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Anziehend köstlich
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as Taxi vom Flughafen fährt durch die warme Nacht ins Herz von Lima, nach Miraflores. Dort bin ich im „Rafael“ mit Freunden verabredet, die auch angereist sind, um die Modewoche Perú Moda zu besuchen. Mich überrascht, wie viele Labels hier produzieren, darunter Marc Jacobs, Hugo Boss, Polo Ralph Lauren, Sandro, Tommy Hilfiger, Lacoste, Calvin Klein und Max Mara. Während ich mich im Restaurant umschaue, wird mir bewusst, dass dies der erste Ort ist, den ich in Peru entdecke. Bisher war das Land für mich eine Klischee-Collage aus Machu Picchu, Regenwald und farbenprächtigen Stoffballen auf
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Textilmärkten. Lima, in der Jaqaru-Sprache „gelbe Blume“, kam darin gar nicht vor. Und weil ich es diesmal versäumt hatte, mein Reiseziel vorab zu recherchieren, war mir entgangen, dass in Peru gerade Winter herrscht, wenn auch ein milder, vergleichbar mit unserem Frühling. Die Fischgerichte sind so köstlich, dass unsere Gespräche kurz verstummen. Lima ist ein Sehnsuchtsort für Feinschmecker, einige der hiesigen Restaurants tauchen auf der Liste der Weltbesten auf, dar-
Die Kreativität treibt die buntesten Blüten in der Stadt, die „gelbe Blume“ heißt
unter auch das „Rafael“. „Vor ein paar Tagen habe ich hier Mario Testino und Mario Vargas Llosa gesehen“, erzählt eine Bekannte, die früher eingeflogen war, um in einem Dorf am Amazonas bei einer Schamanenzeremonie den psychedelisch wirkenden Ayahuasca-Trank zu sich zu nehmen: „Die Erfahrungen unter dem Einfluss des Pflanzensafts ersparen dir zehn Jahre Therapie“, sagt sie, „aber zu dem Ritual gehört auch eine bestimmte Diät, um die Giftstoffe zu absorbieren, deshalb sollte man die Völlerei in Lima zeitlich vom Erleuchtungs-Trip trennen.“ Beim Herausgehen steuern wir die Limousinen vor dem Lokal an, aber Carrie, unsere einheimische Freundin, hält uns zurück: „Darauf fallen nur Touristen herwww.vogue.de / VOGUE SEPTEMBER 2015
Foto: Mario Testino/Art + Partner
Mode, Kunst, Esskultur: Lima, nicht Machu Picchu ist das schönste Abenteuer, das Peru zu bieten hat
GUTE AUSSICHTEN Diese Seite:
Limas Waterfront, fotografiert von Mario Testino. Linke Seite: 1 Die Peruanerin Adriana Cachay (links) und die Dänin Laerke Skyum leiten das „Ayni Design Lab“, das auf Strickwaren aus Alpaka spezialisiert ist (Foto rechts); „Ayni“ ist Quechua und bedeutet „gut für alle“. 2 Auftritt von Alessandra Petersen, einer Avantgardistin der jungen Modeszene in Lima, auf der Fashionshow „Perú Moda“ Ende Mai 2015. 3 AlpakaKimono aus dem Atelier des Designers Jorge Salinas. 351
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INFOS & TIPPS Lima und Cusco
ANREISE Mit Lufthansa, Lufthansa.com, z. B.
von Frankfurt und München via Bogotá; mit KLM, Klm.com, z. B. von München via Amsterdam, oder mit American Airlines, Aa.com. REISEZEIT Ganzjährig. Von Juni bis September herrscht in Lima ein milder, unserem Frühling vergleichbarer trockener Winter, ideal ist die Zeit für Outdooraktivitäten in den Anden; die sommerliche Idealzeit für Lima und die Küstenregionen währt von Dezember bis Mai. HOTELS Lima: „Hotel B“, 4-Sterne-Boutiquehotel im Viertel Barranco, Hotelb.pe; „Country Club Lima Hotel“, Luxushotel im exklusiven Viertel San Isidro, das zugehörige „Perroquet“ gilt als bestes Hotelrestaurant des Landes, Hotelcountry.com; „Belmond Miraflores Park“, Luxushotel im Szeneviertel Miraflores, Belmond.com/miraflores-park-lima. Cusco: „Belmond Hotel Monasterio“, wunderschöne Anlage mit der Bausubstanz eines alten Klosters, Belmond.com/hotel-monasterio-cusco. RESTAURANTS in Lima: 1 „Astrid y Gastón“, exquisit experimentell, Astridygaston.com; 2 „Central“, hervorragende peruanische Küche, Nr. 4 der weltbesten Restaurants, Centralrestaurante.com.pe; 3 „Cala“, mit dem schönsten Meerblick der Stadt, Calarestaurante.com. 4 „Rafael“, Hochgenuss mit Ambiente in Miraflores, Rafaelosterling.pe; MUSEUM MATE (Centro Cultural Mario Testino) mit Ausstellungen seiner Fotografien und Werken zeitgenössischer peruanischer Künstler, Mate.pe.
