- 51 hefte und den Brief beiseite. Sie drehte die Tube Handcreme auf, roch daran, nahm ein Eukalyptusbonbon, entfernte ein Haar, das daran festklebte, faltete die Zellophanhülle zusammen, hielt das Bonbon zwischen Daumen und Zeigefinger, um es dann, ein wenig angewidert, in den überquellenden Aschenbecher zu werfen. Ein lautes Geräusch aus Bremsen, Gas geben und Vogelgekreische unterbrach die Autopsie der Beute. Sie ging ans Fenster. Auf dem Asphalt lag eine Krähe. Rücklichter waren im dichten Regen noch schwach zu erkennen. Unterhalb des Kopfes, bis zum Bauch, klaffte eine tiefe, dunkelrote Wunde. Marie fragte sich, ob Rattenstückchen zu sehen sein würden. Fünf weitere schwarze Vögel saßen auf dem Dach eines grünen Autos. Sie lachten. Lachten sie etwa über die nasse Diebin hinter der beschlagenen Scheibe, die sich nicht traute, ihr Diebesgut weiter zu untersuchen? Ich bin keine Diebin, dachte Marie. Noch nie habe ich irgendetwas gestohlen. Außer einer Kosmonauten-Schlumpffigur an der Kasse des kleinen Dorfladens, in den ihre Mutter sie schickte, wenn sie unbedingt ein Gewürz für


eins ihrer erfundenen, extravaganten Gerichte brauchte. Oder wenn sie in Ruhe telefonieren wollte. „Und was ist mit dem Schlumpf, Kleines?“ hatte die dicke, weißblond gefärbte Kassiererin gefragt. Im Dorf wusste jeder, dass sie mit dem Metzger ins Bett ging. Angeblich verführte sie sogar seit Jahren Bruder und Vater auf dem, mit Sägemehl übersäten Boden der Metzgerei unter den, nach Kräutern duftenden, Würsten. Eine richtige Schlampe. 52 Eine größere Schande konnte sich Marie nicht vorstellen, als ausgerechnet von dieser Frau beim Klauen erwischt zu werden. Das war eigentlich nur geschehen, weil ihre Mutter sich geweigert hatte, ohne fünf Safranblüten, eine mittelgroße Mango und eine Handvoll Koriander weiter zu kochen, und Marie wie üblich mit ein paar Münzen und einem Kuss auf den Kopf in den engen, muffigen Laden geschickt hatte. Aber heute war es anders. Die nasse Tasche hatte sie nicht gestohlen, die Tasche war ein Fundstück. Eigentlich war es ganz einfach: Sie würde auf dem Personalausweis nach Name und Adresse der alten Dame schauen, um ihr dann umgehend die Sachen zukommen zu lassen, oder selber vorbei zu bringen. Vorher würde sie aber einen Blick zumindest in eins der drei Hefte werfen. Marie griff nach dem grauen Heft und fing an zu lesen. Was hatte diese Aufgabe „Ich werde Manfred lieben lernen” zu bedeuten? Marie drückt die Zigarette aus, klappt das Heft wieder auf, liest weiter. Aufgabe Nummer zwei lautet: Einhundertfünfzig Mal: „Ich werde Manfred nie wieder auf der

Fensterbank abstellen” Es folgen wie bei Aufgabe Nummer eins einhundertfünfzig mit blauer Tinte nummerierten Zeilen. Bilder von feuchten, wimmernden Bündeln im Altpapiercontainer, verschlossenen Plastiktüten mit Kätzchen und in Äther getränkten Wattebällchen, vor sich hin vegetierenden, unterernährten Gestalten mit tiefen, dunklen Augen in rostigen, mit Exkrementen besudelten Gitterbettchen schiessen Marie durch den Kopf. Aufgabe Nummer zwei begleitet allerdings ein Gefühl der Entschlossenheit durch die gleichmäßig geformten Buchstaben. „Ich werde Manfred nie wieder auf der Fensterbank abstellen“. Wer ist Manfred? Wer ist die alte, graue Taubenfrau, die ein solches Heft, Tag für Tag über Jahre hinweg, zwanghaft bis zur allerletzten Seite gefüllt hat? Manfred. Ein ungeliebtes Etwas auf einer Fensterbank, während eine Frau – seine Mutter etwa? – vermutlich am Küchentisch sitzend, konzentriert, die Zunge in kurzen Abstände über die Oberlippe streifend, den Füllfederhalter fest mit der rechten Hand umklammert, die selbst auferlegten Aufgaben erfüllt. Aufgabe Nummer drei: Einhundertfünfzig Mal: „Ich werde Manfred nicht mehr schlagen“ Aufgabe Nummer vier: Einhundertfünfzig Mal: „Ich werde Manfred ab und zu umarmen“ Ich sollte die Polizei benachrichtigen, denkt Marie. Dem vergilbten Papier nach zu urteilen, ist Manfred jedoch ein längst verjährter Fall, aus dem sich wohl keine heiße Akte entwickeln wird. Marie steht auf, geht im Zimmer auf und ab, trinkt einen Schluck kalten Kaffee, sucht im Schrank nach Jacke und Socken, denn jetzt erst fällt ihr auf, dass ihr fröstelt, setzt sich wieder hin


