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Kolumne
Eine Kurzgeschichte über kreative Heckenschnitte und badende Fliegen.
Keeoma Fischer Unterseen
In meinen Jahren in Tansania durfte ich in einem schönen Haus mit viel Umschwung leben. Das war Segen und Fluch zugleich, zumal Mutter Natur besonders in der Regenzeit verrückt spielt und es aus allen Ecken wuchert. Häuser in Tansania sind häufig umgeben von einer hohen Hecke. Das ist übrigens nicht, um die Elefanten und Giraffen vom Grasen im Garten abzuhalten, sondern eher um unerwünschte Gäste fernzuhalten. Diese Art von unerwünschten Gästen, welche auch gerne mal etwas mitgehen lässt.
Ich erinnere mich gerne an einen Tag zurück, ganz am Anfang meiner Zeit als frischgebackene Auswanderin, gerade erst eingezogen im Haus, mit einem Glas frisch gepresstem Orangensaft auf der Veranda. Ich sass da und bestaunte die wunderschönen Pflanzen und Bäume in der Umgebung. Ich bin ja immer wieder fasziniert, wie riesig die Blätter sind, welche die Pflanzen und Bäume in Tansania schmücken. Da können unsere kleine Buchenblätter einpacken … Aber ich denke, nicht umsonst nennen wir Ostafrika die Wiege der Menschheit, ein Ursprungsort von so vielem. Da war ich nun also, in meinem neuen Zuhause, unglaublich aufgeregt und neugierig, was die kommende Zeit wohl bringen mag. Von einem lauten Klopfen am Tor, welches das Grundstück verschliesst, wurde ich abrupt aus meinen Tagträumen gerissen. Schnell lief ich dahin und streckte meinen Kopf aus der Öffnung: Ich fand einen breit grinsenden Herren, etwa Mitte Dreissig, bepackt mit Gartenwerkzeug, vor. Ach ja! Der Gärtner, der die Hecke bändigen soll. «Karibu» sagte ich, und er spazierte rein. Er redete unaufhörlich in einer für mich noch unverständlichen Sprache mit einem unüberhörbaren Lispeln auf mich ein und ich nickte einfach freundlich und lachte, als hätte ich ohne weiteres alles verstanden. Womöglich erzählte er später zu Hause, dass weisse Frauen aber auch über jeden Mist lachen müssen ... Nach unserem sehr einseitigen Gespräch überliess ich ihn alleine an der Hecke seiner Arbeit und ging zurück auf die Veranda, wo der gemütliche Sessel zum Tagträumen bereits auf meine Rückkehr wartete. Und der Orangensaft, in dem mittlerweile eine Fliege badete. Für eine ganze
«Man braucht eine Weile um festzustellen, dass die Nonperfektion die eigentliche Perfektion ist. »
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Weile war ich einfach nur wieder vertieft in meine Gedanken und damit beschäftigt, die Fliege vor dem Orangensaft zu retten. Oder vielleicht eher den Orangensaft vor der Fliege. Nebenbei hörte ich dem Grillenzirpen, Vogelzwitschern und den spielenden Kindern der Nachbarschaft zu. Dazwischen kamen immer wieder diese lieblichen Schnippelgeräusche der Gartenschere. Nach einiger Zeit schaute ich hoch zur Hecke. Was ich dann erblickte, war einfach nur Alltagskomik hoch zehn. Schiefer und wellenförmiger könnte ein Heckenschnitt gar nicht sein. Als hätte er meinen Blick gespührt, drehte er sich wie auf Kommando um, zeigte mir seinen Daumen nach oben, lachte übers ganze Gesicht und war offensichtlich sehr stolz auf seine bisherige Arbeit. Natürlich lachte ich und gab ihm ein sehr enthusiastisches Daumennach-oben zurück. Diese kleine Alltagsgeschichte bedeutet viel für mich und ich denke oft an diesen Tag zurück. Zum einen hat es mich gelehrt, dass ich mich gerade in eine Kultur einlebe, die Perfektionismus nicht so kennt wie wir. Zum anderen aber auch, dass wir in unserer Kultur sehr viel Perfektionismus erwarten, und dadurch einen grossen Druck verursachen und an uns selbst erleben: sei es auf dem Arbeitsmarkt, in der Familie oder unter Freunden. Müssen wir immer alles perfekt können und das noch besser als alle anderen? Ich finde, es ist in Ordnung, auch manchmal etwas zu tun, worin man kein Supertalent ist, es aber gerne macht und vor allem dabei Freude zeigen kann. Egal was andere davon halten. Danke an diesen netten jungen Herren, der mich im Alltag oft daran erinnert, dass ich nicht perfekt sein muss und dennoch weiter grinsen darf.
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