erkunden zu können: zunächst auf einen Sundowner ins „Cala“ mit Meerblick, danach ins „Central“ von Virgilio Martínez, das auf Platz 4 der Liste der weltbesten Gourmetadressen steht. Der nächste Tag beginnt mit der Präsentation der Dänin Laerke Skyum und der Peruanerin Adriana Cachay in der Galerie 80M2 Livia Benavides. 2006 haben die Freundinnen ihr „Ayni Design Lab“ gegründet, eine auf nachhaltige Produktion spezialisierte Sourcing-Agentur für internationale Modemarken mit einer eigenen Kollektion unter dem Label Ayni. „Ayni“ beschreibt das Prinzip der Reziprozität, da man sich bei den Andenvölkern gegenseitig unterstütze, statt Geld auszutauschen. Laerke und Adriana stellen mir Carla Bedoya Santos vor, die Direktorin der Modefakultät, und ihre Stellvertreterin Alexandra Roodman. Wir fahren zusammen zur Universität, wo ich den Studentinnen – männliche Schüler sind rar – beim Zeichnen und Zuschneiden zusehe. Nur wenige können sich den Traum einer Karriere im Modedesign leisten: Ohne Stipendium kostet die Ausbildung 50 000 US-Dollar. Dafür wird man hier gründlich auf die Berufsrealität vorbereitet. nschließend fahre ich mit dem Taxi ins Szeneviertel Barranco, wo ich das Museum MATE von Mario Testino besuchen will, ein wichtiges Forum für einheimische Künstler. Im Café treffe ich seine langjährige Vertraute Martha Zegarra, die mit ihm an diversen Projekten arbeitet. Später kommt Testino dazu. Er fragt, ob ich schon nebenan im Museo Pedro de Osama war, und empfiehlt, ein paar Tage dranzuhängen, um Zeit zu gewinnen für Limas imposante Kathedralen, z. B. den Convento San Francisco, oder die „Casa de Aliaga“, das älteste Haus der Stadt. „Lima hat schon immer meine Arbeit inspiriert – Farben, Architektur, Traditionen und Geschichte“, bekundet er leidenschaftlich. Trotz all der Reisen zwischen Europa und den USA schafft es Testino, einmal im Monat für ein paar Tage hierherzukommen. Weil ich bekenne, dass nicht nur Lima, sondern ganz Peru für mich Neuland ist, rät er zu einer baldigen Entdeckungsreise und gibt mir dafür ein paar Tipps: Die Textilmärkte in Chincheros müsse ich unbedingt durchstreifen, die Strände bei Punta Rocas und den Natio-
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1 Mario Testino mit Chiara
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www.vogue.de / VOGUE SEPTEMBER 2015
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ENTDECKT
Macchiavello, der Gründerin des Modelabels Escudo. 2 Zeigt Flagge: Das Museo Mario Testino, MATE, in Limas Künstlerviertel Barranco widmet sich der Förderung zeitgenössischer Kultur in Peru. Neben Werken einheimischer Künstler sind permanent Fotografien von Testino ausgestellt. 3 Laden in Barranco. 4 Einblick ins „Hotel B“, das „B“ steht für Barranco, aber auch für „Beauty“. 5 Farbenfroh: Stoffbänder auf einem Markt in Lima.
