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Anästhesiepflege in Österreich – ähnlich und doch ganz anders?

Während dipl. Experten/Expertinnen Anästhesiepflege NDS HF diese Fähigkeiten im Rahmen ihrer 2-jährigen Weiterbildung (Nachdiplomstudiengang) strukturiert erlernen, sind österreichische Anästhesiepflegende gefordert, sich angewandtes Wissen über die Anästhesieführung primär aus dem Praxisalltag durch Beobachtung und Hinterfragen anzueignen, wobei sich je nach Interesse der Lernfortschritt stark unterscheiden kann. Zahlreiche engagierte Anästhesiepflegende berichten, dass genau dieses Hinterfragen durchaus zu einer Missstimmung bei den ärztlichen Mitarbeitenden und in der interprofessionellen Zusammenarbeit führen kann. Während die Pflegepersonen ein umfangreiches anästhesiologisches Verständnis anstreben, besteht die Gefahr, dass dieser Wissensdurst als Kritik missverstanden wird. Zu erklären ist dies mit dem deutlichen Hierarchieunterschied zwischen Pflege und Ärzteschaft.

Akademisierung und Professionalisierung

Die zunehmende Professionalisierung und die damit verbundene Akademisierung ist in Österreich merkbar weiter vorangeschritten als in der Schweiz. So kann die Expertise in Anästhesiepflege neben einer Gesundheits- und Krankenpflegeschule auch an einer Fachhochschule mit dem Abschluss «Akademische Expertin bzw. Akademischer Experte in der Anästhesiepflege» erworben werden. Die Ausbildungsdauer an einer Fachhochschule ist nicht einheitlich und bewegt sich derzeit zwischen zwei und drei Semestern. Derzeit gibt es Bestrebungen, die Anästhesieausbildung auf ein Masterniveau zu überführen, wobei hier noch zahlreiche Fragen offen sind. So ist zum Beispiel unklar, welche Kompetenzen mit einem Master of Science erworben werden und wie zukünftige Absolventen gemäss ihrem Abschluss eingesetzt werden können. Für einen erweiterten Kompetenzbereich in Anlehnung an den Tätigkeitsbereich einer Nurse Anaesthetist (NA) müssten allerdings noch die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Ausbildungsstruktur grundlegend reformiert werden.

Eine in Österreich durchgeführte quantitative Umfrage mit 480 befragten Kollegen in Bezug auf eine Professionalisierung in der Anästhesiepflege ergibt, dass es in einigen Institutionen üblich ist, dass ärztliche Tätigkeiten bereits an Anästhesiepflegende delegiert werden, obwohl die Tätigkeiten durch die Gesetzgebung nicht gedeckt sind. Deutlich waren die Ergebnisse bei der Frage, ob ein Wunsch nach einer profunderen Ausbildung und einer Kompetenzerweiterung besteht. Rund 65% wünschen im Rahmen einer ärztlichen Delegation mehr Befugnisse und sind bereit, dafür Eigenverantwortung zu tragen, während 34% erweiterte Befugnisse ablehnen. 96% der Befragten sprechen sich bei einer Erweiterung der Kompetenzen für eine adäquate Ausbildung aus (5).

Erfahrungsbericht

Ich habe in Österreich viel erlebt und gelernt, was meine Arbeitsweise wesentlich geformt hat. Den Wechsel in die schweizerische Anästhesiepflege habe ich als sehr positiv, aber auch als herausfordernd erlebt. Ich möchte weder die österreichische noch die schweizerische Anästhesiepflegeausbildung missen, da beide ergänzend meine fachliche Expertise massgeblich geprägt haben. Auch durch das langjährige Mitwirken an der Seite von erfahrenen ärztlichen Mitarbeitenden in der Anästhesie konnte ich vieles lernen. Die Kombination meiner Erfahrungen aus beiden Ländern und die Aussicht darauf, diese an einem internationalen Austausch weitergeben zu können, stimmen mich positiv. Mein Anästhesiepflege-Herz schlägt für beide Länder gleichermassen – eine Rückkehr nach Österreich als Anästhesiepflegende ist für mich persönlich bei den aktuellen Rahmenbedingungen und ohne Neuausrichtung derzeit aber nicht vorstellbar.

Zusammenfassung

In vielen Belangen ist die Schweiz dem benachbarten Österreich weit voraus. So gibt es in der Schweiz seitens der SIGA/ FSIA und SSAPM ein klares Bekenntnis zur pflegerisch-selbständig durchgeführten Anästhesieführung unter ärztlicher Delegation (7, 8). Auch die Einsatzgebiete in der Anästhesiepflege könnten in Kombination mit einer Ausbildung auf Masterstufe vielfältiger im interprofessionellen Austausch gelebt werden. Während in der Schweiz – etwa mit dem Projekt Pflegeexperte/-expertin APN (Advanced Practice Nurse) – die Entwicklung eines Berufsprofils forciert wird, steckt Österreich hier vergleichsweise noch in den Kinderschuhen (6). Die APN und deren Berufsprofil im Setting der Anästhesie ist in der österreichischen Pflegepraxis noch kein Thema, während es im Schweizer Setting bislang (noch) sehr wenig Berufsvertretende gibt. Hier bedarf es in beiden Ländern noch viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit. Dies sowohl im ärztlichen, wie auch dem pflegerischen Kontext.

Während die SIGA/FSIA als etablierter Fachverband eine gewichtige Stimme in der anästhesiologischen Versorgung hat, kämpft die österreichische Anästhesiepflege um Akzeptanz, Wertschätzung und Anerkennung der eigenen Profession durch andere Berufsgruppen innerhalb und ausserhalb des Gesundheitswesens. Insgesamt stehen der österreichischen Anästhesiepflege mit Fragen der Ausbildung, des Kompetenzbereichs, der gesetzlichen Grundlagen, des Akademisierungs- und Professionalisierungsvorhabens und der Erweiterung von Einsatzgebieten mehrere potenzielle Umbrüche bevor. Mit diesen Fragen setzt sich die Berufsgruppenarbeitsgemeinschaft (BAG) und der Österreichische Berufsverband für Anästhesie- und Intensivpflege (ÖBAI) auseinander. Da es sich dabei jedoch um bedeutungsvolle Reformen handelt, bleibt abzuwarten, ob es tatsächlich zu essenziellen Veränderungen kommen wird. Ansätze dazu sind in jedem Fall deutlich zu erkennen, die zu überwindenden (ideologischen) Hindernisse sind aber enorm.

Kontakt:

Christine Schmutz, MSc. Stv. Leitung Pflege Anästhesie, Spital Aarberg, Inselgruppe AG Dipl. Expertin Anästhesiepflege NDS HF Akad. Expertin für Intensivpflege Master of Science in Gesundheits- und Pflegepädagogik redaktion@siga-fsia.ch

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