und greift nach dem grünen Heft, das den Ausweis halb verdeckt. Nun hat die Frau einen Namen. Grete Bickelmann Geboren am 22.05.19... In B... Fünfundachtzig Jahre alt. Auf dem Foto sieht Grete jung, schön und traurig aus. Wohnhaft in ... Beruf: Hausfrau. Hausfrau! Eine Hausfrau schreibt nicht einhundertfünfzig Mal hintereinander „Ich werde Manfred nicht mehr schlagen“. Eine Hausfrau kümmert sich um ihren Manfred, führt ihn aus, zeigt ihn stolz den Nachbarn, baut mit ihm Sandburgen, geht mit ihm belgisches Eis und heiße Waffeln auf der Strandpromenade essen und falls sie überhaupt etwas auf der Fensterbank abstellen muss, dann ist es der Lieblingspudding von Manfred, damit er ihn, sobald er aus der Schule kommt, sofort essen kann. Eine Mutter tut so was. Denn Manfred ist Gretes Sohn. Eine altmodische Wiegekarte, die aus dem Ausweis gefallen ist, verrät es: Manfred Bickelmann Geboren am 12.04.19... Fünfundsechzig Jahre alt. Normalerweise. Marie erschaudert. Gleichzeitig kribbelt Aufregung in ihrem Bauch. Frau Bickelmann könnte eine Kindsmörderin sein. Marie wünscht, sie wäre ihrer krankhaften Neugierde nicht gefolgt. Am liebsten würde sie den Beutel, der inzwischen stark nach nassem Hund riecht, samt Inhalt aus dem Fenster werfen, den Fernseher einschalten und den restlichen Sonntag Reiseberichte und Tierfilme anschauen.

Irgendwann eine Pizza von nebenan holen, die Hälfte davon im Karton liegen lassen und sich, wie jeden Sonntag, schwören, dass sie nie wieder dort bestellen wird, auf der Couch einschlafen, später mit steifen Nacken und Beinen wach werden und in ihr Bett taumeln. Doch dafür ist es zu spät. Sie wird Wasser für einen Tee aufsetzen, eine Packung Zigaretten aus ihrer Vorratsschublade nehmen, endlich den Aschenbecher leeren, das Licht anmachen, denn inzwischen ist es fast dunkel geworden, ihre derzeitige Lieblingsplatte 53 auflegen und jede verdammte Zeile lesen, bis sie auf so was wie eine Erklärung stößt, wenn nicht in dem grauen Aufgabenheft, dann eventuell in einem der beiden anderen. Das Rote ist noch nicht benutzt worden, auf dem Grünen steht Ausgaben. Frau Bickelmann hat, mit Lineal und Bleistift, die Anzahl der Zeilen verdoppelt, die Blätter der Länge nach zweimal halbiert. Die enge Schrift ist schwer zu entziffern. Eine Spalte ist für Manfred reserviert. Apotheke, Haferflocken, Apotheke, Haferflokken, zwei Bananen, Apotheke, Haferflocken, Apotheke. Manfred ist vom ersten Tag seines Lebens an krank gewesen. Ihrer Spalte nach zu urteilen, hat Grete Bickelmann, sowohl für sich, als auch für ihren Jungen sämtliche Kleider selbst angefertigt. Alle paar Jahre hat er Schuhe bekommen. Öfter als sie. Marie steht auf, streckt sich, erinnert sich, dass sie Tee machen wollte, geht in die Küche. Grete Bickelmann. Manfred Bickelmann. War da nicht ein Kuvert in dem Beutel? Marie stellt den Wassertopf auf dem Herd ab und kehrt, ohne die