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Redaktion: Mathias Forster; Fotos: ddp images/Leandro (1), agefotostock (1), Esma Annemon Dil (1)
ein.“ Also eilen wir davon in Richtung Hauptverkehrsstraße, um uns allesamt in ein klappriges Taxi zu zwängen, die High Heels aus den Fenstern hängend. m Hotelzimmer finde ich in einem Paket Broschüren, die vor Nachtfahrten mit unregistrierten Taxis warnen oder von Perus Modeindustrie erzählen. Im Vergleich zum Rest der Welt besitzt die Baumwolle, die an der nördlichen Küstenregion angebaut wird, doppelt so lange Fasern und ist seidiger als die anderer Länder. Eine weiche Alpakadecke ist auch im Paket. 80 Prozent aller Alpakas leben in Peru, ihre Züchter haben eine enge Beziehung zu ihnen. Ihre Tradition, Strickwaren von Hand herzustellen, besteht in den peruanischen Anden seit Jahrtausenden. Nahe dem Laufsteg der Perú Moda findet die Geschenkemesse statt, mit Ausstellern, die die gesamte Fertigung von hochwertigen Kollektionen anbieten. Ich erfahre, dass Giorgio Armani schon seit zwanzig Jahren mit der erstklassigen peruanischen Fairtrade-Baumwolle arbeitet. Im tiefgekühlten Medienzimmer empfängt uns Handels- und Tourismusministerin Magali Silva. Unter ihrer Regie soll das Land noch interessanter für die Produktion internationaler Luxuskollektionen werden und gleichzeitig peruanische Labels auf den globalen Vertrieb vorbereiten. Die einheimische Designerin Alessandra Petersen erzählt backstage, dass der Staat sogar Laufsteg, Models, Haarund Make-up-Styling kostenlos zur Verfügung stellt und so den Kreativen die üblichen fünf- und sechsstelligen Investitionen in eigene Runwayshows erspart. Als Nächstes zeigt Jorge Salinas seine kunstvoll gestrickten Kimonos, für die er etwa hundert Handarbeitsexpertinnen aus dem ganzen Land für fünf Monate nach Lima geholt hat. Das extravagante Projekt kann sich der 43-Jährige dank seiner Sportswear-Marke Emporium leisten. Außerdem gehört seinen Eltern Gamarra, das größte Textilimperium von Peru, das sich in Lima über zwanzig Straßenblocks erstreckt. Seine Show gewinnt den Hauptpreis: von der Kaufhauskette Macy’s in den USA ausgestellt zu werden und acht Monate lang in Washington mit dem Modegiganten eine neue, kommerzielle Kollektion zu entwickeln. Am Abend bin ich doppelt gebucht, um zwei weitere Restaurants mit Kultstatus
nalpark Tambopata, „einen schöneren gibt es nicht auf der Welt“, und natürlich die drei herrlichsten Städte des Landes, Arequipa im Süden, Iquitos im Dschungel und Ayacucho in den Anden. Besonders ans Herz legt er mir die Besichtigung der überdimensionalen Figuren und Landschaftslinien, die von der NazcaKultur hinterlassen wurden, „am besten vom Propellerflieger aus“. Während er von seiner Heimat weiterschwärmt, arrangiert Martha Zegarra für mich einen Termin im Atelier von Chiara Macchiavello – sie ist mit der Designerin befreundet. uf dem Weg liegt der Kunsthandwerksladen Dédalo, in dem ich mich dafür entschädige, dass ich all die Empfehlungen auf den nächsten Besuch verschieben muss. Ich gebe meine letzten SolesScheine für ein Silberarmband aus, was ich sofort bereue, da Taxis nur Bargeld nehmen. Zum Glück funktioniert die Fahrservice-App Uber in Lima, und ich muss nicht zu Fuß ins Designstudio, wo mich
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Macchiavello und ihre Geschäftspartnerin Janice Rubini empfangen. Die Alpakaund Baumwollkollektion ihres Labels Escudo ist clean geschnitten und in Naturtönen mit dezenten, traditionellen Mustern gehalten. Vieles davon, auch die große Ledertasche, hat Lieblingsstück-Potential. Ich erwäge einen Tagesausflug nach Cusco, doch davon wird mir abgeraten, da man sich langsam an die Höhe gewöhnen sollte. Stattdessen arbeite ich Testinos Liste brillanter zeitgenössischer Künstler ab: José Carlos Martinat, Miguel Andrade, Ishmael Randall, Gilda Mantilla, José Vera, Gabriel Acevedo, William Cordova,
Köche haben Starstatus. Vielleicht wird Gastón Acurio der nächste Präsident
Philippe Gruenberg, Armando Andrade in den Galerien Frances Wu, Revolver, Lucía de la 5 Puente und Garúa. Testino hatte betont, dass er die junge Künstlergeneration für besonders intelligent, talentiert und politisch engagiert hält. Der Tag klingt aus mit einem Fest der Kochkunst im Restaurant „Astrid y Gastón“. In Lima haben Köche Starstatus, und der berühmteste von allen ist Gastón Acurio, der sich vielleicht als nächster Präsidentschaftskandidat aufstellen lassen wird. 27 Köche stehen nur für meine zwei Kolleginnen und mich in einer der fünf Küchen bereit, um das experimentelle 27-Gänge-Menü zuzubereiten, darunter ein Meerschweinchen-Macaron und ein auf Molekularebene dekonstruierter Pisco Sour mit Trockeneis. Das Erlebnis dauert knapp vier Stunden, und wir verpassen fast den Rückflug. Beim Einchecken lade ich eine Spanisch-App herunter. Schließlich will ich bald wiederkommen, dann für die Klischee-Collage. Esma Annemon Dil DIESE SEITE MIT DER BLIPPAR-APP SCANNEN, UM DAS KOMPLETTE INTERVIEW MIT MARIO TESTINO ÜBER PERU ZU LESEN
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