Flamme anzuzünden, in ihr Zimmer zurück. Auf dem feuchten Umschlag ist die Adresse nicht mehr zu entziffern, doch scheint der Brief trocken zu sein. Marie faltet ungeduldig die Blätter auseinander. Einige Geldscheine fallen auf den Teppich. Kein Zweifel, der Brief ist von Grete, die inzwischen vertraute BickelmannSchrift erkennt sie sofort. H..., den 21. Juli 2... Der Brief ist von heute. Sehr geehrter Herr Pfarrer, 54 ich, Grete Bickelmann, wohnhaft in ..., möchte hiermit zwei Todsünden melden. Ich möchte Sie aber vorab bitten, sich um den Leichnam meines Sohnes Manfred zu kümmern. Ich hab’s gewusst! denkt Marie. Sie werden ihn in unserer Wohnung vorfinden. Die Tür ist nur angelehnt, so daß Sie keine Schwierigkeiten haben werden, herein zu kommen. Meinen Bemühungen zum Trotz, habe ich niemanden gefunden, der sich nach mir um meinen Manfred kümmern könnte. In der Früh habe ich ihn getötet. Ich bin, wie jeden Tag, kurz vor Sieben aufgestanden, um sein Frühstück vorzubereiten. Heute habe ich allerdings Gift unter seinen Brei gemischt. Es war schwierig ihn zu füttern denn er war sehr hungrig und unser beider Hände zitterten stark. Es war heiß heute morgen. Manfred sagte, es würde bestimmt ein Gewitter geben. Er mag diese Sommerregen. So wie ich, denkt Marie. Das Geräusch auf der Dachrinne erinnert sie an die hüpfenden, grünen Grillen, die sie als Kind so gerne auf dem ausgedörrten Rasen im Stadtpark sammelte. Fünf durfte sie in einem Marmeladenglas mit nach Hause nehmen. Bevor

sie wach wurde, ging ihre Mutter mit einer Taschenlampe in den Park, Ersatz für die toten Insekten suchen. Ob Frau Bickelmann auch für Grillen-Ersatz gesorgt hätte? Nach dem Waschen habe ich Manfred einen frischen Schlafanzug angezogen. „Warum nimmst du den Guten, Mama?“ hat er gefragt. „Weil Besuch kommt“, habe ich gelogen. Meinem Sohn Manfred entgeht nichts, wissen Sie. Ob das Gift ihm auch nicht entgangen war, fragt sich Marie, ob seine Hand deswegen so arg zitterte? Ahnte er etwa, was die eigene Mutter vorhatte? Sie liest weiter. Sechs Mal musste ich ihm unser Lieblingslied vorsingen, bis er endlich friedlich einschlief. Mit der Nagelschere habe ich eine seiner Locken abgeschnitten. Dann habe ich ein Kopfkissen genommen und es so lange und so fest ich konnte, auf sein Gesicht gedrückt. Ich habe keine Kraft mehr. Was ich nun tun werde, weil ich es tun muss, ist eine weitere Todsünde. Ich weiß es, doch für uns beide gibt es keine andere Lösung. Mit dem beiliegendem Geld möchte ich Sie bitten, eine Messe für Manfred zu lesen. Hochachtungsvoll Ihre Frau Grete Bickelmann Marie sammelt die auf dem Teppich verstreuten Sachen, wirft sie in die Tasche, zieht die nasse Wollschnur eng zusammen, steht auf, geht ans Fenster und lässt den Rollladen herunter. Sie zieht Schuhe und Jacke an, setzt sich aufs Bett, zündet eine Zigarette an, zieht die Jacke wieder aus, steht auf, geht auf und ab und vermeidet, die Tasche anzusehen. Was mache ich jetzt? fragt sie sich. Es ist zu spät, um Frau Grete Bickelmann


einzuholen. Angenommen, sie will sich von einer Brücke aus das Leben nehmen, wer weiß welche der unzähligen Brücken in der Stadt sie sich ausgesucht hat. Warum sollte es überhaupt eine Brücke sein, denkt Marie. Es gibt so viele andere Möglichkeiten. Sie zieht ihre Jacke wieder an, geht zu der Tasche, bückt sich. Ihre Hand zögert und greift zur Zigarettenschachtel. Sie setzt sich auf den Teppich, schaut auf dem feuchten Schatten, den der Beutel hinterlassen hat, legt ihre Hand darauf.

Warum sollte irgendjemand versuchen, Frau Bickelmann von ihrem Vorhaben abzuhalten? Eigentlich geht es mich gar nichts an, denkt Marie. Sie steht auf, nimmt die Tasche, macht das Licht aus, sperrt ihre Wohnungstür ab und geht die Treppe herunter. Der Sturm ist vorbei. Die Straße riecht nach nassem Sommer in der Großstadt. Langsam geht sie zur anderen Seite, legt die graue Tasche neben der Ampel an der Bushaltestelle ab. Von der Ratte ist nichts mehr zu sehen. 55

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(Auflรถsung: irgendwo im Heft!)


was für ein

viertler bist du?

– die auflösung

Die Typen: ♣

der fensterhänger (-105 bis 1 punkt)

Diese Gattung ist wind- und wetterfest. Männliche Exemplare präsentieren auch bei Minusgraden ihren Feinripp, weibliche wildgeblümte Schürzen. Der Fensterhänger ist ViertelUrgestein. In der Regel ist er seit mindestens zehn Jahren ortsansässig. Tagsüber verteidigt er seinen Parkplatz vor dem Haus mit brachialer Härte und nachts scheut er sich nicht, den Nachtviertler mittels Herbeirufen von Ordnungskräften zu unterstützen, wenn dieser Probleme mit dem Finden des Heimwegs hat. Zu behaupten, der Fensterhänger wäre griesgrämig oder gar spießig, wird ihm nicht gerecht. Denn tief im Innern ist er ein netter Zeitgenosse, nur eben ein wenig häuslicher als die 60 anderen. Die Legende besagt, dass das Idol aller Fensterhänger dereinst 52 Stunden am Stück die Stellung hielt. ♣

der steckengebliebene (2 bis 15 Punkte)

Diese häufig anzutreffende Spezies zeichnet sich vor allem durch eines aus: ein Studium, das eine beachtliche Anzahl von Semestern aufweist und NICHT abgebrochen wurde. Eigentlich hatte der Steckengebliebene das ganz anders geplant, aber, wie’s halt so ist, man steckt eben nicht drin. Dafür steckt man nun im Viertel und fühlt sich äußerst wohl dabei. Der Steckengebliebene ist lässig bis zur Provokation und meistens mit der FAZ unterm Arm anzutreffen. Des Klischees der Nickelbrille hat er sich entledigt, dafür arbeitet er hart daran, das Jobben in Cafés/Kneipen als neues Markenzeichen zu kultivieren. Unbestätigten Quellen zufolge soll der Steckengebliebene nach Vollendung des Studiums übergangslos zum Fensterhänger mutieren. ♣

der apfp (16 bis 29 punkte)

Der Aus-Prinzip-Falsch-Parker ist nicht zu verwechseln mit dem Anarcho-Viertler. Politische Gesinnung ist ihm wichtig, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Er beharrt auf dem Recht der freien Entfaltung des Individuums, was zuweilen groteske Züge annehmen kann. Trinken alle Bier, trinkt der APFP Grappa. Wählen alle SPD, wählt der APFP PDS. Wählen alle PDS, wählt er CDU. Der APFP ist nicht berechenbar, und ist, Statistiken zufolge, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im sozialpädagogischen Bereich beschäftigt. Der APFP ist ein rhetorisches Naturtalent und wäre durchaus ein guter Verkäufer, wenn er nicht diese latente Abneigung gegen alles Kommerzielle/Beliebte/Angesagte hätte. Der APFP trägt entweder (APFP introvertiertus) Jeans oder alles, was er als individuelle Art der Kleidung ansieht (APFP extrovertiertus) und genießt es, sich in die Reihen der Tag- und Nachtviertler zu mischen.


der tagviertler (30 bis 43 punkte)

Der Tagviertler besitzt eine ausgeprägte soziale Ader. Bereits zur Mittagszeit findet er sich an ausgesuchten Plätzen ein und wartet auf seine Artgenossen. Überhaupt verbringt der Tagviertler einen Großteil seines Lebens mit Warten. Er liebt es, sich präsent und zugänglich in Cafés zu positionieren und hat den Smalltalk zur Kunst perfektioniert. Im Gegensatz zum Nachtviertler ist der Tagviertler weniger rauschorientiert. Wenn überhaupt, so lässt er sich gelegentlich zu einem Gläschen Bier oder einem Viertelchen Wein nach 18:00 Uhr hinreißen. Der Tagviertler ist eine feste Instanz im Erscheinungsbild des Nauwieser Viertels. Inwieweit es Schnittmengen zwischen Tagund Nachtviertlern gibt, ist nicht ausreichend erforscht. ♣

der nachtviertler (44 bis 57 punkte)

Diese Art sticht durch eine besondere Eigenschaft heraus: das Mysterium ihrer Arbeitszeiten. Es ist nie ganz klar, wie der Nachtviertler es schafft, bis zum Eintreffen der Putzfrau dem nächtlichen Kulturangebot des Viertels zu frönen, ohne seinen Job zu verlieren. Es ist desweiteren nicht klar, ob er überhaupt einen Job hat. Dieses Phänomen erklärt sich daraus, dass der Nachtviertler ausschließlich nachts im Viertel anzutreffen ist. Der Nachtviertler taucht in Rotten oder als Einzelgänger auf. Das einzigartige Gruppenverhalten diesen putzigen Gesellen zeichnet sich durch spontanes musikalisches Mitteilungsbedürfnis aus, was ihm nicht selten zum körperlichen Nachteil reicht. Dass der Nachtviertler bei Sonnenaufgang zu Staub zerfällt, halten wir persönlich für ein Gerücht. ♣

der kulturviertler (58 bis 110 punkte)

Der Kulturviertler selbst wohnt nicht im Viertel. Aber er besucht es, so oft es ihm möglich ist. Dabei zieht er den Westen des Viertels dem Osten vor, was allerdings keinesfalls politisch zu werten ist. Der Kulturviertler hat sich zur Lebensaufgabe gemacht, sein Hochdeutsch dialektfrei zu sprechen. In seltenen Fällen gelingt ihm dies auch. Der Kulturviertler ist angetan vom Ambiente des Nauwieser Viertels, das in seinen Augen auf unverwechselbare Weise Frankophilie und studentische Hochkultur in sich vereint. Desweiteren ist er ständig darum bemüht, diese Meinung dem Vierteleinwohner mitzuteilen – was nicht selten zu Spannungen führt. Böse Zungen sagen dem Kulturviertler eine erhebliche Mitschuld an der Erhöhung der Durchschnittsmietpreise im Viertel nach. ♣

der unverstandene anarcho-viertler

(111 bis 216 punkte) Er wollte die Rebellion. Er wollte sie wirklich. Aber sie wollte ihn nicht.

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impressum

♦ Idee, Konzept, Gestaltung, Redaktion, Herausgeber:

schillingundfreunde Nauwieser Straße 38 66111 Saarbrücken Ralf Leis, Frank Schilling, Wen Ling Tan > r.leis@schillingundfreunde.de > f.schilling@schillingundfreunde.de > w.tan@schillingundfreunde.de ♦ Auflage: 10.000 Stck ♦ Litho, Druck: repa druck, Ensheim ♦ VIERTEL VOR erscheint in unregelmäßigen Abständen. Für Anzeigenschaltung fordern Sie bitte unsere Mediadaten an: > info@schillingundfreunde.de


♠ Mitwirkende (danke, sie warn bezaubernd!): ♠ Christoph Brach lebt und studiert zur Zeit Kommunikations-Design im Land der Tulpen

> zebrach21@hotmail.com ♠ Matthias Kreutzer lebt und studiert zur Zeit KommunikationsDesign im Land der Lyoner > stopyellingatme@gmx.de ♠ Germaine Paulus lebt und arbeitet im NauwieserViertel und ist sich für nichts zu schade > lidstrich@web.de ♠ Ralf Leis ist Dipl.-Kommunikations-Designer und Samstags 18.10 Uhr telefonisch nicht zu erreichen > r.leis@schillingundfreunde ♠ Undine Löhfelm ist Dipl.-Kommunikations-Designerin, ansonsten Lösungen und Antworten > uloehfelm@yahoo.com ♠ André Mailänder macht prima Bilder und weiß, welcher der schwarze König war > andre.mailaender@t-online.de ♠ Mieps Misman heißt manchmal Marc Mondial und macht neben Illustrationen und Animationen auch gern Punkrock > www.homebrainbox.com ♠ Frank Schilling ist Dipl.-Designer und kann mittlerweile ganz gut Windeln wechseln > f.schilling@schillingundfreunde ♠ Véronique Verdet studiert freie Kunst, schreibt, macht Sound und hat immer noch den feinen Kaugummiautomaten. > nuitblanche@web.de ♥ Danke für Feedback, Inspiration, Korrekturlesen, Geldeintreiben, Mutmachen, Aushalten, Stressglätten, Transkripieren, Mittrinken: Andrea, Anna, Britta, Daniel (> www.urbanculture.de), Fredl, Henriette und Robert vom MaxOphüls-Festival, Johnny Cash, Mutti, Oona, Ralf, Sophie, Veronique, Vincent und besonders: Mazze Gaspers. ♣ Ebenso bedanken wir uns bei unseren Anzeigenkunden, die dieses Projekt ermöglicht haben. ♣ Alle Rechte vorbehalten. Abdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autoren oder

Herausgebern.

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gรถtzen & accessiores

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Blick in die Kulissen


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von > Ralf Leis


nachschlag Wie soll es anders sein – zur Weihnachtszeit gehört Gebäck, feines Gebäck.

„nauwieser butterstollen” Das Rezept wurde diesmal unter schwierigsten Umständen aus der Bäckerei Stein entwendet. Deshalb ist bei den Mengenangaben darauf zu achten, dass sie für ca. 7 Stollen reichen, also geteilt durch PISA – und schon hat man die handliche Familienrezeptur.

Zutaten: 2 kg Mehl Type 550 200 g Hefe 400 g Milch 200 g Zucker 20 g Salz 1400 g Butter 1600 g Rosinen 200 g Zitronat 200 g Orangeat 200 g Mandeln 100 g Haselnüsse 200 g Läuterzucker 66 (100 g Zucker und 100 g Wasser) ca. 20 g Gewürze (Muskat, Zimt, Ingwer, Nelken und Cardamon zu je gleichen Teilen oder fertiges Stollengewürz) 1 kg Butter und Puderzucker Läuterzucker: Wasser und Zucker zu je gleichen Teilen zusammen auf 105 ° C aufkochen. Läuterzucker eignet sich auch als Teigzutat zum Tränken von Böden, zum Verdünnen von Glasuren, zum Süssen von Sahne u.s.w. und in unserm Fall zum Einlegen der Trockenfrüchte. Zubereitung: Die Rosinen heiß waschen, abtrocknen und mit dem kleingewürfelten Orangeat, den Mandeln und Haselnüssen und der halben Menge der Gewürze mischen. Den Läuterzucker dazugeben. Am besten in einem dichtverschlossenen Behältnis (z. B. Einmachglas) mehrere Tage durchziehen lassen, dabei täglich einmal durchmengen.

Vorteig / Zutaten: 800 g Mehl 100 g Hefe 300 g Milch 40 g Zucker Alle Zutaten sollten Zimmertemperatur haben. Gut gemischt und durchgeknetet mit einem Tuch abgedeckt 1-2 Stunden gehen lassen. Hauptteig: Die restlichen Mengen von Mehl, Hefe, Milch, Gewürzen, Salz, Butter und Zucker zum Vorteig dazugeben und wieder mischen, anschliessend gut durchkneten. Zum Schluss die eingeweichten Früchte mit den Nüssen und den Gewürzen vorsichtig unterheben. Nun wird der Teig abgewogen und in je 900 g schwere Teile zerteilt. Den Teig etwa 5 cm dick ausrollen, in die Mitte eine Muhle drücken und die Teighälften längs übereinanderklappen. Auf ein gefettetes Backblech legen oder in spezielle Stollenformen. Die Stollen auf der unteren Schiene etwa 15 min im auf 200°C vorgeheizten Backofen backen. Die Hitze dann auf 180°C reduzieren und eine Stunde weiterbacken. Die noch heißen Stollen mit flüssiger Butter auf allen Seiten mehrmals gut einpinseln. Nach einem Tag Lagerung (in einem möglichst kühlen Raum) die Stollen mit Puderzucker bestäuben und in Folie einpacken. Nach circa 2 Wochen Lagerung entwickelt ein solcher Stollen erst den richtigen Geschmack und ist auch längere Zeit haltbar. Gutes Gelingen!


WEIHNACHTSGRUSSE VOM

Nauwieserviertel Saarbr端cken



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